id,date,summary,judgement bverwg_2017-1,26.01.2017,"Pressemitteilung Nr. 1/2017 vom 26.01.2017 EN EuGH soll Unionsrechtskonformität des Visumerfordernisses beim Ehegattennachzug zu türkischen Staatsangehörigen klären Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in einem Verfahren, in dem es um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden türkischen Arbeitnehmer geht, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg zur Klärung von Fragen zur Reichweite des „Verschlechterungsverbots“ (Stillhalteklausel) im Assoziationsrecht EU/Türkei angerufen. Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihr Ehemann, ebenfalls türkischer Staatsangehöriger, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Deutschland. Mit einem Schengen-Visum reiste sie 2013 über die Niederlande nach Deutschland und beantragte im Mai 2013 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Sie leide an einer chronischen Anämie, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Typ 2) und sei außerdem Analphabetin, weshalb sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nachgewiesen habe, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne, und weil sie ohne das erforderliche nationale Visum nach Deutschland eingereist sei. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Es war der Auffassung, beide Versagungsgründe könnten der Klägerin wegen der assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 13 ARB 1/80 bzw. Art. 7 ARB 2/76 nicht entgegengehalten werden. Der 1. Revisionssenat sieht Klärungsbedarf, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumerfordernis beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 vereinbar ist. Er hat hierzu dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens mehrere Fragen vorgelegt, u.a. auch zur Fortgeltung dieser Stillhalteklausel für Rechtsveränderungen, die - wie hier die Einführung der Visumpflicht für nachziehende Ehepartner - kurz vor Inkrafttreten der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 in Kraft getreten sind. Hinsichtlich der Vereinbarkeit des Spracherfordernisses mit Unionsrecht sieht der Senat wegen der während des Klageverfahrens in Kraft getretenen Härteklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG keinen Klärungsbedarf mehr. Nach dieser vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Regelung ist vom Spracherfordernis abzusehen, wenn es dem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Dies wird nach der Beantwortung der Vorlagefragen vom Tatsachengericht zu klären sein. Die Vorlagefragen sind als Anlage beigefügt. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsverfahren ausgesetzt. Fußnote: Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist die Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 durch die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 vollständig ersetzt worden oder ist die Rechtmäßigkeit neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 eingeführt worden sind, weiterhin nach Art. 7 ARB 2/76 zu beurteilen? 2. Falls Frage 1 dahin zu beantworten ist, dass Art. 7 ARB 2/76 nicht vollständig abgelöst worden ist: Ist die zu Art. 13 ARB 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in vollem Umfange auch auf die Anwendung des Art. 7 ARB 2/76 mit der Folge zu übertragen, dass Art. 7 ARB 2/76 dem Grunde nach auch eine mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführte nationale Regelung erfasst, mit der der Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird? 3. Ist die Einführung einer solchen nationalen Regelung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwanderungskontrolle und der Steuerung der Migrationsströme gerechtfertigt, wenn besonderen Umständen des Einzelfalls durch eine Härtefallklausel Rechnung getragen wird? BVerwG 1 C 1.16 - Beschluss vom 26. Januar 2017 Vorinstanz: VG Stuttgart, 11 K 3155/15 - Urteil vom 13. November 2015 -","Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumerfordernis beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 (juris: EWGAssRBes 2/76) vereinbar ist. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist die Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 durch die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 vollständig ersetzt worden oder ist die Rechtmäßigkeit neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 eingeführt worden sind, weiterhin nach Art. 7 ARB 2/76 zu beurteilen?2. Falls Frage 1 dahin zu beantworten ist, dass Art. 7 ARB 2/76 nicht vollständig abgelöst worden ist: Ist die zu Art. 13 ARB 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in vollem Umfange auch auf die Anwendung des Art. 7 ARB 2/76 mit der Folge zu übertragen, dass Art. 7 ARB 2/76 dem Grunde nach auch eine mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführte nationale Regelung erfasst, mit der der Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird?3. Ist die Einführung einer solchen nationalen Regelung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwanderungskontrolle und der Steuerung der Migrationsströme gerechtfertigt, wenn besonderen Umständen des Einzelfalls durch eine Härtefallklausel Rechnung getragen wird? Gründe IDie Klägerin, eine im Jahr 1964 geborene türkische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.Der Ehemann der Klägerin ist ebenfalls türkischer Staatsangehöriger. Er reiste 1995 nach Deutschland ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Seit jedenfalls 2005 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und seit April 2009 bei einer Bäckerei mit einem monatlichen Nettogehalt von 1 500 € beschäftigt. Nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau heiratete er im August 2004 die Klägerin. Das Ehepaar hat drei erwachsene Kinder, die in der Türkei bzw. in Deutschland und Österreich leben.Bereits im Jahr 2007 hatte die Klägerin bei der deutschen Botschaft in Ankara ein Visum zum Ehegattennachzug zu ihrem deutschen Ehemann beantragt. Diesen Antrag sowie zwei weitere Visumanträge im Jahr 2011 hatte die deutsche Botschaft wegen unzureichender Deutschkenntnisse der Klägerin abgelehnt.Im März 2013 reiste die Klägerin mit einem von der niederländischen Botschaft in Ankara ausgestellten Schengen-Visum in die Niederlande ein, um dort ihre Schwester zu besuchen. Sie reiste im April 2013 weiter zu ihrem Ehemann nach Deutschland.Im Mai 2013 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Sie leide an einer chronischen Anämie, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Typ 2) und sei außerdem Analphabetin. Aufgrund dessen sei sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen.Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom März 2014 ab, weil die Klägerin nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nachgewiesen habe, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne, und weil sie ohne das erforderliche nationale Visum in das Bundesgebiet eingereist sei.Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG. Ihrem Anspruch stehe nicht entgegen, dass sie sich unstreitig nicht, wie es § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erfordere, in deutscher Sprache verständigen könne. Denn diese Bestimmung stehe nicht in Einklang mit den Stillhalteklauseln des Assoziationsrechts (Art. 7 ARB 2/76 bzw. Art. 13 ARB 1/80). Auch der Verstoß gegen das Visumerfordernis (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 AufenthG) könne der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Denn die Notwendigkeit für türkische Staatsangehörige, ein Visum zum Ehegattennachzug einzuholen, verstoße gegen die Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76. Die Einführung der Visumpflicht für den Ehegattennachzug durch die am 5. Oktober 1980 in Kraft getretene Elfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 (BGBl. I S. 782) stelle eine neue Beschränkung im Sinne der Stillhalteklauseln dar, weil das Visumerfordernis auf Grund des Prüfungsumfanges, der damit verbundenen Kosten und der Verfahrensdauer sowie der Folgen einer möglichen Ablehnung eine nicht unerhebliche Erschwernis für den begünstigten türkischen Arbeitnehmer mit sich bringe. Zwar habe der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner jüngsten Rechtsprechung Einschränkungen zu Lasten der Arbeitnehmer und Selbständigen zugelassen, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien. Diese Voraussetzung sei hier jedoch nicht erfüllt.Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen (Sprung-)Revision macht die Beklagte insbesondere geltend, der Klägerin könne wegen der fehlenden Sprachkenntnisse, aber auch deshalb keine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erteilt werden, weil sie nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Visum eingereist sei. Das Visumerfordernis verstoße nicht gegen eine Stillhalteklausel. Art. 7 ARB 2/76 finde nach dem Inkrafttreten des Art. 13 ARB 1/80 keine Anwendung mehr. Auch werde ein Familienangehöriger, der selbst nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern den Familiennachzug erstrebe, vom Anwendungsbereich des Art. 7 ARB 2/76 nicht erfasst. Ob eine ""neue Beschränkung"" im Sinne des ARB vorliege, sei daher allein aufgrund der Regelung des Art. 13 ARB 1/80 zu prüfen, die ab 1. Dezember 1980 anwendbar sei. Zu diesem Zeitpunkt habe aber bereits die uneingeschränkte Visumpflicht für türkische Staatsangehörige gegolten. Unabhängig hiervon sei die Visumpflicht auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, denn die Steuerung der Migration sei ein hochrangiges Gemeinschaftsziel.Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 7 des Beschlusses Nr. 2/76 über die Durchführung des Art. 12 des Abkommens von Ankara vom 20. Dezember 1976 (im Folgenden: Beschluss Nr. 2/76) und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Verpflichtungsklage ist das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert mit Wirkung 29. Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155), maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 28. April 2015 - 1 C 21.14 - BVerwGE 152, 76 Rn. 12 m.w.N.).Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:§ 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland...§ 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG-Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht.Die Aufenthaltstitel werden erteilt als1. Visum in Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,2. Aufenthaltserlaubnis (§ 7)...§ 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen...(2) 1Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ... voraus,dass der Ausländer1. mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und2. die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.2Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.§ 6 Visum(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:1. ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum)2. ...(2) ...(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird.§ 30 Ehegattennachzug(1)1Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn...2. der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann...3Satz 1 Nr. 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn...2. der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,...6. es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen.2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.a) Keinen Klärungsbedarf sieht der vorlegende Senat im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Spracherfordernisses beim Nachzug zum Ehegatten mit Unionsrecht, wie es in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelt ist. Dieses ist zwar eine neue Beschränkung im Sinne des Assoziationsrechts EWG-Türkei, es ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt, wie dies der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Urteilen in der Sache Dogan (Urteil vom 10. Juli 2014 - C-138/13 [ECLI:EU:C:2014:287]) und Genc (Urteil vom 12. April 2016 - C-561/14 [ECLI:EU:C:2016:247]) als möglich angesehen hat. Denn es dient der Integration der Nachzugswilligen. Dem unionsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit wird durch die während des Klageverfahrens in Kraft getretene Härtefallklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG Rechnung getragen.aa) Nach den für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) verfügt die Klägerin über keinerlei Deutschkenntnisse, was der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug entgegensteht (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Sie ist vom Nachweis der erforderlichen Sprachkenntnisse auch nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG befreit, da sie am Spracherwerb nicht wegen Krankheit oder Behinderung gehindert ist. Damit wird der Nachzug der Klägerin zu ihrem Ehemann aber nicht ohne Prüfung von individuellen Härtegründen ausgeschlossen. Vielmehr ist mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung von 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) die Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG geschaffen worden. Nach dieser Bestimmung ist die Voraussetzung des Spracherwerbs unbeachtlich, wenn es dem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Diese Gesetzesänderung, die das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt hat, diente der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs in der Sache Dogan vom 10. Juli 2014 (C-138/13), in dem er die Unvereinbarkeit des Erfordernisses des Nachweises einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache beim Ehegattennachzug mit dem Assoziationsrecht zwischen der Europäischen Union und der Türkei festgestellt hat (für den Anwendungsbereich des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 zum Assoziationsabkommen). Durch die Einführung einer allgemeinen Härtefallklausel sollte den vom Gerichtshof im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Sprachanforderungen geltend gemachten Bedenken Rechnung getragen und sichergestellt werden, dass alle Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden können und bei Vorliegen besonderer Umstände ein Absehen vom Sprachnachweis möglich ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 18/5420 S. 26).bb) Die Neuregelung trägt den Bedenken des Gerichtshofs in der Rechtssache Dogan bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Regelung zum Spracherfordernis ausreichend Rechnung, ohne dass der Senat insoweit Zweifel hegt. Die allgemeine Härtefallklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG gewährleistet nunmehr, dass der Nachzugsantrag bei Fehlen des Nachweises einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache nicht ohne eine alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Entscheidung abgelehnt werden kann, und verhindert somit, dass fehlende Sprachkenntnisse ""automatisch"" zur Antragsablehnung führen. Ein Härtefall soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers (entsprechend dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 - BVerwGE 144, 141) anzunehmen sein, wenn es dem ausländischen Ehegatten entweder von vornherein nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise nach Deutschland Bemühungen zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu unternehmen, oder es ihm trotz ernsthafter Bemühungen von einem Jahr Dauer nicht gelungen ist, das erforderliche Sprachniveau zu erreichen. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit des Bemühens um den Erwerb einfacher Sprachkenntnisse können in der Person des Ehegatten oder in äußeren Umständen liegende Gründe sein, z.B. Alter, Gesundheitszustand des Betroffenen, seine kognitiven Fähigkeiten, die Erreichbarkeit von Sprachkursen oder die zumutbare tatsächliche Verfügbarkeit eines Sprachlernangebots (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 18/5420 S. 26).cc) Das vorlegende Gericht sieht das nach der nunmehr maßgeblichen aktuellen Rechtslage geltende Spracherfordernis auch durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 7. November 2013 - C-225/12 [ECLI:EU:C:2013:725], Demir - Rn. 41 und vom 10. Juli 2014 - C-138/13 - Rn. 37) gerechtfertigt. Der Gerichtshof hat in seiner jüngsten Rechtsprechung (Urteil vom 12. April 2016 - C 561/14 - Rn. 55 f.) eindeutig zu erkennen gegeben, dass das Ziel der Gewährleistung einer erfolgreichen Integration einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Er hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung hingewiesen, die Integrationsmaßnahmen im Rahmen des Unionsrechts beigemessen wird, wie sich aus Art. 79 Abs. 4 AEUV und aus mehreren EU-Richtlinien (u.a. der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ) ergibt. Im Urteil vom 9. Juli 2015 (C-153/14 [ECLI:EU:C:2015:453], K. und A. - Rn. 53, betreffend die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003) hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, dass gerade der Erwerb von Sprachkenntnissen die Verständigung zwischen Drittstaatsangehörigen und den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats deutlich erleichtert und darüber hinaus die Interaktion sowie die Entwicklung sozialer Beziehungen zwischen ihnen begünstigt. Auch erleichtert der Erwerb von Sprachkenntnissen den Zugang zu Arbeitsmarkt und Berufsausbildung.Dabei geht es dem Gesetzgeber gerade um einen Beitrag zur Verbesserung der Ausgangslage der Nachziehenden. Schulungen, die erst nach der Einreise einsetzten, wären daher nicht gleich wirksam (vgl. Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 19. März 2015 - C-153/14 [ECLI:EU:C:2015:186], K. und A. - Rn. 35).dd) Das Verwaltungsgericht hat bisher nicht geprüft, ob im Fall der Klägerin vom Nachweis einfacher Sprachkenntnisse nach der Härtefallregelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG abgesehen werden kann. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat diese Entscheidung nicht selbst treffen. Sie wird gegebenenfalls nach der Klärung der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Visumpflicht mit dem Unionsrecht durch den Gerichtshof und Zurückverweisung des Verfahrens durch das vorlegende Gericht von der Tatsacheninstanz nachzuholen sein.b) Das vorlegende Gericht sieht indes Klärungsbedarf, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumerfordernis beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assoziationsrechtlichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 vereinbar ist. Die vorgelegten Fragen zur Auslegung von Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80 bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.aa) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin ohne das erforderliche Visum nach Deutschland eingereist ist und dass dies der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach nationalem Recht grundsätzlich entgegensteht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).Eine Aufenthaltserlaubnis kann im Grundsatz nur erteilt werden, wenn der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Welches Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. November 2010 - 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 19 und vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 20). Für längerfristige Aufenthalte, zum Beispiel zum Familiennachzug, ist - vorbehaltlich der u.a. nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG möglichen Ausnahmen - ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Seine Erteilung richtet sich nach denselben Vorschriften, die für die Erteilung der entsprechenden Aufenthaltserlaubnis gelten (§ 6 Abs. 3 AufenthG).Nach den das vorlegende Gericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts beabsichtigte die Klägerin von Anfang an einen Daueraufenthalt, um die Ehe mit ihrem türkischen Ehemann zu führen. Sie ist aber nicht mit dem danach erforderlichen nationalen Visum (§ 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), sondern nur mit einem niederländischen Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach Deutschland eingereist. Ob von dem Erfordernis eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug im Fall der Klägerin nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden kann, ist tatrichterlich bisher nicht geklärt. Diese Prüfung wird das Tatsachengericht gegebenenfalls nach der Entscheidung des Gerichtshofs und Zurückverweisung der Sache durch das vorlegende Gericht nachzuholen haben, sofern der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass die Visumpflicht grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, ob es der Klägerin auf Grund ihres Gesundheitszustands, des geltend gemachten Betreuungsbedarfs sowie unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Visumsverfahrens und der Auswirkungen der vorübergehenden Trennung auf ihre Ehe unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.bb) Wie der Gerichtshof in der Rechtssache Dogan (Urteil vom 10. Juli 2014 - C-138/13 - Rn. 36) anerkannt hat, kann eine Verschärfung der Voraussetzungen für eine erstmalige Aufnahme der Ehegatten türkischer Staatsangehöriger eine ""neue Beschränkung"" der Ausübung wirtschaftlicher Freiheiten - hier: der Arbeitnehmerfreizügigkeit - durch diese türkischen Staatsangehörigen sein und damit in den Anwendungsbereich der assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln fallen. Das dürfte auch für die Einführung einer Visumpflicht gelten (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - C-228/06 [ECLI:EU:C:2009:101], Soysal - Rn. 55).Das vorlegende Gericht hat gleichwohl Zweifel, ob die Einführung der allgemeinen Visumpflicht für türkische Staatsangehörige, soweit sie den Familiennachzug betrifft, vorliegend von einem assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot erfasst wird (Vorlagefrage 1).Die Visumpflicht für türkische Staatsangehörige wurde durch Art. 1 der Elften Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetztes (DVAuslG) vom 1. Juli 1980 (BGBl. I S. 782) mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführt. Zuvor mussten türkische Staatsangehörige die Aufenthaltserlaubnis nur dann in der Form des Sichtvermerks vor der Einreise einholen, wenn sie im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 10. September 1965 ). Die Einführung der Visumpflicht fiel somit in den zeitlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 2/76 und lag vor dem Beginn der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 (1. Dezember 1980, vgl. Art. 16 ARB 1/80). Folglich stellte die Visumpflicht, wenn nur Art. 13 ARB 1/80 anwendbar wäre, keine verbotene Verschlechterung der Rechtsstellung des türkischen Arbeitnehmers dar.Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass zwar grundsätzlich der Beschluss Nr. 2/76 nicht mehr anzuwenden sei, weil der Beschluss Nr. 1/80 für die türkischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen günstigere Regelungen enthalte. Die Übertragbarkeit dieses vom Gerichtshof in der Rechtssache Bozkurt (Urteil vom 6. Juni 1995 - C-434/93 [ECLI:EU:C:1995:168] - Rn. 14) für das Verhältnis von Art. 2 ARB 2/76 und Art. 6 ARB 1/80 angenommenen Vorrangs des Beschlusses Nr. 1/80 auf die Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 bedarf der Klärung. Denn die Folge einer Nichtanwendung wäre, dass sich der Status der Arbeitnehmer verschlechtern könnte, weil alle zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 zum Nachteil des Arbeitnehmers eingetretenen Veränderungen nunmehr zu beachten wären (vgl. in diesem Sinne auch VGH Mannheim, Beschluss vom 21. Juli 2014 - 11 S 1009/14 - InfAuslR 2014, 361). Für eine fortbestehende Anwendbarkeit des Art. 7 ARB 2/76 könnte ferner sprechen, dass mit dem Beschluss Nr. 1/80 eine weitere Verbesserung der Rechtsstellung der türkischen Staatsangehörigen beabsichtigt war, so dass eine Ersetzung des Beschlusses Nr. 2/76 durch den Beschluss Nr. 1/80 nur bei für den türkischen Staatsangehörigen günstigeren Regelungen in Betracht käme. Ferner könnte die Rücknahme von durch den Beschluss Nr. 2/76 gewährten Vergünstigungen außerhalb der Kompetenz des Assoziationsrates liegen (vgl. in diesem Sinne Gutmann, in: GK-AufenthG, Kommentar, Stand: Januar 2017, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 3). Die Anwendbarkeit des Art. 7 ARB 2/76 könnte sich weiter daraus ergeben, dass sich nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum ARB 1/80 Erschwernisse im Bereich der Familienzusammenführung als Verschlechterung der Rechtsstellung des türkischen Arbeitnehmers erweisen können (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-138/13 - Rn. 34 f.) mit der Folge, dass Art. 13 ARB 1/80, der die Familienangehörigen erstmals erwähnt, zwar erstmals auch eigene Rechte der Familienangehörigen begründet, aber Art. 7 ARB 2/76 für diejenigen Fälle weiterhin Anwendung findet, in denen es um die originäre Rechtsstellung des ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmers geht. Die deutsche Bundesregierung tendierte in einer Antwort vom 2. Februar 2011 auf eine parlamentarische Anfrage ebenfalls zur einer parallelen Anwendbarkeit beider Stillhalteklauseln (BT-Drs. 17/4623 S. 5).Dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Bozkurt (Urteil vom 6. Juni 1995 - C-434/93 - Rn. 14) könnte möglicherweise aber auch die weitergehende Aussage zu entnehmen sein, dass der Beschluss Nr. 1/80 (insbesondere die Vorschriften des Kapitels II) zu einer Erweiterung der Rechtsstellung des türkischen Arbeitnehmers geführt hat und daher die (gegenüber den Regelungen des Beschlusses Nr. 2/76 insgesamt günstigeren) Regelungen des Beschlusses Nr. 1/80 ab dessen Inkrafttreten bzw. Anwendbarkeit an die Stelle der (insgesamt ungünstigeren) Bestimmungen des Beschlusses Nr. 2/76 getreten sind, die Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 also vollständig durch Art. 13 ARB 1/80 ersetzt wurde. Für eine vollständige Ersetzung des Art. 7 ARB 2/76 könnte zudem die Tatsache anzuführen sein, dass in Art. 13 ARB 1/80 erstmals die Familienangehörigen Erwähnung finden und der Fragenkomplex des Familiennachzugs noch nicht Gegenstand des Beschlusses Nr. 2/76 war. Mit der Einbeziehung der Familienangehörigen in Art. 13 ARB 1/80 sollte Schritt in Richtung weitergehende Integration unternommen werden.Bei der Beantwortung der Frage, ob Art. 7 ARB 2/76 fortgilt, könnten auch Art. 59 Abs. 1a und Art. 30 Abs. 3 des Wiener Überkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention - WVRK) zu berücksichtigen sein. Zwar findet die Wiener Vertragsrechtskonvention in ihrer Eigenschaft als Völkervertragsrecht nur auf Verträge zwischen Staaten Anwendung und nicht, wie im Falle des Assoziationsabkommens, auf Übereinkommen zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten. Eine Anwendbarkeit der genannten Regelungen könnte sich jedoch gemäß Art. 3 Buchst. b WVRK daraus ergeben, dass diese Ausprägungen des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts sind (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 1999 - C-416/96 [ECLI:EU:C:1999:107], Eddline El Yassini - Rn. 47). Die Beklagte schließt vorliegend aus Art. 59 Abs. 1 Buchst. a WVRK, dass Art. 7 ARB 2/76 nach dem Inkrafttreten des Art. 13 ARB 1/80 keine Anwendung mehr finde. Nach jener Vorschrift gilt ein Vertrag als beendet, wenn alle Vertragsparteien später einen sich auf denselben Gegenstand beziehenden Vertrag schließen und aus dem späteren Vertrag hervorgeht oder anderweitig feststeht, dass die Vertragsparteien beabsichtigen, den Gegenstand durch den späteren Vertrag zu regeln.Ungeachtet dessen neigt der Senat dazu, die Frage in konsequenter Übertragung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu bejahen. Es wäre wenig einleuchtend, dass dieselbe Formulierung (""... dürfen für Arbeitnehmer ... keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen"") in beiden Bestimmungen unterschiedlich zu interpretieren sein sollte.cc) Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang auch die Frage (Vorlagefrage 2), ob die auf der Grundlage des Art. 13 ARB 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs in vollem Umfang auf die Anwendung des Art. 7 ARB 2/76 übertragen werden kann mit der Folge, dass diese Stillhalteklausel einem nach ihrem Inkrafttreten eingeführten nationalen Visumerfordernis für den Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer entgegensteht. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil die Einbeziehung von Regelungen über die Familienzusammenführung in den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel und deren Anerkennung als (mittelbare) neue Beschränkungen des türkischen Arbeitnehmers (vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2016 - C-561/14 - Rn. 44) erst auf der Grundlage des Beschlusses Nr. 1/80 erfolgt sind und auch sonst die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Reichweite und Wirkungen assoziationsrechtlicher Regelungen sich erst nach dem ARB 1/80 entwickelt hat.dd) Sollte die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 zu bejahen sein, bedarf der Klärung, ob eine nationale Regelung, mit der der Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwanderungskontrolle und der Steuerung der Migrationsströme, gerechtfertigt ist (Vorlagefrage 3).Dass die Assoziation nach Art. 36 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385) auf eine schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit angelegt ist, dürfte die Anerkennung der Einwanderungskontrolle als zwingenden Grund des Allgemeininteresses für sich allein nicht hindern. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Demir (Urteil vom 7. November 2013 - C-225/12 - Rn. 41) bereits entschieden, dass das Ziel, die rechtswidrige Einreise und den rechtswidrigen Aufenthalt zu verhindern, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Auch dürfte im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass der Gerichtshof bei der Anerkennung zwingender Gründe des Allgemeininteresses keine allzu strengen Maßstäbe anlegt und den Mitgliedstaaten hierbei einen gewissen Handlungsspielraum lässt (Generalanwalt Mengozzi, Schlussanträge vom 15. Dezember 2016 - C-652/15 [ECLI:EU:C:2016:960], Tekdemir - Rn. 16). Die wirksame Steuerung der Migrationsströme ist ein unionsrechtlich legitimes Ziel (vgl. Art. 79 Abs. 1 AEUV). Wie § 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Ausdruck bringt, liegt das Ziel der wirksamen Einwanderungssteuerung auch dem nationalen Recht zugrunde.Der deutsche Gesetzgeber hat die Visumpflicht für türkische Staatsangehörige für erforderlich gehalten, weil zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei ein wirtschaftliches und soziales Gefälle bestehe und dem hieraus resultierenden Einwanderungsdruck wirksam nur mit Hilfe einer Sichtvermerkspflicht begegnet werden könne (BT-Drs. 11/3748 S. 1; BT-Drs. 10/2773 S. 5). Das für die Einreise zum Ehegattennachzug erforderliche Visum soll gewährleisten, dass die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Nachzug bereits vor der Einreise überprüft werden. Dies betrifft insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts, den Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse, die Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, sowie den ordnungsgemäßen Aufenthalt des anderen Ehegatten (Arbeitnehmers) in Deutschland. Nur durch eine präventive Überprüfung dieser Voraussetzungen vor der Einreise lassen sich Belastungen für den Staat vermeiden, die mit der Notwendigkeit verbunden sind, türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllen, aus dem Mitgliedstaat zu entfernen. Ein für kurzfristige Aufenthalte erteiltes Schengen-Visum, mit dem die Klägerin hier eingereist ist, erfüllt diesen Zweck nicht; denn bei seiner Erteilung wird nicht geprüft, dass die Voraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt zum Zwecke des Familiennachzugs vorliegen. Ein Wegfall des nationalen Visumerfordernisses für den Familiennachzug bei gleichzeitigem Bestehenbleiben der unionsrechtlichen Visumpflicht für Kurzaufenthalte zu Besuchs- oder touristischen Zwecken würde im Übrigen zu praktischen Schwierigkeiten führen: Es müsste dann ad hoc bei Grenzübertritt vor der Zulassung einer visumfreien Einreise geprüft werden, ob ein Familiennachzug glaubhaft beabsichtigt - und dies nicht nur behauptet - wird.Die Visumpflicht beim Ehegattennachzug erscheint nach alledem zur Erreichung des legitimen Ziels der Migrationskontrolle erforderlich; auch dürften die mit ihr verbundenen Belastungen für den türkischen Arbeitnehmer in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel einer wirksamen Einwanderungskontrolle stehen. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass das Visumverfahren nur eine Verzögerung, nicht aber eine dauernde Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens bewirkt (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 31). Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch im Einzelfall ermöglicht das nationale Recht in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG durch eine Härtefallklausel, durch die besonderen Umständen des Einzelfalls, die die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar machen, Rechnung getragen werden kann. Die Einreise ohne das erforderliche Visum führt danach nicht ""automatisch"" zur Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr ist vor einer derartigen Ablehnung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob auf eine Nachholung des Visumverfahrens auf Grund besonderer Umstände zu verzichten ist. Bei dieser Entscheidung sind auch die Grundrechte der Betroffenen - namentlich das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GR-Charta (GRC) - zu berücksichtigen. Allerdings reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein der Umstand, dass die Eheleute eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, für eine Unzumutbarkeit auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 7 GRC nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 34). Hat der nachziehende Ehegatte ohne dies rechtfertigende Gründe das nationale Visumverfahren umgehen wollen, indem er unter unzutreffender Angabe des Aufenthaltszwecks mit einem Schengen-Visum eingereist ist, ist es regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Behörde ihr Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu Lasten des Betroffenen ausübt (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 34 sowie Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 16 Rn. 20). Demgegenüber kann die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar sein, wenn ein Ehegatte aufgrund gesundheitlicher oder sonstiger Einschränkungen auf die Lebenshilfe bzw. den persönlichen Beistand des anderen angewiesen ist. Auch sonst lässt die Regelung Raum für die Berücksichtigung anderer Besonderheiten des Einzelfalles." bverwg_2017-11,02.03.2017,"Pressemitteilung Nr. 11/2017 vom 02.03.2017 EN Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, darf in extremen Ausnahmesituationen nicht verwehrt werden Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln. Daraus kann sich im extremen Einzelfall ergeben, dass der Staat den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Ehefrau des Klägers litt seit einem Unfall im Jahr 2002 unter einer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Häufige Krampfanfälle verursachten starke Schmerzen. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie den Wunsch, aus dem Leben zu scheiden. Ihren Sterbewunsch hatte sie mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal und einem Geistlichen besprochen. Im November 2004 beantragte sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels. Das BfArM lehnte den Antrag im Dezember 2004 ab, weil eine Erlaubnis mit dem Ziel der Selbsttötung nicht vom Zweck des Betäubungsmittelgesetzes gedeckt sei. Im Februar 2005 reisten der Kläger und seine Frau in die Schweiz, wo sie sich mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Feststellung, dass der Versagungsbescheid rechtswidrig und das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen sei, wies das Verwaltungsgericht Köln im Februar 2006 als unzulässig ab. Es war der Auffassung, dass der Kläger nicht klagebefugt sei, weil er durch die Ablehnung der von seiner Ehefrau beantragten Erlaubnis nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Das Rechtsmittel vor dem Oberverwaltungsgericht Münster sowie die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieben ohne Erfolg. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied mit Urteil vom 19. Juli 2012, dass der Kläger aus dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen Anspruch darauf habe, dass die nationalen Gerichte die Begründetheit der Klage prüften. In dem daraufhin wiederaufgenommenen Klageverfahren wurde das Feststellungsbegehren des Klägers von den Vor­instanzen als unbegründet abgewiesen. Das BfArM habe zu Recht angenommen, dass die beantragte Erlaubnis nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zu versagen sei. Darin liege auch weder ein Verstoß gegen Grundrechte noch gegen Rechte und Freiheiten nach der EMRK. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile der Vor­instanzen geändert und festgestellt, dass der Versagungsbescheid des BfArM rechtswidrig gewesen ist. Im Übrigen hat es die Revision zurückgewiesen. Nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes ist es grundsätzlich nicht möglich, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. Hiervon ist im Lichte des genannten Selbstbestimmungsrechts in Extremfällen eine Ausnahme für schwer und unheilbar kranke Patienten zu machen, wenn sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, und ihnen keine zumutbare Alternative - etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch - zur Verfügung steht. Ihnen darf der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel, das eine würdige und schmerzlose Selbsttötung erlaubt, nicht verwehrt sein. Deshalb hätte das BfArM prüfen müssen, ob hier ein solcher Ausnahmefall gegeben war. Diese Prüfung lässt sich nach dem Tod der Ehefrau des Klägers nicht mehr nachholen. Eine Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsaufklärung scheidet daher ebenso aus wie die Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen wäre. BVerwG 3 C 19.15 - Urteil vom 02. März 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 1299/14 - Urteil vom 19. August 2015 - VG Köln, 7 K 254/13 - Urteil vom 13. Mai 2014 -","Urteil vom 02.03.2017 - BVerwG 3 C 19.15ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U3C19.15.0 EN Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung Leitsätze: 1. Der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung ist grundsätzlich nicht erlaubnisfähig. 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln. 3. Im Hinblick auf dieses Grundrecht ist § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet. 4. Eine extreme Notlage ist gegeben, wenn - erstens - die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führen und nicht ausreichend gelindert werden können, - zweitens - der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und ihm - drittens - eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht. Rechtsquellen BtMG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, § 5 Abs. 1 Nr. 6, § 13 Abs. 1 GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2 EMRK Art. 8 Instanzenzug VG Köln - 13.05.2014 - AZ: VG 7 K 254/13 OVG Münster - 19.08.2015 - AZ: OVG 13 A 1299/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.03.2017 - 3 C 19.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U3C19.15.0] Urteil BVerwG 3 C 19.15 VG Köln - 13.05.2014 - AZ: VG 7 K 254/13 OVG Münster - 19.08.2015 - AZ: OVG 13 A 1299/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. August 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. Mai 2014 werden geändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig gewesen ist. Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gründe I 1 Der Kläger begehrt im Wege der Restitutionsklage die Feststellung, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: BfArM) verpflichtet war, seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau den Erwerb von 15 g Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zu erlauben. 2 Die Ehefrau des Klägers (im Folgenden: Frau K.) litt seit April 2002 infolge eines Unfalls an einer hochgradigen, fast kompletten sensomotorischen Querschnittslähmung. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, musste künstlich beatmet werden und war auf ständige medizinische Betreuung und Pflege angewiesen. Häufige Krampfanfälle verursachten starke Schmerzen. Nach ärztlicher Einschätzung bestand keine Aussicht auf Besserung ihres Zustandes. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte Frau K. den Wunsch, ihr Leben zu beenden. Mit Schreiben vom 12. November 2004 beantragte sie beim BfArM, ihr zum Zweck der Durchführung eines begleiteten Suizids den Erwerb von 15 g Natrium-Pentobarbital zu erlauben. Zur Begründung führte sie aus, sie habe ihren Sterbewunsch mit dem Kläger, der gemeinsamen Tochter, den behandelnden Ärzten, einem Psychologen, dem Pflegepersonal und einem Geistlichen besprochen; diese respektierten ihre Entscheidung. Eine risikolose und schmerzfreie Selbsttötung sei für sie nur mit dem beantragten Mittel möglich. Pentobarbital gehöre nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu den verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln. Jedoch dürften Ärzte nach dem geltenden Arzt- und Standesrecht keine letale Dosis verschreiben. Zudem sei unsicher, wie die Unterstützung einer frei verantwortlichen Selbsttötung strafrechtlich bewertet würde. In der Schweiz sei die von ihr angestrebte Selbsttötung mit Natrium-Pentobarbital möglich. Allerdings stelle die Reise wegen der damit verbundenen Belastungen keine zumutbare Alternative dar. 3 Mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 lehnte das BfArM den Antrag ab. Die begehrte Erlaubnis sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen, weil der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht zu vereinbaren sei. Mit medizinischer Versorgung im Sinne dieser Vorschrift seien ausschließlich lebenserhaltende oder -fördernde Verwendungszwecke gemeint. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 wies das BfArM den Widerspruch von Frau K. als unbegründet und den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurück. Wenige Tage vor Erlass des Widerspruchsbescheides war Frau K. in Begleitung des Klägers und ihrer Tochter in die Schweiz gereist und hatte sich mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe selbst getötet. 4 Die Klage auf Feststellung, dass der Bescheid vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig und die Beklagte zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2006 - 7 K 2040/05 - (FamRZ 2006, 1673) als unzulässig abgewiesen. Der Kläger sei nicht klagebefugt. Er könne weder geltend machen, in seinen Rechten aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt zu sein, noch erscheine eine Verletzung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) möglich. Durch die Erlaubnisversagung könnten allein Rechte der Ehefrau betroffen gewesen sein. Den gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2007 - 13 A 1504/06 - (NJW 2007, 3016) zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe eine Klagebefugnis zutreffend verneint. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2008 - 1 BvR 1832/07 - (NJW 2009, 979) nicht zur Entscheidung angenommen. 5 Der daraufhin vom Kläger angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09, Koch/Deutschland - (NJW 2013, 2953) entschieden, dass der Kläger durch die Weigerung der nationalen Gerichte, die Begründetheit seiner Klage zu prüfen, in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzt worden ist. Das Urteil ist seit 17. Dezember 2012 rechtskräftig. 6 Am 15. Januar 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht die Wiederaufnahme des Klageverfahrens beantragt und sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Mai 2014 sein Urteil vom 21. Februar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Restitutionsklage sei gemäß § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO zulässig. Die erneute Prüfung des Klagebegehrens ergebe, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, aber unbegründet sei. Das BfArM habe den Antrag von Frau K. auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu Recht abgelehnt. Die Erlaubnis sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen gewesen. Unter notwendiger medizinischer Versorgung im Sinne dieser Vorschrift seien nur solche Betäubungsmittelanwendungen zu verstehen, die therapeutischen Zwecken dienten. Dazu gehöre zwar auch die Versorgung mit schmerzstillenden Medikamenten am Ende des Lebens. Dieser Versorgungszweck sei aber mit der Einnahme einer letalen Dosis zum Zweck der Selbsttötung nicht zu vergleichen und medizinisch und ethisch streng abzugrenzen. Bei der palliativen Versorgung sterbender Menschen stehe die Linderung von Schmerzen und Atemnot im Vordergrund, während eine mit der Anwendung des Betäubungsmittels verbundene lebensverkürzende Wirkung nicht beabsichtigt, sondern lediglich als unvermeidliche Nebenfolge der notwendigen Behandlung in Kauf genommen werde. Diese Bewertung stimme auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung zwischen erlaubter, durch Einwilligung des Patienten gerechtfertigter Sterbehilfe und einer strafbaren Tötung nach §§ 212, 216 StGB überein. Danach könne als Sterbehilfe zulässig sein, eine lebenserhaltende oder -verlängernde medizinische Behandlung zu unterlassen oder abzubrechen, nicht hingegen eine lebensbeendende Handlung außerhalb des Zusammenhangs einer medizinischen Behandlung. Eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG, die den Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln ausnahmsweise ermöglichen würde, wenn ein selbstbestimmter Entschluss zur Beendigung eines leidvollen Lebens vorliege, komme nicht in Betracht, weil sie dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Ein ausnahmsloses Verbot der Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung verstoße auch weder gegen das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende nach Art. 8 EMRK noch gegen das Recht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG. 7 Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. August 2015 zurückgewiesen. Der Erwerb der beantragten Dosis Natrium-Pentobarbital habe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG einer Erlaubnis bedurft. Zwar sei das Betäubungsmittel grundsätzlich gemäß § 13 Abs. 1 i.V.m. Anlage III und § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG ohne gesonderte Erlaubnis auf ärztliche Verschreibung erhältlich. Diese Zugangsmöglichkeit sei Frau K. aber faktisch verschlossen gewesen. Denn die Berufsordnungen würden es den Ärzten überwiegend verbieten, Natrium-Pentobarbital oder andere Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Dementsprechend habe sich die Ärzteschaft bisher mehrheitlich darauf geeinigt, dass die Verschreibung oder Verabreichung einer tödlichen Dosis den Regeln der Heilkunde widerspreche. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Erlaubniserteilung der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegengestanden habe. Eine Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung sei mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Dafür sprächen neben dem Wortlaut der Regelung insbesondere systematische und teleologische Argumente. Es fehle zwar eine eindeutige Aussage im Gesetz, ob die Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung möglich sein solle. Allerdings sei den Materialien zu entnehmen, dass es dem Gesetzgeber bei der Novellierung des Betäubungsmittelrechts um den Gesundheitsschutz gegangen sei. Auch die mit Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 eingefügten Regelungen zur Vereinfachung der palliativ-medizinischen Versorgung mit Betäubungsmitteln sprächen für dieses Normverständnis. Hätte der Gesetzgeber die Abgabe von Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung ermöglichen wollen, hätte es nahegelegen, dies im Zuge des Änderungsgesetzes mit zu regeln. Die Grundrechte des Grundgesetzes sowie die Rechte und Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangten keine abweichende Auslegung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasse Art. 8 Abs. 1 EMRK auch das Recht eines Menschen zu entscheiden, wann und in welcher Weise sein Leben enden solle, vorausgesetzt, er könne seinen Willen frei bilden und dementsprechend handeln. Unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK könne dieses Recht beschränkt werden. Hierbei verfüge der nationale Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum. Bei der Abwägung sei die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit jedes Menschen nach Art. 2 EMRK zu berücksichtigen. Daraus könne auch die staatliche Pflicht folgen, eine Person an der Selbsttötung zu hindern, wenn sie die Entscheidung nicht frei und in Kenntnis aller Umstände getroffen habe. Danach sei ein ausnahmsloses Verbot des Zugangs zu Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung nicht zu beanstanden. Es sei geeignet und erforderlich, um Menschen in vulnerabler Position und Verfassung gegenüber Entscheidungen zu schützen, die sie möglicherweise voreilig, in einem Zustand mangelnder Einsichtsfähigkeit oder nicht freiverantwortlich träfen, und um sie gegenüber Missbrauch durch Dritte zu schützen. Durch das Verbot würden Menschen in der Situation wie Frau K. auch nicht in ihrer Menschenwürde verletzt. Ihnen verblieben Handlungsalternativen, die dem Schutzgehalt der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gerecht würden. Sie ergäben sich vor allem durch Möglichkeiten im Bereich der Palliativmedizin und, soweit die Betroffenen auf lebenserhaltende medizinische Maßnahmen angewiesen seien, durch die Möglichkeit der so genannten Therapiezieländerung oder des Behandlungsabbruchs. 8 Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG falsch ausgelegt. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Betäubungsmittel der Anlage III nicht auch zum Zweck der Lebensbeendigung erworben werden dürften. Ein Regelungsverständnis, das dazu führe, dass ein Suizidwilliger in einer Situation wie derjenigen seiner Frau zusätzlich leiden müsse, verstoße gegen die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention. Das Recht, selbstbestimmt über den Zeitpunkt und die Umstände des eigenen Todes zu entscheiden, laufe leer, wenn dem Betroffenen verwehrt werde, auf eine möglichst risikolose und schmerzfreie Weise aus dem Leben zu scheiden. Werde der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ausgeschlossen, würden Betroffene wie seine Frau vor die Alternative gestellt, weiter leiden zu müssen, eine andere Suizidmethode wählen zu müssen, die erheblich risikoreicher und mit der Gefahr zusätzlicher Schmerzen verbunden sei, oder eine beschwerliche Reise in die Schweiz unternehmen zu müssen, um den Sterbewunsch dort in der gewünschten Weise umsetzen zu können. Das sei mit dem Schutzgehalt der Menschenwürdegarantie nicht vereinbar. Die streitige Erlaubnis sei nicht als Gewährung einer staatlichen Hilfe zur Selbsttötung zu qualifizieren, sondern im Sinne des grundrechtlichen Abwehranspruchs als Befreiung von einem rechtfertigungsbedürftigen Zugangsverbot. Ein ausnahmsloses Verbot verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot sowie gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK. Die im Berufungsurteil angesprochenen Handlungsalternativen hätten seiner Frau nicht zur Verfügung gestanden. 9 Die Beklagte verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen. II 10 Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der Bescheid des BfArM vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig gewesen ist. Insoweit beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die weitergehende Revision bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist. 11 1. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Klageverfahrens vorliegen. Die Restitutionsklage ist nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 - 7 K 2040/05 - war deshalb aufzuheben (vgl. § 590 Abs. 1 ZPO; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 153 Rn. 17). 12 2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist statthaft (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) und auch im Übrigen als zulässig anzusehen. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) sowie das notwendige Feststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) sind aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19. Juli 2012 zu bejahen. Danach kann der Kläger geltend machen, durch die Weigerung des BfArM, seiner verstorbenen Frau die beantragte Erlaubnis zu erteilen, in eigenen Rechten (Art. 8 Abs. 1 EMRK) verletzt worden zu sein. Er hat auch ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Versagungsentscheidung (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09, Koch/Deutschland - NJW 2013, 2953 Rn. 45 ff.). 13 3. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, der ein Verpflichtungsbegehren zugrunde liegt, der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 B 55.96 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 286 S. 21 f.; Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 C 23.09 - Buchholz 406.253 § 20 ZuG 2007 Nr. 1 Rn. 53). Danach ist hier auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Todes von Frau K. am 12. Februar 2005 abzustellen. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die ablehnenden Bescheide des BfArM rechtswidrig gewesen sind, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzuheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​041214U4C33.13.0] - BVerwGE 151, 36 Rn. 18, 21). Maßgeblich ist daher das Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) und der Achtzehnten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2003 (BGBl. 2004 I S. 28). Das hindert allerdings nicht, nachfolgende Rechtsänderungen und -entwicklungen mit in den Blick zu nehmen, wenn und soweit sie Rückschlüsse auf die Rechtslage im maßgeblichen Betrachtungszeitpunkt zulassen. 14 4. Danach sind die ablehnenden Bescheide des BfArM vom 16. Dezember 2004 und 3. März 2005 rechtswidrig gewesen. Die ihnen zugrunde liegende Annahme, der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG habe der Erlaubniserteilung ausnahmslos entgegengestanden, ist rechtsfehlerhaft. 15 a) Frau K. benötigte für den Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG. 16 Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alt. BtMG bedarf einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, wer Betäubungsmittel erwerben will. Betäubungsmittel im Sinne dieser Bestimmung sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen (§ 1 Abs. 1 BtMG). Pentobarbital zählt zur Gruppe der verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel der Anlage III. Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital ist daher erlaubnispflichtig, wenn nicht einer der in § 4 BtMG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG bedarf keiner Erlaubnis nach § 3 BtMG, wer ein in Anlage III bezeichnetes Betäubungsmittel auf Grund ärztlicher Verschreibung erwirbt. Im Wege der ärztlichen Verschreibung war für Frau K. die beantragte Dosis Natrium-Pentobarbital jedoch nicht erhältlich. Zwar kann Pentobarbital gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV) vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80) in der hier maßgeblichen Fassung der Fünfzehnten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1180) durch einen Arzt verschrieben werden. Voraussetzung ist aber nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG, dass die Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist. Das ist der Fall, wenn nach anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft eine Indikation für die Anwendung des Betäubungsmittels besteht, also das Mittel im Rahmen einer medizinischen Behandlung zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1979 - 1 StR 118/79 - BGHSt 29, 6 <10> [zur Vorgängerregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 9a BetMG 1972] und vom 28. Januar 2014 - 1 StR 494/13 - BGHSt 59, 150 Rn. 39; Beschluss vom 17. Mai 1991 - 3 StR 8/91 - BGHSt 37, 383; OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 Ws 13/16 - NStZ 2016, 530 <535 f.>; Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 13 Rn. 1, Rn. 2 a.E., Rn. 20 ff.; Weber, BtMG, 4. Aufl. 2013, § 13 Rn. 21 f.). Ob eine Verschreibung zum Zweck der Selbsttötung damit ausgeschlossen ist oder ob unter den noch darzulegenden Voraussetzungen für die Erlaubnisfähigkeit des Erwerbs auch die Verschreibung des Mittels durch einen Arzt nach § 13 Abs. 1 BtMG zulässig sein kann (vgl. Jäger, JZ 2015, 875 <877> m.w.N. zum Diskussionsstand; Miebach, NStZ 2016, 536 <538>; Deutscher Ethikrat, Ad-hoc-Empfehlung zur Regelung der Suizidbeihilfe vom 18. Dezember 2014), bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, Frau K. habe tatsächlich keine Möglichkeit gehabt, das begehrte Betäubungsmittel über eine ärztliche Verschreibung zu erhalten, weil sich die Ärzteschaft mehrheitlich darauf geeinigt habe, dass sich die Verschreibung einer tödlichen Dosis nicht mit den Regeln der Heilkunde und dem hippokratischen Eid vereinbaren lasse. Dementsprechend hat das BfArM die Erlaubnispflicht nach § 3 BtMG auch ohne weiteres bejaht. 17 b) Das Oberverwaltungsgericht hat wie das BfArM angenommen, dass eine Erlaubnis nach § 3 BtMG, die für den Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung beantragt werde, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ausnahmslos zu versagen sei. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes schließen eine Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung zwar grundsätzlich aus (aa). Das Verbot greift aber in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwer und unheilbar kranker Menschen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein, selbstbestimmt zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt ihr Leben enden soll (bb). Im Lichte dessen muss § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG grundrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass er der Erlaubniserteilung ausnahmsweise nicht entgegensteht, wenn sich der Suizidwillige wegen seiner Erkrankung in einer extremen Notlage befindet (cc). 18 aa) Nach den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ist der Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich nicht erlaubnisfähig. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Betäubungsmittelgesetzes und der Regelungssystematik der §§ 5 Abs. 1 Nr. 6 und 13 Abs. 1 BtMG. 19 (1) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis nach § 3 BtMG zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes vereinbar ist, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Herstellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen. Inmitten steht hier allein eine Unvereinbarkeit mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das Ziel der Verhinderung einer Betäubungsmittelabhängigkeit wird bei einer Erwerbserlaubnis, die zum Zweck der Selbsttötung beantragt wird, offensichtlich nicht tangiert. Eine solche Erlaubnis widerspricht auch nicht dem Gesetzeszweck, den Betäubungsmittelmissbrauch auszuschließen. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Heranziehung der Materialien zutreffend ausgeführt, dass in diesem Begriff die gesetzgeberische Zielsetzung zum Ausdruck kommt, den gesundheitsgefährdenden und -schädlichen Konsum von Betäubungsmitteln zu Genuss- oder Rauschzwecken zu verhindern und insbesondere die Rauschgift- und Drogensucht zu bekämpfen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Betäubungsmittelgesetz 1981, BT-Drs. 8/3551 S. 23 ff., 29). 20 (2) Dem Begriff der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung liegt zugrunde, dass Betäubungsmittel nicht nur schädliche Wirkungen haben, sondern in bestimmten Fällen für die menschliche Gesundheit auch von Nutzen sein können. Das Gesetz sieht daher von einem Verbot des Betäubungsmittelverkehrs ab, soweit Betäubungsmittel zu medizinischen Zwecken benötigt werden. Dem trägt die Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz Rechnung, die die verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel aufführt. Die Voraussetzungen der Verschreibungsfähigkeit regelt, wie gezeigt, § 13 Abs. 1 BtMG. Die danach erforderliche therapeutische Zielrichtung der Anwendung des Betäubungsmittels liegt vor, wenn sie dazu dient, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Für den Begriff der medizinischen Versorgung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG kann aus systematischen Gründen nichts anderes gelten. Die notwendige medizinische Versorgung mit Betäubungsmitteln wird vorrangig dadurch sichergestellt, dass Patienten ein zu Therapiezwecken benötigtes Betäubungsmittel der Anlage III aufgrund einer ärztlichen Verschreibung in der Apotheke erwerben können oder der Arzt es ihnen im Rahmen einer Behandlung verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt (§ 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BtMG). Dabei ersetzt die ärztliche Verschreibung, wie § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BtMG zeigt, die Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG, Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. 2016, § 4 Rn. 21). Geht es um den medizinischen Versorgungsbedarf für ein sonstiges Betäubungsmittel, verbleibt es gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG bei der Erlaubnisbedürftigkeit nach § 3 BtMG. Die Bindung der Erlaubniserteilung an das Erfordernis der notwendigen medizinischen Versorgung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG stellt sicher, dass die Anwendung des Betäubungsmittels ebenso wie im Fall des § 13 Abs. 1 BtMG medizinisch begründet sein muss. Entsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung zu § 3 Abs. 2 BtMG auf eine auf Heilung oder Linderung von pathologischen Zuständen gerichtete Anwendung des Betäubungsmittels abgestellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 2005 - 3 C 17.04 - BVerwGE 123, 352 <354 f., 356 f.> und vom 6. April 2016 - 3 C 10.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​060416U3C10.14.0] - BVerwGE 154, 352 Rn. 13). 21 Danach schließt § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich aus. Sie ist mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 23), nicht vereinbar. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die palliativ-medizinische Versorgung sterbender Menschen mit Betäubungsmitteln. Die Verabreichung eines Betäubungsmittels im Bereich der Palliativmedizin dient der Linderung von Schmerzen und anderen Missempfindungen wie Atemnot, Übelkeit, Angst u.a. und damit therapeutischen Zwecken. Steht keine Therapiealternative zur Verfügung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG), ist die Anwendung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG begründet. Das gilt auch dann, wenn die Medikation als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 - 5 StR 474/00 - BGHSt 46, 279 <284 f.>). Die Anwendung eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung lässt sich damit nicht gleichsetzen. Die palliativ-medizinische Behandlung Todkranker lässt sich beschreiben als ""Hilfe beim Sterben"" (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung <§ 217 StGB>, BT-Drs. 18/5373 S. 11, 17 f.; Otto, NJW 2006, 2217 <2218, 2221>). Das bringt zum Ausdruck, dass die palliativ-medizinische Maßnahme einen schon begonnenen Sterbeprozess begleitet. Im Unterschied dazu wird das Betäubungsmittel bei der Selbsttötung gezielt dazu eingesetzt, den Tod unmittelbar herbeizuführen. Allerdings kann auch die palliativ-medizinisch begründete Gabe eines Betäubungsmittels für die Umsetzung eines Sterbewunsches von erheblicher Bedeutung sein. Den Abbruch lebenserhaltender oder -verlängernder Maßnahmen wird ein Sterbewilliger in vielen Fällen nur verlangen, wenn ihm nach dem Behandlungsabbruch eine palliativ-medizinische Versorgung sicher ist. 22 bb) Ein ausnahmsloses Verbot, Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, greift in das grundrechtlich geschützte Recht schwer und unheilbar kranker Menschen ein, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt ihr Leben enden soll. 23 (1) Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde sichern gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202 <225 f.>). Dazu gehört, dass der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 - BVerfGE 49, 286 <298>). Ausdruck der persönlichen Autonomie ist auch der Umgang mit Krankheit. Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt deshalb das Recht ein, auf Heilung zielende medizinische Behandlungen oder sonstige therapeutische Maßnahmen abzulehnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - NJW 2017, 53 Rn. 74 f.). Das gilt auch für die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191 Rn. 23). Einfach-gesetzlich findet dies eine Bestätigung in den Regelungen über die Patientenverfügung (§§ 1901a ff. BGB). Ohne Einwilligung des einwilligungsfähigen Patienten oder gegen den tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Patienten dürfen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 a.a.O. Rn. 14 ff.; Beschlüsse vom 6. Juli 2016 - XII ZB 61/16 - NJW 2016, 3297 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 14 f.). 24 (2) Ausgehend davon umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln (vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 154 und Art. 2 Abs. 1 Rn. 29; Dreier, JZ 2007, 317 <319>; Hufen, NJW 2001, 849 <851>; Roxin, NStZ 2016, 185 <186>; Lindner, NJW 2013, 136, jeweils m.w.N.; ebenso die Begründung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung <§ 217 StGB>, BT-Drs. 18/5373 S. 10, 13, Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 61 f.; a.A. Lorenz, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1a, Art. 2 Abs. 1 , Rn. 54 und Rn. 303; Art. 2 Abs. 2 Satz 1 , Rn. 420; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192). Dabei beschränkt sich der Grundrechtsschutz nicht auf Fälle, in denen infolge des Endstadiums einer tödlichen Krankheit der Sterbeprozess bereits begonnen hat oder unmittelbar bevorsteht. Die verfassungsrechtlich gebotene Achtung vor dem persönlichen Umgang des Einzelnen mit Krankheit und dem eigenen Sterben schließt auch die freiverantwortlich getroffene Entscheidung schwer kranker Menschen ein, ihr Leben vor Erreichen der Sterbephase oder losgelöst von einem tödlichen Krankheitsverlauf beenden zu wollen. 25 (3) Die Anerkennung eines grundrechtlichen Schutzes des selbstbestimmten Sterbens schwer und unheilbar kranker Menschen im Wege der Selbsttötung entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Danach beinhaltet das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht auf Selbstbestimmung (EGMR, Urteil vom 29. April 2002 - Nr. 2346/02 Pretty/Vereinigtes Königreich - NJW 2002, 2851 Rn. 61). Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass die Entscheidung einer Person, zu vermeiden, was sie als unwürdiges und qualvolles Ende ihres Lebens ansieht, in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK fällt (EGMR, Urteil vom 29. April 2002 a.a.O. Rn. 67). Ausgehend davon hat er entschieden, dass Art. 8 Abs. 1 EMRK das Recht des Einzelnen umfasst, darüber zu bestimmen, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, vorausgesetzt, er ist zu einer freien Willensbildung in der Lage und fähig, dementsprechend zu handeln (EGMR, Urteile vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07 Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 50 f., vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09 Koch/Deutschland - NJW 2013, 2953 Rn. 51 f. und vom 14. Mai 2013 - Nr. 67810/10 Gross/Schweiz - Rn. 58 f.). 26 (4) Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG setzt dem Verkehr mit Betäubungsmitteln Schranken, indem sie unter den dort genannten Voraussetzungen die Erlaubniserteilung verbietet. Durch die hierauf gestützte Ablehnung der beantragten Erwerbserlaubnis wurde Frau K. daran gehindert, die angestrebte Selbsttötung in der von ihr beabsichtigten Weise umzusetzen. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG bewirkte so eine Beschränkung ihres Rechts, selbstbestimmt zu entscheiden, wann und wie ihr Leben enden soll. Es kann dahinstehen, ob darin ein Eingriff im klassischen Sinne zu sehen ist. Das würde voraussetzen, dass es sich um eine unmittelbare und gezielte Verkürzung der grundrechtlichen Freiheit handelt. Das ist zweifelhaft, weil das Betäubungsmittelgesetz nicht unmittelbar darauf ausgerichtet ist, das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Recht zu beschränken, selbst über das Ende des eigenen Lebens zu entscheiden. Jedoch kann der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei einer mittelbaren Beeinträchtigung betroffen sein, wenn diese in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen einem Eingriff gleichkommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004 - 1 BvR 1266/00 - BVerfGE 110, 177 <191> und Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <222>). So liegt es hier. Die ausnahmslose Beschränkung des Zugangs zu einem Betäubungsmittel der Anlage III auf die Anwendung zu therapeutischen Zwecken im engeren Sinne verhindert, dass ein Mittel wie Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung zur Verfügung steht. Von diesem Zugangsverbot werden auch schwer und unheilbar kranke Menschen betroffen, die wegen der von ihnen als unerträglich empfundenen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben zu beenden, und dazu ein Betäubungsmittel verwenden möchten, dessen Wirkungen ihnen eine schmerzlose und sichere Selbsttötung ermöglicht. Der fehlende Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel kann zur Folge haben, dass sie ihren Sterbewunsch nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen realisieren können. Darin liegt eine mittelbare Beeinträchtigung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. 27 Auch wenn man das Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, nicht als Eingriff in das genannte Grundrecht schwer und unheilbar kranker Menschen werten wollte, so wäre bei der Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG jedenfalls die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht für ihre Autonomie im Umgang mit der Krankheit zu beachten (vgl. Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 57). Dass das dargelegte Selbstbestimmungsrecht neben der Abwehr- auch eine Schutzdimension hat, ergibt sich bereits aus seiner Fundierung auch in Art. 1 Abs. 1 GG. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Wegen des Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers beim Ausgleich dieser Schutzpflicht mit der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für das Leben kann der Einzelne zwar grundsätzlich nicht verlangen, dass der Staat Rahmenbedingungen und Strukturen schafft, die die Selbsttötung ermöglichen oder erleichtern (vgl. Jurgeleit, NJW 2015, 2708 <2714>; Hilgendorf, JZ 2014, 545 <550>; Lindner, NJW 2013, 136 <137>). Eine Verdichtung zu einer konkreten Schutzpflicht für die Selbstbestimmung kommt aber in Betracht, wenn sich ein schwer und unheilbar Kranker wegen seiner Erkrankung in einer extremen Notlage befindet, aus der es für ihn selbst keinen Ausweg gibt. Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - FamRZ 2016, 1738 Rn. 73 - dort zur Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das gilt nicht nur, wenn sein Leben, sondern auch wenn sein Selbstbestimmungsrecht gefährdet ist. Der Einzelne ist insbesondere am Lebensende und bei schwerer Krankheit auf die Achtung und den Schutz seiner Autonomie angewiesen. 28 cc) Im Hinblick auf den dargelegten grundrechtlichen Schutz des Selbstbestimmungsrechts ist § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels für eine Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet. 29 (1) Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es findet seine Begrenzung unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung. Hierzu gehört die bereits erwähnte staatliche Schutzpflicht für das Leben. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in diese Rechtsgüter. Es stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet. Bei der Aufstellung und normativen Umsetzung entsprechender Schutzkonzepte kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - FamRZ 2016, 1738 Rn. 70 m.w.N.). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er die so genannte aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen eines Sterbewilligen durch einen Dritten, unter Strafe stellt (§ 216 StGB; BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - 5 StR 66/03 - NJW 2003, 2326 <2327>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 85; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 100). 30 (2) Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG grundsätzlich nicht erlaubnisfähig ist. Das Verbot dient, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, dem Schutz von Menschen in vulnerabler Position und Verfassung vor Entscheidungen, die sie möglicherweise voreilig, in einem Zustand mangelnder Einsichtsfähigkeit oder nicht freiverantwortlich treffen, sowie der Verhinderung von Missbrauch. Mit der Abwehr solcher Gefahren verfolgt der Gesetzgeber legitime Ziele, die es rechtfertigen, den Zugang zu einem Betäubungsmittel zu verbieten (vgl. zu diesen Schutzzielen auch Murswiek, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 210; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 64; EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07, Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 56 ff.; im Kontext von § 217 StGB: Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, BT-Drs. 18/5373 S. 11, 13; BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2015 - 2 BvR 2347/15 - NJW 2016, 558 Rn. 18 ff.). 31 (3) Diese Ziele können das Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, im Lichte von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG aber nicht mehr rechtfertigen, wenn sich der Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befindet. Das ist der Fall, wenn - erstens - die schwere und unheilbare Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden, insbesondere starken Schmerzen verbunden ist, die bei dem Betroffenen zu einem unerträglichen Leidensdruck führen und nicht ausreichend gelindert werden können (vgl. Lindner, NJW 2013, 136 <138>; Roxin, NStZ 2016, 185 <187>), - zweitens - der Betroffene entscheidungsfähig ist und sich frei und ernsthaft entschieden hat, sein Leben beenden zu wollen und ihm - drittens - eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht zur Verfügung steht. 32 Ist der Betroffene in einer solchen Weise seiner Krankheit ausgeliefert, kommt seinem Selbstbestimmungsrecht ein besonderes Gewicht zu, hinter dem die staatliche Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurücktritt. Die staatliche Gemeinschaft muss die selbstbestimmt getroffene Entscheidung des Betroffenen, sein Leben beenden zu wollen, achten; sie darf ihm die Umsetzung seiner Entscheidung auch nicht unmöglich machen. Ist die Einnahme einer letalen Dosis eines Betäubungsmittels die einzige zumutbare Möglichkeit, den Sterbewunsch umzusetzen, wäre der Betroffene ohne den Zugang zu dem Betäubungsmittel darauf verwiesen, die von ihm als unerträglich empfundene Leidenssituation ohne Aussicht auf Besserung oder jedenfalls einen nahen Tod weiter zu erdulden. Mangels einer Möglichkeit, sein Leben zu beenden, müsste er entgegen seiner freien Willensentscheidung weiter leben. Eine Pflicht zum Weiterleben gegen den eigenen Willen berührt den Kern eigenverantwortlicher Selbstbestimmung (Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 89; Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 58). Eine solche Pflicht darf der Staat schwer und unheilbar kranken, aber zur Selbstbestimmung fähigen Menschen nicht - auch nicht mittelbar - auferlegen. Wegen der Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsgüter für die Würde des Betroffenen und seiner Hilflosigkeit verdichtet sich unter den dargelegten Voraussetzungen auch die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dahin, ihm den Erwerb des Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben. 33 Dass die Schutzpflicht des Staates für das Leben hinter dem grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen zurückzutreten hat, ist für die Situation des Behandlungsabbruchs im Übrigen inzwischen sogar für Fälle anerkannt, in denen sich der Betroffene nicht in einer extremen Notlage befindet. Der Betroffene kann den Abbruch lebenserhaltender und -verlängernder Maßnahmen selbst dann verlangen, wenn der Behandlungsabbruch darauf zielt, das Leben trotz vorhandener Lebensperspektive zu beenden (BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 22). 34 (4) Näherer Betrachtung bedarf die anderweitige Möglichkeit, den Sterbewunsch in zumutbarer Weise zu verwirklichen. Von einer solchen Möglichkeit kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Betroffene sein Leben durch einen palliativ-medizinisch begleiteten Abbruch lebenserhaltender oder -verlängernder Behandlungsmaßnahmen beenden kann, zum Beispiel durch Abschalten des Beatmungsgeräts oder Einstellen der künstlichen Ernährung. Wie bereits dargelegt, dürfen medizinische Maßnahmen gegen den Willen des Patienten nicht fortgesetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226 Rn. 22). Eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches ist der Behandlungsabbruch aber nur, wenn er voraussichtlich in absehbarer Zeit zum Eintritt des Todes führen wird, also nicht lediglich zu einer weiteren Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes auf unbestimmte Dauer, möglicherweise verbunden mit einem Verlust der Entscheidungsfähigkeit. Zudem muss gesichert sein, dass der Betroffene nach Abbruch der Behandlung palliativ-medizinisch ausreichend betreut wird. Dazu gehört insbesondere, dass Schmerzen, Atemnot und Übelkeit gelindert werden (vgl. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, Deutsches Ärzteblatt 2011, A 346). 35 Die ärztliche Suizidbeihilfe war weder im maßgebenden Beurteilungszeitpunkt eine Alternative noch ist dies gegenwärtig der Fall. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Überlassung eines Betäubungsmittels durch den Arzt an seinen Patienten zum Zweck der Selbsttötung zulässig ist, ist bislang nicht abschließend geklärt. Das gilt sowohl im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit (dazu OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 Ws 13/16 - NStZ 2016, 530 m.w.N.; Jäger, JZ 2015, 875 <877 f.>) als auch unter dem Gesichtspunkt des ärztlichen Berufsrechts (vgl. VG Berlin, Urteil vom 30. März 2012 - 9 K 63.09 - MedR 2013, 58; Hilgendorf, JZ 2014, 545 <550 f.>; Lindner, NJW 2013, 136 <137 f.>; Roxin, NStZ 2016, 185 <190>; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung, BT-Drs. 18/5374 S. 8). Für den Arzt ist eine Suizidbeihilfe mithin mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. In einer solchen Situation darf die Rechtsordnung den Betroffenen nicht darauf verweisen, einen Arzt zu suchen, der bereit ist, diese Risiken einzugehen. 36 Auf die Möglichkeit, die angestrebte Selbsttötung mit dem gewünschten Betäubungsmittel im Ausland vorzunehmen, darf die staatliche Gemeinschaft den Betroffenen ebenfalls nicht verweisen. Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat, den erforderlichen Grundrechtsschutz innerhalb der eigenen Rechtsordnung zu gewährleisten. 37 (5) § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG lässt sich in diesem Sinne grundrechtskonform auslegen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht erforderlich. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341 <358> und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Das ist hier nicht der Fall. Der Begriff der notwendigen medizinischen Versorgung in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG meint einen Betäubungsmitteleinsatz zu Therapiezwecken. In einer extremen Notlage der dargelegten Art kann die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ausnahmsweise als therapeutischen Zwecken dienend angesehen werden; sie ist die einzige Möglichkeit, eine krankheitsbedingte, für den Betroffenen unerträgliche Leidenssituation zu beenden. Da die Annahme einer extremen Notlage verlangt, dass eine Linderung auf andere Weise nicht erreicht werden kann und eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht besteht, stellt sich die Versorgung mit dem Betäubungsmittel auch als notwendig dar. Entsprechend ist die Wortlautgrenze des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG nicht überschritten. 38 Es ist auch nicht erkennbar, dass die verfassungskonforme Interpretation dem Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Die Gesetzesmaterialien zum Betäubungsmittelgesetz lassen zwar darauf schließen, dass eine Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Sie bieten aber keine Anhaltspunkte dafür, dass selbst unter den genannten engen Voraussetzungen eine Ausnahme von dem Verbot ausgeschlossen sein soll (vgl. BT-Drs. 8/3551 S. 23 ff.). Auch § 13 Abs. 1a BtMG, der durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) eingefügt wurde, ist für die Frage, ob das Verbot einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung ohne jede Ausnahme gelten soll, unergiebig. Das Gleiche gilt für die zugehörigen Gesetzesmaterialien (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/9341 -, BT-Drs. 17/10156 S. 83, 91 f.). Schließlich lässt auch die am 10. Dezember 2015 in Kraft getretene Strafvorschrift des § 217 StGB nicht darauf schließen, dass die grundrechtskonforme Auslegung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers treten würde. Gemäß § 217 Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2177) macht sich derjenige strafbar, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Mit diesem Straftatbestand soll der potenzielle Suizident vor einer abstrakt das Leben und die Autonomie des Einzelnen gefährdenden Handlung in Form einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung geschützt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2015 - 2 BvR 2347/15 - NJW 2016, 558 Rn. 14; BT-Drs. 18/5373 S. 11 f., 14). Dazu heißt es in den Materialien, es sei als problematisch anzusehen, dass in Deutschland verstärkt Organisationen und Personen auftreten würden, die einen so genannten assistierten Suizid nachhaltig öffentlich als Alternative zum natürlichen, medizinisch und menschlich begleiteten Sterben propagierten und geschäftsmäßig Hilfe bei der Selbsttötung anböten (BT-Drs. 18/5373 S. 9). Dieser Entwicklung sei aus Gründen des Integrität- und des Autonomieschutzes potenzieller Suizidenten entgegenzuwirken. Das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe solle der Gefahr von Interessenkollisionen begegnen, die entstünden, wenn ein Eigeninteresse der Suizidhelfer an der Durchführung der Selbsttötung bestehe (BT-Drs. 18/5373 S. 11). Zudem solle der Gefahr entgegengetreten werden, dass durch ""derartige Normalität suggerierende Angebote"" Menschen zur Selbsttötung verleitet werden könnten, die dies sonst nicht täten (BT-Drs. 18/5373 S. 13). Hiernach bietet die Schaffung des § 217 StGB keinen Anhalt dafür, dass es dem gesetzgeberischen Willen entspricht, eine betäubungsmittelrechtliche Erwerbserlaubnis zur Selbsttötung ohne Rücksicht auf die genannte extreme Notlage schwer und unheilbar kranker Menschen ausnahmslos zu verbieten. Die behördliche Erteilung einer solchen Erlaubnis, die nur im besonderen Einzelfall und nur unter sehr eng gefassten Voraussetzungen zulässig ist, ist nicht vergleichbar mit einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch einen privaten Suizidhelfer im Sinne des § 217 StGB. Das BfArM verfolgt keine Eigeninteressen, sondern seine Entscheidung beruht darauf, dass dem Betroffenen die Erlaubnis unter den dargestellten Voraussetzungen aus Rechtsgründen nicht verweigert werden darf. Ebenso wenig kann angesichts der engen Grenzen für eine solche Erlaubnis davon gesprochen werden, dass der ""Anschein einer Normalität"" entsteht. Mit der verfassungskonformen Auslegung von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG wird auch kein staatliches ""Angebot des assistierten Suizids"" geschaffen, sondern dem grundgesetzlich geforderten Schutz des Selbstbestimmungsrechts schwer und unheilbar kranker Menschen Rechnung getragen. Dieses Recht hat der Gesetzgeber bei Beschluss des § 217 StGB ausdrücklich anerkannt (BT-Drs. 18/5373 S. 10, 13). Dementsprechend sieht er jenseits des zulässigen Behandlungsabbruchs und der so genannten indirekten Sterbehilfe oder Therapiezieländerung eine Strafbarkeit nach § 217 StGB auch dann als nicht gegeben an, wenn ""im Einzelfall nach sorgfältiger Untersuchung und unter strikter Orientierung an der freiverantwortlich getroffenen Entscheidung einer zur Selbsttötung entschlossenen Person Suizidhilfe gewährt wird"" (BT-Drs. 18/5373 S. 18). 39 (6) Der Einwand der Beklagten, dem BfArM fehlten die Voraussetzungen, um das Vorliegen einer Ausnahmesituation verlässlich beurteilen und feststellen zu können, greift nicht durch. 40 Das Fehlen spezieller verfahrensrechtlicher Regelungen zur Feststellung der Ausnahmesituation steht der Verpflichtung des BfArM, grundrechtsgemäß zu verfahren, nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 - BVerfGE 49, 286 <301>). Allerdings bedarf die Entscheidung angesichts der hochrangigen Rechtsgüter, die durch sie betroffen sind, und zur Verhinderung von Missbrauch einer besonders sorgfältigen Überprüfung des Sachverhalts. Das gilt sowohl in Bezug auf die Feststellung des freien und ernstlichen Willens zur Selbsttötung als auch für das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer extremen Notlage. Hierfür bietet das allgemeine Verfahrensrecht aber eine ausreichende Grundlage. Gemäß § 24 Abs. 1 VwVfG kann und muss das BfArM die erforderlichen Maßnahmen treffen, um auf gesicherter Erkenntnisbasis beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen einer Ausnahmesituation erfüllt sind. Dabei kann es sich gemäß § 26 Abs. 1 VwVfG der Beweismittel bedienen, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für geboten hält. Wenn und soweit die Behörde nicht über das zur Feststellung und Beurteilung der maßgeblichen Tatsachen erforderliche Fachwissen verfügt, kann sie sachkundige Dritte und erforderlichenfalls Sachverständige hinzuziehen (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 24 Rn. 27 m.w.N.). 41 Der Senat verkennt nicht, dass dem BfArM schwierige Bewertungen abverlangt werden und seine Entscheidung einen in hohem Maße sensiblen Bereich betrifft. Vergleichbares gilt aber auch für die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit eines Patienten, der den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangt, und für die Feststellung des mutmaßlichen Willens eines einwilligungsunfähigen Patienten im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen nach §§ 1901a ff. BGB. Im Fall des Nichtvorliegens einer bindenden Patientenverfügung obliegt es dem Betreuer und dem behandelnden Arzt sowie gegebenenfalls dem Betreuungsgericht, den Patientenwillen zu ermitteln. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine nicht leicht zu treffende Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 202/13 - BGHZ 202, 226; Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, BT-Drs. 16/8442 S. 12). 42 c) Danach ist der ablehnende Bescheid des BfArM vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2005 rechtswidrig gewesen. Es hätte prüfen müssen, ob sich Frau K. in einer extremen Notlage befand, die die Erteilung der beantragten Erlaubnis geboten hätte. Das lag hier im Bereich des Möglichen. Frau K. litt aufgrund ihrer hochgradigen, fast kompletten Querschnittslähmung an schwersten körperlichen Beeinträchtigungen, die irreversibel waren, eine ständige medizinische Betreuung und Pflege erforderlich machten sowie mit starken Schmerzen einhergingen. Sie hatte in ihrem Antrag ausführlich dargelegt, dass und warum sie ihren Zustand als unerträgliche Leidenssituation empfand. Nach ihren Ausführungen ist auch nicht ernstlich zweifelhaft gewesen, dass sie selbstbestimmt und ernsthaft entschieden hatte, ihr Leben beenden zu wollen. Bei dieser Sachlage hätte das BfArM die beantragte Erlaubnis nicht ablehnen dürfen, ohne zu prüfen, ob Frau K. eine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches hatte. Hiervon konnte das BfArM nicht bereits deshalb ausgehen, weil Frau K. künstlich beatmet wurde. Damit stand zwar die Möglichkeit eines palliativ-medizinisch begleiteten Behandlungsabbruchs im Raum. Es war aber nicht geklärt, ob das Abstellen der Beatmung in ihrem Fall in absehbarer Zeit zum Tode geführt hätte. Vor allem herrschte im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt noch Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Behandlungsabbruch, der durch aktives Tun verwirklicht wird, als straffrei anzusehen sei. Die Rechtslage ist erst 2010 höchstrichterlich geklärt worden (BGH, Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191). Es war daher nicht auszuschließen, dass Frau K. eine ""Sterbehilfe"" durch Behandlungsabbruch tatsächlich nicht erlangen konnte, weil das medizinische Personal angesichts der rechtlichen Unsicherheiten hierzu nicht bereit war. 43 5. Die weitergehende Klage bleibt ohne Erfolg. Die Feststellung, dass das BfArM zur Erlaubniserteilung verpflichtet gewesen ist, lässt sich ohne die erforderliche Sachverhaltsprüfung und -aufklärung nicht treffen. Das kann nach dem Tod von Frau K. nicht mehr nachgeholt werden. Insbesondere die Frage, ob zumutbare Alternativen zur Verfügung gestanden hätten, ist ohne ihre Beteiligung nicht mehr zu klären. Dementsprechend kam auch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung nicht in Betracht. 44 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2017-12,03.03.2017,"Pressemitteilung Nr. 12/2017 vom 03.03.2017 EN Dienstliche Beurteilung kann auch von nur einem Beurteiler erstellt werden, wenn hinreichende Kenntnisverschaffung sichergestellt ist Die dienstliche Beurteilung eines Beamten darf auch von einem Beurteiler erstellt werden, der die Leistung im Beurteilungszeitraum nicht aus eigener Anschauung kennt. Eine derartige Verfahrensweise setzt aber ein Beurteilungssystem voraus, das sicherstellt, dass der Beurteiler über hinreichende Kenntnis von den für die Beurteilung wesentlichen Tatsachen verfügt. Werden Vergleichsgruppen gebildet, müssen diese aus Beschäftigten bestehen, die in einem potentiellen Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Für Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen gilt dies grundsätzlich nicht, Tarifbeschäftigte dürfen dagegen einbezogen werden. Das Beurteilungssystem der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen entspricht diesen Vorgaben teilweise nicht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin, eine bei der Bundesnetzagentur verwendete Bundesbeamtin, wendet sich gegen eine im Ankreuzverfahren erstellte Regelbeurteilung. Sie macht insbesondere geltend, der Beurteiler sei weder zu einer eigenständigen Bewertung ihrer Leistungen in der Lage gewesen noch habe er sich ausreichende Kenntnis hierüber verschafft. Ihre Herabstufung um eine Notenstufe gegenüber den vorangegangenen Beurteilungen sei nicht plausibel. Die Beklagte ist in den Vorinstanzen zur Neubeurteilung der Klägerin verpflichtet worden. Angesichts der uneinheitlichen Notenvergabe in den Einzelmerkmalen habe es einer Begründung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung bedurft. Darüber hinaus habe die Beklagte unzulässige Vergleichsgruppen für die vorgegebenen Quoten gebildet: zum einen habe sie Tarifbeschäftigte nicht einbeziehen dürfen, zum anderen dürften in einer Vergleichsgruppe nicht Beamte in unterschiedlichen Laufbahnen zusammengefasst werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Angesichts der uneinheitlichen Bewertung der Leistungen der Klägerin in den Einzelmerkmalen bedurfte es einer Begründung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung. Dieses muss bereits bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung erfolgen und kann nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Die Beurteilung darf zur Gewährleistung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs auch durch einen höheren Vorgesetzten als einzigem Beurteiler erstellt werden, der einen Überblick über die gesamte Vergleichsgruppe besitzt. Ein derartiges Beurteilungssystem setzt aber voraus, dass sich der Beurteiler durch eine Einbeziehung der Fachvorgesetzten hinreichende Kenntnis über die Leistungen des zu beurteilenden Beamten verschafft (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 BLV i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG). Werden hierzu schriftliche Beurteilungsbeiträge erstellt, sind diese für eine etwaige gerichtliche Kontrolle aufzubewahren. Da die Einordnung in vorgegebene Quoten oder Richtwerte der Klärung einer Wettbewerbssituation dient, muss die Vergleichsgruppe aus Beschäftigten bestehen, die potentiell in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen. Dies ist bei Beamten aus unterschiedlichen Laufbahnen oder Laufbahngruppen grundsätzlich nicht der Fall. Denn das bei einer Beförderung zu vergebende Statusamt wird auch durch die Laufbahn bestimmt. Beamte und Tarifbeschäftigte einer Behörde stehen dagegen in einem potentiellen Konkurrenzverhältnis um Beförderungsstellen. Um eine Vergleichbarkeit der Beurteilungen in zukünftigen Auswahlverfahren erleichtern zu können, dürfen daher auch Angestellte in das Regelbeurteilungsverfahren und die hierfür geltenden Richtwerte einbezogen werden. Für derartige Binnenbeurteilungen findet der in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Arbeitszeugnissen - die für eine Verwendung außerhalb des Bereichs des bisherigen Arbeitgebers bestimmt sind - entwickelte Wohlwollensgrundsatz keine Anwendung. BVerwG 2 C 21.16 - Urteil vom 02. März 2017 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 4 S 126/15 - Urteil vom 15. Juni 2016 - VG Sigmaringen, 1 K 1152/13 - Urteil vom 08. Oktober 2014 -","Urteil vom 02.03.2017 - BVerwG 2 C 21.16ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U2C21.16.0 EN Gewährleistung der hinreichenden Tatsachengrundlage einer dienstlichen Beurteilung Leitsätze: 1. Der Dienstherr trägt die materielle Beweislast für die Tatsachengrundlage einer dienstlichen Beurteilung. 2. Das ""Vier-Augen-Prinzip"" der dienstlichen Beurteilung in § 50 Abs. 1 Satz 1 BLV erfordert nicht zwei formell zu Beurteilern bestellte Personen. Zulässig ist auch ein Beurteilungssystem, in dem die Beurteilung von nur einem Beurteiler verantwortet wird, der einen Überblick über die gesamte Vergleichsgruppe besitzt, und eine zweite Person mitwirkt, durch die eine hinreichende Sachkenntnis von Leistung und Person des zu beurteilenden Beamten gewährleistet ist. 3. Die Vergleichsgruppe für die Richtwertbildung einer dienstlichen Beurteilung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 BLV) darf nur aus Beschäftigten bestehen, die potentiell in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen. Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen dürfen grundsätzlich nicht zusammengefasst werden. 4. Die Einbeziehung von Angestellten in die Vergleichsgruppenbildung ist vom geltenden Recht nicht vorgeschrieben, sie ist aber zulässig. 5. Eine im sog. Ankreuzverfahren erstellte dienstliche Beurteilung muss in der Regel eine Begründung des Gesamturteils enthalten. Diese ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung und kann nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 BBG § 21 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 2 BLV F. 2009 § 49 Abs. 3 Satz 1, § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Instanzenzug VG Sigmaringen - 08.10.2014 - AZ: VG 1 K 1152/13 VGH Mannheim - 15.06.2016 - AZ: VGH 4 S 126/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.03.2017 - 2 C 21.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020317U2C21.16.0] Urteil BVerwG 2 C 21.16 VG Sigmaringen - 08.10.2014 - AZ: VG 1 K 1152/13 VGH Mannheim - 15.06.2016 - AZ: VGH 4 S 126/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Kenntner und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Juni 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erneute Beurteilung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu erfolgen hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre dienstliche Regelbeurteilung. 2 Die Klägerin steht als Regierungshauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) im Dienst der Beklagten. Sie wird bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (im Folgenden: Bundesnetzagentur) - einer selbständigen Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie - verwendet und beim Dienstleistungszentrum R. auf einem Dienstposten eingesetzt, der ""gebündelt"" allen Ämtern ihrer Laufbahn (Besoldungsgruppen A 6 bis A 9 BBesO) zugeordnet ist. 3 Nachdem die Klägerin in den vorangegangenen dienstlichen Beurteilungen jeweils mit dem Gesamturteil A bewertet worden war, erhielt sie in der Regelbeurteilung zum Stichtag 15. März 2012 das Gesamturteil B. In den einzelnen Beurteilungskriterien hat die Klägerin siebenmal die Notenstufe A und zwölfmal die Notenstufe B erhalten; diese Einzelkriterien werden im sog. Ankreuzverfahren bewertet (durch Ankreuzen einer Notenstufe, deren Bedeutungsgehalt definiert ist). Das Gesamturteil ist nicht textlich begründet. Ausdrücklich ist dagegen darauf verwiesen, dass die Richtwertvorgaben durch die neue Beurteilungsrichtlinie geändert und die Notenstufen daher nicht mehr mit den vorangegangenen vergleichbar seien. 4 Die dienstliche Beurteilung wurde von der Beklagten auf der Grundlage der ""Dienstvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Hauptpersonalrat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im Geschäftsbereich"" vom 10./12. Mai 2011 (im Folgenden: DV-BMWi) erstellt. Danach war zwar weiterhin ein gleichbleibendes Bewertungssystem in sechs Stufen (X, A, B, C, D und E) sowohl für die 19 Einzelkriterien als auch für die Gesamtbewertung zugrunde gelegt worden, die Beurteilung erfolgte aber auf geänderten Richtwertvorgaben. Während auf die beste Bewertungsstufe X weiterhin nicht mehr als 5 % der Beschäftigten einer Vergleichsgruppe entfallen sollten, wurde die Vorgabe für die zweitbeste Bewertungsstufe A von 40 % auf 20 % abgesenkt. 5 Die in Ergänzung hierzu geschlossene ""Dienstvereinbarung zwischen der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen und dem Gesamtpersonalrat bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen"" vom 16. Februar 2012 (im Folgenden: DV-BNetzA) sieht darüber hinaus die Möglichkeit der Gesamtbewertung mit einem ""herausgehobenen A"" bzw. einem ""herausgehobenen B"" vor (später als A+ und B+ bezeichnet), die nur an jeweils 10 % der Beschäftigten der Vergleichsgruppe vergeben werden dürfen. 6 Nach den in Bezug genommenen ""Beförderungsgrundsätzen"" setzt ein herausgehobenes B (B+) voraus, dass in den fünf vorgegebenen Bewertungsbereichen dreimal ein A und in keinem der Bereiche ein C erreicht worden ist. Für diese Ermittlung sind die in den Bewertungsbereichen erzielten Einzelnoten (in der Anzahl zwischen 1 bis 7) durch ""kaufmännische Rundung"" auf eine Bewertungsstufe festzulegen. 7 Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin insbesondere vorgetragen, dass die Gründe für ihre Herabstufung nicht erkennbar seien; tatsächlich habe sich die von ihr geleistete Arbeitsmenge sogar deutlich erhöht. Von ihren Fachvorgesetzten sei ihre Leistung deutlich positiver eingeschätzt worden. Die Beklagte hat den Widerspruch zurückgewiesen und maßgeblich darauf verwiesen, dass aufgrund der geänderten Richtwertvorgaben die Notenstufe A nur noch für die Hälfte der zuvor entsprechend beurteilten Beamten habe vergeben werden können. 8 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Neubeurteilung verpflichtet. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos. Die dienstliche Beurteilung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Vergleichsgruppenbildung fehlerhaft erfolgt sei. Die Beklagte hätte hierfür eine Unterscheidung nach Laufbahnen vornehmen müssen und keine Tarifbeschäftigten einbeziehen dürfen. Überdies hätte das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung einer Begründung bedurft. 9 Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten. Sie beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Juni 2016 und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 10 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Einbeziehung von Tarifbeschäftigten für rechtlich bedenklich. Eine laufbahnübergreifende Vergleichsgruppenbildung entspreche dagegen dem Willen des historischen Verordnungsgebers, der dem Problem ansonsten möglicherweise zu kleiner Vergleichsgruppen habe Rechnung tragen wollen. II 12 Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet; sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts neu zu beurteilen hat. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt im Ergebnis kein revisibles Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 13 Die dienstliche Beurteilung der Klägerin - die sich nicht durch die zwischenzeitlich ergangene Beurteilung für den Nachfolgezeitraum erledigt hat (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 - Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 S. 2 f.) - ist nicht auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt (1.). Das Beurteilungssystem der Beklagten entspricht nicht den Vorgaben der Bundeslaufbahnverordnung zum ""Vier-Augen-Prinzip"" (2.). Die Beurteilung der Klägerin beruht überdies auf einer unzutreffenden Vergleichsgruppenbildung; die Beklagte hätte Beamte in unterschiedlichen Laufbahnen nicht unterschiedslos zusammenfassen dürfen (3.). Die Einbeziehung von Tarifbeschäftigen in die Richtwertbetrachtungen lässt das geltende Recht dagegen zu (4.). Schließlich bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung der Klägerin einer Begründung (5.). 14 1. Die Beklagte hat die Tatsachengrundlage für die in der dienstlichen Beurteilung der Klägerin enthaltenen Wertungen auch im gerichtlichen Verfahren nicht hinreichend plausibilisiert. 15 a) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die allgemein für Beurteilungsentscheidungen anzuwendende Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den rechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. September 2007 - 2 BvR 1855/07 - BVerfGK 12, 106 <109>; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 9). 16 Aus dem in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz folgt, dass Maßnahmen der öffentlichen Gewalt durch die Gerichte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen sind. Eine Bindung an die von der Behörde getroffenen Feststellungen und Wertungen ist damit grundsätzlich nicht vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 <49>). Eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle ergibt sich jedoch dort, wo der Gesetzgeber Beurteilungs- und Ermessensspielräume für die Verwaltung eröffnet hat. Wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Spielräume belässt, muss dieses behördliche Letztentscheidungsrecht auch von den Gerichten respektiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>). 17 Eine derartige Beurteilungsermächtigung ist in § 21 Satz 1 BBG enthalten. Die dort angeordnete Beurteilung setzt notwendigerweise Bewertungen und hinsichtlich künftiger Verwendungseinschätzungen auch Prognosen voraus. Anders als etwa bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 17), die einer (medizinischen) Sachverständigenbeurteilung zugänglich ist, kann diese Feststellung nicht durch eine Einschätzung der Gerichte ersetzt werden. Da das besondere öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn besteht, muss auch die Einschätzung, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes entsprochen hat, dem Dienstherrn vorbehalten sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 <246> und vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 9). Die gesetzliche Bestimmung spricht dem Dienstherrn somit auch eine immanente Beurteilungsermächtigung zu. 18 Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Die dienstliche Beurteilung kann auch im Rahmen der Eröffnung und Besprechung sowie im nachfolgenden Widerspruchs- oder Klageverfahren plausibilisiert werden. Hierfür sind Erläuterungen und Konkretisierungen erforderlich, auf deren Grundlage die Gerichte nachprüfen können, ob der Dienstherr bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung bzw. bei einzelnen in ihr enthaltenen Werturteilen von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt oder allgemeingültige Wertmaßstäbe verletzt hat (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 17 ff.; BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 723/99 - NVwZ 2002, 1368 Rn. 14). 19 b) Der dienstlichen Beurteilung fehlt die erforderliche Aussagekraft, wenn sie auf einer nur partiell oder bruchstückhaft vorhandenen Kenntnis der für die Bewertungen erforderlichen Tatsachen beruht (BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 47 und vom 28. Januar 2016 - 2 A 1.14 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 3 Rn. 22). 20 Dem gesetzlichen Regelungssystem in § 21 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG liegt die Vorstellung zugrunde, dass die dienstliche Beurteilung an den Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu orientieren ist, damit sie die Grundlage für nachfolgende Auswahlentscheidungen darstellen kann. Der Dienstherr kann aber nur dann auf die dienstliche Beurteilung als maßgebliche Entscheidungsgrundlage seiner Auswahl abstellen, wenn sich hieraus verlässliche Bewertungen für die Ämtervergabe ergeben (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 31 m.w.N.). Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - NVwZ 2017, 475 Rn. 24 m.w.N.). 21 Ist der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Beamten zu machen, muss er sich die Informationen verschaffen, die es ihm ermöglichen, diejenigen in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zutreffend zu erfassen, über die er keine aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnis besitzt (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359 Rn. 22 f. m.w.N.). Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich, Aussagen von Personen in Betracht, die die Dienstausübung des zu beurteilenden Beamten aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen. Der Beurteiler darf nicht davon absehen, Beurteilungsbeiträge einzuholen, weil er sich trotz fehlender eigener Anschauung zutraut, den Beamten zutreffend einzuschätzen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 47). Kennt der Beurteiler die dienstlichen Leistungen des zu Beurteilenden im Beurteilungszeitraum nicht aus eigener Anschauung, ist er vollständig auf - schriftliche oder mündliche - Beurteilungsbeiträge angewiesen. Diese müssen deshalb in Umfang und Tiefe so beschaffen sein, dass sie die Erstellung der dienstlichen Beurteilung in der erforderlichen Differenzierung ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359 Rn. 25). 22 c) Schriftliche Beurteilungsbeiträge sind aufzubewahren, um eine effektive gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). 23 Beurteilungsbeiträge müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Der Beurteiler ist zwar an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung ""fortschreibend"" übernehmen müsste. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Werturteile auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 47). Entsprechendes gilt für die von einem Zweitbeurteiler vorgenommenen Änderungen (BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 A 2.10 - NVwZ-RR 2013, 54 Rn. 16). 24 Die Überprüfung einer auf Beurteilungsbeiträge gestützten dienstlichen Beurteilung setzt einen Vergleich mit diesen Beurteilungsbeiträgen voraus. Im Beanstandungsfall muss damit ein schriftlicher Beurteilungsbeitrag zur Verfügung gestellt werden, weil seine Kenntnis zur effektiven Rechtsverfolgung unabdingbar ist. Nur auf dieser Grundlage kann der Beurteilte nachprüfen, ob der Beurteiler von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 48). Erst der Beurteilungsbeitrag und dessen Einschätzung durch den Beurteiler versetzen die Gerichte schließlich in die Lage, die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung zu kontrollieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 20). Die Existenz des Beurteilungsbeitrags und ein etwaiges Abweichen der dienstlichen Beurteilung hiervon muss dem beurteilten Beamten auf Nachfrage mitgeteilt werden. 25 Schriftliche Beurteilungsbeiträge müssen daher für die Dauer einer möglichen gerichtlichen Beanstandung aufbewahrt werden. Verstößt der Dienstherr gegen diese aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Pflicht oder reichen die vorhandenen Unterlagen zur Plausibilisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltene Wertung nicht aus, trägt der Dienstherr hierfür die materielle Beweislast (BVerwG, Urteil vom 2. April 1981 - 2 C 34.79 - BVerwGE 62, 135 <142>; ähnlich auch Urteil vom 6. April 1989 - 2 C 9.87 - BVerwGE 81, 365 <368>). 26 d) Beurteilungsbeiträge zu der dienstlichen Beurteilung der Klägerin hat die Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren vor den Tatsacheninstanzen nicht vorgelegt. Sie hat die Beurteilung und die Art und Weise, wie der Beurteiler sich die erforderliche Kenntnis über die im Beurteilungszeitraum von der Klägerin erbrachten Leistungen verschafft und diese hat bewerten können, auch sonst nicht plausibilisiert. Die Beurteilung ist mangels nachvollziehbarer Plausibilisierung der in ihr enthaltenen Bewertungen fehlerhaft. 27 Das Beurteilungssystem der Bundesnetzagentur führt dazu, dass zwischen dem zu beurteilenden Beamten und dem Beurteiler bis zu drei Hierarchieebenen bestehen. Im Falle der Klägerin musste die unmittelbare Kenntnis über die von ihr erbrachten Leistungen von ihrem Fachvorgesetzten zunächst über den Leiter des Dienstleistungszentrums R. und sodann den Außenstellenleiter K. als ""Berichterstatter"" bis schließlich zum Beurteiler, dem Leiter der zuständigen Abteilung der Bundesnetzagentur in B., vermittelt werden. Der Beurteiler selbst hatte keine eigene Anschauung von den Leistungen der Klägerin. 28 Ein Beurteilungsbeitrag durch den Fachvorgesetzten und/oder den Leiter des Dienstleistungszentrums oder ein Beurteilungsentwurf durch den Berichterstatter ist aber nicht erstellt worden. In der Klageerwiderung hat die Beklagte vielmehr auf das Berichterstattergespräch hingewiesen. Hierin habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, die wesentlichen Aspekte und Besonderheiten ihrer Tätigkeit gegenüber dem Berichterstatter zur Sprache zu bringen und umfassend ihre Leistung darzustellen. Die Beklagte weist dem Beamten damit die Aufgabe zu, im Berichterstattergespräch die Tatsachengrundlage für die Beurteilung zu schaffen. 29 Wie die dort gewonnenen sowie anderweitige Erkenntnisse über die Leistungen der Klägerin im Beurteilungszeitraum an den Beurteiler vermittelt werden, ist auch im gerichtlichen Verfahren offen geblieben. Die Beklagte hat zwar ein Muster für die ""Kurzfassung des Leistungsbildes"" vorgelegt, das dem Berichterstatter zur Vorbereitung der Beurteilungskonferenz dienen soll. Das über die Klägerin erstellte Blatt ist aber nicht vorgelegt, sondern - den Vorgaben aus Nr. 66 DV-BNetzA entsprechend - vernichtet worden. 30 Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, wie mit den im vorgelegten Muster vorgesehenen Angaben die dienstliche Beurteilung in ihrer Ausdifferenzierung erstellt werden könnte. Aussagen, die den 19 Einzelkriterien zugeordnet werden könnten, enthält das Formular nicht. Die Kurzfassung des Leistungsbilds versetzt den Beurteiler nicht in den Stand, Einzelnoten und ein Gesamturteil zu vergeben, die die dienstlichen Leistungen und die Befähigung der Klägerin im Beurteilungszeitraum zuverlässig widerspiegeln (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 1 B 1474/14 - ZBR 2016, 62 <63>). 31 Die Beklagte hat auch nicht in anderer Weise plausibilisiert, weshalb und auf welcher Tatsachengrundlage sie zu ihren Wertungen gelangt ist. Hierzu hätte jedenfalls insoweit Anlass bestanden, als die Klägerin substantiierte Einwände und Stellungnahmen sowohl ihres unmittelbaren Vorgesetzten als auch des Leiters ihres Dienstleistungszentrums vorgelegt hat. Exemplarisch kann auf die ausdrücklich gerügte Einstufung im Merkmal ""Arbeitsmenge"" verwiesen werden. Weder ist auf den von der Klägerin vorgetragenen Einwand der zusätzlichen Aufgabenübertragung eingegangen worden noch wurden Angaben zum angewendeten Maßstab gemacht. Selbst auf die von der Klägerin konkret benannten Vergleichsbeispiele ist ganz überwiegend nicht geantwortet worden. Die vorgenommene Einstufung der Leistungen der Klägerin im Merkmal Arbeitsmenge kann damit in keiner Weise nachvollzogen werden. 32 Auch bei Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren nachgeholten Begründungen erschöpft sich die Konkretisierung der Beklagten letztlich in dem Hinweis auf die Maßstabsänderung: Da die Notenstufe A nur noch für 20 % statt für 40 % der Mitglieder der Vergleichsgruppe vergeben werden dürfe, setze die neue Beurteilung keinen Leistungsabfall voraus. Das ist zwar richtig, enthebt die Beklagte aber nicht von der Pflicht zur Plausibilisierung gegen im Einzelnen substantiiert erhobene Rügen. 33 2. Das Beurteilungssystem der Beklagten entspricht nicht den Vorgaben aus § 50 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten in der hier maßgeblichen Fassung vom 12. Februar 2009 (BGBl. I S. 284 - BLV). 34 a) Nach dieser - insoweit unverändert gültigen - Vorschrift ""erfolgen"" dienstliche Beurteilungen in der Regel von mindestens zwei Personen. 35 Die - unklare - Formulierung kann nach ihrem Wortlaut zwar so verstanden werden, dass sie eher für das Erfordernis zweier zur Beurteilung berufener Personen spricht (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 10. Juli 2015 - 1 B 1474/14 - ZBR 2016, 62 <65> und vom 30. Oktober 2015 - 1 B 813/15 -). Sie verlangt indes nicht zwingend, dass die Beurteilung von zwei formal zu Beurteilern bestellten Personen ""erstellt"" wird. 36 Stellung und Inhalt der erforderlichen Mitwirkung der an der dienstlichen Beurteilung beteiligten Personen müssen daher durch den Regelungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Vorgabe ermittelt werden. Danach reicht es aus, wenn die dienstliche Beurteilung von nur einem Beurteiler verantwortet wird, der einen Überblick über die gesamte Vergleichsgruppe besitzt, und eine zweite Person mitwirkt, die über eine unmittelbare Kenntnis von den Leistungen des zu beurteilenden Beamten verfügt und deren Aufgabe darin besteht, dem Beurteiler eine für die Beurteilung hinreichende Sachverhaltskenntnis zu verschaffen. 37 In § 50 Abs. 1 Satz 1 BLV wird ausdrücklich auf das Erfordernis eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs verwiesen, Absatz 2 sieht Richtwertvorgaben für die höchste und die zweithöchste Notenstufe vor. Diese Anforderungen können nur erfüllt werden, wenn das Notenverständnis und die hierfür geltenden Maßstäbe einheitlich für die gesamte Vergleichsgruppe zur Anwendung gebracht werden. Diese Maßstabsverbindlichkeit wird gewährleistet, wenn die dienstlichen Beurteilungen abschließend von einem Beurteiler verantwortet werden, der einen Überblick über die gesamte Vergleichsgruppe besitzt. 38 Die Beurteilung durch einen höheren Vorgesetzten kann aber vor allem bei großen Personalkörpern zur Folge haben, dass der Beurteiler die Leistung der zu beurteilenden Beamten im maßgeblichen Beurteilungszeitraum nicht aus eigener Anschauung kennt. Ein derartiges Beurteilungssystem setzt daher voraus, dass eine zweite Person an der dienstlichen Beurteilung mitwirkt, die dem Beurteiler hinreichende Kenntnis von den Leistungen des konkret zu beurteilenden Beamten verschafft. Die zweite an der dienstlichen Beurteilung mitwirkende Person muss keine förmliche Beurteilerstellung innehaben. Sie muss aber eine hinreichende Tatsachengrundlage für die in der dienstlichen Beurteilung ausgesprochenen Bewertungen gewährleisten. Während der Beurteiler den Beurteilungsmaßstab für die Vergleichsgruppe kennt und sicherstellt, dient die Mitwirkung einer zweiten Person der Gewährleistung einer hinreichenden Sachkenntnis von Leistung und Person des zu beurteilenden Beamten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 14. Juni 2012 - 6 S 53.11 - juris Rn. 16 und vom 29. April 2016 - 7 S 3.16 - juris Rn. 15). 39 b) Diesen Anforderungen entspricht das Beurteilungssystem der Bundesnetzagentur nicht. 40 Wie dargestellt verfügt vielmehr auch der ""Berichterstatter"" aufgrund der aufgezeigten Defizite des derzeit praktizierten Beurteilungssystems nicht über eine eigene Anschauung von Person und Leistung des zu beurteilenden Beamten. Seine Einbeziehung gewährleistet daher nicht die mit der Mitwirkung einer zweiten Person beabsichtigte Sicherstellung hinreichender Sachverhaltskenntnis von den für die Beurteilung wesentlichen Tatsachen (a.A. OVG Koblenz, Urteil vom 11. März 2016 - 10 A 11019/15 -). Im Fall der Klägerin ist dies (auch) dadurch deutlich geworden, dass die Beklagte auf die konkreten Beanstandungen der Klägerin hin keinerlei Plausibilisierung der Einschätzung des Beurteilers hat geben können. 41 3. Die dienstliche Beurteilung der Klägerin und ihre Zuordnung zur Notenstufe B beruht überdies auf einer unzutreffenden Vergleichsgruppenbildung. Beamte in unterschiedlichen Laufbahnen dürfen nicht in einer Vergleichsgruppe zusammengefasst und damit unterschiedslos in eine Rangfolge gebracht werden. 42 Unbeschadet der Frage, ob das Bundesbeamtengesetz eine Verordnungsermächtigung für die inhaltliche Ausgestaltung der dienstlichen Beurteilung und Richtwertvorgaben für einzelne Noten enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 23), lässt § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls nur einen Vergleich von Beamten zu, für die im Wesentlichen gleiche Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Beamten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361>). 43 Für Beamte aus unterschiedlichen Laufbahnen ist diese Vergleichbarkeit nicht gewährleistet. Ausreichend identische Leistungsanforderungen für die Annahme einer hinreichend homogenen Gruppe sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats vielmehr nur für Beamte ""derselben Laufbahn und desselben Statusamtes"" gegeben (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361>). Wie etwa die unter Nr. 1 der dienstlichen Beurteilung zu bewertende Fachkenntnis von Beamten aus dem technischen Verwaltungsdienst mit Angehörigen der nichttechnischen Laufbahn verglichen und in Bezug gesetzt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Die von der Beklagten offenbar unterschiedslos am Maßstab der Anforderungen des Dienstpostens orientierte Bewertung lässt die unterschiedliche Vor- und Ausbildung der Beamten aus unterschiedlichen Laufbahnen unberücksichtigt und verlässt damit den Maßstab des Statusamts (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 BLV n.F. sowie BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 28). 44 Der Revision ist zwar zuzugeben, dass § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV nach seinem Wortlaut nur auf die Besoldungsgruppe Bezug nimmt. Die Zugehörigkeit zu derselben Laufbahn muss im Regelungskontext der Bundeslaufbahnverordnung, deren maßgeblicher Inhalt gerade die Unterschiedlichkeit der Laufbahnen und ihre Ausdifferenzierung ist, jedoch als selbstverständlich vorausgesetzt und mitgedacht verstanden werden. 45 Die Vorstellung, dass nur Beamte derselben Laufbahn miteinander vergleichbar sind, stellt den grundlegenden Inhalt des Laufbahnprinzips dar, das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG anerkannt ist (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 17 Januar 2017 - 2 BvL 1/10 - NVwZ 2017, 392 Rn. 21 m.w.N.). In einer Laufbahn werden alle Ämter derselben Fachrichtung zusammengefasst, die die gleiche Vor- und Ausbildung erfordern (vgl. bereits den früheren § 11 Abs. 1 BRRG vom 1. Juli 1957, BGBl. I S. 667). Nach § 16 Abs. 1 BBG in der nunmehr geltenden Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) umfasst eine Laufbahn alle Ämter, die verwandte und gleichwertige Vor- und Ausbildungen voraussetzen. Beamte derselben Laufbahn sind daher - auch und ungeachtet jüngerer Entscheidungen des Verordnungsgebers zur Zusammenlegung verschiedener Laufbahnen - grundsätzlich vergleichbar. Sie werden im Eingangsamt ihrer Laufbahn eingestellt (§ 20 Satz 1 BBG) und steigen - im Falle der Bewährung - in dieser Laufbahn kontinuierlich auf (§ 22 Abs. 3 BBG; vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 28). Beamte derselben Laufbahn und derselben Besoldungsgruppe konkurrieren daher um Beförderungsämter (und Beförderungsdienstposten, vgl. § 22 Abs. 2 BBG). Diese Beamten sind die maßgebliche Gruppe für einen Leistungsvergleich, weil sie auch in einem Auswahlverfahren potentiell miteinander in Beziehung gesetzt und verglichen werden müssen. Diesen Schritt nimmt die dienstliche Beurteilung vorweg (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG). 46 Da die Einordnung in vorgegebene Quoten oder Richtwerte der Klärung einer Wettbewerbssituation dient, muss die Vergleichsgruppe aus Beschäftigten bestehen, die potentiell in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen. Dies ist bei Beamten aus unterschiedlichen Laufbahnen grundsätzlich nicht der Fall. Das bei einer Beförderung zu vergebende Statusamt wird nicht nur durch die Amtsbezeichnung und das ihm vom Besoldungsgesetzgeber zugewiesene Endgrundgehalt, sondern auch durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahn oder Laufbahngruppe bestimmt (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 2 BvL 4/09 - BVerfGE 130, 52 <69>; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 <183 f.>). Eine unmittelbare Konkurrenz ist daher nur im Fall des Laufbahnwechsels möglich. Dementsprechend gehörten auch alle ausgewählten Konkurrenten der Klägerin im Beförderungsverfahren, das Gegenstand des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Februar 2016 - 4 S 2060/15 - war, derselben Laufbahn an. 47 Die Beklagte hätte daher für die vorgenommene Richtwertbildung die Beamten des technischen Verwaltungsdienstes und diejenigen der nichttechnischen Laufbahn unterscheiden müssen. 48 4. Die von der Beklagten vorgenommene Einbeziehung von Angestellten in die Richtwertbetrachtungen ist dagegen mit höherrangigem Recht vereinbar. 49 Nach § 1 BLV gilt die Verordnung grundsätzlich nur für Beamte (des Bundes), auch die Richtwertvorgabe in § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV nimmt schon nach ihrem Wortlaut nur auf Beamte Bezug. Die Einbeziehung von Angestellten oder Tarifbeschäftigten ist danach nicht geboten. 50 Die durch § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV vorgegebene Regelung steht einer Einbeziehung von Angestellten aber auch nicht entgegen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, sind durch § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV nur Höchstgrenzen definiert. Mit der Vorgabe derartiger Richtwerte ist der für Spitzennoten gewollte Maßstab verdeutlicht worden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <360>). Hiermit soll einer ""inflationären"" Vergabe hoher Notenstufen vorgebeugt werden, um hinreichend differenzierte dienstliche Beurteilungen sicherzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - BVerfGK 1, 292 <297>). Die Vorschrift enthält dagegen keine Bestimmung über einen einzuhaltenden Mindestanteil, sodass der Dienstherr grundsätzlich nicht daran gehindert ist, mit seiner Notenvergabe unterhalb der normierten Höchstgrenzen zu verbleiben (BVerwG, Urteil vom 11. November 2008 - 2 A 7.07 - Buchholz 232.1 § 41a BLV Nr. 2 Rn. 14). 51 Die Einhaltung der Höchstgrenzen kann bei einer Einbeziehung von Angestellten indes nicht tangiert werden. Selbst bei einer isolierten Betrachtung der Beamten führt die Einbeziehung von Angestellten im Gegenteil allenfalls dazu, dass der Beamtenteil in der jeweiligen Quote geringer wird. Die in der Bundeslaufbahnverordnung angeordnete Regelung wird durch die Einbeziehung von Angestellten daher nicht beeinträchtigt. 52 Durch die Einbeziehung der Angestellten wird aber die Vergleichbarkeit der Beurteilungen dieser Gruppe von Bediensteten mit den dienstlichen Beurteilungen der Beamten sichergestellt. Dies ist bei einer Behörde wie der Bundesnetzagentur, bei der nachfolgend Konkurrenzsituationen zwischen Beamten und Angestellten auftreten, von erheblichem Nutzen. Denn bei diesen Auswahlverfahren muss eine Vergleichbarkeit der den Bewerbungen zugrunde liegenden Beurteilungen hergestellt werden (OVG Münster, Beschluss vom 16. Februar 2006 - 6 B 2069/05 - ZBR 2006, 309 <310>). 53 Es ist dabei Sache des Dienstherrn, einen ermessens- und beurteilungsfehlerfreien Vergleich der Bewerber im Auswahlverfahren zu ermöglichen und damit Aussagen aus Beurteilungen, die auf unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäben beruhen, miteinander ""kompatibel"" zu machen (BVerfG, Beschluss vom 9. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <379>; VGH Kassel, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 1 B 1419/16 - NVwZ 2016, 1424 Rn. 13; zu den dabei auftretenden Schwierigkeiten anschaulich Lorse, ZBR 2016, 361). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr diese Vergleichbarkeit durch eine Einbeziehung der Angestellten in das Regelbeurteilungssystem herzustellen sucht. Damit ist sichergestellt, dass die Beamten und Angestellten der Behörde nach einheitlichen Beurteilungsmaßstäben und im gleichen Verfahren beurteilt werden. 54 Die Einbeziehung von Angestellten in das Beurteilungssystem begegnet auch keinen sonstigen Bedenken. Auch für Angestellte dürfen formalisierte Regelbeurteilungen erstellt werden (BAG, Urteil vom 18. November 2008 - 9 AZR 865/07 - BAGE 128, 299 Rn. 15); die Gleichstellung von Angestellten und Beamten in Beurteilungsrichtlinien ist ebenfalls nicht zu beanstanden (BAG, Urteil vom 24. Januar 2007 - 4 AZR 629/06 - BAGE 121, 91 Rn. 44). 55 Aus dem Erfordernis der Einhaltung gleicher Maßstäbe folgt allerdings auch, dass für diese Binnenbeurteilungen der in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Arbeitszeugnissen - die für eine Verwendung außerhalb des Bereichs des bisherigen Arbeitgebers bestimmt sind - entwickelte ""Wohlwollensgrundsatz"" keine Anwendung finden kann. 56 Die Einbeziehung von Angestellten in das System der Regelbeurteilung einschließlich der Richtwertvorgabe ist daher eine sachgerechte Vorgehensweise, um die Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen in künftigen Auswahlverfahren sicherzustellen. Sie verstößt weder gegen § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV noch gegen sonstige Rechtsnormen. Dabei kann offenbleiben, wie weit die Regelungsmöglichkeit von Beurteilungsrichtlinien im Wege von Dienstvereinbarungen reicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <283> zur Unzulässigkeit solcher Vereinbarungen, soweit die Ausübung von Personalhoheit betroffen ist). Durch Dienstvereinbarung kann jedenfalls nur die Organisationsgewalt des Dienstherrn eingeschränkt werden (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2008 - 2 C 31.06 - BVerwGE 130, 201 Rn. 20; vgl. auch Beschluss vom 18. Februar 2013 - 2 B 51.12 - NVwZ 2013, 797 Rn. 16). Ebenso wenig wie Organisationsakten des Dienstherrn Rechtsnormqualität zukommt, kann dies für Dienstvereinbarungen gelten. Prüfungsmaßstab der gerichtlichen Kontrolle ist deshalb nur die durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte Gleichbehandlung in der Verwaltungspraxis. 57 5. Die dienstliche Beurteilung der Klägerin ist schließlich rechtswidrig, weil sie keine Begründung des Gesamturteils enthält. 58 Das Gesamturteil einer im sog. Ankreuzverfahren erstellten dienstlichen Beurteilung bedarf in der Regel einer Begründung (a). Diese ist hier trotz der in den Beförderungsgrundsätzen der Beklagten enthaltenen Vorgaben zur Vergabe der Gesamtbeurteilungsnote eines herausgehobenen B (B+) nicht entbehrlich (b). Die Begründung des Gesamturteils ist ein materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und kann daher im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden (c). 59 a) Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist zu begründen (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 12). 60 Nach § 21 Satz 1 BBG sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamtinnen und Beamten regelmäßig zu beurteilen. Die dienstliche Beurteilung schließt gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 BLV mit einem Gesamturteil, das nach einem einheitlichen Beurteilungsmaßstab unter Berücksichtigung der Anforderungen des Amtes zu bilden ist. Einzelheiten des Beurteilungsverfahrens sind nicht normativ vorgegeben, hierzu verweist die Bundeslaufbahnverordnung auf die von der obersten Dienstbehörde - oder einer von dieser ermächtigten Behörde - erlassenen Beurteilungsrichtlinien (§ 50 Abs. 1 Satz 2 und 3 BLV). 61 Der Dienstherr kann das Beurteilungssystem demnach grundsätzlich nach seinen Vorstellungen und den Erfordernissen seines Geschäftsbereichs gestalten. Diese Befugnis umfasst auch die Aufstellung einer Notenskala und die Festlegung, welcher Begriffsinhalt den einzelnen Notenbezeichnungen zukommt. Der Dienstherr hat damit auch die Möglichkeit, die Gesamtnote einer dienstlichen Beurteilung durch eine Zahl auszudrücken (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1994 - 2 B 5.94 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 16). 62 Sieht das Beurteilungssystem - wie hier - ein solches sog. Ankreuzverfahren für vorgegebene Einzelbewertungen vor, bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung in der Regel einer Begründung (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 30 ff.). 63 Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet, das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn die in der dienstlichen Beurteilung ausgewiesenen Einzelmerkmale im Ankreuzverfahren erstellt worden sind und die Bildung des Gesamturteils so einer zusammenfassenden Wertung bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 32 f.; Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - NVwZ 2017, 475 Rn. 39 f.). Erst durch die Ausführungen einer textlichen Begründung wird erkennbar, wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen hergeleitet und welches Gewicht den einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkten gegeben worden ist. 64 Die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil sind dabei umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note - vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null - geradezu aufdrängt (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 37). 65 Klarstellend und zur Abgrenzung von anderen Fallkonstellationen sei betont, dass das Erfordernis der Begründung des Gesamturteils in der Rechtsprechung des Senats für dienstliche Beurteilungen entwickelt wurde, die im Ankreuzverfahren erstellt werden. Nicht davon erfasst sind daher dienstliche Beurteilungen, die sich in einem individuell erstellten Text (Fließtext) zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des zu Beurteilenden verhalten und bei denen sich schon aus diesen textlichen Ausführungen sowohl das Gewicht ergibt, das den jeweiligen Einzelaussagen beigemessen wird, als auch hinreichend deutlich wird, wie das Gesamturteil aus ihnen hergeleitet wurde. 66 b) Eine Konstellation, in der die Begründung des Gesamturteils ausnahmsweise entbehrlich wäre, scheidet im Fall der Klägerin angesichts der uneinheitlichen Notenvergabe in den Einzelmerkmalen ihrer dienstlichen Beurteilung aus. 67 Anderes folgt auch nicht aus den Vorgaben der ""Beförderungsgrundsätze"" der Beklagten, obwohl bei deren Anwendung eine bessere Gesamtbeurteilung der Klägerin nicht möglich wäre. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, führt das dort niedergelegte Modell im Ergebnis dazu, dass die Gesamtbeurteilung nach rein arithmetischen Methoden ermittelt wird. 68 Nach diesen Beförderungsgrundätzen kann als Gesamtbeurteilungsnote nur dann ein herausgehobenes B (B+) ausgewiesen werden, wenn die fünf Bewertungsbereiche: Fachkenntnisse, Arbeitsqualität und -menge, Arbeitsweise, Allgemeine Eignungsmerkmale, Zusammenarbeit und soziales Verhalten dreimal einem A entsprechen und keiner der Bereiche einem C entspricht. Für diese Ermittlung sind die in den Bewertungsbereichen erzielten Einzelnoten durch ""kaufmännische Rundung"" auf eine Bewertungsstufe festzulegen. 69 Die Festlegung, welches Gewicht den einzelnen in der dienstlichen Beurteilung vorgesehenen Merkmalen beigemessen werden soll, kann zwar auch vorab und generell in den Beurteilungsrichtlinien getroffen werden. Hierdurch wird die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet. Ein Dienstherr kann etwa vorgeben, dass die Bewertung in einem bestimmten Beurteilungsbereich oder in einem Einzelmerkmal zu einem bestimmten Prozentsatz oder mit einem bestimmten Faktor im Vergleich zu anderen Einzelmerkmalen in die Gesamturteilsbildung einfließen soll. Ein derartiges Gewichtungsmodell liegt insbesondere nahe, wenn eine Vielzahl von Kriterien zur Bewertung gestellt wird, die nicht gleichrangig für eine sachgerechte Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden dürfen. 70 Auch ein derartiges Gewichtungssystem muss aber eine sachgerechte und hinreichend aussagekräftige Einordnung der Leistungen des beurteilten Beamten ermöglichen. Die dem Dienstherrn eingeräumte Beurteilungsermächtigung kann nicht schrankenlos und ohne Rückbindung an ihren Zweck ausgeübt werden, sie ist maßgeblich an den vorgegebenen Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu orientieren (§ 21 Satz 1 BBG). 71 Da es bei der dienstlichen Beurteilung um die Bewertung individueller Leistungen geht, muss dem Beurteiler schließlich auch die Möglichkeit einer eigenständigen Gesamtbetrachtung verbleiben. Ein reiner Zahlenschematismus ist zu vermeiden. Die Möglichkeit der generellen Gewichtung der Bedeutung der einzelnen Beurteilungskriterien entbindet den Beurteiler nicht von der Verantwortung im jeweiligen Beurteilungsfall zu einem insgesamt zutreffenden Gesamturteil zu kommen. Deshalb muss das Beurteilungssystem ihm die Möglichkeit belassen, ein vom rechnerischen Ergebnis der - ggf. gewichteten - Einzelbewertungen abweichendes Gesamturteil zu vergeben. 72 Das von der Beklagten vorgesehene Pauschalierungssystem kaufmännischer Rundungen entspricht dem offenkundig nicht. Es lässt eine hinreichende Differenzierung deutlich unterschiedlicher Leistungen und damit den bezweckten Vergleich der Beamten nicht mehr zu. Den genannten - außerhalb der die Beurteilung regelnden Dienstvereinbarungen niedergelegten - Beförderungsgrundsätzen kann auch nicht die generelle Einordnung und Gewichtung der Bedeutung einzelner Beurteilungskriterien entnommen werden. Eine Grundsatzentscheidung hierzu, dass etwa das Merkmal ""Informationsverhalten"" mit höherem Gewicht in die dienstliche Beurteilung einzustellen sein sollte als das Merkmal ""Leistungsbereitschaft"" (das wiederum nicht höher bewertet wäre als das Kriterium ""Flexibilität und Kreativität""), dürfte mit ihnen nicht verbunden gewesen sein. 73 c) Die Nachholung einer danach erforderlichen Begründung des Gesamturteils einer im Ankreuzverfahren erstellten dienstlichen Beurteilung im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich. 74 Die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 2 VR 1.16 - NVwZ 2017, 475 Rn. 41). Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung (BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 2 C 51.16 - Rn. 17 ff.). 75 Die nachträgliche Plausibilisierung eines bereits vergebenen Gesamturteils verfehlte auch den Sinn, das Gesamturteil durch eine abschließende Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Die Begründungspflicht für das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung bei uneinheitlichem Leistungsbild zielt auf die Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung und nicht auf ihre Darstellung (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64 Rn. 130 zur Begründungspflicht bei der Festsetzung der Alimentation). Dies kann durch eine nachträgliche Begründung nicht erreicht werden. Für eine Nachholung der Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung ist - anders als bei der nach wie vor möglichen nachträglichen Plausibilisierung der Einzelnoten - wegen ihrer Funktion der Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung kein Raum (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 21). 76 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Auswahlverfahren, nach der die Gründe einer Auswahlentscheidung nicht erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dargelegt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 f.>). Da die dienstliche Beurteilung die maßgebliche Grundlage für die spätere Auswahlentscheidung darstellt (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - BVerwGE 153, 48 Rn. 31), liegt es nahe, diese Erwägungen auch auf die Gründe der Gesamturteilsbildung zu übertragen. 77 Schließlich kann die Einheitlichkeit und gleiche Anwendung der den dienstlichen Beurteilungen zugrunde liegenden Maßstäbe nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese in der dienstlichen Beurteilung offen- und niedergelegt sind. Andernfalls besteht das naheliegende Risiko, dass jeweils nachträglich ein ""passendes"" Kriterium für denjenigen Beamten nachgeschoben wird, der ein Rechtsmittel eingelegt hat. 78 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-16,16.03.2017,"Pressemitteilung Nr. 16/2017 vom 16.03.2017 EN Kurze Verjährung bei subventionsrechtlichen Erstattungsansprüchen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass Erstattungsansprüche der Öffentlichen Hand gegen einen Subventionsempfänger nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Ablauf von drei Jahren seit Kenntnis der Behörde verjähren. Der Kläger gründete mit zwei Partnern ein Unternehmen und erhielt dafür im November 1998 im Rahmen eines Existenzgründerprogramms eine Förderung in Form eines 5 Jahre tilgungsfreien und 10 Jahre zinslosen Darlehens i.H.v. 150 000 DM. Der Zuwendungsbescheid enthielt die auflösende Bedingung, dass das neu gegründete Unternehmen während der gesamten Zeit eigenbetrieblich gewerblich genutzt wird. Mit Wirkung zum März 2007 schied der Kläger aus dem Unternehmen aus. Darüber informierte er die Beklagte im Juli 2007 und bot eine vergleichsweise Regulierung des Darlehens an. Nachdem der Kläger auf verschiedene Nachfragen der Beklagten bis zum April 2008 über seine wirtschaftlichen Verhältnisse berichtet hatte, ließ die Beklagte die Gespräche einschlafen. Mit Bescheid vom 16. August 2012 forderte sie vom Kläger den gesamten Betrag von umgerechnet 76 693,78 € nebst Zinsen zurück. Sein Ausscheiden aus dem Unternehmen habe die Rückzahlungspflicht ausgelöst. Der Kläger berief sich darauf, dass der Rückzahlungsanspruch mittlerweile verjährt sei. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2002 im Bürgerlichen Recht drei Jahre. Im Verwaltungsrecht könne nichts anderes gelten. Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht und hob den Rückforderungsbescheid auf. Demgegenüber vertrat das Oberverwaltungsgericht die Ansicht, dass für Erstattungsansprüche im Öffentlichen Recht weiterhin die 30jährige Frist gelte. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 gilt für den hier maßgeblichen Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht mehr die kenntnisunabhängige 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F., sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. Der Gesetzgeber hat zwar mit dieser Reform die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche nicht geregelt, jedoch im Folgenden die §§ 53, 102 VwVfG neu gefasst und für das Verjährungsrecht auf die zivilrechtlichen Übergangsbestimmungen verwiesen. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass jedenfalls für Ansprüche aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz grundsätzlich das neue Verjährungsrecht gelten kann. Da der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG starke Ähnlichkeiten mit den zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen aufweist, liegt es nahe, auch für ihn ab dem 1. Januar 2002 die dreijährige Regelverjährung anzuwenden. Zwar ist im vorliegenden Fall die Frist durch Verhandlungen nach § 203 Satz 1 BGB zeitweise gehemmt gewesen. Nach dem Einschlafen der Gespräche hätte die Beklagte jedoch mit der Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr vier Jahre zuwarten dürfen. BVerwG 10 C 3.16 - Urteil vom 15. März 2017 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 6 A 10633/15 - Urteil vom 17. November 2015 - VG Koblenz, 3 K 1066/13.KO - Urteil vom 08. Dezember 2014 -","Urteil vom 15.03.2017 - BVerwG 10 C 3.16ECLI:DE:BVerwG:2017:150317U10C3.16.0 EN Kurze Verjährung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche Leitsätze: 1. Auf den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG findet seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 nicht mehr die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB a.F., sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung. 2. Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner hemmen die Verjährung grundsätzlich hinsichtlich sämtlicher Ansprüche, die der Gläubiger aus dem betreffenden Lebenssachverhalt herleiten kann (Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12 - NJW-RR 2014, 981). Rechtsquellen BGB §§ 133, 157, 158 Abs. 2, § 195 Abs. 1, § 203 Satz 1, §§ 242, 812 VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 49a Abs. 1 Satz 1, §§ 53, 102 LVwVfG RP § 1 Abs. 1 VwGO §§ 121, 137 Abs. 1 Nr. 2 Instanzenzug VG Koblenz - 08.12.2014 - AZ: VG 3 K 1066/13.KO OVG Koblenz - 17.11.2015 - AZ: OVG 6 A 10633/15.OVG Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.03.2017 - 10 C 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:150317U10C3.16.0] Urteil BVerwG 10 C 3.16 VG Koblenz - 08.12.2014 - AZ: VG 3 K 1066/13.KO OVG Koblenz - 17.11.2015 - AZ: OVG 6 A 10633/15.OVG In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2017 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. November 2015 wird geändert. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. Dezember 2014 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe insgesamt zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Zuwendung. 2 Der Kläger gründete mit zwei Partnern ein Unternehmen, die ... (N. GmbH), und erhielt dafür im Rahmen eines Existenzgründerprogramms eine Förderung in Form eines fünf Jahre tilgungsfreien und zehn Jahre zinslosen Darlehens in Höhe von 150 000 DM. Der Förderbescheid vom 19. November 1998 enthielt die Nebenbestimmung, dass der Zuschuss binnen zwei Monaten vollständig zurückzuzahlen sei, wenn der mitfinanzierte Betrieb nicht während der gesamten Zeit eigenbetrieblich gewerblich genutzt werde. 3 Als nach fünf Jahren die erste Tilgungsrate fällig wurde, beantragte der Kläger wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der N. GmbH erstmals Stundung der Ratenzahlung. Im Folgenden bedienten weder das Unternehmen noch der Kläger die vereinbarten Rückzahlungsraten. Im November 2006 wurde der Kläger als Geschäftsführer des Unternehmens abberufen und mit Wirkung vom 8. März 2007 aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2007 informierte der Kläger die Beklagte über seinen Ausschluss aus der Gesellschaft und schlug eine Gesamtregulierung der Darlehensschuld durch eine Teilzahlung von 50 000 € und einen Teilerlass vor. Die Beklagte machte eine Reihe zusätzlicher Angaben insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers zur Vorbedingung weiterer Gespräche. Nachdem der Kläger die Beklagte darüber zuletzt mit Schreiben vom 17. April 2008 informiert hatte, fanden gleichwohl keine Vergleichsverhandlungen statt. 4 Mit Bescheid vom 16. August 2012 forderte die Beklagte vom Kläger den gesamten Förderbetrag von umgerechnet 76 693,78 € nebst Zinsen zurück, weil die Rückzahlung mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen vorzeitig auf Grund des Eintritts einer auflösenden Bedingung fällig geworden sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 5. September 2013 zurück. 5 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sich der Kläger unter anderem darauf berufen, dass der Rückzahlungsanspruch verjährt sei. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2002 drei Jahre und sei hier mittlerweile abgelaufen. Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht gefolgt und hat den Rückforderungs- und Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 8. Dezember 2014 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage bis auf einen Teilbetrag von 7 669,38 € abgewiesen. Weil die auflösende Bedingung ex nunc eingetreten sei, sei der Zuwendungsbescheid der Beklagten nur insoweit unwirksam geworden, als er sich auf Rechtswirkungen beziehe, die nach dem 8. März 2007 eintreten sollten. Die zuvor bereits fällig gewordenen drei Tilgungsraten von jeweils 15 000 DM (7 669,38 €) blieben hiervon unberührt und könnten weiterhin auf Grund des Zuwendungsbescheides zurückgefordert werden. Für den zu diesem Zeitpunkt noch subventionierten restlichen Darlehensteil von 53 685,65 € sei hingegen die Rechtsgrundlage entfallen; er könne deshalb nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückgefordert werden. Dieser öffentlich-rechtliche Rückzahlungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil für ihn die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB alter Fassung gelte. Die seit 2002 geltende dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB neuer Fassung finde keine Anwendung, weil eine solche Verkürzung der Verjährungsfrist den Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht hinreichend Rechnung trage. 6 Mit seiner Revision hält der Kläger daran fest, dass auf den vorliegenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch das neue Verjährungsrecht des Privatrechts entsprechend anzuwenden sei. Des Weiteren habe das Oberverwaltungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Bewilligungsbescheid vom 19. November 1998 nur insoweit unwirksam geworden sei, als er sich auf Rechtswirkungen nach Eintritt der auflösenden Bedingung am 8. März 2007 beziehe. Mit Eintritt der auflösenden Bedingung sei der gesamte Bewilligungsbescheid unwirksam geworden, so dass der Erstattungsanspruch auch die Tilgungsraten für die Jahre 2004, 2005 und 2006 erfasse und auch insoweit verjährt sei. 7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. November 2015 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. Dezember 2014 insgesamt zurückzuweisen. 8 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Erstattungsanspruch nicht verjährt sei. II 10 Die Revision ist zulässig. Sie führt zur Überprüfung des Berufungsurteils im vollen Umfang. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil zwar nur insoweit formell beschwert, als das Oberverwaltungsgericht der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage gegen den angefochtenen Rückforderungsbescheid hinsichtlich eines Teilbetrages von 53 685,65 € abgewiesen hat. Seine materielle Beschwer reicht indes weiter und erfasst auch den restlichen Teil des Streitgegenstandes, hinsichtlich dessen die Vorinstanzen den Rückforderungsbescheid aufgehoben haben. Die Vorinstanzen haben dies nämlich damit begründet, der Zuwendungsbescheid vom 19. November 1998 wirke hinsichtlich der ersten drei Tilgungsraten als Rechtsgrundlage für eine Rückforderung fort, die unverjährt und zudem unmittelbar vollstreckbar sei. Diese Begründung würde, wenn das Berufungsurteil insoweit Bestand hätte, an dessen Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO teilnehmen. Dies stellte für den Kläger eine präjudizielle Rechtsbeeinträchtigung dar (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289 <292 f.>). 11 Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht, indem es die Reichweite der Rückforderungsklausel im Zuwendungsbescheid vom 19. November 1998 unter Verletzung der §§ 133, 157 BGB verkennt (1.) und die Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch aus § 49a Abs. 1 VwVfG zu lang bestimmt (2.). 12 1. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zuwendungsbescheid trotz Eintritts der darin bestimmten auflösenden Bedingung in Ansehung von drei Tilgungsraten, also von 15 000 DM oder 7 669,38 €, fortbesteht. Das verletzt Bundesrecht. Damit entfällt auch die Grundlage für die weiteren Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der Zuwendungsbescheid biete weiterhin eine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung dieses Teilbetrages, sei unverjährt und ohne Weiteres vollstreckbar und auch nicht durch den vorliegend angefochtenen Rückforderungsbescheid verändert oder ersetzt worden. 13 Keinen revisionsrechtlichen Bedenken begegnet freilich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Zuwendungsbescheid für den Fall des Ausscheidens des Klägers aus der N. GmbH eine auflösende Bedingung enthält. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Rückforderungsklausel. Dafür spricht jedoch aus der nach den §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. September 1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286> und vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 18), dass der Bescheid in Ziffer III. 1 auf die ""Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P)"" des Landes Rheinland-Pfalz (MBl. 1995 S. 121) verweist und Ziffer 9.2.3 ANBest-P für den Fall der Zweckverfehlung eine rückwirkende Rücknahme bzw. einen rückwirkenden Widerruf vorsieht, wenn nicht bereits eine auflösende Bedingung eingetreten ist. Ferner sieht die Nebenbestimmung Nr. III. 6 des Zuwendungsbescheides vor, dass dieser mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden kann, wenn der Förderzweck - Gründung und Erhaltung einer selbstständigen Existenz - auf eine andere Art und Weise entfällt. Vor diesem Hintergrund ist die streitgegenständliche Rückforderungsklausel dahin auszulegen, dass sie ebenfalls den (rückwirkenden) Wegfall des Zuwendungsbescheides bewirkt und als auflösende Bedingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG zu verstehen ist. 14 Das Oberverwaltungsgericht hat - das Revisionsgericht bindend - festgestellt, dass die auflösende Bedingung im März 2007 eingetreten ist. Seine Annahme, dass der Zuwendungsbescheid hinsichtlich der zuvor fällig gewordenen Raten als Grundlage fortbestehen soll, beruht jedoch nicht auf einer mit den §§ 133, 157 BGB vereinbaren Auslegung des Wortlauts und des Kontexts der Rückforderungsklausel. Vielmehr zwingt die Formulierung, dass der Zuschuss ""binnen zwei Monaten vollständig"" zurückzuzahlen ist, zu der Annahme, dass der Zuwendungsbescheid bei Eintritt der auflösenden Bedingung insgesamt fortfällt und der noch offene Kredit in Gänze zurückzuzahlen ist. Ebenso sehen die für den Fall der Zweckverfehlung aufgenommenen Rückforderungsklauseln durchweg eine Rücknahme oder einen Widerruf der gesamten Zuwendung mit Wirkung für die Vergangenheit vor. 15 Das Oberverwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung darauf, dass die Wirkung der auflösenden Bedingung entsprechend § 158 Abs. 2 BGB in der Regel nicht in die Vergangenheit gerichtet sei. Dabei vermischt es die Frage, ob der Zuwendungsbescheid vollständig oder teilweise entfällt, mit der davon unabhängigen Frage, ob dies ex nunc oder ex tunc geschieht. Ein Verwaltungsakt kann ex tunc oder ex nunc jeweils vollständig oder teilweise entfallen. Welche dieser vier Varianten vorliegt, muss durch Auslegung der zugrunde liegenden Bedingung und des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes ermittelt werden. Die Auslegung der konkreten Förderbedingung ergibt vorliegend, dass der Erstattungsanspruch den gesamten noch offenen Zuschussbetrag von 150 000 DM (= 76 693,78 €) umfasste. 16 2. Der Erstattungsanspruch ist in vollem Umfang verjährt. Für den Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG RP findet seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) am 1. Januar 2002 nicht mehr die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB a.F., sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB n.F. Anwendung. 17 a) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG RP der Verjährung unterliegt, ist allerdings im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht geregelt worden. Gleichwohl betrifft die Frage nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibles Recht. Da diese Vorschrift die Einheitlichkeit der Anwendung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern sichern soll, ist sie auch anzuwenden, wenn - wie hier - die rechtlich zutreffende Schließung einer im Bundes- wie im Landesverwaltungsverfahrensgesetz gleichermaßen bestehenden Lücke hinsichtlich der Verjährungsregelungen in Rede steht (BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2016 - 10 C 8.15 - NVwZ 2016, 1577 Rn. 12). 18 b) Nach welchen Regeln sich die Verjährung allgemein im Öffentlichen Recht oder speziell im Verwaltungsverfahrensrecht richtet, ist allerdings auch durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt worden. Fehlen einschlägige öffentlich-rechtliche Spezialregelungen, ist weiterhin im Wege der Analogie nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelung als die ""sachnächste"" heranzuziehen ist (BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2006 - 2 C 10.05 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 = juris Rn. 19, vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 8). Je nach Regelungszusammenhang und Interessenlage können für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche Verjährungsfristen von unterschiedlicher Dauer analog anzuwenden sein. Soweit das Bundesverwaltungsgericht für beamtenrechtliche Erstattungsansprüche - etwa aus § 12 BBesG -, für Erstattungsansprüche aus dem Bereich des Wohngeldrechtes und für einen Ersatzanspruch nach Art. 104a Abs. 2 GG die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. angewendet hat (Urteile 15. Juni 2006 - 2 C 10.05 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 45 = juris Rn. 19, vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 27 und vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - NVwZ 2017, 56 und juris Rn. 34 ff.), steht dies deshalb nicht in Widerspruch dazu, etwa Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vermögenszuordnungsgesetz einer dreißigjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 13 und vom 22. März 2012 - 3 C 21.11 - BVerwGE 142, 219 Rn. 38). 19 Hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG spricht Überwiegendes für eine analoge Anwendung der neuen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. Der Gesetzgeber hat zwar nicht im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wohl aber im Rahmen des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2167) eine Anpassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes an die neuen Verjährungsregeln vorgenommen und die das Verjährungsrecht berührenden Regelungen der §§ 53 ,102 VwVfG reformiert. Die Sonderregelung für die Hemmung der Verjährung in § 53 VwVfG zeigt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von verjährbaren Ansprüchen ausgegangen ist. Die in § 102 VwVfG enthaltene Verweisung auf Art. 229 § 6 Abs. 1 bis 4 EGBGB belegt seine Vorstellung, dass die mit der Schuldrechtsnovelle vorgenommenen Änderungen des Verjährungsrechts grundsätzlich auch im Öffentlichen Recht Anwendung finden können. Sonst wäre der Verweis auf die Übergangsbestimmung des Art. 229 § 6 Abs. 1 bis 4 EGBGB überflüssig. Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung aus: ""Die Neufassung der Verjährungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch durch das Schuldrechts-Modernisierungs-Gesetz, die am 1. Mai 2002 in Kraft getreten ist, soll auch im Sozial- und allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes berücksichtigt werden"" (BT-Drs. 14/9007 S. 26). Das legt bei dem Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine analoge Anwendung der neuen Verjährungsregeln des Bürgerlichen Rechts nahe. 20 Für die Anwendung der dreijährigen Regelverjährungsfrist spricht hierbei, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG strukturell mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen verwandt ist, die nunmehr ebenfalls dieser Verjährungsfrist unterliegen. Sowohl im Rahmen des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG als auch im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsrechts geht es um die Rückabwicklung einer von Anfang an oder nachträglich rechtsgrundlos gewordenen Vermögensverschiebung. Dementsprechend ordnet § 49a Abs. 2 Satz 1 VwVfG für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung an. Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in der Vergangenheit auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche in Ermangelung spezieller Verjährungsregeln die für bürgerlich-rechtliche Bereicherungsansprüche geltenden Verjährungsvorschriften, insbesondere die früher geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. angewendet (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 10 m.w.N.). Sieht das Gesetz für die bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB auf Grund einer Neubewertung der Sachlage in Anwendung der Grundsätze von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit nunmehr eine kürzere, nämlich dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist als angemessen an, dann spricht der Gedanke der Sachnähe zum Bereicherungsrecht dafür, diese gesetzliche Neubewertung für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nachzuvollziehen. 21 Demgegenüber überzeugen die Einwände gegen die entsprechende Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist im Bereich des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht. Wenig gewichtig sind die Praktikabilitätsargumente, dass es im Hinblick auf die Bestimmung des subjektiven Elements der Kenntnis bei staatlichen Stellen Schwierigkeiten gebe oder dass die Einhaltung der dreijährigen Verjährungsfrist im staatlichen Bereich besondere Probleme verursache. Die staatliche Verwaltung ist im Rahmen ihrer fiskalischen und verwaltungsprivatrechtlichen Tätigkeit unmittelbar den bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften unterworfen. Dort gelingt es ihr, die Dreijahresfrist einzuhalten. Auch hat die Rechtsprechung der Zivilgerichte Antworten auf die Frage gefunden, auf wessen subjektive Kenntnis es innerhalb einer Behörde ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2000 - III ZR 198/99 - NJW 2000, 1411 ff.; Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 199 Rn. 14 ff. m.w.N.). Ebenso wenig überzeugt der Einwand, dass es mitunter nicht im Interesse des öffentlich-rechtlichen Gläubigers liegt, seinen Anspruch schnellstmöglich durchzusetzen. In diesen Fällen kann der öffentlich-rechtliche Gläubiger nach § 53 Abs. 1 VwVfG einen Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs erlassen und damit nach § 53 Abs. 2 VwVfG den Übergang in eine dreißigjährige Frist bewirken. 22 Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist die europarechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Rückforderung unionsrechtswidriger Beihilfen entgegenstehe. Da bei rechtswidrigen Beihilfen im Öffentlichen Recht regelmäßig zunächst die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides erforderlich ist, stellt sich die Verjährungsfrage hier häufig nicht oder nicht in derselben Schärfe wie bei einer auf privatrechtlicher Grundlage gewährten Beihilfe. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof für den Fall einer rein privatrechtlichen Abwicklung der Beihilfe dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz gegenüber der Verjährungseinrede dadurch Geltung verschafft, dass er es dem Empfänger einer unionsrechtswidrigen Beihilfe nach § 242 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verwehrt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen. Ein Beihilfeempfänger muss sich als sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer darüber informieren, ob Zuwendungen mit Beihilfecharakter bei der Europäischen Kommission angemeldet und genehmigt worden sind. Missachtet er diese Obliegenheit, kann ihm nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Berufung auf die Verjährungseinrede verwehrt sein (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 - EuZW 2011, 440 Rn. 43 ff.). Da für die Verjährung im Öffentlichen Recht nichts anderes gelten kann, stellt diese Fallkonstellation die grundsätzliche Anwendbarkeit der dreijährigen Regelverjährung nicht in Frage. 23 c) Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Kenntnis hat die Beklagte im Juli 2007 erlangt, als der Kläger ihr sein Ausscheiden aus der Gesellschaft mitgeteilt hat. Daher hat die Verjährung zum Ende des Jahres 2007 zu laufen begonnen. 24 Die dreijährige Verjährungsfrist war allerdings - wie die Beklagte zutreffend ausführt - zeitweise nach § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Nach dieser im Öffentlichen Recht ebenfalls entsprechend anwendbaren Vorschrift (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - NVwZ 2017, 56 und juris Rn. 40 und Beschluss vom 20. Januar 2014 - 2 B 2.14 - juris Rn. 8) ist die Verjährung für die Dauer von Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner gehemmt. Nach dem Wortlaut des § 203 Satz 1 BGB genügt es, wenn Verhandlungen über die anspruchsbegründenden Umstände geführt werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, ob die Parteien die gesetzliche Anspruchsgrundlage korrekt bestimmt haben. Der Begriff ""Anspruch"" ist im Rahmen des § 203 Satz 1 BGB nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, sondern weiter im Sinne eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen (BT-Drs. 14/6040 S. 112). Da der Lebenssachverhalt von den Parteien regelmäßig in seiner Gesamtheit verhandelt wird, werden grundsätzlich sämtliche Ansprüche, die der Gläubiger aus dem Sachverhalt herleiten kann, von der Hemmung der Verjährung erfasst (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 285/12 - NJW-RR 2014, 981 Rn. 12). 25 Wird - wie hier - über die Rückzahlung eines offenen Darlehens verhandelt, ist im Zweifel auch die Rückzahlung der offenen Zinsen Verhandlungsgegenstand. Ebenso ist bei Wegfall eines durch Verwaltungsakt gewährten Darlehens der an dessen Stelle tretende öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 VwVfG Gegenstand des Begehrens. Er bildet lediglich eine alternative Rechtsgrundlage für das gleiche verhandelte Interesse an der Rückzahlung der offenen Verbindlichkeiten. Im vorliegenden Fall schwebten bereits bei Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft Verhandlungen, die auf die Befriedigung des Interesses der Beklagten an einer Regulierung des gesamten Darlehens zielten. Im Schreiben vom 7. Juli 2007 schlug der Kläger der Beklagten eine Gesamtregulierung durch einen Teilerlass und eine Teilzahlung in Höhe von 50 000 € vor. Dies nahm die Beklagte zum Anlass für umfangreiche Nachfragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers und der N. GmbH. 26 Diese Verhandlungen kamen allerdings nach einiger Zeit zum Erliegen. Nach § 203 Satz 1 BGB wird die Verjährung durch schwebende Verhandlungen nur so lange gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Dem Abbruch der Verhandlungen durch eindeutige Erklärung steht das Einschlafenlassen der Verhandlungen gleich, bei dem die Verjährungshemmung zu dem Zeitpunkt endet, zu dem unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben mit dem nächsten Verhandlungsschritt zu rechnen gewesen wäre (BT-Drs. 14/6040 S. 112; BGH, Urteil vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15 - MDR 2017, 86 Rn. 16). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger nach Abgabe aller erheblichen Informationen im April 2008 erwarten, dass die Beklagte mit ihm über die ursprünglich von beiden Seiten erstrebte einvernehmliche Gesamtregulierung weiterverhandeln würde. Die Beklagte hat die Einigungsgespräche jedoch - wohl im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Klägers - nicht weiterbetrieben. Räumt man der Beklagten eine mehr als dreimonatige Bedenkfrist ein, war jedenfalls Ende August 2008 die Verjährungshemmung beendet. Nach § 199 Abs. 1 i.V.m. § 209 BGB ist am 1. September 2008 die dreijährige Verjährungsfrist an- und somit am 31. August 2011 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist sind die Verhandlungen nicht wieder aufgenommen worden, so dass der Anspruch bei seiner Geltendmachung im Rückforderungsbescheid vom 16. August 2012 bereits verjährt war. 27 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-2,26.01.2017,"Pressemitteilung Nr. 2/2017 vom 26.01.2017 EN Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von acht Punkten Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine Fahrerlaubnis auch dann wegen des Erreichens von acht oder mehr Punkten zu entziehen ist, wenn dieser Punktestand bereits bei Verwarnung des Fahrerlaubnisinhabers gegeben, der Fahrerlaubnisbehörde aber noch nicht bekannt war. Eine Verringerung des Punktestandes auf sieben Punkte, die vorgesehen ist, wenn die Fahrerlaubnisbehörde einen Fahrerlaubnisinhaber trotz Erreichens von acht oder mehr Punkten erst noch verwarnen muss, kann in einem solchen Fall nicht beansprucht werden. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 StVG). Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger, der mit Schreiben vom 21. Januar 2015 wegen des Erreichens von sieben Punkten im Fahreignungsregister verwarnt worden war, die Fahrerlaubnis; er habe mit einer am 10. März 2014 begangenen und mittlerweile auch rechtskräftig geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitung neun Punkte erreicht und damit die Schwelle von acht Punkten überschritten, ab der er gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelte. Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg stattgegeben. Im Fall des Klägers seien die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StVG vorgesehenen Stufen des Maßnahmenkatalogs (Ermahnung - Verwarnung - Fahrerlaubnisentziehung) nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden; der zur Fahrerlaubnisentziehung führende Verkehrsverstoß sei zum Zeitpunkt der Verwarnung bereits begangen, rechtskräftig geahndet und auch im Fahrerlaubnisregister eingetragen gewesen. Deshalb verringere sich der Punktestand des Klägers auf sieben Punkte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil auf die Berufung des Beklagten geändert und die Klage abgewiesen. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG trete nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde beim Ergreifen der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG weitere Verkehrsverstöße, die zur nächsten Stufe des Maßnahmenkatalogs - hier der Fahrerlaubnisentziehung - führten, auch bereits bekannt gewesen seien. Hier habe die Fahrerlaubnisbehörde von der am 10. März 2014 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zum Zeitpunkt der Verwarnung noch nichts gewusst. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Punktesystems und den dazu im Dezember 2014 in Kraft getretenen Änderungen die Warn- und Erziehungsfunktion des gestuften Maßnahmensystems des § 4 Abs. 5 StVG hinter den Schutz der Verkehrssicherheit vor Mehrfachtätern zurücktreten lassen. Ein Fahrerlaubnisinhaber kann nicht mehr mit Erfolg geltend machen, er habe den weiteren Verkehrsverstoß, der zum Überschreiten der Acht-Punkte-Grenze führe, bereits vor der Erteilung der Verwarnung begangen, so dass ihn deren Warnfunktion nicht mehr habe erreichen können. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Verwarnung und einer nachfolgenden Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach der geänderten gesetzgeberischen Konzeption - insoweit in bewusster Abkehr vom sogenannten Tattagprinzip - der Kenntnistand, den die Fahrerlaubnisbehörde bei Ergreifen der jeweiligen Maßnahme hat. Gleiches gilt für die Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG. Auch sie tritt nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde die weiteren, zum Erreichen von acht oder mehr Punkten führenden Verkehrsverstöße bereits bei der Verwarnung bekannt waren. Der vom Gesetzgeber vorgenommene „Systemwechsel“ ist verfassungsrechtlich im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu beanstanden. BVerwG 3 C 21.15 - Urteil vom 26. Januar 2017 Vorinstanzen: VGH München, 11 BV 15.909 - Urteil vom 11. August 2015 - VG Regensburg, RO 8 K 15.249 - Urteil vom 18. März 2015 -","Urteil vom 26.01.2017 - BVerwG 3 C 21.15ECLI:DE:BVerwG:2017:260117U3C21.15.0 EN Leitsatz: Die Fahrerlaubnis ist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG auch dann zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die zum Erreichen der Acht-Punkte-Grenze führende weitere Zuwiderhandlung vor der Erteilung der Verwarnung begangen hatte und diese Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt der Verwarnung rechtskräftig geahndet und im Fahreignungsregister gespeichert, der Fahrerlaubnisbehörde aber noch nicht übermittelt war. Eine Verringerung des Punktestandes nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG tritt in einem solchen Fall nicht ein. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 StVG § 4, § 28 Abs. 4, § 65 Abs. 3 Nr. 4 Instanzenzug VG Regensburg - 18.03.2015 - AZ: VG RO 8 K 15.249 VGH München - 11.08.2015 - AZ: VGH 11 BV 15.909 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2017 - 3 C 21.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:260117U3C21.15.0] Urteil BVerwG 3 C 21.15 VG Regensburg - 18.03.2015 - AZ: VG RO 8 K 15.249 VGH München - 11.08.2015 - AZ: VGH 11 BV 15.909 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. August 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf der Grundlage des Fahreignungs-Bewertungssystems. 2 Nach dem Erreichen von acht Punkten nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem verwarnte ihn die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 28. Juni 2011 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der damals geltenden Fassung vom 2. Dezember 2010. Nach Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 wurden die vom Kläger bis dahin erreichten zwölf Punkte in fünf Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umgestellt. 3 Das Kraftfahrt-Bundesamt teilte der Fahrerlaubnisbehörde mit dort am 19. Januar 2015 eingegangenem Schreiben vom 8. Januar 2015 mit, der Kläger habe aufgrund einer am 10. Februar 2014 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ein am 19. Dezember 2014 rechtskräftig gewordenes strafgerichtliches Urteil vom 13. November 2014 geahndet worden sei, sieben Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht. Die Tat und deren rechtskräftige Ahndung waren dem Kraftfahrt-Bundesamt von der Staatsanwaltschaft am 5. Januar 2015 mitgeteilt und am 6. Januar 2015 im Fahreignungsregister gespeichert worden. Daraufhin verwarnte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2015. 4 Mit Schreiben vom 22. Januar 2015, dort eingegangen am 2. Februar 2015, erhielt die Fahrerlaubnisbehörde vom Kraftfahrt-Bundesamt die Mitteilung, der Kläger habe aufgrund einer am 10. März 2014 begangenen weiteren Geschwindigkeitsüberschreitung, die durch ein ebenfalls am 13. November 2014 ergangenes, seit dem 19. Dezember 2014 rechtskräftiges Strafurteil geahndet worden sei, neun Punkte erreicht. Die Staatsanwaltschaft hatte dies dem Kraftfahrt-Bundesamt am 19. Januar 2015 mitgeteilt; die Speicherung im Fahreignungsregister war einen Tag später erfolgt. Daraufhin entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger mit Bescheid vom 13. Februar 2015 die Fahrerlaubnis. Zur Begründung heißt es: Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erweise er sich mit dem Erreichen von neun Punkten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Im Fahreignungs-Bewertungssystem stehe der Erziehungsgedanke nicht mehr im Vordergrund. In Abwägung mit der Verkehrssicherheit sei es nicht hinnehmbar, dass in kurzer Zeit zahlreiche schwere Verkehrsverstöße begangen werden könnten und das nur wegen des gestuften Maßnahmensystems nach § 4 Abs. 5 StVG nicht zur Fahrerlaubnisentziehung führe. In solchen Fällen müsse auf eine Chance des Betroffenen verzichtet werden, sein Verhalten vor der Entziehung zu ändern. Im Falle des Klägers seien vor der Entziehung der Fahrerlaubnis alle Maßnahmenstufen ordnungsgemäß durchlaufen worden. 5 Diesen Bescheid hat das Verwaltungsgericht aufgehoben. Der Kläger habe den Maßnahmenkatalog nicht ordnungsgemäß durchlaufen, die Fahrerlaubnisentziehung sei daher rechtswidrig. Zwar habe er mit der rechtskräftig geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 10. März 2014 neun Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht; auch sei gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG beim Erreichen von acht oder mehr Punkten die Fahrerlaubnis zu entziehen. Doch setze das Ergreifen einer weiteren Maßnahme nach Wortlaut und Systematik von § 4 StVG voraus, dass zeitlich nach der vorangegangenen Maßnahme eine weitere mit Punkten zu bewertende Zuwiderhandlung begangen worden sei. Das sei hier nicht der Fall. Deshalb verringere sich der Punktestand des Klägers gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG auf sieben Punkte. 6 Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Dem Kläger sei die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen worden. Er habe mit den für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 10. März 2014 anfallenden Punkten neun Punkte im Fahreignungsregister erreicht und die vor der Fahrerlaubnisentziehung liegenden Stufen des Punktesystems ordnungsgemäß durchlaufen. Die Fahrerlaubnisbehörde habe ihn mit Schreiben vom 21. Januar 2015 bei einem auf den Tattag 10. Februar 2014 bezogenen und im Fahreignungsregister eingetragenen Stand von sieben Punkten ordnungsgemäß verwarnt. Zu einer Verringerung des Punktestands gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG komme es nicht. Zwar sei auch die vom Kläger am 10. März 2014 begangene Ordnungswidrigkeit bei Ausstellung der Verwarnung bereits rechtskräftig geahndet und im Fahreignungsregister eingetragen gewesen. Das sei der Fahrerlaubnisbehörde aber zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen; deshalb habe sie diesen Verkehrsverstoß bei der Verwarnung noch nicht berücksichtigen können. Für die Frage, ob dem Betroffenen eine Punkteverringerung zu Gute komme, sei nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG nicht auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ahndung oder der Eintragung der letzten zu berücksichtigenden Zuwiderhandlung im Fahreignungsregister abzustellen; es komme allein darauf an, ob die vorherige Maßnahme schon rechtmäßig ergriffen worden sei. Das bestätige auch § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG. Diese Auslegung entspreche dem Zweck der Rechtsänderungen zum 1. Mai 2014 und zum 5. Dezember 2014. Der Gesetzgeber habe sich ausweislich der Gesetzesbegründung von den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Punkteentstehung und zum Tattagprinzip in dessen Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 3 C 3.07 - absetzen wollen. Es solle nun nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreiche und er die Möglichkeit zu einer Verhaltensänderung habe, bevor ihn die Folgemaßnahme treffe. Vorrangig seien nach dem Willen des Gesetzgebers nun die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems und die Verkehrssicherheit. Es sei auf der Grundlage des Kenntnisstandes der Fahrerlaubnisbehörde zu beurteilen, ob die Maßnahme der vorangegangenen Stufe bereits ergriffen worden sei. Das Entstehen von Punkten solle davon nicht beeinflusst werden. § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG verdeutliche, dass ein Verkehrsverstoß auch dann zu Punkten führe, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen worden sei, dabei aber noch nicht habe verwertet werden können. Um einen solchen Fall gehe es hier. Die Fahrerlaubnisbehörde habe vor der am 2. Februar 2015 bei ihr eingegangenen Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes keine Kenntnis von der am 10. März 2014 begangenen weiteren Geschwindigkeitsüberschreitung gehabt. Ob sich die Fahrerlaubnisbehörde eine schuldhafte Verzögerung durch andere Behörden (Staatsanwaltschaften und Kraftfahrt-Bundesamt) zurechnen lassen müsse, könne offen bleiben. Eine solche Verzögerung habe es hier nicht gegeben. Die Fahrerlaubnisbehörde sei auch nicht verpflichtet, den Punktestand vor dem Ergreifen einer Maßnahme nochmals durch eine Anfrage beim Kraftfahrt-Bundesamt zu überprüfen. Durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 5 und 6 StVG n.F. bestünden nicht. Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung stelle sich hier nicht, da die beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen erst nach dem In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung zum 5. Dezember 2014 rechtskräftig geahndet worden seien. Dass der Gesetzgeber die frühere Erziehungs- und Warnfunktion der einzelnen Stufen des Maßnahmensystems weitestgehend aufgegeben habe, verstoße auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip. 7 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Wegen eines Fehlers der Staatsanwaltschaft seien die beiden am 19. Dezember 2014 rechtskräftig gewordenen Strafurteile dem Kraftfahrt-Bundesamt nicht gleichzeitig mitgeteilt worden; die Staatsanwaltschaft habe zu Unrecht zunächst angenommen, die beiden Fahrverbote seien nacheinander zu vollstrecken. Nur aus diesem Grund habe das Kraftfahrt-Bundesamt anschließend getrennte Mitteilungen an die Fahrerlaubnisbehörde übersandt, die deshalb nicht von einem sofortigen Anstieg auf neun Punkte und dementsprechend auch nicht von einem Punkteabzug ausgegangen sei. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Information wegen der langsamen und daher unzureichenden Übermittlung per Brief erst verspätet erhalten habe und deshalb bei der Verwarnung in einem unzulässigen Zwischenschritt einen Stand von nur sieben Punkten angenommen habe. Maßgeblich sei stattdessen das Tattagprinzip. Die gesetzlichen Neuregelungen seien mit einer echten Rückwirkung verbunden, da sie erst nach dem letzten Tattag in Kraft getreten seien; eine Rechtfertigung dafür fehle. Verletzt sei außerdem der Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei einer Übermittlung des Punktestandes auf dem Postwege hänge es letztlich von Zufällen ab, wann die Information die Fahrerlaubnisbehörde erreiche. 8 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und trägt vor: Die Revision sei bereits unzulässig. Ihre Begründung genüge nicht den formalen Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO; es fehle eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Berufungsurteil. Um eine echte Rückwirkung der Neuregelung gehe es nicht; auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage einer unechten Rückwirkung gehe die Revisionsbegründung nicht ein. Ebenfalls unzureichend seien die Darlegungen zu einer vermeintlich verzögerten Sachbearbeitung durch die Staatsanwaltschaft. Auch werde nicht aufgezeigt, weshalb eine postalische Übermittlung der Informationen zum Punktestand durch das Kraftfahrt-Bundesamt an die Fahrerlaubnisbehörde unzulässig sein solle. Bei den Ausführungen zum Tattagprinzip werde die Rechtslage verkannt. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur das Urteil des Berufungsgerichts ebenfalls für zutreffend. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG trete nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde zum Zeitpunkt der Maßnahme weitere Verkehrsverstöße bekannt seien, die zur Einordnung in eine höhere Stufe des Maßnahmensystems führten. Aus § 4 Abs. 5 Satz 5, Abs. 5 Satz 6 Nr. 1, Abs. 6 Satz 4 und Abs. 8 Satz 1 StVG ergebe sich, dass es für das Ergreifen einer Maßnahme auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde ankomme. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG werde nicht dadurch verletzt, dass das Tattagprinzip nach der Neuregelung nicht ohne Ausnahmen gelte; das diene der Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems und dem Schutz der Verkehrsteilnehmer. Dass für die Entstehung von Punkten auf den Tattag, für das Ergreifen der Maßnahmen dagegen auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen sei, sei nicht systemwidrig, sondern beruhe auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. II 10 Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, worin der Kläger den geltend gemachten Bundesrechtsverstoß sieht. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung neun Punkte im Fahrerlaubnisregister erreicht und die vorgelagerten Stufen des Maßnahmensystems nach § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen, so dass es zu keiner Verringerung des Punktestandes nach § 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG komme, steht im Einklang mit Bundesrecht (1. und 2.). Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die hier anzuwendende Neuregelung, mit der der Gesetzgeber eine teilweise Abkehr vom so genannten Tattagprinzip sowie von der Warn-und Erziehungsfunktion des bisherigen Mehrfachtäter-Punktsystems vollzogen hat, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (3.). 11 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 27. September 1995 - 11 C 34.94 - BVerwGE 99, 249 <250> und Beschluss vom 22. Januar 2001 - 3 B 144.00 - juris Rn. 2 m.w.N.). Damit ist - da kein Widerspruchsverfahren durchzuführen war - auf den Erlass des Bescheids vom 13. Februar 2015 abzustellen. 12 Zugrunde zu legen ist danach das mit Wirkung vom 1. Mai 2014 mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313) eingeführte Fahreignungs-Bewertungssystem, das mit Wirkung ab dem 5. Dezember 2014 insbesondere hinsichtlich der Regelungen in § 4 Abs. 5 und 6 StVG nochmals durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, der Gewerbeordnung und des Bundeszentralregistergesetzes vom 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802) geändert worden ist. 13 2. Ihre Rechtsgrundlage findet die Fahrerlaubnisentziehung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG; nach dieser Bestimmung gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ihm ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, sobald sich in der Summe acht oder mehr Punkte ergeben. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Punkte ergeben sich gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. 14 Die letzte vom Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt begangene rechtskräftig geahndete Zuwiderhandlung, die die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu berücksichtigen hatte, war die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 10. März 2014. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) nimmt das Berufungsgericht an, dass sie zur Erhöhung seines Punktestandes im Fahreignungsregister um weitere zwei auf insgesamt neun Punkte führte. 15 § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG bestimmt, dass die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis die in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Maßnahmen stufenweise zu ergreifen hat. Dieses Stufensystem wird im Hinblick auf seine Rechtsfolgen in § 4 Abs. 6 StVG näher präzisiert. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die nach Landesrecht zuständige Behörde eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 (Verwarnung) oder Nr. 3 (Entziehung der Fahrerlaubnis) nur ergreifen, wenn die Maßnahme der davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG verringert sich der Punktestand im Falle des Satzes 2 mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte (Nr. 1) und der Verwarnung auf sieben Punkte (Nr. 2), wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. 16 Hier hatte die Fahrerlaubnisbehörde die beiden nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG vor der Entziehung der Fahrerlaubnis liegenden Stufen des Maßnahmensystems rechtsfehlerfrei gegen den Kläger ergriffen. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG ist dabei nicht eingetreten. 17 a) Nach dem Erreichen von acht Punkten nach dem (alten) Mehrfachtäter-Punktsystem hatte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2011 auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. verwarnt; dies entsprach der ersten Maßnahmenstufe nach dem bis zum 30. April 2014 geltenden Mehrfachtäter-Punktsystem. 18 In der Folgezeit ergaben sich aus den bis zum 1. Mai 2014 rechtskräftig geahndeten und im Verkehrszentralregister eingetragenen Zuwiderhandlungen des Klägers zwölf Punkte nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem. Diese Punkte waren nach der Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG zum 1. Mai 2014 in fünf Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umzustellen; das führte zur Einordnung des Klägers in die Stufe 1 (Ermahnung) nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Diese am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG bestimmt, dass die Einordnung nach Satz 1 allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt. Eine Wiederholung der ersten Maßnahmenstufe nach der Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems war somit nicht erforderlich. 19 b) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe mit der Verwarnung, die ihm die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG mit Schreiben vom 21. Januar 2015 erteilt hatte, auch die zweite Stufe des in § 4 Abs. 5 StVG vorgesehenen Maßnahmensystems ordnungsgemäß und ohne Verringerung des Punktestandes durchlaufen, ist revisionsrechtlich ebenfalls nichts zu erinnern. 20 aa) Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG ist, wenn sich sechs oder sieben Punkte ergeben, der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen. Das ist hier mit dem Schreiben vom 21. Januar 2015 rechtsfehlerfrei erfolgt. Mit der am 10. Februar 2014 begangenen und mit Strafurteil vom 13. Dezember 2014 rechtskräftig geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitung erreichte der Kläger ""retrospektiv"" (vgl. BT-Drs. 17/12636 S. 19) zum 10. Februar 2014 einen Stand von sieben Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Die Punktebewertung richtete sich nach der Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 StVG; danach sind auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Die Ordnungswidrigkeit vom 10. Februar 2014 führte danach zu zwei Punkten (vgl. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV) nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. 21 bb) Der Kläger meint, bei dieser Verwarnung hätte der Beklagte aufgrund des Tattagprinzips außer dem Verkehrsverstoß vom 10. Februar 2014 zusätzlich die am 10. März 2014 begangene und zum Zeitpunkt der Verwarnung auch bereits rechtskräftig geahndete sowie im Fahreignungsregister gespeicherte Geschwindigkeitsüberschreitung berücksichtigen müssen. Es müsse, nicht anders als wenn die Fahrerlaubnisbehörde von beiden Verkehrsverstößen gleichzeitig Kenntnis erhalten hätte, eine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG gewährt werden. 22 Dieser Einwand geht fehl. Spätestens seit der zum 5. Dezember 2014 in Kraft getretenen erneuten Gesetzesänderung ist für das Ergreifen von Maßnahmen nach rechtskräftiger Ahndung der Zuwiderhandlung nicht mehr ausschließlich auf den sich für den betreffenden Tattag ergebenden Punktestand abzustellen. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG und eine Verringerung des Punktestandes nach § 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG sind die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt des Ergreifens der Maßnahme nach § 4 Abs. 8 StVG übermittelten Zuwiderhandlungen. 23 Im alten Mehrfachtäter-Punktsystem hatte der erkennende Senat der Stufung der Maßnahmen eine ""Warnfunktion"" beigemessen und daraus hergeleitet, dass die Maßnahmen den Fahrerlaubnisinhaber ""möglichst frühzeitig und insbesondere noch vor Eintritt in die nächste Stufe erreichen"" sollten, damit ihm die ""Möglichkeit der Verhaltensänderung"" effektiv eröffnet werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 3.07 - BVerwGE 132, 48 Rn. 33). Die Fahrerlaubnis konnte nur entzogen werden, wenn deren Inhaber nach seiner Verwarnung eine weitere zur Überschreitung der Schwelle von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG a.F. führende Zuwiderhandlung begangen hatte. Weitere vor der Verwarnung begangene, der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Verwarnung aber noch nicht bekannte Zuwiderhandlungen konnten auf der Grundlage des Mehrfachtäter-Punktsystems nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG a.F.). Hiervon hat sich der Gesetzgeber für das Fahreignungs-Bewertungssystem bewusst abgesetzt. Bei Fahrerlaubnisinhabern, die sich durch eine Anhäufung von innerhalb kurzer Zeit begangenen Verkehrsverstößen als ungeeignet erwiesen haben, sollen die Verkehrssicherheit und das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, Vorrang vor dem Erziehungsgedanken haben. Für das Fahreignungs-Bewertungssystem soll es nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit der Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Die Erziehungswirkung liege - so der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Begründung der vorgeschlagenen und im Gesetzgebungsverfahren angenommenen Änderungen des Regierungsentwurfs - dem Gesamtsystem als solchem zu Grunde, während die Stufen in erster Linie der Information des Betroffenen dienten. Die Maßnahmen stellten somit lediglich eine Information über den Stand im System dar. Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden sei, sei vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusse das Entstehen von Punkten nicht (BT-Drs. 18/2775 S. 9 f.). 24 Umgesetzt wird der vom Gesetzgeber gewollte Systemwechsel insbesondere durch § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 und § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Diese Vorschrift soll die Punktebewertung eines Verkehrsverstoßes auch dann ermöglichen, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen wurde, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnte, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sei (BT-Drs. 18/2775 S. 10). Ein solcher Fall liegt - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat (UA Rn. 20) - hier bezogen auf die Ordnungswidrigkeit vom 10. März 2014 vor. Sie ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG zu berücksichtigen, obwohl der Kläger wegen der am 10. Februar 2014 begangenen Zuwiderhandlung erst am 21. Januar 2015 und damit nach der Begehung der weiteren Ordnungswidrigkeit verwarnt wurde. § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG stellt ausdrücklich auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde ab. Nach dieser Bestimmung erhöhen Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand (vgl. zur Systematik auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 4 StVG Rn. 88a). 25 Im Fahreignungs-Bewertungssystem entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde mithin auf der Grundlage der ihr gemäß § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister. Dieser Kenntnisstand ist maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG. Für die Frage, ob die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist und sich, wenn zunächst diese Maßnahme zu ergreifen ist, der Punktestand verringert (§ 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG), kann nichts anderes gelten. Eine andere Betrachtung liefe dem Ziel der Gesetzesänderung zuwider, bei einer Anhäufung von Verkehrsverstößen die Entziehung der Fahrerlaubnis auch dann zu ermöglichen, wenn der Betroffene nach der Verwarnung die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr durch eine Änderung seines Verkehrsverhaltens verhindern kann. 26 cc) Entgegen der Auffassung des Klägers muss sich die Fahrerlaubnisbehörde weder das Wissen, über das eine der im Maßnahmensystem ""vorgelagerten"" Stellen (hier Staatsanwaltschaft und Kraftfahrt-Bundesamt) hinsichtlich weiterer Verkehrsverstöße des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers verfügt, noch ein Verschulden dieser Stellen bei der Datenübermittlung zurechnen lassen. Ob dem Berufungsgericht in der Bewertung des Verhaltens der Staatsanwaltschaft bei der Übermittlung der Zuwiderhandlung vom 10. März 2014 zu folgen ist, kann deshalb offen bleiben. Mangels Zurechenbarkeit eines Verschuldens der Staatsanwaltschaft ist das Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Eine Zurechnung von Wissen oder von Verschulden bei der Datenübermittlung liefe der Konzeption des Gesetzgebers zuwider, nach der gerade auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde abgestellt werden soll. Abgesehen davon fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage für eine solche Zurechnung (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 3 C 6.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​120315U3C6.14.0] - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 30 Rn. 14 ff.). Der Vollzug des Maßnahmensystems ist, wie § 4 Abs. 8 und § 28 Abs. 4 StVG sowie die Gesetzesbegründung zeigen, auf die Übermittlung der entsprechenden Daten und auf deren Kenntnisnahme beim Empfänger angelegt. Ob etwas anderes gilt, wenn ein Berufen auf die Unkenntnis als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre (vgl. VGH München, Beschluss vom 28. April 2016 - 11 CS 16.537 - ZfS 2016, 415 Rn. 13), kann offen bleiben. Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. 27 dd) Die Fahrerlaubnisbehörde muss auch nicht unmittelbar vor dem Ergreifen der Maßnahme nochmals beim Kraftfahrt-Bundesamt den aktuellen Punktestand erfragen. Eine solche Rechtspflicht lässt sich den Regelungen zum Fahreignungs-Bewertungssystem nicht entnehmen (ebenso Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 4 StVG Rn. 60 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 8 StVG eine Übermittlungspflicht des Kraftfahrt-Bundesamtes, nicht aber eine Nachfragepflicht der Fahrerlaubnisbehörde begründet. 28 ee) Auch daraus, dass die Übermittlung von Daten aus dem Fahreignungsregister an die Fahrerlaubnisbehörde im Postwege und nicht automatisiert erfolgte, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Ein Anspruch auf Einrichtung eines automatisierten Abfrageverfahrens besteht nicht. § 30a und b StVG geben zwar die Befugnis zur Übermittlung bzw. zur Abfrage von Daten aus dem Fahreignungsregister in einem automatisierten Anfrage- und Auskunftsverfahren; diese Regelungen verpflichten die betroffenen Stellen jedoch nicht dazu. Nach § 30a Abs. 2 und § 30b StVG steht die Einrichtung solcher automatisierter Übermittlungsverfahren zudem unter dem Vorbehalt der näheren Bestimmung durch Rechtsverordnung. Eine solche Rechtsverordnung wurde bislang nicht erlassen. Unbeschadet dessen wird den Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden durch § 28 Abs. 4 StVG die Verpflichtung auferlegt, dem Kraftfahrt-Bundesamt ""unverzüglich"" die nach Absatz 3 zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung führenden Daten mitzuteilen. Nach § 4 Abs. 8 StVG muss das Kraftfahrt-Bundesamt ""bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5"" den Fahrerlaubnisbehörden die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister übermitteln. Somit besteht auch ohne ein automatisiertes Verfahren ein gesetzliches ""Beschleunigungsgebot"". Unabhängig davon ist der Umstand, dass die Fahrerlaubnisbehörde hier von den beiden am selben Tag rechtskräftig geahndeten Zuwiderhandlungen des Klägers nicht gleichzeitig Kenntnis erhielt, nicht auf die Postlaufzeiten, sondern darauf zurückzuführen, dass die Staatsanwaltschaft die im Fahreignungsregister zu speichernden Daten wegen einer von ihr zunächst angenommenen Nacheinandervollstreckung der beiden Fahrverbote zeitlich versetzt an das Kraftfahrt-Bundesamt übermittelt hatte. 29 3. Die hier in ihrer ab dem 5. Dezember 2014 geltenden Fassung anzuwendenden Regelungen des § 4 Abs. 5 und 6 StVG sind verfassungsrechtlich weder wegen einer unzulässigen Rückwirkung (a) noch wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstanden (b). 30 a) Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot liegt nicht vor. 31 aa) Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, ist auf eine Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nicht anwendbar; sie ist keine Bestrafung im Sinne dieser Vorschrift. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und eine Entziehung der Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG haben keinen repressiven, sondern präventiven Charakter. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nach der Konzeption des Gesetzgebers ein Instrument mit general- und spezialpräventiver Wirkung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit (vgl. BT-Drs. 17/12636 S. 38 und BT-Drs. 18/2775 S. 9 f.). Es dient dem Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 StVG). 32 bb) Weder bezogen auf den 1. Mai 2014, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Fünften Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3313), mit dem das Fahreignungs-Bewertungssystem eingeführt wurde, noch bezogen auf den 5. Dezember 2014, den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, der Gewerbeordnung und des Bundeszentralregistergesetzes vom 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802) und der damit verbundenen (erneuten) Änderung von § 4 Abs. 5 und 6 StVG ist eine echte Rückwirkung zu Lasten des Klägers festzustellen. Ob der dargelegte Systemwechsel bereits durch die am 1. Mai 2014 in Kraft getretene Gesetzesänderung vollzogen wurde (verneinend: OVG Bautzen, Beschluss vom 7. Juli 2015 - 3 B 118/15 - SächsVBl. 2015, 255 Rn. 14), ist hier ohne Bedeutung. 33 Wie gezeigt, entfaltet die Gesetzesänderung belastende Wirkungen für Fahrerlaubnisinhaber, die vor ihrer Verwarnung weitere, der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Verwarnung noch nicht bekannte Zuwiderhandlungen begangen haben. Damit wird in Fällen wie dem des Klägers jedoch nicht in einen in der Vergangenheit liegenden, bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen. Zwar hat der Kläger die beiden zur Überschreitung der Acht-Punkte-Grenze des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG führenden Ordnungswidrigkeiten sowohl vor dem 5. Dezember 2014 als auch vor dem 1. Mai 2014 begangen. Doch bereits unter dem Mehrfachtäter-Punktsystem (dort noch ohne einfach-gesetzliche Regelung, aber vom Rechtsstaatsprinzip gefordert; vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 3.07 - BVerwGE 132, 48 Rn. 19 ff.) genügte die Begehung einer im Fahreignungsregister zu speichernden Straftat oder Ordnungswidrigkeit für das Entstehen von Punkten nicht. Erforderlich war schon damals die rechtskräftige Ahndung der betreffenden Tat. Somit lag und liegt der Entstehung von Punkten kein reines Tattagprinzip, sondern ein kombiniertes Tattag- und Rechtskraftprinzip zugrunde (so zum Mehrfachtäter-Punktsystem: BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 a.a.O.; für das Fahreignungs-Bewertungssystem: § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG und BT-Drs. 17/12636 S. 19). Im Hinblick darauf waren hier die maßgeblichen Lebenssachverhalte beim In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelungen noch nicht abgeschlossen. Die beiden strafgerichtlichen Urteile wurden erst am 19. Dezember 2014 rechtskräftig. 34 cc) Aus dem zeitlichen Ablauf ergibt sich allerdings zugleich, dass dem Berufungsgericht nicht in der Annahme gefolgt werden kann, die Frage einer unechten Rückwirkung wegen des Eintritts der Rechtskraft erst zum 19. Dezember 2014 stelle sich hier nicht (UA Rn. 30; ähnlich bereits VGH München, Beschluss vom 8. Juni 2015 - 11 CS 15.718 - juris Rn. 22). Jedenfalls die Verkehrsverstöße als ""Auslöser"" der Maßnahmen waren bereits vor dem In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelungen begangen worden. 35 Diese unechte Rückwirkung (so in Bezug auf § 4 StVG n.F. in vergleichbaren Fällen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. November 2016 - OVG 1 S 86.16 - ZfS 2017, 55 <56>; OVG Bautzen, Beschluss vom 7. Juli 2015 - 3 B 118/15 - SächsVBl. 2015, 255 Rn. 15; Stieber, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 4 StVG Rn. 86) ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. - BVerfGE 127, 31 <47 f.> m.w.N.). 36 Das ist hier der Fall. Die Gesetzesänderung dient - wie gezeigt - der Effektivierung des Fahreignungs-Bewertungssystems. Sie zielt auf eine Stärkung der Verkehrssicherheit (vgl. BT-Drs. 18/2775 S. 9 f.) und soll dazu beitragen, dass Fahrerlaubnisinhaber, die sich durch das Erreichen von acht oder mehr Punkten nach der Wertung des Gesetzgebers als ungeeignet erwiesen haben, auch tatsächlich vom Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen werden. Dieses Ziel ließe sich nur eingeschränkt erreichen, wenn die Neuregelung auf vor ihrem In-Kraft-Treten begangene, aber noch nicht rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße nicht anwendbar wäre. Die Grenze der Zumutbarkeit bleibt für die Betroffenen gewahrt. Ihre Erwartung, dass das der Gefahrenabwehr dienende Fahrerlaubnisrecht nach Begehung einer noch nicht rechtskräftig geahndeten Straftat oder Ordnungswidrigkeit nicht zu ihrem Nachteil geändert werde, genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. 37 b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist mit der gesetzlichen Neuregelung ebenfalls nicht verbunden. 38 Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 Rn. 38 f. m.w.N.). 39 Ungleich behandelt werden Fahrerlaubnisinhaber, die wegen des Erreichens von vier oder fünf Punkten ermahnt worden sind und anschließend weitere Verkehrsverstöße begehen, die zum Erreichen von acht oder mehr Punkten führen: Erhält die Fahrerlaubnisbehörde die Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamtes über diese Verkehrsverstöße gleichzeitig oder die weitere Mitteilung jedenfalls, bevor sie den Fahrerlaubnisinhaber aufgrund der ersten Mitteilung verwarnt hat, wird der Fahrerlaubnisinhaber gemäß § 4 Abs. 6 Satz 2 StVG lediglich verwarnt und sein Punktestand verringert sich auf sieben Punkte (§ 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG). Erhält die Fahrerlaubnisbehörde die zweite Mitteilung dagegen - wie im Falle des Klägers - erst, nachdem sie den Fahrerlaubnisinhaber aufgrund der ersten Mitteilung wegen des Erreichens von sechs oder sieben Punkten verwarnt hat, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG). 40 Das Ziel, die Allgemeinheit mit Hilfe eines typisierenden Fahreignungs-Bewertungssystems und einer daran anknüpfenden Maßnahmenstufung effektiv vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, bietet auch für eine solche Ungleichbehandlung noch einen hinreichenden Sachgrund. Wann die Fahrerlaubnisbehörde den Fahrerlaubnisinhaber verwarnen kann, hängt nicht nur vom zeitlichen Abstand der Verkehrsverstöße, sondern auch davon ab, wann deren Ahndung rechtskräftig wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG), wann die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden dem Kraftfahrt-Bundesamt die über die Zuwiderhandlungen zu speichernden Daten mitteilen (§ 28 Abs. 4 StVG), wann das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde die Eintragungen im Fahreignungsregister übermittelt (§ 4 Abs. 8 StVG) und welche Bearbeitungszeiten bei der Fahrerlaubnisbehörde selbst anfallen. Ein Zusammenhang zwischen der Gestaltung und Dauer des Verfahrens und der Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers besteht nicht. Ein Fahrerlaubnisinhaber, der - wie der Kläger - mehrere, acht oder mehr Punkte ergebende Zuwiderhandlungen begangen hat, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht besser geeignet und gefährdet die Allgemeinheit nicht weniger, wenn die Staatsanwaltschaft und anschließend das Kraftfahrt-Bundesamt diese Verkehrsverstöße gleichzeitig weitermelden. Das Fahreignungs-Bewertungssystem kommt jedoch ohne eine Anknüpfung an das betreffende Straf- oder Bußgeldverfahren nicht aus. Auch unter dem Mehrfachtäter-Punktsystem konnten nur rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße im Verkehrszentralregister eingetragen werden und Punkte ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 3.07 - BVerwGE 132, 48 Rn. 21). Je später die Ahndung eines Verkehrsverstoßes rechtskräftig und damit eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG möglich wurde, desto länger konnte der Fahrerlaubnisinhaber weitere Zuwiderhandlungen begehen, ohne die nächste Stufe des Maßnahmensystems zu erreichen. Eine sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wurde hingenommen. Verfahrensbedingte Unterschiede bei der Ahndung von Verkehrsverstößen, wie sie z.B. bei der Verhängung von Fahrverboten auftreten können, werden in der Rechtsordnung auch sonst akzeptiert (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 4 StR 227/15 - BGHSt 61, 100). Soweit im Fahreignungs-Bewertungssystem die Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG nicht nur vom Eintritt der Rechtskraft abhängt, sondern auch vom Ablauf des anschließenden Verwaltungsverfahrens, unterscheiden sich die damit verbundenen zusätzlichen Unwägbarkeiten im Ansatz nicht von jenen, die sich aus dem Ablauf des Straf- oder Bußgeldverfahrens ergeben; sie sind deshalb ebenfalls hinzunehmen. Dabei darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die beteiligten Stellen die Erledigung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verzögern, um den Fahrerlaubnisinhaber beim Vollzug des Fahreignungs-Bewertungssystems zu begünstigen oder ihm zu schaden. 41 Der Gesetzgeber muss auch nicht zur Vermeidung der dargelegten Ungleichbehandlung vorsehen, dass die Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten aufgrund weiterer Verkehrsverstöße gegebenenfalls ohne vorherige Verwarnung zu entziehen ist. Zu einem neuen Gleichheitsproblem würde eine solche Regelung allerdings nicht führen. Fahrerlaubnisinhaber in der Situation des Klägers sind zwar verwarnt worden; sie hatten aber im Zeitpunkt der Verwarnung wegen der weiteren Zuwiderhandlung bereits acht Punkte. Die Entziehung der Fahrerlaubnis war damit unabwendbar, die Verwarnung aus ihrer Sicht eine bloße Formalie. Ungeachtet dessen bleibt die Stufung der Maßnahmen nach der gesetzgeberischen Konzeption ein wichtiges Element des Fahreignungs-Bewertungssystems. Die Behörde darf - wie § 4 Abs. 6 Satz 2 und 3 StVG zu entnehmen ist - die Fahrerlaubnis nach wie vor nur entziehen, wenn sie den Fahrerlaubnisinhaber zuvor nicht nur ermahnt, sondern auch verwarnt hat. In vielen Fällen kann die Verwarnung ihre Funktion auch erfüllen, den Fahrerlaubnisinhaber ein letztes Mal zu einer Verhaltensänderung anzuhalten. Wenn die Behörde wegen des Erreichens von sechs oder sieben Punkten die Verwarnung ausspricht, ist dies auf der Grundlage ihres Kenntnisstandes auch eine sinnvolle Maßnahme; sie hat keine Anhaltspunkte für weitere Verkehrsverstöße. Ausgehend hiervon liegt es innerhalb des Bewertungsspielraums des Gesetzgebers, wenn er meint, ein noch nicht verwarnter Fahrerlaubnisinhaber solle auch bei Erreichen von acht Punkten zunächst ein zweites Mal angehalten werden, sein Verhalten im Straßenverkehr zu ändern. Fahrern, die in dichter Folge schwere Verkehrsverstöße begangen haben und vor Entziehung der Fahrerlaubnis verwarnt worden sind, darf deshalb zugemutet werden, die dargestellten verfahrensbedingten Ungleichbehandlungen hinzunehmen. 42 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-20,29.03.2017,"Pressemitteilung Nr. 20/2017 vom 29.03.2017 EN Zeitlich begrenzte Fortgeltung der Rechtsschutzbeschränkung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 Telekommunikationsgesetz mit Unionsrecht vereinbar Die Genehmigung von Entgelten für Leistungen im Zusammenhang mit Interconnection-Anschlüssen, die die Bundesnetzagentur der Telekom Deutschland GmbH für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 30. November 2016 erteilt hatte, war teilweise rechtswidrig. Die Bundesnetzagentur hat ihren Beurteilungsspielraum für die Auswahl der Methode zur Berechnung des Anlagevermögens im Rahmen der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung rechtsfehlerhaft ausgefüllt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute festgestellt. Die über diese Rechtsfrage hinausgehende Bedeutung des Urteils besteht darin, dass das Bundesverwaltungsgericht zum ersten Mal die in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG enthaltene Regelung anzuwenden hatte, nachdem das Bundesverfassungsgericht auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Pressemitteilung 15/2014 ) mit Beschluss vom 22. November 2016 über deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz entschieden hat. Die Regelung schränkt den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Entgeltgenehmigungen der Bundesnetzagentur insoweit ein, als eine rückwirkende Korrektur zu niedrig festgesetzter Entgelte nur möglich ist, wenn - was hier nicht der Fall war - bereits ein Eilantrag des regulierten Unternehmens auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts erfolgreich war. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Regelung ursprünglich mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar war, jedoch verfassungswidrig geworden ist, weil das mit ihr verfolgte Ziel der Förderung des Wettbewerbs die differenzierungslose Rechtsschutzbeschränkung mittlerweile nicht mehr trägt. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens zum 31. Juli 2018 zu ermitteln, ob eine Wettbewerbsförderung in Gestalt einer Rechtsschutzbeschränkung weiterhin erforderlich ist und gegebenenfalls eine differenzierende Regelung zu erlassen, wobei es einer rückwirkenden Umgestaltung der Rechtslage nicht bedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat die Fortgeltung des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG mit einer entsprechenden zeitlichen Beschränkung angeordnet. Danach konnte das Bundesverwaltungsgericht die Bundesnetzagentur nicht zur rückwirkenden Neubescheidung des Entgeltantrags der Klägerin verpflichten, sondern nur die Rechtswidrigkeit der erteilten Entgeltgenehmigung feststellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat es als offenkundig angesehen, dass die zeitlich begrenzte Fortgeltung der verfassungswidrig gewordenen Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG auch mit dem in Art. 4 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie gewährleisteten Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können die Mitgliedstaaten die entsprechenden Regeln unter Beachtung der Anforderungen, die sich aus den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität ergeben, im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie treffen. Diese Grundsätze werden durch die vorübergehende Fortgeltung von § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG, die dem schonenden Übergang von der verfassungswidrig gewordenen zu einer verfassungsmäßigen Rechtslage dient, nicht verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang betont, dass das Verwaltungsgericht, das mit einem Eilantrag eines regulierten Unternehmens auf Anordnung eines höheren Entgelts nach § 123 VwGO i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG befasst ist, nur eine Wahrscheinlichkeitsprognose treffen und dabei die gravierende Erschwerung des Rechtsschutzes, die dem Unternehmen ansonsten droht, vor Augen haben muss. BVerwG 6 C 1.16 - Urteil vom 29. März 2017 Vorinstanz: VG Köln, 1 K 8115/13 - Urteil vom 03. Dezember 2015 -","Urteil vom 29.03.2017 - BVerwG 6 C 1.16ECLI:DE:BVerwG:2017:290317U6C1.16.0 EN Rechtsschutz des regulierten Unternehmens gegen zu niedrig festgesetzte Entgelte im Rahmen von § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG Leitsätze: 1. Die durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete befristete Fortgeltung der verfassungswidrig gewordenen Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ist mit Unionsrecht vereinbar. 2. Im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG kann das regulierte Unternehmen Rechtsschutz gegen zu niedrig festgesetzte Entgelte für abgelaufene Genehmigungszeiträume im Hauptsacheverfahren ohne vorhergehenden Erfolg im Eilverfahren nur im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage erhalten. 3. Das Anbieterinteresse des regulierten Unternehmens ist in der Abwägung, die die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums betreffend die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen vorzunehmen hat, stets und inhaltlich unverkürzt zu berücksichtigen. Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 100 Abs. 1 TKG § 2 Abs. 2, §§ 12, 13, 15, 30, 31, 32, 35 VwGO §§ 88, 92 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 123 AEUV Art. 267 Abs. 3 GRC Art. 47 RRL Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 3 Instanzenzug VG Köln - 03.12.2015 - AZ: VG 1 K 8115/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.03.2017 - 6 C 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290317U6C1.16.0] Urteil BVerwG 6 C 1.16 VG Köln - 03.12.2015 - AZ: VG 1 K 8115/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Dezember 2015 geändert. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 - BK 3c-13-052 - in Bezug auf die Genehmigung der jährlichen Überlassungsentgelte für den Intra-Building-Abschnitt in den Varianten ICA Customer Sited und ICA Physical Co-location nach Ziffer 1.I.2. und Ziffer 1.II.2 des Beschlusses sowie des Entgelts für den zentralen Zeichengabekanal nach Ziffer 1.III. des Beschlusses rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Genehmigung von Entgelten für Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit Interconnection-Anschlüssen (ICA) zu ihrem leitungsvermittelten Netz (PSTN - Public Switched Telephone Network). 2 Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telefonnetz an festen Standorten. Sie ist regulatorisch zur Netzzusammenschaltung verpflichtet, die Entgelte bedürfen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG. Die Klägerin begann im Jahr 2011, anstelle ihres leitungsvermittelten Netzes bzw. neben diesem Netz ein IP-basiertes Netz der nächsten Generation (NGN - Next Generation Network) einzurichten. Die Netzzusammenschaltung nach PSTN-Technik sollte zunächst noch bis zum Jahresende 2016 erhalten bleiben. Mittlerweile ist der Übergangszeitraum bis zum Ende des Jahres 2018 verlängert worden. 3 Unter dem 20. September 2013 beantragte die Klägerin die Genehmigung von ICA-Entgelten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 30. November 2016. Der Entgeltantrag umfasste unter anderem Entgelte für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ ""Customer Sited"" in Höhe von - je nach technischer Ausstattung - jährlich 1 042,84 € bis 61 731,94 €, für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ ""Physical Co-location"" in Höhe von jährlich 1 262,55 € und für die Überlassung des zentralen Zeichengabekanals bei beiden ICA-Typen in Höhe von jährlich 471,14 €. 4 Mit Beschluss vom 29. November 2013 genehmigte die zuständige Beschlusskammer der Bundesnetzagentur ohne vorherige Durchführung weder eines nationalen Konsultationsverfahrens noch eines unionsweiten Konsolidierungsverfahrens für den beantragten Zeitraum ICA-Entgelte, die die von der Klägerin beantragte Höhe deutlich unterschritten, und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Die genehmigten Jahresentgelte beliefen sich für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ ""Customer Sited"" auf 448,19 € bis 25 102,77 €, für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ ""Physical Co-location"" auf 621,92 € und für die Überlassung des zentralen Zeichengabekanals bei beiden ICA-Typen auf 208,54 €. 5 In der Begründung des Beschlusses führte die Kammer unter anderem aus, das Anlagevermögen als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen sei in Ausfüllung des insoweit bestehenden regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums nicht mehr wie in den vorhergehenden Entgeltperioden unter Heranziehung von Brutto-Wiederbeschaffungswerten, sondern auf der Basis von Anschaffungs- und Herstellungskosten (historischen Kosten) als Restbuchwerten zu berechnen gewesen. Das berechtigte Interesse der Klägerin als Anbieterin der entgeltregulierten Leistung sei auf Kostendeckung und Erzielung eines angemessenen Gewinns bzw. auf Substanz- und Kapitalerhaltung sowie Rentabilität gerichtet. Dem werde durch den Ansatz historischer Kosten Rechnung getragen. Ein berechtigtes Anbieterinteresse, auch nach vollständigem Verzehr der Werte und Umwandlung derselben in Kapitalvermögen weiterhin Abschreibungen vornehmen zu können, bestehe nicht. Auch das Rentabilitätsziel finde hinreichende Berücksichtigung dadurch, dass für die Zinsen der Restbuchwert des Investitionsobjekts zu Grunde gelegt werde. Eine Kalkulation auf der Basis von historischen Kosten entspreche dem berechtigten Interesse der Klägerin vor allem auch deshalb, weil diese eine Wiederbeschaffung von ICA nicht mehr beabsichtige und überdies die Preise für die allenfalls erforderlichen Investitionsgüter sänken. Das Telekommunikationsgesetz biete keine Grundlage dafür, etwaige von der Klägerin behauptete, aber nicht substantiierte Verluste aus den Anfangsjahren der Zusammenschaltung in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Genehmigungszeitraum durch die Beibehaltung der Kalkulation auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten auszugleichen. Im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung könnten nur die in dem jeweiligen Genehmigungszeitraum anfallenden Kosten berücksichtigt werden. Auch unter Wettbewerbs- und Infrastrukturgesichtspunkten sowie im Hinblick auf die Nutzerinteressen werde der Investitionswert auf der Grundlage von historischen Kosten zutreffend bestimmt. Da nach ihrer Einschätzung keine relevanten Gesichtspunkte gegen historische Kosten als Kalkulationsgrundlage und für den Ansatz von Wiederbeschaffungswerten sprachen, gelangte die Beschlusskammer in ihrer abschließenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass für die Berechnung des Anlagevermögens auf die historischen Kosten abzustellen sei. 6 Die Klägerin hat gegen den Beschluss vom 29. November 2013 unter Verweis auf eine fehlerhafte Abwägung der Beschlusskammer bei der Bestimmung der Methode zur Berechnung des Anlagevermögens Klage erhoben. Sie hat eine Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Neubescheidung ihres Entgeltantrags in Bezug auf die Überlassungsentgelte für den Intra-Building-Abschnitt bei den ICA-Typen ""Customer Sited"" und ""Physical Co-location"" sowie für den zentralen Zeichengabekanal begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Sachurteil abgewiesen. 7 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG genehmigungsbedürftigen Entgelte entsprächen dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne von § 31 Abs. 1 und § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG. In Bezug auf dieses Merkmal komme der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zu, den die Beschlusskammer fehlerfrei ausgefüllt habe. Sie habe insbesondere das berechtigte Anbieterinteresse der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt. Wegen des von der Klägerin geplanten Auslaufens der PSTN-Zusammenschaltung, ihrer deshalb fehlenden Absicht zur Wiederbeschaffung von ICA und der sinkenden Preise für die meisten Investitionsgüter habe die Beschlusskammer für die Berechnung des Anlagevermögens zu Recht auf historische Kosten abgestellt. Eine Kalkulation auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten sei rein tatsächlich nicht mehr in Betracht gekommen. Die Klägerin habe ihren Einwand, die Änderung der Kalkulationsmethode führe in einer die Entgeltperioden übergreifenden Sicht zu einer sie unangemessen benachteiligenden Kostenunterdeckung, im Entgeltgenehmigungsverfahren nicht substantiiert bzw. belegt. Schon aus diesem Grund habe dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag nicht nachgekommen werden müssen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass die während der Gesamtnutzungsdauer der streitgegenständlichen ICA zu Grunde gelegten Abschreibungen die tatsächlichen Aufwendungen für die Anschaffung der Gesamtzahl der ICA nicht erreicht hätten. Die Beschlusskammer habe zudem zu Recht darauf verwiesen, dass Kosten, die in den vorangegangenen Genehmigungsperioden nicht zur Deckung gelangt seien, nicht in den folgenden Genehmigungszeiträumen ausgeglichen werden könnten. In der von der Beschlusskammer abschließend durchgeführten Gesamtabwägung sei das Anbieterinteresse der Klägerin nicht bzw. nicht nochmals zu berücksichtigen gewesen. 8 Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt: Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig gewordene und nur noch übergangsweise fortgeltende Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG stehe einer Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Neubescheidung nicht entgegen. Sie sei nicht anwendbar, weil sie den Gehalt der unionsrechtlichen Rechtsschutzgewährleistung in Art. 4 Abs. 1 RRL verfehle. Wenn man gleichwohl von einer Anwendbarkeit der Regelung ausgehe, müsse diese dahingehend verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall des bereits vollständig abgelaufenen Geltungszeitraums der angegriffenen Entgeltgenehmigung jedenfalls noch eine nicht rückwirkende Verpflichtung zur Genehmigung bzw. Neubescheidung aussprechen könne. Wenn man auch diesem Verständnis nicht folge, müsse eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch ohne ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse als zulässig erachtet werden. In der Sache habe die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen das Anbieterinteresse der Klägerin nicht fehlerfrei abgewogen. Die Beschlusskammer habe das Anbieterinteresse der Klägerin unzulässig auf eine nominale Kapitalerhaltung nach Maßgabe historischer Kosten begrenzt, bevor sie die Abwägung dieses Interesses und der anderen betroffenen Belange vorgenommen habe. In der Abwägung sei deshalb nicht zum Tragen gekommen, dass die Klägerin ein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse habe, eigene Renditeziele zu verfolgen und mit ihren Vertragspartnern ohne staatliche Intervention Entgelte zu vereinbaren, die auf der Basis von Brutto-Wiederbeschaffungswerten kalkuliert seien. Indes habe die Beschlusskammer auch unter dem Gesichtspunkt der bloßen Erhaltung der Unternehmenssubstanz, auf den sie sich im Zusammenhang mit dem Ansatz historischer Kosten berufen habe, das Interesse der Klägerin nicht hinreichend in den Blick genommen. Die Ansicht der Kammer, dass die Substanz bei sinkenden Preisen durch Abschreibungen auf der Basis historischer Kosten erhalten werde, treffe nur zu, wenn diese Methode während des gesamten Produktlebenszyklus Anwendung finde. Bei der Genehmigung von ICA-Entgelten habe die Bundesnetzagentur jedoch in der Vergangenheit, als eine Berechnung der Kapitalkosten nach den damals noch hohen Restbuchwerten der Anschaffungs- und Herstellungskosten für die Klägerin günstig gewesen wäre, nur die für diese seinerzeit unvorteilhaften sinkenden Wiederbeschaffungswerte anerkannt und dies zudem mit einer ungünstigen Zinsberechnung kombiniert. Durch den Wechsel der Berechnungsmethode werde ein auf die Gesamtrentabilität bezogener Ausgleich, der bei Beibehaltung der bisherigen Methode eingetreten bzw. näherungsweise erreicht worden wäre, verhindert. Diese Kostenunterdeckung habe die Beschlusskammer den vorgelegten Kostenunterlagen dem Grunde nach entnehmen und auf der Basis dieser Unterlagen im Einzelnen ermitteln können. 9 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Beklagte unter insoweit teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 29. November 2013 bezüglich der streitgegenständlichen Entgelte, als sie den weitergehenden Antrag der Klägerin zurückgewiesen hat, zu verpflichten, den Genehmigungsantrag der Klägerin für die jährlichen Überlassungsentgelte für den Intra-Building-Abschnitt in den Varianten ICA Customer Sited und ICA Physical Co-location nach Ziff. 1.I.2. und 1.II.2. sowie das Entgelt für den zentralen Zeichengabekanal nach Ziff. 1.III. des streitgegenständlichen Bescheids unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts rückwirkend mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2013 neu zu bescheiden, hilfsweise das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2013 rechtswidrig war. 10 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 11 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. II 12 Die zulässige Revision der Klägerin ist mit ihrem Hauptantrag, der auf eine Verpflichtung der Beklagten zu einer rückwirkenden Neubescheidung im Hinblick auf die in dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 nicht genehmigten Teilbeträge für drei Einzelentgelte gerichtet ist, gemäß § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil stellt sich insoweit jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar, weil die Klage mit diesem Antrag, anders als das Verwaltungsgericht implizit angenommen hat, bereits unzulässig und schon deshalb abzuweisen ist (1.). Demgegenüber hat die Revision mit dem hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag Erfolg. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der gegen Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verstoßenden materiell-rechtlichen Einschätzung des Verwaltungsgerichts auch begründet. Da es für diese Entscheidung keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf, kann sie der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO selbst treffen (2.). 13 1. Gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags bestehen zwar insofern keine Bedenken, als das mit dem Antrag verfolgte Bescheidungsbegehren statthaft ist (a.), eine Teilbarkeit des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 in der von dem Antrag vorausgesetzten Weise bejaht werden kann (b.) und der Antrag auch nicht den Rechtscharakter einer - mangels Einwilligung der Beklagten unwirksamen - teilweisen Rücknahme der in erster Instanz anhängig gemachten Klage hat (c.). Der Hauptantrag ist jedoch deshalb unzulässig, weil für ihn wegen der Erledigung des geltend gemachten Bescheidungsbegehrens kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (d.). 14 a. Die Klägerin war in der gegebenen Konstellation nicht darauf verwiesen, einen Vornahmeantrag bzw. Verpflichtungsantrag i.e.S. anstelle des Bescheidungsantrags zu stellen. Der regulierungsbehördliche Entscheidungsspielraum, den der gestellte Antrag voraussetzt, ist gegeben. Zwar steht die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Bundesnetzagentur komme für die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung als der wesentlichen Voraussetzung für die Erteilung einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung ein umfassender Beurteilungsspielraum zu, mit den Vorschriften der § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 und § 35 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zum Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 zuletzt durch das Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden war, nicht im Einklang. In Bezug auf die Prüfung von Kostenpositionen auf Richtigkeit und Erforderlichkeit, die die Effizienzkontrolle weithin kennzeichnet, können gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde nur dann angenommen werden, wenn diese in den gesetzlichen Maßstabsnormen für abgrenzbare Teilaspekte, die in besonderer Weise durch das Erfordernis einer Abwägung gegenläufiger Regulierungsziele bzw. durch ökonomische Wertungen und Prognosen geprägt werden, angelegt sind (vgl. dazu zuletzt: BVerwG, Urteile vom 25. November 2015 - 6 C 39.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​251115U6C39.14.0] - BVerwGE 153, 265 Rn. 15 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - N&R 2017, 44 Rn. 12 f.). Allerdings bezieht sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ein bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung anzuerkennender punktueller regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielraum auf die Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen. Dieser Spielraum knüpft an die Merkmale der Kosten und des eingesetzten Kapitals in der in § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltenen Definition der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung an und hat seine Wurzeln im Unionsrecht (vgl. dazu ausführlich unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 24. April 2008 - C-55/06, Arcor - Rn. 70 ff.: BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 18 ff. und zuletzt: Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - N&R 2017, 44 Rn. 22 f.). Die Klägerin hat ihre Klage allein auf die Rüge gestützt, dass die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur diesen Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt habe. 15 b. Die Zulässigkeit des Hauptantrags scheitert ferner nicht daran, dass die angegriffene Entgeltgenehmigung nicht in der von ihm vorausgesetzten Weise teilbar wäre. Die Annahme einer Teilbarkeit in Bezug auf die von einer Entgeltgenehmigung umfassten einzelnen Entgelte ist schon deshalb unproblematisch, weil diese prinzipiell auch als jeweils separat beantragt angesehen werden könnten. Teilbar ist eine Entgeltgenehmigung indes auch hinsichtlich des Betrags eines jeden Einzelentgelts. Dies gilt ungeachtet punktueller regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielräume im Rahmen der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung. Wie der Senat für die Konstellation der Drittanfechtungsklage eines Wettbewerbers des regulierten Unternehmens entschieden hat, führen diese Spielräume nicht dazu, dass die auf einen Beurteilungsfehler gestützte, auf einen bestimmten Betrag beschränkte Teilaufhebung eines in einer Entgeltgenehmigung ausgewiesenen Entgelts ausscheiden muss, weil nicht festgestellt werden kann, ob der nicht aufgehobene Teil von der Bundesnetzagentur in der fraglichen Höhe erlassen worden wäre. Die Bundesnetzagentur ist durch die materielle Rechtskraft eines solchen Urteils nicht an dem Erlass einer neuen Genehmigung unter fehlerfreier Ausübung ihrer Beurteilungsspielräume gehindert. Sie darf lediglich die Höhe des bestehengebliebenen Teils des Entgelts wegen der insoweit eingetretenen Bestandskraft der Entgeltgenehmigung nicht unterschreiten (BVerwG, Urteile vom 25. Februar 2015 - 6 C 37.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​250215U6C37.13.0] - BVerwGE 151, 268 Rn. 28 und vom 1. April 2015 - 6 C 38.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​010415U6C38.13.0] - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 10 Rn. 28). Für die Konstellation der Verpflichtungsklage des regulierten Unternehmens kann im Hinblick auf die Ablehnung eines Entgeltantrags für einen Teilbetrag nichts anderes gelten. Die Struktur einer Entgeltgenehmigung ist, was ihre Teilbarkeit in Bezug auf Entgeltbeträge anbelangt, nicht davon abhängig, ob sie als Verwaltungsakt angegriffen oder ihr Erlass als solcher erstrebt wird. 16 c. Die Klägerin war an der zulässigen Anbringung ihres Hauptantrags schließlich nicht deshalb gehindert, weil dieser als konkludente und wegen der von der Beklagten vorsorglich versagten Einwilligung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO unwirksame Teilrücknahme des von der Klägerin in erster Instanz gestellten Bescheidungsantrags angesehen werden müsste. Der erstinstanzliche Antrag beschränkte sich seinem Wortlaut nach noch nicht auf die Teilbeträge der beantragten Entgelte, die nicht genehmigt worden waren. Allerdings war auch das mit dem erstinstanzlichen Antrag verfolgte Klageziel gemäß § 88 VwGO bereits in dem von der Klägerin nunmehr klargestellten bzw. konkretisierten Sinn zu verstehen. Die Klägerin hatte erkennbar kein Interesse daran, die von der Bundesnetzagentur genehmigten Teilbeträge der drei in Rede stehenden Einzelentgelte im Rahmen der begehrten Neubescheidung erneut zur Disposition der Bundesnetzagentur zu stellen, anstatt den Beschluss vom 29. November 2013 insoweit in Bestandskraft erwachsen zu lassen. 17 d. Unzulässig ist der Hauptantrag, weil für ihn kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) besteht und es deshalb an einer der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegenden Sachurteilsvoraussetzung fehlt. Der geltend gemachte prozessuale Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur teilweisen Neubescheidung des der angegriffenen Entgeltgenehmigung vom 29. November 2013 zu Grunde liegenden Entgeltantrags hat sich mit dem Ablauf des Genehmigungszeitraums am 30. November 2016 vollständig erledigt. Die Weiterverfolgung dieses Anspruchs ist objektiv sinnlos geworden, weil die beantragte gerichtliche Verpflichtung zu einer rückwirkenden Neubescheidung durch die Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ausgeschlossen ist. Nach § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG darf das Gericht die Bundesnetzagentur auf die Verpflichtungsklage des regulierten Unternehmens nur dann zu einer Genehmigung eines höheren Entgelts mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Leistungserbringung im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG bzw. zu einer Neubescheidung mit einer solchen Rückwirkung verpflichten, wenn bereits ein Eilantrag dieses Unternehmens auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 VwGO erfolgreich war. Die Klägerin hat ein solches Eilverfahren nicht durchgeführt. 18 Die Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG findet trotz der mit ihr verbundenen Einschränkung des durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten Rechtsschutzes für das regulierte Unternehmen im vorliegenden Fall Anwendung. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Verfahren der konkreten Normenkontrolle festgestellt, dass die Regelung verfassungswidrig geworden ist, jedoch ihre befristete Fortgeltung, durch die der zu entscheidende Fall jedenfalls erfasst wird, angeordnet (aa.). Die Vorschrift des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG hat auch nicht aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts außer Anwendung zu bleiben. Es ist offenkundig, dass ihre befristete Fortgeltung unter Berücksichtigung der durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen inhaltlichen Maßgaben auch mit dem unionsrechtlichen Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes im Sinne des Art. 47 GRC vereinbar ist, der für den Bereich des Telekommunikationsrechts in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und - dienste (ABl. L 108 S. 33) - RRL-, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2009/140/EG vom 25. November 2009 (ABl. L 337 S. 37), konkretisiert wird (bb.). 19 aa. Das Bundesverfassungsgericht hat auf mehrere Vorlagen des Senats nach Art. 100 Abs. 1 GG (erstmals und grundlegend: BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 6 C 3.13 - BVerwGE 149, 94) entschieden, dass die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle durch § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG in der verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung ursprünglich verfassungsgemäß war. Die Regelung ist jedoch insofern mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar und deshalb verfassungswidrig geworden, als das mit ihr verfolgte und sie zunächst rechtfertigende Ziel, den Wettbewerb durch den Schutz der Wettbewerber des regulierten Unternehmens vor Nachzahlungen zu fördern, die alle Teilmärkte und Wettbewerber differenzierungslos erfassende Rechtsschutzbeschränkung wegen eingetretener Veränderungen des Marktes nicht mehr trägt. Da das Bundesverfassungsgericht den als Folge dieses Differenzierungsmangels verfassungswidrig gewordenen Teil der Regelung nicht als in dem für eine Nichtigerklärung erforderlichen Maß abgrenzbar angesehen hat, hat es sich auf die Feststellung beschränkt, dass diese mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht mehr vereinbar ist. Es hat es als Aufgabe des Gesetzgebers bezeichnet, teilmarktbezogen oder wettbewerberbezogen zu ermitteln und festzulegen, inwiefern die in Rede stehende Wettbewerbsförderung weiterhin erforderlich ist, eine Frist für eine Neuregelung bis zum 31. Juli 2018 gesetzt und bestimmt, dass die Rechtslage nicht mit Rückwirkung umgestaltet werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat die Fortgeltung der beanstandeten Normen bis zu einer Neuregelung angeordnet, um zu verhindern, dass in der Zwischenzeit der Wettbewerb, soweit er noch des Schutzes durch § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG bedarf, Schaden erleidet (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​ls20161122.1bvl000614] - NVwZ 2017, 305 Rn. 18 ff., 72). Der Senat unterstellt, dass der vorliegende Fall von der angeordneten Übergangsregel erfasst wird, weil nicht feststellbar ist, ob bzw. inwieweit er in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht noch dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Geltungsanspruch der Regelung zugeordnet werden kann. 20 bb. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Erledigung des Hauptantrags nicht deshalb zu verneinen und dementsprechend das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag nicht deshalb zu bejahen, weil eine Anwendung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG im Rahmen ihrer übergangsweisen befristeten Fortgeltung wegen einer Unvereinbarkeit mit vorrangigem Unionsrecht in Gestalt von Art. 4 Abs. 1 RRL ausscheiden müsste und deswegen eine Verpflichtung der Beklagten zu einer rückwirkenden Neubescheidung nicht ausgeschlossen wäre (vgl. zur rückwirkenden Entgeltgenehmigung nach dem TKG 1996: BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2004 - 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <59 ff.> und vom 25. März 2009 - 6 C 3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 25, 30). Zwar entfaltet die zum Maßstab des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergangene Normenkontrollentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2016 im Hinblick auf das Unionsrecht keine Bindungswirkung (vgl. dazu konkret: BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2016 - 1 BvR 1221/12 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​rk20161219.1bvr122112 - juris Rn. 16). Das besagte Ergebnis ergibt sich jedoch, ohne dass es einer Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedürfte, offenkundig und für vernünftige Zweifel keinen Raum lassend aus dem hier einschlägigen Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 RRL (vgl. zu der sog. acte-clair-Doktrin allgemein: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335], CILFIT - Rn. 16). Die durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete zeitlich begrenzte weitere Anwendung des § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG hält sich im Rahmen der von Art. 4 Abs. 1 RRL den Mitgliedstaaten belassenen Verfahrensautonomie ((1)), weil sie die unionsrechtlich vorgegebenen Grundsätze der Äquivalenz ((2)) und der Effektivität ((3)) wahrt. 21 (1) Art. 4 Abs. 1 RRL ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Ausfluss des nach Art. 47 GRC gewährleisteten Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, der die Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, den gerichtlichen Schutz der Rechte zu gewährleisten, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen. Die Norm gilt für Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikation, die - wie die Klägerin - Rechte insbesondere aus den von der Union hierüber erlassenen Richtlinien herleiten können und durch eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde in diesen Rechten berührt sind (EuGH, Urteile vom 21. Februar 2008 - C-426/05 [ECLI:​EU:​C:​2008:​103], Tele 2 Telecommunication - Rn. 30 ff., vom 22. Januar 2015 - C-282/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​24], T-Mobile Austria - Rn. 33 f. und vom 13. Oktober 2016 - C-231/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​769], Prezes UKE und Petrotel/Polkomtel - Rn. 20 f., 24). Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 RRL schreibt keine besonderen Verfahrensregeln für die Umsetzung der Verpflichtung zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfsverfahrens vor, so dass es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist, im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie die Regeln für das Verfahren über die Rechtsbehelfe der Betroffenen unter Beachtung der sich aus den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität ergebenden Anforderungen aufzustellen (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-231/15, Prezes UKE und Petrotel/Polkomtel - Rn. 22 f.; vgl. auch bereits EuGH, Urteil vom 24. April 2008 - C-55/06, Arcor - Rn. 170). Der nach Maßgabe von Äquivalenz und Effektivität begrenzten Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten hat der Gerichtshof der Europäischen Union insbesondere den Erlass von Regeln über die zeitlichen Wirkungen des Urteils eines nationalen Gerichts über eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde, wie sie hier in Rede stehen, zugeordnet (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-231/15, Prezes UKE und Petrotel/Polkomtel - Rn. 22). 22 Nach dem Äquivalenzgrundsatz dürfen die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe, die den Schutz der den Betroffenen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als diejenigen entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe. Der Effektivitätsgrundsatz fordert, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (für die unionsrechtliche Rechtsschutzgarantie allgemein: EuGH, Urteile vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​163], Unibet Ltd u.a. Rn. 43 ff. und vom 16. April 2016 - C-570/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​231], Gruber - Rn. 37; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 39 ff.). Diese Grundsätze werden durch die befristete Fortgeltung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG, die das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 22. November 2016 angeordnet hat, nicht verletzt. 23 (2) Der Äquivalenzgrundsatz ist nicht berührt. Es ist nicht erkennbar, dass die Folgen der von dem Bundesverfassungsgericht angeordneten befristeten Fortgeltung von § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG für den Rechtsschutz des regulierten Unternehmens ungünstiger sind als bei gleichartigen, ausschließlich dem innerstaatlichen Recht unterliegenden Sachverhalten. Es entspricht einer allgemein anerkannten, ohne Unterscheidung nach den betroffenen Rechtskreisen angewandten Praxis des Bundesverfassungsgerichts, nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehende Normen, dann nicht - etwa nach § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG - für nichtig zu erklären, sondern lediglich ihre Unvereinbarkeit mit der Verfassung festzustellen, wenn der verfassungswidrige Teil einer nicht gänzlich verfassungswidrigen Regelung nicht klar abgrenzbar ist (BVerfG, Beschlüsse vom 26. April 1994 - 1 BvR 1299/89 u.a. - BVerfGE 90, 263 <276> und vom 7. März 1995 - 1 BvR 790/91 u.a. - BVerfGE 92, 158 <186>). Gleiches gilt für die verfassungsgerichtliche Übung, im Interesse eines schonenden Übergangs von einer verfassungswidrigen zu einer verfassungsgemäßen Rechtslage in Anknüpfung an § 35 BVerfGG die befristete Weitergeltung einer verfassungswidrigen Regelung anzuordnen (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 2 BvR 633/86 - BVerfGE 91, 186 <207>). 24 (3) Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz gegeben. Dass die befristete Fortgeltung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG dem regulierten Unternehmen die Erlangung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RRL nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ergibt sich vor allem aus den Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Wege der verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen Auslegung mit dem Ziel aufgestellt hat, die mit der Regelung verbundenen Rechtsschutzeinschränkungen möglichst gering zu halten (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - NVwZ 2017, 305 Rn. 43 ff., 54). Diese Maßgaben knüpfen vorrangig an die Ausgestaltung des Eilverfahrens nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 VwGO an, da § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG den Rechtsschutz, den das regulierte Unternehmen wegen einer rückwirkenden Korrektur zu niedrig festgesetzter Entgelte im Hauptsacheverfahren erlangen kann, auf das bereits im Eilverfahren erreichte Maß beschränkt. 25 Gemäß § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 VwGO die vorläufige Zahlung eines beantragten höheren Entgelts anordnen, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Anspruch auf die Genehmigung des höheren Entgelts besteht, wobei es der Darlegung eines Anordnungsgrundes nicht bedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar konzediert, dass eine Verlagerung der umfassenden gerichtlichen Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in das Eilverfahren, wie sie in anderen Fällen der Vorwegnahme der Hauptsache als verfassungsrechtlich geboten angesehen wird, ausscheidet. Ein solches Vorgehen würde wegen der regelmäßig schwierigen Sach- und Rechtslage im telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigungsverfahren zu einer Verlängerung des Eilverfahrens führen, die dem Zweck der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG zuwiderliefe. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch zum einen darauf verwiesen, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner summarischen Prüfung befugt ist, bei der Entgeltregulierung bestehende regulierungsbehördliche Beurteilungsspielräume vorläufig zu überspielen. Das Verwaltungsgericht hat danach diejenige Behördenentscheidung zu prognostizieren, die sich bei Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums als überwiegend wahrscheinlich darstellt und kann - ohne Bindung für das Hauptsacheverfahren und das dort allenfalls mögliche Bescheidungsurteil - ein höheres Entgelt anordnen. Das Bundesverfassungsgericht ist zum anderen dahingehend zu verstehen, dass § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG bei verfassungsrechtlich gebotener Auslegung dem Verwaltungsgericht generell nicht mehr als eine gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren korrekturbedürftige Prognose abverlangt, bei der es, was unter Umständen in der bisherigen Praxis nicht hinreichend beachtet worden ist, die Rechtsschutzeinschränkungen für das regulierte Unternehmen im Hauptsacheverfahren vor Augen haben muss. Das Verwaltungsgericht ist deshalb gehalten, auch schwierige Rechtsfragen jedenfalls vorläufig zu beantworten. In tatsächlicher Hinsicht hat es den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der im Entgeltgenehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen und im Übrigen nach dem von dem regulierten Unternehmen glaubhaft gemachten Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären und eine darauf bezogene begründete Prognoseentscheidung zu treffen. In vielen Fällen wird sich für diese Entscheidung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als hilfreich erweisen. 26 Hinzu kommt, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine nationale Verfahrensmodalität die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zu Grunde liegenden Grundsätze Berücksichtigung finden müssen. Zu diesen Grundsätzen, die die effektive Ausübung der im Unionsrecht gründenden Rechte nicht in Frage stellen, gehört insbesondere derjenige der Rechtssicherheit (EuGH, Urteil vom 8. März 2017 - C-14/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​177], Euro Park Service - Rn. 37 m.w.N.). Als eine die telekommunikationsrechtliche Entgeltregulierung betreffende Ausprägung dieses Grundsatzes - und nicht etwa als eine bereichsspezifische Sonderregelung - stellt es sich dar, dass das Bundesverfassungsgericht im Sinne des oben genannten Übergangs von einer verfassungswidrigen zu einer verfassungsgemäßen Rechtslage die befristete Fortgeltung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG angeordnet hat. Da diese Anordnung den Zweck verfolgt, eine Schädigung des Wettbewerbs durch einen sofortigen Wegfall des für die Wettbewerber des regulierten Unternehmens vorgesehenen Schutzes zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - NVwZ 2017, 305 Rn. 72), trägt sie dem Umstand Rechnung, dass die Sicherung einer hinreichend verlässlichen Kalkulations- und Planungsgrundlage für die Investitionsentscheidungen der Marktteilnehmer dem Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG entspricht (vgl. dazu: BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 58 und vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​310117U6C2.16.0] - juris Rn. 33). 27 2. Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag, der sich ungeachtet seiner weiter ausgreifenden Formulierung nach interessengerechter Auslegung gemäß § 88 VwGO nur auf die Genehmigung der von der Klägerin angegriffenen drei Einzelentgelte in dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 bezieht, ist zulässig (a.) und begründet (b.), so dass die Revision mit ihm Erfolg hat. 28 a. Die im Sinne des Hilfsantrags umgestellte Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Die Vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn, wie hier in Bezug auf den Hauptantrag der Fall, eine zulässige Verpflichtungsklage - auch in Gestalt einer Bescheidungsklage - unzulässig geworden ist, weil sich das mit ihr verfolgte Begehren erledigt hat (BVerwG, Urteile vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 - BVerwGE 72, 38 <41> und vom 6. April 1989 - 2 C 9.87 - BVerwGE 81, 365 <367>; Wolff, in: Sodan/Ziekow , VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 303 f.). In dem Übergang von dem erledigten Bescheidungsantrag auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag liegt, wenn wie hier kein geänderter Prozessstoff in das Verfahren eingeführt wird, keine Klageänderung, die im Revisionsverfahren gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig wäre, sondern eine bloße Einschränkung des Klagebegehrens im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (BVerwG, Urteile vom 22. März 1990 - 2 C 2.88 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 216 S. 49 f. und vom 8. Dezember 1995 - 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <102>; Neumann, in: Sodan/Ziekow , VwGO, 4. Aufl. 2014, § 142 Rn. 19). 29 Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse daran, dass die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entgeltgenehmigung im Hinblick auf die in Streit stehenden Einzelentgelte festgestellt wird. Das Interesse, das Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist, kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Es ist typischerweise in den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses gegeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (vgl. dazu nur: BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 27 und vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 20 ff., 29 f.). 30 Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin hat seine Grundlage jenseits der genannten Fallgruppen in den Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen Auslegung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG vorgegeben hat. Wie bereits dargelegt, hat das Bundesverfassungsgericht für diese Auslegung in erster Linie auf das Eilverfahren nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 VwGO abgestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich allerdings ergänzend auf die Erwägung gestützt, dass dem regulierten Unternehmen im Hauptsacheverfahren zwar ein von einem vorhergehenden Eilverfahren unabhängiger Rechtsschutz in Gestalt einer Korrektur zu niedrig festgesetzter Entgelte durch eine Verpflichtung der Bundesnetzagentur zu einer rückwirkenden Genehmigung oder Bescheidung verwehrt bleibe, dass es aber auch dort jedenfalls stets eine die rechtlichen Anforderungen klärende feststellende Rechtskontrolle der streitigen Entgeltgenehmigung erreichen könne (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - NVwZ 2017, 305 Rn. 28, 54). Das Interesse des regulierten Unternehmens an dieser Kontrolle ist mithin im Regelfall ohne weiteres zu bejahen. 31 b. In materieller Hinsicht ist die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 sei in Bezug auf die von der Klägerin angegriffenen Einzelentgelte rechtmäßig, mit dem revisiblen Telekommunikationsrecht zur Regelung der Entgelthöhe nicht vereinbar. Zwar beruht das angefochtene Urteil nicht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO auf der - wie bereits dargelegt - gegen die Vorschriften der § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 und § 35 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 TKG verstoßenden Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sei Gegenstand eines umfassenden regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums. Denn Ursache für die teilweise Versagung der beantragten Entgeltgenehmigung und Gegenstand des Streits zwischen den Beteiligten ist allein der Umstand, dass die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen nicht mehr wie in den vorhergehenden Entgeltperioden auf Brutto-Wiederbeschaffungswerte, sondern auf historische Kosten abgestellt hat. Für die Wahl der Berechnungsmethode kommt der Regulierungsbehörde, wie ebenfalls bereits ausgeführt worden ist, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein punktueller Beurteilungsspielraum zu. Nicht im Einklang mit den genannten Vorschriften steht jedoch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Beschlusskammer keine Beurteilungsfehler unterlaufen seien. Nach den Maßstäben für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Ausübung eines regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums (aa.) kann dahinstehen, ob die Beschlusskammer ihren Beurteilungsspielraum für die Methodenwahl bei der Berechnung des Anlagevermögens schon wegen eines Verfahrensverstoßes fehlerhaft ausgefüllt hat (bb.). Jedenfalls hat die Kammer diesen Spielraum deshalb überschritten, weil sie die Abwägung, die nach seiner gesetzlichen Anknüpfung erforderlich ist, nicht fehlerfrei vorgenommen hat (cc.). 32 aa. Die Ausübung eines regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums ist zunächst - wie bei derartigen behördlichen Letztentscheidungsrechten generell - daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat. Muss die Bundesnetzagentur nach dem Gesetzesbegriff, für den ein Beurteilungsspielraum besteht, bei ihrer Entscheidung eine Abwägung widerstreitender Ziele und sonstiger Belange der Regulierung vornehmen, ist zu prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Da maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle des regulierungsrechtlichen Beurteilungsspielraums allein die Begründung der Behördenentscheidung ist, prüft das Gericht, ob die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Kriterien, die in den relevanten Rechtsnormen ausdrücklich hervorgehoben oder doch angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 33 ff. und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - N&R 2017, 44). 33 bb. Zu den Verfahrensbestimmungen, die die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung zu beachten hat, gehören diejenigen über das nationale Konsultationsverfahren nach § 12 Abs. 1 TKG und über das unionsweite Konsolidierungsverfahren im Sinne von § 12 Abs. 2 TKG. Ein nationales Konsultationsverfahren ist vor der Entscheidung über eine Entgeltgenehmigung gemäß § 15 Satz 1 TKG i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG dann durchzuführen, wenn diese beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt hat (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 6 C 10.13 - BVerwGE 150, 74 Rn. 26; Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - juris Rn. 20). Die Verpflichtung, vor der Erteilung einer Entgeltgenehmigung ein unionsweites Konsolidierungsverfahren durchzuführen, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 RRL, sofern die Genehmigung Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung haben kann (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-395/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​9], Vodafone - Rn. 38 ff.). Den unionsrechtlichen Anforderungen ist im Wege einer richtlinienkonformen analogen Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 2 TKG (§ 13 Abs. 1 Satz 1 TKG a.F.), der auf die wesentlichen Regelungen für das Konsolidierungsverfahren in § 12 Abs. 2 TKG verweist, Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - juris Rn. 26 ff.). 34 Die Beschlusskammer hat vor Erlass des Beschlusses vom 29. November 2013 weder ein nationales Konsultationsverfahren noch ein unionsweites Konsolidierungsverfahren durchgeführt, weil sie den zur Genehmigung gestellten ICA-Entgelten keine marktprägende Wirkung beigemessen hat. Das Verwaltungsgericht hat hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, so dass dem Senat die Grundlage für eine Beurteilung der Erforderlichkeit dieser Verfahren fehlt. Diese Frage kann indes offen bleiben, weil sich die von der Beschlusskammer vorgenommene Beurteilung in Bezug auf die für die Berechnung des Anlagevermögens anzuwendende Methode und die sie bestätigende Entscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängig hiervon als fehlerhaft erweisen. 35 cc. Zu beanstanden ist die behördliche Ausfüllung des in Rede stehenden Beurteilungsspielraums, weil die Beschlusskammer bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung von einem unrichtigen Verständnis der in § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltenen Begriffe der Kosten und des eingesetzten Kapitals ausgegangen ist. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts sind der Beschlusskammer bei der Abwägung, die sie im Rahmen des an diese Begriffe anknüpfenden Beurteilungsspielraums in Bezug auf die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen durchzuführen hat, rechtlich relevante Fehler unterlaufen. Die Kammer ist zwar bei ihrer Entscheidung für den Ansatz von historischen Kosten anstelle von Brutto-Wiederbeschaffungswerten zutreffend davon ausgegangen, dass zu den von ihr in der Abwägung zu berücksichtigenden Belangen auch das Anbieterinteresse der Klägerin gehört ((1)). Sie hat jedoch die Bedeutung dieses Interesses falsch eingeschätzt, indem sie es nur mit einem von vornherein geminderten Gewicht in die Abwägung eingestellt hat ((2)). Sie hat sich darüber hinaus nicht mit der von der Klägerin im Verwaltungsverfahren aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob es infolge des Wechsels der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens bei langfristiger Betrachtung zu einer Unterdeckung der Kosten kommen kann, die der Klägerin für die Zusammenschaltungseinrichtung entstanden sind ((3)). 36 (1) Die Beschlusskammer hat im Ausgangspunkt erkannt, dass das Anbieterinteresse des regulierten Unternehmens stets mit den übrigen zu berücksichtigenden Zielen und Grundsätzen der Regulierung - wie insbesondere den Nutzerinteressen, dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen sicherzustellen (vgl. dazu: BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 36 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - N&R 2017, 44 Rn. 27) - abgewogen werden muss. Dies folgt mit Blick auf das nationale Recht daraus, dass die Entgeltgenehmigungspflicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des regulierten Unternehmens eingreift, die das Recht umfasst, das Entgelt für berufliche Leistungen mit den jeweiligen Interessenten frei auszuhandeln (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 1 BvR 1932/08 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2011:​rk20111208.1bvr193208] - NVwZ 2012, 694 <697 f.>; BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 39, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 6 C 3.13 - BVerwGE 149, 94 Rn. 52). Vor diesem Hintergrund wird dem regulierten Unternehmen durch § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG ein Anspruch auf Genehmigung eines angemessenen Entgelts eingeräumt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - NVwZ 2017, 305 Rn. 23). Entsprechend ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anerkannt, dass nach dem unionsrechtlichen Rahmen für die telekommunikationsrechtliche Entgeltregulierung die dem regulierten Unternehmen auferlegte Preisverpflichtung den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2016 - C-28/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​692], Koninklijke KPN NV u.a. - Rn. 44 ff.; in diesem Sinn auch bereits: Urteil vom 24. April 2008 - C-55/06, Arcor - Rn. 104, 108). 37 (2) Ungeachtet ihres zutreffenden Ausgangspunkts ist die von der Beschlusskammer im hier vorliegenden Fall durchgeführte Abwägung wegen einer Abwägungsfehleinschätzung zu beanstanden. Es steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die von der Klägerin beantragten höheren Entgelte genehmigt worden wären, wenn die Beschlusskammer für die Berechnung des Anlagevermögens, wie von der Klägerin in ihrem Entgeltantrag zu Grunde gelegt, auf Brutto-Wiederbeschaffungswerte abgestellt hätte. Es liegt damit auf der Hand, dass das Anbieterinteresse der Klägerin auf die Auswahl eben dieser Berechnungsmethode gerichtet war. Mit dem entsprechenden Inhalt hätte es die Beschlusskammer in die umfassende und multipolar ausgerichtete Abwägung der gegenläufigen Belange, Regulierungsziele und -grundsätze einstellen müssen. Die Beschlusskammer hat demgegenüber nach den Ausführungen in der Begründung des Beschlusses vom 29. November 2013 den nach ihrer Einschätzung berechtigten Umfang des Anbieterinteresses der Klägerin vorab und isoliert im Sinne einer Kalkulation auf der Basis von historischen Kosten definiert und das Interesse nur objektiviert mit diesem geminderten Gewicht in die Abwägung eingestellt. In der Abwägung konnte damit das Interesse der Klägerin nicht mit der ihm zukommenden Bedeutung zum Tragen kommen. 38 (3) Die Abwägung der Beschlusskammer leidet zudem an einem Abwägungsdefizit. Die Kammer hat es ausweislich der Begründung der angegriffenen Entgeltgenehmigung abgelehnt, den im Genehmigungsverfahren geäußerten Einwand der Klägerin in den Blick zu nehmen, mit dem diese geltend gemacht hatte, durch den Wechsel der Methode bei der Berechnung des Anlagevermögens würden - bezogen auf den gesamten Produktlebenszyklus der betroffenen Anlagegüter - nicht mehr ausgleichbare Kostenunterdeckungen verursacht. Dieser Einwand war vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senats von Gewicht. Der Senat hat es als nicht unplausibel bezeichnet, dass ein Methodenwechsel von einem auf Wiederbeschaffungswerten zu einem auf historischen Kosten beruhenden Berechnungssystem vor Ablauf des jeweiligen Investitionszyklus in einem durch fallende Preise für die betroffenen Anlagegüter gekennzeichneten Marktumfeld in der Regel zu einer unangemessenen Herabsetzung der ermittelten Kosten und folglich auch der hierauf gestützten Entgelte führt. Diesem Gesichtspunkt könne ein erhebliches Gewicht in der Abwägungsentscheidung zukommen (BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 55 f.). Es bedurfte danach zwar keiner genauen Berechnung einer etwaigen Kostenunterdeckung. Die Beschlusskammer hätte sich jedoch auf den entsprechenden Vortrag der Klägerin hin mit der - zwischen den Beteiligten im Gerichtsverfahren umstrittenen - Frage auseinandersetzen müssen, ob bzw. in welcher Größenordnung langfristige Kostenunterdeckungen entstehen konnten und ob diese gegebenenfalls von der Klägerin hinzunehmen waren. Diese Gesichtspunkte sind in die Abwägungsentscheidung der Kammer nicht eingegangen. 39 3. Nachdem der Revision bereits auch sachlichen Gründen Erfolg beschieden ist, bedarf es eines Eingehens auf die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht mehr. 40 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2017-21,05.04.2017,"Pressemitteilung Nr. 21/2017 vom 05.04.2017 EN Fünf Jahre Bestandsschutz für Alt-Spielhallen auch bei Betreiberwechsel Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute zur Auslegung einer in der Praxis bedeutsamen Übergangsvorschrift des zum 1. Juli 2012 geänderten Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) entschieden, dass der fünfjährige Bestandsschutz für eine bestehende und vor dem Stichtag 28. Oktober 2011 gewerberechtlich erlaubte Spielhalle auch bei einem Wechsel des Spielhallenbetreibers erhalten bleibt. § 25 Abs. 1 GlüStV sieht zur Bekämpfung der Spielsucht  einen Mindestabstand zwischen Spielhallen vor, den das Land Sachsen in seinem Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag auf 250 m Luftlinie festgelegt hat (§ 18a Abs. 4 SächsGlüstVAG). Nach dieser Vorschrift soll der gleiche Abstand zu allgemeinbildenden Schulen gewahrt werden. Zur Kontrolle ordnet § 24 Abs. 1 GlüStV ein glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren an. Für bestehende Spielhallen enthält § 29 Abs. 4 GlüStV zwei unterschiedlich lange Übergangsfristen. Hat zum gesetzlichen Stichtag bereits eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis bestanden, gilt eine fünfjährige Bestandsschutzfrist. Ist die Erlaubnis erst später erteilt worden, gilt eine einjährige Frist. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin mit gewerberechtlicher Erlaubnis im November 2011 eine legal betriebene Spielhalle übernommen, die von der nächstgelegenen anderen  Spielhalle 121 m, von einer Grundschule 236 m und von einem Gymnasium 246 m Luftlinie entfernt ist. Der beklagte Freistaat Sachsen hat der Klägerin mitgeteilt, dass für sie nur die einjährige Übergangsfrist gelte. Nach Ablauf dieses Jahres komme die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis wegen dreifacher Unterschreitung des Mindestabstands nicht in Betracht. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht auf Antrag der Klägerin festgestellt, dass sie für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle über den 30. Juni 2013 hinaus neben der gewerberechtlichen Erlaubnis keine weitere  Erlaubnis benötige. Das Oberverwaltungsgericht hat  entschieden, dass die Klägerin zwar eine weitere Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV benötige, für die von ihr betriebene Spielhalle jedoch die fünfjährige Bestandsschutzfrist gelte. Voraussetzung hierfür sei allein, dass für eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages bestehende Spielhalle vor dem Stichtag eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt wurde. Wegen dieser ausschließlich spielhallenbezogenen Ausrichtung des Bestandsschutzes sei ein danach eintretender Betreiberwechsel unschädlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Für eine betriebs- und nicht betreiberbezogene Ausgestaltung des Bestandsschutzes spricht neben dem Wortlaut auch der Zweck der fünfjährigen Übergangsfrist. Sie dient dem Schutz der Investitionen, die im Vertrauen auf den Fortbestand einer vor dem Stichtag erteilten Spielhallenerlaubnis getätigt wurden. Diesen Schutz gewährt das Gesetz auch bei einem späteren Betreiberwechsel, weil die Investitionen weitgehend entwertet würden, wenn der personelle Wechsel eine Verkürzung des Bestandsschutzes auf ein Jahr zur Folge hätte. Die fünfjährige Übergangsfrist selbst ist verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Erlaubnisvoraussetzung eines Mindestabstandes zu allgemeinbildenden Schulen. Insoweit wird ergänzend auf die Entscheidungen vom 16. Dezember 2016 zu den ähnlich geregelten Einschränkungen für Spielhallen in Berlin und Rheinland-Pfalz (PM Nr. 108/2016) verwiesen. Die Frage, ob das Mindestabstandsgebot zu einer weiteren Spielhalle nach § 18a Abs. 4 SächsGlüStVAG trotz fehlender landesgesetzlicher Regelungen zur Auswahl konkurrierender Spielhallen verfassungsmäßig ist, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Fußnote: § 24 GlüStV - Erlaubnisse (1) Unbeschadet sonstiger Genehmigungserfordernisse bedürfen die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach diesem Staatsvertrag. (2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 zuwiderlaufen. Sie ist schriftlich zu erteilen und zu befristen. Die Erlaubnis kann, auch nachträglich, mit Nebenbestimmungen versehen werden. (3) Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder. § 25 GlüStV - Beschränkungen von Spielhallen (1) Zwischen Spielhallen ist ein Mindestabstand einzuhalten (Verbot von Mehrfachkonzessionen). Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder. (2) Die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ist ausgeschlossen. (3) Die Länder können die Anzahl der in einer Gemeinde zu erteilenden Erlaubnisse begrenzen. § 29 GlüStV - Übergangsregelungen (4) Die Regelungen des Siebten Abschnitts finden ab Inkrafttreten dieses Staatsvertrags Anwendung. Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Staatsvertrags bestehen und für die bis zum 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages endet, gelten bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrags als mit §§ 24 und 25 vereinbar. Spielhallen, für die nach dem 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung erteilt worden ist, gelten bis zum Ablauf von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrags als mit §§ 24 und 25 vereinbar. Die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 zuständigen Behörden können nach Ablauf des in Satz 2 bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i Gewerbeordnung sowie die Ziele des § 1 zu berücksichtigen. Das Nähere regeln die Ausführungsbestimmungen der Länder. § 18a SächsGlüStVAG (4) Der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule soll 250 Meter Luftlinie nicht unterschreiten. Abweichungen vom Mindestabstand nach Satz 1 sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls zulässig. In einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem zulässigerweise eine Wettvermittlungsstelle für Sportwetten oder eine Verkaufsstelle für Sportwetten betrieben wird, darf eine Spielhalle nicht erlaubt werden. BVerwG 8 C 16.16 - Urteil vom 05. April 2017 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 314/15 - Urteil vom 11. Mai 2016 - VG Leipzig, 5 K 498/13 - Urteil vom 30. April 2015 -","Urteil vom 05.04.2017 - BVerwG 8 C 16.16ECLI:DE:BVerwG:2017:050417U8C16.16.0 EN 5 Jahre Bestandsschutz für Altspielhallen auch bei Betreiberwechsel Leitsatz: Für Altspielhallen, deren Betrieb vor dem Stichtag des 28. Oktober 2011 gewerberechtlich unbefristet erlaubt wurde, gilt die fünfjährige Übergangsfrist gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV auch im Fall eines Betreiberwechsels nach diesem Stichtag fort. Sie verkürzt sich durch den Wechsel nicht auf eine einjährige Frist gemäß Satz 3 der Vorschrift. Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 18, Art. 99 Alt. 2, Art. 125a Abs. 1 GewO § 33i GlüStV § 2 Abs. 1 und 3, § 24 Abs. 1 bis 3, § 25 Abs. 1, § 29 Abs. 4 Satz 1 bis 4, § 33 JuSchG § 6 Abs. 1 SächsGlüStVAG § 1 Abs. 3, § 18a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5, § 19 Abs. 2, § 22 VwGO § 138 Nr. 3 und 6 ZPO § 560 Instanzenzug VG Leipzig - 30.04.2015 - AZ: VG 5 K 498/13 OVG Bautzen - 11.05.2016 - AZ: OVG 3 A 314/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.04.2017 - 8 C 16.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:050417U8C16.16.0] Urteil BVerwG 8 C 16.16 VG Leipzig - 30.04.2015 - AZ: VG 5 K 498/13 OVG Bautzen - 11.05.2016 - AZ: OVG 3 A 314/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2017 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 werden zurückgewiesen. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Gründe I 1 Die Parteien streiten um die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht für eine bestehende Spielhalle. 2 Die Klägerin übernahm im Herbst 2011 eine bestehende, gewerberechtlich erlaubt betriebene Spielhalle, die zu einer Grundschule 236 m, von einem Gymnasium 246 m und von der nächstgelegenen anderen Spielhalle 121 m Luftlinie entfernt ist. Sie erhielt für die Fortführung des Spielhallenbetriebs am 2. November 2011 ebenfalls eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 27. August 2012 mit, aufgrund des Glücksspieländerungsstaatsvertrages unterliege der Betrieb von Spielhallen seit dem 1. Juli 2012 neuen Anforderungen. Sie müssten insbesondere einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie zu weiteren Spielhallen und zu allgemeinbildenden Schulen einhalten. Da die Klägerin nach dem 28. Oktober 2011 eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis erhalten habe, sei sie bis zum 30. Juni 2013 noch von der Einhaltung dieser Erfordernisse befreit. Nach Ablauf dieser Frist komme die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis wegen dreifacher Unterschreitung des Mindestabstands nicht in Betracht. 3 Daraufhin hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle über den 30. Juni 2013 hinaus keine neue Erlaubnis benötige. Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag mit Urteil vom 30. April 2015 in vollem Umfang stattgegeben. Es fehle an einer rechtlichen Grundlage für die vom Beklagten geforderte zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnis. Zwar begründe der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ein Mindestabstandsgebot und einen glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalt. Es handele sich aber nur um materiell-rechtliche Regelungen, die einer verfahrensrechtlichen Ergänzung durch Landesrecht bedürften. Der Landesgesetzgeber habe nur eine unzureichende verfahrensrechtliche Regelung geschaffen. Nach § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG schließe die gewerberechtliche Erlaubnis die glücksspielrechtliche Erlaubnis ein. Die Klägerin verfüge über die gewerberechtliche Erlaubnis und bedürfe keiner weiteren Genehmigung. 4 Auf die Berufung des Beklagten hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht am 11. Mai 2016 das Urteil geändert und festgestellt, dass die Klägerin für den weiteren Betrieb ihrer Spielhalle lediglich bis zum Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist seit Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages - also bis zum 30. Juni 2017 - keine neue Erlaubnis benötige. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV gelte auch für Altspielhallen. Die in § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG vorgesehene Konzentration des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens im gewerberechtlichen Erlaubnisverfahren gelte nur für neue Spielhallen, die nach dem Staatsvertrag beantragt wurden. Das für Altspielhallen vorgesehene zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnisverfahren sei auch hinreichend landesgesetzlich geregelt. Insbesondere sei in § 18a Abs. 3, § 19 Abs. 2 SächsGlüStVAG die Zuständigkeit der Landesdirektion Sachsen festgelegt. In diesem Verfahren könne auch die in § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit der Übergangsfrist berücksichtigt werden. 5 Im vorliegenden Fall sei die längere fünfjährige Bestandsschutzregelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV und nicht die kürzere einjährige Bestandsschutzregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV einschlägig. Denn für die Spielhalle sei bereits vor dem Stichtag des 28. Oktober 2011 eine unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden. Dass diese Genehmigung nicht der Klägerin, sondern ihrem Rechtsvorgänger erteilt worden sei, sei unschädlich. Der Vertrauensschutz knüpfe nämlich nicht an die Person des Spielhallenbetreibers, sondern an den Betrieb der Spielhalle an. Dies folge aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus dem Regelungszweck des Investitionsschutzes. Diesem Auslegungsergebnis stünden auch nicht die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, der Jugendschutz und die Bekämpfung der Spielsucht, entgegen. Bei Einführung zusätzlicher Genehmigungserfordernisse sei auch das Vertrauen in den Fortbestand der bestehenden Rechtslage angemessen zu schützen. Die fünfjährige Übergangsfrist mit der Option einer weiteren mehrjährigen Befreiung in Härtefällen sei verfassungsrechtlich unbedenklich. 6 Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die teilweise Klageabweisung. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts sei schon nicht im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO ausreichend begründet. Das Oberverwaltungsgericht überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung, wenn es die in § 18a Abs. 1 SächsGlüStVAG eindeutig angeordnete Konzentrationswirkung missachte und ein vom Gesetzgeber nicht vorgesehenes weiteres Erlaubnisverfahren einführe. Ferner habe es die Verfassungsmäßigkeit der in § 29 Abs. 4 GlüStV vorgesehenen Stichtagsregelung zu Unrecht offen gelassen. Die Wahl des Stichtags 28. Oktober 2011 stehe nicht in Einklang mit der Eigentumsgarantie und genüge nicht dem Gebot des Vertrauensschutzes, weil an diesem Tag die künftige Gesetzeslage noch keineswegs in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar gewesen sei. Das Abstellen auf die behördliche Erlaubniserteilung werde auch dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verfahrensfairness nicht gerecht, weil die Erlaubniserteilung in der Hand der zuständigen Behörde gelegen habe. Ferner seien die §§ 24 bis 26 GlüStV formell und materiell verfassungswidrig. Für die Abstandsgebote und Verbundverbote fehle den Ländern die Gesetzgebungskompetenz, weil der Bundesgesetzgeber für die räumliche Verteilung von Spielhallen bereits auf der Grundlage seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht eine abschließende Regelung getroffen habe. Das Verbundverbot und das Abstandsgebot seien mit den Grundrechten der Spielhallenbetreiber auf Berufsfreiheit und Handlungsfreiheit im Wettbewerb nicht vereinbar. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 zu ändern und die Berufung des Beklagten auch im Übrigen zurückzuweisen. 8 Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. April 2015 und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 insgesamt abzuweisen. 9 Er verteidigt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts. Von der in § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG angeordneten Konzentrationswirkung der gewerberechtlichen Erlaubnis würden nur Spielhallen erfasst, die nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages neu zugelassen wurden. Dies folge aus § 18a Abs. 1 Satz 2 SächsGlüStVAG, der in Ergänzung der Konzentrationswirkung die Beteiligung der Glücksspielaufsicht am gewerberechtlichen Erlaubnisverfahren vorsehe. Da diese Beteiligung in den Altfällen nicht erfolgt sei, fehle bei ""Altspielhallen"" auch die Rechtfertigung für eine Konzentrationswirkung. Für sie ergebe sich der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt unmittelbar aus § 24 GlüStV. 10 Auch die Stichtagsregelung des § 29 Abs. 4 GlüStV sei verfassungsgemäß. Am 28. Oktober 2011 habe die Ministerpräsidentenkonferenz den Beschluss gefasst, dem neuen Glücksspielstaatsvertrag zuzustimmen und diesen am 15. Dezember 2011 zu unterzeichnen. Ab diesem Zeitpunkt sei mit der beabsichtigten Rechtsänderung für Spielhallen zu rechnen gewesen. Nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung könne schon die Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Bundestag zur Vorhersehbarkeit einer Rechtsänderung führen. Eine in etwa vergleichbare Situation sei hier im Bereich der vertraglichen Selbstkoordination der Länder anzunehmen. 11 Schließlich bestünden auch an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 24 bis 26 i.V.m. § 29 Abs. 4 GlüStV keine Zweifel. In formeller Hinsicht stehe den Ländern das Recht zur Gesetzgebung im Bereich der Spielhallen zu (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Die allein streitgegenständliche Abstandsvorschrift des § 25 GlüStV verfolge keine bodenrechtlichen Ziele, sondern diene der Bekämpfung der Spielsucht. Es handele sich um eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung. Im Übrigen liege auch der absolute Revisionsgrund des Fehlens eines mit Gründen versehenen Urteils nicht vor. 12 Im Wege der Anschlussrevision macht der Beklagte geltend, die Klägerin könne sich nicht auf die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV berufen. Da die gewerberechtliche Erlaubnis personenbezogen und nicht anlagebezogen sei, könne nur die der Klägerin am 2. November 2011 erteilte Erlaubnis für das Eingreifen der Übergangsfrist maßgeblich sein. Das Bestehen der Spielhalle bei Inkrafttreten des Änderungsstaatsvertrages genüge nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV nicht. Hinzukommen müsse eine Schutzbedürftigkeit des ""Alt-Betreibers"". Ein ""Neu-Betreiber"" könne sein Verhalten auf die bevorstehende Rechtsänderung einstellen und sei daher weniger schutzbedürftig. Es überzeuge nicht, dass § 29 Abs. 4 GlüStV pauschal dem Schutz von Investitionen beim Betrieb von Spielhallen dienen solle. Es gehe vielmehr allein um das Vertrauen auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung des § 33i GewO, das ab dem 28. Oktober 2011 nicht mehr uneingeschränkt schutzwürdig gewesen sei. Ein Aufschub der beabsichtigten Glücksspielregelung sei nicht unabhängig von der Person des Spielhallenbetreibers beabsichtigt gewesen. Auch spreche der Vergleich des Erwerbers einer Altspielhalle mit dem Errichter einer neuen Spielhalle gegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Staatsvertrages. 13 Die Klägerin tritt der Anschlussrevision des Beklagten entgegen. II 14 Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten haben keinen Erfolg, weil das Urteil des Oberverwaltungsgerichts kein revisibles Recht verletzt. Prüfungsmaßstab ist neben Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auch der Glücksspielstaatsvertrag der Länder - hier in der Fassung des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. November 2011 (SächsGVBl. 2012, 275) -, weil dies in § 33 GlüStV ausdrücklich angeordnet ist. Eine solche Zuweisung von landesrechtlichen Rechtsfragen an das Bundesverwaltungsgericht ist nach Art. 99 Alt. 2 GG zulässig. 15 1. Ohne Erfolg macht die Klägerin in ihrer Revision geltend, das angefochtene Urteil sei im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen. Diese Vorschrift knüpft an den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils an (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblichen Gründe schriftlich niedergelegt werden. Einer Entscheidung fehlt nur dann die Begründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO, wenn die Entscheidungsgründe die ihnen zukommende doppelte Aufgabe - Unterrichtung der Beteiligten über die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts sowie Ermöglichung der Nachprüfung des Urteils im Rechtsmittelverfahren - nicht mehr erfüllen können. Das ist zweifelsfrei der Fall, wenn dem Tenor überhaupt keine Gründe beigefügt sind, darüber hinaus aber auch dann, wenn die Begründung nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder in anderer Weise so unbrauchbar ist, dass sie zur Rechtfertigung des Urteilstenors ungeeignet ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1; Urteil vom 28. November 2002 - 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230>; Beschluss vom 1. Juni 2016 - 3 B 67.15 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 25 Rn. 17). 16 Davon kann hier keine Rede sein, weil das Oberverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung in einem 17 Seiten langen Urteil ausführlich und in sich schlüssig begründet hat. Die Klägerin meint, dass schon die mangelnde Erörterung ihrer Argumente zur Verfassungswidrigkeit der §§ 24 bis 26, 29 Abs. 4 GlüStV einem Fehlen der Urteilsbegründung gleichstehe. Das ist bereits im rechtlichen Ansatz verfehlt, weil eine bloß unvollständige, oberflächliche oder unrichtige Entscheidung die Voraussetzungen des für § 138 Nr. 6 VwGO erforderlichen groben Formmangels nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 - insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 - juris Rn. 9) und weil für die mangelnde Berücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens die Gehörsrüge zur Verfügung steht (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO). Darüber hinaus liegt die von der Klägerin behauptete Außerachtlassung ihres zentralen Vorbringens nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist auf die Verfassungsmäßigkeit der aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV ausführlich eingegangen. Die Verfassungswidrigkeit der übrigen angegriffenen Regelungen war aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich; insbesondere sei die hier einschlägige Regelung zum Mindestabstand erst nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist im Rahmen des dann einzuleitenden Erlaubnisverfahrens zu prüfen. Der Anspruch auf eine Urteilsbegründung begründet aber ebenso wie der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 - 3 B 40.14 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 91 Rn. 4 m.w.N.). 17 2. Die Klägerin kann im Revisionsverfahren auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass ihre unbefristete gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag (SächsGlüStVAG) vom 14. Dezember 2007 (SächsGVBl. S. 542), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 650) bereits die vom Beklagten geforderte glücksspielrechtliche Erlaubnis umfasst. Ob und in welchen Fällen nach dieser Vorschrift im Freistaat Sachsen die gewerberechtliche Erlaubnis zugleich eine glücksspielrechtliche Erlaubnis einschließt, betrifft die Auslegung irrevisiblen Landesrechts, über das in erster Linie das Sächsische Oberverwaltungsgericht zu befinden hat. Es hat seine Auffassung, dass von der Konzentrationswirkung des § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG nur Erlaubnisse erfasst sind, die nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages am 1. Juli 2012 beantragt worden sind, auch eingehend begründet. Diese Auslegung nicht revisiblen Landesrechts ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO im Revisionsverfahren grundsätzlich bindend. 18 Etwas Anderes könnte allenfalls gelten, wenn diese Auslegung - wie die Klägerin meint - die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten würde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 Rn. 53 m.w.N.). Da das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere der Vorrang des Gesetzes und die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), und das im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verankerte Willkürverbot eine unübersteigbare bundesrechtliche Grenze jeden Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung darstellen, kann im Revisionsverfahren geprüft werden, ob sich das Instanzgericht bei der Anwendung und Auslegung irrevisiblen Rechts so weit vom zugrunde liegenden Gesetz entfernt hat, dass der Zusammenhang mit dem Gesetz nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (BVerwG, Urteile vom 23. August 1991 - 8 C 37.90 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 27 S. 15 und vom 14. September 1994 - 6 C 42.92 - BVerwGE 96, 350 <352>; Beschluss vom 7. Januar 2008 - 9 B 81.07 - Buchholz 401.00 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8). 19 Für eine Überschreitung dieser Grenzen ist nichts ersichtlich. Zwar ist der Wortlaut des § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG offen für ein Verständnis, dass alle gewerberechtlichen Erlaubnisse nach § 33i GewO zugleich die glücksspielrechtliche Erlaubnis einschließen. Ein solches Auslegungsergebnis wird von der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 5/8722 S. 5 f.) aber nicht gestützt. Weder bei den Erläuterungen zur allgemeinen Anordnung der Konzentrationswirkung in § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG noch bei den Erläuterungen zu den Übergangsregelungen für Altspielhallen nach § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG findet sich eine dezidierte Aussage im Regierungsentwurf zu der Frage, ob vor Inkrafttreten des Gesetzes erteilte Erlaubnisse nach § 33i GewO Konzentrationswirkung haben. Das Oberverwaltungsgericht kann sich für seine Rechtsauffassung, dass es in diesen Altfällen gerade an der Konzentrationswirkung fehlt, auf systematische und teleologische Argumente berufen. In systematischer Hinsicht hat es insbesondere ausgeführt, dass die Konzentrationswirkung nach § 18a Abs. 1 Satz 1 SächsGlüStVAG in engem Zusammenhang mit der Beteiligung der Glücksspielbehörde im Genehmigungsverfahren nach § 18a Abs. 1 Satz 2 SächsGlüStVAG steht. Bei den Alterlaubnissen hat aber gerade keine zusätzliche glücksspielrechtliche Überprüfung durch Beteiligung der Glücksspielaufsicht stattgefunden. In teleologischer Hinsicht hat sich das Oberverwaltungsgericht darauf berufen, dass der Gesetzeszweck der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Spieler- und Jugendschutzes nicht erreicht würde, wenn man den ohne Beteiligung der Glücksspielaufsicht zustande gekommenen gewerberechtlichen Alterlaubnissen zugleich eine glücksspielrechtliche Genehmigungswirkung beimesse. Diese Auslegung trägt den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre Rechnung und überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht. 20 3. Auch der Einwand der Klägerin, dass das Sächsische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag kein gesondertes glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren vorsehe, kann keinen Erfolg haben. Ohne Rechtsfehler ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV unmittelbar einen glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalt für neue und bestehende Spielhallen begründen (a). Auch fehlt es nicht an hinreichend bestimmten Durchführungsbestimmungen (b). 21 a) Dass § 24 Abs. 1 GlüStV unmittelbar einen Erlaubnisvorbehalt begründet, folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach bedürfen ""die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach diesem Staatsvertrag"". Die Länder können in diesem Zusammenhang gemäß § 24 Abs. 3 GlüStV zwar das ""Nähere"" regeln, müssen aber den im Staatsvertrag bereits enthaltenen Erlaubnisvorbehalt als solchen nicht nochmals anordnen, wenn der Staatsvertrag - wie hier - als Landesgesetz erlassen wird. Wie § 2 Abs. 1 und 3 GlüStV ausführt, ""gelten"" für Spielhallen die Vorschriften des 7. und 8. Abschnitts, so dass es für die Begründung des darin vorgesehenen Erlaubnisvorbehalts keines zusätzlichen legislativen Umsetzungsakts bedarf. 22 Unmittelbar im Glücksspieländerungsstaatsvertrag geregelt ist ferner, dass dieser Erlaubnisvorbehalt auch für bereits bestehende und anderweitig genehmigte ""Altspielhallen"" gilt. Denn die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV begründet für nach § 33i GewO erlaubte Spielhallen zeitlich befristete Vereinbarkeitsfiktionen mit den Regelungen der §§ 24 und 25 GlüStV. Diese Fiktionen wären überflüssig und widersinnig, wenn das Erlaubniserfordernis für diese Altspielhallen nicht gelten würde. Daher kann der in § 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV aufgestellte Grundsatz, dass die Regelungen des 7. Abschnitts bereits ab Inkrafttreten des Staatsvertrages Anwendung finden, nur so verstanden werden, dass diese Regelungen schon ab dem 1. Juli 2012 grundsätzlich für alle Spielhallen Geltung beanspruchen. 23 Dass für die Altspielhallen auch nach Auffassung des Gesetzgebers ein zusätzliches glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren durchzuführen ist, ist mittlerweile durch das Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 650) ausdrücklich bestätigt worden. Nach § 22 SächsGlüStVAG in der Fassung des Änderungsgesetzes bedürfen Altspielhallen nach Ablauf der für sie geltenden Übergangsfristen des § 29 Abs. 4 GlüStV für den weiteren Betrieb einer Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV. Wie der Gesetzentwurf ausdrücklich hervorhebt, wird damit nur deklaratorisch die in der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 3 B 418/13 - GewArch 2014, 400) bereits anerkannte Erlaubnispflicht bestätigt (LT-Drs. 6/4785 S. 11). Es wird also gerade nicht - wie die Klägerin vorträgt - ein neuer Erlaubnisvorbehalt konstitutiv begründet. 24 b) Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es für die Durchführung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens auch nicht an hinreichend bestimmten landesgesetzlichen Durchführungsbestimmungen. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Zuständigkeit und das Verfahren für die Erteilung von glücksspielrechtlichen Erlaubnissen an Betreiber von Altspielhallen in § 18a Abs. 3 Satz 1, § 19 Abs. 2 SächsGlüStVAG ausreichend normiert sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschriften obliegt der Landesdirektion Sachsen als oberer Glücksspielaufsichtsbehörde der Vollzug des Glücksspielstaatsvertrages, soweit nichts anderes bestimmt ist. Es liegt somit hinsichtlich der Zuständigkeit für das behördliche Verfahren kein ungeregelter Zustand vor. Auch lassen sich die wesentlichen Gegenstände des glücksspielrechtlichen Erlaubnisverfahrens den § 24 Abs. 2, § 29 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 18a SächsGlüStVAG entnehmen. § 24 Abs. 2 Satz 1 GlüStV begründet einen präventiven Erlaubnisvorbehalt, wobei auf die Erteilung der Erlaubnis vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Gewerbefreiheit ein Rechtsanspruch besteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2005 - 6 C 8.05 - Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 6 Rn. 32 zu § 33i GewO und vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 39). Die Erlaubnis ist nur zu versagen, wenn die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen. Da die Erlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV schriftlich zu erteilen und zu befristen ist sowie nach § 24 Abs. 2 Satz 3 GlüStV auch nachträglich mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, hat der Landesgesetzgeber ihren wesentlichen Regelungsgehalt umrissen. 25 4. Dieser Erlaubnisvorbehalt ist von der Gesetzgebungskompetenz der Länder gedeckt und auch ansonsten formell verfassungsmäßig. 26 a) Zu Unrecht bezweifelt die Klägerin in formeller Hinsicht die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Wie sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ergibt, erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf das Recht der Wirtschaft ""ohne ... das Recht der Spielhallen"". Durch diese im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 eingefügte Ausnahme wird bewirkt, dass die Gesetzgebung für das ""Recht der Spielhallen"" nach Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern obliegt. Dieser ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel ermächtigt zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebs einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 19 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 97 ff.). Vom ""Recht der Spielhallen"" ist damit auch die gesetzgeberische Befugnis der Länder zur Einführung eines speziellen Erlaubnisvorbehalts umfasst. Ebenso können die Länder Mindestabstandsregelungen für Spielhallen erlassen (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 30 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 111). 27 Dem steht nicht - wie die Klägerin meint - entgegen, dass der Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV der Sicherung räumlicher Anforderungen dient und dass der Bundesgesetzgeber auf der Grundlage seiner Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das ""Bodenrecht"" bereits eine Regelung zur Situierung von Spielhallen getroffen hat. Denn die bauplanungsrechtlichen Vorschriften lassen die Kompetenz der Länder zum Erlass nicht bauplanungsrechtlich motivierter Abstandsvorschriften unberührt (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 31; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 114 f.). 28 b) Zu Unrecht zieht die Klägerin die formelle Verfassungsmäßigkeit der § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV auch im Hinblick auf Art. 125a GG in Zweifel. Zwar gilt die Vorschrift des § 33i GewO über die gewerberechtliche Erlaubnis von Spielhallen gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fort. Auch können die Länder nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG dieses fortgeltende Bundesrecht nur ""ersetzen"" und nicht lediglich einzelne Vorschriften ""ändern"". Die andernfalls entstehende Mischlage aus Bundes- und Landesrecht für ein und denselben Regelungsgegenstand im selben Anwendungsbereich wäre im bestehenden System der Gesetzgebung ein Fremdkörper. Eine Ersetzung erfordert, dass der Gesetzgeber die Materie, gegebenenfalls einen abgrenzbaren Teil, in eigener Verantwortung regelt (BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/04 - BVerfGE 111, 10 <29 f.>; Kammerbeschluss vom 7. Oktober 2015 - 2 BvR 568/15 - juris Rn. 11). 29 Diesen Anforderungen, die auch dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtsklarheit dienen, wird der Erlaubnisvorbehalt der § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 GlüStV jedoch gerecht. Denn der Staatsvertrag ändert nicht lediglich einzelne Worte oder Sätze des § 33i GewO ab, sondern ergänzt diesen Erlaubnistatbestand für einen abgegrenzten Teil des Spielhallenrechts durch eine weitere, ausschließlich vom Landesgesetzgeber verantwortete glücksspielrechtliche Erlaubnisregelung. Da der gewerberechtliche Erlaubnistatbestand nach der früheren bundesgesetzlichen Regelungskonzeption keine den §§ 25 und 26 GlüStV vergleichbaren Abstandsgebote, Verbundverbote und Werbeeinschränkungen enthalten hat, entsteht auch keine unklare Mischlage, bei der eine eindeutige parlamentarische Verantwortlichkeit für die Gesamtregelung verloren ginge. Vielmehr sind die vom Landesgesetzgeber verantworteten Regelungsbereiche (§§ 24 bis 26, § 29 Abs. 4 GlüStV) und der vom Bundesgesetzgeber verantwortete Regelungsbereich (§ 33i GewO) formell klar abgegrenzt. Es wird lediglich der mit einer gewerberechtlichen Erlaubnis verbundene Freigabeeffekt bei Altspielhallen durch das Hinzutreten eines weiteren Erlaubnisvorbehalts eingeschränkt. 30 5. Der zusätzliche glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt verletzt auch nicht die materiellen Verfassungsrechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. 31 a) Im Rahmen der Revision ist allerdings nur zu prüfen, ob die im Fall der Klägerin zur Anwendung kommenden Vorschriften zu einem verfassungswidrigen Eingriff führen. Da Streitgegenstand der vorliegenden Feststellungsklage allein das wirksame Bestehen eines Erlaubnisvorbehalts ist, müssen nicht alle Versagungsgründe auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden. Denn ein präventiver Erlaubnisvorbehalt kann auch dann verfassungskonform sein, wenn einzelne Versagungsgründe nicht mit höherrangigem Recht in Einklang stehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273 Rn. 77 und vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 53). Nach dieser Rechtsprechung ist die Einführung einer Erlaubnispflicht schon dann verhältnismäßig, wenn auch nur ein eigenständiger formell und materiell verfassungsmäßiger Erlaubnistatbestand sie rechtfertigt. Demzufolge reicht es für die Verfassungsmäßigkeit des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts nach § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV aus, dass ihn der Versagungsgrund einer zu großen Nähe zu allgemeinbildenden Schulen verfassungsrechtlich rechtfertigt. Dementsprechend müssen die von der Klägerin angesprochenen verfassungsrechtlichen Probleme der sächsischen Mindestabstandsregelung zwischen Spielhallen nicht vertieft werden. Insbesondere bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner näheren Erörterung, ob das sächsische Landesrecht eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die behördliche Auswahlentscheidung zwischen mehreren zu nahe beieinander liegenden, ansonsten aber erlaubnisfähigen Spielhallen enthält und ob ein entsprechendes Regelungsdefizit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot oder dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts widerspricht (vgl. zum saarländischen Spielhallengesetz BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 183 ff.). 32 b) Der mit dem zusätzlichen Erlaubnisvorbehalt verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 GG) ist gerechtfertigt. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ergibt sich schon daraus, dass die angegriffenen Vorschriften den von der Klägerin praktizierten und bislang unbefristet genehmigten Spielhallenbetrieb reglementieren und - soweit vor Ablauf der Übergangsfrist keine Erlaubnis erteilt wird - zeitlich beschränken. 33 aa) Um vor dem Grundrechtsschutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Bestand zu haben, bedarf ein Eingriff einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Normen genügt. Die eingreifende Vorschrift muss kompetenzgemäß erlassen worden sein, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 1864/94 u.a. - BVerfGE 95, 193 <214>; Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 121). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die zu prüfenden Vorschriften sind kompetenzkonform (s.o. juris Rn. 97 ff.) und beachten insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 34 bb) Der Glücksspielstaatsvertrag und das Sächsische Ausführungsgesetz dienen vorrangig dem Ziel, die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität zu schützen (§ 1 GlüStV). Die Einhaltung dieser Ziele ist auch oberste Maxime bei der Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis (§ 24 Abs. 2 GlüStV). Damit werden überragend wichtige Gemeinwohlziele verfolgt, die selbst objektive Berufswahlbeschränkungen zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 ff.>; Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 122, 132, 158; StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 325 f.). 35 Dass Glücksspiele in ein krankhaftes Suchtverhalten münden können, steht nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung fest. Spielsucht kann zu einer Verschuldung der Betroffenen und zu Folge- und Begleitkriminalität und damit zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Spieler selbst, sondern auch für ihre Familien und die Gemeinschaft führen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304> - juris Rn. 99). Es ist bekannt, dass das Spielen an Geldautomaten ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens birgt. Ebenso ist belegt, dass die Anzahl der Spielhallenkonzessionen in Deutschland vor Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages deutlich angestiegen ist (vgl. StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 329 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 138 f., 150). Vor diesem Hintergrund konnten die Landesgesetzgeber im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung einer Bedrohungslage für ein Gemeinschaftsgut zu dem Ergebnis gelangen, dass zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Geldautomaten und Spielhallen geboten sind. 36 cc) Die Einführung eines Mindestabstands von Spielhallen zu allgemeinbildenden Schulen ist zur Erreichung dieses Zieles grundsätzlich geeignet. Eine Regelung ist schon dann zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 163 <183> m.w.N.). 37 Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass der Erlaubnisvorbehalt und die räumliche Trennung zwischen allgemeinbildenden Schulen und Spielhallen der Spielsuchtbekämpfung dienen können, ist auch nicht offensichtlich fehlsam. Eine unmittelbare räumliche Nähe zwischen dem Hauptaufenthaltsort von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und einem Glücksspielangebot schafft zwangsläufig Anreize, freie Zeiten zwischen und nach den Unterrichtsstunden in Spielhallen zu verbringen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass Kindern und Jugendlichen ohnedies der Aufenthalt in Spielhallen nach § 6 Abs. 1 JuSchG verboten ist. Wie der Senat im Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - (juris Rn. 59) ausgeführt hat, wirkt eine räumliche Trennung dem ""Reiz des Verbotenen"" entgegen, den eine in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Schule befindliche Spielhalle ausübt. Eine klare räumliche Trennung hilft, Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Glücksspielangebots in ihrem täglichen Lebensumfeld zu schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 59 sowie BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 152, 154). Dieser Aspekt verdient nicht zuletzt deswegen besondere Beachtung, weil der Anteil junger Spieler in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist und die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen den größten Spieleranteil an Geldspielgeräten darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 139; Bunde, in: Anhörung durch den Innenausschuss am 26. April 2012, Protokoll vom 15. Mai 2012, S. 14 und Anlage S. 6). 38 dd) Der Gesetzgeber durfte den Erlaubnisvorbehalt des § 24 Abs. 1 GlüStV und die Mindestabstandsregelung des § 25 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 18a Abs. 4 Satz 1 SächsGlüStVAG angesichts des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums auch als erforderliche Maßnahmen ansehen. Insoweit gilt nichts anderes als für die Abstandsgebote zu Kinder- und Jugendeinrichtungen nach dem Spielhallenrecht von Berlin, die mit dem Berufs- und Eigentumsrecht sowie dem Gleichheitsgebot vereinbar sind (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 34 ff.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 119 ff.; zum Abstandsgebot zu Einrichtungen für Minderjährige nach dem rheinland-pfälzischen Spielhallenrecht BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 17 ff. und speziell zur hinreichenden Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit eines auf die Luftlinie bezogenen Mindestabstands in Verbindung mit der Möglichkeit von Ausnahmen oder Abweichungen Rn. 23). 39 ee) Schließlich führt auch eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe zu dem Ergebnis, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 155 ff.). Die im Rahmen der Revision allein streitige Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV von fünf Jahren ist nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits geklärt, dass ein solcher u.a. auf Mindestabstandsgebote zu Einrichtungen für Minderjährige bezogener Übergangszeitraum mit Blick auf die Notwendigkeit beruflicher Neuorientierung oder betrieblicher Anpassungen sowie schutzwürdiger Investitionen und Dispositionen ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 63 bis 65 und 74 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 188 bis 195). Bei der Beurteilung der Angemessenheit der angegriffenen Abstandsregelung ist des Weiteren zu bedenken, dass der Gesetzgeber den Inhabern von Altspielhallenerlaubnissen in Härtefällen mit § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i.V.m. § 18a Abs. 5 SächsGlüStVAG die Möglichkeit eröffnet hat, für bis zu sechs weitere Jahre eine Befreiung vom Abstandsgebot zu erhalten. Da bei dieser Ermessensentscheidung besondere individuelle Umstände berücksichtigt werden können, ist die Übergangsregelung insgesamt zumutbar. 40 b) Mit Art. 14 Abs. 1 GG sind die Abstandsregelungen ebenfalls vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 72 bis 74; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 169). 41 c) Die Übergangsvorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot und das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Wie die Beklagte zutreffend ausführt, liegt in dieser Übergangsregelung keine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm - wie hier - erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden (""tatbestandliche Rückanknüpfung""), liegt eine unechte Rückwirkung vor (ebenso StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2016 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 448). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Sie ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 1/03 u.a. - BVerfGE 127, 31 = juris Rn. 69). Damit ergeben sich aus dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot für den vorliegenden Fall einer unechten Rückwirkung durch tatbestandliche Rückanknüpfung keine weitergehenden Anforderungen als die Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist, die hier gewährt wurde. 42 6. Die Anschlussrevision des Beklagten ist gleichfalls unbegründet. Entgegen der teilweise auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht (OVG Magdeburg, Beschluss vom 8. April 2014 -1 M 21/14 - juris Rn. 5 ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 5. September 2014 - 8 B 1036/14 - juris Rn. 14 ff.) des Beklagten ist bei einem Betreiberwechsel nach dem Stichtag die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV anzuwenden (vgl. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 8. November 2013 - 7 ME 82/13 - juris Rn. 7 ff. und vom 18. Januar 2017 - 7 ME 3/17 - juris Rn. 6; OVG Münster, Beschluss vom 29. Februar 2016 - 4 A 809/15 - juris Rn. 4 ff.). Denn die Übergangsvorschrift gewährt Vertrauensschutz nicht betreiber-, sondern spielhallenbezogen. 43 a) Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV. Das Gesetz nennt als Voraussetzungen für den Bestandsschutz das Bestehen der Spielhalle und das Vorhandensein einer noch mindestens fünf Jahre gültigen gewerberechtlichen Erlaubnis für den Betrieb dieser Spielhalle am gesetzlichen Stichtag des 28. Oktober 2011. Hingegen erwähnt der Wortlaut der Vorschrift die Person des Spielhallenbetreibers nicht. Die Fiktion der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages ist nach dem Normtext ebenfalls nur objektiv auf die für die Spielhalle geltenden Anforderungen bezogen, nicht jedoch auf betreiberbezogene Voraussetzungen. Der Gesetzestext bezieht den Betreiber auch nicht dadurch in die Betrachtung ein, dass er für die am Stichtag vorhandene Erlaubnis nach § 33i GewO einschränkend fordert, deren Geltungsdauer dürfe nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages enden. Denn damit wird nur der Gedanke zum Ausdruck gebracht, dass der durch § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV vermittelte glücksspielrechtliche Bestandsschutz der Spielhalle nicht länger dauern soll als der zum Stichtag konkret absehbare gewerberechtliche Bestandsschutz. 44 b) Auch die Entstehungsgeschichte der Norm legt ein rein spielhallenbezogenes Verständnis nahe. Die Entwurfsfassung des Staatsvertrages, die in § 29 Abs. 4 Satz 5 eine vorzeitige Erlaubnispflicht beim Wechsel des Betreibers der Spielhalle vorsah (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin Drs. 16/4142 S. 20), wurde nicht in die Endfassung des Staatsvertrages übernommen. In den von dem Beklagten zitierten amtlichen Erläuterungen des Staatsvertrages sind auch keine Ausführungen dahingehend zu finden, dass im Falle eines Betreiberwechsels nach dem Stichtag gleichwohl - wie ursprünglich vorgesehen - eine kürzere Übergangsfrist gelten solle (vgl. Bayerischer Landtag, LT-Drs. 16/11995 S. 32). 45 c) In systematischer Hinsicht kann man zwar daraus, dass die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO betreiber- und betriebsbezogen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 1984 - 1 C 21.83 - BVerwGE 70, 180 <184>), folgern, dass auch der glücksspielrechtliche Bestandsschutz betreiber- und betriebsbezogen auszulegen sei. Diese auf den ersten Blick naheliegende Annahme erweist sich bei näherer Betrachtung als keineswegs zwingend. Im Spielhallenrecht kamen und kommen nämlich auch rein betriebsbezogene Übergangsregelungen vor. Ferner sieht § 29 Abs. 4 GlüStV als Rechtsfolge keine subjektive Erlaubnis oder Erlaubnisfiktion vor. 46 Bei der systematischen Auslegung fällt außerdem ins Gewicht, dass die fünfjährige Übergangsfrist als Grundsatz der gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV vorangestellt ist. Die gesetzliche Regeldauer wird nur in Ausnahmefällen nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV verkürzt oder nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV verlängert. Bei der Frage, ob im Falle eines Betreiberwechsels nach dem Stichtag ausnahmsweise eine Verkürzung der fünfjährigen Regeldauer auf die einjährige Übergangszeit erfolgen soll, kommt es damit auch auf den Wortlaut sowie auf den Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV an. Diese Bestimmung ist ebenfalls rein spielhallenbezogen formuliert und ihr Zweck wird dahingehend erläutert, dass sie ""Vorratserlaubnisse in Kenntnis der beabsichtigten Änderung der Rechtslage verhindern"" soll (vgl. Bayerischer Landtag, LT-Drs. 16/11995 S. 32). 47 Das Gesetz geht dabei davon aus, dass mit der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 28. Oktober 2011 zum Abschluss des Glücksspieländerungsstaatsvertrages die beabsichtigte Verschärfung der Spielhallenzulassungsvoraussetzungen publik geworden ist. Es sieht die Gefahr, dass potentielle Spielhallenbetreiber, um den drohenden glücksspielrechtlichen Zulassungsbegrenzungen zu entgehen, noch nach altem Recht gewerberechtliche Spielhallenerlaubnisse beantragen und vor dem Inkrafttreten des Staatsvertrages erhalten könnten. Die Verkürzung der Übergangsfrist in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV auf ein Jahr dient dazu, solche unerwünschten Mitnahmeeffekte bei bislang nicht bestandsgeschützten Spielhallen zu verhindern (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 27. April 2016 - 1 A 3/15 - ZfWG 2016, 264 Rn. 55). Um die Eröffnung neuer Spielhallen nach Bekanntwerden der Reformpläne geht es aber nicht, wenn eine schon vor dem Stichtag bestehende und unbefristet erlaubte Spielhalle lediglich den Betreiber wechselt. Daher würde eine Einbeziehung dieser Fälle in den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nicht dessen beschränkter Zielsetzung entsprechen und dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV widersprechen. 48 d) Auch die teleologische Auslegung des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV spricht für ein spielhallenbezogenes Normverständnis. Die Vorschrift dient nicht nur dem Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der Rechtslage, sondern auch dem Schutz der wirtschaftlichen Vertrauensbetätigung. Die Spielhallenbetreiber haben regelmäßig im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage erhebliche wirtschaftliche Dispositionen für die Errichtung und den Betrieb bestehender Spielhallen an einem bestimmten Standort getroffen. Sie haben zumeist Verträge mit Arbeitnehmern, Vermietern von Räumen und Leasinggebern von Spielgeräten geschlossen, die regelmäßig nicht kurzfristig kündbar sind. In einigen Fällen haben sie sogar Spielgeräte und Immobilien gekauft. Damit haben sie erhebliche Investitionen getätigt und ihre wirtschaftliche Existenz auf einen mehrjährigen Spielhallenbetrieb ausgerichtet. Die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV trägt dem Interesse der Betreiber, eine Amortisierung der im Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage in die Spielhalle getätigten Investitionen zu erreichen und dabei einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften, Rechnung (vgl. StGH BW, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - juris Rn. 455 f.; BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 193). Dieser Investitionsschutz soll bei einem Betreiberwechsel nicht entfallen. Denn die vor dem Stichtag getätigten Investitionen des ""Altbetreibers“ würden weitgehend entwertet, wenn ein danach erfolgter Betreiberwechsel die Verkürzung des Bestandsschutzes auf ein Jahr zur Folge hätte. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass bei Geltung des einjährigen Übergangszeitraums nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV in Fällen des Betreiberwechsels keine Regelung bestünde, mit der Härtefällen wie etwa einer Übergabe der Spielhalle aus gesundheitlichen Gründen oder einem erbfallbedingten Wechsel begegnet werden könnte. 49 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-24,07.04.2017,"Pressemitteilung Nr. 24/2017 vom 07.04.2017 EN Versorgungsrechtliche Wartefrist auch bei Stellenhebung Die versorgungsrechtliche „Wartefrist“, nach der die Dienstbezüge des höherwertigen Amtes nur dann für die Festsetzung der Versorgungsbezüge herangezogen werden, wenn der Beamte die Dienstbezüge dieses (oder eines mindestens gleichwertigen) Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand mindestens zwei Jahre erhalten hat, gilt auch, wenn die Vergabe des höherwertigen Amtes auf eine gesetzlich angeordnete Stellenhebung zurückgeht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin wurde 2003 für acht Jahre zur Bürgermeisterin einer Gemeinde in Brandenburg gewählt. Sie wurde dementsprechend in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Nach einer Änderung der Einstufungsverordnung wurde sie zum Januar 2010 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 eingewiesen. Da die Klägerin in der folgenden Wahl nicht wiedergewählt wurde, trat sie mit Wirkung vom 17. Dezember 2011 in den Ruhestand. Bei der Festsetzung des Ruhegehalts legte die Versorgungsbehörde nur die Bezüge aus einem Amt der Besoldungsgruppe A 15 zugrunde, weil hinsichtlich der Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe B 2 die Mindestverweildauer von zwei Jahren nicht erfüllt sei. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch ihre Revision zurückgewiesen. Das statusrechtliche Amt eines Beamten wird durch die Amtsbezeichnung, das diesem vom Besoldungsgesetzgeber zugewiesene Endgrundgehalt und die Laufbahnzugehörigkeit bestimmt. Durch die Einweisung in die Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 ist der Klägerin daher ein anderes Amt verliehen worden. Die Dienstbezüge dieses Amts hat die Klägerin nicht mindestens zwei Jahre erhalten. Eine Ausnahme des Anwendungsbereichs für kommunale Wahlbeamte sieht das maßgebliche Landesrecht nicht vor. Eine Einschränkung von der versorgungsrechtlichen Wartefristregelung im Wege der Auslegung ist auch für diejenigen Fälle nicht geboten, in denen die Vergabe des höherwertigen Amtes auf eine gesetzlich angeordnete Stellenhebung zurückgeht. Zwar kann damit eine individuelle „Gefälligkeitsbeförderung“ ausgeschlossen werden. Mit der Wartefristregelung hat der Gesetzgeber indes auch das Ziel verfolgt, die „Pensionswirksamkeit“ einer Beförderung erst dann anzunehmen, wenn ein zeitliches Mindestmaß an Dienstleistung im dem zuletzt bekleideten Amt erbracht worden ist. BVerwG 2 C 13.16 - Urteil vom 06. April 2017 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 4 B 39.14 - Urteil vom 21. April 2016 - VG Potsdam, 2 K 877/13 - Urteil vom 08. Oktober 2014 -","Urteil vom 06.04.2017 - BVerwG 2 C 13.16ECLI:DE:BVerwG:2017:060417U2C13.16.0 EN Versorgungsrechtliche Wartefrist auch bei Stellenhebung Leitsatz: Die versorgungsrechtliche Wartefrist gilt auch für Ämter, die aufgrund einer Stellenhebung verliehen worden sind. Rechtsquellen BeamtStG § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVErgG BB § 2 Abs. 3 Satz 1 BesG BB § 19 Abs. 1 Satz 2 EinstVO BB § 2 Abs. 3 Satz 1 Instanzenzug VG Potsdam - 08.10.2014 - AZ: VG 2 K 877/13 OVG Berlin-Brandenburg - 21.04.2016 - AZ: OVG 4 B 39.14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.04.2017 - 2 C 13.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:060417U2C13.16.0] Urteil BVerwG 2 C 13.16 VG Potsdam - 08.10.2014 - AZ: VG 2 K 877/13 OVG Berlin-Brandenburg - 21.04.2016 - AZ: OVG 4 B 39.14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Günther und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. April 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die zweijährige Wartefristregelung des Beamtenversorgungsrechts auch für sog. Stellenhebungen gilt. 2 Die 1961 geborene Klägerin war seit 1997 als kommunale Wahlbeamtin in verschiedenen Gemeinden des Landes Brandenburg beschäftigt. Nach erfolgreicher Wahl wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von acht Jahren mit Wirkung vom 17. Dezember 2003 zur Bürgermeisterin der beklagten Gemeinde ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Nachdem die maßgebliche Einstufungsverordnung für kommunale Wahlbeamte geändert worden war, wies die Beklagte sie zum 1. Januar 2010 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 ein. Da die Klägerin in der folgenden Wahl nicht wiedergewählt wurde, trat sie mit Wirkung vom 17. Dezember 2011 in den Ruhestand. 3 Bei der Festsetzung des Ruhegehalts der Klägerin legte die Versorgungsbehörde ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 zugrunde, weil hinsichtlich der Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe B 2 die Mindestverweildauer von zwei Jahren nicht erfüllt sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück. 4 Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Im Zeitpunkt ihres Ruhestandseintritts habe die Klägerin die Dienstbezüge aus einem Amt der Besoldungsgruppe B 2 noch nicht mindestens zwei Jahre erhalten. Die versorgungsrechtliche Wartefristregelung sei auch auf Fälle anwendbar, in denen das neue Amt nicht durch Ernennung oder ernennungsähnlichen Akt, sondern unmittelbar aufgrund eines Gesetzes übertragen worden sei. Ob der Klägerin die ihr zuletzt gezahlten Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe B 2 tatsächlich zugestanden hätten oder sie bei zutreffender Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften in die Besoldungsgruppe A 16 hätte eingewiesen werden müssen, könne daher offen bleiben. Eine teleologische Reduktion der Wartefristbestimmung im Hinblick darauf, dass bei einer normativ angeordneten Stellenhebung die Gefahr einer Gefälligkeitsbeförderung nicht bestehe, sei nicht veranlasst. Die Bestimmung diene auch dem Zweck, die Versorgung von einem Mindestmaß nachhaltiger, dem Amt entsprechender Dienstleistung abhängig zu machen. 5 Mit der bereits vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. April 2016 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2014 sowie den Bescheid des Kommunalen Versorgungsverbands Brandenburg vom 7. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Ruhegehalt unter Zugrundelegung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe B 2 zu gewähren. 6 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). 8 Die von der Klägerin begehrte Festsetzung ihres Ruhegehalts unter Zugrundelegung ruhegehaltfähiger Dienstbezüge der Besoldungsgruppe B 2 setzt voraus, dass sie die Dienstbezüge dieses (oder eines mindestens gleichwertigen) Amtes vor dem Eintritt des Versorgungsfalls mindestens zwei Jahre erhalten hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt (1.). Eine Ausnahme für diejenigen Fallkonstellationen, in denen die Vergabe des höherwertigen Amtes auf eine gesetzlich angeordnete Stellenhebung zurückgeht, ist nicht geboten (2.). 9 1. Nach der versorgungsrechtlichen ""Wartefrist"" werden Dienstbezüge eines höherwertigen Amtes nur dann für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zugrunde gelegt, wenn der Beamte die Dienstbezüge dieses Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand mindestens zwei Jahre erhalten hat. 10 a) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens ist das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für diesen Fall geltende Recht (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 2 C 42.86 - BVerwGE 81, 175 <176>). Für die Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge der Klägerin ist danach, sofern - wie hier - Übergangsregelungen nicht einschlägig sind, das im Zeitpunkt ihres Eintritts in den Ruhestand geltende Recht heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 C 2.15 - BVerwGE 154, 253 Rn. 10). 11 Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand am 17. Dezember 2011 geltenden Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung im Land Brandenburg vom 21. November 2007 (GVBl. I S. 158, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2009, GVBl. I S. 26 - Beamtenversorgungsergänzungsgesetz - ) sind ruhegehaltfähig diejenigen aufgeführten Dienstbezüge, die dem Beamten zuletzt - und damit bei Eintritt des Versorgungsfalls - zugestanden haben. 12 Die damit auch einfach-rechtlich angeordnete Versorgung aus dem letzten Amt (vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Grundsatzes BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <379>) erfährt in § 2 Abs. 3 Satz 1 BeamtVErgG BB eine Einschränkung. Die § 5 Abs. 3 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetz des Bundes entsprechende Vorschrift ordnet an, dass ruhegehaltfähig nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes sind, wenn ein Beamter aus einem Amt in den Ruhestand getreten ist, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn oder das keiner Laufbahn angehört, und er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht mindestens zwei Jahre erhalten hat. 13 Abweichend von den Regelungen anderer Länder, in denen kommunale Wahlbeamte auf Zeit teilweise ausdrücklich vom Anwendungsbereich der versorgungsrechtlichen Wartefrist ausgenommen worden sind (vgl. etwa § 5 Abs. 3 Satz 4 SHBeamtVG vom 26. Januar 2012, GVOBl. Schl.-H. S. 153, 219), sieht das hier maßgebliche Landesrecht eine entsprechende Ausnahme nicht vor. Mit der ausdrücklichen Einbeziehung laufbahnfreier Ämter sollte die Wartefrist vielmehr auf alle Beamte erstreckt werden (vgl. zur entsprechenden Bundesvorschrift BR-Drs. 780/97 S. 38). 14 b) Die Klägerin ist aus dem laufbahnfreien (vgl. § 123 Abs. 2 LBG BB) Amt einer Bürgermeisterin der Besoldungsgruppe B 2 in den Ruhestand getreten. Entgegen der mit der Revision vertretenen Auffassung handelt es sich dabei um ein anderes Amt als das eines Bürgermeisters der Besoldungsgruppe A 15, das die Klägerin vor der Stellenhebung innehatte. 15 Der beamtenrechtliche Begriff des Amts im statusrechtlichen Sinne beschreibt die Rechtsstellung des Beamten. Das dem Beamten verliehene Amt bestimmt den wesentlichen Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen Dienstherrn und Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 28). Aus ihm folgen insbesondere die Ansprüche auf amtsangemessene Besoldung und Versorgung aus dem letzten Amt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 1/10 - NVwZ 2017, 392 Rn. 19). Bezugspunkt der versorgungsrechtlichen Regelungen ist deshalb das Amt im statusrechtlichen Sinn. 16 Dieses Amt wird durch die Amtsbezeichnung, das ihm vom Besoldungsgesetzgeber zugewiesene Endgrundgehalt und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahn oder Laufbahngruppe bestimmt (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2012 - 2 BvL 4/09 - BVerfGE 130, 52 <69>; BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 <183 f.>). Ein anderes Amt liegt deshalb auch vor, wenn die Zuordnung zu einer Besoldungsgruppe und damit das Endgrundgehalt eines Beamten geändert wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 1982 - 2 BvR 1261/79 - BVerfGE 62, 374 <389 f.>). 17 Angesichts ihrer grundlegenden Bedeutung und im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sind die Begründung und wesentliche Veränderung eines Beamtenverhältnisses mit besonderen Förmlichkeiten ausgestaltet. Maßnahmen, die das Rechtsverhältnis des Beamten berühren und damit seinen Status gestalten, setzen regelmäßig eine Ernennung voraus. Dies gilt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG auch für den hier vorliegenden Fall, in dem ein Amt mit anderem Grundgehalt verliehen wird. Entsprechend der vor Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes für die Fälle einer gleichbleibenden Amtsbezeichnung üblichen Praxis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 2 BvL 7/02 - NVwZ-RR 2004, 82 Rn. 18) ist der Klägerin hier das Amt einer Bürgermeisterin der Besoldungsgruppe B 2 offenbar durch die Mitteilung der Planstelleneinweisung übertragen worden. 18 c) Jedenfalls hat die Klägerin damit die Dienstbezüge aus dem Amt einer Bürgermeisterin der Besoldungsgruppe B 2 zu Recht erhalten. Denn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 des Besoldungsgesetzes für das Land Brandenburg (Brandenburgisches Besoldungsgesetz - BbgBesG -) bestimmt sich das Grundgehalt in dem Fall, in dem eine Amtsbezeichnung mehreren Besoldungsgruppen zugeordnet ist, nach der Besoldungsgruppe, die in der Einweisungsverfügung bestimmt ist. 19 Maßgeblich ist damit allein die Wirksamkeit der der Klägerin mit Bescheid vom 27. April 2010 mitgeteilten Einweisungsverfügung. Ob diese zutreffend erfolgt ist oder ob die Klägerin gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Einstufung der kommunalen Wahlbeamten auf Zeit durch die Gemeinden, Ämter und Landkreise des Landes Brandenburg in der Fassung vom 2. Februar 2010 (GVBl. II Nr. 7 - EinstVO BB) in die in § 2 Abs. 1 EinstVO BB festgelegte Mindestbesoldungsgruppe A 16 überzuleiten gewesen wäre - wofür das Fehlen einer Überleitungsvorschrift für die in § 2 Abs. 3 Satz 1 angeordnete Höherstufung spricht -, kann dahingestellt bleiben, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat. 20 Die Klägerin hat diese Dienstbezüge indes nicht mindestens zwei Jahre vor dem Eintritt in den Ruhestand erhalten. Ruhegehaltfähig sind deshalb nur die Dienstbezüge des vorher bekleideten Amtes einer Bürgermeisterin der Besoldungsgruppe A 15. 21 2. Die von der Revision befürwortete teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs für die Fälle, in denen die Vergabe des höherwertigen Amtes auf eine normativ (gesetzlich oder - wie hier - durch eine Rechtsverordnung) angeordnete Stellenhebung zurückgeht, ist nicht geboten. 22 a) Ein derartiges Erfordernis folgt zunächst nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 1952 - III ZR 1/51 - (BGHZ 4, 380). Dort ist zwar ausgesprochen, dass die Wartefrist keine Anwendung finden könne, wenn dem Beamten die Dienstbezüge der höheren Besoldungsgruppe infolge der Steigerung der Bevölkerungszahl ohne Weiteres zustünden. 23 Hintergrund dieser Rechtsprechung ist indes eine andere und seit langem nicht mehr aktuelle Rechtslage. Denn § 80 Abs. 2 des dort maßgeblichen Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) nahm ausdrücklich auf die Bezüge ""aus dem vor seiner Ernennung bekleideten Amt"" Bezug. Gerade auf die ausdrücklich erwähnte ""Ernennung"" hat der Bundesgerichtshof seine Auffassung maßgeblich gestützt. Die auf eine Ernennung Bezug nehmende Formulierung ist aber seit der in § 109 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) enthaltenen Fassung der Wartefristbestimmung entfallen. 24 Auch die weiteren Wortlaut-Anhaltspunkte für die Bezugnahme auf einen individuellen Amtsübertragungsakt sind zwischenzeitlich entfallen. So ist insbesondere auch die in § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG a.F. enthaltene Bezugnahme auf das dem Beamten ""später übertragene Amt"" durch Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666) mit Wirkung vom 1. Januar 1999 aufgehoben worden. Die im Wortlaut der Wartefristregelung ursprünglich enthaltenen normativen Anknüpfungspunkte für die Annahme einer Einschränkung auf individuelle Amtsübertragungen sind damit allesamt gestrichen. 25 b) Eine einschränkende Auslegung ergibt sich auch nicht aus der Zweckbestimmung der Wartefristregelung. 26 Richtig ist allerdings, dass bei einer Überleitung in ein Amt der höheren Besoldungsgruppe unmittelbar aufgrund gesetzlicher Bestimmung ein wesentlicher Grund für die versorgungsrechtliche Wartefrist entfällt. Denn eine ""Gefälligkeitsbeförderung"" unmittelbar vor Ruhestandseintritt, der mit der Wartefristregelung entgegen gewirkt werden soll, ist im Falle einer auf Gesetz beruhenden Beförderung durch Stellenhebung nicht zu besorgen. 27 Mit der Wartefrist wird indes auch die Voraussetzung statuiert, dass eine versorgungsrechtliche Anerkennung der Beförderung oder anderweitigen Statusamtsverleihung nur erfolgen soll, wenn ein zeitliches Mindestmaß an Dienstleistung in dem zuletzt bekleideten Amt erbracht worden, der Status also gleichsam ""erdient"" und so zum nachhaltigen Ausgangspunkt der amtsgemäßen Versorgung geworden ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1982 - 2 BvL 14/78 u.a. - BVerfGE 61, 43 <61> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <383>; BVerwG, Urteile vom 27. Juni 1986 - 6 C 131.80 - BVerwGE 74, 303 <307>, vom 22. September 1993 - 2 C 8.92 - BVerwGE 94, 168 <170> und vom 17. März 2016 - 2 C 2.15 - BVerwGE 154, 253 Rn. 15). 28 Durch die sukzessive Streichung verschiedener Anrechnungsvorschriften und Ausnahmemöglichkeiten wird dabei mittlerweile in allen Fällen auf das statusrechtliche Amt abgestellt und nicht an eine entsprechende Dienstleistung angeknüpft. Diese Ausdehnung der Wartefrist war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der eine Anwendung auf alle Beamte erreichen wollte (vgl. BR-Drs. 780/97 S. 38). Maßgeblich ist nach dem im Streitfall anzuwendenden (und unverändert geltenden) Wortlaut der Beamtenversorgungsgesetze nur noch, ob der Beamte die (höheren) Dienstbezüge mindestens zwei Jahre vor dem Eintritt in den Ruhestand erhalten hat. 29 Die fehlende Ausnahmeregelung für Fälle, in denen eine Gefälligkeitsbeförderung ausgeschlossen werden kann, darf daher nicht im Wege der Auslegung von den Gerichten geschaffen werden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 14. September 1998 - 6 A 5999/96 - ZBR 2000, 99 Rn. 9 f; OVG Weimar, Urteil vom 11. Februar 2003 - 2 KO 548/01 - juris Rn. 95 f.; zur fehlenden Ausnahmemöglichkeit für Stellenhebungen auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. November 1996 - 2 L 383/95 - juris Rn. 9). Dies gilt im Hinblick auf den strikten Gesetzesvorbehalt im Beamtenbesoldungs- und -versorgungsrecht in besonderer Weise (BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 2.13 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 13 Rn. 20 ff.). 30 Der von der Revision geforderten teleologischen Reduktion stehen deshalb nicht nur der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen, sie wäre vielmehr auch mit dem Gesetzeszweck unvereinbar, die versorgungsrechtliche Relevanz erst ab einem zeitlichen Mindestmaß der Dienstleistung in dem zuletzt bekleideten Amt anzuerkennen. 31 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-27,13.04.2017,"Pressemitteilung Nr. 27/2017 vom 13.04.2017 EN EuGH soll über die Zulässigkeit von Planerhaltungsvorschriften bei UVP-pflichtigen Bebauungsplänen entscheiden Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Beschluss vom 14. März 2017 den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten, ob nationale Vorschriften über die Planerhaltung von Bebauungsplänen den Anforderungen des Unionsrechts genügen. Die Entscheidung ist in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan ergangen. Dieser schafft die planungsrechtliche Voraussetzung für vier Windenergieanlagen, die neben einem bestehenden Windpark mit 19 Windenergieanlagen errichtet werden sollen. Der Plan war nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich in einem Punkt zu beanstanden: Die Gemeinde hatte die Öffentlichkeit bei der Aufstellung des Plans beteiligt, die Bekanntmachung über die Auslegung des Planentwurfs genügte aber den gesetzlichen Anforderungen nicht. Es fehlten hinreichende Angaben, welche umweltbezogenen Informationen bei der Gemeinde verfügbar waren. Nach nationalem Recht wäre dieser Verfahrensfehler nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden, weil er trotz entsprechender Belehrung nicht innerhalb eines Jahres gegenüber der Gemeinde gerügt worden war. Damit wäre der Normenkontrollantrag abzulehnen gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch Klärungsbedarf gesehen, ob § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in diesem Fall mit der UVP-Richtlinie vereinbar ist. Der Bebauungsplan soll die Zulässigkeit eines Vorhabens begründen, das einer Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegt. In einem solchen Fall wird die UVP als Umweltprüfung nach dem BauGB durchgeführt. Eine Vorprüfung entfällt. Im damit eröffneten Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie verlangt Art. 11 Abs. 1 UVP-RL einen Zugang zu einem Gericht (oder einer anderen Stelle), um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit eines Hoheitsaktes anzufechten. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 (C-137/14 Rn. 76 f.) beschränkt Art. 11 Abs. 1 UVP-RL aber nicht die Gründe, die mit einem Rechtsbehelf geltend gemacht werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hält es für denkbar, in § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB eine mit Art. 11 Abs. 1 UVP-RL unvereinbare Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle zu sehen. Es hat daher den Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens um Klärung gebeten. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsverfahren ausgesetzt. Fußnote: Vorlagefrage: Ist Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) so auszulegen, dass die Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Rechtsverstoß bei der Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch eine gemeindliche Satzung für unbeachtlich erklärt, wenn dieser Verstoß trotz entsprechender Belehrung nicht binnen eines Jahres nach der Bekanntgabe des Plans gegenüber der Gemeinde gerügt worden ist und für den Bebauungsplan die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit gelten? BVerwG 4 CN 3.16 - Beschluss vom 14. März 2017 Vorinstanz: OVG Lüneburg, 12 KN 265/13 - Urteil vom 30. Juli 2015 -","Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union, ob Art. 11 UVP-RL (juris: EURL 92/2011) der Anwendung des § 215 Abs. 1 BauGB entgegensteht, wenn der Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens sich gegen einen Bebauungsplan wendet, durch den die Zulässigkeit eines Vorhabens begründet werden soll, das jedenfalls UVP-vorprüfungspflichtig ist. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:Ist Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) - UVP-Richtlinie (UVP-RL) so auszulegen, dass die Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Rechtsverstoß bei der Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans durch eine gemeindliche Satzung für unbeachtlich erklärt, wenn dieser Verstoß trotz entsprechender Belehrung nicht binnen eines Jahres nach der Bekanntgabe des Plans gegenüber der Gemeinde gerügt worden ist und für den Bebauungsplan die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit gelten? Gründe IDie Frage stellt sich in einem Streit zwischen einem Grundstückseigentümer und einer Gemeinde über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans. Das Plangebiet schließt räumlich an einen auf der Grundlage weiterer Bebauungspläne errichteten Windpark mit 19 Windenergieanlagen an. Er schafft die bauplanungsrechtliche Grundlage für jedenfalls vier weitere Windenergieanlagen. Deren Höhe ist auf 120 m begrenzt. Die Errichtung anderer Bauwerke ist untersagt. Der Antragsteller bekämpft den Plan, weil er auf einem Teil seines im Plangebiet gelegenen Grundstücks eine Schweinemastanlage errichten will.Im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan hatte die Gemeinde die Öffentlichkeit beteiligt. Zu diesem Zweck gab die Gemeinde im Juni 2012 im Amtsblatt des Landkreises die Auslegung des Planentwurfs und weiterer Unterlagen bekannt. Diese Bekanntgabe verfehlte die gesetzlichen Anforderungen. Denn es waren zwar die ausliegenden Unterlagen bezeichnet. Es fehlte aber an ausreichenden Hinweisen, welche umweltbezogenen Themen in diesen Unterlagen behandelt werden. Dieser Fehler ist beachtlich nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Die Gemeinde beschloss den Bebauungsplan im Dezember 2012 und gab ihn bekannt. Sie wies darauf hin, dass eine Verletzung einer nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtlichen Verfahrens- oder Formvorschrift unbeachtlich werde, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sei. Der Fehler bei der Bekanntmachung der Auslegung wurde gegenüber der Gemeinde innerhalb dieser Frist nicht gerügt.Der Antragsteller wendet sich gegen den Plan mit einem zulässigen Normenkontrollantrag. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt (OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2015 - 12 KN 265/13). Das vorlegende Gericht ist zur Entscheidung über die Revision berufen.IIDie auf den Fall anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften:1. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3106)§ 47(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, ...[...].(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, [...] innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. [...]2. Baugesetzbuch (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722)§ 2 Aufstellung der Bauleitpläne(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; [...]§ 3 Beteiligung der Öffentlichkeit(2) Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sind mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen; [...]§ 10 Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.§ 214 Beachtlichkeit der Verletzung von Vorschriften über die Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Satzungen; ergänzendes Verfahren(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn [...]2. die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 2 [...] verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn [...] einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben [...][...](4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.§ 215 Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften(1) Unbeachtlich werden1. eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften, [...]wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. [...](2) Bei Inkraftsetzung [...] der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.3. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2749)§ 2 Begriffsbestimmungen(1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. [...](3) Entscheidungen im Sinne des Abs. 1 Satz 1 sind [...]3. Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, [...]§ 3e Änderungen und Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben(1) Die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht auch für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn [...]2. eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; [...]§ 17 Aufstellung von Bauleitplänen(1) Werden Bebauungspläne im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3, insbesondere bei Vorhaben nach den Nummern 18.1 bis 18.9 der Anlage 1, aufgestellt, geändert oder ergänzt, wird die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls nach § 2 Abs. 1 Satz 1 bis 3 sowie den §§ 3 bis 3f im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Abweichend von Satz 1 entfällt eine nach diesem Gesetz vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, wenn für den aufzustellenden Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs, die zugleich den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht, durchgeführt wird.[...](3) Wird die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan und in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren durchgeführt, soll die Umweltverträglichkeitsprüfung im nachfolgenden Zulassungsverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden.III1. Die Frage ist entscheidungserheblich. Gemäß nationalem Recht muss die Revision des Antragstellers erfolglos bleiben. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist der Bebauungsplan inhaltlich nicht zu beanstanden. Unionsrechtliche Fragen stellen sich insoweit nicht. Auch in formeller Hinsicht ist der Plan im Wesentlichen ordnungsgemäß. Der Gemeinde ist aber im Aufstellungsverfahren ein Fehler unterlaufen, der zur Unwirksamkeit des Plans führt. Nach nationalem Recht erstreckt sich die gerichtliche Prüfung auf diesen Fehler nicht.Die Bekanntmachung der Gemeinde zur öffentlichen Auslegung des Planentwurfs verstieß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme (ABl. L 156 S. 17). § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB verlangt, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und in der ortsüblichen Bekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 Rn. 23). Daran fehlte es. Dieser nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtliche Verfahrensfehler ist nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden. Denn niemand hat ihn innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans gegenüber der Gemeinde gerügt. Auf die Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit eines nicht fristgerecht gerügten Verfahrensfehlers hatte die Gemeinde nach § 215 Abs. 2 BauGB ordnungsgemäß hingewiesen.Bei Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB müsste das vorlegende Gericht die Revision zurückweisen. Steht Unionsrecht der Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegen, müsste das vorlegende Gericht den Bebauungsplan für unwirksam erklären.2. Der Senat hat Zweifel, ob Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) - UVP-Richtlinie (UVP-RL) so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB entgegensteht.Nach Art. 11 Abs. 1 UVP-RL stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der UVP-RL über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.a) Für den angegriffenen Bebauungsplan gelten die Bestimmungen der UVP-RL über die Öffentlichkeitsbeteiligung. Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen) sind Vorhaben nach Ziff. 3 Buchst. i des Anhangs II der UVP-RL. Bei diesen Projekten bestimmen die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 UVP-RL, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 UVP-RL unterzogen werden muss. Die Erweiterung des vorhandenen Windparks bedurfte gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG einer Vorprüfung des Einzelfalls, mit der über die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entschieden wurde. Der angegriffene Bebauungsplan war nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UVPG eine Entscheidung über die Zulässigkeit dieses Vorhabens, weil er eine Standortentscheidung für die Zulässigkeit eines bestimmten, hinreichend konkreten Vorhabens traf und sich nicht in einer Angebotsplanung erschöpfte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 14. Oktober 2014 - 8 C 10233/14 - NVwZ-RR 2015, 205 Rn. 37). Die Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Vorprüfung des Einzelfalls wurde daher nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UVPG im Aufstellungsverfahren als Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 4 BauGB nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UVPG entfiel abweichend von § 17 Abs. 1 Satz 1 UVPG die vorgeschriebene Vorprüfung des Einzelfalls, weil für den Bebauungsplan eine Umweltprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs durchgeführt wurde, die den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entsprach. Damit unterstellt der nationale Gesetzgeber Bebauungspläne den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nach der UVP-RL, die - wie der verfahrensgegenständliche Plan - die Zulässigkeit eines Vorhabens begründen, das nach dem Ergebnis einer Vorprüfung einer Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen kann.b) Art. 11 Abs. 1 UVP-RL verlangt einen Zugang zu einem Gericht (oder einer anderen Stelle), um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit eines solchen Hoheitsaktes anzufechten. Die Vorschrift beschränkt dabei keineswegs die Gründe, die mit einem Rechtsbehelf nach dieser Vorschrift geltend gemacht werden können. Auch Art. 11 Abs. 4 UVP-RL lässt eine solche Beschränkung nicht zu (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 76 f.).§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beschränkt nicht von vornherein die Gründe, auf die ein Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gestützt werden kann. Ein Normenkontrollantrag ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres nach der Bekanntmachung des Bebauungsplans zulässig. Innerhalb dieser Frist ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB beachtlich. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB lässt einen Verstoß unbeachtlich werden, wenn weder der Antragsteller noch irgendjemand sonst den Fehler binnen der Frist eines Jahres nach der Bekanntmachung des Plans gegenüber der Gemeinde hinreichend substantiiert rügt. Die Rüge kann auch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen werden. Die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB verlangt aber auch in diesem Fall, dass die Rüge innerhalb dieser Frist bei der Gemeinde eingeht. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beschränkt also nicht die Gründe, auf welche ein Rechtsbehelf bei seiner Erhebung gestützt werden kann. Die Norm verhindert aber die gerichtliche Prüfung von bestimmten Gründen, die gegenüber der Gemeinde nicht fristgerecht geltend gemacht wurden. Auf diese Gründe kann die Entscheidung über den Normenkontrollantrag - wie auch jede sonstige gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit des Bebauungsplans - nicht mehr gestützt werden, wenn sie nach Fristablauf ergeht.Der Europäische Gerichtshof wird um Klärung gebeten, ob Art. 11 Abs. 1 UVP-RL so auszulegen ist, dass er einer solchen Regelung entgegensteht. Dies wird im Schrifttum im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 75 ff. angenommen (Berkemann, DVBl. 2016, 205 <214>; Bunge, NuR 2016, 11 <18>; Schlacke, in: Hebeler/Hofmann/Proelß/Reiff , Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2016, S. 173 <191>; Uechtritz, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, § 215 Rn. 6a.1).c) Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts sollte Art. 11 Abs. 4 UVP-RL erwogen werden. Die Norm schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.Die Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB dient der verwaltungsbehördlichen Überprüfung. Die Gemeinde soll auf die Rüge hin prüfen, ob sie Anlass hat, einen Fehler in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB zu beheben. Die Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB ist allerdings kein Erfordernis, um ein gerichtliches Normenkontrollverfahren einzuleiten. Für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags spielt sie keine Rolle. Das Überprüfungsverfahren nach § 215 Abs. 1 BauGB braucht dem gerichtlichen Verfahren daher nicht vorauszugehen und tut dies in der Regel auch nicht. Rügen nach § 215 Abs. 1 BauGB werden in der Praxis vielmehr überwiegend bei Einleitung oder während des Normenkontrollverfahrens erhoben.Ungeachtet dieser Abweichungen von Art. 11 Abs. 4 UVP-RL dient § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB einem Zweck, den die Richtlinie billigt. Art. 11 Abs. 4 UVP-RL berechtigt den Mitgliedstaat, das verwaltungsbehördliche Überprüfungsverfahren innerhalb einer bestimmten Frist zu eröffnen, Verwaltungsakte nach Fristablauf bestandskräftig werden zu lassen und so gerichtlicher Überprüfung zu entziehen. Diesen Weg wählt der nationale Gesetzgeber bei Bebauungsplänen nicht. Solche Pläne werden nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen. Bei beachtlichen Rechtsverstößen sind sie von Beginn an und zeitlich unbegrenzt unwirksam. Dies gilt unabhängig vom Gewicht eines Verstoßes und bei Verfahrensfehlern unabhängig davon, ob sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB schränkt diese Grundsätze ein. Beschränkt auf bestimmte Rechtsverstöße, etwa solche des Verfahrensrechts, wirkt die Vorschrift vergleichbar einer Regelung über die Bestandskraft von Verwaltungsakten. Denn sie entzieht Rechtsverstöße der gerichtlichen Prüfung. Unterbleibt eine Rüge, sind nach Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans nur noch bestimmte Fehler beachtlich. Dies sind insbesondere inhaltliche Fehler wie das Fehlen der städtebaulichen Erforderlichkeit, unzulässige Festsetzungsinhalte und Fehler im Abwägungsergebnis.§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB erscheint damit als Regelung innerhalb des von Art. 11 Abs. 4 UVP-RL eröffneten Spielraums: Art. 11 Abs. 4 UVP-RL gestattet dem Mitgliedstaat, einen Hoheitsakt nach Ablauf von Fristen für behördliche Überprüfungsverfahren der gerichtlichen Kontrolle vollständig zu entziehen. Dahinter bleibt § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zurück. Denn die Norm entzieht den Hoheitsakt nicht vollständig der gerichtlichen Kontrolle, sondern nur hinsichtlich einzelner Rechtsverstöße.d) Das vorlegende Gericht hält § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB aus Gründen der Rechtssicherheit für gerechtfertigt. Der Europäische Gerichtshof hat es nicht für erwiesen gehalten, dass eine umfassende Kontrolle der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dem Grundsatz der Rechtssicherheit abträglich sein könnte (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683_1] - Rn. 79). Generalanwalt Wathelet hat in seinem Schlussantrag vom 21. Mai 2015 in der Sache C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:344_1] insoweit die Ausschlussfristen für die gerichtliche Anfechtung von Entscheidungen der Verwaltungsbehörde für ausreichend gehalten (Rn. 118). Bei Bebauungsplänen führt der Ablauf der Ausschlussfrist für den Normenkontrollantrag indes nicht zur Rechtssicherheit. Denn auch nach Ablauf der Frist kann in jedem gerichtlichen Verfahren, etwa beim Streit um Baugenehmigungen, die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans geltend gemacht werden.§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB hat für die Rechtssicherheit besondere Bedeutung, wenn eine verbreitete Verwaltungsübung gemessen an späteren höchstrichterlichen Entscheidungen mangelhaft erscheint. So entsprach vorliegend die Auslegungsbekanntmachung der Gemeinde im Jahr 2012 der damals üblichen Praxis. Weitergehende rechtliche Anforderungen formulierte das Bundesverwaltungsgericht erstmals in seinem Urteil vom 18. Juli 2013 (4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 Rn. 23). Im Lichte dieser Rechtsprechung dürfte eine Vielzahl von zuvor erlassenen Bebauungsplänen an einem Mangel im Aufstellungsverfahren leiden. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gewährleistet, dass ein solcher Mangel nicht noch nach Jahren in einem gerichtlichen Verfahren erstmals geltend gemacht und die planungsrechtliche Grundlage für bereits errichtete Gebäude wieder in Zweifel gezogen werden kann. Entsprechend hat der Vertreter des Bundesinteresses in Übereinstimmung mit der Bundesregierung auf die Bedeutung des § 215 BauGB für die Investitionssicherheit in Deutschland hingewiesen.e) Die Rügeobliegenheit nach § 215 Abs. 1 BauGB genügt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts auch im Übrigen dem Unionsrecht.Soweit unionsrechtliche Vorschriften fehlen, ist es Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die der entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:EU:C:2011:289] - Rn. 43). Dem genügt § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Die Norm behandelt Verstöße gegen Vorschriften, die ihren Ursprung im Unionsrecht haben, nicht anders als Verstöße gegen Vorschriften aus dem nationalen Recht. Auch das Gebot der Effektivität ist beachtet. Die Rügefrist ist mit einem Jahr ausreichend bemessen. Zudem ist die Gemeinde nach § 215 Abs. 2 BauGB verpflichtet, bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen. Unterbleibt ein solcher Hinweis, tritt die Rechtsfolge des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht ein. Dies stellt sicher, dass die Betroffenen ihre Rügeobliegenheit effektiv wahrnehmen können." bverwg_2017-3,30.01.2017,"Pressemitteilung Nr. 3/2017 vom 30.01.2017 EN Verpflichtungsgeber haftet für die Lebensunterhaltskosten von Bürgerkriegsflüchtlingen auch nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Das Aufenthaltsgesetz ermöglicht die Einreise von Ausländern, bei denen sich ein Dritter verpflichtet hat, die Kosten des Lebensunterhalts zu tragen (§ 68 Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Wird eine solche Verpflichtungserklärung zur Ermöglichung der Einreise syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge im Rahmen einer Landesaufnahmeanordnung und damit zu einem humanitären Schutzzweck abgegeben, führt die Anerkennung als Flüchtling unter Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis nicht zu einem anderen Aufenthaltszweck und verpflichtet weiterhin zur Erstattung von Sozialleistungen, die Begünstigte in der Folgezeit bezogen haben. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig entschieden. Die Kläger sind die Erben eines in Deutschland lebenden syrischen Staatsangehörigen, der sich durch Unterzeichnung formularmäßiger Erklärungen verpflichtet hatte, für den Lebensunterhalt seiner Nichte, ihres Ehemannes und deren Kindes ""bis zur Beendigung des Aufenthalts … oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck"" aufzukommen. Dies sollte deren Einreise ermöglichen. Die Verwandten reisten im Juni 2014 mit einem Visum aus Syrien in das Bundesgebiet ein und erhielten Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der Aufnahmeanordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen betreffend syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. Im Dezember 2014 erkannte ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf die von ihnen gestellten Asylanträge die Flüchtlingseigenschaft zu. Das beklagte Jobcenter forderte mit Leistungsbescheid vom 3. September 2015 von dem Verpflichtungsgeber die Erstattung von 8.832,75 Euro, die es für seine drei Verwandten im Zeitraum vom 11. Februar 2015 bis 31. August 2015 nach dem SGB II aufgewendet hatte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Erstattungsbescheid abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Der 1. Revisionssenat stützt seine Entscheidung darauf, dass die nach der Flüchtlingsanerkennung erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht zu einem „anderen Aufenthaltszweck“ erteilt worden sind. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, der seit August 2016 ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung in diesen Fällen ausdrücklich ausschließt. Denn diese Vorschrift ist auf den Streitfall noch nicht anwendbar. „Aufenthaltszweck“ im Sinne der abgegebenen Verpflichtungserklärung ist indes in einem weiteren Sinne zu verstehen und nicht notwendig auf den jeweiligen „Aufenthaltstitel“ beschränkt. Die durch die Verpflichtungserklärung ermöglichte Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG hat mit dem Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien ebenso humanitären Schutzzwecken gedient wie die der Gewährung internationalen Schutzes durch Flüchtlingsanerkennung nachfolgende Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen der Verpflichtungserklärung ist für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem „Aufenthaltszweck“ im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels II des Aufenthaltsgesetzes auszugehen. „Aufenthaltszweck“ im Sinne der Verpflichtungserklärung umfasst daher jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift - vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind. Die Unterschiede der einzelnen Aufenthaltserlaubnisse bei den Gewährungsvoraussetzungen und den Rechtsfolgen verändern hier qualitativ nicht den gemeinsamen, übergreifenden Aufenthaltszweck. Auch sonst sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in der Erklärung ein hiervon abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden wäre. Unionsrecht steht der Inanspruchnahme des Verpflichtungsgebers nicht grundsätzlich entgegen. Die Erstattungsforderung ist im konkreten Fall auch nicht unverhältnismäßig. BVerwG 1 C 10.16 - Urteil vom 26. Januar 2017 Vorinstanz: VG Düsseldorf, 22 K 7814/15 - Urteil vom 01. März 2016 -","Urteil vom 26.01.2017 - BVerwG 1 C 10.16ECLI:DE:BVerwG:2017:260117U1C10.16.0 EN Verpflichtungsgeber haftet für die Lebensunterhaltskosten von Bürgerkriegsflüchtlingen auch nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Leitsätze: 1. Bei einer Verpflichtungserklärung, mit der sich eine Privatperson zur Ermöglichung der Einreise von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen verpflichtet hat, für deren Lebensunterhalt aufzukommen, ist für die Bestimmung des ""Aufenthaltszwecks"" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen. 2. Die zur Ermöglichung einer Einreise als Bürgerkriegsflüchtling nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit einer Landesaufnahmeanordnung abgegebene Verpflichtungserklärung erlischt nicht durch nachfolgende Anerkennung des Begünstigten als Flüchtling und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, denn beide Aufenthaltserlaubnisse sind solche aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen im Sinne des Kapitels 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes. Ihnen liegt derselbe Aufenthaltszweck zugrunde. 3. Gegen die Fortdauer der Haftung aus einer derartigen Verpflichtungserklärung nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen unter dem Gesichtspunkt des Unions- und Völkerrechts keine grundsätzlichen Bedenken. Rechtsquellen AufenthG § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 51 Abs. 1 Nr. 8, §§ 68, 68a Richtlinie 2011/95/EU Art. 29 GFK Art. 23 SGB II § 9 Abs. 1 Instanzenzug VG Düsseldorf - 01.03.2016 - AZ: VG 22 K 7814/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.01.2017 - 1 C 10.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:260117U1C10.16.0] Urteil BVerwG 1 C 10.16 VG Düsseldorf - 01.03.2016 - AZ: VG 22 K 7814/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 1. März 2016 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner. Gründe I 1 Die Kläger sind die Erben eines verstorbenen syrischen Staatsangehörigen (im Folgenden: Verpflichtungsgeber), der durch Abgabe von Verpflichtungserklärungen nach § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Einreise von drei Familienangehörigen aus Syrien ermöglicht hatte. Sie wenden sich gegen ihre Inanspruchnahme zur Erstattung von Sozialleistungen, die der Beklagte diesen Familienangehörigen gewährt hat. 2 Der Verpflichtungsgeber, ein in Deutschland lebender Arzt im Ruhestand, verpflichtete sich am 6. März 2014 durch Unterzeichnung einer formularmäßigen Verpflichtungserklärung gegenüber der Ausländerbehörde des H., für den Lebensunterhalt seiner Nichte, ihres Ehemannes und ihres Kindes, die sämtlich syrische Staatsangehörige sind, aufzukommen. Damit sollte die Einreise der drei genannten Personen auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK NRW) betreffend die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge (Erlass vom 26. September 2013 - Az.: 15-39.12.03-1-13-100 - und Folgeerlasse) ermöglicht werden. Die Verpflichtung sollte am Tag der voraussichtlichen Einreise beginnen und fortdauern ""bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck"". Durch besonderen Stempelaufdruck ausgenommen war die Haftung für Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), die nach der Anordnung des MIK NRW vom 26. September 2013 von den zuständigen Behörden getragen werden sollten; auch sonst war die Erstattung öffentlicher Mittel ausgenommen, die für die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden. 3 Die Angehörigen des Verpflichtungsgebers erhielten am 3. April 2014 ein nationales Visum zum längerfristigen Aufenthalt nach § 6 Abs. 3 AufenthG und reisten am 23. Juni 2014 erstmals in das Bundesgebiet ein. Mit Wirkung vom 10. Juli 2014 wurde ihnen aufgrund der Aufnahmeordnung des MIK NRW eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt. Diese war für die Nichte des Verpflichtungsgebers und ihr Kind bis zum 22. Juni 2016 und für ihren Ehemann bis zum 3. Oktober 2015 befristet. 4 Im November 2014 stellten die drei Familienmitglieder Asylanträge. Mit Bescheiden vom 10. bzw. 17. Dezember 2014 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihnen die Flüchtlingseigenschaft zu. Die Stadt Mö. erteilte ihnen daraufhin am 9. Februar 2015 jeweils eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Ab dem 11. Februar 2015 erhielten sie durch das beklagte Jobcenter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). 5 Mit Schreiben vom 18. März 2015 widerrief der Verpflichtungsgeber seine Verpflichtungserklärungen gegenüber dem beklagten Jobcenter, da er sich wegen der veränderten Aufenthaltssituation seiner Verwandten nicht länger an seine Erklärungen gebunden fühle. 6 Mit Leistungsbescheid vom 3. September 2015 verlangte der Beklagte von dem Verpflichtungsgeber die Erstattung von 8 832,75 €, die er für die Begünstigten im Zeitraum vom 11. Februar 2015 bis zum 31. August 2015 nach dem SGB II (Regelbedarfe, Mehrbedarfe Energie/Warmwasser sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung) aufgewendet hatte. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Verpflichtungsgebers wies das Jobcenter als unbegründet zurück. 7 Hiergegen haben die Kläger als Erben des Verpflichtungsgebers Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. März 2016 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger seien nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Erben des Verpflichtungsgebers zur Erstattung der erbrachten Leistungen verpflichtet. Die Verpflichtungserklärungen seien hinreichend bestimmt und weiterhin wirksam. Zeitlich begrenzt werde die übernommene Verpflichtung u.a. durch die Ersetzung des Aufenthaltszwecks durch einen anderen, für den ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wird. Aus der bei der Auslegung ergänzend heranzuziehenden Aufnahmeanordnung des MIK NRW vom 26. September 2013 ergebe sich, dass der Zweck des Aufenthalts der Angehörigen des Verpflichtungsgebers nach § 23 AufenthG darin bestanden habe, in Deutschland Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Dieser Zweck bestehe unverändert fort. Ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG ein anderer Zweck zugrunde liege, sei unerheblich. Denn dieser lasse den bisherigen Aufenthaltszweck vorliegend jedenfalls nicht entfallen, sondern trete gegebenenfalls ergänzend hinzu. Die Fortgeltung der Verpflichtungserklärungen verstoße nicht gegen völker- und unionsrechtliche Regelungen. Die Verpflichtungserklärungen seien auch nicht durch den einseitigen ""Widerruf"" des Verpflichtungsgebers erloschen. Art und Höhe der geltend gemachten Kosten entsprächen dem Haftungsumfang aus den Verpflichtungserklärungen und seien nicht unverhältnismäßig. 8 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletze allgemein anerkannte Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB), § 68 AufenthG und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Wirksamkeit der hier streitigen Verpflichtungserklärung sei bereits nach ihrem Wortlaut (...""bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck"") auf den Zeitpunkt der Erteilung von Titeln nach § 25 Abs. 2 AufenthG begrenzt. Denn die Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 2 AufenthG seien zweifellos verschiedene und setzten tatbestandlich jeweils einen anderen Aufenthaltszweck voraus. Die Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch das Verwaltungsgericht widerspreche auch deren Erklärungsinhalt und dem mit ihnen verfolgten Zweck. Nach den Aufnahmeanordnungen des MIK NRW bezögen sich diese nur auf eine vorübergehende Aufnahme im Rahmen dieser Anordnungen; Aufenthaltstitel würden für höchstens zwei Jahre erteilt und gegebenenfalls nach § 8 AufenthG verlängert. Darauf habe der Verpflichtungsgeber vertrauen können. Grundlage seiner Erklärung sei gewesen, dass er die primäre direkte Unterhaltsgewährung an die Begünstigten nach seinen eigenen Möglichkeiten kostengünstig gestalten könne und dass zu erstattende öffentliche Leistungen nur in begrenztem Umfang anfielen, weil eine eventuelle Leistungsberechtigung allenfalls nach den minderen Bedarfssätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes entstehen könne. Der Aufenthaltstitel nach § 23 AufenthG erlösche bereits mit der Stellung des Asylantrags (§ 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG). Infolge der asylverfahrensrechtlichen Zuweisung nach Mö. habe der Verpflichtungsgeber seinen Angehörigen nicht mehr freie Kost und Logis in seinem Eigentum in Me. gewähren können. 9 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten bei. II 11 Der Senat entscheidet über die Revision mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). 12 Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungserklärungen zwar unter Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) dahin ausgelegt, dass die Haftung bis zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien fortdauert, ohne dass es darauf ankommt, ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, die die Begünstigten nach Anerkennung als Flüchtlinge erhalten haben, ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liegt als den Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 AufenthG. Die klageabweisende Entscheidung stellt sich aber im Ergebnis gleichwohl als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil sich der von den Begünstigten ursprünglich verfolgte Aufenthaltszweck durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht verändert hat. 13 1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zutreffend für zulässig gehalten. Die Kläger sind als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig und gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil sie für die Nachlassverbindlichkeiten des Verpflichtungsgebers als Gesamtschuldner haften (§ 1922 Abs. 1, § 1967, § 2032 Abs. 1, § 2058 BGB). Die Zahlungspflicht aus dem angefochtenen Bescheid zählt zu den Nachlassverbindlichkeiten, da sie zu Lebzeiten des Erblassers entstanden ist. 14 Das beklagte Jobcenter ist ebenfalls nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig; denn es steht einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich (vgl. näher BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - NJW 2011, 2538 Rn. 11). Auch wenn es selbst als Behörde tätig wird (vgl. § 44b Abs. 1 Satz 3 SGB II) und eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger (kreisfreie Städte und Kreise) darstellt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 6d, § 44b Abs. 1 SGB II), wird es in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als möglicher Klagegegner im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO behandelt (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 20.15 - juris Rn. 8). 15 Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass vor ihrer Erhebung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist, das in Fällen der vorliegenden Art nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW entbehrlich ist. Die Klagefrist ist ungeachtet dessen in jedem Fall gewahrt. Denn die Klage ist innerhalb eines Jahres nach der Bekanntgabe des mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruch) versehenen Ausgangsbescheids erhoben worden (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO). Soweit der - nicht vorgesehene - Widerspruchsbescheid in einen Zweitbescheid umzudeuten sein sollte (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 14 A 273/12 - juris Rn. 2 zustimmend Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 24), wäre auch eine durch seine Zustellung in Gang gesetzte Klagefrist von einem Monat vorliegend eingehalten. 16 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der auf § 68 AufenthG gestützte Leistungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vom Verpflichtungsgeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen sind formwirksam und erstrecken sich in sachlicher Hinsicht auf die hier zu erstattenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (a). Die damit begründete Haftung dauerte in dem hier in Rede stehenden Leistungszeitraum noch an. Sie wurde insbesondere nicht dadurch beendet, dass den Begünstigten zuvor die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist und sie entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten haben (b). Die Heranziehung des Verpflichtungsgebers ist auch nicht unverhältnismäßig (c). 17 Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 Rn. 12 und vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 9). Maßgeblich ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460), soweit nicht späteren Änderungen zulässigerweise Rückwirkung auf den maßgeblichen Zeitpunkt zukommt. Letzteres ist hier nach Maßgabe der zum 6. August 2016 in Kraft getretenen Übergangsvorschrift des § 68a Satz 1 AufenthG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 - AufenthG n.F.) der Fall. 18 Danach beruht die Erstattungsforderung des Beklagten auf § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 i.V.m. § 68a Satz 1 AufenthG n.F. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. hat, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentliche Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. § 68a Satz 1 AufenthG n.F. erstreckt die Anwendbarkeit von § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG n.F. rückwirkend auf vor dem 6. August 2016 abgegebene Verpflichtungserklärungen, jedoch mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von drei Jahren tritt. 19 Hinsichtlich der Formvoraussetzungen der Verpflichtungserklärung gilt weiterhin § 68 Abs. 2 AufenthG a.F., der im Übrigen durch die Neuregelung nicht verändert worden ist. Danach bedarf die Verpflichtung der Schriftform; sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 8). 20 a) Die vom Verpflichtungsgeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen wahren die Schriftform. Das Verwaltungsgericht hat sie der Sache nach dahin ausgelegt, dass sie eine Erstattungspflicht auch für Unterhaltsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch begründen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal derartige Leistungen in der Erklärung ausdrücklich als von der Verpflichtung umfasst aufgeführt sind. 21 b) Die damit begründete Haftung aus den Verpflichtungserklärungen dauerte in dem hier in Rede stehenden Leistungszeitraum weiterhin an. Die gesetzliche Höchstdauer von - in Übergangsfällen - drei Jahren ist vorliegend nicht erreicht. Die Verpflichtung wurde auch nicht dadurch beendet, dass den Begünstigten vor dem einschlägigen Leistungszeitraum die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist und sie entsprechende Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten haben. 22 Dies ergibt sich zwar nicht schon aus § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F., der seit August 2016 ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung in diesen Fällen ausdrücklich ausschließt. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber klarstellen, ""dass die Erteilung eines (anderen) humanitären Aufenthaltstitels die Haftung des Verpflichtungsgebers aus der Verpflichtungserklärung ... unberührt lässt, insoweit also durch die Zuerkennung internationalen Schutzes und durch die anschließende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 AufenthG nach Aufnahme in ein Landesaufnahmeprogramm kein Zweckwechsel eintritt, der die 5-Jahres-Frist verkürzt"" (BT-Drs. 18/8615 S. 24, 48). Diese Vorschrift ist auf die hier zu beurteilenden, vor dem 6. August 2016 abgegebenen Verpflichtungserklärungen indes noch nicht anwendbar. Sie ist von § 68a AufenthG n.F., der den zeitlichen Anwendungsbereich des § 68 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG n.F. (mit Modifikationen) auf derartige Altfälle erstreckt, nicht erfasst. 23 Die Verpflichtung ist auch ohne Berücksichtigung von § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F. durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht erloschen. Zwar hat das Verwaltungsgericht unter Verletzung revisiblen Rechts angenommen, die Verpflichtung dauere bis zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien fort, ohne dass es darauf ankomme, ob den Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG, die die Begünstigten nach Anerkennung als Flüchtlinge erhalten haben, ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liege als den Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 AufenthG (aa). Die danach gebotene eigenständige Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch den Senat führt jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Haftung durch die vorliegend erfolgte Anerkennung der Begünstigten als Flüchtlinge und nachfolgende Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nicht beendet worden ist (bb). Die Verpflichtungserklärung ist auch nicht durch den vom Verpflichtungsgeber erklärten Widerruf unwirksam geworden (cc). Völker- und unionsrechtliche Regelungen stehen der Fortdauer der Haftung vorliegend nicht entgegen (dd). 24 aa) Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtung ausgehend von dem verwendeten bundeseinheitlichen Formular dahin ausgelegt, dass diese bis zur Beendigung des Aufenthalts des betreffenden Ausländers oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck eingegangen wird. Die vom Verpflichtungsgeber gleichfalls unterschriebene Zusatzerklärung zur Abgabe der Verpflichtungserklärung, mit der Hinweise auf verschiedene Aspekte bestätigt werden, konkretisiere diese Angaben unter anderem dahin, dass die Verpflichtung im Regelfall mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthalts oder dann ende, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt werde. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zur grundsätzlichen zeitlichen Begrenzung von Verpflichtungserklärungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <8>) und ist im Ansatz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 25 Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der ursprüngliche Aufenthaltszweck habe im hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum selbst dann fortbestanden, wenn den nachfolgend erteilten Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG ein anderer Aufenthaltszweck zugrunde liege, beruht jedoch auf einem Rechtsirrtum. Revisionsrechtlich gehört die Auslegung einer Willenserklärung, d.h. die Ermittlung des Erklärungsinhalts unter Würdigung der ihrer Abgabe zugrunde liegenden Umstände, zur Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist. Diese Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn - wie hier - die Auslegung des Tatrichters auf einem Rechtsirrtum oder einem Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 10). 26 Für die Bestimmung des Aufenthaltszwecks hat das Verwaltungsgericht die zur Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen getroffenen Aufnahmeanordnungen des MIK NRW, auf die in der Verpflichtungserklärung Bezug genommen wird, herangezogen. Daraus hat das Gericht geschlossen, dass der Zweck des Aufenthalts der Verwandten des Verpflichtungsgebers darin bestanden habe, in Deutschland Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Daher seien die Verpflichtungserklärungen des Verpflichtungsgebers dahingehend auszulegen, dass er sich verpflichtete, den Lebensunterhalt seiner begünstigten Angehörigen grundsätzlich für die Gesamtdauer des bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen, und zwar unabhängig von der Ausgestaltung ihres Aufenthaltsrechts (UA S. 8). Diese Auslegung verstößt gegen die allgemeinen Auslegungsregeln, denn die Verpflichtungserklärungen sind hier erkennbar auf einen Aufenthaltszweck gerichtet, wie er im Aufenthaltsgesetz seinen Niederschlag gefunden hat. Das wird schon daran deutlich, dass in den Verpflichtungserklärungen auf § 23 Abs. 1 AufenthG Bezug genommen wird und die Verpflichtung bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck fortdauert. Die Verpflichtungserklärungen beziehen sich damit jedenfalls nicht auf Aufenthalte, die etwa zum Zwecke des Studiums oder aus familiären Gründen genehmigt werden, auch wenn der Bürgerkrieg zu dieser Zeit noch andauert. Vielmehr umfassen sie nur die in Abschnitt 5 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthalte aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, zu denen der in den Verpflichtungserklärungen genannte § 23 Abs. 1 AufenthG gehört (zur Maßgeblichkeit des gesamten Abschnitts 5 siehe unter bb). 27 bb) Die danach ohne Bindung an die tatrichterliche Auslegung mögliche und gebotene Auslegung der Verpflichtungserklärungen durch den Senat führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Haftung durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG nach Anerkennung der Verwandten des Verpflichtungsgebers als Flüchtlinge nicht beendet worden ist. Dieser Aufenthaltserlaubnis lag kein ""anderer Aufenthaltszweck"" zugrunde als der durch die Verpflichtungserklärungen ermöglichten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG; denn beide Aufenthaltserlaubnisse sind aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen im Sinne des Kapitels 2, Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt worden. 28 Im Rahmen der Verpflichtungserklärungen ist für die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem ""Aufenthaltszweck"" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen. Der Begriff des ""Aufenthaltszwecks"" im Sinne der Verpflichtungserklärungen erfasst daher grundsätzlich jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift - vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst sind. 29 Dies entspricht der allgemeinen Systematik des Aufenthaltsgesetzes, wonach ein Aufenthaltstitel grundsätzlich nur zu einem im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt wird (vgl. § 7 Abs. 1 AufenthG). Diese übergreifenden Aufenthaltszwecke, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmen und begrenzen auch den Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 Rn. 12 und 22). Soweit der Begriff des Aufenthaltszwecks in bestimmten rechtlichen Zusammenhängen enger verstanden wird, ist dies jeweils durch die spezielle Rechtsnorm oder den betroffenen Sachverhalt veranlasst (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 21. November 2011 - 18 B 1220/11 - juris Rn. 4, zu § 16 Abs. 2 AufenthG; siehe auch Nr. 68.1.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz). 30 Die Unterschiede der einzelnen im 5. Abschnitt zusammengefassten Aufenthaltserlaubnisse bei den Gewährungsvoraussetzungen und den Rechtsfolgen verändern bei den hier zu beurteilenden Verpflichtungserklärungen qualitativ nicht den gemeinsamen, übergreifenden Aufenthaltszweck. Insbesondere führt der Umstand, dass auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts ein Rechtsanspruch besteht, nicht zu einem Entfallen der Haftung (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 12). Denn diese Aufenthaltserlaubnis kann - wie die ihr vorausgehende Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - regelmäßig nur vom Inland aus beansprucht werden; der Vorteil der nur durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten legalen Einreise der Begünstigten wirkt deshalb bei ihrer Erteilung noch fort. 31 Auch sonst sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in den Verpflichtungserklärungen ein von den übergreifenden Aufenthaltszwecken des Aufenthaltsgesetzes abweichender, engerer Zweckbegriff verwendet worden wäre. Ein auf den einzelnen Aufenthaltstitel verengtes Verständnis des ""Aufenthaltszwecks"" liegt schon nach der Formulierung des Beendigungstatbestands in den Verpflichtungserklärungen nicht nahe. Denn danach beendet nicht jede anschließende Erteilung eines Aufenthaltstitels nach einer anderen Rechtsgrundlage die Verpflichtung, sondern nur eine solche zu einem anderen Aufenthaltszweck. Die abweichende Auffassung des MIK NRW in seinem Runderlass vom 24. April 2015 (Az.: 122-39.12.03-1-13-346(2603)) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Danach soll die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren enden. Diese nachträgliche Meinungsäußerung hat jedoch in der vom Verpflichtungsgeber unterzeichneten formularmäßigen Verpflichtungserklärung keinen hinreichenden Ausdruck gefunden und kann daher zu einer einschränkenden Auslegung dieser Erklärung nicht herangezogen werden (siehe dazu auch VG Köln, Urteil vom 19. April 2016 - 5 K 79/16 - juris Rn. 56). 32 cc) Die Verpflichtungserklärung ist nicht durch den vom Verpflichtungsgeber erklärten Widerruf unwirksam geworden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein Widerruf nach Wirksamwerden der Verpflichtungserklärung rechtlich nicht möglich ist und der erklärte Widerruf auch nicht in eine wirksame Anfechtung oder Kündigung umgedeutet werden kann (UA S. 13 f.). Eine derartige Möglichkeit, die Verpflichtung einseitig zu beenden, würde dem Zweck der Verpflichtungserklärung zuwiderlaufen, für einen festgelegten Zeitraum, der allein durch Auslegung anhand der objektiv erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zu ermitteln ist, eine finanzielle Belastung des Staates durch die Einreise und den Aufenthalt des betroffenen Ausländers (weitgehend) auszuschließen. Ausgehend davon fehlt es auch für die vom Verwaltungsgericht erwogene - nicht entscheidungserhebliche - Möglichkeit, die Verpflichtung vor einer eventuellen Verlängerung der nach § 23 Abs. 1 AufenthG zunächst auf maximal zwei Jahre zu befristenden Aufenthaltserlaubnis zu kündigen, an einer Grundlage. 33 dd) Völker- und unionsrechtliche Regelungen hindern die Fortdauer der Haftung des Garantiegebers nach Anerkennung der Begünstigten als Flüchtlinge entgegen vereinzelter Stellungnahmen in der Literatur (etwa Hörich/Riebau, ZAR 2015, 253 ff.) grundsätzlich nicht. Nach Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung - ABl. L 337 S. 9) tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Diese Vorschrift orientiert sich an Art. 23 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - BGBl. 1953 II S. 560). Danach sind die vertragsschließenden Staaten verpflichtet, Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen zu gewähren (Grundsatz der Inländergleichbehandlung). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die ""gleiche Behandlung"" im Sinne von Art. 23 GFK ein weit gefasster Ausdruck, der nicht nur die gleichen Leistungen nach Art und Höhe einschließt, sondern auch voraussetzt, dass in vergleichbaren Situationen mit Flüchtlingen nicht anders umgegangen wird als mit den eigenen Staatsangehörigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2008 - 1 C 17.07 - BVerwGE 130, 148 Rn. 19 m.w.N.). Unterschiede, die allein die - vielfältigen - tatsächlichen Begleitumstände der Leistungsgewährung betreffen, sind zu einer Verletzung des Grundsatzes der Inländergleichbehandlung allerdings nur geeignet, wenn sie ein bestimmtes Gewicht erreichen. 34 Gemessen daran ist ein Verstoß gegen die genannten Regelungen des Völker- und Unionsrechts hier nicht festzustellen. Nach deutscher Rechtslage hat auch derjenige, dessen Lebensunterhalt ein Dritter zu tragen verpflichtet ist, einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den zuständigen staatlichen Leistungsträger, soweit der Dritte tatsächlich keine Hilfe leistet (§ 9 Abs. 1 SGB II). Diesen Anspruch haben die Begünstigten der Verpflichtungserklärung im vorliegenden Fall erfolgreich geltend gemacht. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Verpflichtungsgeber und dem Beklagten als Leistungsträger wirken sich die Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Richtlinie 2011/95/EU unmittelbar nicht aus; sie können daher einem Erstattungsanspruch gegen den Garantiegeber grundsätzlich nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 15). Allein die abstrakte Möglichkeit, dass sich ein Ausländer durch den Rückgriffsanspruch gegen seinen Verwandten von der Inanspruchnahme der ihm zustehenden Sozialleistungen abhalten lassen könnte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Sie hat sich jedenfalls im vorliegenden Fall nicht realisiert. Eine Überforderung des Verpflichtungsgebers im Einzelfall wäre auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (siehe unten 2. c). Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Senat in diesem Zusammenhang auch keine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen wäre. 35 c) Die Heranziehung des Verpflichtungsgebers zur Erstattung der erbrachten Sozialleistungen steht schließlich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der aus einer Erklärung nach § 68 AufenthG Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen. Wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte, ist der Anspruch geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 1 C 4.13 - BVerwGE 149, 65 Rn. 16). Einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit kann die Pfändungsfreigrenze bieten, die bei Berücksichtigung der monatlichen Erstattungspflichten unter Einbeziehung aller vom Garantiegeber abgegebenen Verpflichtungserklärungen regelmäßig gewahrt sein muss. 36 Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine Bedenken gegen die Heranziehung des Verpflichtungsgebers. Aus der Verpflichtungserklärung selbst ergibt sich, dass seine Bonität durch Vorlage entsprechender Unterlagen festgestellt worden ist. Die Kläger haben auch im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht, dass der hier streitgegenständliche Betrag von 8 832,75 €, der sich auf gut sechseinhalb Monate Leistungsbezug bezieht und einer monatlichen Belastung des Garantiegebers von rund 1 350 € entspricht, dessen Leistungsfähigkeit überstiegen hätte. 37 Keiner Entscheidung bedarf, ob die Verhältnismäßigkeit der Geltendmachung von Kosten der Unterkunft in Frage stehen kann, wenn anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte trotz Hinweises auf die Möglichkeit, bei dem Verpflichtungsgeber kostenfrei oder kostengünstiger zu wohnen, durch eine Wohnsitzauflage hieran gehindert werden. Die Wohnsitzregelung für diesen Personenkreis in § 12a AufenthG ist erst mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetz (BGBl. I S. 1939) geschaffen worden und betraf die Familienangehörigen des Verpflichtungsgebers im hier einschlägigen Leistungszeitraum daher noch nicht. Dementsprechend enthalten die ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG keine derartige Auflage. Die asylverfahrensrechtlichen Zuweisungsentscheidungen haben sich mit der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnisse erledigt (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand: Juni 2012, § 50 Rn. 29). 38 Die Belastung des Verpflichtungsgebers bzw. seiner Erben mit den hier geltend gemachten Kosten ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlingen auf der Grundlage entsprechender Aufnahmeanordnungen auch öffentlichen Interessen diente; die mit der Aufnahme verbundenen Lasten und Risiken sollten dementsprechend nicht nur von Privaten und nichtstaatlichen Stellen, sondern auch von der öffentlichen Hand getragen werden (vgl. zur Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <19 ff.>). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt hier keine - weitere - Beschränkung der eingegangenen Verpflichtung. Denn der spezifischen staatlichen Mitverantwortung in Bürgerkriegssituationen ist durch eine Haftungsbegrenzung in den Verpflichtungserklärungen bereits hinreichend Rechnung getragen. Der Staat hat im Rahmen der Landesaufnahmeanordnungen von vornherein einen nicht unerheblichen Teil der finanziellen Lasten selbst übernommen, indem er bestimmte Kostengruppen, nämlich die Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung, von den abzugebenden Verpflichtungserklärungen ausgenommen hat. Dies diente gerade dazu, die finanzielle Belastung der sich verpflichtenden Person auf ein zumutbares Maß zu begrenzen. Damit ist zugleich etwaigen unionsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 29 Richtlinie 2011/95/EU Rechnung getragen (siehe oben 2. b) dd). 39 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO." bverwg_2017-32,05.05.2017,"Pressemitteilung Nr. 32/2017 vom 05.05.2017 EN Karenzzeit für Rechtsanwaltstätigkeit pensionierter Richter vor ihrem früheren Gericht zulässig Das Auftreten eines in den Ruhestand versetzten Richters als Rechtsanwalt vor dem Gericht, an dem er zuvor tätig war, begründet die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Belange und rechtfertigt es, ihm diese Tätigkeit für eine Übergangszeit zu untersagen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leip­zig entschieden. Der Kläger wurde nach langjähriger Tätigkeit in der Zivilkammer eines Landgerichts mit Ablauf des Jahres 2014 in den Ruhestand versetzt. Er ist anschließend als Rechtsanwalt zugelassen worden und hat Prozessvertretungen auch vor diesem Landgericht übernommen. Der Präsident des Oberlandesgerichts untersagte ihm daraufhin, bis einschließlich 31. Dezember 2019 vor diesem Landgericht als Rechtsanwalt aufzutreten. Das hiergegen vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht hat die Verfügung für den Zeitraum ab 1. April 2018 aufgehoben. Ein entsprechendes Tätigkeitsverbot müsse nach den maßgeblichen Bestimmungen des Landesrechts und im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit spätestens drei Jahre nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Sprungrevision des Klägers zum Bundesverwaltungsgericht blieb überwiegend erfolglos. Die angegriffene Untersagungsverfügung findet in § 41 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes, auf den die Regelungen des Landesrichtergeset­zes verweisen, eine hinreichende Grundlage. Danach ist die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung von Ruhestandsbeamten zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Das Auftreten eines erst vor kurzem pensionierten Richters als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht ist geeignet, den Anschein zu erwecken, dass durch die bestehenden persönlichen Kontakte zu den früheren Kollegen die von dem pensionierten Richter vertretenen Rechtssachen in ungebührlicher Weise gefördert werden könnten. Dies gilt indes nur, soweit der pensionierte Richter erkennbar in Erscheinung tritt. Untersagt werden kann demnach das Auftreten in einer mündlichen Verhandlung, telefonische Kontaktaufnahmen zum Gericht sowie die Unterzeichnung von an das Gericht adressierten Schriftsätzen. Kein Verbot darf dagegen hinsichtlich einer bloßen Hintergrundberatung durch „of counsel“-Tätigkeiten er­gehen. Den insoweit überschießenden Teil der Untersagungsverfügung hat das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben. BVerwG 2 C 45.16 - Urteil vom 04. Mai 2017 Vorinstanz: VG Münster, 4 K 1789/15 - Urteil vom 30. August 2016 -","Urteil vom 04.05.2017 - BVerwG 2 C 45.16ECLI:DE:BVerwG:2017:040517U2C45.16.0 EN Karenzzeit für Rechtsanwaltstätigkeit pensionierter Richter vor ihrem früheren Dienstgericht Leitsätze: 1. Das Auftreten eines in den Ruhestand versetzten Richters als Rechtsanwalt vor dem Gericht, an dem er zuvor tätig war, begründet die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Belange und rechtfertigt es, ihm diese Tätigkeit für eine Übergangszeit zu untersagen. 2. Die für eine Untersagungsverfügung erforderliche Besorgnis liegt nur bei einer nach außen erkennbaren Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter vor. Hintergrundberatungen oder andere ""of counsel""-Aktivitäten dürfen nicht untersagt werden. Rechtsquellen BeamtStG § 41 Satz 2 BRAO § 45 BGB § 133 GG Art. 12 Abs. 1 Instanzenzug VG Münster - 30.08.2016 - AZ: VG 4 K 1789/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.05.2017 - 2 C 45.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:040517U2C45.16.0] Urteil BVerwG 2 C 45.16 VG Münster - 30.08.2016 - AZ: VG 4 K 1789/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 4. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Kenntner und Dr. Günther ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. August 2015 wird - über den Entscheidungsausspruch im Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 30. August 2016 hinaus - aufgehoben, soweit er über die Untersagung des Auftretens des Klägers vor dem Landgericht Münster als Prozessvertreter einschließlich des Unterzeichnens von Schriftsätzen durch den Kläger gegenüber dem Landgericht Münster hinausgeht. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster wird aufgehoben, soweit es dem entgegensteht. Im Übrigen wird die Sprungrevision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob und inwieweit einem in den Ruhestand versetzten Richter die Tätigkeit als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht für eine Übergangszeit untersagt werden kann. 2 Der 1949 geborene Kläger stand als Richter am Landgericht im Dienst des beklagten Landes und war zuletzt in einer Zivilkammer des Landgerichts Münster tätig. Mit Ablauf des Jahres 2014 versetzte der Beklagte ihn auf seinen Antrag vorzeitig in den Ruhestand. Dabei wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass ein Auftreten als Rechtsanwalt vor der bisherigen Dienstbehörde vor Ablauf von fünf Jahren nach Versetzung in den Ruhestand bzw. vor Ablauf von drei Jahren nach Eintritt in den Ruhestand untersagt werden müsse. 3 Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger in vier vor dem Landgericht Münster anhängigen Zivilverfahren Schriftsätze für einen Mandanten als Rechtsanwalt eingereicht hatte, wies der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm den Kläger mit Schreiben vom 31. Juli 2015 darauf hin, dass eine Anzeige dieser Tätigkeiten nicht vorliege und beim Auftreten eines pensionierten Richters als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht dienstliche Interessen beeinträchtigt würden. Dies gelte nicht nur für die Wahrnehmung von Terminen, sondern auch für gerichtlichen Schriftverkehr und ein ""im Hintergrund"" durchgeführtes Mitwirken an Verfahren. 4 Mit Verfügung vom 14. August 2015 untersagte der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm dem Kläger, bis einschließlich 31. Dezember 2019 vor dem Landgericht Münster als Rechtsanwalt aufzutreten. Bei der Tätigkeit eines pensionierten Richters vor seinem bisherigen Dienstgericht bestehe die Gefahr, dass zumindest der Eindruck einer Beeinflussung der Sachbearbeitung durch die frühere Funktion entstehe. Der Anschein eines solchen Interessenkonflikts sei geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität und Unvoreingenommenheit der Justiz zu beeinträchtigen. 5 In dem gegen die gleichzeitig angeordnete sofortige Vollziehung gerichteten Eilrechtsschutzverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der vom Kläger erhobenen Klage ab dem 1. April 2018 wiederhergestellt, den Antrag im Übrigen aber abgelehnt. Auch im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht die Untersagung daraufhin insoweit aufgehoben, als dem Kläger ein Auftreten als Rechtsanwalt vor dem Landgericht Münster über den 31. März 2018 hinaus untersagt worden ist, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen. 6 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 30. August 2016 und den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. August 2015 insgesamt aufzuheben. 7 Der Beklagte beantragt, die Sprungrevision zurückzuweisen. II 8 Die zulässig erhobene Sprungrevision des Klägers ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen den angegriffenen Bescheid auch insoweit abgewiesen hat, als dem Kläger hierdurch auch eine Tätigkeit vor dem Landgericht Münster untersagt wird, bei der der Kläger nicht erkennbar in Erscheinung tritt. Im Übrigen steht das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es die Klage abgewiesen hat, mit revisiblem Recht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Ein in den Ruhestand versetzter Richter darf zwar erst nach einer Übergangs- und Karenzzeit als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht auftreten (1.). Diese Einschränkung gilt aber nur für Tätigkeiten, bei denen der in den Ruhestand versetzte Richter erkennbar in Erscheinung tritt (2.). 9 1. Tätigkeiten eines Ruhestandsbeamten oder -richters, die geeignet sind, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität des Berufsbeamtentums oder die Rechtspflege zu beeinträchtigen, müssen untersagt werden (a). Hierfür reicht die Besorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen - etwa durch Inanspruchnahme fortbestehender persönlicher Kontakte zu früheren Kollegen für private Zwecke - aus (b). Ein auf dienstrechtlicher Grundlage ausgesprochenes Verbot für einen Ruhestandsrichter, als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht auftreten zu dürfen, wird nicht durch die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung verdrängt (c). 10 a) Rechtsgrundlage der angegriffenen Untersagungsverfügung sind § 2 Richter- und Staatsanwältegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2015 (GV. NRW. 2015, 812 - LRiStaG) - im Folgenden: LRiStaG NW - i.V.m. § 71 DRiG und § 41 Satz 2 BeamtStG. Danach ist die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung eines Ruhestandsbeamten oder -richters zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. 11 Beamte oder Richter im Ruhestand haben keine Dienstleistungspflicht mehr. Hierdurch verändern sich Inhalt und Ausmaß ihrer Pflichtenstellung; insbesondere muss der Ruhestandsbeamte sich nicht mehr mit vollem Einsatz seinem Beruf widmen. Da er ein Hauptamt nicht mehr versieht, darf der Ruhestandsbeamte oder -richter seine Schaffenskraft nunmehr vollumfänglich für andere Betätigungen einsetzen und verwenden. 12 Auch im Ruhestand bleibt das Beamten- oder Richterverhältnis - einschließlich Alimentierung und Beihilfegewährung durch den Dienstherrn - bestehen. Die fortwirkende Pflichtenbindung überlagert weiterhin die Rechtsstellung des Beamten oder Richters. Soweit dies dienstliche Interessen erfordern, ist auch die Grundrechtsbetätigung weiter durch Art. 33 Abs. 5 GG beschränkt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>). Auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und seinem Amt darf ein Beamter oder Richter etwa sein dienstlich erlangtes Amtswissen nicht privat verwerten. Hierdurch würde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität des Berufsbeamtentums beeinträchtigt (vgl. BT-Drs. 16/4027 S. 33 zu § 42). 13 Ist durch die Ruhestandsbetätigung eines Beamten eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen, muss sie untersagt werden (§ 41 Satz 2 BeamtStG). § 41 Satz 3 BeamtStG sieht hierfür eine Übergangsfrist von höchstens fünf Jahren vor, die nach § 52 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW spätestens drei Jahre nach dem Zeitpunkt des für den Beamten oder Richter geltenden Regelruhestandseintritts endet (OVG Münster, Beschluss vom 2. März 2016 - 1 B 1375/15 - NVwZ-RR 2016, 747 Rn. 97). 14 b) Nach § 41 Satz 2 BeamtStG reicht bereits die Besorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen als Anknüpfungspunkt der Untersagung aus. 15 Voraussetzung einer Untersagung ist damit nicht, dass die Beeinträchtigung bereits eingetreten ist oder im konkreten Falle droht. Ausreichend für den Vorfeldtatbestand der Besorgnis ist vielmehr der ""begründete Anschein"", dass durch eine entsprechende Tätigkeit bei einem verständig und sachlich denkenden Bürger Zweifel an der Integrität der Rechtspflege entstehen könnten (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 6 C 52.87 - BVerwGE 84, 194 <202> und vom 26. Juni 2014 - 2 C 23.13 - BVerwGE 150, 153 Rn. 25). 16 Die anwaltliche Vertretung eines Prozessbeteiligten durch einen Ruhestandsrichter, der noch vor Kurzem selbst als Kollege der nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter tätig war, rechtfertigt nicht nur aus Sicht der gegnerischen Partei, sondern auch aus der Perspektive eines verständigen und neutralen Prozessbeobachters die vernünftige und nicht gänzlich fernliegende Befürchtung, durch die fortbestehenden persönlichen Kontakte zu den früheren Kollegen und Mitarbeitern könnten die von dem Ruhestandsrichter vertretenen Rechtssachen in ungebührlicher Weise gefördert werden (vgl. zur Bezugnahme auf kollegiale Kontakte auch bereits BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1989 - 6 C 52.87 - BVerwGE 84, 194 <196> und vom 12. Dezember 1996 - 2 C 37.95 - BVerwGE 102, 326 <328>). 17 Unabhängig davon, dass derartig generelle und unterhalb der individuellen Befangenheitsschwelle liegenden Persönlichkeitsbeziehungen regelmäßig nicht zu einer unsachlichen Prozessführung führen werden und von Richtern auch in dieser Situation eine unvoreingenommene Sachbearbeitung erwartet werden kann und muss, soll die Integrität des Berufsbeamtentums und der Rechtspflege durch die Anknüpfung an eine ""Besorgnis"" bereits vor einer derartigen und nicht völlig anlasslosen Missdeutung geschützt werden (vgl. BT-Drs. 16/513 S. 16). 18 Dieses Anliegen rechtfertigt es, die Berufsausübung von Ruhestandsrichtern vor ihrem früheren Dienstgericht generell für einen bestimmten Zeitraum nach dem Eintritt in den Ruhestand zu beschränken. 19 c) Die auf § 2 LRiStaG NW i.V.m. § 71 DRiG und § 41 Satz 2 BeamtStG gestützte Untersagungsanordnung ist auch nicht durch die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung ausgeschlossen oder beschränkt. 20 Zwar sieht das Berufsrecht der Rechtsanwälte eine entsprechende Karenzzeit für eine Tätigkeit ehemaliger Richter nicht mehr vor. Die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 BRAO a.F. enthaltene Bestimmung, wonach die Zulassung bei dem im Antrag bezeichneten Gericht in der Regel versagt werden soll, wenn der Bewerber innerhalb der letzten fünf Jahre in dem Bezirk des Landgerichts, in dem er zugelassen werden will, als Richter oder Beamter auf Lebenszeit angestellt war, ist durch Gesetz vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) aufgehoben worden und die Einschränkung damit entfallen. Auch die Einführung eines entsprechenden Tätigkeitsverbots in § 45 Abs. 1 Nr. 5 BRAO hat nachfolgend keine Mehrheit gefunden (vgl. BT-Drs. 16/513 S. 24 sowie BT-PlPr. 16/73 S. 7257). 21 Der Umstand, dass die Tätigkeit ehemaliger Richter im Berufsrecht der Rechtsanwälte keine Einschränkungen mehr findet, bewirkt aber keine Sperrwirkung für ein entsprechendes Verbot auf dienstrechtlicher Grundlage. Dies folgt aus den unterschiedlichen Regelungszwecken der konkurrierenden Ermächtigungsgrundlagen. 22 Schutzgut der Bundesrechtsanwaltsordnung ist die Integrität des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und das Vertrauensverhältnis des Rechtsanwalts zu seinen Mandanten (vgl. BT-Drs. 12/4993 S. 29). Zuständig ist insoweit primär die jeweilige Rechtsanwaltskammer. § 41 Satz 2 BeamtStG dagegen dient der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (vgl. BT-Drs. 16/4027 S. 33). Mit dieser Vorschrift sollen der Dienstherr und die Allgemeinheit vor Beeinträchtigungen der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben geschützt werden. Hierfür erhält der Dienstherr die Befugnis, die nachwirkende Loyalitätspflicht des Beamten oder Richters zu konkretisieren und Tätigkeiten zu untersagen, die eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besorgen lassen. Hierbei handelt es sich um eine typische dienstrechtliche Situation von Rechten und Pflichten, die im Dienstrecht zu regeln ist und auch geregelt wurde. Die Annahme, diese Konfliktsituation könnte abschließend durch in der Bundesrechtsanwaltsordnung enthaltene Vorschriften geklärt werden, geht schon deswegen fehl, weil dann die Wahrnehmung der dienstlichen Interessen des Dienstherrn der Rechtsanwaltskammer obläge. Dies wäre mit ihrem beschränkten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich nicht zu vereinbaren. 23 Auch wenn sowohl die Bundesrechtsanwaltsordnung als auch die Vorschriften der Richter- und Beamtengesetze Regelungen zu der Frage enthalten, ob ein ehemaliger Richter sofort als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienstgericht auftreten darf oder hierzu eine Karenzfrist einzuhalten ist, schließen sich diese daher nicht aus. Sie sind vielmehr eigenständig und unabhängig voneinander durch die jeweils berufenen Organe und mit unterschiedlichen Zielsetzungen anzuwenden. 24 2. Der mögliche Anschein einer sachwidrigen Inanspruchnahme persönlicher Kontakte zu früheren Kollegen setzt voraus, dass der Ruhestandsrichter erkennbar als Prozessvertreter seines Mandanten in Erscheinung tritt (a). Soweit die Untersagungsverfügung auch bloße Hintergrundberatungen betrifft, muss sie daher aufgehoben werden (b). 25 a) Das Auftreten eines in den Ruhestand versetzten Richters als Rechtsanwalt vor dem Gericht seiner früheren Dienstleistung kann geeignet sein, den Anschein zu erwecken, das in dienstlicher Funktion erworbene ""Amtswissen"" einschließlich kollegialer Kontakte zu noch im Dienst befindlichen Richtern und Beschäftigten führe zu einer unsachlichen Förderung der von dem Ruhestandsrichter vertretenen Mandate. Die hierin liegende Besorgnis einer Beeinträchtigung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vermag daher eine auf § 2 LRiStaG NW i.V.m. § 71 DRiG und § 41 Satz 2 BeamtStG gestützte Untersagung zu rechtfertigen. Mit dem Tätigkeitsverbot soll bereits der Anschein eines möglichen Interessen- und Loyalitätskonflikts im Dienstbereich des Gerichts vermieden und auf diese Weise die Integrität der Rechtspflege und das Vertrauen in diese geschützt werden. 26 Voraussetzung für eine entsprechende Annahme ist aber, dass die Tätigkeit des Ruhestandsrichters bei verständiger Würdigung den Anschein einer Ausnutzung seiner früheren Amtsstellung einschließlich persönlicher Kontakte zu den früheren Kollegen zulässt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 ME 104/16 - DRiZ 2016, 424 Rn. 33; VGH München, Beschlüsse vom 20. August 2013 - 3 CS 13.11 10 - juris Rn. 38 und vom 19. September 2016 - 3 ZB 14.13 06 - juris Rn. 7; OVG Saarlouis, Beschluss vom 13. März 2014 - 1 A 379/13 - NZA-RR 2014, 331 Rn. 7). 27 Da der zu vermeidende ""böse Anschein"" an die willentliche oder auch nur unwillkürliche Bevorzugung des früheren Kollegen anknüpft, setzt er voraus, dass die derzeit bei dem Gericht tätigen Richter und Beschäftigten von der anwaltlichen Tätigkeit des früheren Richters Kenntnis haben können. Tritt der Ruhestandsrichter als Prozessvertreter in einem Termin vor seinem früheren Dienstgericht auf, führt er zur Förderung der Interessen seines Mandanten Telefongespräche oder unterzeichnet er an sein ehemaliges Dienstgericht adressierte Schriftsätze, besteht ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit einer unsachgemäßen Einflussnahme zugunsten einer bestimmten Rechtssache. Die für eine Untersagungsverfügung erforderliche Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Belange liegt damit vor. 28 Anders liegen die Dinge indes, wenn der Ruhestandsrichter nicht nach außen erkennbar in Erscheinung tritt. Eine bloße Hintergrundberatung oder andere ""of counsel""-Aktivitäten sind auch für die früheren Kollegen nicht erkennbar, sodass kein Anknüpfungspunkt für die Besorgnis besteht, gerade diese Rechtssache könne wegen der früheren Amtstätigkeit des jetzigen Rechtsanwalts in sachwidriger Weise gefördert werden. 29 Zwar kann auch in diesen Fällen - etwa wenn der Name des Ruhestandsrichters im Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei aufgeführt wird - die theoretische Möglichkeit einer auf persönlichen Kontakten beruhenden Prozessförderung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Da es an einer erkennbaren Verknüpfung des Ruhestandsrichters mit einer bestimmten Rechtssache fehlt, liegen aber ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme nicht mehr vor, bei einem verständig und sachlich denkenden Bürger könnten Zweifel an der Integrität der Rechtspflege entstehen. Ein derartig weitgespanntes Tätigkeitsverbot wäre im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit des Ruhestandsrichters (Art. 12 Abs. 1 GG) auch nicht zu rechtfertigen. Gleiches gilt etwa für die bloße Anwesenheit des früheren Richters in dem für die allgemeine Öffentlichkeit reservierten Zuschauerbereich des Gerichtssaals. 30 b) In der angegriffenen Untersagungsverfügung wird dem Kläger zwar im Wortlaut nur das ""Auftreten"" als Rechtsanwalt vor dem Landgericht Münster untersagt. Bei Zugrundelegung des maßgeblichen, ""objektivierten Empfängerhorizonts"" musste der Kläger aber davon ausgehen, dass damit auch eine bloße Hintergrundberatung verboten sein sollte (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 133 BGB etwa BVerwG, Urteile vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 36, dort auch zur Auslegungsbefugnis des Revisionsgerichts, und vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15). 31 In dem unmittelbar vor Erlass der Untersagungsverfügung vom Präsidenten des Oberlandesgerichts verfassten Anhörungsschreiben war ausdrücklich klargestellt worden, dass der Begriff des ""Auftretens"" im Hinblick auf den Schutzzweck der Regelungen weit auszulegen sei und jedes, auch ""im Hintergrund durchgeführte"" Mitwirken an einem Verfahren betreffe. Angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs von Anhörungsschreiben und Untersagungsverfügung musste der Kläger das gegenüber ihm ausgesprochene Verbot nach den Gesamtumständen daher so verstehen, dass es auch bloße Hintergrundberatungen, die nach außen nicht erkennbar sind, umfassen sollte. Dementsprechend hat auch das Oberverwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung nicht als nur auf die Teilnahme an Gerichtsterminen bezogen bewertet. 32 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2017-35,17.05.2017,"Pressemitteilung Nr. 35/2017 vom 17.05.2017 EN Kein verkaufsoffener Sonntag ohne Sachgrund Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Rechtsverordnung der Stadt Worms zur Freigabe der Ladenöffnung an einem Sonntag unwirksam war. Die Verordnung sah vor, dass am 29. Dezember 2013 sämtliche Verkaufsstellen im Gemeindegebiet von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sein durften. Der Normenkontrollantrag einer Gewerkschaft hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz geändert und festgestellt, dass die Rechtsverordnung über die Freigabe der sonntäglichen Ladenöffnung unwirksam war. Die zur Prüfung gestellte Rechtsverordnung war rechtswidrig, weil § 10 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (LadöffnG) sie bei der gebotenen grundgesetzkonformen Auslegung nicht rechtfertigt. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag für sich genommen nach § 10 LadöffnG i.V.m. Art. 57 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein muss. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen des Sonntagsschutzes jedoch nicht schon erfüllt, wenn der Verordnungsgeber alle für und gegen die Ladenöffnung sprechenden Belange berücksichtigt und im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet hat. Als Sachgrund reicht das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse der Handelsbetriebe und das Shoppinginteresse der Kundschaft nicht aus. Ein darüber hinausgehendes öffentliches Interesse muss hinreichend gewichtig sein, um die konkret beabsichtigte Ladenöffnung in ihrem zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Umfang zu rechtfertigen. Ein solcher Sachgrund für die in Rede stehende stadtgebietsweite sonntägliche Ladenöffnung lag bei Erlass der Verordnung jedoch nicht vor. Der nachträglich im Gerichtsverfahren angeführte Silvestermarkt war damals noch nicht einmal beantragt. Fußnote: Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Art. 140 Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Art. 139 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Auszug aus der Verfassung für Rheinland-Pfalz: Art. 57 (1) Der 8-Stunden-Tag ist die gesetzliche Regel. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen sind zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordert. (…) Auszug aus dem Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz: § 3 Allgemeine Ladenschlusszeiten Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein: 1. an Sonn- und Feiertagen, (…) § 10 Verkaufsoffene Sonntage Verbandsfreie Gemeinden, Verbandsgemeinden und kreisfreie und große kreisangehörige Städte können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Verkaufsstellen abweichend von § 3 Satz 1 Nr. 1 allgemein oder in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets an höchstens vier Sonntagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr geöffnet sein dürfen und diese Tage sowie die Lage der zugelassenen Ladenöffnungszeiten festsetzen. (…)  BVerwG 8 CN 1.16 - Urteil vom 17. Mai 2017 Vorinstanz: OVG Koblenz, 6 C 10122/14 - Urteil vom 20. Mai 2014 -","Urteil vom 17.05.2017 - BVerwG 8 CN 1.16ECLI:DE:BVerwG:2017:170517U8CN1.16.0 EN Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Ladenöffnung an einem Sonntag Leitsätze: 1. Die Ladenöffnung an einem Sonntag ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn ein hinreichender Sachgrund für sie besteht. Das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das ""Shopping-Interesse"" der Kunden genügen hierfür nicht. 2. Je weitreichender die Freigabe der Ladenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein. 3. Ob ein verfassungsrechtlich tragfähiger Sachgrund für die sonntägliche Ladenöffnung gegeben ist, unterliegt - abgesehen von Prognosen künftiger Ereignisse - uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Rechtsquellen GG Art. 9, Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG § 4 Satz 3, § 10 Instanzenzug OVG Koblenz - 20.05.2014 - AZ: OVG 6 C 10122/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.05.2017 - 8 CN 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:170517U8CN1.16.0] Urteil BVerwG 8 CN 1.16 OVG Koblenz - 20.05.2014 - AZ: OVG 6 C 10122/14 In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2017 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Mai 2014 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Rechtsverordnung der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2013 über die Freigabe des verkaufsoffenen Sonntags am 29. Dezember 2013 für die kreisfreie Stadt W. unwirksam war. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Antragstellerin ist eine Gewerkschaft, die Beschäftigte des Einzelhandels vertritt. Sie wendet sich gegen eine Rechtsverordnung der Antragsgegnerin über die Freigabe des verkaufsoffenen Sonntags am 29. Dezember 2013. 2 Im Juni 2013 beantragten mehrere Einzelhändler der W. Innenstadt für den 29. Dezember 2013 die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags, der unter dem Motto ""Jahresausklang"" stehen sollte. Nach Anhörung der Kirchen, der Antragstellerin sowie weiterer betroffener Institutionen lehnte die Antragsgegnerin den Antrag im September 2013 zunächst ab. Im Oktober 2013 sprach der Stadtrat der Antragsgegnerin die Empfehlung aus, ""versuchsweise"" einen verkaufsoffenen Sonntag durchzuführen. Daraufhin erließ die Antragsgegnerin am 30. Oktober 2013 die verfahrensgegenständliche Rechtsverordnung. Diese setzte die stadtweite Öffnung der Verkaufsstellen in der kreisfreien Stadt W. am Sonntag, den 29. Dezember 2013, für die Zeit von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr fest. Sie wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 15. November 2013 veröffentlicht. Ebenfalls am 15. November 2013 beantragte der Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins ... e.V. die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis zur Durchführung eines Silvestermarkts in der W. Innenstadt für die Zeit vom 27. bis 29. Dezember 2013, die mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 erteilt wurde. Am 29. Dezember 2013 fand die Sonntagsöffnung statt. 3 Den im Februar 2014 eingereichten Normenkontrollantrag der Antragstellerin mit dem Antrag festzustellen, dass die Rechtsverordnung vom 30. Oktober 2013 rechtswidrig war, hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Die Verordnung sei rechtmäßig. Sie stehe mit § 10 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (LadöffnG) im Einklang. Diese Ermächtigungsgrundlage sei ihrerseits verfassungsgemäß. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gestatte § 10 LadöffnG bei verfassungskonformer Auslegung bis zu vier verkaufsoffene Sonntage im Kalenderjahr nicht voraussetzungslos und ohne das Vorliegen von Sachgründen. Art. 57 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung von Rheinland-Pfalz (LV) sehe die Möglichkeit vor, Ausnahmen von den grundsätzlich arbeitsfreien Sonn- und Feiertagen zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordere. Das Gemeinwohlerfordernis gelte bei Anwendung des § 10 LadöffnG unmittelbar. Nach § 10 Satz 4, § 4 Satz 3 LadöffnG seien die zuständigen Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände, kirchliche Stellen, die jeweilige Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer sowie die betroffenen Ortsgemeinden anzuhören. Diese prozeduralen Erfordernisse gewährleisteten, dass gerade diejenigen Einrichtungen, welche die Sonntagsruhe als unverzichtbaren Bestandteil ihres religiösen oder gesellschaftlichen Selbstverständnisses erachteten, ihre Position rechtzeitig und nachhaltig in den Abwägungsprozess zur Bestimmung des im konkreten Einzelfall zu ermittelnden Gemeinwohls einfließen lassen könnten. Damit werde die mit dem Schutz der Sonntagsruhe verbundene verfassungsrechtliche Gewährleistung hinreichend gesichert. Daraus folge zugleich, dass die Vorschrift weder dem Bestimmtheitsgrundsatz noch dem Wesentlichkeitsprinzip zuwiderlaufe. Vor diesem Hintergrund sei auch die angegriffene Verordnung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe vor Erlass der Verordnung alle zu beteiligenden Stellen eingebunden. Dass die Bedeutung der in die Abwägung eingestellten Belange von der Antragsgegnerin verkannt worden sei, lasse sich nicht feststellen. 4 Mit der Revision macht die Antragstellerin geltend, § 10 Satz 1 LadöffnG sei verfassungswidrig. Die Vorschrift verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, weil sie die Zulassung der Sonntagsöffnung nicht vom Vorliegen eines besonderen Sachgrundes abhängig mache. Selbst wenn man mit dem Oberverwaltungsgericht davon ausginge, dass die Vorschrift bei verfassungskonformer Auslegung verfassungsgemäß sei, entspreche die angegriffene Rechtsverordnung nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Danach dürfe der Kernbereich der Sonntagsruhe durch Ausnahmen nicht gefährdet werden. Sonntage müssten deshalb als ""Nicht-Werktage"" geprägt bleiben. Es habe vorliegend schon kein hinreichender Anlass für eine Ladenöffnung am Sonntag bestanden. Sie habe allein dem wirtschaftlichen Interesse der Händler und dem alltäglichen Einkaufsinteresse der Kunden gedient. Diese Interessen könnten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine sonntägliche Ladenöffnung nicht begründen. 5 Die Antragstellerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Mai 2014 zu ändern und festzustellen, dass die Rechtsverordnung der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2013 über die Freigabe des verkaufsoffenen Sonntags am 29. Dezember 2013 für die kreisfreie Stadt W. unwirksam war. 6 Die Antragsgegnerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Am 29. Dezember 2013 habe an den zentralen Plätzen der Stadt ein Silvestermarkt stattgefunden, der Anlass für den verkaufsoffenen Sonntag gewesen sei. Die sonntägliche Ladenöffnung gebe einen wichtigen Impuls für den Einzelhandel der Stadt. Sie stärke den Standort W. gegenüber den benachbarten Oberzentren M. und L., was letztlich auch der Sicherung von Arbeitsplätzen diene. II 8 Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die nach § 10 LadöffnG festgesetzte Freigabe der Ladenöffnung am Sonntag beruhe schon deshalb auf einem verfassungsrechtlich hinreichenden Sachgrund, weil der Verordnungsgeber alle für und gegen die sonntägliche Ladenöffnung sprechenden Belange berücksichtigt und im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet habe, verstößt gegen den bundesverfassungsrechtlich gebotenen Sonntagsschutz des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV. Das Revisionsgericht kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. 9 1. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag für zulässig gehalten. 10 a) Die Antragsgegnerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die zur Prüfung gestellte Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Wie der Senat bereits entschieden hat, dient die gesetzliche Ausgestaltung des Sonntagsschutzes auch dem Schutz des Interesses von Vereinigungen und Gewerkschaften am Erhalt günstiger Rahmenbedingungen für gemeinschaftliches Tun und ist in diesem Sinne drittschützend (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 15). § 10 LadöffnG konkretisiert den objektivrechtlichen Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus der Sonn- und Feiertagsgarantie der Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergibt. Er ist auf die Stärkung derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind. Dazu zählen auch die Vereinigungs- und die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <84>; BVerwG, Urteile vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 16 und vom 26. November 2014 - 6 CN 1.13 - BVerwGE 150, 327 Rn. 15 f.). 11 Die Antragstellerin ist durch die Verordnung auch in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen, obgleich sie nicht unmittelbar Adressatin der darin festgesetzten sonntäglichen Ladenöffnung ist. Hierfür genügt, dass sich die Ladenöffnung an einem Sonntag negativ auf die Grundrechtsverwirklichung einer Gewerkschaft, die im Dienstleistungsbereich tätige Arbeitnehmer vertritt, auswirken kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 17). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. 12 Die Interessen der Antragstellerin werden auch mehr als nur geringfügig beeinträchtigt. Dabei ist auf die Gesamtbelastung abzustellen, die sich für die landesweite Betätigung der Antragstellerin durch den Erlass einzelner gemeindlicher Verordnungen auf der Grundlage des § 10 LadöffnG ergeben kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 18). Nach dieser Vorschrift können die rheinland-pfälzischen Gemeinden bestimmen, dass Verkaufsstellen an höchstens vier Sonntagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr geöffnet sein dürfen. Über das ganze Jahr gesehen kann damit ein ""Flickenteppich"" sonntäglicher Ladenöffnungen entstehen, der die Organisation gemeinschaftlicher gewerkschaftlicher Tätigkeiten spürbar erschweren kann. 13 b) Der Antragstellerin steht ein Rechtsschutzinteresse zur Seite. Die verfahrensgegenständliche Rechtsverordnung hat sich zwar mit Ablauf des 29. Dezember 2013 erledigt, weil sie nach diesem Tag keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Gleichwohl besteht trotz Erledigung der zur Prüfung gestellten Norm unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 19). Der Erlass vergleichbarer Verordnungen durch die Antragsgegnerin in absehbarer Zeit erscheint hinreichend wahrscheinlich. 14 2. Unzutreffend ist jedoch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die durch die angegriffene Rechtsverordnung festgesetzte sonntägliche Ladenöffnung am 29. Dezember 2013 sei rechtmäßig gewesen. Das angefochtene Urteil beruht auf einer fehlerhaften verfassungskonformen Auslegung des § 10 LadöffnG. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass jede Ladenöffnung an einem Sonntag für sich genommen durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein muss. Entgegen seiner Auffassung sind die bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen des Sonntagsschutzes jedoch nicht schon erfüllt, wenn der Verordnungsgeber alle für und gegen die sonntägliche Ladenöffnung sprechenden Belange berücksichtigt und im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet hat. Das verstößt gegen den nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV gebotenen Sonntagsschutz. Im Einzelnen: 15 a) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die landesverfassungsrechtliche Bestimmung des Art. 57 Abs. 1 Satz 3 LV, die eine Ausnahme vom arbeitsfreien Sonntag nur zulässt, wenn es das Gemeinwohl erfordert, den Verordnungsgeber bei der Anwendung des § 10 LadöffnG unmittelbar bindet. Es hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass der Verordnungsgeber eine Ladenöffnung am Sonntag daher nur festsetzen darf, wenn das Gemeinwohl dies erfordert. Die Ermittlung des Gemeinwohls erfolgt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auf der Grundlage einer Abwägung aller für und gegen die sonntägliche Ladenöffnung sprechenden Belange, die im Rahmen der nach § 10 Satz 3 i.V.m. § 4 Satz 3 LadöffnG gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung von den beteiligten Stellen geltend gemacht werden. Dabei darf der Verordnungsgeber die Bedeutung der in die Abwägung eingebrachten Belange zwar nicht verkennen. Hat er diese Voraussetzungen jedoch beachtet, unterliegt er bei der Entscheidung über die Freigabe der Sonntagsöffnung keinen weiteren rechtlichen Beschränkungen. 16 b) Diese Auslegung des § 10 LadöffnG steht mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Sonntagsschutz nicht im Einklang. Der in Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV enthaltene Schutzauftrag an den Gesetzgeber gewährleistet ein Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes. Er statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis; die typische ""werktägliche Geschäftigkeit"" hat an Sonn- und Feiertagen zu ruhen (vgl. BVerfG, Urteile vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <51, 53> und vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <85>; BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 22). Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Für die hier in Rede stehende Ladenöffnung gilt, dass sie eine für jedermann wahrnehmbare Geschäftigkeit auslöst, die typischerweise den Werktagen zugeordnet wird; wegen dieser öffentlichen Wirkung ist sie geeignet, den Charakter des Tages in besonderer Weise werktäglich zu prägen. Jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag bedarf eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <87>). Das gilt unabhängig davon, ob die gesetzlichen Möglichkeiten hierzu ausgeschöpft wurden. Als ein solcher Sachgrund zählen weder das bloß wirtschaftliche Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber noch das alltägliche Erwerbsinteresse (""Shopping-Interesse"") potenzieller Kunden (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <87 f., 90 f.>; BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 22). Auch ist nicht jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag bereits deshalb gerechtfertigt, weil für sie überhaupt ein über das bloße Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das Erwerbsinteresse der Kunden hinausgehendes öffentliches Interesse spricht. Vielmehr sind die konkrete Ladenöffnung und der konkrete Sachgrund in ein Verhältnis zu setzen (a.A. wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 13. März 2017 - 6 S 309/17 - juris Rn. 11). Je weitreichender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ist, umso höher muss angesichts der stärkeren werktäglichen Prägung des Tages das Gewicht der für die Ladenöffnung angeführten Sachgründe sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <88, 99 f.>). 17 c) Nach diesem Maßstab ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts die Festsetzung einer sonntäglichen Ladenöffnung nicht schon deshalb verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil der Verordnungsgeber alle für und gegen eine Ladenöffnung sprechenden Belange bei seiner Entscheidung berücksichtigt und diese im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet hat. Der Verordnungsgeber hat vielmehr zu prüfen, ob ein dem Schutzauftrag des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV genügender Sachgrund für die beabsichtigte sonntägliche Ladenöffnung besteht. Dabei kommt ihm - abgesehen von Prognosen künftiger Ereignisse (vgl. etwa zur Besucherzahl BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 -BVerwGE 153, 183 Rn. 36 f.) - weder bei der Gewichtung des Sachgrundes und der Prägung der Ladenöffnung noch bei der Abwägung zwischen Sachgrund und dem durch die Ladenöffnung betroffenen Schutzgut des Sonn- und Feiertagsschutzes ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu. Die Frage, ob die beabsichtigte sonntägliche Ladenöffnung durch einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gerechtfertigt ist, unterliegt vielmehr grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. 18 3. Die landesrechtliche Vorschrift des § 10 LadöffnG ist einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, die im Einklang mit Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV steht. Es ist zwar grundsätzlich dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten, den Inhalt des Landesrechts verbindlich festzustellen. Allerdings ist das Revisionsgericht an eine unter Verletzung von Bundesverfassungsrecht gewonnene Auslegung von Landesrecht durch das Oberverwaltungsgericht nicht gebunden. In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht das Landesrecht selbst auslegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1986 - 7 C 79.85 - BVerwGE 75, 67 <69 f.>, vom 18. Dezember 1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <351> und vom 13. Mai 2009 - 9 C 7.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 28 Rn. 23). So liegt es hier. 19 § 10 LadöffnG ist - insoweit in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht - dahin auszulegen, dass eine Ladenöffnung am Sonntag nur im Interesse des Gemeinwohls zulässig ist. Bei dem Begriff des Gemeinwohls handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Lichte des verfassungsrechtlich gebotenen Sonntagsschutzes der Konkretisierung bedarf. Das Gemeinwohlerfordernis ist bei verfassungskonformer Auslegung nur dann erfüllt, wenn die beabsichtigte Ladenöffnung auf einem Sachgrund beruht, der gemessen an der öffentlichen Wirkung der Ladenöffnung eine Ausnahme vom Sonntagsschutz rechtfertigt. 20 Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt § 10 LadöffnG in dieser Auslegung auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt zwar, dass auch landesrechtliche Ermächtigungen zum Erlass untergesetzlicher Normen hinreichend bestimmt sein müssen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 74/90, 1 BvR 259/90 - NVwZ 1993, 1079 = juris Rn. 25 m.w.N.). Das ist hier jedoch der Fall. Der Begriff des Gemeinwohlerfordernisses lässt sich anhand des in der Rechtsprechung entwickelten Maßstabes für die Beurteilung der Frage, ob eine konkrete Ladenöffnung am Sonntag durch einen Sachgrund gerechtfertigt ist, ausfüllen. 21 4. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei Zugrundelegung des § 10 LadöffnG in der aufgezeigten Auslegung kann der Senat nicht feststellen, dass der Verordnungsgeber die angegriffene Rechtsverordnung zur Freigabe des verkaufsoffenen Sonntags im Zeitpunkt ihres Erlasses am 30. Oktober 2013 auf einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gestützt hätte. Der Verordnungsgeber hat darauf verzichtet, die Rechtsverordnung zu begründen. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Soweit sich die Antragsgegnerin erstmals im Gerichtsverfahren auf die Durchführung eines Silvestermarkts am 29. Dezember 2013 berufen hat, kommt dieser als hinreichender Sachgrund für die Ladenöffnung an dem in Rede stehenden Sonntag nicht in Betracht. Diese Veranstaltung wurde in ihrer konkret geplanten Ausgestaltung erst am 15. November 2013 und damit rund zwei Wochen nach Erlass der Rechtsverordnung beantragt. Die nach der Rechtsprechung des Senats bei Erlass der Rechtsverordnung durch den Verordnungsgeber notwendig vorzunehmende Prognose der durch den Markt sowie die Öffnung der Verkaufsstellen ausgelösten Besucherströme (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 36) ist bei einem solchen Zeitablauf ausgeschlossen. Ebenso wenig kommt die von der Antragsgegnerin weiterhin angeführte Steigerung der Einzelhandelsattraktivität der Stadt W. - auch im Wettbewerb mit den benachbarten Oberzentren M. und L. - als verfassungsrechtlich hinreichender Sachgrund für die Sonntagsöffnung in Betracht. Sie verkörpert letztlich nichts anderes als das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber, das aus den oben dargelegten Gründen eine Sonntagsöffnung nicht rechtfertigen kann. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-39,01.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 39/2017 vom 01.06.2017 EN Neuverteilung der UKW-Frequenzen für den lokalen Hörfunk in der kreisfreien Stadt Hof sowie den Landkreisen Hof und Wunsiedel rechtmäßig Die beklagte Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat die beiden Frequenzketten, die in dem Versorgungsgebiet Hof und Umgebung für Anbieter privater lokaler Hörfunkprogramme zur Verfügung stehen, neu verteilt. Sie hat der Beigeladenen die Frequenzkette 1 mit der Hauptfrequenz 88,0 MHz für die Verbreitung des Programms Radio Euroherz und der Klägerin die Frequenzkette 2 mit den Hauptfrequenzen 94,0 MHz und 97,3 MHz für die Verbreitung des Programms extra radio zugeteilt. Hierdurch hat die Landeszentrale Grundrechte der Klägerin - insbesondere deren Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht verletzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Bisher haben Radio Euroherz 18 Stunden und extra radio 6 Stunden tägliche Sendezeit auf der Frequenzkette 1. Auf der Frequenzkette 2 verbreitet die Beigeladene das Jugendhörfunkprogramm Radio Galaxy Hof mit einer täglichen Sendezeit von 24 Stunden. Im Rahmen der Neuausschreibung der Frequenzen für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2021 bewarben sich die Beigeladene mit ihren Programmen Radio Euroherz und Radio Galaxy Hof sowie die Klägerin mit ihrem Programm extra radio und einem geplanten Jugendhörfunkprogramm jeweils um die Zuteilung beider Frequenzketten zur alleinigen Nutzung. Versuche der Beklagten, zu einer einvernehmlichen Aufteilung zu gelangen, blieben ohne Erfolg, insbesondere wollten weder die Beigeladene noch die Klägerin die Frequenzkette 1 aufgeben. Die Beklagte entschied sich im Ergebnis dafür, die Frequenzketten wie beschrieben zu verteilen und so auch die Grundlage für eine spätere gleichzeitige Verbreitung der Programme Radio Euroherz und extra radio in analoger und digitaler Form zu legen, die Jugendhörfunkprogramme dagegen auf eine Verbreitung allein in digitaler Technik zu verweisen. Für einen Übergangszeitraum sollte es bei dem bisherigen Genehmigungszustand verbleiben. Die Klägerin hat mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof keinen Erfolg gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision der Klägerin, mit der sie nur noch eine Zuweisung der Frequenzkette 1 erstrebt hat, zurückgewiesen: Nach der bindenden Auslegung des bayerischen Landesmedienrechts durch den Verwaltungsgerichtshof steht der beklagten Landeszentrale, wenn die zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten für lokalen Hörfunk nicht für die Berücksichtigung sämtlicher grundsätzlich berücksichtigungsfähiger Programmangebote ausreichen, ein bundesverfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Ermessens- und Gestaltungsspielraum für eine Auswahlentscheidung zu. Die Beklagte hat dadurch, dass sie von diesem Spielraum auf der Grundlage einer Abwägung in Gestalt der angegriffenen Frequenzverteilungsentscheidung Gebrauch gemacht hat, das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Interesse der Klägerin nicht verkannt oder fehlgewichtet. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die mit den Annahmen der Beklagten übereinstimmen, weisen die beiden Frequenzketten jeweils strukturbedingte Vor- und Nachteile auf, stellen dabei aber eine vergleichbar gute Versorgung des in Rede stehenden Gebiets sicher. Nicht zu beanstanden ist die Einschätzung der Beklagten, dass die medienrechtlich unerwünschten Auswirkungen, die sich für die Werbemärkte in den benachbarten Versorgungsgebieten aus der technischen Überreichweite der Frequenz 88,0 MHz ergeben können, durch die Zuteilung dieser Frequenz an die Beigeladene, die mit den Programmanbietern der Nachbargebiete mittelbar verbunden ist, begrenzt werden. Die Beklagte hat ihre Prognose, der Klägerin werde es möglich sein, nach einem Wechsel auf die Frequenzkette 2 hinreichende Werbeeinnahmen für einen wirtschaftlichen Programmbetrieb zu erzielen, nachvollziehbar begründet. Vor diesem Hintergrund war es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Verbleib der Beigeladenen mit dem Programm Radio Euroherz auf der Frequenzkette 1 damit gerechtfertigt hat, dass ihr dort bisher eine längere tägliche Sendezeit als der Klägerin mit dem Programm extra radio zustand und dass sie die Frequenzkette 2 mit dem Programm Radio Galaxy Hof räumen muss. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich für die Klägerin keine weitergehenden Rechte. BVerwG 6 C 42.16 - Urteil vom 31. Mai 2017 Vorinstanzen: VGH München, 7 B 15.1490 - Urteil vom 15. Juni 2016 - VG Bayreuth, B 3 K 14.63 - Urteil vom 18. August 2014 -","Urteil vom 31.05.2017 - BVerwG 6 C 42.16ECLI:DE:BVerwG:2017:310517U6C42.16.0 EN Auswahlentscheidung für den Zugang zur Veranstaltung privaten Rundfunks Leitsätze: 1. Der Gesetzgeber darf bei der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten Regelung des Zugangs zur privaten Rundfunkveranstaltung einer nicht der unmittelbaren Staatsverwaltung angehörenden Landesmedienanstalt einen gesetzlich vorstrukturierten Entscheidungsspielraum für die Auswahlentscheidung bei nicht ausreichenden Übertragungskapazitäten einräumen. 2. Bei der Ausfüllung dieses Entscheidungsspielraums hat die Landesmedienanstalt der durch Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit der Bewerber auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Grundlagen der privaten Rundfunkveranstaltung Rechnung zu tragen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 VerfBY Art. 111a BayMG Art. 10, Art. 11, Art. 25, Art. 26 Instanzenzug VG Bayreuth - 18.08.2014 - AZ: VG B 3 K 14.63 VGH München - 15.06.2016 - AZ: VGH 7 B 15.1490 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 31.05.2017 - 6 C 42.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:310517U6C42.16.0] Urteil BVerwG 6 C 42.16 VG Bayreuth - 18.08.2014 - AZ: VG B 3 K 14.63 VGH München - 15.06.2016 - AZ: VGH 7 B 15.1490 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Beteiligen streiten um UKW-Frequenzen für private lokale Hörfunkprogramme in dem Versorgungsgebiet für die kreisfreie Stadt Hof sowie die Landkreise Hof und Wunsiedel. 2 In diesem Versorgungsgebiet haben sich im Lauf der Zeit zwei UKW-Frequenzketten herausgebildet, die für die Verbreitung lokaler Hörfunkprogramme privater Anbieter zur Verfügung stehen: Die Frequenzkette 1 mit der Hauptfrequenz 88,0 MHz (Sender Hof, Großer Waldstein) und zwei Füllsenderfrequenzen sowie die Frequenzkette 2 mit den Hauptfrequenzen 94,0 MHz (Sender Hof, Labyrinthberg) und 97,3 MHz (Sender Wunsiedel) und drei Füllsenderfrequenzen. Der Sender Großer Waldstein, der die Frequenz 88,0 MHz als Hauptfrequenz der Frequenzkette 1 bedient, hat eine über das Versorgungsgebiet erheblich hinausgehende technische Reichweite (sog. overspill). Seit Jahren konkurrieren das von der Klägerin produzierte Hörfunkprogramm A und das inhaltlich ähnlich ausgerichtete Hörfunkprogramm B, das zunächst von einer Anbietergemeinschaft unter Einschluss der Beigeladenen gestaltet wurde, seit geraumer Zeit aber von der Beigeladenen allein produziert wird, um die zur Verfügung stehenden Sendekapazitäten, vor allem um die Frequenzkette 1. Die Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 8. September 2004 für die Zeit bis zum 31. Mai 2012 der Beigeladenen die Verbreitung des Programms B mit einer täglichen Sendezeit von 0 bis 12 Uhr und von 18 bis 24 Uhr sowie der Klägerin die Verbreitung des Programms A mit einer täglichen Sendezeit von 12 bis 18 Uhr auf der Frequenzkette 1 genehmigt. Die Beigeladene hatte mit dem genannten Bescheid außerdem die Genehmigung zur Verbreitung des Jugendhörfunkprogramms C mit einer täglichen Sendezeit von 24 Stunden auf der Frequenzkette 2 erhalten. Die Klägerin war mit ihrer Klage gegen den Bescheid erfolglos geblieben. 3 Die Beklagte schrieb die Nutzung der Frequenzketten 1 und 2 im Februar 2012 neu aus. Die Klägerin bewarb sich um die jeweils auf 24 Stunden tägliche Sendezeit bemessene Nutzung beider Frequenzketten mit ihrem Programm A und einem bisher noch nicht existierenden Jugendhörfunkprogramm D. Die Beigeladene gab eine Bewerbung zur ganztägigen Nutzung der beiden Frequenzketten mit ihrem Programm B und ihrem Jugendhörfunkprogramm C ab. Die Bemühungen der Beklagten um eine einverständliche Aufteilung der zur Verfügung stehenden Frequenzkapazitäten schlugen fehl. Die Beklagte traf daraufhin gestützt auf Art. 25 und Art. 26 BayMG sowie den Beschluss ihres Medienrats vom 12. Dezember 2013 mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 eine zwei Phasen unterscheidende Genehmigungsentscheidung. Für die erste, zeitlich bis zu dem Beginn der digitalen Hörfunkverbreitung in Oberfranken im DAB+-Standard, längstens bis zum 31. Dezember 2015 bemessene Phase erhielt die Beklagte den bisherigen Genehmigungszustand aufrecht. Für die sich daran anschließende zweite Phase beendete sie das Splitting auf der Frequenzkette 1 und genehmigte der Beigeladenen die Verbreitung des Programms B mit einer täglichen Sendezeit von 24 Stunden auf der Frequenzkette 1 sowie der Klägerin die Verbreitung des Programms A mit einer entsprechenden Sendezeit auf der Frequenzkette 2, jeweils mit einer Befristung bis zum 31. Dezember 2021. Die weitergehenden Anträge der Beigeladenen und der Klägerin lehnte die Beklagte ab. Sie führte zur Begründung ihrer Entscheidung aus: Bis zu dem Start der digitalen Hörfunkverbreitung in Oberfranken könne der bisherige Genehmigungszustand weitergeführt werden. In Bezug auf die Auswahlentscheidung, die für die darauf folgende Zeit wegen der Zuweisung der Frequenzen für analogen Hörfunk zu treffen sei, ergäben sich im Sinne der Auswahlgrundsätze des Lokalbezugs, der Ausstattung sowie des Beitrags zur Meinungsvielfalt und zur Ausgewogenheit der Programme keine entscheidenden Unterschiede zwischen den Bewerbern. Im Hinblick auf die Grundsätze der Programmvielfalt und der tragfähigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei das bestehende Splitting auf der Frequenzkette 1 negativ zu beurteilen, eine Zusammenarbeit der Beigeladenen und der Klägerin sei jedoch nicht erreichbar. Nach dem Start der digitalen Hörfunkverbreitung könnten beide Bewerber ihre jeweils zwei Programmangebote im digitalen Ensemble verwirklichen. Es sei sinnvoll, dann eine vierundzwanzigstündige Verbreitung der Programme B und A sowohl in digitaler als auch in analoger Form zu ermöglichen und den beiden Programmen jeweils eine Frequenzkette zu überlassen. Im Interesse der Programmkontinuität sei die Frequenzkette 1 der Beigeladenen für ihr Programm B, das sie dort schon bisher 18 Stunden am Tag verbreite, zuzuweisen. Die Klägerin erhalte die Frequenzkette 2, von der das Jugendhörfunkprogramm C der Beigeladenen auf einen Programmplatz auf DAB+ wechseln müsse, zur alleinigen Nutzung für ihr Programm A. Für die Klägerin sei der Wechsel auf eine neue Frequenzkette zwar mit durchaus erheblichen Umstellungskosten verbunden, dies werde jedoch durch eine Vervierfachung der derzeitigen täglichen Sendezeit ausreichend kompensiert. Die beiden Frequenzketten wiesen annähernd gleiche technische Reichweiten im Versorgungsgebiet auf. Die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die sich für die Verbreitung lokalen Hörfunks außerhalb des Versorgungsgebiets aus der Vermarktung des overspills der Frequenzkette 1 ergeben könnten, seien bei einer Zuweisung dieser Kette an die Beigeladene auf Grund der Gesellschaftsstruktur - das heißt wegen der (mittelbaren) Beteiligung der Beigeladenen an der Verbreitung privater lokaler Hörfunkprogramme auch in den benachbarten Versorgungsgebieten - geringer als bei einer Überlassung an die Klägerin. Die Frequenzkette 1 biete in den überwiegenden Teilen des Versorgungsgebiets eine größere Durchhörbarkeit bei Fahrten mit dem Auto. Der entsprechende Nachteil der Frequenzkette 2 sei jedoch zu vernachlässigen, weil moderne Autoradios selbständig die Frequenz des eingestellten Programms wechselten. 4 Die gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2013 gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Sendegenehmigung mit einer ganztägigen Nutzung der Frequenzketten 1 und 2, hilfsweise zur Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags beantragt hat, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im Verlauf des vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Berufungsverfahrens hat die Beklagte vor allem deshalb, weil ein befriedigender Empfang des digitalen Hörfunks im Versorgungsgebiet zum 1. Januar 2016 noch nicht sichergestellt war, entsprechend dem Beschluss ihres Medienrats vom 8. Oktober 2015 am 29. Oktober 2015 einen Änderungs- und Zwischenbescheid erlassen, mit dem sie den Bescheid vom 18. Dezember 2013 abgewandelt hat. Sie hat die Regelung der Genehmigungsentscheidung für die erste Phase - die Aufrechterhaltung des bisherigen Genehmigungszustands - übergangsweise bis zu einer Einigung der Beigeladenen und der Klägerin, längstens bis sechs Monate nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache verlängert und bestimmt, dass die zweite Phase mit der Neuverteilung der Frequenzen dementsprechend zeitversetzt in Kraft tritt. In den Gründen des Bescheids hat die Beklagte ihre Erwägungen zur Rechtfertigung dieser Neuverteilung bekräftigt, jedoch den Umstand, dass sich im Jahr 2015 auf Grund der Regulierung der Entgelte für die UKW-Sendeanlagen durch die Bundesnetzagentur die zu zahlenden Entgelte für die Frequenzkette 1 stark verringert hatten, während diejenigen für die Frequenzkette 2 gestiegen waren, als eine nicht hinnehmbare Wettbewerbsverzerrung bezeichnet. Sie hat darauf verwiesen, dass ihr Medienrat ihren Präsidenten aufgefordert habe, die Bayerische Medien Technik GmbH zu veranlassen, der Beigeladenen und der Klägerin die Frequenznutzung zu den gleichen Senderentgelten zu eröffnen. 5 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Änderungs- und Zwischenbescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 in das Verfahren einbezogen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Er folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und der streitgegenständlichen Bescheide und hat ergänzend ausgeführt: Die Beigeladene und die Klägerin erfüllten jeweils unstreitig die gesetzlichen Anforderungen für die Genehmigung eines Rundfunkangebots nach Art. 26 Abs. 1 BayMG. Der Umstand, dass die Beigeladene einer Firmengruppe angehöre, schließe ihre Berücksichtigung bei der Auswahlentscheidung nicht aus. Die Beigeladene habe im Versorgungsgebiet keine vorherrschende Meinungsmacht im Sinne des Art. 25 Abs. 5 Satz 1 BayMG. Die Klägerin habe nicht deshalb Anspruch auf eine vorrangige Berücksichtigung, weil sie seit längerer Zeit als mittelständisches Familienunternehmen und lokale Rundfunkanbieterin im Versorgungsgebiet tätig sei. Wie die Klägerin habe auch die Beigeladene ihren Geschäftssitz bzw. Tätigkeitsschwerpunkt im Versorgungsgebiet und damit im Sinne des Art. 25 Abs. 4 Satz 3 BayMG einen örtlichen Bezug zu diesem. Nicht stichhaltig sei der Einwand der Klägerin, die ihr zugeteilte Frequenzkette 2 sei physikalisch wesentlich schwächer als die von ihr bisher anteilig genutzte Frequenzkette 1 mit der Folge, dass auch die technische Reichweite des gesendeten Programms und die Möglichkeit von Werbeeinnahmen deutlich verringert seien. Der von der Beklagten vorgelegte Versorgungsbericht (Stand September 2015) trage die Einschätzung, dass die Frequenzketten 1 und 2 eine vergleichbar gute Versorgung in Bezug auf das Versorgungsgebiet sicherstellten, auch wenn beide Frequenzketten jeweils strukturbedingte Vor- und Nachteile aufwiesen. Der overspill der Frequenz 88,0 MHz in der Frequenzkette 1 sei für die Beurteilung der Vergleichbarkeit der beiden Frequenzketten außer Betracht zu lassen. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Rundfunkprogramms im Sinne des Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG müsse in dem nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayMG festgesetzten Versorgungsgebiet selbst gesichert sein. Überreichweiten seien physikalisch unvermeidlich, jedoch für die Versorgung des jeweiligen Gebiets unerheblich und in ihren Auswirkungen auf andere Versorgungsgebiete medienrechtlich unerwünscht. Auf die Frage, in welchem Umfang der overspill bisher tatsächlich zu Werbeeinnahmen der Klägerin und der Beigeladenen geführt habe, komme es deshalb nicht an. Die Klägerin müsse gegenwärtig auch ansonsten nicht befürchten, dass die Neuverteilung der Frequenzen für sie wirtschaftlich nicht tragbar sei bzw. das wirtschaftliche Aus für sie bedeute. Zwar habe die Neuverteilung für sie erhebliche Auswirkungen, deren Prognose mit kaum realistisch einzuschätzenden Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden sei. Dabei entspreche jedoch die Ausweitung der täglichen Sendezeit von sechs auf 24 Stunden, die mit erheblichen Folgekosten verbunden sei, dem Begehren der Klägerin. Diese stehe allerdings auch vor der Herausforderung, ihre bisherige Hörerschaft auf die neue Frequenzkette mitzunehmen bzw. neue Hörer zu gewinnen, um hinreichend Werbeeinnahmen zu erzielen, was in Anbetracht der bisherigen Nutzung der Frequenzkette 2 durch ein Jugendhörfunkprogramm zusätzlich erschwert werde. Dagegen würden sich vor dem Hintergrund der Maßgaben des Änderungs- und Zwischenbescheids der Beklagten vom 29. Oktober 2015 die UKW-Senderkosten für die Klägerin nicht nachteilig ändern. Die Beklagte habe auch, sollte sich die von ihr im gerichtlichen Verfahren bekräftigte Prognose einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Programme nach der Neuverteilung der Frequenzen als unzutreffend herausstellen, die Möglichkeit, durch Anordnungen nach Art. 16 Abs. 1 BayMG auf eine solche Tragfähigkeit hinzuwirken. Die Beklagte habe im Übrigen im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens- und Gestaltungsspielraums bei der Neuverteilung der Frequenzen zu Recht berücksichtigt, dass die Beigeladene die Frequenzkette 1 bereits mit einer täglichen Sendezeit von 18 Stunden genutzt habe und dass sie darüber hinaus die von ihr bisher mit ihrem Jugendhörfunkprogramm belegte Frequenzkette 2 mit der Folge freimache, dass sie jenes Programm künftig nur im DAB+-Standard - ohne den Vorteil der parallelen Nutzung einer UKW-Frequenz - senden könne. Die Rundfunkfreiheit oder das Eigentumsrecht der Klägerin habe die Beklagte durch ihre Zuteilungsentscheidung nicht verletzt. 6 Mit ihrer von dem Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision begehrt die Klägerin nur noch, die Beklagte zur Erteilung einer Sendegenehmigung für ihr Programm A mit einer ganztägigen Nutzung der Frequenzkette 1, hilfsweise zu einer entsprechenden Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags zu verpflichten. Zur Begründung ihrer Revision knüpft die Klägerin mit ihren bereits in den Vorinstanzen angebrachten Einwänden gegen die Neuverteilung der Frequenzen an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit und das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG an. Sie macht im Wesentlichen geltend: Die Beklagte habe nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt, dass die Beigeladene Teil eines konzerngesteuerten Filialradionetzes sei, das den privaten Rundfunk im oberfränkischen Raum dominiere, wogegen die Klägerin in lokaler Verwurzelung nur von Hof aus sende. Die Frequenzkette 2 sei im Vergleich mit der Frequenzkette 1 minderwertig, weil sie im Hinblick auf 30 000 bis 40 000 Hörer ein von dem Verwaltungsgerichtshof auf Grund eines Verfahrensfehlers in seiner Bedeutung verkanntes Funkloch aufweise, eine Durchhörbarkeit bei einem Hörfunkempfang im Auto nicht gewährleiste und wegen des nur bei der Frequenzkette 1 gegebenen overspills im Hinblick auf die Erzielung von Werbeeinnahmen im Nachteil sei. Der Klägerin könne nicht zugemutet werden, mit ihrem Programm A auf die Frequenzkette 2 zu wechseln, da die Beklagte diese Frequenzkette früher selbst nicht als geeignete Grundlage für eine wirtschaftlich tragfähige Programmgestaltung angesehen habe und dem Programm der Klägerin die wirtschaftliche Tragfähigkeit jedenfalls deshalb entzogen werde, weil sie den Ausfall von Werbeeinnahmen, der sich wegen der Defizite der Frequenzkette 2 und des mit dem Frequenzwechsel verbundenen Verlusts an Hörern einstellen werde, anders als die Beigeladene nicht ausgleichen könne. 7 Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Berufungsurteil. II 8 Die zulässige Revision ist sowohl mit ihrem Hauptantrag als auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet und deshalb gemäß § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das Berufungsurteil, das nur im Hinblick auf die von der Klägerin begehrte Genehmigung für die ganztägige Verbreitung des Programms A auf der Frequenzkette 1 für die zweite Phase nach den Genehmigungsbescheiden der Beklagten vom 18. Dezember 2013 und vom 29. Oktober 2015 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, beruht nicht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf der Verletzung von Bundesrecht. 9 Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist gestützt auf die irrevisiblen Vorschriften der Art. 25 und Art. 26 Abs. 1 des Gesetzes über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Telemedien in Bayern (Bayerisches Mediengesetz - BayMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2003 (GVBl S. 799). Dieses Landesgesetz war zu dem Zeitpunkt der angegriffenen Auswahlentscheidung der Beklagten, der nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die gerichtliche Beurteilung einer solchen Verfügung maßgeblich ist (vgl. etwa: VGH München, Urteile vom 26. Februar 1997 - 7 B 93.21 22 - juris Rn. 24 und vom 12. Mai 1999 - 7 B 98.17 54 - ZUM-RD 1999, 397 <399 f.>), zuletzt durch das Gesetz vom 22. Mai 2015 (GVBl S. 154) geändert worden, das aber die hier relevanten Vorschriften unberührt gelassen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene die in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayMG umschriebenen zwingenden Voraussetzungen für die nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayMG erforderliche Genehmigung der Beklagten zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen erfüllen, dass die Beigeladene durch die erteilte Genehmigung keine vorherrschende Meinungsmacht im Sinne von Art. 25 Abs. 5 ff. BayMG erlangt und dass die Neuverteilung der Frequenzen den in Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 BayMG enthaltenen Grundsätzen über die Auswahl von Programmangeboten bei nicht ausreichenden Übertragungskapazitäten entspricht. Der Senat ist gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO an das Normverständnis gebunden, das das Berufungsgericht im Hinblick auf die von ihm herangezogenen landesrechtlichen Bestimmungen zu Grunde gelegt hat. Er ist darauf beschränkt nachzuprüfen, ob die Auslegung und Anwendung des Landesrechts mit Bundesverfassungsrecht vereinbar ist. Dies ist hier, was den in erster Linie anzuwendenden Maßstab der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Rundfunkfreiheit anbelangt, der Fall (1.). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie den Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG und des Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich keine für die Klägerin günstigere Beurteilung (2.). 10 1. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist auf eine Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegt, wobei sich, was die zu regelnden Zugangsvoraussetzungen für private Rundfunkveranstalter anbelangt, objektiv-rechtliche und subjektiv-rechtliche Elemente verschränken (a.). Der grundrechtliche Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht den bayerischen Programmanbietern - und damit auch der Klägerin - zu. Diesem Schutz dient die dem Gesetzgeber obliegende Aufgabe zur Regelung des Zugangs zur privaten Rundfunkveranstaltung. Die beklagte Landeszentrale ist verpflichtet, ihm bei der Anwendung der Zugangsvorschriften, auch was die wirtschaftlichen Grundlagen der Verbreitung privater Rundfunkprogramme anbetrifft, Rechnung zu tragen (b.). Eine Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht der Rundfunkfreiheit - verstärkt durch den Bezug zu der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - ergibt sich indes weder aus dem von dem Verwaltungsgerichtshof festgestellten Inhalt der landesrechtlichen Vorschriften über die Auswahl von privaten Programmangeboten bei nicht ausreichenden Übertragungskapazitäten (c.) noch aus der von dem Verwaltungsgerichtshof bestätigten Anwendung des Landesmedienrechts durch die Beklagte (d.). 11 a. Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Sie verlangt zunächst die Freiheit von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme und ist in ihrem Kern Programmfreiheit. Diese klassische grundrechtliche Abwehrfunktion wird jedoch dem dienenden Charakter der Rundfunkfreiheit allein nicht gerecht. Es bedarf dazu einer positiven Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der vorhandenen Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Hierfür sind materielle, organisatorische und prozedurale Regelungen notwendig, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleisten will. Diese rechtliche Ausgestaltung unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes, der, da es sich um für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Entscheidungen handelt, ein Parlamentsvorbehalt ist. Dem Landesgesetzgeber kommt dabei ein weiter Regelungsspielraum zu. Im Hinblick auf die Betätigung privater Rundfunkveranstalter sind regelungsbedürftig allerdings in jedem Fall die Zulassung der Bewerber und deren Auswahl in der Konstellation, dass die zur Verfügung stehenden Verbreitungsmöglichkeiten es nicht erlauben, allen auftretenden Bewerbern mit ihren Programmen den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen zu eröffnen (grundlegend: BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319 ff., 326 f.>, vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 - BVerfGE 73, 118 <152 ff.> und vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85 u.a. - BVerfGE 83, 238 <295 f., 315 ff., 322 ff.>; speziell für lokalen und regionalen Rundfunk: BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <387 ff.>). Diese objektiv-rechtliche Regelungsverpflichtung des Gesetzgebers dient zugleich der Sicherung der subjektiven Grundrechtsposition der Rundfunkveranstalter im Rahmen der vom Gesetzgeber zulässigerweise geschaffenen Rundfunkordnung; ihr Sicherungszweck wäre gefährdet, wenn die Betroffenen keine Möglichkeit hätten, eine Pflichtverletzung geltend zu machen (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <313>; Urteil vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <55 f.>). 12 b. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht allen zugelassenen Rundfunkveranstaltern und allen Bewerbern um eine Rundfunklizenz ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform sowie den kommerziellen oder nichtkommerziellen Charakter ihrer Betätigung zu (BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - BVerfGE 95, 220 <234>; Urteil vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <56>). Dies gilt uneingeschränkt auch für die bayerischen Programmanbieter bzw. für die Bewerber um eine Lizenz nach dem bayerischen Landesmedienrecht und damit für die Klägerin. Zwar wird in Bayern Rundfunk auf der Grundlage von Art. 111a Abs. 2 Satz 1 VerfBY in öffentlicher Verantwortung sowie in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben. Die Beklagte - nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayMG eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts - tritt gemäß Art. 2 BayMG als Veranstalterin der privaten Rundfunkangebote auf. Entscheidend ist jedoch, dass es die privaten Anbieter sind, die ungeachtet der gesetzlichen Veranstaltereigenschaft der Beklagten die Kernfunktion des Rundfunks, nämlich die Programmgestaltung tatsächlich wahrnehmen (BVerfG, Beschlüsse vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <311 ff.> und vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <389>). 13 Hieraus folgt zum einen, dass die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnde Verpflichtung des (Landes-) Gesetzgebers zur Regelung des Zugangs zur Veranstaltung privaten Rundfunks vorrangig im Hinblick auf den Schutz der privaten Programmanbieter besteht. Inhaltlich bedarf es für die Erfüllung dieser Verpflichtung besonders strikter gesetzlicher Vorkehrungen, da die Gefahr der Einflussnahme auf die im Kern der Grundrechtsgarantie stehende Programmfreiheit bei der Entscheidung über die Zulassung von Bewerbern und insbesondere über deren Auswahl und über die Zuteilung von Übertragungskapazitäten im Fall nicht ausreichender Kapazitäten besonders groß ist (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <313>; Urteil vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <55 f.>). 14 Zum anderen ist die Beklagte, die ungeachtet ihrer staatsfernen und pluralistischen Konstruktion den Anbietern als Teil der öffentlichen Gewalt entgegentritt, im Verhältnis zu diesen ausschließlich grundrechtsverpflichtet. Ihr kommt in diesem Verhältnis ein eigener bundesverfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz, der im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz berücksichtigt werden müsste, nicht zu. Ein solcher Schutz kann der Beklagten, was hier indes keiner Entscheidung bedarf, allenfalls gegenüber staatlichen Einrichtungen zustehen (BVerwG, Urteil vom 6. Mai 2015 - 6 C 11.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​060515U6C11.14.0] - BVerwGE 152, 122 Rn. 24; die Frage zuvor noch offen lassend: BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <314>; BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1999 - 6 C 19.98 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 33 S. 7 f.). Was die Wirkkraft des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Anwendung der Vorschriften über den Zugang zur Verbreitung privater Rundfunkprogramme anbelangt, stellt wegen des auch insoweit bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht jeder Verstoß gegen diese Bestimmungen zugleich eine Grundrechtsverletzung dar. Der Bewerber hat jedoch nach der ausdrücklich als nicht abschließend gekennzeichneten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in jedem Fall einen Anspruch darauf, dass seine Position als Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit bei der Auslegung und Anwendung der Zugangsregelung hinreichend beachtet wird, und verfügt damit über eine rundfunkspezifische Rechtsposition, die über die durch das Willkürverbot vermittelte hinausreicht (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <314>). Gewährleistet ist danach jedenfalls die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls angemessene Berücksichtigung des Belangs, in wirtschaftlicher und programmlicher Eigenverantwortung am publizistischen Wettbewerb teilnehmen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1999 - 6 C 19.98 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 33 S. 10). Diese Vorgaben reichen indes für die Umschreibung der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Rechtsposition eines Bewerbers um eine Rundfunklizenz bzw. um die Zuteilung von Übertragungskapazitäten dann nicht aus, wenn dieser - wie dies bei der Klägerin und auch bei der Beigeladenen der Fall ist - schon seit Jahren mit Erfolg an der Herstellung von Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk teilgenommen hat. In einer derartigen Konstellation darf die wirtschaftliche Grundlage für die weitere Beteiligung des Betroffenen am Rundfunk durch eine Lizenzierungsentscheidung allenfalls dann entzogen oder ausgehöhlt werden, wenn hierfür gewichtige rundfunkrechtliche Gründe bestehen. 15 c. Die von dem Verwaltungsgerichtshof angewandten Vorschriften des Landesmedienrechts gestalten das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in zulässiger Weise gesetzlich aus. Dies ist im Hinblick auf die zwingenden Genehmigungsvoraussetzungen aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayMG und die in Gestalt von Art. 25 Abs. 5 ff. BayMG getroffenen Vorkehrungen zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht in dem jeweils festgesetzten Versorgungsgebiet aus Anlass des zur Entscheidung stehenden Falles nicht in Frage zu stellen. Diese Beurteilung gilt, ohne dass es dabei auf etwaige auf Art. 111a Abs. 2 Satz 1 VerfBY beruhende landesrechtliche Besonderheiten ankäme, auch für die Regelung in Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG. An diesen Vorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof die von der Beklagten vor dem Hintergrund einer nicht erreichbaren partizipatorischen Frequenznutzung im Sinne von Art. 25 Abs. 4 Satz 4 bis 6 BayMG getroffene Auswahl in Bezug auf die vorliegenden Programmangebote der Klägerin und der Beigeladenen gemessen. Obwohl die Bestimmungen nach ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof der Beklagten einen Entscheidungsspielraum einräumen, stellen sie eine hinreichende gesetzliche Vorkehrung zum Schutz der Rundfunkfreiheit der Anbieter aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei nicht ausreichenden Übertragungskapazitäten für private Rundfunkprogramme dar (aa.) und verletzen auch nicht die ergänzend in den Blick zu nehmende Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (bb.). 16 aa. Art. 25 Abs. 4 Satz 1 BayMG sieht vor, dass die Beklagte eine Auswahl vorzunehmen hat, wenn auf einer Frequenz ein Gesamtprogramm unter wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen nicht mit allen Antragstellern durchgeführt werden kann. Hierdurch wird der Beklagten nach der für den Senat verbindlichen Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs ein Ermessens- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dieser hat nach dem Normverständnis des Verwaltungsgerichtshofs, wie sich aus dem Verweis auf die Darlegungen in seinem Urteil vom 30. November 2009 - 7 B 06.29 60 - (ZUM 2010, 462 <466>) ergibt, gesetzlich festgelegte Grenzen. Der Spielraum ist begrenzt einerseits durch die Maßgaben aus Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG - die Beachtung von Programmvielfalt und tragfähigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen -, andererseits durch die in Art. 25 Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG enthaltenen Auswahlgrundsätze, die sich unter anderem auf die organisatorische und finanzielle Ausstattung des Antragstellers, seinen örtlichen Bezug zum Sendegebiet und den Beitrag des Angebots zur Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit des Gesamtprogramms beziehen. Im Übrigen wird die Beklagte durch den seitens des Landesrechts eingeräumten Spielraum nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer Abwägungsentscheidung ermächtigt, die nach den Maßstäben der allgemein anerkannten Abwägungsfehlerlehre einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist (grundlegend: VGH München, Urteil vom 12. Mai 1999 - 7 B 98.17 54 - ZUM-RD 1999, 397 <401 f.>). Mit diesem Inhalt sind die Bestimmungen in Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG mit den Vorgaben vereinbar, die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für die gesetzliche Regelung des Zugangs zur Verbreitung privater Rundfunkprogramme im Hinblick auf die Bewerberauswahl und die Zuteilung knapper Übertragungskapazitäten ergeben. 17 Das Bundesverfassungsgericht versteht seine in diesem Zusammenhang im Interesse der Rundfunkfreiheit aufgestellte Forderung nach besonders strikten gesetzlichen Vorkehrungen nur dann im Sinne eines Ausschlusses jeglicher Beurteilungs- und Ermessensspielräume, wenn die Auswahl- und Zuteilungsentscheidungen durch staatliche Behörden zu treffen sind (BVerfG, Urteile vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 - BVerfGE 73, 118 <182 ff.> und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <89>). Es erachtet es demgegenüber als verfassungsrechtlich unbedenklich, dass einer unabhängigen, die Verwirklichung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit sichernden Landesmedienanstalt bei den Zugangs- und Auswahlentscheidungen ein Abwägungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, den die Anstalt unter Beachtung und Wahrung der betroffenen Grundrechte auszufüllen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie dies in Art. 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 und Art. 13 BayMG für Entscheidungen der Beklagten über die Genehmigung von Programmangeboten vorgesehen ist - die Zustimmung des Medienrats der Anstalt als einem plural mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Kräfte zusammengesetzten Gremium vorausgesetzt wird und damit eine auf die Ermöglichung der Meinungsvielfalt gerichtete ergänzende prozedurale Sicherung der Rundfunkfreiheit hinzutritt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 31. Juli 2007 - 1 BvR 946/07 - NVwZ 2007, 1304 <1305>). Überantwortet mithin der Landesgesetzgeber die Bewerberauswahl und die Zuteilung der Übertragungskapazitäten einer nicht der unmittelbaren Staatsverwaltung angehörenden Landesmedienanstalt und erkennt er dieser einen Abwägungs- und Gestaltungsspielraum zu, ist es für die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Forderung nach strikten gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung der Rundfunkfreiheit einerseits notwendig, andererseits aber auch ausreichend, dass der besagte Entscheidungsspielraum in Gestalt von im Gesetz festgelegten Auswahlgrundsätzen vorstrukturiert ist (vgl. in diesem Sinne unter Bezug auf u.a. BVerfG, Urteil vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <327>: Bumke, in: Hahn/Vesting , Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 20 RStV Rn. 45; Binder, ebendort, § 50 RStV Rn. 24; Schulze-Fielitz, in: Dreier , GG, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 255). 18 Hiernach prägen die in Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG enthaltenen Maßgaben die Abwägungsentscheidung, die die Beklagte im Rahmen des ihr durch das Landesrecht zuerkannten Ermessens- und Gestaltungsspielraums zu treffen hat, in hinreichendem Maße vor. Sie sind der Sache nach auf das Ziel der Sicherung von Meinungsvielfalt bezogen. Soweit sie auf die thematische Ausrichtung des jeweiligen Programmangebots abstellen, kann und muss bei ihrer Anwendung eine unzulässige inhaltliche Bewertung vermieden werden. 19 bb. In die verfassungsrechtliche Prüfung eines administrativen Letztentscheidungsrechts ist neben der jeweils betroffenen materiellen Gewährleistung - hier derjenigen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - stets das prozessuale Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einzubeziehen. Auch mit diesem steht der Ermessens- und Gestaltungsspielraum, den das Landesrecht der Beklagten für ihre Auswahl- und Frequenzzuteilungsentscheidung zuerkennt, in Einklang. 20 Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt grundsätzlich die Pflicht der Verwaltungsgerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass durch den Gesetzgeber eröffnete Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume die Durchführung der Rechtskontrolle durch die Gerichte einschränken. Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiell-rechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert und der Verwaltung einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt. Für die Rechtfertigung eines administrativen Letztentscheidungsrechts am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben der hier durch den Verwaltungsgerichtshof bindend festgestellten eindeutigen gesetzlichen Verankerung vor allem eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds für die Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte. Darüber hinaus müssen den Fachgerichten genügend Möglichkeiten und in deren Rahmen auch die Pflicht zu einer substantiellen Kontrolle des administrativen Handelns verbleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 ff., 28 ff.> und vom 8. Dezember 2011- 1 BvR 1932/08 - NVwZ 2012, 694 Rn. 20 ff.; zusammengefasst in: BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 18.13 - BVerwGE 151, 56 Rn. 31). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. 21 Für den Spielraum, den das Landesrecht der Beklagten einräumt, besteht ein hinreichend gewichtiger Sachgrund. Die Beklagte hat bei einer Entscheidung nach Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG zu beurteilen, wie sich die Auswahl eines bestimmten Bewerbers und seines Programms sowie die Zuteilung von Übertragungskapazitäten auf die Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet auswirken werden. Diese Beurteilung erstreckt sich auf komplexe Interessenverhältnisse und Zielkonflikte, denen Sachverhalte ökonomischer, gesellschaftlicher und kultureller Art zugrunde liegen. Dabei kommt es in entscheidendem Maße auf Wertungen, Prognosen und Abwägungen an. Die Entscheidung enthält auch gestaltende Elemente. Sie kann in Anbetracht all dessen nicht allein durch die Kategorien von falsch und richtig erfasst werden, so dass die Kompetenzzuweisung an den plural zusammengesetzten Medienrat der Beklagten sachgerecht erscheint. Eine substantielle gerichtliche Kontrolle wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Die Beklagte muss bei ihrer Entscheidung das Grundrecht der betroffenen Bewerber aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nach den oben genannten Maßstäben berücksichtigen. Anhand dieser Maßstäbe unterliegt die Abwägung, die die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens- und Gestaltungsspielraums unter Beachtung der gesetzlichen Vorstrukturierung anzustellen hat, der gerichtlichen Überprüfung. 22 d. In der Anwendung des Landesmedienrechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist eine revisionsrechtlich beachtliche Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu erkennen. Es steht außer Streit, dass die Klägerin mit ihrem noch verfahrensgegenständlichen Programmangebot die zwingenden Genehmigungsvoraussetzungen nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayMG erfüllt. Darüber hinaus ergibt sich auf der Grundlage der den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ein Grundrechtsverstoß weder aus dem Vollzug der in Art. 25 Abs. 5 ff. BayMG enthaltenen Bestimmungen zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht im Versorgungsgebiet (aa.) noch im Zusammenhang mit der von der Beklagten auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG getroffenen Auswahlentscheidung (bb.). 23 aa. Aus der Darlegung des Verwaltungsgerichtshofs, die Zugehörigkeit der Beigeladenen zu einer Firmengruppe schließe deren Berücksichtigung bei der Auswahlentscheidung nicht wegen einer von ihr ausgeübten vorherrschenden Meinungsmacht im Versorgungsgebiet im Sinne des Art. 25 Abs. 5 Satz 1 BayMG aus, tritt eine Verletzung des Grundrechts der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schon deshalb nicht hervor, weil ihr die tatsächliche Feststellung zugrunde liegt, dass (mittelbare) Beteiligungen der Beigeladenen oder ihrer Muttergesellschaft in einem für die Vorschriften in Art. 25 Abs. 5 bis 10 BayMG relevanten Maß nicht bestehen. Dies ergibt sich daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 30. November 2009 - 7 B 06.29 60 - (ZUM 2010, 462 <465>) und die seither im Wesentlichen unveränderte Sachlage verwiesen hat. Die Klägerin hat diese Feststellung nicht in Zweifel gezogen und insbesondere nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Ihr Hinweis auf ein vielfältiges Medienengagement der Firmengruppe, der die Beigeladene angehört, und auf eine Dominanz dieser Gruppe im Bereich des privat produzierten Rundfunks in Oberfranken ist für die Frage eines in hohem Maße ungleichgewichtigen Einflusses auf die Bildung der öffentlichen Meinung im Versorgungsgebiet nicht relevant. 24 bb. Die Bestätigung der von der Beklagten auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 bis 3 BayMG getroffenen Auswahlentscheidung durch das Berufungsurteil beruht nicht auf einem Verstoß gegen das Grundrecht der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Beklagte hat dadurch, dass sie in Ausfüllung ihres gesetzlich vorstrukturierten Ermessens- und Gestaltungsspielraums der Beigeladenen die Verbreitung des Programms B auf der Frequenzkette 1 und der Klägerin die Verbreitung des Programms A auf der Frequenzkette 2 genehmigt hat, die Rundfunkfreiheit der Klägerin nicht verletzt. Abzustellen ist insoweit auf die Gründe des Bescheids vom 18. Dezember 2013 sowie die nach § 114 Satz 2 VwGO berücksichtigungsfähige Begründung des Änderungs- und Zwischenbescheids vom 29. Oktober 2015 mitsamt den dort ausdrücklich in Bezug genommenen Ausführungen in der Vorlage für den Beschluss des Medienrats der Beklagten vom 8. Oktober 2015. Die Erwägungen der Beklagten sind insbesondere unter den Gesichtspunkten des Lokalbezugs der Bewerber (1), der technischen Vergleichbarkeit der Frequenzketten im Versorgungsgebiet (2), der technischen Überreichwerte (des overspills) der Frequenzkette 1 (3), der vormals negativen wirtschaftlichen Bewertung der Frequenzkette 2 durch die Beklagte (4), der für die Klägerin mit dem Frequenzkettenumzug verbundenen wirtschaftlichen Risiken (5) und der vergleichsweise hohen Entgelte für die UKW-Sendeanlagen der Frequenzkette 2 (6) nicht zu beanstanden. 25 (1) Nach der zutreffenden Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs musste die Beklagte dem Begehren der Klägerin, die von ihr als vorzugswürdig erachtete Frequenzkette 1 für das Programm A zugewiesen zu bekommen, unter Berücksichtigung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit nicht deshalb entsprechen, weil die Klägerin als Familienunternehmen allein von Hof aus sendet, wogegen die Beigeladene einer Firmengruppe angehört, deren Gesellschaften private Hörfunkprogramme auch in den benachbarten Versorgungsgebieten verbreiten. Die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beachtliche Funktion des in Art. 25 Abs. 4 Satz 3 BayMG genannten Auswahlgrundsatzes des örtlichen Bezugs eines Bewerbers zum Sendegebiet und die Rechtfertigung einer daran ausgerichteten Abwägungsentscheidung kann nur darin bestehen, der Verbindung des angebotenen Programms mit dem Versorgungsgebiet in inhaltlicher Sicht zu dienen. Diese Funktion kann, wovon der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeht, auch durch eine im Versorgungsgebiet ansässige und tätige, wenn auch einer überörtlichen Firmengruppe angehörende Gesellschaft - hier die Beigeladene - erfüllt werden. Eine Pflicht zu einer generellen Bevorzugung örtlicher mittelständischer Unternehmen, wie sie der Klägerin vorschwebt, kann aus dem oben umschriebenen Gewährleistungsgehalt des Grundrechts der Rundfunkfreiheit nicht abgeleitet werden. 26 (2) Die Klägerin wird durch die von dem Verwaltungsgerichtshof bestätigte Entscheidung der Beklagten, ihr die Frequenzkette 2 zuzuweisen, nicht deswegen in den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten wirtschaftlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit als private Rundfunkproduzentin beeinträchtigt, weil angenommen werden müsste, dass die Frequenzkette 2 im Vergleich mit der Frequenzkette 1, die die Beklagte der Beigeladenen zugewiesen hat, eine wesentlich geringere technische Leistungsfähigkeit in dem Versorgungsgebiet mit negativen Auswirkungen auf die Attraktivität der gesendeten Programme als Werbeträger aufweist. 27 Der Verwaltungsgerichtshof hat tatsächliche Feststellungen zu den Vor- und Nachteilen der Frequenzketten 1 und 2 im Hinblick auf ihre technische Leistungsfähigkeit im Versorgungsgebiet getroffen. Er hat festgestellt, dass die Frequenzkette 1 im Versorgungsgebiet eine technische Reichweite von ca. 218 000 Einwohnern hat. Die Frequenzkette weist mit dem Sender Großer Waldstein den leistungsstärksten Sender im Versorgungsgebiet auf. Sie hat jedoch Schwächen in Gestalt einer vergleichsweise schwachen Versorgung der Stadt Hof und eines örtlich begrenzten Signalschwunds in den Tälern und Senken der hügeligen Landschaft. Die Frequenzkette 2 hat nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs im Versorgungsgebiet eine technische Reichweite von ca. 211 000 Einwohnern. Sie versorgt die Stadt Hof besonders gut, weist aber in einigen Gebieten - insbesondere in Rehau, Schwarzenbach an der Saale und westlich von Weißenstadt - Defizite auf. Nach der bereits in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht getroffenen und von dem Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen Feststellung wird durch das sog. Radio Data System die durchgehende Hörbarkeit beider Frequenzketten im mobilen Empfang durch moderne Autoradios sichergestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese von ihm festgestellten technischen Gegebenheiten in tatsächlicher Hinsicht dahingehend gewürdigt, dass beide Frequenzketten trotz ihrer jeweiligen strukturbedingten Vor- und Nachteile das Versorgungsgebiet vergleichbar gut bedienen. 28 Die Klägerin stellt dieser Feststellung und Würdigung von Tatsachen durch den Verwaltungsgerichtshof die Behauptung entgegen, die Frequenzkette 2 weise ein ca. 30 000 bis 40 000 potentielle Hörer betreffendes Funkloch auf, könne bei dem Hörfunkempfang im Auto eine Durchhörbarkeit nicht gewährleisten und sei deshalb im Vergleich mit der Frequenzkette 1 als minderwertig zu qualifizieren. Sie kann damit im Revisionsverfahren nicht durchdringen. Denn sie hebt die auf § 137 Abs. 2 VwGO beruhende Bindung des Senats an die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht mittels erfolgreicher Verfahrensrügen auf und bringt derartige Rügen auch nicht gegen die Tatsachenwürdigung des Verwaltungsgerichtshofs an. 29 Die Klägerin rügt zu Unrecht, der Verwaltungsgerichtshof habe den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die Annahme einer Vergleichbarkeit der beiden Frequenzketten in technischer Hinsicht verletzt, weil er nicht zur Kenntnis genommen bzw. seiner Tatsachenwürdigung nicht zutreffend zugrunde gelegt habe, dass nach dem von der Beklagten vorgelegten Versorgungsbericht die Städte Rehau, Schwarzenbach an der Saale und Gebiete westlich von Weißenstadt von der Frequenzkette 2 nicht oder nur eingeschränkt versorgt würden, was negative wirtschaftliche Auswirkungen für den Verbreiter von Hörfunk auf dieser Frequenzkette habe. 30 Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​090615B6B59.14.0] - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 53 und vom 8. Juni 2016 - 6 B 40.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​080616B6B40.15.0] - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 12 Rn. 36). Dem Verwaltungsgerichtshof sind derartige Fehler in der Sachverhaltswürdigung nicht unterlaufen. Er hat vielmehr die in dem Versorgungsbericht beschriebenen Nachteile der Frequenzkette 2 zur Kenntnis genommen und sie ausdrücklich als Defizite bezeichnet. Er hat es allerdings dabei nicht bewenden lassen, sondern auch die anhand des Versorgungsberichts gleichfalls erkennbaren Nachteile der Frequenzkette 1 sowie die Vorteile beider Frequenzketten in den Blick genommen. Zu der Würdigung, dass beide Frequenzketten das Versorgungsgebiet vergleichbar gut bedienen, ist der Verwaltungsgerichtshof gelangt, indem er die jeweiligen Vor- und Nachteile in einer gut nachvollziehbaren Weise in Beziehung gesetzt hat. 31 Soweit die Klägerin sinngemäß eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf Sendeleistungseinschränkungen der Frequenzkette 2 insbesondere in den Städten Rehau, Schwarzenbach an der Saale und in Gebieten westlich von Weißenstadt rügt, wird ihr Vorbringen dem Begründungserfordernis des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht gerecht. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände, die für das Gericht entscheidungserheblich waren, Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Dabei müssen die Beweismittel, deren Heranziehung sich dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, angegeben werden und es muss dargelegt werden, inwiefern das Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Heranziehung beruht oder beruhen kann (stRspr, BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 43 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin bereits im Ansatz nicht. 32 Die Beklagte ist bei ihrer Auswahlentscheidung von einer den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Tatsachengrundlage und einer übereinstimmenden Würdigung in tatsächlicher Hinsicht ausgegangen. Sie hat im Anschluss daran bei der durch die Maßgaben des Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG geleiteten Ausfüllung ihres Ermessens- und Gestaltungsspielraums einen wirtschaftlichen Programmbetrieb nicht nur auf der Frequenzkette 1, sondern auch auf der Frequenzkette 2 für möglich erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies vor dem Hintergrund des der Klägerin durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Schutzes zu Recht nicht beanstandet. 33 (3) Die Erwägung, mit der der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung des Landesrechts eine Bedeutung des durch die Leistungsstärke des Senders Großer Waldstein bewirkten overspills der Frequenzkette 1 für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung der Beklagten verneint hat, greift im Hinblick auf das Grundrecht der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu kurz. Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf dieser Verkennung des Gehalts des Grundrechts, denn die Beklagte hat ihm bei ihrer Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen. 34 Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Bezugnahme auf den von der Beklagten vorgelegten Versorgungsbericht festgestellt, dass die Frequenzkette 1 auf ganz Bayern bezogen eine technische Reichweite von ca. 548 000 Einwohnern hat. Unter Berücksichtigung der von dem Verwaltungsgerichtshof festgestellten technischen Reichweite der Frequenzkette 1 im Versorgungsgebiet ergibt sich ein overspill von ca. 330 000 Einwohnern. Die Frequenzkette 2 ist nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs demgegenüber in ihrer technischen Reichweite im Wesentlichen auf das Versorgungsgebiet begrenzt. 35 Der Verwaltungsgerichtshof hat diesem tatsächlichen Umstand keine rechtliche Relevanz für die von der Klägerin angegriffene Auswahlentscheidung der Beklagten beigemessen, weil die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Rundfunkprogramms im Sinne des Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG in dem Versorgungsgebiet selbst gesichert sein müsse und es deshalb hier auch nicht auf die bisher durch den overspill der Frequenzkette 1 erzielten Werbeeinnahmen der Klägerin und der Beigeladenen ankomme. Mit dieser Anwendung des Landesrechts ist der Verwaltungsgerichtshof dem Gewährleistungsgehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vollständig gerecht geworden. Zwar ist auch vor dem Hintergrund des Grundrechts nicht in Frage zu stellen, dass das Versorgungsgebiet nach der von dem Landesgesetzgeber in Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayMG getroffenen Strukturentscheidung den entscheidenden rechtlichen Bezugspunkt für die Ordnung des lokalen Rundfunks bildet und Grenzüberschreitungen dementsprechend einen diese Ordnung potentiell störenden Charakter haben. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung auch und gerade der tatsächlichen Verhältnisse für die Umschreibung des Schutzes hervorgehoben, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Produzenten privater Rundfunkprogramme gewährt (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 - BVerfGE 97, 298 <311>). Die Beklagte hatte deshalb entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf die grundrechtsrelevanten wirtschaftlichen Grundlagen der privaten Rundfunkproduktion den overspill der Frequenzkette 1 bei der Abwägung innerhalb ihres insoweit durch die Maßgaben des Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG vorgeprägten Ermessens- und Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen. Dies hat sie indes in nicht zu beanstandender Weise getan. 36 Die Beklagte hat sich in der ihrer Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Abwägung auf die Erwägung gestützt, dass eine Betonung des overspills bei der Werbevermarktung negative Auswirkungen auf den Werbemarkt in den benachbarten Versorgungsgebieten haben könne und dass eine derartige Betonung vor allem von der Klägerin und weniger von der Beigeladenen, die an der Verbreitung privater lokaler Hörfunkprogramme in den Nachbargebieten (mittelbar) beteiligt sei, erwartet werden müsse. Diese Erwägung lässt einen Abwägungsfehler im Hinblick auf die Bewältigung von Störungen, die sich aus dem physikalischen Phänomen des overspills für die von dem Landesgesetzgeber zugrunde gelegte Struktur des lokalen Hörfunks ergeben können, nicht erkennen. Die Beklagte konnte dabei davon ausgehen, dass die wirtschaftliche Existenz der Klägerin als private Rundfunkproduzentin bisher nicht in einem für das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erheblichen Maße von einer Ausnutzung des overspills der Frequenzkette 1 abhängig war. Nach den von der Beklagten in den Blick genommenen, für Werbekunden besonders aussagekräftigen Erhebungen über tatsächlich erreichte Hörer sind in der Vergangenheit auf Grund dieses overspills zusätzliche tatsächliche Hörer nur in begrenzter Zahl gewonnen worden, im Jahr 2015 ca. 10 Prozent. Diesen Wert, an dem die Klägerin nur entsprechend ihrer Beteiligung an der Nutzung der Frequenzkette 1 Anteil haben konnte, hat der Verwaltungsgerichtshof durch seinen Verweis auf die Gründe der angegriffenen Bescheide der Beklagten - hier diejenigen des Änderungs- und Zwischenbescheids vom 29. Oktober 2015 - festgestellt. 37 (4) Die Zuweisung der Frequenzkette 2 für das Programm A beeinträchtigt die Klägerin nicht deshalb in einer nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässigen Weise in ihrer wirtschaftlichen Existenz, weil die frühere negative wirtschaftliche Bewertung dieser Frequenzkette durch die Beklagte nach wie vor als beachtlich angesehen werden müsste. 38 Die Beklagte hatte in der vorhergehenden Lizenzierungsperiode eine eigenständige wirtschaftliche Tragfähigkeit des von der Beigeladenen auf der Frequenzkette 2 verbreiteten Jugendhörfunkprogramms C verneint (vgl. dazu: VGH München, Urteil vom 30. November 2009 - 7 B 06.29 60 - ZUM 2010, 462 <463, 467, 468>). Dies führt indes nicht dazu, dass die nunmehr in Streit stehende Auswahlentscheidung der Beklagten - gewissermaßen im Sinne einer nahtlosen Fortschreibung ihrer vormaligen Einschätzung - wegen einer mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichenden Beachtung der wirtschaftlichen Grundlage einer weiteren Beteiligung der Klägerin am lokalen Hörfunk als abwägungsfehlerhaft anzusehen wäre. Die Klägerin kann mit ihrem Programm A inhaltlich weiter ausgreifen und deshalb - mit entsprechenden Folgen für ihre Attraktivität für Werbekunden - vom Ansatz her mehr Hörer erreichen als ein reines Jugendhörfunkprogramm. Unabhängig hiervon hat die Beklagte in den von dem Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommenen und in ihren tatsächlichen Bestandteilen festgestellten Gründen des Änderungs- und Zwischenbescheids vom 29. Oktober 2015 darauf verwiesen, dass im Jahr 2014 C auch als Jugendhörfunkprogramm auf der Frequenzkette 2 eine höhere durchschnittliche Hörerreichweite erreicht hat als die Programme B und A auf der Frequenzkette 1. 39 (5) Der Umstand, dass die Klägerin nach der von dem Verwaltungsgerichtshof bestätigten Auswahlentscheidung der Beklagten mit ihrem Programm A, was dessen bisher bestehenden Umfang anbelangt, von der Frequenzkette 1 auf die Frequenzkette 2 umziehen muss, rechtfertigt nicht die Annahme, der Klägerin werde in einer Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechenden Weise die wirtschaftliche Grundlage ihrer weiteren Betätigung als Rundfunkproduzentin entzogen. 40 Der Verwaltungsgerichtshof hat die wirtschaftlichen Risiken benannt, die sich für die Klägerin im Hinblick auf die für sie neuartige Verbreitung des Programms A auf der Frequenzkette 2 ergeben. Die Risiken haben ihren Grund zum einen in dem Umstand, dass die Klägerin ein Programm von nicht mehr nur sechs Stunden, sondern von nun 24 Stunden täglicher Sendezeit zu produzieren und damit im Wettbewerb zu bestehen haben wird. Die Risiken hängen zum anderen damit zusammen, dass die Klägerin bestrebt sein muss, ihre angestammten Hörer von der Frequenzkette 1, auf der ihr bisher sechs Stunden täglicher Sendezeit zur Verfügung stehen, auf die Frequenzkette 2 mitzunehmen bzw. auf dieser Kette, auf der seit mehreren Jahren das auf einen anderen Hörerkreis abstellende Jugendhörfunkprogramm C der Beigeladenen eingeführt ist, neue Hörer zu erreichen. Durch diese Differenzierung hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend verdeutlicht, dass sich die Frage der Wirtschaftlichkeit des Rundfunkbetriebs der Klägerin auf der Frequenzkette 2 nur zu einem Teil unter dem Vorzeichen des Frequenzkettenumzugs, zu einem anderen, überwiegenden Teil jedoch unter demjenigen der von der Klägerin begehrten und deshalb von ihr in alleiniger Verantwortung zu bewältigenden Neuzuteilung von Übertragungskapazität stellt. An dieser Differenzierung hat sich auch die Beklagte in der ihrer Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Abwägung orientiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies nach Maßgabe des für die Klägerin durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bewirkten Schutzes zu Recht bestätigt. 41 Die Beklagte hat auf die der Klägerin zugute kommende Vervierfachung der täglichen Sendezeit verwiesen. Im Vordergrund stand für sie der Aspekt der Neuzuteilung von Übertragungskapazität auf der Frequenzkette 2. Hierin liegt kein Abwägungsfehler. Die Frequenzkette 2 ermöglicht nach der generellen, ausweislich der bisherigen Darlegungen nicht zu beanstandenden Einschätzung der Beklagten lokalen Hörfunk mit einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit im Sinne von Art. 25 Abs. 3 Satz 1 BayMG in vergleichbarer Weise wie die Frequenzkette 1. 42 Die Entscheidung, im Zusammenhang mit der Neuzuteilung von Übertragungskapazität die speziell mit dem Frequenzkettenumzug verbundenen Risiken der Klägerin und nicht der Beigeladenen zuzumuten, hat die Beklagte ebenfalls ohne Abwägungsfehler getroffen. Nicht zu beanstanden ist zunächst der von ihr herangezogene Gesichtspunkt, dass die Beigeladene nach der bestehenden - rechtskräftig bestätigten - Aufteilung der täglichen Sendezeiten auf der Frequenzkette 1 über den größeren, auf 18 Stunden bemessenen Anteil verfügt. Ohne weiteres nachvollziehbar ist darüber hinaus und vor allem die zu Gunsten der Beigeladenen sprechende Erwägung, dass deren bisher bestehende Genehmigung zur ganztägigen Nutzung der Frequenzkette 2 durch das Jugendhörfunkprogramm C auf Grund der Auswahlentscheidung der Beklagten vollständig entfällt und die Beigeladene dieses Programm fortan nur digital und mithin auch nicht in dem sog. Simulcast-Betrieb - das heißt sowohl in analoger als auch digitaler Form - verbreiten kann. 43 (6) Schließlich ergibt sich eine durch die Auswahlentscheidung der Beklagten herbeigeführte Beeinträchtigung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht unter Berücksichtigung der Entgelte, die für die UKW-Sendeanlagen der Frequenzkette 2 gezahlt werden müssen. 44 Zwar sind diese Entgelte in der von dem Verwaltungsgerichtshof in den Blick genommenen Zeit gestiegen, während sich die entsprechenden, die Frequenzkette 1 belastenden Entgelte verringert haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch festgestellt, dass sich die UKW-Sendeentgelte für die Klägerin wegen der von der Beklagten in dem Bescheid vom 29. Oktober 2015 benannten Maßgaben nicht nachteilig ändern, das heißt, die Klägerin nicht höher als die Beigeladene belasten werden. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, denn die Klägerin hat sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. 45 2. Werden durch die Auslegung und Anwendung des Landesrechts die Gewährleistungen gewahrt, die sich für die Klägerin aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben, scheidet die Annahme einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG aus. Auch aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG kann die Klägerin schon deshalb kein für sie günstigeres Ergebnis herleiten, weil sie durch die Auswahlentscheidung der Beklagten einen beträchtlichen Zuwachs an Sendezeit für ihr Programm A erhält und auf der ihr zugewiesenen Frequenzkette 2 ein wirtschaftlicher Rundfunkbetrieb möglich ist. In Anbetracht dessen kommt schließlich eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht in Betracht, ohne dass es eines näheren Eingehens auf den fehlenden eigentumsrechtlichen Schutz von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen sowie von Umsatz- und Gewinnchancen bzw. auf die Frage einer Einbeziehung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich des Grundrechts bedarf (vgl. dazu insgesamt: BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - NJW 2017, 217 Rn. 231 ff.). 46 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat im Revisionsverfahren einen Antrag auf Zurückweisung der Revision gestellt und damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ein eigenes Kostenrisiko auf sich genommen. Da der Antrag Erfolg gehabt hat, entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären." bverwg_2017-4,02.02.2017,"Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 02.02.2017 EN Dienstherr nicht verpflichtet, zur Abwendung einer Falschbetankung eines Dienstfahrzeugs einen Tankadapter einzubauen Betankt ein Beamter ein Dienstfahrzeug falsch, so ist der Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen diesen Beamten wegen grober Fahrlässigkeit nicht im Hinblick darauf zu reduzieren, dass der Dienstherr Maßnahmen (z.B. den Einbau eines Tankadapters) unterlassen hat, die den Schaden verhindert hätten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Im August 2012 betankte er ein Einsatzfahrzeug mit Superbenzin anstatt mit Diesel-Kraftstoff. Der im Gerichtsverfahren beigeladene Beifahrer bezahlte den Kraftstoff. Anschließend fuhr der Kläger weiter, wodurch der Motor beschädigt wurde. Das Land nahm den Kläger und den beigeladenen Beifahrer jeweils wegen des Gesamtschadens i.H.v. rund 4 500 € in Anspruch. Auf die Klage des Beamten hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landes teilweise aufgehoben. Der Schadensersatzanspruch des Landes sei aufgrund eines mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn zu kürzen. Der Dienstherr habe die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er keinen Tankadapter eingebaut habe, der die Falschbetankung verhindert hätte. Kläger und Beklagter haben die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Sprungrevision des Beklagten stattgegeben und die Klage gegen den Bescheid insgesamt abgewiesen. Der Kläger hat grob fahrlässig gehandelt, weil ihm bewusst war, mit einem Dieselfahrzeug unterwegs zu sein. Er hat beim Betanken Verhaltenspflichten missachtet, die ganz nahe liegen und jedem hätten einleuchten müssen. Ein Mitverschulden kann dem Dienstherrn aber nicht angelastet werden. Insbesondere ist er nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, einen Tankadapter einzubauen. § 48 BeamtStG sieht bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten eines Beamten, das zu einem Schaden an Gegenständen des Dienstherrn geführt hat, zwingend die Schadensersatzpflicht des Beamten vor. Die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstherrn für den Beamten kann diese ausdrückliche gesetzliche Regelung, die bereits durch die Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit die Interessen des betroffenen Beamten berücksichtigt, nicht wieder überspielen. Die gesamtschuldnerische Haftung von Kläger und Beigeladenem nach § 48 Satz 2 BeamtStG bedeutet hier, dass der Dienstherr grundsätzlich gegen beide Schädiger vorgehen und von ihnen jeweils den vollen Ausgleich des Schadens verlangen kann. Begleicht einer der Schuldner die Forderung des Dienstherrn, erlischt auch der Anspruch gegen den anderen Schuldner. Fußnote: § 48 Beamtenstatusgesetz Pflicht zum Schadensersatz Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner. BVerwG 2 C 22.16 - Urteil vom 02. Februar 2017 Vorinstanz: VG Greifswald, 6 A 59/15 - Urteil vom 09. Juni 2016 -","Urteil vom 02.02.2017 - BVerwG 2 C 22.16ECLI:DE:BVerwG:2017:020217U2C22.16.0 EN Leitsätze: 1. Der Dienstherr ist nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, durch technische oder organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu Handlungen des Beamten kommen kann, die wegen grober Fahrlässigkeit zu einem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten gemäß § 48 Satz 1 BeamtStG führen. 2. Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung in § 48 Satz 2 BeamtStG dient nicht dem Schuldnerschutz, sondern dem öffentlichen Interesse an der raschen Durchsetzung der Forderung des Dienstherrn. Dementsprechend ist es regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn der Dienstherr die Gesamtschuldner ungeachtet ihrer Verschuldens- oder Verursachungsbeiträge jeweils in voller Höhe zum Schadensersatz heranzieht. Rechtsquellen BeamtStG §§ 45, 48 VwVfG § 40 BGB §§ 254, 421, 422 Instanzenzug VG Greifswald - 09.06.2016 - AZ: VG 6 A 59/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.02.2017 - 2 C 22.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020217U2C22.16.0] Urteil BVerwG 2 C 22.16 VG Greifswald - 09.06.2016 - AZ: VG 6 A 59/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 wird aufgehoben, soweit es den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2014 und des Änderungsbescheids vom 12. März 2015 aufgehoben hat. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zum Schadensersatz wegen der Falschbetankung eines Polizeifahrzeugs. 2 Der Kläger und der Beigeladene stehen als Polizeivollzugsbeamte im Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Polizeihauptrevier gehört zum Zuständigkeitsbereich des beklagten Polizeipräsidiums. 3 Im August 2012 fuhr der Kläger mit dem Beigeladenen in einem mit einem Dieselmotor ausgestatteten Dienstkraftfahrzeug zu einer Tankstelle. Der Kläger tankte Superbenzin. Der Beigeladene bezahlte den Kraftstoff mit einer Tankkarte. Anschließend fuhren beide weiter. Die Falschbetankung des Fahrzeugs wurde erst vier Tage später festgestellt. 4 Der Beklagte forderte vom Kläger Schadensersatz in Höhe von 4 464,61 €; gleichzeitig zog er auch den Beigeladenen zum Schadensersatz heran. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. 5 Nach Erhebung der Klage durch den Kläger zahlte eine Versicherung des Beigeladenen an den Beklagten zur Abgeltung 2 044,83 €. Daraufhin hat der Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid insoweit aufgehoben, als der Kläger über einen Betrag von 2 419,78 € hinaus herangezogen worden ist. Im Hinblick auf diesen Änderungsbescheid haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe von 2 044,83 € übereinstimmend für erledigt erklärt. 6 Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden ist. Den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2014 und des Änderungsbescheids vom 12. März 2015 hat es aufgehoben, soweit er einen Betrag von 1 303,63 € überschreitet. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: 7 Bei der Falschbetankung habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt. Allerdings sei der Schadensersatzanspruch aufgrund eines mitwirkenden Verschuldens des Dienstherrn zu kürzen. Der Dienstherr habe die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er keinen Tankadapter eingebaut habe. Dieser hätte die Falschbetankung bereits im Ansatz verhindert. Der Mitverschuldensanteil des Beklagten sei mit einem Anteil von 25 v.H. zu bemessen. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, der Dienstherr dagegen bedingt vorsätzlich. 8 Hiergegen richten sich die Sprungrevisionen des Klägers und des Beklagten. 9 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2014 und des Änderungsbescheids vom 12. März 2015 in vollem Umfang aufzuheben, und die Sprungrevision des Beklagten zurückzuweisen. 10 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. Juni 2016 aufzuheben, soweit es der Klage stattgeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, und die Sprungrevision des Klägers zurückzuweisen. II 11 Die Sprungrevision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es die Bescheide des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zum Schadensersatz wegen der Annahme eines Mitverschuldens des Dienstherrn aufgehoben hat. Die Sprungrevision des Klägers ist unbegründet, weil die Bescheide über seine Heranziehung zum Schadensersatz in vollem Umfang rechtmäßig sind. 12 1. Nach § 48 BeamtStG haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner. 13 Bei der Betankung des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Polizeifahrzeugs mit Superbenzin hat der Kläger im Sinne von § 48 Satz 1 BeamtStG grob fahrlässig die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, das ihm vom Dienstherrn anvertraute dienstliche Material sorgsam zu behandeln. 14 Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten des Beamten. Dementsprechend muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, d.h. der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Beamten beurteilt werden, ob und in welchem Maß das Verhalten fahrlässig war. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 2.03 - BVerwGE 120, 370 <374>). Diese Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die Betankung des Polizeifahrzeugs mit Superbenzin erfüllt. 15 Das Verwaltungsgericht hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass im Bereich des beklagten Polizeipräsidiums zum Zeitpunkt des Vorfalls ausschließlich Dieselfahrzeuge verwendet wurden und dass dem Kläger am Tag des Vorfalls auch bewusst war, mit einem Dieselfahrzeug unterwegs zu sein. 16 Jedem Kraftfahrzeugführer ist die Bedeutung der unterschiedlichen Kraftstoffarten bekannt. Um gravierende Schäden am Kraftfahrzeug zu vermeiden, leuchtet es jedem Nutzer ein, dass beim Betanken des Fahrzeugs auf die Wahl der richtigen Zapfpistole und damit Kraftstoffart besonders zu achten ist. Dadurch dass sich der Kläger beim Tankvorgang nicht vergewissert hat, die richtige Zapfpistole gewählt zu haben, hat er diejenigen Verhaltenspflichten missachtet, die jedem Kraftfahrzeugführer beim Betanken eines Kraftfahrzeugs ohne weiteres einleuchten. Umstände, die Anlass geben könnten, im konkreten Fall den Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht ausnahmsweise anders zu bewerten, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. 17 2. Der Anspruch des Dienstherrn des Klägers auf Ersatz des durch die Falschbetankung entstandenen Schadens ist nicht wegen eines Mitverschuldens des Dienstherrn nach § 254 BGB zu reduzieren. Denn der Dienstherr des Klägers war - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - nicht aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) gehalten, einen Tankadapter einzubauen, der die Falschbetankung technisch ausgeschlossen und den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. 18 a) Wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer für den Schaden verantwortlicher Beamter (§ 48 Satz 2 BeamtStG) ist dem in Anspruch genommenen Beamten die Berufung auf § 254 BGB mit der Begründung, bei der Entstehung des Schadens hätten schuldhafte Pflichtverletzungen anderer Beamter mitgewirkt, grundsätzlich verwehrt. Die gesetzliche Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der in Anspruch genommene Beamte jeweils das zur Mithaftung führende Verschulden anderer Beamter dem Dienstherrn als dessen Mitverschulden entgegenhalten könnte. Denn bei Anerkennung eines Mitverschuldens wäre der Staat dann, weil er durch Verschulden mehrerer Beamter geschädigt worden ist, wegen der Reduzierung seines Schadensersatzanspruchs schlechter gestellt als bei schuldhafter Schadenszufügung durch einen einzigen Beamten (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1969 - 2 C 80.65 - BVerwGE 34, 123 <131 f.>). 19 Die Anwendung von § 254 Abs. 2 BGB kommt aber dann ausnahmsweise in Betracht, wenn dieser andere Beamte den Schaden dadurch schuldhaft mitverursacht hat, dass er eine Dienstpflicht vernachlässigt hat, zu deren Erfüllung namens des Dienstherrn - z.B. auf Grund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht - er gerade gegenüber dem in erster Linie den Schaden verursachenden Beamten verpflichtet gewesen ist (BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1976 - 2 C 55.73 - BVerwGE 50, 102 <109> und vom 29. August 1977 - 6 C 68.72 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23 S. 24). 20 b) Der Dienstherr des Klägers war nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, durch technische oder organisatorische Vorkehrungen (z.B. Einbau eines Tankadapters) sicherzustellen, dass es erst gar nicht zu Handlungen des Beamten kommen kann, die wegen seines grob fahrlässigen Verhaltens nach § 48 Satz 1 BeamtStG zwingend zu einem Schadensersatzanspruch des Dienstherrn führen. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen den vom Normgeber in speziellen Vorschriften getroffenen Entscheidungen über die Rechte und Pflichten des Dienstherrn und Beamten einerseits und der generellen Fürsorgepflicht des Dienstherrn andererseits. 21 Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. 22 Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3 und vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> jeweils m.w.N.). 23 Nach § 48 Satz 1 BeamtStG ist die Verpflichtung des Beamten zum Ersatz des dem Dienstherrn entstandenen Schadens auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln des Beamten beschränkt. Diese Regelung über die begrenzte Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn stellt auch im Hinblick auf die Interessen der Beamten eine abschließende Regelung dar. Diese Risikoverteilung kann nicht aufgrund anderer beamtenrechtlicher Vorschriften, insbesondere der Fürsorgepflicht, im Ergebnis wieder umgestoßen werden (BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1981 - 2 B 4.80 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26 S. 2 m.w.N.). Dementsprechend gebietet auch die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn nicht, den Beamten von der im Gesetz vorgesehenen Haftung durch Abschluss einer Versicherung zu seinen Gunsten letztendlich freizustellen (BVerwG, Urteil vom 17. September 1964 - 2 C 147.61 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 5 S. 27) oder seine Haftung in anderer Weise auf einen Bruchteil des Gesamtschadens zu begrenzen (BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1972 - 6 C 22.68 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18 S. 47 und Beschluss vom 18. Februar 1981 - 2 B 4.80 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 26 S. 2 m.w.N.). 24 Dieses Verhältnis von spezieller gesetzlicher Regelung und der allgemeinen Fürsorgepflicht gilt auch für die Frage, ob der Dienstherr aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten ist, seinerseits Vorkehrungen zu treffen, um von vornherein Pflichtverletzungen des Beamten auszuschließen, die ohne diese kostenträchtigen Maßnahmen des Dienstherrn zu Schadensersatzansprüchen gegen den betreffenden Beamten wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung von Gegenständen des Dienstherrn führen würden. 25 Auf den Aspekt, das Ergreifen von Schutzmaßnahmen gegen eine Falschbetankung eines Dienstfahrzeugs liege gerade im Eigeninteresse des Dienstherrn, weil auf diese Weise die Einsatzfähigkeit der Kraftfahrzeuge dauerhaft gesichert sei, kann sich der Kläger nicht berufen. Denn es obliegt dem Dienstherrn zu entscheiden, ob es die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Polizei im Bereich des betroffenen Polizeipräsidiums erfordert, dass ein zu erwartender Ausfall eines Dienstfahrzeugs wegen einer Falschbetankung im Interesse der Einsatzfähigkeit der Polizei in jedem Fall zu verhindern ist. 26 3. Die Bescheide, mit denen der Beklagte den Kläger zum Schadensersatz in voller Höhe herangezogen hat, sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte zugleich gegen den Beigeladenen vorgegangen ist und die Höhe der Heranziehung nicht von den jeweiligen Verschuldens- oder Verursachungsanteilen der Gesamtschuldner abhängig gemacht hat. 27 a) Der Kläger, der getankt hat, und der Beigeladene, der seine Heranziehung zum Schadensersatz nicht angegriffen hat, haften nach § 48 Satz 2 BeamtStG als Gesamtschuldner im Sinne von §§ 421 f. BGB. 28 Die gesamtschuldnerische Haftung nach § 48 Satz 2 BeamtStG setzt anders als § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB keine gemeinschaftliche Begehung der Pflichtverletzung im Sinne eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens voraus. Es reicht vielmehr ein ungewolltes, den Beamten unter Umständen nicht einmal bewusstes Verhalten aus. Jeder der beteiligten Beamten haftet für den vollen Schaden, wenn und soweit sich feststellen lässt, dass der Schaden auch durch die grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung dieses Beamten adäquat verursacht ist, d.h. ohne seine Dienstpflichtverletzung nicht entstanden wäre (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1969 - 2 C 80.65 - BVerwGE 34, 123 <131>). 29 Im Bereich des Zivilrechts ist allgemein anerkannt, dass der Gläubiger von sämtlichen Gesamtschuldnern in getrennten Verfahren jeweils die gesamte Leistung verlangen kann. Bis zur Erfüllung kann der Gläubiger auch gegen mehrere Schuldner gleichzeitig vollstrecken (Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 421 Rn. 11 und Looschelders, in: Staudinger, BGB, Stand Januar 2012, § 421 Rn. 135). Dies gilt auch für den Bereich des öffentlichen Rechts, wenn eine Behörde gegen mehrere Gesamtschuldner vorgeht. Sie muss nicht auf die gesamtschuldnerische Haftung hinweisen, wenn sie jeweils den vollen Betrag in getrennten Bescheiden gegen mehrere Gesamtschuldner geltend macht (BFH, Urteil vom 5. November 1980 - II R 25/78 - BFHE 132, 114 <115 f.>). 30 Den aus § 48 Satz 2 BeamtStG und § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Zusammenhang zwischen den Zahlungsverpflichtungen des Klägers und des Beigeladenen hat der Beklagte beachtet. Denn unmittelbar nach Eingang der Zahlung der Versicherung des Beigeladenen hat der Beklagte den gegen den Kläger erlassenen Heranziehungsbescheid teilweise aufgehoben. 31 b) An die Stelle des ""Beliebens"" des Gläubigers im Sinne von § 421 Satz 1 BGB tritt bei einer öffentlich-rechtlichen Forderung das fehlerfreie Auswahlermessen des Gläubigers (BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 - 8 C 138.81 - Buchholz 11 Art. 108 GG Nr. 1 S. 5 m.w.N.). 32 Zweck der gesetzlichen Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung, der für die Ausübung des Ermessens maßgeblich ist (vgl. § 40 VwVfG), ist aber nicht der Schutz der Schuldner. Vielmehr soll im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und der Effizienz des Gesetzesvollzugs die rasche Durchsetzung der öffentlich-rechtlichen Forderung gewährleistet werden (BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 10 S. 91 <101> und vom 21. Oktober 1994 - 8 C 11.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 38 S. 13). 33 Nach dem dargestellten Verhältnis von ausdrücklicher Regelung durch den Gesetzgeber und der allgemeinen Fürsorgepflicht (Rn. 22) kann die gesetzliche Ermächtigung, gegen mehrere Gesamtschuldner jeweils in voller Höhe vorzugehen, nicht unter Berufung auf die Fürsorgepflicht abgeändert werden. Dementsprechend ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte beide Gesamtschuldner ungeachtet ihrer Verschuldens- und Verursachungsbeiträge in voller Höhe zum Schadensersatz herangezogen hat. Anhaltspunkte für die Annahme, die Inanspruchnahme des Klägers sei wegen der Höhe der Zahlungsverpflichtung unverhältnismäßig und deshalb ermessensfehlerhaft, bestehen angesichts der - reduzierten - Forderung des Beklagten in Höhe von 2 419,78 € nicht. 34 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, hat er seine Kosten selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO)." bverwg_2017-40,01.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 40/2017 vom 01.06.2017 EN Nutzungsverbot für illegal gebauten Radweg in FFH-Gebiet Wird ein Radweg ohne die erforderliche Genehmigung in einem FFH-Gebiet gebaut, kann eine Umweltvereinigung unter Umständen ein Nutzungsverbot erzwingen. So entschied heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Der Kläger, eine in Sachsen anerkannte Umweltvereinigung, verlangt von dem beklagten Vogtlandkreis, zum Schutz eines FFH-Gebietes die Nutzung eines Radweges zu unterbinden. Der teilweise noch im Ausbau befindliche Elster-Radweg führt von der Elsterquelle in Tschechien bis zur Leipziger Tieflandsbucht. Der hier streitgegenständliche Unterabschnitt bei Adorf, der auf einem schon früher vorhandenen Weg liegt, verläuft durch das FFH-Gebiet „Elstertal oberhalb Plauen“. Zu dessen Schutzzielen gehört u.a. die Erhaltung überwiegend naturnaher Fließgewässerabschnitte sowie die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands verschiedener Tier- und Pflanzenarten. Der Bau des umstrittenen Unterabschnitts wurde 2013 ohne das vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren begonnen und während des Klageverfahrens beendet. Die Landesdirektion Sachsen leitete auf Antrag des Beklagten nachträglich ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung ein, das noch nicht abgeschlossen ist. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat auf das entsprechende Anerkenntnis des beklagten Landkreises festgestellt, dass der Bau rechtswidrig war. Auf Antrag der klagenden Umweltvereinigung verurteilte es den Beklagten darüber hinaus, die Nutzung des Radweges in dem fraglichen Unterabschnitt bis zum Abschluss eines Planfeststellungsverfahrens zu unterbinden. In diesem allein noch strittigen Punkt bestätigte das Sächsische Oberverwaltungsgericht die Vorinstanz. Auf die Revision des Beklagten verwies das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurück. Eine Umweltvereinigung kann nicht nur die Feststellung verlangen, dass der Bau eines Verkehrsweges rechtswidrig ist, sondern auch eine Entscheidung darüber, ob seine Nutzung bis zu einer etwaigen nachträglichen Zulassung unterbunden oder eingeschränkt wird. Diese Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Bei einem schwerwiegenden Verstoß kann sich das Ermessen zu einer Rechtspflicht verdichten. Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass ein bereits vorhandener Verkehrsweg überbaut worden ist. Unter diesen Umständen muss geprüft werden, ob es über den abgeschlossenen baulichen Eingriff hinaus zu einer nutzungsbedingten Verschlechterung des Naturraums kommen kann. Bejahendenfalls ist die Nutzungsuntersagung bis zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens in der Regel unausweichlich. Ist dagegen eine nutzungsbedingte Verschlechterung nicht zu befürchten, bedarf es einer Abwägung, in die neben der Schwere und Dauer des Verstoßes insbesondere auch die Belange der Nutzer des in dem FFH-Gebiet schon bisher vorhandenen Verkehrsweges einzustellen sind. Die hierfür notwendigen Feststellungen muss das Oberverwaltungsgericht noch treffen. BVerwG 9 C 2.16 - Urteil vom 01. Juni 2017 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 1 A 509/14 - Urteil vom 22. Juli 2015 - VG Chemnitz, 2 K 701/13 - Urteil vom 29. Januar 2014 -","Urteil vom 01.06.2017 - BVerwG 9 C 2.16ECLI:DE:BVerwG:2017:010617U9C2.16.0 EN Formell illegaler Radwegebau im FFH-Gebiet Leitsätze: 1. Die Verbandsklagebefugnis einer anerkannten Umweltvereinigung (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 UmwRG) umfasst die Klage auf behördliches Einschreiten gegen ein ohne die erforderliche Zulassungsentscheidung errichtetes und betriebenes Vorhaben. 2. Das Ermessen der Naturschutzbehörde, gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG die Nutzung eines in einem FFH-Gebiet ohne die erforderliche Planfeststellung ausgebauten Radweges zu unterbinden, ist regelmäßig zu einer Rechtspflicht verdichtet, wenn die weitere Nutzung bis zum Abschluss des nachträglich durchzuführenden Planfeststellungsverfahrens über die baubedingten Störungen hinaus erhebliche Beeinträchtigungen konkret befürchten lässt. Rechtsquellen UmwRG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 VwGO § 42 Abs. 2 UVP-RL Art. 11 FFH-RL Art. 6 BNatSchG § 3 Abs. 2, § 34 SächsStrG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 39 Abs. 1 Satz 2 SächsUVPG § 3 Abs. 1 Nr. 2 Instanzenzug VG Chemnitz - 29.01.2014 - AZ: VG 2 K 701/13 OVG Bautzen - 22.07.2015 - AZ: OVG 1 A 509/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 - 9 C 2.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:010617U9C2.16.0] Urteil BVerwG 9 C 2.16 VG Chemnitz - 29.01.2014 - AZ: VG 2 K 701/13 OVG Bautzen - 22.07.2015 - AZ: OVG 1 A 509/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich für Recht erkannt: Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine anerkannte Naturschutzvereinigung, macht einen Anspruch gegen den beklagten Landkreis auf Unterbindung der Nutzung eines Radweges geltend. 2 Der teilweise noch im Ausbau befindliche Elster-Radweg führt von der Elsterquelle in Tschechien bis in die Leipziger Tieflandsbucht. Der hier streitgegenständliche Unterabschnitt (Los 4) der Teilstrecke zwischen Asch und Oelsnitz beginnt südlich von Adorf an der Bundesstraße B 92, überquert die Weiße Elster mittels einer Brücke, setzt sich parallel zum Gewässer nach Norden fort und endet in der Ortslage von Adorf. Zu einem beträchtlichen Teil liegt er in dem FFH-Gebiet ""Elstertal oberhalb Plauen"". Zu dessen Schutzzielen gehört u.a. die Erhaltung überwiegend naturnaher Fließgewässerabschnitte mit kleinflächigem Erlen-Auenwald und Uferstaudenfluren sowie die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands bestimmter Tier- und Pflanzenarten. 3 Der Beklagte führte das Bauvorhaben in dem vorgenannten Unterabschnitt ohne Umweltverträglichkeitsprüfung durch und sah wegen der vermeintlich geringen Bedeutung des Vorhabens sowohl von einer Planfeststellung als auch von einer Plangenehmigung ab. Im Zuge der Bauarbeiten wurden vorhandene Wege auf eine Breite von überwiegend 2,50 m ausgebaut und befestigt; die alte Brücke wurde ersetzt. 4 Mit der Klage, soweit sie sich auf den hier umstrittenen Unterabschnitt bezog, hat der Kläger zunächst die Verpflichtung des Beklagten begehrt, den weiteren Ausbau vor Abschluss eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterlassen. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, das Los 4 sei inzwischen fertiggestellt, hat der Kläger sein Begehren insoweit umgestellt auf den Antrag, den Beklagten zu verpflichten, die Nutzung des Radwegestücks zu unterbinden. Das Verwaltungsgericht hat durch Anerkenntnisurteil festgestellt, dass die Errichtung des Elster-Radweges in Los 4 rechtswidrig sei und Mitwirkungsrechte des Klägers verletze; insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Ferner hat es den Beklagten antragsgemäß verurteilt, die Wegenutzung innerhalb des FFH-Gebietes für sämtliche Verkehrsarten bis zum Abschluss eines Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Dagegen richtete sich die Berufung des Beklagten. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung (mit einer zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Maßgabe) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Verbandsklagebefugnis des Klägers erstrecke sich auf die Verpflichtung, die tatsächliche Nutzung einer Straße zu verhindern, die ohne die erforderliche Genehmigung gebaut oder ausgebaut worden sei. Der Bau des Radweges durch das FFH-Gebiet sei planfeststellungsbedürftig und, gemessen an der mittlerweile nachgeholten Prüfung der FFH-Verträglichkeit, allenfalls im Wege einer Abweichungsentscheidung genehmigungsfähig. Der Bau ohne die erforderliche Zulassungsentscheidung verletze Mitwirkungsrechte des Klägers. Unter den vorliegenden Umständen sei das Ermessen des Beklagten, die Nutzung des Radweges zu unterbinden, auf Null reduziert. Denn der baubedingte Eingriff werde durch die Nutzung weiter vertieft. Auch Aspekte der Verkehrssicherheit geböten eine andere Beurteilung nicht. 6 Mit der - vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen - Revision macht der Beklagte geltend, der Kläger könne im Rahmen der ihm zustehenden Verbandsklagebefugnis allenfalls die Feststellung der Rechtswidrigkeit erstreiten, aber nicht ein Nutzungsverbot gerichtlich durchsetzen. Zudem leide das Berufungsurteil an Verfahrensfehlern. Eine weitere Sachaufklärung zur Frage, ob die Nutzung des Radweges in seinem derzeitigen Zustand den Eingriff vertiefe, habe sich aufgedrängt und sei zu Unrecht unterblieben. Insoweit stelle sich das Berufungsurteil auch als eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. 7 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2015 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 29. Januar 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens war. 8 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das Berufungsurteil. II 10 Die zulässige Revision des Beklagten ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil steht nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich insoweit auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da ergänzende Feststellungen getroffen werden müssen, ist das Urteil gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 11 1. Die Klage ist zwar entgegen der Ansicht des Beklagten in dem noch anhängigen Umfang zulässig. 12 a) Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 UmwRG in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069). 13 aa) Der Kläger macht zu Recht geltend, dass das Unterlassen einer Planfeststellung oder Plangenehmigung - einer Entscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 UVPG - Rechtsvorschriften widerspricht, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG). Wie vom Oberverwaltungsgericht unter Auslegung und Anwendung von Landesrecht näher ausgeführt, ist der Ausbau des hier umstrittenen (selbstständigen) Radweges, einer sonstigen öffentlichen Straße (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b des Straßengesetzes für den Freistaat Sachsen i.d.F. des Gesetzes vom 21. Januar 1993 , zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. Februar 2016 ), planfeststellungsbedürftig gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG, weil das Vorhaben aufgrund seiner Lage innerhalb eines FFH-Gebietes einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 2 Buchst. c SächsUVPG). Das Oberverwaltungsgericht hat auch festgestellt, dass der Kläger in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG). Ferner ist dem Kläger, der zur Beteiligung berechtigt war (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG), die Gelegenheit zur Äußerung dadurch abgeschnitten worden, dass der Beklagte das vorgeschriebene Zulassungsverfahren unterlassen hat. 14 bb) Die Verbandsklagebefugnis umfasst auch die Klage auf behördliches Einschreiten gegen ein ohne die erforderliche Zulassungsentscheidung errichtetes und betriebenes Vorhaben (in diesem Sinne auch Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 1 UmwRG Rn. 42; Schlacke, in: Gärditz, VwGO 2013, § 1 UmwRG Rn. 34; a.A.: Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 48; Kerkmann, Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2010, § 12 UmwRG Rn. 45). 15 Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG erzwingt diese Auslegung zwar nicht, steht ihr aber auch nicht entgegen. Das gleiche gilt für die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, nach der Rechtsbehelfe im Hinblick auf den Erlass behördlicher Aufsichtsmaßnahmen gemäß den ursprünglichen Vorstellungen des Gesetzgebers - mit der einzigen Ausnahme des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG i.V.m. § 17 Abs. 1a BImSchG - ausgeschlossen sein sollten (BT-Drs. 16/2495 S. 10). Abgesehen davon, dass diese Aussage auch auf isolierte, von einem Genehmigungsverfahren unabhängige Aufsichtsmaßnahmen beschränkt werden könnte, kommt der Entstehungsgeschichte in dem hier vorliegenden Zusammenhang allenfalls geringes Gewicht zu. Das folgt schon daraus, dass sich der Gesetzgeber mittlerweile zu einer deutlichen Ausweitung der Verbandsklagebefugnis, gerade auch in Bezug auf Aufsichtsmaßnahmen, europa- und völkerrechtlich verpflichtet gesehen hat (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG i.d.F. des Gesetzes vom 29. Mai 2017, BGBl. I S. 1298; siehe dazu BT-Drs. 18/9526 S. 36 f.). 16 In systematischer Hinsicht vermag das Argument des Beklagten, § 4 UmwRG enthalte eine abschließende Rechtsfolgenregelung für erfolgreiche Verbandsklagen, sodass beim Unterlassen einer Entscheidung mangels einer möglichen Aufhebung allein die Feststellungsklage zur Verfügung stehe, nicht zu überzeugen. Es verkennt, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG den Anwendungsbereich des Satzes 1, der Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen regelt, für die Fälle erweitert, in denen eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung nicht ergangen ist. Auch und gerade dann kann die Vereinigung gemäß § 2 Abs. 1 Halbs. 1 UmwRG, soweit nichts anderes bestimmt ist, ""Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung"" einlegen. Nach deren Systematik ist die Feststellungsklage subsidiär gegenüber einer Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Zwar schließt die Verknüpfung der Verbandsklagebefugnis mit einer ""Entscheidung"" bzw. ""deren Unterlassen"" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG) Klagen aus, die lediglich in einem losen Zusammenhang mit solchen Entscheidungen stehen (Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 1 UmwRG Rn. 2; vgl. auch Schlacke, in: Gärditz, VwGO 2013, § 2 UmwRG Rn. 15). Die Klage auf behördliches Einschreiten wegen formeller Illegalität des Vorhabens wahrt aber die notwendige Akzessorietät zum rechtswidrigen Unterlassen der Zulassungsentscheidung (zutreffend Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann a.a.O. § 1 UmwRG Rn. 42 f.). 17 Vor allem der Normzweck der §§ 1, 2 UmwRG streitet für dieses Ergebnis. Er besteht namentlich darin, die einschlägigen europa- und völkerrechtlichen Vorgaben in innerstaatliches Recht umzusetzen. Gemäß Art. 11 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) - UVP-RL -, der seinerseits auf Art. 9 Abs. 2 und 3 der Aarhus-Konvention beruht, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, anerkannten Umweltvereinigungen Zugang zu einem (gerichtlichen) Überprüfungsverfahren zu geben, ""um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten"". Die Umweltverbände haben die Möglichkeit, die Beachtung der aus dem Unionsrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften ohne Beschränkung auf subjektiv-öffentliche Rechte umfassend überprüfen zu lassen (EuGH, Urteile vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​289], Trianel - Rn. 45 f. und vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683], Kommission ./. Deutschland - Rn. 33). Das gilt unabhängig davon, ob sich die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bereits abschließend aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. mit Anhang I UVP-RL oder aus Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II UVP-RL und den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften ergibt, wie dies bei den sonstigen, nicht in Anhang I genannten Straßenprojekten der Fall ist. 18 Aus dem Unionsrecht resultiert auch die Pflicht der Mitgliedstaaten, die rechtswidrigen Folgen eines Rechtsverstoßes zu beheben. Ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu Unrecht unterblieben, sind die zuständigen Behörden wie auch die Gerichte gehalten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um dem Mangel effektiv abzuhelfen. Sie haben die im nationalen Recht vorgesehenen, geeigneten und verhältnismäßigen ""Maßnahmen zur Aussetzung"" zu ergreifen, um zu verhindern, dass der Plan oder das Projekt ohne die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden kann (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - C-41/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​103], Inter-Environnement Wallonie - Rn. 43 ff. m.w.N.). Ebenso wie die Baueinstellung ist auch die Stilllegung eines formell illegal errichteten Vorhabens eine im Sinne des Effektivitätsgrundsatzes prinzipiell geeignete Maßnahme mit der Folge, dass eine Umweltvereinigung deren Erlass gegebenenfalls gerichtlich erzwingen kann. 19 b) Die Klage auf Unterbindung der Nutzung des umstrittenen Radwegestücks ist zulässig, ohne dass der Kläger verpflichtet war, zuvor einen diesbezüglichen Antrag beim Beklagten zu stellen. Die besondere Anforderung an die Verpflichtungsklage, deren Zulässigkeit gemäß § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO grundsätzlich von einem vor Klageerhebung erfolglos im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abhängt (BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 23 m.w.N.), gilt im vorliegenden Fall nicht. Denn unmittelbares Klageziel ist nicht der Erlass eines Verwaltungsakts, sondern die Durchführung tatsächlicher Maßnahmen, um die Nutzung des Radweges zu verhindern. Für die darauf gerichtete allgemeine Leistungsklage ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht zweifelhaft, nachdem der Beklagte dem Begehren schriftsätzlich umfassend entgegengetreten ist. 20 2. In der Sache hätte das Oberverwaltungsgericht aber das der Klage stattgebende Urteil erster Instanz auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht bestätigen dürfen. 21 a) In Übereinstimmung mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 3 Abs. 2 BNatSchG, dessen Anwendungsbereich durch § 2 Satz 1 SächsNatSchG nicht eingeschränkt, sondern erweitert wird (vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG), eine geeignete Rechtsgrundlage für die begehrte Maßnahme zur Verfügung stellt. Danach überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes sowie der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 BNatSchG statuiert eine an die polizeiliche Generalklausel angelehnte Eingriffsermächtigung, die grundsätzlich neben konkurrierende Eingriffsbefugnisse anderer Behörden tritt und von der zuständigen Naturschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als Sonderordnungsbehörde vollzogen wird (siehe etwa Krohn, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 3 Rn. 12 f., 41, jeweils m.w.N.). Hierfür ist, wie vom Oberverwaltungsgericht in Anwendung von Landesrecht entschieden, der Beklagte als Rechtsträger der unteren Naturschutzbehörde zuständig. Verdrängende Sondervorschriften hat das Oberverwaltungsgericht nicht erkennen können, und solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich. 22 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Halbs. 2 BNatSchG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten ist, verletzt das ohne Planfeststellungsverfahren und daher ohne Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführte Projekt naturschutzrechtliche Vorschriften in formeller wie materieller Hinsicht. Denn nach dem Ergebnis der vom Beklagten nachträglich in Auftrag gegebenen Untersuchung der FFH-Verträglichkeit verursacht die baulich fertiggestellte Anlage erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des betroffenen FFH-Gebietes, sodass ihre Legalisierung nur mittels einer Abweichungsentscheidung - wegen Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps unter Mitwirkung der EU-Kommission - in Betracht kommt (Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL, § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG). Unter diesen Umständen verstößt die Durchführung des Vorhabens ohne Beteiligung des Klägers auch gegen § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG; denn die generelle Unzulässigkeit des erheblich beeinträchtigenden Projekts gilt im Sinne dieser Vorschrift als ""Verbot"" und die Abweichungsentscheidung als ""Befreiung"" davon (BVerwG, Urteil vom 1. April 2015 - 4 C 6.14 - BVerwGE 152, 10 Rn. 12 m.w.N.). 23 b) Das Oberverwaltungsgericht hat weiter angenommen, dass das Ermessen des Beklagten, die Nutzung zu unterbinden, unter den hier vorliegenden Umständen ohne Weiteres auf Null reduziert ist. Dies ist mit Bundesrecht so nicht vereinbar. 24 aa) Nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 BNatSchG steht das Einschreiten grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen (Entschließungs- und Auswahlermessen) der zuständigen Naturschutzbehörde. Allein aus der Verletzung des Naturschutzrechts folgt noch nicht zwingend, dass ein Absehen vom Einschreiten ermessensfehlerhaft wäre. Allerdings kann ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen das Naturschutzrecht zu einer Ermessensreduzierung führen; das gilt umso mehr, je wertvoller, empfindlicher und knapper das betreffende Naturgut ist. Unter solchen Umständen schränken insbesondere die Vorgaben des Unionsrechts den innerstaatlichen Ermessensspielraum ein. Um eine behördlich nicht zugelassene erhebliche Beeinträchtigung eines FFH-Gebietes zu verhindern, ist die Behörde in der Regel zum Einschreiten verpflichtet (vgl. Krohn, in: Schlacke a.a.O. § 3 Rn. 24 ff. m.w.N.). 25 Vor diesem Hintergrund ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Ermessen auf den Erlass der Nutzungsuntersagung reduziert sei, wenn eine Straße in einem FFH-Gebiet ohne vorherige Durchführung des erforderlichen Planfeststellungsverfahrens gebaut oder ausgebaut wurde. Der baubedingte Eingriff in das FFH-Gebiet werde durch die Nutzung ""weiter vertieft"", ohne dass andere Gesichtspunkte, insbesondere Sicherheitsaspekte, eine abweichende Beurteilung im vorliegenden Fall geböten. Dem tritt der Beklagte unter den gegebenen Umständen zu Recht entgegen. Dahin stehen mag, ob das Berufungsgericht, wie der Beklagte meint, gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verstoßen und zugleich unter Verletzung des rechtlichen Gehörs eine Überraschungsentscheidung getroffen hat, dass es das Ausmaß der nutzungsbedingten Beeinträchtigungen nicht aufgeklärt hat. Dagegen spricht, dass das Oberverwaltungsgericht von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus nicht auf eine konkrete, sondern auf eine lediglich abstrakte ""Vertiefung"" des Eingriffs abgestellt haben dürfte. Dies kann aber auf sich beruhen, weil weitere Feststellungen zur nutzungsbedingten Beeinträchtigung jedenfalls der Sache nach nicht unterbleiben durften. 26 Ob die Nutzung einer ohne vorherige Prüfung der FFH-Verträglichkeit gebauten Straße zwingend unterbunden werden muss, ist aus unionsrechtlicher Sicht anhand des Art. 6 FFH-RL zu beurteilen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hierfür allerdings nicht unmittelbar heranzuziehen. Die Frage, ob diese Vorschrift, gegebenenfalls in Verbindung mit der Loyalitätspflicht aus Art. 4 Abs. 3 EUV, dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat ein ohne die erforderliche Prüfung realisiertes Projekt bis zur Nachholung der Prüfung stillzulegen hat, lässt sich ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 AEUV) auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig beantworten. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL sieht ein Prüfungsverfahren vor, das mittels einer vorherigen Kontrolle gewährleisten soll, dass Projekte nur genehmigt werden, soweit sie das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen. Daher ist diese Bestimmung nur einschlägig, wenn eine nationale Behörde ein Projekt ohne diese Prüfung genehmigt. Sie findet aber keine Anwendung auf Tätigkeiten, die einer Genehmigung bedürfen, aber ohne eine solche - somit rechtswidrig - durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 10. November 2016 - C-504/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​847], Kommission ./. Griechenland - Rn. 120 ff.). 27 Prüfungsmaßstab für eine etwaige Pflicht zur Stilllegung einer rechtswidrig fertiggestellten Anlage ist vielmehr die allgemeine Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, die mit Art. 6 Abs. 3 im Zusammenhang steht und das gleiche Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10], Grüne Liga Sachsen e.V. - Rn. 36 f., 52 m.w.N.). Insofern ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass der Betrieb der aus einem ungenehmigten Projekt entstandenen Anlagen eine erhebliche Störung der Erhaltungsziele des Gebietes verursacht; des Nachweises eines Kausalzusammenhangs bedarf es nicht (EuGH, Urteile vom 14. Januar 2016 - C-399/14 - Rn. 42 und vom 10. November 2016 - C-504/14 - Rn. 29). In Anbetracht dessen hat es der Gerichtshof in dem zuletzt genannten Urteil für einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL genügen lassen, dass mit der Nutzung ungenehmigter Straßen konkrete, durch ein Gutachten belegte Risiken für Lebensräume und Arten einhergingen. Soweit derartige konkrete Risiken nicht bestanden, hat er einen Verstoß allerdings verneint (Urteil vom 10. November 2016 - C-504/14 - Rn. 53 ff.). 28 bb) Daran gemessen bedarf es im vorliegenden Fall tatrichterlicher Feststellungen, ob und inwieweit die vorläufige weitere Nutzung des Radweges bis zum Abschluss des nachträglich eingeleiteten Planfeststellungsverfahrens über die baubedingten Störungen hinaus erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzziele des FFH-Gebietes konkret befürchten lässt. Anzuknüpfen ist dabei einerseits an den Zeitpunkt unmittelbar nach der Listung des FFH-Gebietes. Soweit die ursprünglichen, durch das umstrittene Projekt später überbauten Wege damals bereits vorhanden waren und genutzt wurden, ist dies als Vorbelastung in Rechnung zu stellen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der baubedingte Eingriff abgeschlossen ist. Ob und inwieweit er rückgängig gemacht werden muss, wird vom Ausgang des nachträglichen Planfeststellungsverfahrens abhängen. Zu prüfen bleibt unter diesen Umständen, ob bis dahin die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr zusätzlicher nutzungsbedingter Verschlechterungen besteht. Als Grundlage für diese Prüfung kommt u.a. die im Auftrag des Beklagten bereits erarbeitete und von den Verfassern gegebenenfalls näher zu erläuternde FFH-Verträglichkeitsuntersuchung in Betracht. 29 Falls das Risiko zusätzlicher nutzungsbedingter Verschlechterungen konkret besteht, ist das Entschließungsermessen des Beklagten, dies zu verhindern, regelmäßig auf Null reduziert. Etwas anderes kann ausnahmsweise nur gelten, wenn öffentliche Belange von erheblichem Gewicht, insbesondere solche der Verkehrssicherheit, einer Stilllegung der Anlage entgegenstehen. Wenn der Beklagte gegen die Nutzung einschreiten muss, hat er im Rahmen des ihm zustehenden Auswahlermessens darüber zu entscheiden, ob sie vollständig zu unterbinden ist oder ob zeitliche, räumliche oder andere Nutzungsbeschränkungen ausreichen, um naturschutzrechtlich relevante zusätzliche Störungen zu vermeiden. 30 Sind nutzungsbedingte weitere Verschlechterungen nicht zu befürchten, ist das Ermessen des Beklagten, gegen die einstweilige Nutzung der rechtswidrig errichteten Anlage einzuschreiten, grundsätzlich nicht auf Null reduziert. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Projekt - wie hier - nicht im Neubau, sondern im Ausbau eines im Wirkbereich des FFH-Gebietes schon vorhandenen Verkehrsweges besteht. In diesem Fall bedarf es regelmäßig einer Abwägung im Einzelfall, in die neben den Naturschutzbelangen insbesondere auch die Belange der Nutzer des Verkehrsweges (hier neben den Radfahrern gegebenenfalls auch Fußgänger und Landwirte) einzubeziehen sind. Besondere Umstände können allerdings in dieser Konstellation das behördliche Ermessen einschränken, gegebenenfalls sogar zu einer Pflicht zur Nutzungsunterbindung verdichten. Wie in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt, folgt aus dem Unionsrecht die Verpflichtung der Behörden wie auch der Gerichte, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das europarechtlich geprägte Umweltrecht zu beheben (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - C-41/11 - Rn. 43 ff. m.w.N.). Ist, wie hier, vor Baubeginn das vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung zu Unrecht unterblieben, muss es nicht nur nachträglich eingeleitet, sondern auch ohne Verzug zu Ende geführt werden. Falls sich im Ergebnis herausstellt, dass die gebaute Anlage so nicht genehmigungsfähig ist, muss sie notfalls verändert oder sogar beseitigt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2016 - 9 C 3.16 - NVwZ 2016, 1631 Rn. 60). Sollten die in dieser Hinsicht erforderlichen Verfahrensschritte verschleppt werden, kann sich eine Nutzungsuntersagung aufdrängen, um dem Gebot der Fehlerbehebung Nachdruck zu verleihen. 31 3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist der Schlussentscheidung vorzubehalten." bverwg_2017-41,01.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 41/2017 vom 01.06.2017 EN Einbürgerung scheitert nicht an offengelegter Identitätstäuschung, wenn die Ausländerbehörde hieraus keine Konsequenzen gezogen hat Bei der Anspruchseinbürgerung sind auch Aufenthaltszeiten zu berücksichtigen, in denen der Ausländer unter falscher Identität in Deutschland gelebt hat, ohne dass die Ausländerbehörde hieraus nach Offenlegung der wahren Identität aufenthaltsrechtliche Konsequenzen gezogen hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste 1997 unter falscher Identität in das Bundesgebiet ein und beantragte unter falschen Angaben seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er wurde als Flüchtling anerkannt und erhielt einen Aufenthaltstitel. Seit 2008 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. 2010 offenbarte er der Ausländerbehörde seine wahre Identität, ohne dass dies zu einer strafrechtlichen Ahndung, einer Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung und/oder des ihm erteilten Aufenthaltstitels führte. 2012 beantragte er seine Einbürgerung. Diesen Antrag lehnte die Staatsangehörigkeitsbehörde mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht - wie vom Gesetz für einen Anspruch auf Einbürgerung gefordert - seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet; wegen der Identitätstäuschung begründe der tatsächliche und formell rechtmäßige Aufenthalt keinen „gewöhnlichen"" Aufenthalt. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat der Revision des Klägers stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverbund einzubürgern. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG setzt u.a. voraus, dass der Ausländer seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Ist ein Ausländer - wie hier - unter Angabe einer falschen Identität in das Bundesgebiet eingereist, schließt dies bei einer rückblickenden Bewertung seines Aufenthalts die Berücksichtigung von Aufenthaltszeiten vor Offenlegung der Täuschung nicht generell aus. Für den gewöhnlichen Aufenthalt und die dabei zu treffende Prognose kommt es maßgeblich darauf an, ob die Ausländerbehörde **bei Kenntnis des wahren Sachverhalts und in Ansehung ihrer rechtlichen Möglichkeiten aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen hätte. Da die für den Kläger zuständige Ausländerbehörde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Vergangenheit bei Identitätstäuschungen nach Offenlegung der wahren Identität keine aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen gezogen hat und zudem an die Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebunden war, steht die Identitätstäuschung im vorliegenden Fall der Annahme eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts nicht entgegen. Die Berücksichtigung der unter Identitätstäuschung zurückgelegten Aufenthaltszeiten im Einbürgerungsverfahren ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, denn die Ausländerbehörde hat auf die Identitätstäuschung nicht mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten reagiert (etwa durch Stellung einer Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung, Hinwirken auf eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung durch das Bundesamt und/oder Aufhebung des dem Kläger erteilten Aufenthaltstitels) und hat es so hingenommen, dass die auf die Aufenthaltsdauer bezogenen Voraussetzungen der Einbürgerung erfüllt worden sind. Die Einbürgerungsbehörde ist hieran dann auch gebunden. BVerwG 1 C 16.16 - Urteil vom 01. Juni 2017 Vorinstanzen: VGH München, 5 B 15.2106 - Urteil vom 20. April 2016 - VG München, M 25 K 13.5870 - Urteil vom 14. Januar 2015 -","Urteil vom 01.06.2017 - BVerwG 1 C 16.16ECLI:DE:BVerwG:2017:010617U1C16.16.0 EN Einbürgerung scheitert nicht an Identitätstäuschung, wenn Ausländerbehörde hieraus keine Konsequenzen gezogen hat Leitsatz: Beruhte der Aufenthalt eines Einbürgerungsbewerbers im Inland zeitweise auf einer Täuschung über seine Identität oder sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände, kommt es für den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 10 Abs. 1 StAG und die dabei rückblickend zu treffende Prognose maßgeblich darauf an, wie sich die Ausländerbehörde verhalten hätte, wenn sie von der Täuschung Kenntnis gehabt hätte (hypothetische ex ante-Prognose). Dabei ist bei anerkannten Flüchtlingen die Bindungswirkung des § 6 AsylG zu beachten. Rechtsquellen StAG §§ 10, 11, 12a AufenthG §§ 5, 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a, § 26 Abs. 4 AsylG § 6 SGB I § 30 Abs. 3 Satz 2 StGB § 271 AuslG 1990 § 51 Abs. 1, §§ 53, 85 VwVfG BY Art. 43, 44, 48 ARB 1/80 Art. 6 Instanzenzug VG München - 14.01.2015 - AZ: VG M 25 K 13.5870 VGH München - 20.04.2016 - AZ: VGH 5 B 15.2106 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 - 1 C 16.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:010617U1C16.16.0] Urteil BVerwG 1 C 16.16 VG München - 14.01.2015 - AZ: VG M 25 K 13.5870 VGH München - 20.04.2016 - AZ: VGH 5 B 15.2106 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. April 2016 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2015 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 20. November 2013 verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen. Gründe I 1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. 2 Der Kläger reiste 1997 unter falscher Identität in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei gab er an, dass er aus dem Zentralirak stamme. Das Verwaltungsgericht verpflichtete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - inzwischen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - mit Urteil vom 26. Februar 1998 zu der Feststellung, dass beim Kläger die Voraussetzungen der § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG 1990 hinsichtlich des Irak vorliegen (Flüchtlings- und Abschiebungsschutz). Dabei ging es davon aus, dass dem Kläger bei Rückkehr politische Verfolgung und eine erniedrigende Behandlung im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 EMRK drohe und er als kurdischer Volkszugehöriger nicht auf den Nordirak als inländische Fluchtalternative verwiesen werden könne, da er aus dem Zentralirak stamme. Das Bundesamt kam dieser Verpflichtung mit Bescheid vom 27. April 1998 nach. 3 Der Kläger erhielt unter den von ihm angegebenen Personalien einen Reiseausweis für Flüchtlinge und einen Aufenthaltstitel. Seit März 2008 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai 2010 - bei der Beklagten eingegangen am 10. Juni 2010 - legte der Kläger der Ausländerbehörde eine irakische Staatsangehörigkeitsurkunde vor und bat um Berichtigung seiner Personalien. Nach Prüfung der Urkunde durch das Landeskriminalamt informierte die Ausländerbehörde den Kläger im August 2010 darüber, dass er nunmehr unter diesen neuen Daten geführt werde. 4 Im Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung. Dabei gab er an, er habe bis zu seiner Ausreise aus dem Irak in seinem Geburtsort S. (Nordirak) gelebt und dort im Juni 2000 geheiratet. Auf Anfrage der Einbürgerungsbehörde teilte das Bundesamt im Juni 2013 mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der asylrechtlichen Begünstigung nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 20. November 2013 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag ab. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG, da er wegen der Identitätstäuschung nicht seit acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. 5 Im Klageverfahren ließ der Kläger vortragen, er sei im Nordirak geboren, seine Familie habe allerdings im Zeitpunkt der Ausreise schon geraume Zeit in B. gelebt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2015 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 20. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger erfülle die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG. Auch habe er seit acht Jahren rechtmäßig seinen Aufenthalt im Inland. Die ihm unter falschen Personalien erteilten Aufenthaltstitel seien wegen der Identitätstäuschung zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig und entfalteten mangels Rücknahme Tatbestandswirkung. Es fehle aber an einem achtjährigen gewöhnlichen Aufenthalt. Hierfür müsse sich ein Ausländer im Inland unter Umständen aufhalten, die erkennen ließen, dass er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebe, so dass die Beendigung des Aufenthalts ungewiss sei. Dabei bedürfe es auch bei der rückwirkenden Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts einer aus der ex ante-Perspektive zu treffenden Prognose unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse. Hieran gemessen habe der Kläger jedenfalls vor Offenlegung seiner wahren Identität im Juni 2010 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründen können, weil die zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Anknüpfungspunkte für eine Prognoseentscheidung nicht bekannt gewesen seien und er wegen der Täuschung mit seiner Ausweisung habe rechnen müssen. Die Ausländerbehörde sei erst mit Offenlegung der Identitätstäuschung zur Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und zur Stellung einer auf zutreffender Tatsachengrundlage basierenden Prognose in der Lage gewesen. Dass sie danach von einer Rücknahme der Aufenthaltstitel und der zwangsweisen Beendigung des Aufenthalts abgesehen habe, sei unerheblich. Die vom Gesetz vorgesehene Dauer des rechtmäßigen lnlandsaufenthalts bringe eine Integrationserwartung zum Ausdruck, die während unter falscher Identität zurückgelegter Aufenthaltszeiten nicht erfüllt werde. Die Nichtberücksichtigung entspreche zudem der zentralen Bedeutung der Identität im Einbürgerungsverfahren. Auch dürfe eine Rechtsordnung, die sich ernst nehme, nicht Prämien auf die Missachtung ihrer selbst setzen. 6 Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließe die frühere Identitätstäuschung die Dauerhaftigkeit seines Aufenthalts nicht aus. 7 Die Beklagte und die am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern verteidigen die angegriffene Entscheidung. Sie machen vor allem geltend, dass bei einem durch Täuschung erlangten Aufenthaltstitel allein dessen Angreifbarkeit der Annahme eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts entgegenstehe. II 8 Die Revision des Klägers hat Erfolg. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG, insbesondere hat er seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe jedenfalls vor Offenlegung seiner wahren Identität im Juni 2010 keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet begründen können, verletzt Bundesrecht. 9 Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Einbürgerungsanspruchs ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 10 C 2.14 - BVerwGE 149, 387 Rn. 10) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften (BMGuaÄndG 1) vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2218). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StAG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn er die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt und kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegt. 10 1. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Kläger im - für die Beurteilung der Sachlage - maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (20. April 2016) seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, obwohl er nach seiner Einreise zunächst über seine Identität getäuscht und aufgrund dieser Täuschung - möglicherweise zu Unrecht - Flüchtlings- und Abschiebungsschutz und darauf aufbauend einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten hat. 11 Das Erfordernis eines rechtmäßig gewöhnlichen Inlandsaufenthalts entspricht inhaltlich der wortgleichen Formulierung der Vorgängerregelung in § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG (BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 31.03 - BVerwGE 122, 199 <202>). Es enthält mit der Gewöhnlichkeit des Inlandsaufenthalts einerseits und der Rechtmäßigkeit dieses gewöhnlichen Aufenthalts andererseits zwei selbständige Tatbestandsvoraussetzungen (BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 11). 12 a) Bei der Auslegung des im Staatsangehörigkeitsgesetz verwendeten Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts kann nach der Rechtsprechung des Senats an die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) und die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 18. November 2004 - 1 C 31.03 - BVerwGE 122, 199 <202 f.> und vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 12). Danach hat ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Das ist der Fall, wenn er hier nach den tatsächlichen Verhältnissen seinen Lebensmittelpunkt hat. Hierfür bedarf es mehr als der bloßen Anwesenheit des Betroffenen während einer bestimmten Zeit. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat; auch ein zeitlich befristeter Aufenthaltstitel und der bloße Verzicht auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen schließen einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht aus. Da die Rechtmäßigkeit von der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts zu unterscheiden ist, bedarf es für Letztere auch keiner förmlichen Zustimmung der Ausländerbehörde, sondern es genügt, dass diese unbeschadet ihrer rechtlichen Möglichkeiten davon Abstand nimmt, den Aufenthalt zu beenden, etwa weil sie eine Aufenthaltsbeendigung für unzumutbar oder undurchführbar hält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <121 ff.>, vom 18. November 2004 - 1 C 31.03 - BVerwGE 122, 199 <202 f.>, vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 31 ff. und vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 13). 13 Für die Feststellung, ob ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, bedarf es einer in die Zukunft gerichteten Prognose, bei der nicht nur die Vorstellungen, sondern auch die Möglichkeiten des Ausländers zu berücksichtigen sind. Denn es genügt nicht, dass er sich auf unabsehbare Zeit in Deutschland aufhalten will, er muss dazu auch die Möglichkeit haben. Daran fehlt es, wenn er nach den gegebenen Umständen nicht im Bundesgebiet bleiben kann, weil sein Aufenthalt in absehbarer Zeit beendet werden wird. Dies zu entscheiden und durchzusetzen ist Sache der Ausländerbehörde. Wenn nach den ausländerrechtlichen Vorschriften und den auf ihrer Grundlage getroffenen Anordnungen der Ausländerbehörde ein Ende des Aufenthalts abzusehen ist, ist auch im Staatsangehörigkeitsrecht die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ausgeschlossen. Nimmt die Ausländerbehörde dagegen den Aufenthalt auf nicht absehbare Zeit hin, kommt ein dauernder Aufenthalt in Betracht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <124 f.> und vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 14). Diese Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das für die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I die mit dem Aufenthalt verbundenen ""Umstände"" im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) daraufhin würdigt, ob sie ""erkennen lassen"", dass der Betreffende zukunftsoffen ""bis auf weiteres"" am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet verweilen wird (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 Rn. 27 f. m.w.N.). 14 Einer vorausschauenden Prognose bedarf es auch dann, wenn der gewöhnliche Aufenthalt - wie hier - rückblickend für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu ermitteln ist. Dabei bleiben spätere Entwicklungen unberücksichtigt. Entscheidungserhebliche Änderungen wirken sich daher erst vom Zeitpunkt der Änderung an auf die Begründung oder das Entfallen des gewöhnlichen Aufenthalts aus (s.a. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 9/13 R - NZS 2014, 264 Rn. 29 m.w.N.). 15 Beruht der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet auf einer Täuschung der Behörden, etwa über seine Identität, Herkunft oder sonstige für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet beachtliche Umstände, führt dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht automatisch zu einer Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts, bis der Ausländerbehörde alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt sind. Auch die bloße Angreifbarkeit eines durch Täuschung erlangten Aufenthaltstitels steht der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zwingend entgegen. Bei der Prognose, ob ein Ausländer vor Aufdeckung der Täuschung mit einer Beendigung seines Aufenthalts rechnen musste, ist vielmehr in den Blick zu nehmen, wie die Ausländerbehörde - bei Kenntnis des vollständigen Sachverhalts und in Ansehung der daraus resultierenden rechtlichen Möglichkeiten - voraussichtlich reagiert hätte (hypothetische ex ante-Prognose). Dies stellt sicher, dass der Ausländer aus der Täuschung keinen von der Rechtsordnung nicht gedeckten Vorteil erhält, und gilt auch dann, wenn er sich mit der Täuschung strafbar gemacht hat und/oder einen Ausweisungsgrund verwirklicht bzw. ein Ausweisungsinteresse begründet hat. Denn selbst ein derartiges Verhalten führt nicht zwangsläufig zu einer Aufenthaltsbeendigung. 16 Da es für den gewöhnlichen Aufenthalt allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, kann entgegen der Auffassung der am Verfahren beteiligten Landesanwaltschaft bei der Auslegung auch nicht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zurückgegriffen werden, wonach ein türkischer Arbeitnehmer bei einer durch Täuschung erlangten Aufenthaltserlaubnis keine ordnungsgemäße Beschäftigung ausübt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Täuschende wegen seines Verhaltens bestraft worden ist und ob eine ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen worden ist. Denn der assoziationsrechtliche Begriff der ""ordnungsgemäßen Beschäftigung"" setzt nach ständiger Rechtsprechung eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2005 - 1 C 9.04 - BVerwGE 123, 190 <199 f.> unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - C-285/95 [ECLI:​EU:​C:​1997:​280], Kol - Rn. 25 ff.). Soweit die Landesanwaltschaft darauf hinweist, dass es ""gute Gründe"" dafür geben kann, dass die Ausländerbehörde einen durch Täuschung erwirkten Aufenthaltstitel nicht zurücknimmt, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung, sondern bestätigt im Gegenteil, dass allein die Angreifbarkeit eines Aufenthaltstitels nicht zwangsläufig etwas über die Dauerhaftigkeit des weiteren Aufenthalts aussagt. 17 Auch Sinn und Zweck des gesetzlichen Kriteriums des gewöhnlichen Aufenthalts erfordern nicht zwingend die Nichtanrechnung von unter Identitätstäuschung zurückgelegten Aufenthaltszeiten. Ausmaß und Umfang der erreichten Integration knüpfen bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht allein an einen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt von mindestens acht Jahren an. Dieser muss von einer Aufenthaltserlaubnis abgedeckt gewesen sein, außerdem müssen die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sein und darf kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegen. Dabei ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG i.V.m. § 12a StAG und § 11 StAG die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass nicht jedes strafbare Verhalten und nicht jedes Ausweisungsinteresse einbürgerungsschädlich ist. 18 b) § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG setzt weiter voraus, dass der Ausländer seit acht Jahren ""rechtmäßig"" seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wird bei Drittstaatsangehörigen vor allem durch den Besitz eines Aufenthaltstitels vermittelt (§ 4 AufenthG). Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den gewöhnlichen Aufenthalt beziehen, diesen also ""abdecken"". Da sich unter Geltung des neuen Systems der Aufenthaltstitel nach dem durch das Zuwanderungsgesetz zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz im Grundsatz jede Aufenthaltserlaubnis in ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verfestigen kann, sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Daueraufenthalts selbst Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Ausländer unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes nur im Besitz einer für einen seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis war, wenn ihm auf diesem Wege ein Zugang zu einer dauerhaften Aufenthaltsposition eröffnet worden ist (BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 17 ff.). Für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts kommt es allein auf den formalen Besitz eines Aufenthaltstitels und nicht auf dessen rechtmäßige Erteilung an. Dies gilt auch bei einem durch Täuschung erwirkten Aufenthaltstitel, der, solange er wirksam und nicht zurückgenommen ist, einen rechtmäßigen Aufenthalt vermittelt. 19 c) Aus der Formulierung ""seit acht Jahren"" ergibt sich schließlich, dass der rechtmäßige gewöhnliche Inlandsaufenthalt in den letzten acht Jahren vorgelegen haben muss. Dabei sind kurzfristige Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit, die darauf beruhen, dass der Ausländer nicht rechtzeitig die Erteilung oder Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt hat, nach § 12b Abs. 3 StAG unbeachtlich. 20 2. In Anwendung dieser Grundsätze hatte der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (20. April 2016) durchgängig seit acht Jahren (April 2008 - April 2016) rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. 21 a) Der Kläger war in diesem Zeitraum durchgängig im Besitz eines Aufenthaltstitels in Form einer (unbefristeten) Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Die ihm im März 2008 - unter falscher Identität - erteilte Niederlassungserlaubnis ist weder unwirksam noch wurde sie nach Offenlegung der Täuschung (rückwirkend) aufgehoben. 22 Die Ausländerbehörde hat mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bewusst gegenüber dem Kläger eine Regelung getroffen, auch wenn sie seinerzeit dessen wahre Identität nicht kannte. Dieser Verwaltungsakt ist mit der Bekanntgabe an den Kläger wirksam geworden (Art. 43 VwVfG BY). Er leidet nicht an einem zur Nichtigkeit führenden Fehler (Art. 43 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 VwVfG BY). Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen über seine Identität täuschenden Ausländer insbesondere keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des Art. 44 Abs. 1 VwVfG BY aufweist. Denn sie bezieht sich auf eine real existierende Person. Auch Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG BY liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass ein durch arglistige Täuschung erwirkter Verwaltungsakt nicht nichtig, sondern nur rücknehmbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 - 1 C 10.14 - InfAuslR 2014, 446 Rn. 15 ff. zur Wirksamkeit einer durch Identitätstäuschung erschlichenen Einbürgerung). Die Ausländerbehörde hat die dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis nach Offenlegung der Identitätstäuschung auch nicht (rückwirkend) aufgehoben. Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob die dem Kläger unter falscher Identität erteilten Aufenthaltstitel - wie vom Berufungsgericht angenommen - allein wegen der Identitätstäuschung rechtswidrig waren und deshalb hätten (ersatzlos) zurückgenommen werden können. Die Klärung der Identität stellt nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG zwar eine Regelerteilungsvoraussetzung dar. Gleiches gilt nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG für das Nichtvorliegen eines Ausweisungsinteresses (früher: Ausweisungsgrund), das auch bei falschen Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels besteht (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG). Beide Regelungen sind nach § 5 Abs. 3 AufenthG bei humanitären Aufenthaltstiteln nach dem Kapitel 2 Abschnitt 5 aber nur eingeschränkt anwendbar. 23 b) Die Identitätstäuschung hat auch nicht zur Folge, dass der Kläger zumindest bis zur Offenlegung seiner wahren Identität keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte. Gegenteiliges ergibt sich nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - aus dem Umstand, dass die Ausländerbehörde, solange ihr die Identitätstäuschung nicht bekannt war, hieraus keine aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen ableiten konnte. Maßgeblich für den gewöhnlichen Aufenthalt und die dabei zu treffende Prognose ist vielmehr, wie sich die Ausländerbehörde verhalten hätte, wenn ihr die Täuschung bekannt gewesen wäre. Auch unter dieser Prämisse musste der Kläger in der Vergangenheit nach Maßgabe der einschlägigen ausländerrechtlichen Bestimmungen und ihrer Handhabung durch die Ausländerbehörde nicht mit einer Beendigung seines Aufenthalts rechnen. 24 Selbst wenn man zu Lasten des Klägers unterstellt, dass die falschen Angaben über seine Identität und Herkunft für den gewährten Flüchtlings- und Abschiebungsschutz ursächlich waren, hätte die Ausländerbehörde den Aufenthalt nicht allein aus diesem Grund beenden können. Zwar hätte das Bundesamt dann nach Aufdeckung der Täuschung seinen auf einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil beruhenden Bescheid möglicherweise nach dem Rechtsgedanken des § 826 BGB unter Durchbrechung der Rechtskraft aufheben können (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 27.12 - BVerwGE 148, 254 Rn. 18 ff.). Wegen der Verbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen (§ 6 AsylG; früher: § 4 AsylVfG a.F.) war es der Ausländerbehörde hingegen verwehrt, eine Aufenthaltsbeendigung allein auf die - hier unterstellte - Angreifbarkeit des dem Kläger im asylrechtlichen Verfahren gewährten Schutzes zu stützen. Vielmehr hätte sie vor einer Aufenthaltsbeendigung zunächst beim Bundesamt auf eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung hinwirken müssen. Dass sie dies getan hätte, wenn ihr die Identitätstäuschung schon früher bekannt gewesen wäre, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Danach ist die Ausländerbehörde der Beklagten in der Vergangenheit gegen nachträglich offenbarte Identitätstäuschungen nicht vorgegangen, sondern reagiert hierauf erst jetzt durch Rücknahme der durch Täuschung erwirkten Aufenthaltstitel und Stellung einer Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 StGB (UA S. 11). Selbst auf diesem inzwischen eingeschlagenen Wege kann bei Asylberechtigten und international Schutzberechtigten zwar möglicherweise die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (rückwirkend) beendet werden, nicht aber dessen Gewöhnlichkeit, solange es - wie hier - an einer Aufhebung der Schutzgewährung durch das Bundesamt fehlt. 25 3. Der Unbeachtlichkeit der früheren Identitätstäuschung steht die besondere Bedeutung der Identität im Einbürgerungsverfahren nicht entgegen. Zwar ist eine geklärte Identität notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 - 5 C 27.10 - BVerwGE 140, 311 Rn. 11 ff.). Inzwischen bestehen aber keine Zweifel (mehr) an der Identität des Klägers, sondern geht es allein um die Frage, ob die frühere Identitätstäuschung der Anrechnung der unter Identitätstäuschung zurückgelegten Aufenthaltszeiten entgegensteht. 26 4. Das gefundene Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung als Ausdruck der Selbstbehauptung des Rechts (Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <49 ff.>). Das Bundesverfassungsgericht verlangt nicht, dass jede durch Täuschung erlangte Rechtsposition rückgängig gemacht werden muss, sondern nur, dass eine Rechtsordnung die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit nicht untergraben darf. Dabei betont es, dass es grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung ist, auf welche Weise dies geschieht. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen die gesetzlichen Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf (begünstigender) Verwaltungsakte. Hierdurch gewährt das Recht einer missbräuchlich handelnden Person für Rechtspositionen, die sie im Widerspruch zum geltenden Recht durch Täuschung erlangt hat, keinen Bestandsschutz. Dass die zuständige Behörde von dieser Möglichkeit im Einzelfall keinen Gebrauch macht, untergräbt nicht die Wirksamkeit der Rechtsordnung. 27 5. Aus dem gleichen Grund ist das Begehren des Klägers auf Einbürgerung unter Einbeziehung der vor Offenlegung der Identitätstäuschung im Bundesgebiet zurückgelegten Aufenthaltszeiten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Täuscht ein Ausländer deutsche Behörden über aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände, ist es Aufgabe der Ausländerbehörde, auf dieses - grundsätzlich integrationsschädliche - Verhalten zu reagieren (etwa durch Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung, Hinwirken auf eine Aufhebung der Entscheidung des Bundesamts und/oder Aufhebung des dem Ausländer erteilten Aufenthaltstitels) mit entsprechenden Folgewirkungen für ein späteres Einbürgerungsverfahren. Macht die Ausländerbehörde indes - wie hier - von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch, ist die Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung der auf die Aufenthaltsdauer bezogenen Einbürgerungsvoraussetzungen an diese Entscheidung gebunden und kann dem Ausländer die - von der Ausländerbehörde folgenlos hingenommene - Täuschung nicht entgegenhalten. Die Befugnis der Staatsangehörigkeitsbehörden zur Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und die Eigenständigkeit des Staatsangehörigkeitsrechts ändern hieran nichts. 28 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-43,14.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 43/2017 vom 14.06.2017 EN Klinikpförtner kann Kreisrat sein Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass Arbeitnehmer von Landkreisen nur dann an der Übernahme eines Mandats im Kreistag gehindert sind, wenn sie auf die Verwaltungsführung des Kreises inhaltlich Einfluss nehmen können. Das ist bei einem Klinikpförtner nicht der Fall. Der Kläger ist seit 1977 Arbeitnehmer des beklagten Ortenaukreises in Baden-Württemberg. Zuletzt war er als Pförtner in einem Krankenhaus des Kreises tätig. Im Jahr 2009 wurde er bei der Wahl zum Kreistag des Beklagten für die Partei „Die Linke“ zum Nachrücker gewählt. Nach dem Tod des Mandatsinhabers im Jahr 2012 stellte der Beklagte gestützt auf § 24 der Landkreisordnung für Baden-Württemberg (LKrO) fest, dass der Kläger nicht in den Kreistag nachrücke. Nach dieser Vorschrift kann nicht Kreisrat sein, wer Arbeitnehmer des Landkreises ist und nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies auch die Berufung des Klägers zurück. Während des Berufungsverfahrens wurde der Kläger bei der Kreistagswahl im Jahr 2014 erneut zum Nachrücker für seine Partei gewählt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen geändert und festgestellt, dass der Ausschluss des Klägers von der Übernahme seines Mandats rechtswidrig war. § 24 LKrO hindert Arbeitnehmer von Landkreisen bei verfassungskonformer Auslegung nur dann an der Übernahme von Mandaten in Kreistagen, wenn dadurch eine nicht anderweitig ausgeräumte Interessenkollision entsteht. Art. 137 GG gestattet allerdings, die Wählbarkeit von Angestellten des öffentlichen Dienstes in kommunalen Gebietskörperschaften durch Gesetz zu beschränken. Damit soll verhindert werden, dass Mitglieder des Kreistages zugleich Bedienstete des Kreises sind, den der Kreistag kontrollieren soll. Das Grundgesetz unterstellt die Gefahr einer solchen Interessenkollision bei Beamten, Richtern und Soldaten sowie bei den damaligen Angestellten, nicht jedoch bei den Arbeitern des öffentlichen Dienstes. Das Berufungsgericht hatte - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise - entschieden, dass ein Pförtner hiernach zur Gruppe der Angestellten und nicht der Arbeiter zu rechnen ist, weil er nicht überwiegend körperlich tätig ist. Es hatte aber verkannt, dass der Gesetzgeber jedenfalls bei kommunalen Vertretungsorganen - wie Stadträten und Kreistagen - nicht unterschiedslos alle derartigen Arbeitnehmer von der Wählbarkeit ausschließen darf. Anders als gewählte Abgeordnete im Bundestag und in den Landtagen erhalten kommunale Mandatsträger keine Diäten. Sie haben damit keine realistische Möglichkeit, ihren Beruf für die Dauer des Mandats ruhen zu lassen. Ihre Wählbarkeit kann daher nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich nur dann beschränkt werden, wenn die Gefahr von Interessenkollisionen, der Art. 137 GG begegnen will, in ihrem Tätigkeitsbereich auch typischerweise besteht. Das ist bei Arbeitnehmern wie dem Kläger nicht der Fall, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie auf die Verwaltungstätigkeit ihres Arbeitgebers, des Kreises, inhaltlich Einfluss nehmen können. Fußnote: Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Art. 137 (1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränkt werden. Auszug aus der Landkreisordnung für Baden-Württemberg: § 24 Hinderungsgründe (1) Kreisräte können nicht sein 1. a) Beamte und Arbeitnehmer des Landkreises sowie Beamte und Arbeitnehmer     des Landratsamts,      … Satz 1 findet keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten. BVerwG 10 C 2.16 - Urteil vom 14. Juni 2017 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 1 S 485/14 - Urteil vom 21. Dezember 2015 - VG Freiburg, 2 K 79/13 - Urteil vom 29. Januar 2014 -","Urteil vom 14.06.2017 - BVerwG 10 C 2.16ECLI:DE:BVerwG:2017:140617U10C2.16.0 EN Wählbarkeit von Kreisbediensteten zum Kreistag Leitsätze: 1. Art. 137 Abs. 1 GG ermächtigt im kommunalen Bereich nur dann dazu, die Wählbarkeit eines Arbeitnehmers zu dem Vertretungsorgan seines Arbeitgebers zu beschränken, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam begegnet werden kann (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <89 f.>). 2. Die Gefahr einer solchen Interessenkollision besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer einer kommunalen Gebietskörperschaft keine Möglichkeit hat, inhaltlich auf die Verwaltungsführung Einfluss zu nehmen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 137 Abs. 1 VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4 LKrO BW § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und c, Satz 2, § 48 EigBG BW §§ 4, 7 Abs. 1, §§ 9, 10 Instanzenzug VG Freiburg - 29.01.2014 - AZ: VG 2 K 79/13 VGH Mannheim - 21.12.2015 - AZ: VGH 1 S 485/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.06.2017 - 10 C 2.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:140617U10C2.16.0] Urteil BVerwG 10 C 2.16 VG Freiburg - 29.01.2014 - AZ: VG 2 K 79/13 VGH Mannheim - 21.12.2015 - AZ: VGH 1 S 485/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2017 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. Januar 2014 werden geändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2012 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 rechtswidrig waren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung, mit der der beklagte Landkreis ihn von der Übernahme eines Mandats im Kreistag ausgeschlossen hat. 2 Der Kläger ist seit 1977 beim Beklagten angestellt. Zunächst war er bei einem Kreiskrankenhaus als Pfleger, ab 2012 ebendort als Pförtner eingesetzt. Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 in Baden-Württemberg wurde der Kläger für die Partei ""Die Linke"" zum zweiten Ersatzbewerber für den Kreistag des beklagten Landkreises gewählt. Im September 2012 starb ein Abgeordneter der Partei ""Die Linke"" im Kreistag. Der erste Ersatzbewerber lehnte die Übernahme des freigewordenen Mandats ab. 3 Mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger an der Übernahme des Mandats eines Kreisrates im Kreistag des Landkreises Ortenaukreis gehindert sei. Er sei Arbeitnehmer in einem seiner Eigenbetriebe. Er leiste auch nicht überwiegend körperliche Arbeit; der Schwerpunkt seiner Arbeitsleistung liege bei der Telefonvermittlung und -auskunft sowie bei seiner Funktion als Anlauf- und Auskunftsstelle für Besucher und Patienten. Hierbei handele es sich um geistige Tätigkeiten. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 zurück. 4 Die gegen diese Bescheide gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Januar 2014 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens wurde der Kläger bei der Kommunalwahl 2014 für die Partei ""Die Linke"" zum ersten Ersatzbewerber seiner Liste gewählt. Er hat seine Klage danach als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt. 5 Mit Urteil vom 21. Dezember 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Feststellung, dass der Kläger nicht in den Kreistag nachrücken könne, werde von § 24 Abs. 1 LKrO getragen. Die Vorschrift halte sich auch in dem durch Art. 137 Abs. 1 GG gezogenen verfassungsrechtlichen Rahmen, wonach die Wählbarkeit von Angestellten des öffentlichen Dienstes beschränkt werden könne. § 24 Abs. 1 LKrO erfasse nur Arbeitnehmer, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichteten, und damit der Sache nach nur Angestellte im Sinne von Art. 137 Abs. 1 GG. Sie verstoße nicht gegen das Willkürverbot oder den Bestimmtheitsgrundsatz und verletze auch nicht das Übermaßverbot. 6 Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 LKrO seien für seine Person nicht erfüllt. Er sei nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar wohl als Arbeitnehmer des Landkreises anzusehen, verrichte aber überwiegend körperliche Arbeit und erfülle damit den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmetatbestand. Im Übrigen sei die Vorschrift verfassungswidrig. Sie ziehe den Kreis der von der Übernahme von Mandaten Ausgeschlossenen weiter, als der Zweck des Art. 137 Abs. 1 GG es erlaube. Dies belaste die Betroffenen unverhältnismäßig. Außerdem verstoße die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie ohne hinreichenden sachlichen Grund zwischen Angestellten und Arbeitern unterscheide und zudem die Wählbarkeit bei Eigenbetrieben in größerem Umfang beschränke als bei Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Schließlich werde der Kreis der von der Vorschrift Betroffenen zu ungenau bestimmt. 7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. Januar 2014 zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2012 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 rechtswidrig waren. 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. 10 Ab Ende 2013 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens haben sich die Parteien auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement geeinigt, um zu klären, wie und in welchem Umfang der Kläger beschäftigt werden kann. Zur Zuweisung einer neuen Tätigkeit ist es bisher nicht gekommen. 11 Während des Revisionsverfahrens hat ein für die Partei ""Die Linke"" gewählter Kreisrat sein Ausscheiden aus dem Kreistag beantragt. Der Beklagte hat dem Kläger daraufhin mitgeteilt, er könne erneut nicht nachrücken, weil er beim Klinikum des Beklagten beschäftigt sei. II 12 Die Revision hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Das führt zur Änderung der Urteile der Vorinstanzen und zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide. 13 1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) unverändert zulässig. Das vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Fortsetzungsfeststellungsinteresse, das bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens vorliegen muss (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1999 - 2 C 5.98 - NVwZ-RR 1999, 472), ist weiterhin gegeben. Es folgt aus der bestehenden Wiederholungsgefahr, die anzunehmen ist, wenn in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen der erneute Erlass eines gleichartigen Verwaltungsakts droht (BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23). Angesichts des bevorstehenden Ausscheidens eines Kreisrates der Partei ""Die Linke"" aus dem Kreistag hat der Beklagte angekündigt, in der Beschäftigung des Klägers beim Kreiskrankenhaus wiederum ein Hindernis für ein Nachrücken zu sehen. Auch die Beschäftigungssituation des Klägers ist trotz seiner längeren Erkrankung im Rechtssinne unverändert; er war zuletzt als Pförtner des Krankenhauses eingesetzt und ihm ist bislang keine andere Tätigkeit zugewiesen worden. 14 2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage auch begründet. Die angefochtenen Bescheide finden in § 24 Abs. 1 der Landkreisordnung für Baden-Württemberg vom 19. Juni 1987 (GBl. S. 288) - LKrO - keine Grundlage. Nach dieser Vorschrift können unter anderem ""Beamte und Arbeitnehmer des Landkreises"" (Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) nicht Kreisräte sein. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten (Satz 2). 15 a) Ohne Erfolg macht der Kläger allerdings geltend, das Berufungsurteil sei schon deshalb fehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen habe, er verrichte nicht überwiegend körperliche Arbeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Würdigung auf tatsächliche Feststellungen gestützt, die der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die das Revisionsgericht deshalb binden (§ 137 Abs. 2 VwGO). 16 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung jedoch eine zu weite Auslegung des Begriffs ""Arbeitnehmer des Landkreises"" zugrunde gelegt. Bei zutreffender engerer Auslegung konnte dem Kläger die Übernahme des Kreistagsmandats nicht verwehrt werden. 17 aa) Die revisionsgerichtliche Prüfung muss grundsätzlich von dem Inhalt dieser landesrechtlichen Vorschriften ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Revisionsgericht muss jedoch nachprüfen, ob die Auslegung willkürlich erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1994 - 6 C 42.92 - BVerwGE 96, 350 <352>) oder ob Bundesrecht - insbesondere Bundesverfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 - Buchholz 415.1 Allg. KommR Nr. 149). 18 § 24 Abs. 1 LKrO untersagt unter anderem Bediensteten eines Landkreises, ein Mandat im Kreistag zu übernehmen. Damit beeinträchtigt die Vorschrift das passive Wahlrecht der Kreisbediensteten und beschränkt die Wahlrechtsgrundsätze, namentlich die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl, deren Geltung Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Wahlen zur Vertretung des Volkes in den Kreisen vorschreibt. Eine einschränkende Regelung von dieser Bedeutung und Tragweite ist nur zulässig, soweit das Grundgesetz sie ausdrücklich vorsieht oder soweit aus der Verfassungsordnung sonst eine ausreichende Ermächtigung entnommen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <82>). 19 Eine Beschränkung des passiven Wahlrechts in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis kann nur durch Gesetz auf der Grundlage des Art. 137 Abs. 1 GG angeordnet werden (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1981 - 2 BvR 384/81 - BVerfGE 58, 177 <191> m.w.N.). Hiernach kann die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden. Die Vorschrift erwähnt die Kreise nicht ausdrücklich, gilt aber auch dort (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1961 - 2 BvR 547/60 - BVerfGE 12, 73 <77>). Sie will die organisatorische Gewaltenteilung gegen Gefahren sichern, die durch eine Personalunion zwischen einem Exekutivamt und einem Abgeordnetenmandat entstehen können. Insbesondere sollen Verwaltungsbedienstete nicht derjenigen gewählten Vertretungskörperschaft angehören, der eine Kontrolle über ihre Behörde obliegt (stRspr, vgl. BVerfGE, Beschlüsse vom 17. Januar 1961 - 2 BvR 547/60 - BVerfGE 12, 73 <77>, vom 7. April 1981 - 2 BvR 1210/80 - BVerfGE 57, 43 <62> und vom 6. Oktober 1981 - 2 BvR 384/81 - BVerfGE 58, 177 <193>). Dabei steht dem Gesetzgeber zwar ein weiter Regelungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 - BVerfGE 98, 145 <161>); stets ist aber der hohe Rang der im Grundsatz streng formal zu verstehenden Wahlrechtsgleichheit zu berücksichtigen. 20 Der Landesgesetzgeber hat mit § 24 Abs. 1 LKrO von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift müssen sich in deren Rahmen halten. 21 bb) § 24 Abs. 1 LKrO stellt allerdings eine gültige gesetzliche Regelung dar. Der Ansicht des Klägers, die Vorschrift sei nichtig, kann nicht gefolgt werden. 22 Zum einen lässt sich nicht beanstanden, dass die Vorschrift hinsichtlich der Arbeitnehmer zwischen solchen, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unterscheidet und nur letztere Beschränkungen der Wählbarkeit unterwirft. Diese Unterscheidung ist in Art. 137 Abs. 1 GG angelegt, der zur Beschränkung der Wählbarkeit - neben Beamten, Soldaten und Richtern - nicht sämtlicher Arbeitnehmer, sondern nur der Angestellten des öffentlichen Dienstes ermächtigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <85>). Bei Erlass des Grundgesetzes unterschied das Arbeitsrecht zwischen Angestellten und Arbeitern. Nachdem das Arbeitsrecht diese begriffliche Unterscheidung aufgegeben und den einheitlichen Begriff des Arbeitnehmers eingeführt hatte, mussten gesetzliche Bestimmungen über Wählbarkeitsbeschränkungen die in Art. 137 Abs. 1 GG unverändert angelegte Unterscheidung auf andere Weise fortführen. Dies kann dadurch geschehen, dass vom umfassenden Begriff des Arbeitnehmers diejenigen ausgenommen werden, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten. 23 Nicht zu beanstanden ist ferner, dass § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LKrO die Wählbarkeit für sämtliche Arbeitnehmer des Landkreises und des Landratsamtes, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten, beschränkt, § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c LKrO hingegen bei anderen Körperschaften des öffentlichen oder bei Unternehmen des privaten Rechts, auf die der Landkreis bestimmenden Einfluss ausüben kann, nur für die leitenden Arbeitnehmer. Darin kann kein regelungsinterner Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen werden. Dieser Grundsatz ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <69>). Der die Ungleichbehandlung legitimierende Unterschied liegt hier schon darin, dass die Mitarbeiter anderer Körperschaften und privatrechtlicher Unternehmen keine Bediensteten des Landkreises selbst sind. Allerdings darf der Gesetzgeber nicht daran vorbeigehen, dass die Gefahr von Interessenkollisionen auch bei solchen Körperschaften und Unternehmen jedenfalls dann besteht, wenn sie von dem Landkreis beherrscht werden. Dies rechtfertigt es, Vorschriften zur Beschränkung der Wählbarkeit auch auf deren Bedienstete auszudehnen; dabei kann es auf den formalen Unterschied der Organisationsform nicht ankommen. Freilich besteht die Gefahr der Interessenkollisionen in Ansehung dieser Körperschaften und Unternehmen nur für diejenigen ihrer Mitarbeiter, über welche der Landkreis seine beherrschende Stellung ausübt. Dies sind nur die Mitarbeiter in leitender Funktion (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Januar 1975 - 2 BvR 193/74 - BVerfGE 38, 326 <339> und vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <84>). 24 Der Kläger wendet sich ferner ohne Erfolg dagegen, dass Beschäftigte, die bei einem kommunalen Eigenbetrieb eingesetzt werden, nicht den Beschäftigten bei einem rechtsfähigen Kommunalunternehmen gleichgestellt werden. Bedienstete, die bei einem Eigenbetrieb eingesetzt werden, sind nach baden-württembergischem Landesrecht unmittelbare Bedienstete der Kommune selbst. Das ist auch in Ansehung von Art. 137 Abs. 1 GG begründet. Hier besteht dieselbe Gefahr von Interessenkollisionen, die sich auch nicht nur auf die leitenden Mitarbeiter des Eigenbetriebs beschränkt. Eigenbetriebe sind nach baden-württembergischem Recht zwar organisatorisch relativ verselbständigt, indem sie über einen eigenen Betriebsleiter, einen Betriebsausschuss und einen eigenen Haushalt verfügen. Der Betriebsleiter ist aber dem Landrat weisungsunterworfen, der Betriebsausschuss gilt als Ausschuss des Kreistages, und der Betriebshaushalt ist Bestandteil des Kreishaushalts (vgl. § 48 LKrO i.V.m. dem Gesetz über die Eigenbetriebe der Gemeinden - EigBG - vom 8. Januar 1992, GBl. S. 21, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 16. April 2013, GBl. S. 55, 57). Der Kreistag erstreckt damit seine Kontrollaufgabe und seine Kontrollbefugnisse auf den gesamten Eigenbetrieb, nicht anders als hinsichtlich des Landratsamtes. 25 Schließlich genügt § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 LKrO auch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Dieses verlangt vom Normgeber, Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 <263>). Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit zutreffend darauf verwiesen, dass der Anwendungsbereich der Norm mit den üblichen Methoden der Gesetzesauslegung ohne erhebliche Probleme ermittelt werden kann. 26 cc) Allerdings dürfen jedenfalls bei kommunalen Vertretungsorganen nicht unterschiedslos alle Arbeitnehmer der Kommune, die nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten, von der Wählbarkeit ausgeschlossen werden. Der Ausschluss darf nicht auf solche Arbeitnehmer erstreckt werden, die keine Möglichkeit haben, inhaltlich auf die Verwaltungsführung der Kommune Einfluss zu nehmen. § 24 Abs. 1 LKrO ist für eine derart einschränkende Auslegung offen und deshalb nicht verfassungswidrig und nichtig; die einschränkende Auslegung ist aber auch geboten. 27 Wie gezeigt, lässt Art. 137 Abs. 1 GG gesetzliche Beschränkungen der Wählbarkeit der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Verhinderung des Zusammentreffens von Amt und Mandat zu. Eine auf Art. 137 Abs. 1 GG gestützte gesetzliche Regelung darf aber nur eine Beschränkung der Wählbarkeit in Gestalt einer Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität), nicht aber den rechtlichen Ausschluss von der Wählbarkeit (Ineligibilität) anordnen. Wesentliches Merkmal einer Inkompatibilitätsvorschrift ist, dass sich der von ihr Betroffene als Wahlbewerber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl aber von einer Beendigung (oder doch vom Ruhen) des Dienstverhältnisses abhängig gemacht wird. Darüber geht § 24 Abs. 1 LKrO nicht hinaus. Weil allerdings ein kommunales Mandat herkömmlich als Ehrenamt ohne Diäten ausgestaltet ist, wird sich ein Bewerber wegen der Folgen der gesetzlichen Unvereinbarkeitsregelung auf seine beruflichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen regelmäßig außerstande sehen, sich für das Mandat zu entscheiden. Angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich, der neben der Ehrenamtlichkeit zugleich von einer Vielzahl von Möglichkeiten ins Gewicht fallender Entscheidungskonflikte gekennzeichnet ist, ist diese faktische Einengung der Wahlmöglichkeit zwischen Amt und Mandat schon immer als zumutbare Konsequenz angesehen worden. Eine Begrenzung der Wählbarkeit mit einer so weitreichenden Folge kann aber nicht allein mit der verfassungsrechtlichen Ermächtigung aus Art. 137 Abs. 1 GG begründet werden. Sie bedarf hier jeweils eines sachlichen Grundes, der dem Sinn der verfassungsrechtlichen Ermächtigung gerecht wird. Sie ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <88 ff.> und vom 6. Oktober 1981 - 2 BvR 384/81 - BVerfGE 58, 177 <192 f.>). 28 Ein Gesetz, das von der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG für den kommunalen Bereich Gebrauch macht, muss eine klare, konsequente Lösung der Unvereinbarkeiten bieten. Das gilt gerade angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten ins Gewicht fallender Entscheidungskonflikte im kommunalen Bereich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 - BVerfGE 48, 64 <89>). Das gebietet, Differenzierungen anhand bestehender Gefahren von Interessenkonflikten bereits auf der Ebene des Gesetzes zu treffen, und erlaubt insoweit generalisierende Tatbestände, die an die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktlage anknüpfen (BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 - BVerfGE 98, 145 <161>); es verbietet, Differenzierungen erst in die Gesetzesanwendung im Einzelfall zu verlagern. Das schließt freilich nicht aus, dem Gesetz die gebotene Differenzierung erst im Wege der Auslegung zu entnehmen, wenn dies in der Regelung selbst angelegt oder - wie hier - aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist. 29 Eine solche Auslegung muss hier am Begriff des Arbeitnehmers in § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LKrO ansetzen. Dieser Begriff ist einer am Zweck der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG orientierten einschränkenden Auslegung zugänglich. Dass eine Unvereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mandat nicht für sämtliche Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst angeordnet werden darf, zeigt schon Art. 137 Abs. 1 GG selbst, der hierzu nur für die seinerzeitigen Angestellten ermächtigt, nicht aber für die seinerzeitigen Arbeiter. Wie gezeigt, sucht § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO diese Einschränkung fortzuzeichnen, indem die Unvereinbarkeitsregelung keine Anwendung auf Arbeitnehmer finden soll, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten. Die Zusammenführung der überkommenen Gruppen der Angestellten und der Arbeiter in die einheitliche Gruppe der Arbeitnehmer war aber nicht nur terminologischer Natur; sie war auch Ausdruck der Fortentwicklung der Arbeitswelt, in welcher Berufsbilder mit überwiegend körperlicher Arbeit auch im ""öffentlichen"" Dienst seltener geworden sind und Funktionen, die seinerzeit von Arbeitern wahrgenommen wurden, zwischenzeitlich - bei deutlich verändertem Gepräge - von Arbeitnehmern wahrgenommen werden, die nach seinerzeitigem Begriffsverständnis als Angestellte bezeichnet worden wären. Damit zeigt sich, dass die aus Verfassungsgründen gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LKrO nicht schon damit hinlänglich erreicht ist, dass aus dem dortigen Begriff des Arbeitnehmers durch § 24 Abs. 1 Satz 2 LKrO diejenigen von der Unvereinbarkeitsregelung ausgenommen werden, die auch heute noch überwiegend körperliche Arbeit verrichten. Auch wenn dieses eher äußerliche Merkmal in seinem Anwendungsbereich durchaus zu zutreffenden Ergebnissen führt, so bedarf es doch einer weitergehenden Einschränkung des Arbeitnehmerbegriffs, die sich am Sinn und Zweck der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG ausrichtet, der Gefahr von Interessenkollisionen zu begegnen. 30 Bei Beachtung dieser Grundsätze muss der Begriff des Arbeitnehmers in § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LKrO dahin einschränkend ausgelegt werden, dass solche Arbeitnehmer nicht umfasst sind, die nach ihrem dienstlichen Tätigkeitsbereich keine Möglichkeit haben, inhaltlich auf die Verwaltungsführung des Landkreises oder des Landratsamtes Einfluss zu nehmen. In solchen Fällen droht typischerweise kein Interessenkonflikt zwischen der Aufgabe als Mandatsträger, im Kreistag die Kreisverwaltung zu kontrollieren, und der beruflichen Tätigkeit für die Kreisverwaltung. Namentlich droht nicht die Gefahr einer zurückhaltenderen Kontrolltätigkeit im Kreistag, die bei Arbeitnehmern begründet wäre, die nach ihrer dienstlichen Tätigkeit und Funktion Einfluss auf vor dem Kreistag zu verantwortende inhaltliche Entscheidungen haben. 31 Die in Rede stehende einschränkende Auslegung führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Kläger kein Arbeitnehmer im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LKrO ist; denn er besitzt als Pförtner eines Krankenhauses des Landkreises keine Möglichkeit, auf die Verwaltungsführung des Landkreises - und auch nur des Krankenhauses selbst - inhaltlich Einfluss zu nehmen. 32 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-46,21.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 46/2017 vom 21.06.2017 EN Entziehung des Doktorgrades wegen Täuschung bei Anfertigung der Dissertation rechtmäßig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Doktorgrad entzogen werden kann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Promovend zahlreiche Passagen aus fremden Werken übernommen hat, ohne dies hinreichend kenntlich zu machen. Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung des ihr im Jahr 1986 verliehenen Doktorgrades durch die Philosophische Fakultät der beklagten Universität. Nach der Veröffentlichung der Dissertation wurden Vorwürfe geäußert, die Klägerin habe gegen ihre wissenschaftliche Pflicht verstoßen, Übernahmen aus fremden Werken kenntlich zu machen. Die daraufhin von der Beklagten Anfang der 1990er Jahre eingesetzte Kommission hatte eine nicht geringe Zahl von Verstößen gegen das Zitiergebot und gravierende methodische Mängel festgestellt. Sie hielt der Klägerin aber zugute, nicht mit Täuschungsvorsatz, sondern nachlässig gehandelt zu haben. Aufgrund der Empfehlung der Kommission sah der Fakultätsrat davon ab, gegen die Klägerin mit dem Ziel der Entziehung des Doktorgrades vorzugehen. Nachdem eine Internetplattform im Jahr 2011 veröffentlicht hatte, dass der Anteil nicht angegebener Übernahmen von Fremdtexten in der klägerischen Dissertation fast die Hälfte der Arbeit betreffe, setzte die Beklagte erneut eine Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vorwürfe ein. Diese bestätigte den Befund der Internetplattform. Daraufhin entzog die Beklagte der Klägerin den Doktorgrad, da der nunmehr festgestellte Umfang der Verschleierung von Übernahmen aus fremden Texten nur den Schluss zulasse, dass die Klägerin vorsätzlich getäuscht habe. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Einstellung des Verfahrens im Jahr 1991 die Beklagte nicht hindert, den Doktorgrad zu entziehen. Die der Entziehung zugrunde liegenden Regelungen sind verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber konnte die Hochschulen beauftragen, in der Promotionsordnung die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln. Dementsprechend hat die Beklagte in § 20 Abs. 2 ihrer Promotionsordnung u.a. den Entzug des Doktorgrades wegen Täuschung vorsehen können. Der gesetzliche Regelungsauftrag ist in der berufungsgerichtlichen Auslegung, wonach nur wissenschaftsbezogenes Fehlverhalten zu einer Entziehung des Doktorgrades führen kann, inhaltlich hinreichend bestimmt. Eine detailliertere gesetzliche Regelung war nicht erforderlich, weil das Promotionswesen wesentlicher Bestandteil der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung ist. Auch musste die Möglichkeit der Entziehung des Doktorgrades nicht gesetzlich befristet werden, weil mit der Verleihung des Doktorgrades - anders als mit berufsqualifizierenden Hochschulabschlüssen - Erwartungen an das künftige wissenschaftsrelevante Verhalten verbunden sind. Nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen hat die Klägerin 327 Verstöße gegen das wissenschaftliche Zitiergebot begangen, die 46 % ihrer Arbeit umfassen. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe daher bei ihrer Promotionsleistung getäuscht, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Davon ausgehend begegnet auch die Ausübung des Entziehungsermessens keinen Bedenken. Die Abwägung der widerstreitenden Belange hält sich innerhalb des der Beklagten eröffneten Spielraums. Angesichts der Schwere der Verstöße fallen die mit der Entziehung verbundenen Nachteile der Klägerin und die seit der Promotion verstrichene Zeit nicht derart ins Gewicht, dass die Beklagte von einer Entziehung zwingend hätte absehen müssen. BVerwG 6 C 3.16 - Urteil vom 21. Juni 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 19 A 254/13 - Urteil vom 10. Dezember 2015 - VG Köln, 6 K 2684/12 - Urteil vom 06. Dezember 2012 -","Urteil vom 21.06.2017 - BVerwG 6 C 3.16ECLI:DE:BVerwG:2017:210617U6C3.16.0 EN Leitsätze: 1. Die Mitteilung über die Einstellung eines Verwaltungsverfahrens zur Entziehung einer Rechtsposition, hier des Doktorgrades, ist regelmäßig kein Verwaltungsakt. 2. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, der Auftrag an die Hochschulen nach § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW zur Regelung der Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften erfasse die Entziehung von Doktorgraden wegen der Verletzung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen, ist mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar. 3. Der landesgesetzliche Regelungsauftrag bringt die Verfassungsgrundsätze des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes und der Hochschulselbstverwaltung für das Promotionswesen angemessen zum Ausgleich. 4. Eine Dissertation kann nicht als eigenständige Leistung und wissenschaftlicher Befähigungsnachweis gelten, wenn sie quantitativ oder qualitativ durch verschleierte Übernahmen aus fremden Texten (Plagiatsstellen) geprägt ist. 5. Die Täuschung über die Erfüllung des Gebots der Eigenständigkeit der Dissertation rechtfertigt die Entziehung des Doktorgrades zur Sicherung der Redlichkeit der Wissenschaft ungeachtet der dadurch herbeigeführten grundrechtsrelevanten Nachteile. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und 3 HG NRW § 64 Abs. 2 Nr. 9, § 67 Abs. 1 und 3 VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG § 35 Satz 1, § 48 Instanzenzug VG Köln - 06.12.2012 - AZ: VG 6 K 2684/12 OVG Münster - 10.12.2015 - AZ: OVG 19 A 254/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:210617U6C3.16.0] Urteil BVerwG 6 C 3.16 VG Köln - 06.12.2012 - AZ: VG 6 K 2684/12 OVG Münster - 10.12.2015 - AZ: OVG 19 A 254/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2015 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin schloss im Jahr 1980 das Studium der Politologie an der Philosophischen Fakultät der beklagten Universität mit dem Grad einer Magistra Artium (M.A.) ab. Im November 1986 verlieh ihr diese Fakultät den Doktorgrad. Bei der Vorlage ihrer Dissertation hatte die Klägerin die in der damaligen Promotionsordnung vorgesehene Versicherung an Eides Statt abgegeben, sie habe die wörtlich oder dem Sinn nach aus anderen Werken übernommenen Stellen der Arbeit in jedem einzelnen Fall kenntlich gemacht. 2 Nachdem öffentlich Zweifel an der Arbeitsweise der Klägerin geäußert worden waren, setzte die Fakultät im Oktober 1990 eine Kommission ein, die die Vorwürfe prüfen sollte. In ihrem Abschlussbericht bescheinigte die Kommission der Dissertation gravierende methodische Mängel, weil sie Verstöße gegen das Gebot richtigen Zitierens in nicht geringer Zahl enthalte. Sie hielt der Klägerin nach deren Anhörung zugute, sie habe nicht vorsätzlich über die Urheberschaft der übernommenen Texte getäuscht, sondern nachlässig gearbeitet. Ungeachtet der Mängel habe die Klägerin in der Dissertation eine anerkennenswerte These vertreten. Aufgrund dieses Berichts beschloss der Erweiterte Fakultätsrat am 30. Januar 1991, es bestehe kein Anlass, gegen die Klägerin wegen des Vorwurfs der Täuschung mit dem Ziel der Entziehung des Doktorgrades einzuschreiten. Der Dekan der Philosophischen Fakultät teilte der Klägerin diesen Beschluss und die wesentlichen Erwägungen der Kommission durch Schreiben vom 30. April 1991 mit. 3 Anfang 2011 veröffentlichte die Internetplattform ""VroniPlag"" das Ergebnis einer elektronischen Prüfung der Dissertation, wonach ungefähr 47 % der Seiten wörtliche oder umformulierte Übernahmen aus Arbeiten anderer Autoren enthielten, ohne die richtige Quelle anzugeben (Plagiatsstellen). Die daraufhin vom Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät eingesetzte Arbeitsgruppe bestätigte diesen Befund weitgehend: Die überprüften Textteile der Dissertation enthielten auf ungefähr 40 % der Seiten 327 Plagiatsstellen, von denen die 1990/91 tätige Kommission nur 44 entdeckt hätte. Aufgrund dieses Befunds beschloss der Promotionsausschuss im April 2012, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen; der Fakultätsrat bestätigte diese Entscheidung. Der Dekan setzte diese Beschlüsse um, indem er der Klägerin durch Bescheid vom 18. April 2012 den ihr 1986 verliehenen Doktorgrad entzog. In den Gründen heißt es, es werde zugunsten der Klägerin unterstellt, dass der Dekan in dem Schreiben vom 30. April 1991 rechtsverbindlich festgestellt habe, den Doktorgrad nicht zu entziehen. Ein solcher Verwaltungsakt werde hiermit zurückgenommen, weil er rechtswidrig sei. Die Klägerin habe den Entziehungstatbestand der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 der Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät erfüllt, weil sie vorsätzlich eine Vielzahl von Plagiatsstellen in die Dissertation aufgenommen habe. Die Ermessensabwägung ergebe einen Vorrang des Schutzes der wissenschaftlichen Redlichkeit. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens könnten es die mit der Entziehung verbundenen erheblichen Nachteile und die seit der Verleihung verstrichene Zeit nicht rechtfertigen, von der Entziehung abzusehen. 4 Die Anfechtungsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es gebe keinen Verwaltungsakt aus dem Jahr 1991, der feststelle, dass die Klägerin bei der Erstellung der Dissertation keine Täuschung begangen habe. Bei dem Schreiben des Dekans vom 30. April 1991 handele es sich nach Inhalt, Form und Begleitumständen um die formlose Mitteilung, dass die Fakultät das damalige Entziehungsverfahren eingestellt habe. Anderenfalls habe die Fakultät einen solchen rechtswidrigen Verwaltungsakt in dem Entziehungsbescheid vom 18. April 2012 zu Recht zurückgenommen. 5 Die Philosophische Fakultät habe die Entziehung des Doktorgrades zutreffend auf § 20 Abs. 2 ihrer Promotionsordnung (PromO) gestützt, der Täuschungen über die Einhaltung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen sanktioniere. Dadurch sei die Fakultät dem Auftrag des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes nachgekommen, die Folgen von wissenschaftsrelevanten Verstößen gegen Promotionsvorschriften zu regeln. Der Landesgesetzgeber müsse die Voraussetzungen für die Entziehung des Doktorgrades weder selbst festlegen noch einen inhaltlichen Rahmen vorgeben, weil das Promotionswesen zum Kernbereich der grundgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltung der Hochschulen gehöre. 6 Zu den wissenschaftlichen Kernpflichten, deren vorsätzliche Verletzung eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO darstelle, gehöre die Pflicht, die Dissertation eigenständig zu erarbeiten. Über die Eigenständigkeit ihrer Leistung habe die Klägerin getäuscht, indem sie Texte anderer Autoren in sehr großer Zahl ohne zutreffende Quellenangabe übernommen und damit als eigene Leistung ausgegeben habe. Die Fakultät habe aus der Vielzahl der verschleierten Textübernahmen und der Arbeitsweise der Klägerin zu Recht den Schluss gezogen, dass die Klägerin systematisch und planmäßig vorgegangen sei. Daher sei die Entziehung ihres Doktorgrades angezeigt gewesen, um wissenschaftlichen Mindeststandards Geltung zu verschaffen. Die Fakultät habe diesem Interesse ermessensfehlerfrei Vorrang vor dem Interesse der Klägerin eingeräumt, den Doktorgrad wegen des Gewichts der mit der Entziehung verbundenen Nachteile und der seit der Verleihung verstrichenen Zeit weiter führen zu dürfen. Die unbefristete Entziehungsmöglichkeit benachteilige die Inhaber von Doktorgraden nicht gleichheitswidrig gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade, deren Entziehung nur zeitlich begrenzt möglich sei. Der Doktorgrad bringe nicht nur die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten zum Ausdruck. Er begründe zusätzlich die Verpflichtung, sich dauerhaft wissenschaftlich redlich zu verhalten. 7 Mit der Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Rechtssicherheit und Vertrauensschutz geböten die Auslegung des Schreibens des Dekans vom 30. April 1991 im Sinne einer rechtsverbindlichen Feststellung, dass der Klägerin der Doktorgrad nicht entzogen werde. Dieser Verwaltungsakt sei rechtmäßig gewesen, weil er eine Täuschung der Klägerin aufgrund einer auf Vollständigkeit angelegten Nachprüfung ihrer Dissertation verneint habe. Dieses Ergebnis könne nicht durch die Anwendung einer damals unbekannten Untersuchungsmethode in Frage gestellt werden. Die Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO sei nichtig, weil sie nicht auf einer verfassungskonformen gesetzlichen Ermächtigung beruhe. Der landesgesetzliche Regelungsauftrag genüge weder dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot noch dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes; es handele sich um eine Blankettermächtigung für die Hochschulen. Der Landesgesetzgeber müsse die Entziehungsvoraussetzungen zum Schutz der Grundrechte der Promovierten inhaltlich vorgeben. Er dürfe diese Aufgabe nicht an die Hochschulen delegieren, weil diese materiell beteiligt seien. Die zeitlich unbefristete Entziehungsmöglichkeit für Doktorgrade sei gleichheitswidrig, weil diese Schlechterstellung gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade sachlich nicht gerechtfertigt werden könne. Es sei rechtsstaatswidrig und verletze das Persönlichkeitsrecht der Promovierten, einschneidende Rechtsfolgen wie die Entziehung des Doktorgrades an seit Jahrzehnten abgeschlossene Sachverhalte zu knüpfen. 8 Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, dem Landesgesetzgeber seien Regelungen über die Entziehung des Doktorgrades mit Rücksicht auf das grundrechtlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen für das Promotionswesen verwehrt. Es gehe um die Pflege der Wissenschaft, die das Grundgesetz den Hochschulen anvertraut habe. II 9 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). 10 Die Philosophische Fakultät der beklagten Universität war nicht durch einen 1991 erlassenen Verwaltungsakt gehindert, der Klägerin den Doktorgrad zu entziehen (unter 1.). Die angewandte Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 der Promotionsordnung - PromO - der Fakultät in der Fassung vom 4. Juni 2010 (Amtliche Bekanntmachungen der Beklagten, 40. Jahrgang, Nr. 08 vom 10. Juni 2010) ist rechtswirksam: Die Ermächtigungsgrundlage des § 64 Abs. 2 Nr. 9 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG NRW) in der hier anwendbaren Fassung vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW. S. 474) enthält nach dem irrevisiblen Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts einen Auftrag an die Hochschulen, die Verletzung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen durch die Entziehung des Doktorgrades zu sanktionieren (unter 2.). Mit diesem Inhalt genügt der gesetzliche Regelungsauftrag den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots (unter 3.). Er bringt den Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes und das grundrechtlich geschützte Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen zu einem angemessenen Ausgleich (unter 4.). Die Möglichkeit, den Doktorgrad unbefristet zu entziehen, benachteiligt die Inhaber dieses Grades nicht gleichheitswidrig gegenüber den Inhabern anderer akademischer Grade (unter 5.). Durch die Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO hat die Philosophische Fakultät der Beklagten den Regelungsauftrag des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW grundgesetzkonform erfüllt. Der Entziehungstatbestand der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO soll die Redlichkeit der Wissenschaft sicherstellen; er erfasst vor allem falsche Angaben der Promovenden über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation (unter 6.). Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin diesen Entziehungstatbestand erfüllt hat (unter 7.). Davon ausgehend verletzt die Ermessensausübung der Fakultät keine Grundrechte der Klägerin (unter 8.). 11 1. Die Philosophische Fakultät der Beklagten war an der Entziehung des Doktorgrades nicht durch einen im Jahr 1991 erlassenen Verwaltungsakt gehindert, der diese Maßnahme ausschloss. Sie hat einen Verwaltungsakt dieses Inhalts nicht erlassen (unter a)) oder ihn anderenfalls zurückgenommen (unter b)). 12 a) Nach § 35 Satz 1 VwVfG NRW, der wegen Wortgleichheit mit § 35 Satz 1 VwVfG des Bundes nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel ist, ist Verwaltungsakt jede Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Maßnahme hat Regelungscharakter, wenn sie nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muss für den Betroffenen rechtsverbindlich Rechte oder Pflichten begründen, inhaltlich ausgestalten, ändern, aufheben, feststellen oder einen derartigen Ausspruch rechtsverbindlich ablehnen (BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 - 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291 <293> und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 15). Ein feststellender Verwaltungsakt schreibt das Ergebnis der behördlichen Rechtsanwendung rechtsverbindlich fest (BVerwG, Urteile vom 20. November 2003 - 3 C 29.02 - Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 55 S. 9 und vom 5. November 2009, a.a.O.). Kein Regelungsgehalt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG kommt behördlichen Erklärungen zu, denen sich kein Regelungs- bzw. Rechtsbindungswille entnehmen lässt. Hierzu gehören Auskünfte oder Mitteilungen, dass die Behörde gegen ein bestimmtes Verhalten keine rechtlichen Bedenken hat oder nicht beabsichtigt, eine rechtsverbindliche Maßnahme zu ergreifen (BVerwG, Urteil vom 6. November 1986 - 3 C 72.84 - BVerwGE 75, 109 <113>; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 83). 13 Ein Verwaltungsakt entfaltet materielle Bindungswirkung in Bezug auf den Regelungsausspruch (Tenor), nicht aber in Bezug auf die den Ausspruch tragenden Gründe. Die Bindungswirkung hindert die Behörde, eine inhaltlich abweichende Regelung zu treffen, solange der Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 VwVfG NRW (= § 43 Abs. 2 VwVfG des Bundes) rechtswirksam ist. Darüber hinaus sind Behörden und Gerichte verpflichtet, in Bestandskraft erwachsene rechtsverbindlich getroffene Regelungen ihren Entscheidungen zugrunde zu legen, ohne die Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 16 und vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​150415U8C14.14.0] - BVerwGE 152, 26 Rn. 32; zum Ganzen Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 41 ff.). 14 Ob eine behördliche Maßnahme Regelungscharakter und damit Verwaltungsaktqualität hat, ist durch Auslegung zu bestimmen. Dabei kommt vor allem der entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB Bedeutung zu. Danach ist der objektive Erklärungsgehalt der Maßnahme zu bestimmen; es kommt darauf an, wie sie der Adressat bei objektiver Betrachtung verstehen kann (BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C 100.83 - Buchholz 316 § 38 VwVfG Nr. 4, vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52 und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21). Die Auslegung der Tatsachengerichte unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfung: Nach § 137 Abs. 2 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, die das Tatsachengericht seiner Auslegung zugrunde gelegt, d.h. die es herangezogen hat, um sein Auslegungsergebnis zu begründen. Der Senat kann offenlassen, ob sich diese Bindung auch auf das Auslegungsergebnis selbst, d.h. auf die tatrichterliche Würdigung des festgestellten, für die Auslegung bedeutsamen Sachverhalts anhand der allgemeinen Auslegungsregeln erstreckt (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. Februar 1982 - 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <68 f.> und vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52). Auch kann dahingestellt bleiben, ob es dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund seiner Beschränkung auf die Nachprüfung revisiblen Rechts verwehrt ist, den Erklärungsgehalt abweichend von der Vorinstanz zu bestimmen, wenn die Maßnahme in einem irrevisiblen, weil landesrechtlich geregelten Zusammenhang steht (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 72). 15 Der Senat muss diese Fragen nicht beantworten, weil die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Dekan mit dem Schreiben vom 30. April 1991 keinen Verwaltungsakt mit dem Regelungsausspruch erlassen hat, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, einen Verstoß gegen § 133 BGB nicht erkennen lässt. Der Beschluss des Erweiterten Fakultätsrats vom 30. Januar 1991 kommt als Verwaltungsakt von vornherein nicht in Betracht, weil seine Rechtswirkung auf das Innenverhältnis zwischen Fakultätsrat und Dekan als den Organen der Philosophischen Fakultät beschränkt ist. Der Dekan ist verpflichtet, Beschlüsse des Fakultätsrats auszuführen (vgl. nunmehr § 27 Abs. 1 Satz 7 HG NRW). Hierzu gehört, dass der Dekan die durch den Beschluss veranlassten Schritte gegenüber Betroffenen ergreift. 16 Die Auslegung des Schreibens vom 30. April 1991 aus der Sicht eines objektiven Adressaten ergibt, dass der Dekan nicht rechtsverbindlich festgestellt oder zugesichert hat, die Klägerin könne den Doktorgrad dauerhaft weiter führen. Vielmehr hat er die Klägerin formlos von dem Ergebnis der Prüfung ihrer Dissertation und der Einstellung des Prüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Er hat sich darauf beschränkt mitzuteilen, wie die Kommission und ihr folgend der Erweiterte Fakultätsrat die Untersuchungsergebnisse bewerteten und dass sie nicht beabsichtigten, weitere Ermittlungen durchzuführen. Aufgrund dieser Hinweise musste die Klägerin zwar nicht mehr befürchten, ihr könnte als Folge der Untersuchungen in dem im Oktober 1990 eröffneten Verfahren der Doktorgrad entzogen werden. Jedoch kann dem Schreiben vom 30. April 1991 nicht entnommen werden, die Fakultät habe ihr darüber hinaus eine materielle Rechtsposition des Inhalts zuerkannt, sie dürfe den Doktorgrad ungeachtet weiterer Entwicklungen dauerhaft weiter führen. 17 Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Auslegungsergebnis zutreffend aus Inhalt und Aufmachung des Schreibens vom 30. April 1991 sowie aus den vorangegangenen Erklärungen des damaligen Bevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Dekan hergeleitet. In dem Schreiben vom 30. April 1991 hat der Dekan die abschließenden Stellungnahmen der Kommission und des damals für die Entziehung zuständigen Erweiterten Fakultätsrats wörtlich wiedergegeben: Der Fakultätsrat war zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Anlass bestehe, wegen des Vorwurfs der Täuschung einzuschreiten. Damit hatte er sich der Kommission angeschlossen, die glaubte, den Verdacht der Täuschung trotz der nicht geringen Zahl methodisch bedenklicher Stellen verneinen zu können. Beide Stellungnahmen bezogen sich inhaltlich ausschließlich auf den damals aktuellen Stand der Ermittlungen. Jedenfalls sind sie viel zu vorsichtig formuliert, als dass die Klägerin daraus den Schluss hätte ziehen können, ihr solle wegen der endgültigen Freistellung vom Vorwurf der Täuschung rechtsverbindlich ""Entziehungsschutz"" zugesagt werden. Diese Annahme liegt auch deshalb fern, weil beide Stellungnahmen der Dissertation aufgrund der festgestellten Verstöße gegen das Gebot richtigen Zitierens erhebliche methodische Mängel bescheinigten. Hinzu kommt, dass die Aufmachung des Schreibens vom 30. April 1991 keinen Rechtsbindungswillen erkennen lässt. Das Schreiben enthält keinen von den Gründen abgesetzten Regelungsausspruch im Sinne der Klägerin, sondern ist ersichtlich als formloses Mitteilungsschreiben konzipiert. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht den von ihm bindend festgestellten Sachverhalt zutreffend dahingehend gewürdigt, der damalige Bevollmächtigte der Klägerin habe darauf hingewirkt, es bei einer schlichten Mitteilung zu belassen, dass die Untersuchungen beendet seien. 18 Die Fakultät war auch nicht verpflichtet, rechtsverbindlich festzustellen, dass von einer Entziehung des Doktorgrades abgesehen wurde. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass ein Verwaltungsverfahren, in dem eine durch Verwaltungsakt verliehene Rechtsposition überprüft wird, durch eine rechtsverbindliche Feststellung abzuschließen ist, wenn es nicht zur Aufhebung der Rechtsposition kommt. Eine derartige Verpflichtung kann sich nur aus dem jeweiligen Fachrecht ergeben. Das Oberverwaltungsgericht hat der 1991 geltenden Promotionsordnung der Philosophischen Fakultät kein solches Erfordernis entnommen. An diese Auslegung ist der Senat gebunden, weil es sich bei der Promotionsordnung wie bei dem gesamten Satzungsrecht der Hochschulen um irrevisibles Landesrecht handelt (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). 19 b) Im Übrigen könnte ein feststellender Verwaltungsakt des Inhalts, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, keine materielle Bindungswirkung mehr entfalten, weil die Fakultät einen solchen Verwaltungsakt durch den Entziehungsbescheid vom 18. April 2012 ausdrücklich zurückgenommen hätte. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Rücknahme habe auf § 48 VwVfG NRW gestützt werden können, weil die Promotionsordnung der Fakultät insoweit eine Regelungslücke enthalte, ist als Auslegung des irrevisiblen Satzungsrechts revisionsgerichtlich nicht nachprüfbar. Demgegenüber ist § 48 VwVfG NRW wegen der Wortgleichheit mit der entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Der Verwaltungsakt muss zum Zeitpunkt seines Erlasses objektiv rechtswidrig gewesen sein, falls sich aus dem Fachrecht kein anderer Zeitpunkt ergibt. Die Rechtswidrigkeit kann darauf beruhen, dass die Behörde das geltende Recht falsch ausgelegt oder falsch auf den Sachverhalt angewandt hat. Darüber hinaus erweist sich ein Verwaltungsakt als rechtswidrig, wenn ihn die Behörde bei vollständiger Kenntnis der für die rechtliche Beurteilung bedeutsamen Tatsachen nicht erlassen hätte. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Behörde um eine richtige und vollständige Sachaufklärung bemüht, d.h. die ihr zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat. Maßgebend ist allein, ob die Sachverhaltswürdigung unter Einbeziehung der nachträglich entstandenen oder bekannt gewordenen Tatsachen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergibt (BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1969 - 3 C 153.67 - BVerwGE 31, 222 <223> und vom 30. April 1985 - 1 C 33.83 - BVerwGE 71, 248 <249 f.>; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 51; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 51). 20 Auf der Grundlage dieses Rechtswidrigkeitsbegriffs hat das Oberverwaltungsgericht eine rechtsverbindliche Feststellung, der Klägerin werde der Doktorgrad nicht entzogen, so sie denn 1991 getroffen worden wäre, als rechtswidrig angesehen. Der damaligen Rechtsanwendung habe nur ein Bruchteil der verschleierten Übernahmen fremder Texte zugrunde gelegen. Die Würdigung des vollen Ausmaßes der Pflichtenverstöße ergebe, dass die Entziehungsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 PromO vorlägen, weil die Klägerin über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation getäuscht habe. An die Auslegung des irrevisiblen Begriffs der Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO und dessen Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt ist der Senat gebunden (vgl. unter 6. und 7.). 21 Für die Ausübung des Rücknahmeermessens gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ausübung des Entziehungsermessens nach § 20 Abs. 2 PromO; sie verstößt nicht gegen grundrechtlich geschützte Belange der Klägerin (vgl. unter 7. und 8.). Schließlich hätte die Fakultät einen Verwaltungsakt des Inhalts, der Doktorgrad werde nicht entzogen, innerhalb der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW zurückgenommen. Diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn die zuständige Behörde zu der Erkenntnis gelangt ist, dass sie den Verwaltungsakt bislang zu Unrecht für rechtmäßig gehalten hat (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 28). Die Fakultät konnte die Rechtswidrigkeit einer 1991 getroffenen rechtsverbindlichen Feststellung erkennen, nachdem ihre Arbeitsgruppe die 2011 veröffentlichten Enthüllungen von ""VroniPlag"" über das Ausmaß der Plagiatsstellen bestätigt hatte. Danach verging kein Jahr bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids vom 18. April 2012. 22 2. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die angewandte satzungsrechtliche Entziehungsregelung des § 20 Abs. 2 PromO sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW gedeckt. Nach dieser Vorschrift müssen Hochschulprüfungsordnungen die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften regeln. Hochschulprüfungsordnungen seien auch die Promotionsordnungen der Fakultäten (§ 67 Abs. 3 Satz 3 HG NRW). Daher erstrecke sich die gesetzliche Ermächtigung auch auf die Sanktionierung wissenschaftsrelevanter Pflichtenverstöße, die die Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen zu beachten hätten. Der Landesgesetzgeber habe darauf verzichtet, Sanktionstatbestände, etwa für die Entziehung des Doktorgrades, festzulegen oder inhaltlich vorzuzeichnen. Vielmehr habe er sich darauf beschränkt, den Hochschulen insoweit einen Regelungsauftrag zu erteilen. Durch die Beschränkung dieses Auftrags auf wissenschaftliches Fehlverhalten hat das Oberverwaltungsgericht dem Umstand Rechnung getragen, dass die Rechtsetzungsbefugnis der Hochschulen nur Angelegenheiten der Wissenschaft erfassen kann (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​300915U6C45.14.0] - BVerwGE 153, 79 Rn. 19). Der Senat hat diese Auslegung des irrevisiblen § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW hinzunehmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Er ist darauf beschränkt nachzuprüfen, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts mit Bundesverfassungsrecht vereinbar ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - BVerwGE 149, 373 Rn. 23 und vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​141216U6C19.15.0] - juris Rn. 6 ). 23 Einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen ist auch die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, landesgesetzliche Satzungsermächtigungen wie § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW schlössen als entgegenstehende Rechtsvorschriften des Landes im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG NRW für ihren Regelungsbereich die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, hier der §§ 48 ff. VwVfG NRW für die Entziehung des Doktorgrades, aus. Der landesgesetzliche Begriff ""Rechtsvorschriften des Landes"" ist nicht nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel, weil er in § 1 Abs. 1 VwVfG des Bundes naturgemäß nicht verwendet wird. 24 3. Die Ermächtigungsregelung des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW in der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts ist mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Dieses verlangt, dass sich im Wege der Auslegung einer Rechtsnorm feststellen lässt, welche tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Rechtsfolge auszulösen. Aus Wortlaut und Zweck der Norm sowie aus ihrem systematischen Zusammenhang müssen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, um den Bedeutungsgehalt unbestimmter Rechtsbegriffe plausibel zu konkretisieren. Im Übrigen hängt das Maß der erforderlichen Bestimmtheit entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Regelungsmaterie ab (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <384 f.>; Kammerbeschluss vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 - NVwZ 2014, 1571 Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 20). 25 Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW als Auftrag an die Hochschulen, die Verletzung wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung von Promotionsleistungen zu sanktionieren, gibt dieser Bestimmung einen hinreichend bestimmten Inhalt, weil dieser durch Wortlaut und Regelungszusammenhang nahegelegt wird: Nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 2 HG NRW sind die Hochschulen verpflichtet (""müssen""), Prüfungsordnungen mit den gesetzlich vorgesehenen Inhalten zu erlassen. Prüfungen dienen dem Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zum Erwerb einer gesetzlich bestimmten Qualifikation notwendig sind. Wie die Regelungsgegenstände des § 64 Abs. 2 HG NRW belegen, sind Prüfungsordnungen Regelwerke, die die für Prüfungen geltenden Bedingungen in den einzelnen Prüfungsvorschriften festlegen. Sie betreffen den Prüfungsstoff, die Art der Prüfungsleistungen und deren Bedeutung für das Ergebnis, den äußeren Ablauf des Prüfungsverfahrens, das Verfahren zur Bewertung der Prüfungsleistungen und die Grundsätze für die Bewertung. Zu der Regelung der Prüfungsbedingungen gehört, dass den Prüfungsteilnehmern Pflichten für die Erstellung der Prüfungsleistungen und das Verhalten während der Prüfung auferlegt werden. Die Nichtbeachtung einer solchen Pflicht stellt nach allgemeinem Sprachgebrauch einen ""Verstoß"" gegen die jeweilige Prüfungsvorschrift dar. Gleiches gilt für Promotionsordnungen, die nach der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Hochschulprüfungsordnungen im Sinne des § 64 Abs. 2 HG NRW sind. Dementsprechend legen Promotionsordnungen die Bedingungen, d.h. die Verfahrens- und Bewertungsregeln, unter denen Promotionen stattfinden, sowie die Pflichten der Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen fest. Der Zweck der Promotion und der Dissertation als der maßgebenden Promotionsleistung wird gesetzlich vorgegeben: Die Promotion dient dem Nachweis der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit; hierfür muss die Dissertation wissenschaftlich beachtlich sein (§ 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW; vgl. unter 6.). 26 Die Bedeutung des Begriffs der ""Folgen"" von Verstößen gegen Prüfungs- und damit Promotionsvorschriften, zu deren Regelung die Hochschulen nach § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW verpflichtet sind, ergibt sich bereits aus dem Wortsinn: Gemeint sind Nachteile, die die Betroffenen wegen ihres wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Bezug auf den Erfolg der Promotion hinzunehmen haben. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verlangt nicht, dass der Landesgesetzgeber die Nachteile für bestimmte Pflichtenverstöße ausdrücklich benennt. Wie bei allen Prüfungen sind sie zahlenmäßig begrenzt und ergeben sich aus deren Zweck, eine gesetzlich bestimmte fachliche Befähigung nachzuweisen. In Betracht kommen der Ausschluss von der Prüfung, solange diese noch nicht abgeschlossen ist, im Übrigen die Erklärung der Prüfung oder einzelner Prüfungsleistungen als ungültig oder nicht bestanden sowie die Herabsetzung von Gesamt- oder Einzelnoten. Auch kann der aufgrund der Prüfung verliehene Grad bzw. die Berufsbezeichnung nachträglich aberkannt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Promotion, wobei zudem Nachbesserungen der Dissertation angeordnet werden können. Für die Sanktionierung von Pflichtenverstößen gilt das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Erklärung der gesamten Prüfung als ungültig oder nicht bestanden und die Entziehung des verliehenen Grades setzen schwere Verstöße gegen wichtige Pflichten voraus. Im Übrigen entzieht sich das Verhältnis von Verstößen zu dafür ausgesprochenen Sanktionen allgemeingültigen Vorgaben; entscheidend ist die Würdigung des Einzelfalls. 27 4. Das irrevisible Normverständnis des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW als Auftrag zur Sanktionierung wissenschaftlicher Pflichtenverstöße bei der Erstellung von Promotionsleistungen verstößt auch nicht insoweit gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG), als es um die Entziehung des Doktorgrades geht. Der Landesgesetzgeber ist nicht verpflichtet, die Entziehungsvoraussetzungen selbst festzulegen oder inhaltlich vorzuzeichnen. Er darf diese Aufgabe ungeachtet der Grundrechtsrelevanz den Hochschulen überlassen, weil die Entziehung als Teil des Promotionswesens deren grundrechtlich geschütztem Selbstverwaltungsrecht unterfällt. 28 a) Der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Sachbereichen selbst zu treffen und nicht an Verordnungs- und Satzungsgeber zu delegieren. Dies gilt aufgrund des Homogenitätsgebots nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die Landesgesetzgebung. Aufgrund dieses Geltungsanspruchs kann autonomen Körperschaften wie den Hochschulen nur eine eingeschränkte Rechtsetzungsbefugnis zustehen. Der Gesetzgeber hat jedenfalls Gegenstand und Zweck einer solchen Befugnis zu umreißen. Ob und inwieweit er darüber hinaus den Regelungsinhalt des Satzungsrechts vorgeben oder doch einen Rahmen setzen muss, hängt neben der allgemeinen Bedeutung der Regelungsmaterie vor allem von deren Grundrechtsrelevanz ab. Je intensiver Grundrechte betroffen sind, desto aussagekräftiger muss die gesetzliche Ermächtigung in Bezug auf die Eingriffsmöglichkeiten sein. Für das Maß der gebotenen oder zulässigen Zurückhaltung des Gesetzgebers spielt auch eine Rolle, ob die Rechtsetzungsbefugnis autonomer Körperschaften im Grundgesetz verankert ist. Dessen ungeachtet folgt aus dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes der Grundsatz, dass der Gesetzgeber seinen Einfluss auf den Inhalt des zu erlassenden Satzungsrechts nicht gänzlich preisgeben darf (zum Ganzen: BVerfG, Beschlüsse vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 - BVerfGE 33, 125 <157 ff.>, vom 22. Juni 1977 - 1 BvL 23/75 - BVerfGE 45, 393 <399 f.> und vom 13. Juli 2004 - 1 BvR 1298/94 u.a. - BVerfGE 111, 191 <217 f.>; BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 - BVerwGE 125, 68 Rn. 13 und vom 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 26 f.). Auch muss der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen, dass das Satzungsrecht Organisations- und Verfahrensregelungen enthält, die Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung gegenläufiger Rechtspositionen und rechtlich geschützter Interessen bieten (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004, a.a.O. <217>). 29 Die Entziehung des Doktorgrades hat Grundrechtsrelevanz; sie beeinträchtigt in aller Regel grundrechtlich geschützte Belange der Promovierten. Die Entziehung stellt einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG dar, wenn der Betroffene den Beruf des Hochschulprofessors ergreifen will oder bereits ergriffen hat oder die Promotion zugleich als berufsbezogene Abschlussprüfung gilt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 15). Ansonsten beeinträchtigt sie die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den beruflichen Werdegang auswirkt. Die Entziehung kann zur Folge haben, dass der Promovierte seinen Arbeitsplatz verliert, sein beruflicher Werdegang bei seinem Arbeitgeber stockt oder die beruflichen Verdienstmöglichkeiten geschmälert werden. Auch kann die Entziehung der Grund dafür sein, dass dem Betroffenen der Zugang zu bestimmten Berufsfeldern oder einer bestimmten beruflichen Stellung verwehrt bleibt. Diese durch die Entziehung herbeigeführten beruflichen Nachteile sind einer Typisierung und generellen Bewertung nicht zugänglich. Ihr Gewicht hängt von der individuellen Situation des Betroffenen ab. Hinzu kommen Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung, die sich zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung nicht zuverlässig vorhersehen lassen. 30 Die Entziehung des Doktorgrades beeinträchtigt das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, wenn dessen soziales und gesellschaftliches Ansehen Schaden nimmt. So kann der Betroffene gezwungen sein, Ehrenämter aufzugeben. Auch insoweit lassen sich keine generellen Aussagen treffen; entscheidend ist die persönliche Lebenssituation. Das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG bietet ebenso wenig wie die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG einen absoluten Schutz vor der Entziehung, wenn seit der Verleihung des Doktorgrades Jahrzehnte vergangen sind. Dem steht entgegen, dass mit dem Doktorgrad auch die Erwartung verbunden ist, dass der Inhaber dauerhaft grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachten wird (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 27 und 46). Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Inhaber des Doktorgrades als Promovend bereits bei der Erstellung von Promotionsleistungen, insbesondere der Dissertation, grundlegende wissenschaftliche Pflichten schwerwiegend verletzt hat (vgl. unter 6.). 31 Dagegen bietet das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG keinen Schutz vor der Entziehung eines Doktorgrades, wenn der Dissertation als der entscheidenden Promotionsleistung erhebliche Verstöße gegen grundlegende wissenschaftliche Pflichten anhaften. Wissenschaftlich unredliches Verhalten genießt nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 17 und 26). Dies ist insbesondere bei einer Dissertation der Fall, die nicht als eigenständige Leistung des Promovenden gelten kann. Sie stellt keinen schützenswerten wissenschaftlichen Beitrag dar (vgl. unter 6.). 32 b) Den Hochschulen ist durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG das Recht verliehen, ihren Wissenschaftsbetrieb, d.h. die Angelegenheiten von Forschung und Lehre, eigenverantwortlich zu regeln (akademische Selbstverwaltung). Das Grundrecht vermittelt ihnen eine abwehrfähige Rechtsposition, die sie vor staatlichen Eingriffen in den Wissenschaftsbetrieb schützt. Dem entspricht, dass sie die Verantwortung dafür tragen, dass in ihrem Wissenschaftsbetrieb grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachtet werden. Dabei haben sie bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben die Grundrechte der Hochschulangehörigen zu beachten (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <309>). 33 Zu den Aufgaben der Hochschulselbstverwaltung gehört herkömmlicherweise das Promotionswesen, das intern den Fakultäten anvertraut ist (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 18; VerfGH Berlin, Urteil vom 1. November 2004 - VerfGH 210/03 - WissR <2005> 67 <71 ff.>; Fehling, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Mai 2017, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 210). Das Promotionswesen umfasst Regelungen über Art und Gewicht der Promotionsleistungen, die Gestaltung des Promotionsverfahrens einschließlich des Verfahrens der Leistungsbewertung, die Bewertungsgrundsätze sowie die wissenschaftlichen Pflichten der Promovenden bei der Erstellung der Promotionsleistungen und die Sanktionierung von Pflichtenverstößen. Hochschulintern sind hierfür seit jeher die Fakultäten (Fachbereiche) zuständig, die für ihr Gebiet die Aufgaben der Hochschule erfüllen (vgl. nunmehr § 26 Abs. 2 Satz 1 HG NRW). 34 Der Regelungsspielraum der Fakultäten ist im Promotionswesen grundsätzlich weiter als im Bereich der Studienprüfungen. Zum einen ist die Promotion für die große Mehrheit der Promovenden kein berufsqualifizierender Abschluss, sodass es sich bei ihren Anforderungen bei typisierender Betrachtungsweise nicht um subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen handelt, für die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ein weitreichender Vorbehalt des Parlamentsgesetzes gilt. Zum anderen weist die Promotion einen erheblich stärkeren wissenschaftlichen Bezug auf als die an Hochschulen stattfindenden Berufsausbildungen. Die Promotion ist dazu bestimmt, eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachzuweisen. Die im Vordergrund stehende Dissertation muss wissenschaftlich beachtlich sein (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 HG NRW). Sie soll einen Gewinn an wissenschaftlicher Erkenntnis erbringen und den wissenschaftlichen Austausch fördern. 35 Das Promotionswesen ist den Hochschulen bzw. deren Fakultäten (Fachbereichen) anvertraut, weil die Wahrnehmung dieser Aufgabe in besonderer Weise Sachverstand und Erfahrung in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre erfordert. Insbesondere für die Betreuung und Bewertung von Dissertationen ist eine hohe fachwissenschaftliche Kompetenz unverzichtbar. Diese Tätigkeiten eignen sich nicht für allgemeingültige Vorgaben; sie sind dadurch gekennzeichnet, dass den verantwortlichen Wissenschaftlern weite Beurteilungsspielräume eröffnet sind. Dies gilt nicht in vergleichbarer Weise, wenn es darum geht, Verstöße gegen wissenschaftliche Pflichten bei der Erstellung der Promotionsleistungen festzustellen und zu sanktionieren. Zwar kann fachwissenschaftliche Sachkunde erforderlich sein, um Pflichtenverstöße festzustellen. Dies gilt namentlich für Ermittlungen, ob und in welchem Umfang eine Dissertation Plagiatsstellen enthält. Auch diese Tätigkeit macht aber in aller Regel keine komplexen wissenschaftlichen Erwägungen notwendig, wie sie für die Beurteilung der wissenschaftlichen Bedeutung einer Dissertation angestellt werden müssen. 36 c) Zwischen den Verfassungsgrundsätzen des Vorbehalts des Parlamentsgesetzes und der Selbstverwaltung der Hochschulen in wissenschaftlichen Angelegenheiten besteht ein Spannungsverhältnis: Je weiter der Zugriff des Landesgesetzgebers auf diese Regelungsmaterien reicht, desto mehr drängt er den sich aus der Selbstverwaltung ergebenden Regelungsanspruch der Hochschulen zurück. Dies ist schon deshalb nicht unbegrenzt möglich, weil deren Selbstverwaltungsrecht in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankert ist. Daher stehen seine grundrechtlichen Gewährleistungen, zu denen das Promotionswesen gehört, nicht zur vollen Disposition des Landesgesetzgebers. Vielmehr muss dieser auch in Regelungsbereichen, die Grundrechte wie die Berufsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht betreffen, einen angemessenen Ausgleich dieser Grundrechtspositionen mit der Hochschulselbstverwaltung herstellen. Der Landesgesetzgeber muss umso mehr Zurückhaltung üben, je mehr ein Regelungsbereich den Kernbereich der den Hochschulen nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anvertrauten Wissenschaftspflege und je weniger intensiv er Grundrechte Privater betrifft. Zu diesem Kernbereich gehört der eigentliche Wissenschaftsprozess, d.h. die Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, deren Verbreitung und der wissenschaftliche Austausch. 37 Wie unter 4. a) dargelegt, kann die Entziehung des Doktorgrades die Grundrechte der Promovierten erheblich beeinträchtigen. Daher darf der Landesgesetzgeber die Entziehung des Doktorgrades nicht vollständig den Hochschulen bzw. deren Fakultäten überlassen. Hinzu kommt, dass die Entziehung nicht zum Kernbereich der Wissenschaftspflege und damit der Hochschulselbstverwaltung gehört. Hierzu zählt im Promotionswesen insbesondere die Betreuung und Bewertung von Dissertationen, nicht aber die Aufklärung und Sanktionierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Andererseits ist die Pflege der Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG den Hochschulen bzw. ihren Fakultäten anvertraut. Dementsprechend tragen in erster Linie sie die Verantwortung für die Redlichkeit der unter ihrem Dach betriebenen Wissenschaft. Diese Verantwortung konkretisiert sich, wenn sich nachträglich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie einen Doktorgrad verliehen haben, obwohl die Dissertation auf einer schwerwiegenden Verletzung gewichtiger wissenschaftlicher Pflichten beruht. Daher dürfen die Hochschulen bzw. ihre Fakultäten im Bereich der Entziehung von Doktorgraden nicht von jeder Regelungs- und Entscheidungsmöglichkeit ausgeschlossen oder auf den Vollzug gesetzlicher Entziehungsregelungen beschränkt werden. Ihnen müssen eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse verbleiben. Die gegenwärtigen landesgesetzlichen Regelungsmodelle werden diesen Anforderungen gerecht: 38 Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes war die Entziehung des Doktorgrades abschließend durch § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade - GFaG - vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 985) geregelt, der nach Art. 123 GG in allen Bundesländern als Landesrecht fortgalt (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1960 - 7 C 198.59 - BVerwGE 10, 195 <195 f.>; Beschlüsse vom 7. September 1990 - 7 B 127.90 - Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2 und vom 25. August 1992 - 6 B 31.91 - NVwZ 1992, 1201; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 900/88 - juris Rn. 8 und 9). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG konnten Doktorgrade entzogen werden, wenn sie durch Täuschung erworben worden waren (Buchst. a)), sich nachträglich herausstellte, dass der Inhaber bei der Verleihung unwürdig war (Buchst. b)) oder er sich durch sein späteres Verhalten als unwürdig erwiesen hatte (Buchst. c)). Diese Bestimmungen wurden seit den 1980er Jahren nach und nach durch Regelungen der Landeshochschulgesetze abgelöst, wobei manche Bundesländer § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG inhaltlich nachgezeichnet haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 15 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat derartige Nachfolgeregelungen mit der Maßgabe für verfassungskonform gehalten, dass der Entziehungstatbestand der Unwürdigkeit nur wissenschaftsrelevantes Fehlverhalten erfasst (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 22 ff.). 39 Daran ist festzuhalten: Zwar geben landesgesetzliche Regelungen, die dem § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG nachgebildet sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung des Doktorgrades vor. Damit legt der Landesgesetzgeber abschließend fest, welches wissenschaftliche Fehlverhalten Anlass für die Entziehung des Doktorgrades geben kann. Bei Vorliegen eines Entziehungstatbestandes steht die Entziehung jedoch im Ermessen der Hochschulen bzw. ihrer Fakultäten. Dementsprechend haben sie die für und gegen die Entziehung sprechenden Belange, d.h. das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens einerseits und die grundrechtsrelevanten Folgen einer Entziehung andererseits, erschöpfend aufzuklären, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Es entspricht der Verantwortung der Hochschulen bzw. ihrer Fakultäten für die Redlichkeit der unter ihrem Dach betriebenen Wissenschaft, dass sie die tatsächlichen Umstände, die für das Gewicht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens bedeutsam sind, festzustellen und zu bewerten haben. Hierunter fällt die Entscheidung, ob eine Dissertation trotz zahlreicher Plagiatsstellen noch als wissenschaftliche Eigenleistung und damit als Befähigungsnachweis für selbständiges wissenschaftliches Arbeiten gelten kann (vgl. unter 6.). Von der Bewertung des Gewichts der Pflichtenverstöße hängt ab, ob die Entziehung des Doktorgrades wegen der dadurch herbeigeführten grundrechtsrelevanten Nachteile unterbleiben kann. 40 Nach alledem ist der Landesgesetzgeber zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, abschließend vorzugeben, welches wissenschaftliche Fehlverhalten den Hochschulen bzw. ihren Fakultäten Anlass zur Entziehung des Doktorgrades geben kann. Er kann stattdessen vorsehen, dass die Hochschulen bzw. ihre Fakultäten einen gesetzlich vorgegebenen Rahmen für tatbestandliche Entziehungsvoraussetzungen inhaltlich konkretisieren (BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - BVerwGE 153, 79 Rn. 11 ff.). Darüber hinaus kann es hingenommen werden, dass der Landesgesetzgeber darauf verzichtet, einen Rahmen für Entziehungstatbestände festzulegen, und den Hochschulen lediglich einen Regelungsauftrag erteilt, wie dies durch § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW geschehen ist (vgl. unter 2.). Hierfür sprechen folgende Erwägungen: Zum einen bleibt der vom Selbstverwaltungsrecht geforderte Ermessensspielraum der Fakultäten unberührt. Zum anderen ist der Regelungsspielraum, der ihnen durch die Zurückhaltung des Landesgesetzgebers eröffnet ist, begrenzt: Die Entziehungstatbestände sind auf zwei wissenschaftsrelevante Fallgruppen begrenzt. Erfasst werden Verstöße gegen wissenschaftliche Pflichten bei der Erstellung der Promotionsleistungen, insbesondere der Dissertation, sowie wissenschaftsrelevantes Fehlverhalten, das nicht in Zusammenhang mit der Promotion steht. Vor allem aber sind die hochschulintern zuständigen Fakultäten verpflichtet, einem Auftrag des Landesgesetzgebers zum Erlass von Entziehungsregelungen nachzukommen. Sie müssen die von diesem Rechtsetzungsauftrag erfassten Entziehungstatbestände, die sie im Falle gesetzlicher Festlegungen anzuwenden hätten, in ihr Satzungsrecht aufnehmen. Ungeachtet dessen folgt die Verpflichtung der Fakultäten, jedenfalls schwerwiegende Verletzungen grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung der Dissertation zu sanktionieren, bereits aus ihrer grundgesetzlichen Verantwortung für eine redliche Wissenschaft. Auch sind sie verpflichtet, durch Gestaltung und Anwendung ihres Satzungsrechts sicherzustellen, dass die unter 4. a) dargestellten grundrechtsrelevanten Nachteile mit dem ihnen fallbezogen zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus ihrer Bindung an die Grundrechte der bei ihnen wissenschaftlich Tätigen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 6 C 5.95 - BVerwGE 102, 304 <309>). 41 5. Es verstößt nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass das Landesgesetz oder das Satzungsrecht der Hochschulen keine Ausschluss- oder Verjährungsfrist für die Entziehung des Doktorgrades vorsieht, während die Entziehung berufsqualifizierender akademischer Grade nur befristet möglich ist. Diese Schlechterstellung der Inhaber von Doktorgraden wird durch den besonderen Zweck dieses Grades gerechtfertigt. Im Gegensatz zu Graden, die aufgrund beruflicher Abschlüsse verliehen werden, bringt der Doktorgrad nicht nur zum Ausdruck, dass sein Inhaber bestimmte fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen hat. Darüber hinaus ist seine Verleihung mit der Erwartung verbunden, dass der Inhaber sich dauerhaft wissenschaftskonform verhalten, d.h. grundlegende wissenschaftliche Pflichten beachten wird. Der Doktorgrad weist den Inhaber als wissenschaftlich vertrauenswürdig aus. Dementsprechend muss dieser sich des Vertrauens dauerhaft als würdig, d.h. als wissenschaftlich redlich, erweisen, um den Doktorgrad weiter führen zu dürfen (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - BVerwGE 147, 292 Rn. 27 und 46). Der Vertrauensvorschuss war von vornherein nicht berechtigt, wenn sich nach der Verleihung herausstellt, dass der Inhaber den Doktorgrad durch eine vorsätzliche Verletzung grundlegender wissenschaftlicher Pflichten bei der Erstellung der Dissertation erlangt, etwa keine eigenständige wissenschaftliche Leistung erbracht hat. 42 6. Die Philosophische Fakultät der Beklagten hat den Regelungsauftrag des § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW durch den Erlass des § 20 Abs. 2 PromO grundgesetzkonform erfüllt. Danach kann die Bewertung der Promotionsleistungen nachträglich geändert oder der Doktorgrad entzogen werden, wenn der Promovend bei einer Promotionsleistung eine Täuschung begangen hat und dies erst nach Aushändigung der Promotionsurkunde bekannt wird. Nach der irrevisiblen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts liegt eine Täuschung vor, wenn der Promovend bei den zuständigen Gremien vorsätzlich einen Irrtum über Tatsachen hervorruft, die für die Bewertung einer Promotionsleistung erheblich sind. Er muss wider besseren Wissens vorspiegeln, bei der Erbringung dieser Leistungen, insbesondere bei der Anfertigung der Dissertation, die grundlegenden wissenschaftlichen Pflichten beachtet zu haben, die sich aus Gesetz und Promotionsordnung ergeben. 43 Schlechthin grundlegend ist die Pflicht, das Gebot der Eigenständigkeit der Promotionsleistungen zu erfüllen. Der Promovend muss einen eigenen Beitrag zum Wissenschaftsprozess erbringen; er darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend aus dem gesetzlichen Zweck der Promotion hergeleitet, eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachzuweisen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 HG NRW, § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 PromO). Die Philosophische Fakultät der Beklagten hat den Promotionszweck dahingehend konkretisiert, dass der Promovend insbesondere nachweisen muss, dass er über die einschlägige Theorie- und Methodenkompetenz verfügt und diese auf wissenschaftliche Probleme auch in fachübergreifendem Bezug anwenden kann. Für den Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung kommt der Dissertation entscheidende Bedeutung zu; als weitere Promotionsleistung ist regelmäßig nur eine mündliche Prüfung vorgesehen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 PromO). Dementsprechend muss es sich bei der Dissertation um eine eigenständig erstellte wissenschaftlich beachtliche Arbeit bzw. um eine wissenschaftliche Arbeit von Rang handeln (§ 67 Abs. 1 Satz 2 HG NRW, § 2 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 1 PromO). Die Pflicht, eine eigene wissenschaftliche Leistung zu erbringen, wird durch die Pflicht ergänzt, Übernahmen aus Arbeiten anderer durch Zitate der Originalquelle offenzulegen. Die Beachtung des Zitiergebots ist unverzichtbar, um beurteilen zu können, ob der Promovend das Gebot der Eigenständigkeit erfüllt hat. 44 Daraus hat das Oberverwaltungsgericht folgerichtig hergeleitet, ein Promovend begehe eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO, wenn er für seine Dissertation vorsätzlich Texte aus Arbeiten anderer ohne Angabe der richtigen Quellen (Plagiatsstellen) in einem Ausmaß übernimmt, das es ausschließt, die Dissertation als eigene wissenschaftliche Leistung anzusehen. Die Annahme, dass der Promovend nicht aus Nachlässigkeit, sondern mit Täuschungsvorsatz gehandelt hat, liegt umso näher, je zahlreicher die verschleierten Übernahmen sind. Die sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebende Verantwortung der Fakultäten für die Redlichkeit der Wissenschaft verbietet es, den Doktorgrad für eine Dissertation zu verleihen, die dem Gebot der Eigenständigkeit nicht genügt. Durch eine solche Arbeit kann die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten nicht nachgewiesen werden. Daraus folgt, dass die Verleihung durch Entziehung des Doktorgrades rückgängig zu machen ist, wenn sich die Täuschung über die Erfüllung dieser grundlegenden Pflicht - aus welchen Gründen auch immer - erst nach der Verleihung herausstellt. Ob die Dissertation noch als Eigenleistung des Promovenden gelten kann, entzieht sich einer allgemeingültigen Bewertung. Maßgebend ist die Würdigung des jeweiligen Sachverhalts. Hierfür sind die Anzahl der Plagiatsstellen, ihr quantitativer Anteil an der Dissertation sowie ihr qualitatives Gewicht, d.h. ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit, zu berücksichtigen. Die Plagiatsstellen müssen die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt. 45 Nach § 20 Abs. 2 PromO hat die Fakultät bei Vorliegen einer Täuschung nach Ermessen zu entscheiden, ob und welche Sanktion zu verhängen ist. Insoweit unterscheidet sich die satzungsrechtliche Regelung nicht von gesetzlichen ""Vollregelungen"" über die Entziehung nach dem Vorbild des § 4 Abs. 1 Satz 1 GFaG. Die Fakultät ist berechtigt und verpflichtet, einerseits die Schwere der Täuschung, d.h. der wissenschaftlichen Pflichtenverstöße, andererseits die grundrechtsrelevanten Nachteile der Entziehung zu ermitteln, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. unter 4. c)). Allerdings ist die Entziehung indiziert, wenn der Promovend mangels Eigenständigkeit der Dissertation die Befähigung zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit nicht nachgewiesen hat. In diesen Fällen erweckt der Doktorgrad den irrigen Eindruck einer ordnungsgemäß nachgewiesenen wissenschaftlichen Befähigung seines Inhabers. 46 7. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, die Klägerin habe bei der Dissertation eine Täuschung im Sinne des § 20 Abs. 2 PromO begangen. Das Gericht hat festgestellt, die Dissertation der Klägerin weise mindestens 327 Plagiatsstellen auf, die ungefähr 40 % der Seiten erfassten. Diese tatsächlichen Feststellungen binden den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO; die Klägerin hat keine Verfahrensrügen erhoben. Entgegen ihrem Vortrag hat das Oberverwaltungsgericht diese Feststellungen ebenso wenig wie die Fakultät ungeprüft auf die Veröffentlichungen der Internetplattform ""VroniPlag"" gestützt. Vielmehr handelt es sich um die Erkenntnisse der von der Fakultät eingesetzten Arbeitsgruppe, die diese Veröffentlichungen eingehend überprüft und weitestgehend bestätigt hat. 47 Das Oberverwaltungsgericht hat seine tatsächlichen Feststellungen dahingehend gewürdigt, die Klägerin habe über die Eigenständigkeit ihrer Dissertation getäuscht. Die Dissertation könne aufgrund der Vielzahl der Plagiatsstellen und ihres Anteils am Gesamtumfang der Arbeit nicht mehr als selbständige wissenschaftliche Leistung im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 HG NRW gelten. Die Anzahl der Plagiatsstellen und die festgestellte Vorgehensweise der Klägerin schlössen Nachlässigkeit aus. Daraus könne nur geschlossen werden, dass die Klägerin die Übernahmen fremder Texte systematisch und planmäßig verschleiert habe. Aufgrund dieses Befunds hat das Oberverwaltungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht zusätzlich geprüft, welche qualitative Bedeutung den Plagiatsstellen zukommen könnte. Seine Rechtsanwendung ist der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen, weil sie die irrevisiblen Vorschriften der § 67 Abs. 1 HG NRW und § 20 Abs. 2 PromO betrifft (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). 48 8. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Ermessensausübung der Fakultät verstößt nicht gegen revisibles Recht. Die Fakultät hat nicht verkannt, dass die Entziehung des Doktorgrades für die Klägerin schwerwiegende Nachteile mit sich bringt. Ihre beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten werden voraussichtlich erheblich beeinträchtigt, ihr wissenschaftlicher Ruf und Ansehen werden beschädigt. Diese Folgewirkungen verpflichteten die Fakultät aber nicht, zum Schutz der Grundrechte der Klägerin von der Entziehung ihres Doktorgrades abzusehen. Vielmehr kam dem in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Interesse an einer redlichen Wissenschaft Vorrang zu. Wie unter 7. dargelegt, folgt dies aus der Verletzung des Gebots der Eigenständigkeit. Die Dissertation der Klägerin war nicht geeignet, die Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten nachzuweisen, weil sie nicht als Eigenleistung gelten kann. Daher hatte die Klägerin die Anforderungen an eine erfolgreiche Promotion nicht erfüllt. Der ihr verliehene Doktorgrad bescheinigt einen Nachweis, den sie durch ihre Dissertation nicht erbracht hat. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Klägerin nach der Verleihung des Doktorgrades 1986 durch ihre langjährige Berufstätigkeit wissenschaftliche Verdienste erworben hat. Auch durfte die Fakultät nicht berücksichtigen, dass die Entziehung den Ruf namhafter Wissenschaftler, insbesondere des Doktorvaters der Klägerin, beeinträchtigt. Es dient nicht der Pflege der Wissenschaft, durchgreifende Mängel wissenschaftlicher Arbeiten ""unter dem Teppich zu halten"", weil sie namhafte Wissenschaftler - aus welchen Gründen auch immer - nicht moniert haben. 49 Ist die Entziehung des Doktorgrades, wie unter 5. dargestellt, unbefristet möglich, war die Fakultät nicht gehalten, davon abzusehen, weil seit der Verleihung ein Zeitraum von rund 25 Jahren verstrichen war. Dem Zeitfaktor kann bei Verletzungen des schlechthin grundlegenden Gebots der Eigenständigkeit kein maßgebender Stellenwert zukommen, weil der Doktorgrad eine Befähigung bescheinigt, die der Inhaber nicht nachgewiesen hat. In diesen Fällen ist die mit dem Doktorgrad verbundene Erwartung, der Promovend werde sich wissenschaftlich redlich verhalten, von Anfang an unbegründet. Auch hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass das Vertrauen eines Begünstigten, eine Rechtsposition behalten zu dürfen, selbst bei deren rechtsverbindlicher Verleihung nicht schutzwürdig ist, wenn er diese durch Täuschung erwirkt hat (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG NRW/VwVfG des Bundes). Angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes liegt auf der Hand, dass die Fakultät im Rahmen der Ermessensausübung weder die Herabsetzung der Promotionsnote noch die Aufforderung, die Dissertation nachzubessern, als mildere Mittel in Erwägung ziehen musste. 50 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-47,27.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 47/2017 vom 27.06.2017 EN EuGH soll Fragen zur Sekundärmigration von anerkannten Flüchtlingen klären Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg zur Klärung von Fragen angerufen, die die Sekundärmigration von Ausländern betreffen, die bereits als Flüchtling in einem EU-Mitgliedstaat anerkannt worden sind. Insbesondere geht es um die in der Asylverfahrensrichtlinie eröffnete Möglichkeit, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragsteller bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat Flüchtlingsschutz erhalten hat. Bereits im März wurde der EuGH um die Klärung von Fragen in Fällen ersucht, in denen im Ausland subsidiärer Schutz gewährt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 u.a.). Der Kläger ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Eritreas. Er wurde in Italien als Flüchtling anerkannt und erhielt dort eine bis zum 5. Februar 2015 gültige Aufenthaltserlaubnis sowie einen Reiseausweis mit gleicher Gültigkeit. Im September 2011 reiste er nach Deutschland ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Im Februar 2013 teilte das Italienische Innenministerium der Bundespolizeidirektion seine Bereitschaft zur Rückübernahme des Klägers mit. Mit Bescheid vom Februar 2013 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Die Klage hatte in den Vorinstanzen bezüglich der Drittstaatenentscheidung keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat dies damit begründet, dass dem Kläger kein Asylrecht nach Art. 16a GG zustehe, da er aus einem sicheren Drittstaat eingereist sei. Die Vermutung der Sicherheit im Drittstaat habe der Kläger nicht entkräftet. Insbesondere liege im Fall der Rückführung nach Italien nicht die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung vor, die Art. 3 EMRK widersprechen würde. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Nach der Rechtsprechung des 1. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts kann die nach aktueller Rechtslage in § 29 Abs. 1 Nr. 3 Asylgesetz (AsylG) geregelte Unzulässigkeit eines Asylantrags wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat keine Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid darstellen. Denn sichere Drittstaaten sind in unionsrechtskonformer Auslegung dieser Regelung nur Staaten, die keine EU-Mitgliedstaaten sind. Damit hängt der Erfolg der Revision davon ab, ob die Entscheidung, kein Asylverfahren durchzuführen, in eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgedeutet werden kann. Nach dieser mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffenen Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer EU-Mitgliedstaat dem Ausländer bereits internationalen Schutz gewährt hat. Für den hier vorliegenden Fall einer ausländischen Flüchtlingsanerkennung ermächtigte bereits Art. 25 Abs. 2 Buchstabe a der EU-Asylverfahrensrichtlinie von 2005 zu einer solchen Regelung. Der 1. Revisionssenat sieht jedoch Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob eine Unzulässigkeitsentscheidung auch dann getroffen werden darf, wenn die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat (hier: Italien), den Anforderungen der Art. 20 ff. der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 3 EMRK zu verstoßen. Klärungsbedarf sieht der 1. Revisionssenat auch zu den Rechtsfolgen einer im behördlichen Verfahren unterbliebenen Anhörung, wenn es sich - wie bei der Unzulässigkeitsentscheidung - um eine gebundene Entscheidung handelt. Die Vorlagefragen sind als Anlage beigefügt. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsverfahren ausgesetzt. Fußnote: Vorlagefragen 1. Ist ein Mitgliedstaat (hier: Deutschland) unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat (hier. Italien), den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen? 2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) a) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates? b) zwar die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, sie aber faktisch erschwerten Zugang  zu den damit verbundenen Leistungen haben oder solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen? 3. Steht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU bzw. die Vorgängerregelung in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG der Anwendung einer nationalen Bestimmung entgegen, wonach eine unterbliebene persönliche Anhörung des Antragstellers bei einer von der Asylbehörde in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung wegen fehlender Anhörung führt, wenn der Antragsteller im Rechtsbehelfsverfahren Gelegenheit hat, alle gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann? BVerwG 1 C 26.16 - Beschluss vom 27. Juni 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 1490/13.A - Urteil vom 19. Mai 2016 - VG Minden, 10 K 1095/13.A - Urteil vom 15. April 2013 -","Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung von Fragen zur Sekundärmigration von anerkannten Flüchtlingen. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der ersucht wird, die Rechtssache gemäß Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist ein Mitgliedstaat (hier: Deutschland) unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Italien) in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat (hier. Italien), den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen?2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Gilt dies auch dann, wenn anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien)a) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates?b) zwar die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, sie aber faktisch erschwerten Zugang zu den damit verbundenen Leistungen haben oder solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen?3. Steht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU bzw. die Vorgängerregelung in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG der Anwendung einer nationalen Bestimmung entgegen, wonach eine unterbliebene persönliche Anhörung des Antragstellers bei einer von der Asylbehörde in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung wegen fehlender Anhörung führt, wenn der Antragsteller im Rechtsbehelfsverfahren Gelegenheit hat, alle gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann? Gründe IDer Kläger, nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Eritreas, wendet sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.Der Kläger hielt sich bis September 2011 in Italien auf, wo er einen anderen Namen und ein anderes Geburtsdatum angegeben hatte und als äthiopischer Staatsangehöriger geführt wurde. Dort wurde er als Flüchtling anerkannt und erhielt eine bis zum 5. Februar 2015 gültige Aufenthaltserlaubnis sowie einen ebenfalls bis zum 5. Februar 2015 gültigen Reiseausweis.Im September 2011 reiste er nach Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Da seine Fingerkuppen Veränderungen aufwiesen, konnte eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht sogleich vorgenommen werden. Dazu angehört, gab er am 1. Dezember 2011 unter anderem an, noch nicht in einem anderen europäischen Land gewesen zu sein. Aufgrund von Fingerabdrücken, die ihm im Juni 2012 abgenommen wurden, stellte sich heraus, dass er schon in Italien um Schutzgewährung nachgesucht hatte. Auf die Bitte, das Asylverfahren zu übernehmen, teilte das italienische Innenministerium unter dem 8. Januar 2013 mit, der Kläger habe in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten. Weil sein Asylverfahren damit abgeschlossen sei, komme eine Rückübernahme nach Dublin-Regeln nicht in Betracht; möglich sei sie aber nach dem Rückübernahmeabkommen. Unter dem 26. Februar 2013 teilte das italienische Innenministerium dem Bundespolizeipräsidium mit, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers entsprochen wurde, da er als Flüchtling anerkannt worden sei und daher seine Rückkehr nach Italien genehmigt werde.Mit Bescheid vom 18. Februar 2013 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2013 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Mai 2016 die Abschiebungsanordnung nach Italien aufgehoben, die Berufung im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, sei rechtmäßig, weil der Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist sei (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG). Italien sei ein sicherer Drittstaat. Dort drohe dem Kläger keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. In Italien seien Ausländer, die dort als Flüchtlinge anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d.h. es werde grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Dies sei nicht menschenrechtswidrig. Italien habe die EU-Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis 35 dieser Richtlinie genannten Rechte kommen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien sei jedoch rechtswidrig, weil nicht feststehe, ob die Übernahmebereitschaft Italiens fortbestehe, nachdem mittlerweile die Gültigkeit des dem Kläger ausgestellten Reiseausweises (5. Februar 2015) abgelaufen sei.Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt zunächst, das Bundesamt habe nicht von einer persönlichen Anhörung des Klägers absehen dürfen. Im Übrigen könne sich das Bundesamt nicht auf die Drittstaatenregelung stützen, wenn der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat der EU als Flüchtling anerkannt worden sei. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 25 Abs. 2a der Richtlinie 2005/85/EG sei nicht getroffen worden.Die Beklagte meint, der Asylantrag sei nunmehr jedenfalls nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Die Pflicht zur Anhörung des Klägers sei nicht verletzt. Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2005/85/EG hindere das Fehlen einer Anhörung die Asylbehörde nicht daran, über den Asylantrag zu entscheiden.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13 - Richtlinie 2005/85/EG), die in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU) ihren Anschluss gefunden hat, sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 18. Februar 2013 gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG.Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:Art. 16a GG(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. (...)(...)§ 24 AsylG(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Nach der Asylantragstellung unterrichtet das Bundesamt den Ausländer in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens und über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere auch über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung. Es hat den Ausländer persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt den Ausländer als asylberechtigt anerkennen will oder wenn der Ausländer nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) eingereist ist. (...)(...)§ 26a AsylG(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn1. (...)2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder3. (...)(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.§ 29 AsylG(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1. ein anderer Staata) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oderb) auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,3. ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,(...)§ 34a AsylG(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...) Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.(2) (...)§ 35 AsylGIn den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.§ 37 AsylG(1) Die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 des Antrags und die Abschiebungsandrohung werden unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht. Das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen.(...)§ 77 AsylG(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)§ 25 AufenthG(...)(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. (...)(...)§ 60 AufenthG(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.(...)(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.§ 86 VwGO(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.(...)§ 46 VwVfGDie Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über den Umgang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 (BGBl. 1994 II S. 2646)(1) Die Verantwortung gilt nach Ablauf von zwei Jahren des tatsächlichen und dauernden Aufenthalts im Zweitstaat mit Zustimmung von dessen Behörden oder zu einem früheren Zeitpunkt als übergangen, wenn der Zweitstaat dem Flüchtling gestattet hat, entweder dauernd oder länger als für die Gültigkeitsdauer des Reiseausweises in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben.Diese Zweijahresfrist beginnt mit der Aufnahme des Flüchtlings im Hoheitsgebiet des Zweitstaats oder, lässt ich dieser Zeitpunkt nicht feststellen, mit dem Tag, an dem er sich bei den Behörden des Zweitstaats meldet.2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.a) Das Bundesamt durfte die Prüfung des Asylantrags nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Diese auf § 26a AsylG gestützte Entscheidung ist an der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) zu messen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies hält der Senat für einen ""acte clair"", wie er näher in seinen Vorlagebeschlüssen vom 23. März 2017 (u.a. BVerwG 1 C 17.16 - juris Rn. 12 ff.) ausgeführt hat.b) Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen der vom Senat zu prüfenden Frage, ob die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden kann. In Betracht kommt eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Für Asylanträge von Ausländern, denen in einem anderen Mitgliedstaat - wie hier - die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, ergab sich deren Unzulässigkeit bis zum Inkrafttreten des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im August 2016 aus § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29). Eine Ermächtigung zum Erlass einer solchen nationalen Vorschrift enthielt bereits Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU hat diese Möglichkeit inzwischen auf jede Form der Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat erweitert. Damit kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, welche Fassung der Asylverfahrensrichtlinie hier maßgeblich ist (vgl. hierzu Vorlagebeschlüsse des vorlegenden Gerichts vom 23. März 2017 - BVerwG 1 C 17.16 u.a.).aa) Die Prüfung der Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat sich hier nicht dadurch erledigt, dass die Entscheidung des Bundesamts infolge der Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz durch das Verwaltungsgericht nach § 37 Abs. 1 AsylG unwirksam geworden ist. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hier gegen einen auf die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG gestützten Bescheid und die darin ergangene Abschiebungsanordnung ergangen ist, während sich die Unwirksamkeitsregelung des § 37 Abs. 1 AsylG nur auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG bezieht, aber nicht auf Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG. Daher brauchte nicht entschieden zu werden, ob es sich bei der Verweisung des § 37 Abs. 1 AsylG auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG um ein Redaktionsversehen handelt.bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor. Italien ist ein Mitgliedstaat der EU. Dem Kläger wurde dort nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuerkannt und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.cc) Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Klärung durch den Gerichtshof, wie zu verfahren ist, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in dem Mitgliedstaat, der dem Drittstaatsangehörigen Flüchtlingsschutz gewährt hat, gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstößt (vgl. hierzu Vorlagefrage 3b) Alt. 1 des Vorlagebeschlusses vom 23. März 2017 - BVerwG 1 C 17.16 - juris). Denn das Berufungsgericht ist aufgrund seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung, die für das Revisionsgericht bindend ist, zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Bedingungen in Italien nicht gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK verstoßen. Der Kläger hat diese Feststellungen mit der Revision auch nicht angegriffen.dd) Klärungsbedürftig ist jedoch, ob es der Ablehnung des Asylantrags eines bereits als Flüchtling anerkannten Ausländers als unzulässig entgegensteht, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügt, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Diese Frage hat das Berufungsgericht zwar insofern verneint, als es die rechtswirksame Umsetzung der Regelungen der Art. 20 bis 35 Richtlinie 2011/95/EU festgestellt hat. Es hat aber keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, inwieweit anerkannte Flüchtlinge faktisch erschwerten Zugang zu den durch die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU vermittelten Leistungen haben und ob sie Zugang zu den Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Diese Frage ist entscheidungserheblich, denn im Fall der Bejahung eines rechtlichen Hindernisses für eine Unzulässigkeitsentscheidung in diesem Fall wäre das Verfahren an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung hierzu zurückzuverweisen, im Fall der Verneinung wäre die Revision des Klägers hingegen zurückzuweisen. Die Frage ist klärungsbedürftig, weil in der nationalen Rechtsprechung divergierende Ansichten vertreten werden und der Gerichtshof sie noch nicht entschieden hat.Vorlagefrage 1Mit der Frage 1 möchte das vorlegende Gericht eine Klärung herbeiführen, ob ein anerkannter Flüchtling Anspruch auf ein weiteres Anerkennungsverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat, wenn die Lebensbedingungen für Flüchtlinge dort zwar nicht gegen Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK verstoßen, es jedoch unterhalb dieser Schwelle tatsächliche Probleme beim Zugang zu den Leistungen gibt, die Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU vermitteln. Das vorlegende Gericht neigt aus zwei Gründen dazu, einen solchen Anspruch zu verneinen.Zum einen würde eine Absenkung der durch Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK gezogenen Schwelle das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Es würde die schon in erheblichem Umfang stattfindende Sekundärmigration von Schutzberechtigten und das sogenannte ""asylum shopping"" fördern, deren Verhinderung eines der Ziele des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisten Flüchtlingen existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und Art. 30 Richtlinie 2011/95/EU). Daher erhalten Flüchtlinge in Italien - anders als in Deutschland - keine staatliche Sozialhilfe, weil der italienische Staat entsprechende Leistungen auch seinen eigenen Staatsbürgern nicht gewährt. Auch ist das Niveau staatlicher Leistungen sowie das Angebot an Integrationsmaßnahmen (Art. 34 Richtlinie 2011/95/EU) in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Der Unionsgesetzgeber hat insoweit auf eine Vereinheitlichung - auch für anerkannte Flüchtlinge - verzichtet. Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Antrag auf nochmalige Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat entgegen der dort im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (zu den vorstehend bezeichneten Problemen s.a. VGH Mannheim, Beschluss vom 15. März 2017 - A 11 S 2151/16 - Asylmagazin 2017, 23b Frage 3).Zum anderen ergibt sich selbst im Fall der Bejahung eines über Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK hinausgehenden Schutzbedarfs nicht die Notwendigkeit eines weiteren Asylverfahrens. Eine Alternative hierzu bietet eine aufenthaltsrechtliche Lösung, die den in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Flüchtlingen die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU in Deutschland oder jedenfalls eine gesicherte Rechtsstellung ohne Durchführung eines erneuten Anerkennungsverfahrens einräumt, solange ihm ein Aufenthalt in diesem anderen Mitgliedstaat nicht zumutbar ist. In § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG hat der deutsche Gesetzgeber von der nach Völker- und Unionsrecht möglichen, wenn auch nicht gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen. Danach gilt das gesetzliche Abschiebungsverbot in den Verfolgerstaat nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch für ausländische Flüchtlingsanerkennungen (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 29). Besteht für den Ausländer im Staat seiner Flüchtlingsanerkennung (ausnahmsweise) die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK, darf er auch in diesen Staat nicht abgeschoben werden (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Besteht ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG, ""soll"" dem Ausländer nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von der Ausländerbehörde eine (humanitäre) Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ihm auch die Ausreise in einen anderen Staat nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Auf diese Weise kann ein Betroffener auch ohne ein weiteres Asylverfahren einen legalen Aufenthalt in Deutschland erlangen und in den Genuss der damit verbundenen Integrationsrechte kommen. Der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hat zwar nicht automatisch zu allen einem anerkannten Flüchtling in Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährten Rechten Zugang. Auf einen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten Flüchtling findet aber Art. 2 des - von Deutschland ratifizierten - Europäischen Übereinkommens über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 Anwendung. Danach geht die Verantwortung für einen Flüchtling spätestens nach Ablauf von zwei Jahren des ""tatsächlichen und dauernden Aufenthalts"" im Bundesgebiet auf Deutschland über. Damit kann ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkannter Flüchtling auch ohne Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in Deutschland in den vollen Genuss der mit der Flüchtlingsanerkennung verbundenen Rechte kommen.Selbst wenn man von der unionsrechtlichen Vorgabe ausgeht, dass dem in einem Mitgliedstaat anerkannten Flüchtling die mit diesem Status verbundenen Rechte und Vorteile auch nicht vorübergehend vorenthalten werden dürfen, bedarf es bei nicht zumutbarer Rückkehr in den anderen Mitgliedstaat nicht zwingend der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens, sondern könnte dieser Vorgabe wirksam auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene, solange ihm eine Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihn als Flüchtling anerkannt hat, nicht zumutbar ist, im Aufenthaltsmitgliedstaat in unionskonformer Auslegung der nationalen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften wie ein dort anerkannter Flüchtling zu behandeln ist. Dies hätte gegenüber der Durchführung eines erneuten Anerkennungsverfahrens den Vorzug, dass der Betroffene im Ergebnis nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt würde, als er stünde, wenn der Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, den damit verbundenen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachkäme. Außerdem würde berücksichtigt, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem auf dem Grundsatz beruht, dass die Prüfung eines Asylantrags nur durch einen einzigen Mitgliedstaat erfolgt (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO). Dies soll nicht nur Mehrfachanerkennungen, sondern auch - bei nochmaliger Durchführung eines Asylverfahrens nicht auszuschließende - divergierende Entscheidungen innerhalb der Union mit allen ihren unionsrechtlich unerwünschten Folgeerscheinungen vermeiden.Vorlagefrage 2Mit der in zwei Varianten aufgegliederten Frage 2 möchte das vorlegende Gericht weitere Klärung für den Fall der Bejahung von Frage 1 herbeiführen. Dabei dient die Unterfrage a der Klärung, ob der Unzulässigkeit eines erneuten Asylverfahrens auch der Umstand entgegengehalten werden kann, dass anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Hierdurch soll geklärt werden, ob anerkannte Flüchtlinge einen Anspruch auf einen über eine formalrechtliche Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen hinausgehenden Mindeststandard haben.Mit der Unterfrage b soll geklärt werden, ob der Unzulässigkeit eines erneuten Asylverfahrens auch der Umstand entgegengehalten werden kann, dass anerkannten Flüchtlingen im Mitgliedstaat der Flüchtlingsanerkennung (hier: Italien) zwar die Rechte nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährt werden, sie aber faktisch erschwerten Zugang zu den damit verbundenen Leistungen haben oder zu solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU in Italien grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass anerkannte Flüchtlinge dort in den Genuss der in den Art. 20 bis 35 dieser Richtlinie genannten Rechte kommen. Es hat diese auf die Rechtslage abstellende Bewertung durch Tatsachenerkenntnisse des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und weiterer Nichtregierungsorganisationen untermauert. Auf dieser Grundlage gelangt es zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge in gleichem Umfang einen begrenzten, aber Art. 3 EMRK nicht verletzenden Zugang zu öffentlichen Fürsorgeleistungen und privaten Unterstützungsleistungen haben wie Italiener. Die gleiche Feststellung trifft das Berufungsgericht für den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Was die Versorgung anerkannter Flüchtlinge mit Wohnraum anbelangt, stehen nach den Erkenntnissen des Berufungsgerichts in Italien landesweit ausreichend öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung (bei teilweiser lokaler Überbelegung). Zugleich räumt es ein, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt schwierig sei. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrierten, fänden häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft eine Beschäftigung. In seiner Gesamtwürdigung kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien jedenfalls ihre Grundbedürfnisse decken können. Gelinge dies nicht sogleich oder vollständig, könnten sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. Aus den Feststellungen des Gerichts ergeben sich allerdings auch Hinweise auf tatsächliche Probleme bei der Wahrnehmung der durch Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährten Rechte, etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Zum anderen wurde - vom Rechtsstandpunkt des Gerichts konsequent - nicht näher untersucht, in welchem Umfang Flüchtlinge erschwerten Zugang zu Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen. Entsprechendes gilt für die Frage des Angebots von Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU. Es bedarf daher der Klärung durch den Gerichtshof, ob es hierauf für die Frage der Eröffnung eines erneuten Asylverfahrens ankommt.ee) Klärungsbedürftig ist weiter, welche Folgen die fehlende Anhörung des Ausländers zur beabsichtigten Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts hat, die Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG vorschreibt, wenn er im Rechtsbehelfsverfahren Gelegenheit hat, alle gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung sprechenden Umstände vorzubringen und auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens aus Rechtsgründen keine andere Entscheidung in der Sache ergehen kann. Dieser Klärung dient die dem Gerichtshof unterbreitete Vorlagefrage 3.Im vorliegenden Verfahren stellte der Kläger im September 2011 in Deutschland einen Asylantrag. In der von ihm unterschriebenen Niederschrift zum Asylantrag machte er Angaben zu seinen Personalien und bezeichnete den Antrag als Asylerstantrag. Aufgrund von Veränderungen seiner Fingerkuppen erbrachten Eurodac-Anfragen zunächst keine Treffermeldung. Allerdings verneinte der Kläger bei einer Vorsprache beim Bundesamt am 1. Dezember 2011 ausdrücklich die Frage, schon einmal in einem anderen europäischen Land gewesen zu sein. Er gab an, in Eritrea als Soldat gearbeitet zu haben. Aufgrund von Fingerabdrücken, die ihm im Juni 2012 abgenommen wurden, ergab sich, dass er im Jahr 2009 bereits in Italien Asyl beantragt hatte. Aus Mitteilungen des italienischen Innenministeriums vom Januar 2013 und Februar 2013 ergab sich weiter, dass dem Kläger in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, wenn auch unter einem anderen Namen und Geburtsdatum, und ihm eine Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit bis zum 5. Februar 2015 ausgestellt worden war. Das Bundesamt erließ am 18. Februar 2013 die hier angefochtene Verfügung, ohne den Kläger zuvor zu den vom italienischen Innenministerium mitgeteilten Tatsachen und der beabsichtigten Ablehnung seines Asylantrags anzuhören.Das vom Bundesamt gewählte Verfahren verstieß gegen das bereits damals geltende deutsche Asylverfahrensrecht. Nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG ist das Bundesamt zu einer Anhörung des Ausländers gemäß § 25 AsylG verpflichtet (vgl. heute ergänzend § 29 Abs. 2 AsylG). Eine solche ist nicht erfolgt, der Kläger ist weder zu seinen Verfolgungsgründen noch zu seinem Aufenthalt in Italien und der dort erfolgten Flüchtlingsanerkennung angehört worden. Zwar kann nach § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylG von einer Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer ""nach seinen Angaben aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a) eingereist ist"". Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes sind jedoch nicht erfüllt, denn der Kläger hat derartige Angaben nicht gemacht, das Bundesamt hat seine entsprechenden Erkenntnisse vielmehr über einen Eurodac-Treffer und dem folgende Informationen der italienischen Behörden erlangt.Das vom Bundesamt gewählte Verfahren verstieß auch gegen Unionsrecht, denn Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG schreibt eine Anhörung des Asylantragstellers vor. Einer der Ausnahmetatbestände des Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 2005/85/EG lag nicht vor. Zwar hat bereits am 22. September 2011 ein Treffen mit dem Kläger stattgefunden, in dem er bei der Ausfüllung des Antrags im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 2005/85/EG unterstützt wurde. Das ausgefüllte Formular nahm auch alle Angaben auf, die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG aufgeführt werden, allerdings mit Ausnahme der Gründe für seinen Asylantrag. Da Angaben hierzu fehlen, durfte nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b Richtlinie 2005/85/EG nicht von der Anhörung abgesehen werden. Von der Verpflichtung zur Anhörung war das Bundesamt auch nicht aufgrund der Regelung des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2005/85/EG befreit. Nach dieser Vorschrift hindert die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung gemäß Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG stattgefunden hat, die Asylbehörde nicht daran, über den Asylantrag zu entscheiden. Das vorlegende Gericht versteht die Regelung dahin, dass sie sich nur auf die Fallgestaltungen bezieht, in denen eine Anhörung nach den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG unterbleiben durfte (z.B. nach Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG). Auch in der Kommentarliteratur wird die Vorschrift so ausgelegt (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Asylum Procedures Directive 2013/32/EU Art. 14 Rn. 8). Derartige Ausnahmen von der Anhörungspflicht liegen hier nicht vor. Nichts anderes gilt bei Anwendung des Art. 14 und des Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU.Zu klären ist, ob die Ausnahmeregelungen des Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG bzw. des Art. 14 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU abschließend sind oder das Unionsrecht aufgrund der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten weitere im nationalen Recht ausdrücklich geregelte Ausnahmen und Heilungsmöglichkeiten zulässt. Das nationale Recht stuft einen Anhörungsmangel nach § 46 VwVfG als unerheblich ein, wenn offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Das ist hier zu bejahen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eine gebundene Entscheidung darstellt. In derartigen Fällen kann sich ein Anhörungsmangel im Ergebnis nicht auswirken, weil das Bundesamt und nachfolgend die Verwaltungsgerichte aufgrund der ihnen jeweils obliegenden Amtsermittlungspflicht verpflichtet sind, alle Tatbestandsvoraussetzungen der Norm von Amts wegen aufzuklären. Das gilt auch für eventuelle ungeschriebene Voraussetzungen, wie sie sich u.a. aus der Beantwortung der Vorlagefragen 1 und 2 aus unionsrechtlichen Gründen ergeben könnten (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 22. November 2016 - 16 A 5054/14 - juris Rn. 16, VG Lüneburg, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 8 A 170/16 - juris Rn. 23). Allerdings hat es eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts für den Anwendungsbereich der hier nicht maßgeblichen Dublin III-Verordnung als klärungsbedürftige Frage angesehen, ob die Anwendung von § 46 VwVfG dadurch beschränkt wird, dass Art. 5 Abs. 2 Dublin III-Verordnung - ähnlich wie hier Art. 12 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2005/85/EG und Art. 14 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU - Fallgruppen normiert, in denen von einem persönlichen Gespräch (Anhörung) abgesehen werden darf, sofern dies eine spezielle und insoweit abschließende Regelung des Verfahrens darstellt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 - juris Rn. 20).Der Gerichtshof hat sich zwar schon mit Heilungsmöglichkeiten bei Anhörungsmängeln befasst, nicht aber in Bezug auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG oder Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU. So hat er bei einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung einen Verstoß gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU dann bejaht, wenn - gestützt auf § 46 VwVfG - einem Kläger als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit die Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung aufgebürdet wird (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Europäische Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 62). Eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann verneint werden, wenn das Gericht oder die Stelle im Sinne dieses Artikels - ohne dem Rechtsbehelfsführer in irgendeiner Form die Beweislast für den Kausalzusammenhang aufzubürden - gegebenenfalls anhand der vom Bauherrn oder von den zuständigen Behörden vorgelegten Beweise und, allgemeiner, der gesamten dem Gericht oder der Stelle vorliegenden Akte zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - Rn. 60).Ausgehend von der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich zu dem Anhörungsmangel nach Art. 12 Richtlinie 2005/85/EG/Art. 14 i.V.m. Art. 34 Richtlinie 2013/32/EU ausführen, dass dieser nach nationalem Recht im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang kompensiert wird. Der Kläger hat in seiner Klageschrift umfangreich dargelegt, mit welchen Problemen er in Italien bei der Suche nach einer Wohnung konfrontiert war, für deren Anmietung ihm die finanziellen Mittel gefehlt hätten. Er hat ferner eingehend dargelegt, welche Schwierigkeiten er bei der Arbeitssuche gehabt habe, weshalb er habe betteln oder Essen bei der Caritas holen müssen. Wegen der Perspektivlosigkeit seiner Situation habe er sich entschlossen, nach Deutschland weiterzureisen. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin beschlossen, dass die angeordnete Abschiebung nicht vollzogen werden darf und von Amts wegen Auskünfte des Auswärtigen Amtes und der ""Associazione per gli Studi Giuridici sull'Immigrazione"" (ASGI) über die Rechte eines anerkannten Flüchtlings in Italien im Hinblick auf Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zur Arbeit und medizinischer Versorgung ausgewertet. Das erfolgte unter Beachtung von § 86 Abs. 1 VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen, das Gericht ist jedoch - anders als in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten - an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund seiner eigenverantwortlichen Tatsachen- und Beweiswürdigung dann im Ergebnis abgewiesen, weil es auch unter Würdigung des Vorbringens und der individuellen Umstände des Klägers zu dem Ergebnis gelangt ist, dass er als alleinstehender junger Mann nach und nach in Italien werde Fuß fassen können und es ihm auch möglich sei, jedenfalls zu Beginn auf die Hilfe karitativer Einrichtungen zurückzugreifen. Auch das Berufungsgericht hat von Amts wegen unter Auswertung unterschiedlicher Erkenntnisquellen untersucht, ob der Kläger im Fall seiner Abschiebung nach Italien Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Es hat auf den Seiten 20 bis 26 seines Urteils im Einzelnen dargelegt, warum dies aufgrund seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung nicht der Fall ist und sich dabei auf Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und weiterer Nichtregierungsorganisationen gestützt. Auch die individuelle Lage des Klägers, wie sie sich aus den festgestellten Tatsachen und seinem Vorbringen ergibt, wurde dabei gewürdigt. Dem Kläger wurde nicht die Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm geltend gemachten Anhörungsmangel und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung aufgebürdet. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das oben zitierte Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 die Beweislast hierfür der Behörde auferlegt (UA S. 11). Es hat den Kausalzusammenhang bejaht, weil sich dies aus Rechtsgründen ergebe. Zwar ist vorliegend noch nicht abschließend geklärt, ob eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG über die ausländische Flüchtlingsanerkennung hinaus aus unionsrechtlichen Gründen weitere ungeschriebene Voraussetzungen hat und welche dies gegebenenfalls sind (vgl. dazu etwa Vorlagefragen 1 und 2). Soweit dies der Fall sein sollte und das Vorliegen dieser Voraussetzungen vom Senat anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen - in denen auch das Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt ist - nicht feststellbar sein sollte, könnte die Entscheidung des Bundesamts, wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylverfahren durchzuführen, nicht in eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgedeutet werden. Sie wäre dann wegen materieller Rechtswidrigkeit aufzuheben.Auch im Normalfall, in dem es nicht um eine Umdeutung geht, hat ein Anhörungsmangel im deutschen Verwaltungsprozessrecht bei gebundenen Entscheidungen keine selbstständige Bedeutung. Die Amtsermittlungspflicht der Behörde und die umfassende gerichtliche Überprüfung durch die ebenfalls zur Amtsermittlung verpflichteten Verwaltungsgerichte, die überdies dem Kläger selbst rechtliches Gehör gewähren, führt dazu, dass sich eine derartige Verwaltungsentscheidung am Ende entweder als rechtmäßig oder aber als materiell rechtswidrig erweist, ohne dass dem Verfahrensfehler eigenständige Bedeutung zukommt. Der Gerichtshof wird zu würdigen haben, ob diese umfassende gerichtliche Überprüfung es rechtfertigt, einen Anhörungsmangel nach nationalem Recht für unbeachtlich zu erklären, soweit der Behörde bei ihrer Entscheidung - wie hier - kein Ermessen eröffnet ist.Bei seiner Bewertung der Rechtslage könnte auch eine Rolle spielen, welchen unionsrechtlichen Einschränkungen Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. die Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG unterliegt und wie der Gerichtshof die Vorlagefragen 1 und 2 beantwortet. Denn wenn die Zurückführung eines anerkannten Flüchtlings in den EU-Mitgliedstaat, der ihn anerkannt hat, voraussetzt, dass über das Fehlen von Gründen nach Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK hinaus kein faktisch erschwerter Zugang zu den Rechten nach Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU bestehen darf wie auch zu den damit verbundenen Leistungen einschließlich solcher familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke, erweitert sich der Prüfungsumfang für Behörden und Gerichte. Aus einem derartig erweiterten Prüfungsumfang könnte der Gerichtshof eine erhöhte Bedeutung einer unterlassenen Anhörung ableiten.Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, bei Beantwortung der Vorlagefrage 3 auch seine Rechtsprechung zu präzisieren, wie er sie in seinem Urteil vom 10. September 2013 zur Auslegung der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG formuliert hat (- C-383/13 PPU [ECLI:EU:C:2013:533] -). In dem entschiedenen Fall ging es um die Verlängerung der Abschiebungshaft eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, die ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erfolgt war. Der Gerichtshof führt dazu aus, dass nach dem Unionsrecht eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung der Verwaltungsentscheidung führt, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Rn. 38). Er betont, dass nicht jeder Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör systematisch zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG führt (Rn. 39). Das präzisiert er dann dahin, dass dem nationalen Gericht zur Feststellung einer solchen Rechtswidrigkeit die Prüfungspflicht obliegt, ob das fragliche Verwaltungsverfahren unter den speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umständen des konkreten Falles zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, weil die betroffenen Drittstaatsangehörigen Gesichtspunkte hätten geltend machen können, die geeignet gewesen wären, die Beendigung ihrer Haft zu rechtfertigen (Rn. 40). Übertragen auf den vorliegenden Fall würde dies eine Pflicht der nationalen Gerichte bedeuten zu prüfen, ob das Verwaltungsverfahren aufgrund des Vorbringens des Flüchtlings zu den Lebensbedingungen in Italien zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Das wird man für die allgemeinen Lebensbedingungen verneinen können, weil diese von Amts wegen zu prüfen sind, nicht indes für individuelle Umstände - etwa eine Krankheit des Flüchtlings - die dem Bundesamt ohne Mitteilung durch den Flüchtling in der Regel nicht bekannt sind. Aber auch hier wird der Gerichtshof um Beantwortung der Frage gebeten, ob ein Mangel des behördlichen Anhörungsverfahrens im anschließenden gerichtlichen Verfahren geheilt werden kann, wenn von Amts wegen alle vom Kläger vorgetragenen sowie weitere entscheidungserhebliche Tatsachen aufgeklärt und gewürdigt werden und zu keinem anderen Ergebnis führen.3. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, über die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, weil die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert. Die vorgelegten Fragen stehen im Zusammenhang mit der - unionsrechtlich unerwünschten - Sekundärmigration von Asylsuchenden, zu deren bevorzugten Zielen Deutschland seit geraumer Zeit gehört. Es ist davon auszugehen, dass beim Bundesamt und den Verwaltungsgerichten derzeit mehrere tausend Verfahren zu bearbeiten sind, in denen sich die aufgeworfenen Fragen (zumindest teilweise) stellen, und die aufgrund des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht abschließend entschieden werden können." bverwg_2017-48,29.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 48/2017 vom 29.06.2017 EN Klagen gegen den Ausbau der Dresdner Bahn in Berlin-Lichtenrade erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in erster und letzter Instanz entschieden, dass der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für den Abschnitt 2 des Vorhabens „Ausbau Knoten Berlin, Berlin Südkreuz - Blankenfelde“ Bestand hat. Gegenstand des Vorhabens ist der Ausbau der Dresdner Bahn, d.h. des Abschnitts der Strecke Berlin-Dresden zwischen der Abzweigung der Anhalter Bahn südlich des Bahnhofs Berlin-Südkreuz und dem S- und Regionalbahnhof Blankenfelde am Berliner Außenring. Die Dresdner Bahn soll eine zweigleisige Fernbahnstrecke und Teil des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitseisenbahnsystems werden. Auch der Flughafen-Express zwischen dem Berliner Hauptbahnhof und dem Flughafen Berlin Brandenburg soll auf dieser Strecke verkehren. Das Gesamtvorhaben ist in drei Abschnitte gegliedert. Der planfestgestellte mittlere, etwa 2,5 km lange Abschnitt 2 führt durch den dichtbesiedelten Ortsteil Lichtenrade des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Gegenwärtig ist die Strecke dort bis zum S-Bahnhof Lichtenrade zweigleisig, südlich davon eingleisig. Es verkehren ausschließlich S-Bahnen. Der Planfeststellungsbeschluss erlaubt den Bau von zwei zusätzlichen elektrifizierten Gleisen für den Fern-, Regional- und Güterverkehr. Die bestehenden beschrankten Bahnübergänge sollen an der Bahnhofstraße durch eine Bahnüberführung mit S-Bahn-Halt und eine Straßenunterführung, an der Goltzstraße durch eine bloße Geh- und Radwegunterführung ersetzt werden. Im gesamten Abschnitt sind auf der West- und auf der Ostseite der Trasse sowie mittig zwischen Fern- und S-Bahn-Gleisen Lärmschutzwände mit Höhen von 2 m bis 5 m über Schienenoberkante vorgesehen. Überlegungen, die Fernbahn- und möglicherweise auch die S-Bahn-Gleise im Bereich von Lichtenrade insgesamt oder in einem Teilabschnitt in Troglage oder einen Tunnel zu legen, sind in dem 18 Jahre dauernden Planungsprozess wiederholt geprüft, letztlich aber verworfen worden. Ein anerkannter Umweltverband und drei Eigentümer von trassennahen Wohnhäusern haben die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses beantragt, hilfsweise die ergänzende Festsetzung von Schutzmaßnahmen insbesondere gegen Lärm und Erschütterungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Es sei nicht geboten gewesen, die Unterlagen zu den nach der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgenommenen Änderungen des Plans erneut öffentlich auszulegen. Die Planänderungen ließen gegenüber der ausgelegten Planung keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen erwarten. Die der Planfeststellung zugrunde gelegten Prognosen über den voraussichtlichen Zugverkehr seien ebenso wenig zu beanstanden wie die Berechnungen der danach zu erwartenden Geräusche und Erschütterungen. Die Berechnungsvorschrift Schall03 in der Fassung von 1990, die hier nach einer Übergangsvorschrift noch anzuwenden war, sei entgegen der Auffassung der Kläger mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere hätten sowohl das Verfahren „besonders überwachtes Gleis“ als auch der sog. Schienenbonus berücksichtigt werden dürfen. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Anwohner vor Schienenverkehrslärm sei gewahrt. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Erschütterungen sei die Anhebung der für Neubauvorhaben einschlägigen Anhaltswerte im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Anhebung rechtfertige sich dem Grunde und der Höhe nach aus der weiter zu berücksichtigenden Vorbelastung des Ortsteils durch den Mischverkehr der seit 1875 bestehenden, auch kriegs- oder teilungsbedingt nicht entwidmeten Eisenbahnhauptstrecke. Die Verlegung der Strecke in einen Tunnel habe das Eisenbahn-Bundesamt abwägungsfehlerfrei verworfen; sie dränge sich nicht als vorzugswürdige Lösung auf. Da die Probleme der oberirdischen Streckenführung den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gelöst würden, insbesondere der Anwohnerschutz gewährleistet sei, dürften die deutlich höheren Kosten einer Trog- oder Tunnellösung trotz ihrer geringeren Auswirkungen auf die Umwelt und das Orts- und Landschaftsbild den Ausschlag zugunsten der planfestgestellten oberirdischen Variante geben. BVerwG 3 A 1.16 - Urteil vom 29. Juni 2017","Urteil vom 29.06.2017 - BVerwG 3 A 1.16ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U3A1.16.0 EN Anfechtung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (Wiederaufbau der Dresdner Bahn, PFA 2) Leitsätze: 1. Ein Entscheidungsvorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG erledigt sich erst mit der Bestandskraft einer ihn ausfüllenden Regelung in einem nachfolgenden Planfeststellungsbeschluss. 2. Gegen die Anwendung der Schall 03 1990 auf Altfälle (§ 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV 2014) bestehen keine durchgreifenden Bedenken. 3. Bei der Auswahl zwischen Planungsvarianten (hier: oberirdische Streckenführung oder Tunnel) dürfen Kostengesichtspunkte den Ausschlag geben (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). Ob dies konkret der Fall ist, hängt von der objektiven Gewichtigkeit der weiteren vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange ab. Rechtsquellen AEG §§ 18, 20 Aarhus-Konvention Art. 9 Abs. 2 BImSchG § 41 Abs. 1, Abs. 2, § 43 Abs. 1 Satz 2, § 50 16. BImSchV 1990 § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 3 Satz 1, Anlage 2 zu § 3 (Schall 03 1990) 16. BImSchV 2014 § 4 Abs. 3 Satz 1 EMRK Art. 6 Abs. 1 DIN 4150 Teil 2 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 4 Satz 1, § 5 UVPG § 6 Abs. 2, Abs. 3, § 9 Abs. 1 Satz 4, §§ 11, 12 VwVfG § 10 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 6 Satz 6, § 74 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO § 104 Abs. 3 Satz 2 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 - 3 A 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U3A1.16.0] Urteil BVerwG 3 A 1.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. und 15. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß am 29. Juni 2017 für Recht erkannt: Die Klagen werden abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 4/10 und die Kläger zu 2 bis 4 jeweils 2/10. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für das Vorhaben ""Ausbau Knoten Berlin, Berlin Südkreuz - Blankenfelde ('Wiederaufbau der Dresdner Bahn')"". 2 Dieser Planfeststellungsbeschluss erlaubt die Wiederertüchtigung eines etwa 2,5 km langen Teilstücks der historischen Dresdner Bahn und ihre Erweiterung um zwei zusätzliche Gleise. Die Dresdner Bahn ist seit 1875 Teil der Verbindung zwischen Berlin und Dresden. Sie umfasst den Abschnitt der Strecke im Berliner Stadtgebiet beginnend an der Abzweigung der sogenannten Anhalter Bahn südlich des Bahnhofs Berlin-Südkreuz und im Land Brandenburg bis zum Berliner Außenring. Das Gesamtvorhaben ""Wiederaufbau der Dresdner Bahn"" ist in drei Planfeststellungsabschnitte gegliedert. Der streitige Planfeststellungsbeschluss betrifft den mittleren Abschnitt (PFA 2) von Bahn-km 12,300 bis 14,762. Dieser Abschnitt führt durch den dichtbesiedelten Ortsteil Lichtenrade des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Der Planfeststellungsbeschluss für den PFA 1 (Berlin-Mariendorf - Schichauweg) ist unter dem 22. Mai 2017 erlassen worden. 3 Die Dresdner Bahn war ursprünglich zweigleisig ausgebaut. Auf Betreiben der Alliierten musste nach Kriegsende ein Gleis abgebaut werden. Seitdem verkehrten auf der Dresdner Bahn im heutigen PFA 2 bis zum Beginn des Mauerbaus (August 1961) nur noch Güterzüge und die S-Bahnlinie zwischen Velten und Rangsdorf. Der S-Bahnverkehr zwischen den Randgebieten der DDR und dem Westteil von Berlin wurde auf Anordnung des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR Mitte August 1961 eingestellt. Seitdem endeten die S-Bahnzüge in West-Berlin im Bahnhof Lichtenrade. Zwischen den S-Bahnhöfen Marienfelde und Lichtenrade war die Strecke seit 1988 zweigleisig ausgebaut. Im Streckenabschnitt südlich des Bahnhofs Lichtenrade bis zur Berliner Mauer fand kein Eisenbahnbetrieb mehr statt. 1992 wurde der S-Bahn-Verkehr zwischen Lichtenrade und Mahlow auf der eingleisigen Trasse wieder aufgenommen. 4 Die Dresdner Bahn soll Teil des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitseisenbahnsystems werden und als Zubringer zum neuen Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) dienen. Dazu soll die Strecke künftig auf drei, teilweise vier Gleisen und durchweg oberirdisch verlaufen. Pläne, die Fernbahn-Gleise im Bereich von Lichtenrade in einen Trog oder Tunnel zu legen, sind im Planungsprozess geprüft, mit dem streitigen Planfeststellungsbeschluss aber verworfen worden. Die planfestgestellte oberirdische Trassenvariante sieht vor, dass parallel zu den bestehenden S-Bahn-Gleisen zwei elektrifizierte Gleise für den Fern-, Regional- und Güterverkehr angebaut werden, um diesen vom S-Bahn-Verkehr zu trennen. Die Lage der S-Bahn-Strecke bleibt bis etwa zum Bahnhof Lichtenrade unverändert. Ab dort wird die Trasse leicht nach Westen verschwenkt, um Platz für die Fernbahngleise zu schaffen. Diese sollen dort ungefähr im Gleisbett der alten S-Bahn liegen. Das erfordert den Rückbau des Bahnhofs Lichtenrade, der unter dem 19. Januar 2006 als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen worden ist. Die Eintragung wurde im Jahr 2012 präzisiert und erweitert. Das Vorhaben umfasst ferner die Beseitigung zweier höhengleicher Bahnübergänge (Bahnhofstraße und Goltzstraße), an denen der Kreuzungsverkehr bisher mit Schranken geregelt wird. Der Bahnübergang ""Bahnhofstraße"" soll durch eine Straßenunterführung ersetzt werden. Der Bahnübergang ""Goltzstraße"" soll zu einer reinen Geh- und Radwegunterführung umgebaut werden. 5 Den etwa 18 Jahre dauernden Planungsprozess für den PFA 2 leitete die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Schreiben vom 28. November 1997 ein. Die Berliner Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr als zuständige Anhörungsbehörde legte den Plan im September/Oktober 2000 öffentlich aus, nachdem auf ihren Einwand hin alternative Trassenführungen untersucht und die Planunterlagen überarbeitet worden waren. Im März 2005 beantragten die Vorhabenträger eine 1. Planänderung, mit der sie eine neue schalltechnische und eine überarbeitete erschütterungstechnische Untersuchung in das Verfahren einführten und die Anspruchsberechtigten für den passiven Schallschutz veränderten. Die Anhörungsbehörde beteiligte die Behörden, sonstigen Träger öffentlicher Belange und Umweltverbände und ließ die Unterlagen im August/September 2005 öffentlich auslegen. Die gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen wurden am 20. März 2006 mit den Trägern öffentlicher Belange, den Leitungs- und Versorgungsbetrieben sowie den anerkannten Naturschutzverbänden und vom 27. bis 31. März 2006 mit den privaten Einwendern erörtert. Aufgrund der Erörterungen wurden die Planunterlagen erneut geändert (""Planänderungen nach Erörterung""). Die Änderungen wurden im September/Oktober 2006 öffentlich ausgelegt. Eine weitere, im Oktober 2006 beantragte Planänderung (""Planänderungen II nach Erörterung"") veränderte die Eisenbahnüberführung Bahnhofstraße und die Geh- und Radwegunterführung Goltzstraße. 6 Im April 2008 beantragten die Vorhabenträger weitere Änderungen der Planung, die nach Modifikationen zur 2. Planänderung führten. Diese reduzierte in ihrer endgültigen Fassung den Abstand zwischen den Gleisen der S- und der Fernbahn und sah eine durchgehende Mittel-Lärmschutzwand sowie Außen-Lärmschutzwände von höchstens 5 m Höhe vor. Dadurch sollten die Grenzwerte in ca. 97% der Schutzfälle eingehalten werden. Ergänzender passiver Schallschutz war nur noch in 33 Schutzfällen vorgesehen. Zum Schutz vor Erschütterungen sollte die S-Bahn besohlte Schwellen erhalten (PFB S. 105 - 108, 119). Die Planfeststellungsbehörde beteiligte im Juli 2009 die Träger öffentlicher Belange, die Naturschutzverbände, 13 unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer und die Bürgerinitiative Lichtenrade (BI). 7 Erörterungen mit der Planfeststellungsbehörde führten schließlich zu einer 3. Planänderung, die im September und November 2012 beantragt wurde. Mit ihr passten die Vorhabenträger unter anderem die Straßenplanung an die aktuellen technischen Regelwerke an, änderten die Personenverkehrsanlagen des Bahnhofs Lichtenrade in Details (PFB S. 112) und passten die schall- und erschütterungstechnischen Untersuchungen an die Betriebsprognose 2025 an. Wiederum wurden die Träger öffentlicher Belange, die Naturschutzverbände und unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer beteiligt. Die BI wurde gehört. Anfang 2015 bat die Planfeststellungsbehörde den Vorhabenträger, eine im Auftrag des Landes Berlin und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur erarbeitete ergänzende Untersuchung einer weiteren Tunnelvariante (""kurzer Tunnel"") vorzulegen. Dem kam der Vorhabenträger im Februar 2015 nach. 8 Nach weiteren Ergänzungen und Änderungen der Unterlagen stellte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit dem hier streitigen Beschluss vom 13. November 2015 den Plan für den Planfeststellungsabschnitt 2 in der Fassung der genannten Planänderungen fest. Das zugrunde gelegte Betriebsprogramm sieht für das Jahr 2025 voraus, dass auf der ausgebauten Strecke täglich (d.h. in 24 Stunden) 48 ICE/IC, 199 Regionalbahnen, 358/136 S-Bahnen (bis/ab Lichtenrade) und 8 Güterzüge verkehren. Die Züge sollen mit bis zu 160 km/h, S-Bahnen mit bis zu 100 km/h fahren können. Schutz vor Schienenverkehrslärm wird durch Lärmschutzwände, das Verfahren ""besonders überwachtes Gleis"" (büG) und durch ergänzenden passiven Schallschutz für 13 Schutzfälle gewährt (PFB A.4.8.3, S. 52 ff.). Auf der gesamten Länge des Planfeststellungsabschnitts sind westlich und östlich der Strecke Lärmschutzwände in einer Höhe von 2,5 bis 5 m zu errichten; zusätzlich ist eine Mittelwand zwischen den S-Bahn- und Fernbahn-Gleisen vorgesehen. Der Schutz vor betriebsbedingten Erschütterungen wird über die beantragten Maßnahmen hinaus durch bauliche Maßnahmen am Gleisbett sichergestellt (besohlte Schwellen für beide S-Bahngleise und Betontrog mit Schotterfüllung auf Unterschottermatte für beide Fernbahngleise und einem etwa 500 m langen Abschnitt der S-Bahngleise, vgl. PFB A.4.8.4, S. 57). Für aufgelistete Gebäude werden Messungen sechs Monate nach Betriebsaufnahme angeordnet. Anspruch auf Erschütterungsschutz besteht, wenn Beurteilungsschwingstärken größer als die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte nach Tabelle 1 der DIN 4150 Teil 2 ermittelt werden. Die Planfeststellungsbehörde hat sich eine ergänzende Entscheidung über weitere Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am zu schützenden Gebäude oder die Festsetzung einer Entschädigung dem Grunde nach vorbehalten (PFB S. 57 ff., 255 - 281, 380 ff., 402 ff.). 9 Die Kläger haben am 29. Februar 2016 in zwei getrennten Verfahren (BVerwG 3 A 1.16 und 3 A 2.16 ) Klage erhoben. Der Senat hat die Verfahren in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. 10 Der Kläger zu 1 ist ein seit dem 25. Juli 2011 anerkannter Umweltverband, der sich ausweislich seiner Satzung vom 16. September 1995 dem Umweltschutz widmet und bei Behörden darauf hinwirkt, die durch Schienenverkehr hervorgerufenen störenden, gesundheitsgefährdenden oder gesundheitsschädigenden Geräuschimmissionen zu reduzieren und den Bürger hiervor zu schützen. Die Kläger zu 2 bis 4 sind Eigentümer von Wohngrundstücken östlich und westlich des planfestgestellten Streckenabschnitts. Ihre Grundstücke werden mit Lärm und Erschütterungen belastet, nicht aber mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung in Anspruch genommen. 11 Zur Begründung ihrer Klagen machen die Kläger geltend: Die Dauer des Planfeststellungsverfahrens verstoße gegen deutsches und europäisches Recht und habe bei den Anwohnern zu Beeinträchtigungen geführt, die es geböten, das Verfahren einzustellen. Die Aufteilung in drei Planungsabschnitte sei fehlerhaft. Es lägen zahlreiche Verstöße gegen UVP-Vorschriften vor. Nicht nur nach der 1., sondern auch nach der 2. und 3. Planänderung hätten die geänderten Planunterlagen, namentlich die Betriebsprognose 2025 und das Baulärmgutachten öffentlich ausgelegt werden müssen. Der Erörterungstermin sei zu Unrecht nicht öffentlich durchgeführt worden. Die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 11 Satz 1 UVPG sei unzureichend. Die Planung stehe im Widerspruch zur Landesplanung. Lichtenrade sei als Unterzentrum ausgewiesen und damit ein raumordnerisches Ziel festgelegt, dem sich die vorliegende Planung anzupassen habe. Diesem Ziel zuwiderlaufend werde der Ortsteil Lichtenrade durch das Vorhaben weiter zerschnitten und in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. 12 Die Belastungen durch Schienenlärm und Erschütterungen seien unzutreffend berechnet und bewertet worden, sie erreichten eine gesundheitsgefährdende Höhe und würden nicht angemessen ausgeglichen. Das Betriebsprogramm 2025 sei unplausibel. Der Prognosezeitraum sei mit zehn Jahren zu kurz und der voraussichtliche Verkehr zu niedrig angesetzt; es hätte eine Vollauslastung der Strecken zugrunde gelegt werden müssen. Das ergebe sich aus der Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums für das Jahr 2030, die nicht berücksichtigt worden sei. Besonders nach dem geplanten Ausbau des Berliner Südrings werde sich nach Süden, auch auf der ausgebauten Strecke erheblich mehr Güterverkehr einstellen als in der Prognose vorgesehen. Die aus dem Jahr 1990 stammende Schall 03 entspreche im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht mehr dem Stand der Technik und hätte daher nicht angewandt werden dürfen. Ihre Anwendung führe zu falschen Ergebnissen und einer Unterschätzung der Lärmbelastung. Das folge daraus, dass keine Spitzenpegel berechnet worden seien, die bei Schienenlärm vor allem in der Nacht besondere Bedeutung hätten. Der in der Schall 03 vorgesehene Schienenbonus dürfe ebenso wenig berücksichtigt werden. Das Verfahren ""besonders überwachtes Gleis"", das nicht definiert sei, habe keine Wirkung, erbringe jedenfalls nicht die vom Gutachter angenommene Pegelminderung um 3 dB. Zuschläge, die Topographie und die Abstände zu den Gleisen, hochliegende Schallquellen und andere geräuscherhöhende Faktoren seien nicht berücksichtigt und die Beurteilungspegel nicht mit einem Unsicherheitszuschlag versehen worden. Das Schallgutachten sei auch im Übrigen nicht nachvollziehbar und fragwürdig. Das zur Berechnung verwendete Softwareprogramm sei nicht zertifiziert. Der sekundäre Luftschall sei nicht angemessen berücksichtigt und eine Gesamtlärmbetrachtung nicht angestellt worden. In Wahrheit lägen die Pegel daher insgesamt um 15 dB(A) höher als die berechneten Beurteilungspegel. Diese Belastung sei gesundheitsgefährdend, wie sich aus Studien ergebe. Das Schallschutzkonzept sei fragwürdig. Es sei nicht plausibel, dass die Umplanung des aktiven Schallschutzes in der 2. Planänderung, insbesondere das Errichten einer Mittellärmschutzwand, so gut wie alle Schutzfälle lösen könne. 13 Auch die Erschütterungsbelastung sei nicht zutreffend ermittelt worden. Die erschütterungstechnische Untersuchung sei selbst für einen Fachmann nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, wie der Gutachter seine Quelldaten (Quellspektren jeder Zugart, Übertragung zwischen den Gleisen bis in die Gebäude) gewonnen habe; diese ließen sich dem Gutachten nicht entnehmen. Die Erschütterungs-Vorbelastung sei zu Unrecht nicht ermittelt worden, die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze durch die pauschale Erhöhung der DIN-Werte willkürlich und nicht nachvollziehbar. 14 Die Abwägung der Trassenalternativen sei fehlerhaft. Die Planfeststellungsbehörde habe sich durch die Erklärung des Bundes, es stünden nur für die oberirdische Antragsvariante Haushaltsmittel zur Verfügung, in einer Weise gebunden gefühlt, dass eine unvoreingenommene Abwägung nicht mehr möglich gewesen sei. Es sei aber unstreitig und von allen Gutachtern bestätigt, dass eine Tunnelvariante unter Umweltgesichtspunkten die beste Lösung sei. Die oberirdische Variante sei hingegen die ungünstigste mit besonders vielen Lärmbetroffenen. Wenn sie wegen geringerer Kosten bevorzugt werde, gehe die Planfeststellungsbehörde von nicht stichhaltigen Kostenschätzungen der Varianten aus. Die zweiseitige Auflistung der Kosten durch die Beigeladenen sei nicht nachprüfbar. Die Behörde übersehe auch, dass eine Vielzahl von Immissionsbelastungen knapp unterhalb der Grenzwerte in Kauf genommen werde, die besonders zu berücksichtigen seien. Die oberirdische Variante führe zudem wegen des Wegfalls der höhengleichen Bahnübergänge zu chaotischen Verhältnissen im Straßenverkehr von Lichtenrade. Dadurch würden viele Gewerbebetriebe zerstört. Die Klägerin zu 4 macht geltend, dass ihr etwa 400 m vom Bahnhof Lichtenrade entfernt liegender ...laden durch das Vorhaben in seiner Existenz bedroht werde. 15 Die Kläger beantragen, den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 aufzuheben und den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen vom 28. November 1997 in der Fassung der 3. Planänderung vom 14. September 2012 abzulehnen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zugunsten der Kläger zu ergänzen. 16 Außerdem regen die Kläger an, den Planfeststellungsbeschluss um weitere Regelungen zu ergänzen, und zwar (1) um Betriebsbeschränkungen, falls sich durch Messungen bestätigen sollte, dass der Immissionspegel der Lärm- und Erschütterungsbelastungen die vom erkennenden Senat festzulegenden Grenzwerte überschreitet und (2) um die Anordnung, dass der Bahnbetrieb auf der planfestgestellten Trasse erst nach Erfüllung aller Schutzauflagen aufgenommen werden dürfe. 17 Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Klagen abzuweisen. 18 Sie treten dem Vorbringen der Kläger insgesamt entgegen. II 19 A. Der Senat entscheidet über die Klagen auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 14. und 15. Juni 2017. Der Antrag der Kläger vom 23. Juni 2017 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO liegt es grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es die mündliche Verhandlung wiedereröffnet. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das erforderliche rechtliche Gehör gewahrt werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2003 - 7 B 106.02 - Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 S. 1 f. und vom 3. Dezember 2008 - 10 B 13.08 - juris Rn. 7) oder die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfüllt werden kann, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Nachgereichte Schriftsätze erzwingen nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (BVerwG, Beschlüsse vom 5. November 2001 - 9 B 50.01 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 18 und vom 6. März 2015 - 6 B 41.14 - juris Rn. 10). 20 Die Kläger machen hierzu geltend, der Senat habe ihr Vorbringen bei der Behandlung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht hinreichend gewürdigt. Das trifft nicht zu. Die Kläger hatten in der zweitägigen Verhandlung Gelegenheit, sich zu allen entscheidungserheblichen Fragen eingehend zu äußern sowie Anträge zu stellen und zu begründen. Der Senat hat die gestellten Beweisanträge gewürdigt und bei ihrer Bescheidung das Gesamtvorbringen der Kläger in den Blick genommen, wie nicht zuletzt die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zeigen. Er hat die Ablehnung der Beweisanträge - wie aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlich - im Einzelnen begründet. Mit ergänzendem Tatsachenvorbringen zur Substantiierung der Beweisanträge hätten sich die Kläger in der mündlichen Verhandlung Gehör verschaffen können und müssen. Das haben sie nicht getan. Auch ihr Vorbringen im Antrag vom 23. Juni 2017 geht, soweit es dem Beweis zugängliche Tatsachen und nicht nur Rechtsansichten enthält, nicht darüber hinaus, was die Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung zur Stützung ihrer Ansicht vorgetragen haben. Namentlich wird kein Grund ersichtlich, der eine weitergehende Sachaufklärung nahelegen könnte. Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus den nachstehenden Urteilsgründen. 21 B. Die Klagen sind zulässig. 22 1. Gegenstand der Prüfung ist der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13. November 2015 für den Planfeststellungsabschnitt 2 des Vorhabens ""Wiederaufbau der Dresdner Bahn"". Der Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1 dieses Vorhabens vom 22. Mai 2017 hat hierauf keinen Einfluss. Zwar berührt er den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss insofern, als er in A.1.1 seines verfügenden Teils den Entscheidungsvorbehalt unter A.3.1 des hier angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses (PFB S. 25) ausfüllt und ihm damit einen partiell neuen Inhalt verleiht. Diese Regelung wird jedoch nur dann zum Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn sie der Kläger durch eine ausdrückliche prozessuale Erklärung unter Beachtung des § 91 Abs. 1 VwGO in das Verfahren einbezieht, was seiner Disposition unterliegt (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1991 - 4 C 25.90 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4 S. 3 f.). Eine Einbeziehung ist hier nicht erfolgt. Prozessuale Nachteile können den Klägern daraus nicht erwachsen, weil sich die Vorbehaltsregelung im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss in der vorliegenden Konstellation nicht erledigt hat (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1981 - 4 C 68.78 - BVerwGE 61, 307 <308 f.> und vom 15. Juli 2016 - 9 C 3.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​150716U9C3.16.0] - NVwZ 2016, 1631 Rn. 20 m.w.N.). Die Festsetzung einer vorbehaltenen Maßnahme erledigt den Entscheidungsvorbehalt im Sinne des § 74 Abs. 3 VwVfG erst dann, wenn sie unanfechtbar wird. Bis dahin bleiben die Schicksale des Vorbehalts und der ihn ersetzenden Regelung rechtlich selbstständig. Wird diese in einem gerichtlichen Verfahren aufgehoben, bleibt der Entscheidungsvorbehalt demgemäß bestehen und Grundlage für eine neue Regelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 1992 - 7 C 11.91 - BVerwGE 90, 42 <50 f.>). 23 2. Die Klage des Klägers zu 1 ist ungeachtet dessen zulässig, dass er sich im Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt hat. Maßgeblich ist insoweit das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298; im Folgenden UmwRG n.F.). Diese Änderungen sind am 2. Juni 2017 in Kraft getreten (vgl. Art. 18 des Änderungsgesetzes) und mangels anderslautender Übergangsvorschrift sofort anwendbar. 24 Mit der Gesetzesänderung ist das Erfordernis des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753) entfallen, dass eine anerkannte Umweltvereinigung Rechtsbehelfe einlegen kann, wenn sie sich im Verwaltungsverfahren in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. Mit der Streichung dieser Voraussetzung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 15. Oktober 2015 - C 137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683] - NVwZ 2015, 1665) umsetzen wollen, wonach die Präklusion von Einwendungen tatsächlicher Art im gerichtlichen Verfahren eine unionsrechtswidrige Beschränkung des Rechtsschutzes darstellt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9526 S. 1). Dementsprechend bleibt eine Einwendung, die eine Vereinigung erstmals im Rechtsbehelfsverfahren erhebt, gemäß § 5 UmwRG n.F. nur dann unberücksichtigt, wenn die erstmalige Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Gibt es aber keine Obliegenheit einer Vereinigung zur Beteiligung, kann die Nichtbeteiligung als solche nicht als missbräuchlich oder unredlich gewertet werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG n.F. ist die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs aber weiter davon abhängig, dass die Vereinigung zur Beteiligung am Verfahren berechtigt war. Im Zeitpunkt der letzten Öffentlichkeitsbeteiligung im September/Oktober 2006 war der Kläger zu 1 nach damals geltendem Planfeststellungsrecht (§ 20 AEG vom 27. Dezember 1993 i.V.m. § 73 VwVfG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 ) nicht berechtigt, eine Stellungnahme abzugeben. Für das Beteiligungsrecht im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG n.F. dürfte mit Blick auf die Rechtsbehelfsbefugnis noch nicht anerkannter Vereinigungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 UmwRG n.F. aber genügen, dass die Vereinigung bereits während des Planfeststellungsverfahrens die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt hat. Hier kann dem Kläger zu 1 die fehlende Anerkennung nach § 3 UmwRG jedenfalls deshalb nicht entgegengehalten werden, weil das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006 im Zeitpunkt der letzten Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht in Kraft getreten, eine Anerkennung nach diesem Gesetz mithin nicht möglich war. 25 C. Die Klagen sind weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag begründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an einem zu seiner Aufhebung oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf weitere Schutzmaßnahmen. 26 1. Der Senat hat alle Rügen der Kläger in der Sache geprüft. Da keine der Rügen begründet ist, kommt es auf den Umfang der Rügebefugnis der jeweiligen Kläger im Ergebnis nicht an. 27 a) Für den Kläger zu 1 ist die Beschränkung der Rügefähigkeit auf Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, wie es § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG in der bis Juni 2017 geltenden Fassung voraussetzte, durch die Änderung des § 2 Abs. 1 UmwRG n.F. für UVP-pflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG beseitigt worden. Damit hat der Gesetzgeber einen Beschluss der Vertragsstaatenkonferenz zum Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention umsetzen wollen (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 1). 28 Ob der Kläger zu 1, wie die Beigeladenen meinen, aufgrund seines Satzungszwecks gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG n.F. nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften geltend machen kann, die dem Schutz vor Schienenlärm dienen, kann offenbleiben, da auch die übrigen Rügen nicht durchgreifen. Es spricht freilich mehr dafür, dass auf die zulässige Klage einer anerkannten Umweltvereinigung die objektive Rechtmäßigkeit der Zulassung eines Vorhabens, das - wie hier der Ausbau der Dresdner Bahn - seiner Art nach den satzungsgemäßen Aufgabenbereich der klagenden Vereinigung berührt, ohne Beschränkung auf bestimmte Gründe zu prüfen ist. Mit Blick auf Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention in der Auslegung durch die 5. Aarhus-Vertragsstaatenkonferenz vom 30. Juni / 1. Juli 2014 dürfte § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG n.F. einer dahingehenden umfassenden Rügebefugnis nicht entgegenstehen. Nach dem Beschluss der 5. Vertragsstaatenkonferenz darf eine Umweltvereinigung nicht auf die Geltendmachung von Verstößen gegen dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften beschränkt werden, wenn die Verbandstätigkeit - wie im Fall des Klägers zu 1 - Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention umfasst (vgl. Beschluss V/9h vom 2. Juli 2014, ECE/MP.PP/2014/CRP.4 und Findings and recommendations vom 4. Juni 2014, ECE/MP.PP/C.1/2014/8, Rn. 78). Der Gesetzgeber wollte den von der Konferenz gesehenen Vertragsverstößen durch die Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit dem oben genannten Anpassungsgesetz vom 29. Mai 2017 Rechnung tragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9526 S. 1, 38). 29 b) Anderes gilt für die privaten Kläger zu 2 bis 4. Auf ihre Klagen hin ist der Planfeststellungsbeschluss nur darauf zu überprüfen, ob Verfahrensfehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) oder Vorschriften zum Schutz ihrer eigenen Belange, insbesondere vor Lärm und Erschütterungen, verletzt wurden. Eine weitergehende bzw. objektive Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses können sie nicht verlangen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 7 C 10.12 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​190215U7C10.12.0] - juris Rn. 43 und schon vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <66>). Diese Beschränkung der Rügebefugnis ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - NVwZ 2015, 1665 Rn. 30 bis 34, 64). Sie bleibt hier allerdings ohne Folgen, weil die Kläger zu 2 bis 4 - mit Ausnahme der Klägerin zu 4 bezüglich des ...ladens - keine weitergehenden Rügen als der Kläger zu 1 erhoben haben. 30 c) Soweit die Klägerin zu 4 existenzgefährdende Umsatzeinbußen des ...ladens ... in Lichtenrade befürchtet, fehlt ihr eine abwägungserhebliche Rechtsposition. Wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, handelt es sich zwar um einen Familienbetrieb, in dem die Klägerin beschäftigt ist. Inhaberin des Betriebes ist aber ihre Tochter. Was der Klägerin gegenüber mit Blick auf etwaige, sie allenfalls mittelbar treffende Umsatzeinbußen abzuwägen sein könnte, geht nicht darüber hinaus, was die Geschäftsinhaberin selbst, die keine Klage erhoben hat, geltend machen könnte. Mit Blick auf deren Belange hat die Planfeststellungsbehörde bei der Bescheidung der entsprechenden Einwendung Nr. 454 erläutert, dass und warum lärm- oder verkehrsbedingte Umsatzeinbußen bei dem trassenfernen Geschäftslokal nicht zu erwarten sind (PFB S. 311 f.). Dem hat die Klägerin zu 4 nichts entgegengesetzt. 31 2. Die Dauer des Planfeststellungsverfahrens (von hier 18 Jahren) begründet keine Abwehrrechte der Kläger, auch kein Verfahrenshindernis. 32 a) Der Vorhabenträger hat einen Anspruch auf Durchführung des Planfeststellungsverfahrens und auf fehlerfreie Entscheidung über den eingereichten Plan (so zutreffend PFB S. 128; vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 72 Rn. 41 f.; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 10). Diesem Anspruch kann ein Interesse mittelbar Planbetroffener an einer zügigen Entscheidung nicht entgegengesetzt werden. Zwar ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sich die Anwohner einer auszubauenden Bahnstrecke bei einer langen Verfahrensdauer nicht unerheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt sehen können, wie sie die Kläger zu 2 bis 4 geltend machen. Eine Rechtsgrundlage für eine Einstellung des Planfeststellungsverfahrens wegen seiner Dauer ist aber nicht ersichtlich. Die Kläger berufen sich insoweit auf unergiebige Vorschriften. 33 aa) Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK betreffen gerichtliche Verfahren, nicht auch Verwaltungsverfahren (vgl. auch EGMR 3. Kammer, Urteil vom 5. Februar 2004, Nr. 54039/00 - Case Morscher v. Austria, Rn. 38) und schützen überdies nur die Antragsteller oder rechtsbetroffene Verfahrensbeteiligte, zu denen mittelbar Planbetroffene wie die Kläger nicht gehören; denn sie sind auch als potenzielle Einwender keine Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 13 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1997 - 11 A 66.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 24 S. 103 f.). 34 bb) Das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung, das in § 10 Satz 2 VwVfG für nichtförmliche Verwaltungsverfahren aufgestellt ist, in gewisser Weise aber auch dem Planfeststellungsrecht der §§ 72 ff. VwVfG zugrunde liegt, gibt keine feste Zeitgrenze dafür vor, welche Verfahrensdauer angemessen ist. Die Angemessenheit variiert vor allem mit der Komplexität eines Vorhabens und den im Einzelfall zu überwindenden Widerständen. Vorrangig sind in jedem Fall die Pflichten zur Optimierung des Vorhabens und zur vollständigen Problembewältigung. Dem trägt das Planfeststellungsrecht Rechnung, indem es zwar für einzelne Verfahrensschritte Fristen vorsieht (vgl. § 73 Abs. 3, 3a, 4 oder 9 VwVfG), nicht aber für die abschließende Sachentscheidung oder die Gesamtlänge des Verfahrens. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der Optimierung der Planung Vorrang einräumt. Planbetroffene können im Planfeststellungsverfahren daher lediglich verlangen, dass ihre Rechte im Verfahren gewahrt und durch die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht verletzt werden. Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Rechte infolge der Verfahrensdauer verletzt worden sind. 35 cc) Nichts anderes gilt für Neubürger, Heranwachsende und Rechtsnachfolger von potenziell Betroffenen, die in das Umfeld eines jeden größeren Vorhabens auch bei zügiger Durchführung des Planfeststellungsverfahrens ""hineinwachsen"". Sie finden einen Verfahrensstand vor, den sie nach Maßgabe der anwendbaren Rechtsvorschriften gegen sich gelten lassen müssen. Dadurch werden sie wegen der grundstücksbezogenen Sichtweise des Planfeststellungsrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - 4 C 10.77 - BVerwGE 59, 253 <261 f.>) ebenso wenig in ihren Rechten verletzt wie später durch das verwirklichte Vorhaben selbst. 36 b) Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen der angemessenen Verfahrensdauer vorzulegen, besteht nicht. Das Unionsrecht, zu dem sich der EuGH nur äußern könnte, ist für das von den Klägern geltend gemachte Verfahrenshindernis unergiebig. Für Art. 6 EMRK, der gemäß Art. 6 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union Teil des Unionsrechts ist, gilt das oben Gesagte. Klärungsbedarf ist insofern nicht ersichtlich. 37 3. Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung sind nicht verletzt worden. Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die im Zuge der 2. und 3. Planänderung erstellten bzw. geänderten Unterlagen nicht öffentlich ausgelegt worden sind. 38 a) Planänderungen zwischen der Auslegung der Planunterlagen und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erfordern nicht in jedem Fall die Wiederholung eines vorausgegangenen Anhörungsverfahrens im Sinne des § 73 VwVfG (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​101116U9A18.15.0] - BVerwGE 156, 215 Rn. 25 m.w.N.). Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG grundsätzlich nur dann durchzuführen, wenn aus Änderungen der nach § 6 UVPG erforderlichen Unterlagen ersichtlich ist, dass im Vergleich zu den ausgelegten Planunterlagen zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Bei Planänderungen, die lediglich den Aufgabenbereich einer Behörde oder einer bekannten Umweltvereinigung oder die Belange einzelner Dritter erstmalig oder stärker als bisher berühren, genügt es gemäß § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG, wenn die Änderungen den Betroffenen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme mitgeteilt werden. Die Planfeststellungsbehörde ist weder zu einem ständigen Abstimmungsprozess noch zur Herstellung des Einvernehmens mit der betroffenen Öffentlichkeit und den Naturschutzverbänden verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 18 m.w.N.). 39 b) Es ist danach nicht zu beanstanden, dass die Unterlagen über die nach Erörterung vorgenommenen Änderungen des Vorhabens (2. und 3. Planänderung) und die Untersuchungsergebnisse zu dessen Auswirkungen in der Betriebsphase nicht (ergänzend) ausgelegt worden sind. 40 aa) Die Reduzierung des Gleisabstands zwischen S- und Fernbahn, die Neukonfiguration der Lärmschutzwände und der Einbau besohlter Schwellen, die Gegenstand der 2. Planänderung waren, ließen keine zusätzlichen Umweltauswirkungen erkennen, sondern dienten dazu, diese weiter zu vermindern. Das weist auch die später zur Anpassung an die Betriebsprognose 2025 überarbeitete schalltechnische Untersuchung zur 3. Planänderung (PFB Anlage 10.1) aus, deren Ergebnisse die Kläger, wie noch zu zeigen ist, nicht erschüttert haben. Dasselbe gilt für die Anpassung der Straßenplanung an die aktuellen technischen Regelwerke und die Änderung der Personenverkehrsanlagen des Bahnhofs Lichtenrade im Zuge der 3. Planänderung. Zahl, Lage und Funktion der Gleise sind unverändert, die Identität des Vorhabens ist daher unberührt geblieben. Die überarbeitete schalltechnische Untersuchung hat ergeben, dass die Beeinträchtigungen der Anwohner unter Einrechnung aller Änderungen geringer sein werden als in der Planung ursprünglich angenommen. Die Überarbeitung dieser Untersuchung gab ebenfalls keinen Anlass zur Auslegung. Sie ist nach Maßgabe der 16. BImSchV auf der Grundlage der Schall 03 1990 erstellt worden und geht nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe nicht über die schalltechnische Untersuchung zur 1. Planänderung hinaus. Für die Umweltverträglichkeitsstudie in der Fassung der 3. Planänderung gilt nichts anderes. Unionsrechtlicher Klärungsbedarf (Schriftsatz vom 14. Juni 2017, 4. Spiegelstrich) ist insoweit nicht ersichtlich. Die von den Beigeladenen vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie in der Fassung der 1. Planänderung hat ausgelegen. Die von der zuständigen Behörde nach §§ 11 und 12 UVPG auf der Grundlage des Anhörungsverfahrens vorgenommene Prüfung muss nicht vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ausgelegt werden. 41 bb) Es ist ferner im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die schall- und erschütterungstechnische Untersuchung für den Baubetrieb vom 10. Oktober 2013 (PFB Anlage 10.3), die sich detailliert mit den baubedingten Beeinträchtigungen auseinandersetzt, nicht öffentlich ausgelegt worden ist. Bereits die ursprünglich ausgelegten Planunterlagen erfüllten die Funktion, die ihnen insofern zugedacht ist, und das spätere Baugutachten zeigt keine zusätzlichen oder qualitativ anders gearteten Umweltauswirkungen auf. 42 (1) Die Beigeladenen waren nicht verpflichtet, schon mit den ursprünglichen Planunterlagen ein detailliertes Baugutachten oder einen konkreten Bauablaufplan vorzulegen. Ein solches Baulärm- oder Bauimmissionsgutachten setzt eine Ausführungsplanung voraus, die ein Vorhabenträger ohne gesicherte Rechtsposition, die er erst mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erlangt, grundsätzlich nicht erstellen muss (vgl. Senatsurteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​080916U3A5.15.0] - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 29). Erforderlich ist es aber, in den Planunterlagen Angaben auch zu den Beeinträchtigungen in der Bauphase zu machen. Sie müssen so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde aus ihnen ersehen kann, ob die bei Durchführung des Plans aufgeworfenen Probleme der Ausführungsplanung überlassen bleiben können oder bereits im Planfeststellungsbeschluss Regelungen zur Bauausführung getroffen werden müssen, weil in der Bauphase abwägungserhebliche Belange beeinträchtigt werden. Zudem müssen die Unterlagen so aussagekräftig sein, dass potenziell Betroffenen ein Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst werden kann (stRspr, vgl. Senatsurteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - a.a.O. Rn. 27). 43 (2) Abzustellen ist insoweit auf den Inhalt der gemäß § 73 VwVfG ausgelegten Planunterlagen. Die von den Beigeladenen hervorgehobenen Umstände, dass Bürger Einwendungen gegen die bauzeitlichen Belastungen erhoben haben, die im Abschlussbericht der Anhörungsbehörde dargestellt und später erörtert worden sind, genügen nicht. Diese Umstände liegen nach dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt und können allenfalls Indizien dafür sein, dass die Planunterlagen eine hinreichende Anstoßwirkung entfaltet haben. Ebenso wenig ausreichend ist die Darstellung und Beschreibung des Vorhabens als solches oder der Hinweis auf eine mehrjährige Bauzeit. Zu den Mindestangaben der auszulegenden Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens im Sinne des § 6 UVPG gehört neben einer Beschreibung des Vorhabens (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3). Diese Angaben müssen, nicht zuletzt aufgrund der beizufügenden verständlichen, nichttechnischen Zusammenfassung der Angaben (Abs. 3 Satz 2), Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umweltauswirkungen des Vorhabens betroffen werden können (Abs. 3 Satz 3). Dass aus der dargestellten Dimension des Vorhabens potenzielle Betroffenheiten während der Bauzeit abstrakt zu erschließen sind, erfüllt die Mindestanforderungen nicht. 44 (3) Die ausgelegten Planunterlagen enthielten indes - hier noch - hinreichende Angaben zu den baubedingten Beeinträchtigungen, um Grundlage für eine Anstoßwirkung und für die Beurteilung der Regelungsnotwendigkeiten durch die Planfeststellungsbehörde zu sein. Grundlage hierfür ist die ausgelegte Umweltverträglichkeitsstudie für den PFA II vom 15. November 1997. Sie weist darauf hin, dass sich die Belastung durch das Vorhaben aus bau-, anlage- und betriebsbedingten Wirkungen zusammensetzt. Diese werden zumindest grob für jedes Schutzgut gesondert ermittelt (UVS S. 28). Die Konflikt- und Wirkungsanalyse beschreibt temporäre Beeinträchtigungen von Biotopen, des Bodens, des Grundwassers, der Luft und des Klimas, des Landschaftsbildes und des Wohn- und Arbeitsumfeldes, die in grober Abstufung quantifiziert werden (UVS S. 105 ff.). Die Art der Beeinträchtigung (wie Zufahrt und Lagerung von Baumaterialien, Abschieben und Verdichten von Boden, Staub, Lärm und Abgase, zusätzliches Verkehrsaufkommen, An- und Abtransporte, Gehölzverlust) wird beschrieben. Als baubedingte Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch werden Beeinträchtigungen von Erholungsräumen und des Wohnumfeldes genannt und als ""erheblich"" eingestuft (UVS S. 66, 111, 118), wobei kaum Möglichkeiten zu einer Minderung bestünden (UVS S. 119). Die Beeinträchtigungen ergeben sich aus Lärm, Abgasen und Staub. Insofern wird darauf verwiesen, dass Baulärm nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) zu beurteilen sei, die hierfür Messverfahren, Beurteilungskriterien und Immissionsrichtwerte enthalte (UVS S. 120). Schließlich werden die Orte der Einwirkungen so konkret bezeichnet, dass Anwohner eine potenzielle Betroffenheit erkennen können. Mit Beeinträchtigungen ist danach insbesondere in einem Korridor rechts und links der Trasse bis 50 m, teilweise bis 100 m zu rechnen (UVS S. 69), ferner im Umfeld von Baustellen und Lagerplätzen, die zusätzlich in Plänen dargestellt sind (S. 32 des Erläuterungsberichts), Baustraßen und im Bereich des Bahnhofs Lichtenrade (UVS S. 119). Bei Lagerplätzen wird differenziert, ob sie im näheren Umfeld von Erholungseinrichtungen liegen, wo sie zumindest temporär die Nutzbarkeit mindern können (UVS S. 71). 45 c) Der Pflicht zur Erörterung ist die Planfeststellungsbehörde nachgekommen. Die Kläger rügen zu Unrecht, dass der Erörterungstermin nicht öffentlich durchgeführt worden ist. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Der Erörterungstermin in einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist grundsätzlich nicht öffentlich. Das bestimmt § 68 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, auf den § 73 Abs. 6 Satz 6 VwVfG i.V.m. § 20 AEG in der hier maßgeblichen, bis 16. Dezember 2006 gültigen Fassung Bezug nahm. Die Öffentlichkeit kann nach § 68 Abs. 1 Satz 3 VwVfG lediglich besonders zugelassen werden, wenn kein Beteiligter widerspricht. Aus § 9 Abs. 1 UVPG, der in seinem Satz 3 auf diese Vorschriften Bezug nimmt, ergibt sich nichts anderes. Unionsrechtlich ist gegen die Nichtöffentlichkeit nichts zu erinnern. Das gilt auch, soweit Umweltthemen oder öffentliche Belange erörtert werden. Weder die UVP-Richtlinie noch das Aarhus-Übereinkommen fordern im Rahmen der Verfahrensbeteiligung überhaupt eine öffentliche Erörterung. Dann aber steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, zum Schutz der persönlichen Sphäre und der Unbefangenheit der Beteiligten, die sich insofern auf einen grundrechtlichen Schutz berufen können (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 68 Rn. 3 f.), die Nichtöffentlichkeit der Erörterung vorzusehen (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​160616U9A4.15.0] - NVwZ 2016, 1641 Rn. 17 m.w.N.). Die Kläger zeigen nichts auf, was an dieser klaren und eindeutigen Rechtslage Zweifel wecken könnte; ihre entsprechende Vorlagefrage ist nicht aufzugreifen. 46 4. Auch im Übrigen sind Verstöße gegen UVP-Vorschriften nicht gegeben. 47 a) Die zusammenfassende Darstellung (§ 11 UVPG) und die Bewertung der Umweltauswirkungen (§ 12 UVPG) sind nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde hat nach § 11 Satz 1 UVPG eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens sowie der Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu erarbeiten und die Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG auf dieser Grundlage zu bewerten. Nach § 11 Satz 4 UVPG kann die zusammenfassende Darstellung auch in der Zulassungsentscheidung selbst erfolgen. Dasselbe gilt für die Bewertung der Umweltauswirkungen. Eine besondere Form ist insoweit nicht vorgeschrieben (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 35). 48 Ausgehend hiervon ist die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 382 ff., 424 bis 432) ausreichend. Die zuständige Behörde muss darin nicht auf jede Umweltauswirkung eingehen, die in den vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen, vor allem in einer Umweltverträglichkeitsstudie angesprochen worden ist. Nicht dargestellt werden müssen namentlich die Auswirkungen der vom Vorhabenträger geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG). Es genügt hier dementsprechend vollauf, dass die Trassenvarianten im Rahmen der fachplanerischen Abwägung dargestellt (PFB S. 174 bis 230), auch unter Umweltgesichtspunkten bewertet und gegeneinander abgewogen worden sind. Dabei hat die Planfeststellungsbehörde nicht verkannt, dass die planfestgestellte Variante im Hinblick auf die Umwelt am schlechtesten abschneidet (PFB S. 199). 49 Soweit die Kläger inhaltliche Einwendungen gegen die von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen insbesondere zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Natur- und Artenschutzrecht erheben, betreffen diese in erster Linie das materielle Recht. Die Rügen sind - wie noch dargelegt wird - in der Sache nicht begründet. Dass sich aus den verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere aus § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 UVPG, über das materielle Recht hinausgehende inhaltliche Anforderungen an die auszulegenden Unterlagen ergeben könnten, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich. 50 b) Eine einheitliche förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gesamtvorhaben, also auch die nachfolgend planfestzustellenden Abschnitte der Dresdner Bahn war nicht erforderlich. 51 aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Vorhabenträger im Straßen- und Schienenwegerecht ein Gesamtvorhaben planungsrechtlich in Abschnitte aufteilen darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 31 ff. m.w.N.). Zwar kann das planerische Ermessen des Vorhabenträgers hinsichtlich der Bestimmung des Gegenstands seines Vorhabens an Grenzen des materiellen Planungsrechts stoßen; die Kläger haben aber nichts dafür aufgezeigt, dass diese Grenzen hier überschritten sind, namentlich Probleme nicht hinreichend bewältigt werden könnten oder die Aussagekraft der Abwägung durch eine unsachgemäße Aufsplitterung leiden würde. Zu Recht hat die Planfeststellungsbehörde die Aufteilung in drei Abschnitte daher gebilligt (PFB S. 161 ff.). 52 bb) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ferner geklärt, dass bei einer abschnittsweisen Planfeststellung nur dasjenige Projekt einer UVP zu unterziehen ist, für das im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie die Erteilung einer Genehmigung beantragt worden ist. Lässt das nationale Recht die Aufteilung und abschnittsweise Planung eines Gesamtvorhabens zu, fordert weder das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung noch das Unionsrecht im Planfeststellungsverfahren für den ersten Abschnitt eine übergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung schon für die weiteren Abschnitte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​280416U9A9.15.0] - BVerwGE 155, 91 Rn. 42 ff. m.w.N.). Ausreichend ist eine Prognose, die nach Art eines vorläufig positiven Gesamturteils ergibt, dass dem Gesamtvorhaben in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 151 und schon vom 28. Februar 1996 - 4 A 27.95 - NVwZ 1996, 1011 <1012 f.>). Dies wirft unter unionsrechtlichen Aspekten keine vernünftigen Zweifel auf, sodass kein Anlass besteht, die von den Klägern hierzu im Schriftsatz vom 14. Juni 2017 mit dem dritten Spiegelstrich formulierte Frage dem EuGH zur Klärung vorzulegen. 53 5. Die Planungsentscheidung steht nicht im Widerspruch zu verbindlichen Vorgaben der Raumordnung, der Landes- oder Bauleitplanung. 54 Die Kläger meinen, die Ausweisung Lichtenrades als Unterzentrum im Flächennutzungsplan (PFB S. 150), der für Berlin die Funktion eines Regionalplans übernimmt, sei ein Ziel der Raumordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, dem sich die eisenbahnrechtliche Planung anzupassen habe. Entsprechendes gelte für die Heraufstufung des Ortsteilzentrums Bahnhofstraße zum Stadtteilzentrum von Lichtenrade. Es ist zweifelhaft, ob die Einordnung als Ziel der Raumordnung zutrifft. Jedenfalls spricht nichts dafür, dass ein etwaiges Ziel durch das Vorhaben entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG beeinträchtigt werden könnte oder dass die Planung das Anpassungsgebot des § 7 Satz 1 BauGB verletzt. 55 Im Planfeststellungsbeschluss (S. 168 bis 173) wird dazu nachvollziehbar dargelegt, dass das Vorhaben nicht das Ortszentrum von Lichtenrade durchschneidet, das etwa 1 km östlich vom Bahnhof Lichtenrade entfernt liegt. Die Einzelhandelsnutzungen beginnen erst östlich der Kreuzung Bahnhofstraße/Briesingstraße. Weichen müssen dem Vorhaben im direkten Umfeld des Bahnhofs einige Schnellimbisse, Lotto- und Totoannahmestellen, ein Café und ein Blumengeschäft. Die Bahnhofstraße ist auch ausreichend dimensioniert, um den Verkehr aufzunehmen, der durch die Schließung des Bahnübergangs Goltzstraße zusätzlich anfallen wird. Inwiefern diese Annahmen fehlerhaft sein sollten, legen die Kläger nicht dar. Daher ist nichts für ihre Befürchtung ersichtlich, dass die Funktion Lichtenrades als Unterzentrum bzw. der Bahnhofstraße als Stadtteilzentrum infrage gestellt werden könnte. 56 6. Der rechtlich gebotene Lärmschutz gegen die vom Betrieb des Planfeststellungsabschnitts ausgehenden Schienenverkehrsgeräusche ist gewahrt. Daher können die Kläger mit Blick auf den Schienenverkehrslärm weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten weitergehenden Schutzmaßnahmen beanspruchen. 57 a) Maßgeblich ist insoweit das Schutzregime der §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV. Eine Verletzung dieser Rechtsvorschriften kann auch der Kläger zu 1 rügen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 UmwRG) und Planergänzung um weitergehenden Schallschutz für die Betroffenen geltend machen (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 18.11 - BVerwGE 144, 243 Rn. 19 ff.). Es ist unerheblich, dass die Immissionsgrenzwerte für den Tag nach den gutachterlichen Berechnungen mithilfe der festgesetzten aktiven Lärmschutzmaßnahmen bei allen Schutzfällen eingehalten und ca. 99,5% der Schutzfälle gelöst werden (PFB S. 171). Denn diese Bewertung wäre falsch, sollten die Kläger mit ihrer Rüge durchdringen, dass die festgesetzten Maßnahmen wegen der Notwendigkeit abweichender Berechnung der Beurteilungspegel unzureichend seien. Dies ist aber nicht der Fall. 58 b) Planfeststellungsbehörde und Vorhabenträger gehen mit dem Gutachter (vgl. schalltechnische Untersuchung S. 6) rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Erweiterung der Strecke um zwei Gleise eine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV darstellt und den Anwohnern daher dieselben Lärmschutzansprüche zustehen wie bei dem Neubau eines Schienenweges (PFB S. 157). Nach dem Schutzkonzept der 16. BImSchV werden in solch einem Fall weder die tatsächliche Vorbelastung durch den S-Bahn-Verkehr noch eine plangegebene Vorbelastung schutzmindernd berücksichtigt, soweit es um Schienenverkehrsgeräusche geht. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage, wie unten noch auszuführen ist, vom Schutz vor Erschütterungen aus dem Eisenbahnbetrieb. 59 c) Die Planfeststellungsbehörde hat zu Recht gebilligt, dass der Gutachter die Beurteilungspegel für Schienenverkehrsgeräusche noch auf der Grundlage der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) - im Folgenden: Schall 03 1990 - berechnet hat. Wenn die Kläger - zuletzt in ihrem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung - annehmen, die Schall 03 1990 sei nicht mehr anwendbar, weil die genannte Anlage zur 16. BImSchV im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits eine neue Fassung erhalten hatte, übersehen sie die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung (Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2269). Darin wird angeordnet, dass § 3 i.V.m. der hier interessierenden Anlage 2 der 16. BImSchV in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist für Abschnitte von Vorhaben, für die - wie im zu entscheidenden Fall - das Planfeststellungsverfahren bis zum 31. Dezember 2014 bereits eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden ist. 60 d) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, die Schall 03 1990 habe im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht angewendet werden dürfen, weil sie nicht (mehr) dem Stand der Technik entsprochen habe und unrealistisch niedrige Beurteilungspegel ergebe. Dies haben die Kläger mit verschiedenen Beweisanträgen untermauern wollen, die der Senat in der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat. Hierbei bleibt es. Mit der Anknüpfung an den Stand der Technik stellen die Kläger die Anwendbarkeit der Schall 03 1990 anhand eines rechtlich unzutreffenden Maßstabs infrage. 61 aa) Als Anlage zur 16. BImSchV ist die Schall 03 1990 Bestandteil des immissionsschutzrechtlichen Lärmschutzkonzepts für Schienenwege und mit normativer Verbindlichkeit ausgestattet. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV n.F., der bestimmt - ohne insofern ein Ermessen einzuräumen -, dass die Beurteilungspegel für Schienenwege nach der Anlage 2 zu dieser Verordnung - nach Absatz 3 in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung - zu berechnen sind. Diese normative Verbindlichkeit kann nur durch einen zur Nichtigkeit führenden Widerspruch zu höherrangigem Recht beseitigt werden. Die Kläger irren, wenn sie einen solchen Widerspruch aus der - vermeintlichen - Missachtung des Standes der Technik ableiten wollen. Innerhalb des Lärmschutzkonzepts für Verkehrswege nach §§ 41 ff. BImSchG sind nur Maßnahmen des Vorhabenträgers zur Vermeidung von Verkehrsgeräuschen am Stand der Technik zu messen (§ 41 Abs. 1 BImSchG). Der Verordnungsgeber ist bei seinen Vorgaben für das Berechnungsverfahren nicht hierauf verpflichtet; die ihm erteilte Ermächtigung in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zum Erlass von Vorschriften ""über das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen oder Immissionen"", enthält keine derartige Vorgabe. Das verkennen die Kläger mit ihren Beweisanträgen zu 9 und 10 und ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2017 (Anlage 11 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Diese Konzeption ist im Zusammenhang des Bundes-Immissionsschutzgesetzes folgerichtig. Das Gesetz verpflichtet nur Betreiber von Anlagen, den Stand der Technik zu beachten (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 3 Nr. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG). Mit diesem Begriff nimmt das Gesetz Bezug auf außerrechtliche Standards (vgl. § 3 Abs. 6 BImSchG), die teilweise normativ konkretisiert werden (wie in der 1., 2. und 31. BImSchV), denen der Gesetz- und Verordnungsgeber aber nicht selbst unterworfen ist. Daher ist es unerheblich, ob die Schall 03 1990 - wie es die Kläger in Abrede stellen - das Schallausbreitungsmodell der ISO 9613-2 berücksichtigt, selbst wenn dieses Regelwerk den Stand der Technik verkörpern würde. 62 bb) Eine Verpflichtung des Verordnungsgebers, seine Berechnungsvorschriften für Verkehrsgeräusche fortlaufend dem Stand der Technik anzupassen, lässt sich auch sonst nicht aus höherrangigem Recht herleiten. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber steht nach gefestigter Rechtsprechung nicht nur bei der Festlegung der Immissionsgrenzwerte, sondern auch bei der Bestimmung des Rechenverfahrens zur Ermittlung der Immissionsbelastung ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der einer gerichtlichen Nachprüfung nur begrenzt offensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 7 A 11.10 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 28). 63 e) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber hier die Grenzen seines normativen Ermessens überschritten hat. Das wäre nur der Fall, wenn die bei Anwendung der Schall 03 1990 rechnerisch ermittelte Geräuschbelastung die Wirklichkeit völlig unzulänglich abbilden und damit die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dafür ist aber auch gemessen daran, was in den Beweisanträgen zu 3, 9 und 10 gegen die Tauglichkeit der Schall 03 1990 vorgebracht worden ist, nichts erkennbar. Namentlich haben die Kläger keine Belege dafür beigebracht, dass die rechnerisch ermittelte Geräuschbelastung unter der, wie auch immer zu bestimmenden, ""wirklichen"" Belastung liegt und die 16. BImSchV in der Kombination mit den Schutzmaßnahmen, die an die festgelegten Grenzwerte anknüpfen, das diesem Regelwerk immanente Schutzziel verfehlt. Die Kläger machen zur Begründung ihrer Ansicht vor allem geltend, es müsse abweichend von den verordnungsrechtlichen Vorgaben gerechnet werden. Damit bringen sie nichts vor, was die Verwertbarkeit der schalltechnischen Berechnungen, die sich an das Regelwerk halten, generell oder im Detail infrage stellen würde. Im Einzelnen ist dazu Folgendes auszuführen: 64 aa) Es überschreitet nicht den Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, dass die Schall 03 1990 zur Darstellung der Immissionsbelastung ausschließlich auf Beurteilungspegel, also bewertete Mittelungspegel abstellt (vgl. § 3 der 16. BImSchV 1990) und nicht zusätzlich Maximalschallpegel (""Spitzenpegel"") berücksichtigt. Mittelungs- bzw. Dauerschallpegel sind als geeignete Kenngrößen zur Beurteilung zahlreicher Lärmwirkungen der Immissionen intermittierender Schallquellen, wie sie Verkehrswege darstellen, anerkannt und auch international gebräuchlich (vgl. Gottlob/Vogelsang, in: Müller/Möser, Taschenbuch der Technischen Akustik, 3. Aufl. 2004, 5.2.3, S. 105 f. sowie Möhler, Spitzenpegel beim Schienenverkehrslärm, ZfL 37 (1990), S. 35 ff.; Expertenanhörung zur Minderung des Verkehrslärms an Straßen und Schienen, Protokoll der öffentlichen Anhörung in der 22. Sitzung des BT-Ausschusses für Verkehr vom 17. Januar 1996, S. 11 f., 15 f., 17 f., 367 f. und 425 ; vgl. auch die DIN 45641). 65 Den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung folgend, die von den Klägern nicht substanziiert infrage gestellt worden sind, akzeptiert die Rechtsprechung seit langem, dass der Verordnungsgeber in der 16. BImSchV - wie in anderen Regelwerken auch - ausschließlich auf Mittelungspegel abstellt und Maximalpegel nicht gesondert zur Bewertung der Belastung heranzieht. Damit ist das normative Ermessen nicht überschritten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2003 - 9 B 59.02 - juris Rn. 64 und Urteil vom 18. März 1998 - 11 A 55.96 - BVerwGE 106, 241 <246 >). Dieses erlaubt nämlich, bei der Erstellung einer Lärmschutzkonzeption, deren integraler Bestandteil das Rechenverfahren ist, gegenläufige öffentliche und private Interessen und Aspekte der Praktikabilität wie Einfachheit der Verfahren, einheitliche Anwendbarkeit und internationale Vergleichbarkeit mit zu berücksichtigen, soweit die Korrelation mit Lärmwirkungen gewahrt bleibt. Dies gilt auch, soweit es um die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle geht (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 376 f.). Dass der Gesetz- und Verordnungsgeber Mittelungspegel weiterhin für geeignet erachtet, innerhalb des Konzepts der §§ 41 ff. BImSchG und der 16. BImSchV für die angestrebte Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche zu sorgen, zeigt der Umstand, dass auch die Neufassung der Schall 03 von 2014 (Anlage 2 der 16. BImSchV i.d.F. von Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2014, BGBl. I S. 2269) ausschließlich Mittelungspegel für maßgebend erachtet. 66 Für einen Ausnahmefall, in dem es geboten sein kann, zusätzlich Maximalpegel zur Bewertung heranzuziehen, ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht allein daraus, dass Schienenverkehr intermittierende, also zeitlich schwankende Geräusche mit teils hohen Pegelspitzen hervorruft. Der Verordnungsgeber hat in Kenntnis dieses Umstandes von der regelhaften Berücksichtigung von Maximalpegeln abgesehen. Gerechtfertigt ist dies dadurch, dass in einen Mittelungspegel alle Schallanteile gemäß ihrer Stärke, Dauer und Häufigkeit eingehen und bei der Mittelung hohe Einzelpegel wesentlich stärker berücksichtigt werden als niedrige (vgl. Arps, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 10 Rn. 94 f.; Isermann, in: Ziekow, a.a.O., § 15 Rn. 125, 208). Daraus, dass das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm zusätzlich auf Maximalschallpegel abstellt, ergibt sich nichts anderes. Für Fluglärm lagen dem Gesetzgeber bei der Novellierung des Fluglärmgesetzes Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung über die Wirkungen von Maximalpegeln vor, die es möglich und sinnvoll scheinen ließen, sie neben Mittelungspegeln zu berücksichtigen (vgl. Isermann, in: Ziekow, a.a.O., § 15 Rn. 133 ff.). Die Kläger haben nicht aufgezeigt, dass für Schienenverkehrslärm entsprechend konkrete, über den Aussagewert von Beurteilungspegeln hinausgehende Erkenntnisse vorliegen, und der Gesetz- oder Verordnungsgeber seinen Spielraum durch Nichtbeachtung dieser Erkenntnisse überschreiten würde. 67 bb) Bei der Berechnung der Beurteilungspegel war der so genannte Schienenbonus zu berücksichtigen (zutreffend PFB S. 248). Die Schall 03 1990 sieht in der hier noch anzuwendenden Fassung vor, dass von den sich rechnerisch ergebenden Mittelungspegeln für den Tag und die Nacht ein Abschlag von 5 dB(A) vorzunehmen ist (Korrektursummand S der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV a.F.). 68 (1) Die Berücksichtigung des Schienenbonus ist mit § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.d.F. des Elften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 2. Juli 2013 (BGBl. I S. 1943) vereinbar. Nach dieser Übergangsvorschrift darf der Schienenbonus auf den Abschnitt einer Eisenbahnstrecke, der - wie hier - nach dem 1. Januar 2015 planfestgestellt worden ist, angewendet werden, wenn das Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben bereits vor dem 1. Januar 2015 eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden war. Das ist hier der Fall. 69 (2) Die Anwendung des Schienenbonus in den Übergangsfristen des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies hat der Senat im Urteil vom 8. September 2016 (BVerwG 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 48 ff.) im Einzelnen begründet. Hierauf wird Bezug genommen. Die Angriffe der Kläger, die sich im Wesentlichen in Hinweisen auf Literatur erschöpfen, geben keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzurücken und die Frage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Mit Blick auf den Vortrag der Kläger ist nur Folgendes zu ergänzen: 70 Der Gesetzgeber und die vollziehende Gewalt erfüllen durch §§ 41 ff. BImSchG und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen ihre verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrslärm. Der dem Gesetzgeber bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht zukommende weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich lässt Raum, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Eine Verletzung der Schutzpflicht kann daher gerichtlich nur festgestellt werden, wenn öffentliche Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen werden oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54 <74 ff.>; BVerwG, Urteil vom 5. März 1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <130>). Diese Beurteilung hat das immissionsschutzrechtliche Schutzkonzept umfassend in den Blick zu nehmen. Das verkennen die Kläger mit der bloßen Bezugnahme auf die vorgelegten Lärmstudien. Die Aussage, dass Schienenverkehrsgeräusche das relative Risiko für Gesundheitsbeeinträchtigungen erhöhen können, ist als solche unbestritten und liegt dem gesetzlichen Konzept zugrunde. Die Höhe und damit die Relevanz des Risikos für die staatliche Schutzpflicht hängen aber namentlich von der Stärke, Dauer und Häufigkeit der Geräusche ab, denen Betroffene ausgesetzt sind. Gerade insoweit bestehen aber, was auch in den vorgelegten Studien zum Ausdruck kommt, Unsicherheiten in der Lärmwirkungsforschung, die den Spielraum der Normgeber, Grenzwerte zu setzen und erst bei deren Überschreitung Schutz vorzusehen, eröffnen und nicht einengen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 52). Erkenntnisse, dass bei einer Anwendung des Schienenbonus verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Risiken bestehen, liegen nicht vor. Es liegt demgemäß im Spielraum des Gesetzgebers, den Schienenbonus trotz der Veränderungen des Zugverkehrs für eine Übergangsfrist fortgelten zu lassen, um den Aufgabenträgern zu ermöglichen, sich bei der Realisierung von Infrastrukturmaßnahmen auf die Rechtsänderung einzustellen (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des BImSchG, BT-Drs. 17/10771 S. 4). 71 (3) In Sonderheit sind die vorgelegten Studien mit Blick auf die durch das Vorhaben für die Kläger geschaffene Lage unergiebig. Der Schienenbonus ist vor allem an Strecken problematisch, die mit hohen nächtlichen Pegeln, insbesondere durch Güterverkehr, belastet sind (ebenso die Gesetzesbegründung zu § 43 BImSchG, BT-Drs. 17/10771 S. 4). Um eine solche Strecke handelt es sich hier aber nicht. Nach dem Betriebsprogramm wird auf dem planfestgestellten Abschnitt der Dresdner Bahn nachts (im Mittel) nur ein Güterverkehrszug verkehren, ansonsten überwiegend S-Bahnen sowie vier Fern- und 38 Nahverkehrszüge (vgl. Erschütterungstechnische Untersuchung, PFB Anlage 10.2 Teil 1). Bei den meisten Betroffenen werden daher die nächtlichen Grenzwerte für Allgemeine Wohngebiete (WA) mit Pegeln unter 44 dB(A) auch ohne den Schienenbonus eingehalten. Bei den Klägern zu 2 bis 4, die zu den am stärksten Betroffenen gehören, ist dies zwar nicht der Fall. Auch bei ihnen würde der nächtliche Grenzwert ohne Schienenbonus jedoch um nur 2,1 dB(A) (Kläger zu 2), 1,5 dB(A) (Klägerin zu 3) und 3,9 dB(A) (Klägerin zu 4) überschritten. Werte von 70 dB(A) tags / 60 dB(A) nachts - und damit potenzielle Gesundheitsgefährdungen - werden auch ohne Berücksichtigung des Schienenbonus weder bei ihnen noch an anderer Stelle erreicht. Da nachts praktisch keine Güterzüge verkehren, wird es allenfalls selten zu hohen Emissionspegeln kommen; diese werden durch Lärmschutzwände und die normale bauliche Ausstattung der Schlafräume so weit abgesenkt, dass gesundheitlich bedenkliche Verhältnisse nicht zu besorgen sind. Dass die Übergangsregelung für den Schienenbonus bezogen auf Strecken mit der dargestellten Zugbelegung zu einer verfassungswidrigen Belastung führen könnte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV nicht nur der Schienenbonus, sondern die Schall 03 1990 insgesamt weiter anzuwenden sind. Hiernach gehen die Berechnungen zugunsten der Anwohner davon aus, dass alle Güterwagen mit lauten Grauguss-Bremsklötzen ausgerüstet sind. Tatsächlich ist aber nur eine deutlich geringere Belastung durch leisere Güterwagen zu erwarten (vgl. PFB S. 249 f. unter Hinweis auf BT-Drs. 18/1280 S. 92 f.). 72 cc) Die Schall 03 1990 ist nicht deshalb durchgreifenden Bedenken ausgesetzt, weil sie - ebenso wie ihre Nachfolgefassung - keinen Zuschlag für Unsicherheiten der Berechnung vorsieht. Es unterliegt der Einschätzung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, einen solchen ""Unsicherheitszuschlag"" für geboten zu halten und in den Rechenvorgang zu integrieren. Die Kläger haben keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Verzicht auf einen solchen Zuschlag - im Gesamtzusammenhang des Regelwerks der Schall 03 1990 - mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Aus dem Umstand allein, dass die an einem Immissionsort gemessenen Schallpegel höher ausfallen können als der berechnete Mittelungspegel, lässt sich dies nicht folgern. Es ist Sinn einer Mittelung, die zeitlichen Schwankungen in den Pegelverläufen von intermittierenden Geräuschquellen in ortsbezogene Einzahlwerte zu integrieren, an die Aussagen über Wirkungen und die Zumutbarkeit der Belastung geknüpft werden können. Auch wenn in Mittelungspegel alle Schallanteile der erfassten Zugvorbeifahrten gemäß ihrer Stärke, Dauer und Häufigkeit eingehen, liegt es in der Natur der Sache, dass die Einzelpegel teils höher, teils niedriger ausfallen als der gemittelte Wert. 73 Abgesehen davon ist nichts dafür dargetan, dass die ""wahren"" Immissionspegel typischerweise so deutlich über den berechneten Beurteilungspegeln liegen könnten, dass sie die tatsächlichen Verhältnisse nur bei Hinzurechnung eines pauschalen Zuschlags hinreichend abbilden würden. Zu einer solchen Annahme berechtigt nicht allein der - als solches unstreitige - Umstand, dass die Schall 03 1990 in mancher Hinsicht nicht mehr den im Jahr 2014 verfügbaren Erkenntnissen und Berechnungsmöglichkeiten entspricht. Der Verordnungsgeber hat es mit Blick auf die Übereinstimmung der Rechenergebnisse mit der Wirklichkeit für ausreichend angesehen, etwaigen Ungenauigkeiten durch eine - von der mathematischen Rundungsregel abweichende - generelle Aufrundung der Gesamtbeurteilungspegel Rechnung zu tragen (vgl. die Rundungsregeln in den Anlagen 1 und 2 zu § 3 der 16. BImSchV 1990, BGBl. 1990 I S. 1036 <1037 und 1045>). Nichts anderes gilt für die Neufassung der 16. BImSchV aus dem Jahre 2014. Angesichts dessen könnte der Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers allenfalls dann als überschritten angesehen werden, wenn es wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber gäbe, welche Berechnungsungenauigkeiten bestehen, wie diese zu quantifizieren sind und dass diesen Unsicherheiten durch den von den Klägern geforderten Zuschlag (und nicht etwa durch einen wegen systematischer Überschätzung der rechnerischen Belastung gebotenen Abschlag) Rechnung getragen werden müsste. Solche Erkenntnisse haben die Kläger nicht vorgetragen. 74 dd) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Verordnungsgeber selbst bei seiner Neuregelung der Schall 03 im Jahre 2014 aus dem Erkenntnisfortschritt gegenüber 1990 nicht den Schluss auf die Unbrauchbarkeit der früheren Schallberechnung gezogen hat. Entsprechend wird in der Begründung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung der 16. BImSchV vom 30. April 2014 hervorgehoben, dass das Verfahren zur Berechnung von Schallimmissionen für Schienenwege mit den grundlegenden Funktionen und Beurteilungsmaßstäben der bisherigen Schall 03 [1990] erhalten bleibt, das Regelwerk aber Neuerungen angepasst werden soll, die sich durch die ""Weiterentwicklung der Technik und neue Erkenntnisse in den Prognoseverfahren bei Lärmberechnungsverfahren"" ergeben haben. Gegenstand der Änderung sei die ""genauere Anpassung"" der akustischen Eigenschaften der Schallquellen (Fahrzeuge, Fahrbahnen) sowie der Schallausbreitung an den Stand der Technik (BT-Drs. 18/1280 S. 87). Für Vorhaben mit herkömmlicher Bahntechnik sehe das aktualisierte Berechnungsverfahren nach Anlage 2 lediglich eine formal andere Vorschrift für den Ablauf der Berechnung vor, die sich im Ergebnis - wenn überhaupt - nur geringfügig auswirke (BT-Drs. 18/1280 S. 92). Die Verordnungsbegründung, auf die sich die Kläger maßgeblich stützen, gibt mithin nichts dafür her, dass mit der gesehenen Notwendigkeit von Anpassungen die Erkenntnis einer Unverwertbarkeit der früher berechneten Pegel einhergegangen wäre. Für eine solche Erkenntnis haben auch die Kläger nichts aufgezeigt. 75 f) Die schalltechnische Untersuchung der durch den Betrieb ausgelösten Geräuschbelastung (PFB Anlage 10.1) ist auch bei der Anwendung der Berechnungsvorgaben der Schall 03 1990 auf den streitigen Planfeststellungsabschnitt keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. 76 aa) Die schalltechnische Untersuchung leidet nicht an Mängeln, die ihre Verwertbarkeit oder Aussagekraft von vornherein beseitigen. 77 (1) Der Gutachter der Beigeladenen hat zur Berechnung der Beurteilungspegel gemäß der Schall 03 1990 das anerkannte, vielfach eingesetzte Software-Programm CadnaA (vgl. Erläuterungsbericht, PFB Anlage 10.1.1, S. 8) verwendet. Das haben auch die Kläger nicht bezweifelt. Ob dieses Programm im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung über eine Konformitätserklärung des Herstellers gemäß der von den Klägern angeführten DIN 45687 (Software-Erzeugnisse zur Berechnung der Geräuschimmissionen im Freien - Qualitätsanforderungen und Prüfbestimmungen) verfügte, ist nicht entscheidungserheblich. Die 16. BImSchV sieht eine Verpflichtung zur Qualitätssicherung von Softwareprodukten (Programme), mit denen Immissionsberechnungen gemäß den Vorgaben der Schall 03 vorgenommen werden (Sicherstellung der normgerechten Abbildung), erst seit der Neufassung von 2014 vor (vgl. Nr. 1 der Anlage 2 zu § 4). Eine entsprechende Regelung für die hier noch anzuwendende Fassung der Schall 03 1990 bestand nicht. Das erklärt sich ohne Weiteres daraus, dass die DIN-Norm, die die Qualitätssicherung regelt, aus dem Jahr 2006 stammt; dementsprechend datiert die von den Klägern vorgelegte Konformitätserklärung für das Programm SoundPLAN auch erst vom 21. Juli 2014. Eine Notwendigkeit, im Planfeststellungszeitpunkt ein mit Konformitätserklärung versehenes Rechenprogramm zu benutzen, lässt sich auch nicht anderweitig ableiten. Der Sachbeistand der Kläger Dr. N. hat nicht bestritten, dass CadnaA ein allgemein anerkanntes und seit Jahren vielfach verwendetes Programm ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 7 A 24.11 - juris Rn. 59). Ebenso wenig hat er behauptet, dass das Programm untauglich sei oder die damit berechneten Beurteilungspegel unrichtig seien. 78 (2) Es trifft auch nicht zu, dass die schalltechnische Untersuchung ""nicht nachvollziehbar"" sei, wie der Sachbeistand der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptet hat und die Kläger mit dem Beweisantrag zu 5 untermauern wollen. Rechtlich erforderlich ist insoweit nicht, dass aus den planfestgestellten Unterlagen jeder Rechenschritt nachvollziehbar hervorgeht oder ein Außenstehender die Beurteilungspegel auf der Grundlage des Gutachtens selbst nachrechnen kann. Vielmehr genügt eine Plausibilisierung dahin, dass die rechnerischen Anforderungen der Schall 03 1990, insbesondere was die nötigen Eingangsdaten angeht, erfüllt worden sind. Das ist hier, wie sich aus der schalltechnischen Untersuchung ergibt, der Fall. Dann aber wird die Aussagekraft des Gutachtens nur unter der Voraussetzung erschüttert, dass konkrete Fehler der Berechnung oder der Berechnungsgrundlagen aufgezeigt werden. Solche Fehler sind nicht erkennbar. 79 bb) Das Verfahren ""besonders überwachtes Gleis"" (büG) durfte bei der Berechnung der Beurteilungspegel angewandt und mit einer Schallpegelminderung von 3 dB berücksichtigt werden. 80 (1) Das Verfahren büG gehört zu den anerkannten Schallminderungstechniken am Gleis, die der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV dienen. Der Verordnungsgeber hat den so genannten Gleispflegeabschlag schon 1990 auf der Grundlage der amtlichen Anmerkung zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der ursprünglichen 16. BImSchV als ""lärmmindernde Maßnahme am Fahrweg"" eingeordnet (BR-Drs. 661/89 S. 47). Mit dieser Funktion hat das Bundesverwaltungsgericht den Nachweis einer Emissionsminderung aus dem Gleis-Rad-Kontakt als erbracht angesehen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - 11 A 42.97 - NVwZ 2001, 71 <72>). Seither ist das Verfahren als eine besondere Vorkehrung anerkannt, mit der ""eine weitergehende dauerhafte Lärmminderung"" erzielt wird (stRspr; BVerwG, Urteil vom 14. November 2001 - 11 A 31.00 - BVerwGE 115, 237 <244 ff.> und Beschluss vom 22. August 2007 - 9 B 8.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 47 Rn. 7 f.). Dementsprechend ist das Verfahren in der neuen Schall 03 mit einer ausdrücklichen Regelung fortgeführt worden (Nr. 4.5 der Anlage 2 zu § 4 der 16. BImSchV 2014). Die Kläger sind diesen Erkenntnissen mit ihrem Beweisantrag zu 4 nicht substanziiert entgegengetreten. 81 (2) Das Verfahren ""büG"" war auch unter der hier anwendbaren Fassung der Schall 03 1990 so präzise festgelegt, dass der mit ihm erzielbare Lärmminderungseffekt aufgrund von Erfahrungswerten als berechenbar und gesichert gelten darf. Durch die Beschreibung in der Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 (VkBl 1998, S. 262) hat es eine Standardisierung gefunden, mit der die Bedingungen, unter denen es angewandt werden kann, hinreichend fixiert sind. Soweit die Kläger bemängeln, dass es kein ""normal überwachtes Gleis"" als Bezugspunkt der Maßnahmen gebe (Beweisantrag zu 4), verkennen sie, dass das Verfahren nicht bei Abweichung von einem definierten Gleiszustand, sondern beim Überschreiten einer Auslöseschwelle zur Anwendung kommt. 82 (3) Im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss (A.4.8.3 a cc, S. 54 f.) ist das Verfahren klar und eindeutig angeordnet, der Ansatz eines Gleispflegeabschlags im Planfeststellungsabschnitt 2 auch von daher gerechtfertigt. Anzuwenden ist es danach durchgehend bei den Fern- und S-Bahngleisen außerhalb des Bahnhofs Lichtenrade, wo seine Anwendung als nicht sinnvoll angesehen wird. Das genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Regelung. 83 (4) Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass die Höhe des Gleispflegeabschlags im planfestgestellten Abschnitt generell mit 3 dB veranschlagt ist (vgl. PFB Anlage 10.1.1, schalltechnische Untersuchung, S. 14). Die Berechtigung dieses Wertes hat der Gutachter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung überzeugend als Mittelwert der Minderung über alle Zugarten erläutert. Wie schon ausgeführt, liegt es in der Natur der Mittelung, dass der tatsächliche Minderungseffekt teils niedriger, teils aber auch höher als der Mittelwert ausfällt. Derartige Pauschalierungen sind rechtlich zulässig, solange dadurch der wirkliche Effekt - hier repräsentiert durch einen Mittelwert - nicht völlig unrealistisch dargestellt wird. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Zugrundelegung eines Mittelwerts fügt sich dem System der 16. BImSchV alter wie neuer Fassung ein, das insgesamt auf eine Geräuschpegelmittelung abstellt. Soweit der Sachbeistand der Kläger Dr. N. den Minderungseffekt mit weniger als 1 dB veranschlagen will, trifft dies nur für grauklotzgebremste Güterzüge zu, die die Strecke künftig nicht mehr befahren sollen. Auch der Sachbeistand räumt ein, dass die Höhe der Minderung von der Bremsbauart abhängt (S. 8 seines Gutachtens). Für moderne Züge liegt der Minderungswert entsprechend erheblich über 3 dB. Zudem ist es plausibel, dass Güterzüge hier wegen der äußerst geringen Anzahl (mit durchschnittlich einem Zug täglich) keine spürbaren Auswirkungen auf den Gesamtminderungseffekt des Schienenschleifens haben. Von daher weckt auch die von den Klägern angeführte Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. Dezember 2005 keine Bedenken an der Berechtigung eines pauschalen Abschlags in der hier vorgenommenen Höhe. 84 cc) Es ist weiter nicht ersichtlich, dass der Einbau besohlter Schwellen, den die Planfeststellungsbehörde für Bahn-km 12,3+00 bis 13,1+20 sowie von km 13,6+40 bis km 14,7+62 als Erschütterungsschutzmaßnahme angeordnet hat (PFB S. 57), zu einer in der schalltechnischen Untersuchung zu Unrecht vernachlässigten Erhöhung der Emissionspegel führen würde. Der Gutachter der Beigeladenen hat bei der Berechnung der Emissionspegel den Einfluss der Fahrbahnart ""Schotterbett mit Betonschwellen"" gemäß Tabelle C der Schall 03 1990 mit einem Zuschlag DFb = 2 dB(A) berücksichtigt (STU, Erläuterungsbericht, Anlage 10.1.1, S. 11). Anlass, den Einfluss besohlter Schwellen mit einem höheren Korrekturwert zu veranschlagen, sieht der Verordnungsgeber weder in der anzuwendenden noch in der jetzigen Fassung der Schall 03 (vgl. dort Tabelle 7). Ihre Behauptung, dass diese Einschätzung unzutreffend sei und besohlte Schwellen zu der Pegelerhöhung um 4 dB(A) führen würden, haben die Kläger durch nichts belegt. 85 dd) Die Bildung eines Gesamtlärm- oder Summenpegels für Schienen- und Straßenverkehrsgeräusche war hier nicht geboten. Das überkommene Lärmschutzsystem ist durch ein Nebeneinander von Regelwerken gekennzeichnet, welche die von ihnen erfassten Geräuscharten jeweils isoliert bewerten, also bereichsfremde Geräuschquellen aus der Betrachtung ausblenden. Diese geräuschquellenbezogene Betrachtung ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2010 - 4 BN 28.10 - ZfBR 2011, 165 <165 f.> m.w.N.). Lediglich dann, wenn ein neuer oder zu ändernder Verkehrsweg im Zusammenwirken mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege insgesamt eine Belastung hervorruft, die den kritischen Bereich der Gesundheitsgefährdung erreicht oder zu einem Eingriff in die Substanz des Eigentums führt, darf es mit einer bloß sektoralen Betrachtung nicht sein Bewenden haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 389 f., 394 f. m.w.N.). Eine solche Gesamtbelastung wird durch den Ausbau des streitigen Streckenabschnitts aber nicht hervorgerufen. Die Planfeststellungsbehörde hat die Bildung eines Summenpegels hier, gestützt auf die nicht entkräfteten Berechnungen des Gutachters, schon deshalb zu Recht abgelehnt, weil das Vorhaben die bei den Anliegern auftretenden Immissionen wegen der zu errichtenden Lärmschutzwände nicht erhöhen, sondern verringern wird (PFB S. 251 f.). Die Eisenbahnüber- bzw. Straßenunterführung Bahnhofstraße stellt im Übrigen keine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV dar, weil sich die Beurteilungspegel für Straßenverkehrsgeräusche nicht um mindestens 3 dB(A) erhöhen (vgl. PFB Anlage 10.1.8, S. 14). 86 g) Den Berechnungen liegt ein nicht zu beanstandendes Betriebsprogramm zugrunde. Die Befürchtungen der Kläger, es werde deutlich mehr Schienenverkehr abgewickelt als den Berechnungen der Immissionsbelastung zugrunde gelegt worden ist, sind unberechtigt; ihnen fehlt eine hinreichende tatsächliche Grundlage. 87 aa) Dass der Planung, namentlich auch der Verkehrsprognose, der Prognosehorizont 2025 zugrunde liegt, ist nicht zu beanstanden. Für die Prognose der Verkehrsentwicklung gibt der Gesetzgeber keinen festen Zeitrahmen vor. Mit Blick auf die von der Planfeststellung ausgehende Duldungswirkung (§ 75 Abs. 2 VwVfG), mit der die Prognoseentscheidung einen engen Zusammenhang aufweist, ist derjenige überschaubare Zeitraum zu wählen, in dem sich ein voraussichtlich dauerhaftes Verkehrsgeschehen eingestellt haben wird. Denn die Verkehrsprognose soll die Grundlage zu einer möglichst lange Bestand behaltenden Bewältigung jener Probleme schaffen, die durch den Betrieb der geplanten Strecke aufgeworfen werden (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 24). Der hier gewählte Zeitraum von zehn Jahren ab Planfeststellung bewegt sich im Rahmen des für Verkehrsprognosen Üblichen (zu Recht PFB S. 234). Dass der Prognosehorizont ausgehend von der Inbetriebnahme der Strecke bestimmt wird, können die Kläger nicht verlangen. Wie auch sonst hat die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 23 m.w.N.). 88 bb) Das für das Jahr 2025 prognostizierte Betriebsprogramm (PFB S. 262) ist keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Das Gericht hat insoweit nur zu prüfen, ob die Prognose mit den zu jener Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Zu beanstanden ist eine Prognose demnach nicht, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 6. April 2017 - 4 B 5.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​060417B4B5.16.0] - juris Rn. 14 m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier erfüllt. Die Prognose beschreibt ein tragfähiges, voraussichtlich dauerhaftes Verkehrsszenario. 89 (1) Der Gutachter und die Planfeststellungsbehörde haben - übereinstimmend mit den Vorgaben der Rechtsprechung - nicht die Vollauslastung der Strecke zugrunde gelegt, sondern deren voraussehbare Durchschnittsbelastung, wie sie auf der Grundlage eines realistischen Betriebsablaufs zu erwarten ist (vgl. PFB S. 233). Die dabei getroffenen Annahmen der Beigeladenen (Erläuterungsbericht, Anlage 10.1.1, Teil 1, S. 16) sind methodengerecht erarbeitet worden. Ihnen liegen die Netzverknüpfungen, Destinationen und Betriebsrichtungen zugrunde, die sich infolge des Ausbaus der Dresdner Bahn ergeben werden (PFB Anlage 10.1.2). Das Zugmengengerüst folgt aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003 mit dem Prognosejahr 2015; es wurde im Jahr 2010 auf der Basis der Verkehrsprognose 2025 überprüft und mit den Bestellungen der Länder Berlin und Brandenburg abgeglichen (PFB S. 234 und Anlage 10.1.2). Seit 2014 standen mit der Verkehrsprognose 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) - abrufbar von www.bmvi.de - zwar aktuellere Zahlen zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 166); es ist jedoch nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass diese im Zeitpunkt der Planfeststellung so aufbereitet waren, dass sich aus ihnen belastbare Aussagen über lokale Verkehrsströme hätten ableiten lassen. Aus der Kombination der prognostizierten Zugzahlen mit den Geschwindigkeiten und Zuglängen sind die Taktungen errechnet worden, die letztlich das Gesamtverkehrsaufkommen auf dem Streckenabschnitt ausmachen werden. Insgesamt ist danach plausibel, dass das künftige Verkehrsgeschehen in Lichtenrade ganz überwiegend durch den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV mit Regionalexpress, Flughafenshuttle und S-Bahn) bestimmt wird, nämlich zu über 90% im nördlichen Streckenabschnitt und zu ca. 86% im südlichen Abschnitt. Für den Fernverkehr prognostizieren die Beigeladenen eine stündliche ICE-Verbindung in der Relation Berlin-Dresden (entspricht 32 Zügen in 24 Stunden) und im Zweistundentakt eine neue IC-Verbindung nach Cottbus, die unter anderem über Berlin Hauptbahnhof und den Flughafen BER führt (zusätzlich 16 Fernzüge in 24 Stunden), insgesamt also 48 Züge. Der prognostizierte Einstundentakt des ICE entspricht dem üblichen Angebot des Fernverkehrs zwischen den größeren deutschen Städten und Verkehrsknotenpunkten. In der Summe ergeben sich im nördlichen Abschnitt der Strecke in beiden Richtungen täglich 613 Züge bis Lichtenrade (ÖPNV 557, Personenfern- und Güterverkehr 56) und 391 Züge bis Mahlow, da ab dem S-Bahnhof Lichtenrade statt 358 nur noch 136 S-Bahnen verkehren sollen (siehe PFB S. 82 f.). 90 (2) Durchgreifende Einwände gegen diese Berechnungen sind von den Klägern weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Dass die Prognose 2015 von geringfügig höheren Zugzahlen (+20 ICE, +8 S-Bahnen, +8 Güterzügen, hingegen -15 Regionalbahnen, insgesamt +21 Züge) ausging, weckt keine Bedenken. Es zeigt im Gegenteil die relative Stabilität des Verkehrsaufkommens über die Zeit. Dass sich in einem deutlich späteren Prognosezeitpunkt gewisse Verschiebungen ergeben, liegt in der Natur der Sache. 91 (3) Die Kläger meinen, es seien konkret absehbare Entwicklungen vernachlässigt worden, die eine wesentliche Steigerung namentlich des Güterverkehrs, aber auch des Regionalverkehrs befürchten ließen (Beweisanträge zu 1 und 2). Diese Befürchtungen sind, so verständlich sie im Angesicht von Prognosen erscheinen mögen, im Ergebnis nicht geeignet, die Betriebsprognose zu erschüttern. 92 Das Aufkommen an S-Bahnen, Regionalbahnen und ICE steht aufgrund der in sich schlüssigen Taktungen fest. Greifbare Anhaltspunkte, dass es in diesen Bereichen zu Steigerungen kommen könnte, fehlen. Die Beklagte und die Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass die vorgesehenen Verbindungen im S- und Regionalbahnverkehr den Bedarf abdecken und eine dichtere Vertaktung der S-Bahnen, die die Kläger aufgrund eines angenommenen zusätzlichen Bedarfs an Flughafenverbindungen vermuten, nicht erforderlich ist und aus eisenbahnbetrieblichen Gründen auch nicht angestrebt wird. Zwar wäre ein 10-Minuten-Takt auch auf dem eingleisigen Teilabschnitt der S-Bahn-Strecke technisch machbar; es käme aber zu Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe, insbesondere zu Verspätungen im Nord-Süd-Tunnel unter dem Zentrum Berlins. Eine noch engere Vertaktung unter Inkaufnahme von Verspätungen wäre auch nicht erforderlich, weil die beiden RE-Strecken ebenfalls den Flughafen anfahren und den Großteil der Fluggäste voraussichtlich auch dann noch aufnehmen werden, wenn der Flughafen Berlin-Brandenburg in Betrieb genommen wird. 93 Im Segment des Güterverkehrs ist zusätzlicher Verkehr auf der Dresdner Bahn ebenfalls nicht zu erwarten. Der Güterverkehr im Berliner Raum wird im Wesentlichen auf dem Berliner Außenring abgewickelt (PFB S. 235 f.). Es spricht nichts dafür, dass sich hieran etwas ändern wird. Die Beklagte und die Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung plausibel erläutert, dass dem Güterverkehr aufgrund der Netzstrukturen in Berlin kaum attraktive Fahrwege zur Verfügung stehen (ebenso PFB S. 236). Die Annahme der Kläger, der nach Süden strebende Güterverkehr werde künftig die kürzere Strecke über die Dresdner Bahn nehmen (Beweisantrag zu 2), hat keine Grundlage. Da Güterverkehr im Nord-Süd-Tunnel ausgeschlossen ist, erforderte die Anbindung der nördlichen Güterstrecken beträchtliche Ausbaumaßnahmen, insbesondere in Gestalt von Streckenelektrifizierungen, in Berlin und auf dem Berliner Südring. Derartige Ausbauabsichten der Beigeladenen, die die Kläger unter Berufung auf Presseberichte für konkret halten (Beweisantrag zu 1), haben nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung auf absehbare Zeit keine Realisierungschancen. Im Übrigen ist der für die Elektrifizierung erforderliche Antrag auf Planfeststellung erst im Dezember 2016 - also nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung - gestellt worden. 94 Ihre gegenteiligen Befürchtungen können die Kläger schließlich nicht mit den Projekten stützen, die in dem Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2015 (Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 15. Juni 2017, BT-Drs. 18/12764) aufgeführt sind. Dieser Bericht ist unergiebig, was den im vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden Ausbau des Berliner Südrings angeht. Soweit sich die Kläger auf B.4.28 berufen, betrifft das dort (a.a.O. S. 105) genannte Projekt Nr. 27b (Ausbau des Knotens Berlin) den Wiederaufbau und die Elektrifizierung des nördlichen Abschnitts des Berliner Innenrings, der bereits jetzt für Güterverkehr genutzt wird. 95 7. Der gebotene Schutz vor betriebsbedingten Erschütterungen ist gewährleistet. Weitergehenden Schutz können die Kläger nicht beanspruchen. 96 a) Ansprüche auf Erschütterungsschutz beurteilen sich nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG. Das Schutzregime der §§ 41 ff. BImSchG gilt nur für Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 79 m.w.N.). Schutzvorkehrungen sind gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anzuordnen, wenn dies zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich ist. Die damit angesprochene Zumutbarkeitsschwelle ist bei Einwirkungen durch Erschütterungen nicht durch gesetzliche Grenzwerte festgelegt, sondern nach den Verhältnissen im Einzelfall zu bestimmen. Maßgeblich sind Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nutzung am jeweiligen Immissionsort. Diese richten sich nach der Art des Gebietes und den weiteren konkreten tatsächlichen Verhältnissen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 27). 97 Die Planfeststellungsbehörde hat zur Berücksichtigung der Vorbelastung des betroffenen Gebiets durch Erschütterungen aus Eisenbahnverkehr die vorhabenbedingten Erschütterungen erst dann als unzumutbar angesehen, wenn die Beurteilungsschwingstärken größer als die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte nach Tabelle 1 der DIN 4150-2 sind. Das ist unter den hier gegebenen Umständen im Ergebnis nicht zu beanstanden. 98 b) Die Bewertung der Zumutbarkeit der zu erwartenden Erschütterungen darf beim Ausbau einer Strecke an die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastung anknüpfen, jedenfalls sofern diese nicht die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle übersteigt. Denn die immissionsschutzrechtliche Situation ist entscheidend durch den vorhandenen Bestand geprägt. Aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgen besondere Duldungspflichten, sodass Erschütterungen, die sich im Rahmen einer plangegebenen oder tatsächlichen Vorbelastung halten, deswegen - jedenfalls in aller Regel - hinzunehmen sind. Das gilt auch, wenn die Vorbelastung die Anhaltswerte der DIN 4150-2 übersteigt. Ein Anspruch auf eine Verbesserung der vorhandenen Situation im Sinne einer Erschütterungssanierung besteht im Gegensatz zum Lärmschutz, wo dieser im Anwendungsbereich der 16. BImSchV gewährleistet ist, nicht. Maßnahmen zum Erschütterungsschutz können nur dann verlangt werden, wenn die Erschütterungsbelastung sich durch den Ausbau in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, dem Betroffenen billigerweise nicht mehr zumutbare Belastung liegt (stRspr, BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 28). 99 c) Die Kläger müssen sich hier eine - über den tatsächlichen Betrieb bei Planfeststellung hinausgehende - plangegebene Vorbelastung durch eine zweigleisige Strecke für den S-Bahn- und sonstigen Personennahverkehr sowie Güter- und Fernverkehr entgegenhalten lassen. Der kriegsfolgenbedingte Abbau eines Gleises im Jahr 1946 und die Einstellung des Bahnbetriebs zwischen Lichtenrade und Mahlow nach dem Bau der Mauer führen nicht dazu, dass der bis Kriegsende abgewickelte Bahnbetrieb außer Ansatz bleiben müsste. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Gestaltungswirkung früherer Planungen nicht schon dadurch beseitigt worden, dass die Besatzungsmacht die Demontage des Gleises angeordnet hat (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - 7 A 19.94 - BVerwGE 99, 166). Etwas anderes gilt nur, wenn eine Bahnanlage ihre Zweckbestimmung durch ausdrücklichen Hoheitsakt oder durch eine zur Funktionslosigkeit führende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse verloren hatte. Letzteres ist nur der Fall, wenn die Verhältnisse wegen der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hatten, der die Wiederaufnahme des Streckenbetriebs auf unabsehbare Zeit ausschloss (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 - 7 A 19.94 - a.a.O. <169 f.>). Das ist hier nicht der Fall. Entwidmet wurde die Strecke nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin nicht (OVG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 1991 - 2 S 18.90 [ECLI:​DE:​OVGBEBB:​1991:​0208.2S18.90.0A] - juris Rn. 46 ff.). 100 d) Will eine Planfeststellungsbehörde ihre Festsetzung der Zumutbarkeitsschwelle an der tatsächlichen oder plangegebenen Vorbelastung orientieren, ist sie allerdings grundsätzlich gehalten, diese zu ermitteln und im Planfeststellungsbeschluss festzulegen, damit im Interesse der Immissionsbetroffenen die Grenzen der Duldungspflicht bestimmt und Schutzvorkehrungen gegen darüber hinausgehende Belastungen angeordnet werden können (BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 45 zur Lärmbetroffenheit). Dazu muss die Planfeststellungsbehörde ein möglichst realitätsnahes Betriebsprogramm ermitteln, mit dem die Streckenanlieger bei wertender Betrachtung für den Fall rechnen müssen, dass die Strecke nicht ausgebaut würde. 101 e) Ein solches Betriebsprogramm zu fixieren hat sich die Planfeststellungsbehörde hier außerstande gesehen (PFB S. 262 ff.). Sie hat im Ergebnis nachvollziehbar angenommen, dass das realistische Betriebsszenario (der planerische Null-Fall) weder mit der heute technisch möglichen Maximalauslastung gleichzusetzen ist noch mit dem prognostizierten Betriebsprogramm, das auf vier bzw. drei Gleisen ausgelegt ist und auf der Bestandsstrecke nicht abgewickelt werden könnte (PFB S. 262). Andererseits ist es nicht von vornherein undenkbar, ein nach Zugzahlen, -arten und -geschwindigkeiten heute realistisches Betriebsszenario zu entwickeln. Das haben die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eindrücklich dokumentiert, indem sie die im Fahrplan von 1939 aufgeführten Züge in ein Betriebsprogramm umgerechnet haben. Eine solche Betrachtung spiegelt jedoch nur die historischen Verhältnisse belastbar wieder. Eine schlichte Fortschreibung würde den Verhältnissen nicht gerecht, weil nach Kriegsende massive Änderungen der Netzstrukturen im Berliner Raum stattgefunden haben (dazu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 28 ff.). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 262) hebt insoweit hervor, dass der historische Anhalter Bahnhof, der bis 1952 als Ausgangspunkt für Zugverkehr zwischen Berlin und Dresden diente, als Fernbahnhof nicht mehr existiert und mit dem Bau des Nord-Süd-Tunnels im Berliner Stadtzentrum neue Netzverknüpfungen geschaffen wurden. Dies hat etwa dazu geführt, dass - wie oben gezeigt - die Strecke für den früher zahlreichen Güterverkehr unattraktiv geworden ist. 102 f) Ob diese Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines realistischen Betriebsszenarios es rechtfertigten, zur Ermittlung der plangegebenen Vorbelastung ein plausibles Zugmengengerüst für die zweigleisige Mischverkehrsstrecke nicht jedenfalls abzuschätzen, kann offenbleiben. Bereits eine grobe Abschätzung der plangegebenen Vorbelastung ausgehend von der ermittelten Erschütterungsbelastung durch den tatsächlichen S-Bahn- und Güterverkehr im Jahr 1997 ergibt, dass die pauschale Erhöhung der Anhaltswerte der Tabelle 1 der DIN 4150-2 um den Faktor 1,5 auf der sicheren Seite liegt und nicht zulasten der Kläger geht. 103 aa) Die Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar; der Planfeststellungsbehörde kommt insofern kein Spielraum zu. Die Festlegung erfolgt im Wege einer Güterabwägung, die die konkreten Gegebenheiten der emittierenden wie der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zu ziehen hat, also auch die berechtigten Belange der Beigeladenen einstellen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <362>). 104 Zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungen darf, wie geschehen, auf die Beurteilungs- bzw. Anhaltswerte der DIN 4150 (Erschütterungen im Bauwesen, Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden, und Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen) zurückgegriffen werden. Die Tauglichkeit dieses Regelwerks zur Beurteilung von Erschütterungen ist in Fachkreisen und in der Rechtsprechung allgemein anerkannt. Bei Einhaltung der empfohlenen Werte kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass erhebliche Belästigungen von Menschen und Schäden an Gebäuden durch Erschütterungen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen vermieden werden (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 80 m.w.N.). 105 bb) Aus der DIN 4150-2 lässt sich für die vorliegende Fallgestaltung kein von vornherein klares Ergebnis ableiten. Die Anhaltswerte der Tabelle 1 (zu Nr. 6.3) der DIN 4150-2 gelten unmittelbar nur für ""neu zu bauende Strecken"" im Schienenverkehr (a.a.O. Nr. 6.5.3.4 Buchst. a Satz 1). Um eine neue Strecke handelt es sich bei dem Planfeststellungsabschnitt aber auch mit Blick auf die anzubauenden Fernbahngleise weder im Sinne der DIN-Norm noch nach allgemeinen Grundsätzen. Es leuchtet ohne Weiteres ein, wenn Nr. 6.5.3.4 Buchst. a Satz 2 der DIN 4150-2 nur solche Strecken als ""neu"" bewertet, deren Trasse so weit von bestehenden Trassen entfernt verläuft, dass deren Erschütterungseinwirkungen vernachlässigt werden können. Das ist bei dem planfestgestellten Vorhaben wegen der engen Parallelführung der künftigen Fernbahngleise mit den S-Bahn-Gleisen nicht der Fall. Für Mischverkehre auf einer auszubauenden Strecke, denen die Bestandsstrecke bisher gedient hat und weiter dienen soll, spricht die DIN 4150-2 ihren Anhaltswerten selbst die Eignung als Zumutbarkeitskriterien ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <392>). Die Grenze der Zumutbarkeit muss daher im Einzelfall festgestellt werden (so auch Nr. 6.5.3.4 Buchst. c Satz 4 der DIN 4150-2). 106 cc) Die Einhaltung der Werte für Neubauvorhaben nach Tabelle 1 der DIN 4150-2 können die Kläger danach nicht verlangen. Ein Vorhabenträger muss nur für solche Beeinträchtigungen einstehen, die seinem Vorhaben zurechenbar sind. Werden die Anhaltswerte bereits ohne das Vorhaben überschritten, muss er anlässlich der Änderung grundsätzlich nicht für deren Einhaltung sorgen; denn dies würde auf eine Pflicht zur Sanierung der vom Vorhaben nicht verursachten Einwirkungen hinauslaufen. Daher sind Anwohnern bei einer Vorbelastung, die nicht die Schwelle zur Eigentums- bzw. Gesundheitsverletzung überschreitet, Erschütterungen im Umfang der plangegebenen Vorbelastung plus 25% zumutbar. Diese Erhöhung rechtfertigt sich daraus, dass eine Zusatzbelastung von 25% nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis die Wahrnehmungsschwelle für Unterschiede der Beurteilungsschwingstärke darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 31 ff.). 107 dd) Die Berechtigung zur Anhebung der Neubauwerte um den Faktor 1,5 als Schwelle der Zumutbarkeit ergibt sich nicht schon aus der Regelung in Nr. 6.5.3.3 der DIN 4150-2, wonach für oberirdische Schienenwege des ÖPNV die um den Faktor 1,5 angehobenen Au- und Ar-Werte nach Tabelle 1 gelten. Die Heranziehung dieser Regelung würde den prognostizierten Mischverkehr entgegen der Zielsetzung der DIN-Norm privilegieren. Ausweislich der Erläuterung in Anhang D (S. 20 zu Nr. 6.5.3.3) der DIN 4150-2 geht die generelle Anhebung der Anhaltswerte für ÖPNV auf Wirkungsstudien zurück, nach denen Erschütterungseinwirkungen durch Personennahverkehr als deutlich weniger störend eingestuft werden als entsprechende Einwirkungen des Fernverkehrs. 108 ee) Die Erhöhung der Anhaltswerte um den Faktor 1,5 ist aber auf der Grundlage einer groben Abschätzung der Vorbelastung gerechtfertigt. Die Beigeladenen können sich darauf berufen, dass die Bestandsstrecke ihre historische Prägung als Hauptstrecke für Nah-, Güter- und Fernverkehrszüge nicht verloren hat. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Nah-, Güter- und Fernverkehr auf der Bestandsstrecke in dem zu berücksichtigenden Umfang jedenfalls in einem gleisnahen Korridor Erschütterungen auslösen würde, die deutlich oberhalb der Anhaltswerte der Tabelle 1 liegen. Dieser Erfahrungssatz für bestehende Trassen (vgl. Nr. 6.5.3.4 Buchst. c Satz 1 der DIN 4150-2) ist durch die in der mündlichen Verhandlung erörterten Messungen schon der tatsächlichen (Vor)Belastung vollauf bestätigt worden. Die erschütterungstechnische Untersuchung der Beigeladenen aus dem Jahr 1997, die den ursprünglichen Planunterlagen beigefügt worden war, bezog sich auf einen tatsächlichen Verkehr, der quantitativ wie qualitativ weit hinter der Vorbelastung durch den Mischverkehr der historisch bestehenden zweigleisigen Eisenbahnhauptstrecke Berlin-Dresden zurückblieb (S-Bahnen: 186 am Tag, 28 in der Nacht; Güterzüge: 7 am Tag, 2 in der Nacht). Bereits der tatsächliche Verkehr rief Erschütterungen hervor, die an 17 von 31 exemplarisch untersuchten Gebäuden die einfachen und teilweise sogar die auf das 1,5-fache angehobenen Ar-Werte überschritten. Hieraus ergibt sich, wie der Gutachter der Beigeladenen erläutert hat, dass der angehobene Ar-Wert nach dem Eisenbahnverkehr des Jahres 1997 oft erreicht oder fast erreicht wird, wenn man den gemessenen Überschreitungen der Neubauwerte den oben erläuterten Wahrnehmungsschwellenwert von 25% hinzurechnet. Auch dies belegt, dass die Kläger und gleichartig Betroffene aufgrund der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle keinesfalls mehr zu gewärtigen haben werden, als aus einem Mischverkehr auf der plangegebenen zweigleisigen Hauptstrecke. 109 ff) Die um 50% angehobenen Anhaltswerte der Tabelle 1 sind nicht bedenklich. Von der verfassungsrechtlichen Grenze der Zumutbarkeit - also gesundheitsbedenklichen oder substanzschädigenden Werten - sind sie weit entfernt. Das zeigt der bereits angesprochene Umstand, dass die Anhebung der Ar-Neubauwerte um 25% als nicht wahrnehmbar zu betrachten ist und die 1,5-fachen Neubauwerte bei reinem ÖPNV-Betrieb für ohne Weiteres zumutbar erachtet werden. 110 g) Das Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses gegen Erschütterungsbelastungen aus dem prognostizierten Eisenbahnbetrieb entspricht dem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich akzeptierten Vorgehen. 111 aa) Als aktive Erschütterungsschutzmaßnahmen im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG hat die Planfeststellungsbehörde Vorgaben für die Gleisbettung gemacht. Auf gesamter Länge der neuen Fernbahngleise hat sie einen Betontrog mit Schotterfüllung auf Unterschottermatte (BOS) festgesetzt. Die gleiche Maßnahme ist - zusätzlich und abweichend vom Antrag der Beigeladenen - für die S-Bahngleise von km 13,1 + 20 bis km 13,6 + 17 (also bis zum Bahnhof Lichtenrade) vorgesehen, um einen Schutz der Wohnhausgrundstücke entlang der S-Bahn-Seite der Trasse zu gewährleisten. In den übrigen Abschnitten der S-Bahn-Gleise ist der Einbau besohlter Schwellen vorgesehen (PFB A.4.8.4, S. 57, S. 86). 112 bb) Da es nach den gutachterlichen Berechnungen ungeachtet der schon beim Ausbau der Strecke vorzunehmenden Schutzmaßnahmen zu Überschreitungen der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle kommen wird, hat die Planfeststellungsbehörde Nachermittlungen angeordnet und abhängig von deren Ergebnis weitere Schutzansprüche zuerkannt. Dazu soll sechs Monate nach Betriebsaufnahme auf der Grundlage einer so genannten Basismessung ein Korridor ermittelt werden, in dem die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte der Beurteilungsschwingstärke Ar überschritten werden können. Für alle Gebäude innerhalb dieses Korridors sind ebenfalls Erschütterungsmessungen, so genannte Zusatzmessungen, durchzuführen. Ergeben sich auf der Grundlage der Basis- und Zusatzmessungen in Wohngebäuden Beurteilungsschwingstärken, die die um den Faktor 1,5 angehobenen Anhaltswerte überschreiten, besteht Anspruch auf Erschütterungsschutz. Die Entscheidung über weitere Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am Gebäude oder die Festsetzung einer Entschädigung dem Grunde nach hat sich die Planfeststellungsbehörde vorbehalten (PFB A.4.8.4, S. 57 - 59). 113 Dieses Vorgehen stößt nicht auf rechtliche Bedenken. Die Planfeststellungsbehörde geht mit der gutachterlichen Einschätzung davon aus, dass sich die Erschütterungswirkungen des künftigen Eisenbahnverkehrs nicht exakt genug vorherberechnen lassen, um auf dieser Grundlage schon bei Planfeststellung eine abschließende Entscheidung über Schutzansprüche treffen zu können. Dieser Entscheidungsvorbehalt für Schutzmaßnahmen am Ausbreitungsweg und/oder am zu schützenden Gebäude, hilfsweise für Entschädigung ist gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG nicht zu beanstanden. Er trägt den bei Erschütterungen aus Schienenverkehr typischen sachbedingten Unwägbarkeiten Rechnung, derentwegen die genaue Höhe der innerhalb von Gebäuden auftretenden Erschütterungen verlässlich erst auf der Grundlage von Messungen nach Aufnahme des Betriebs ermittelt werden kann. Das ist von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit langem anerkannt (BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 82 m.w.N.). 114 cc) Die Angriffe der Kläger gegen die erschütterungstechnische Untersuchung vom 12. November 2012 (ETU - PFB Anlage 10.2) dringen nicht durch. 115 (1) Soweit die Kläger mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu 6 rügen, die ETU sei auch für einen ""anerkannten Experten ... nicht einmal überschlägig nachzustellen bzw. nachzurechnen"", gehen sie wiederum von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab aus. Die ETU ist ein Prognosegutachten, das die nach dem Betriebsprogramm 2025 zu erwartenden Erschütterungseinwirkungen bestimmen will. Wie andere Immissionsprognosen auch ist die ETU, wie unter C. 6. g) bb) zur schalltechnischen Untersuchung ausgeführt, nur darauf zu prüfen, ob sie mit den zur Zeit ihrer Erstellung verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das erfordert insbesondere die Darstellung der Eingangsdaten (Zugmengen, Zugarten, erschütterungstechnisch relevante Betriebsparameter, Ausbreitungsbedingungen usw.), der Berechnungsmethodik und der berechneten Kenngrößen. Dem wird die ETU gerecht. Sie nennt namentlich die Bearbeitungsgrundlagen (Teil 1, S. 9), die Arbeitsgrundsätze und beschreibt die Vorgehensweise (Teil 1, Abschnitt 6, S. 26 ff.). Die vom Sachbeistand der Kläger Dr. B. im itap-Gutachten vom 7. April 2016 vermissten Eingangsdaten (Quellspektren usw.) sind nach Erläuterung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung in den Planunterlagen vorhanden. Schließlich ist die ETU auch einleuchtend begründet. Es wäre überzogen, darüber hinaus zu verlangen, dass ein Beteiligter, das Gericht oder auch ein Sachverständiger anhand der planfestgestellten Unterlagen jeden Schritt der Begutachtung selbst vornehmen oder die Ergebnisse nachrechnen kann. Sind die genannten Anforderungen an ein Gutachten erfüllt, können die Ergebnisse verwertet werden, soweit nicht konkrete Fehler aufgezeigt werden. Solche sind hier nicht ersichtlich. 116 (2) Die weitere Kritik im itap-Gutachten vom 7. April 2016 überzeugt ebenfalls nicht. Soweit dort bemängelt wird, dass nicht geprüft worden sei, ob die Überschreitungen des oberen Anhaltswerts Ao als ""selten"" zu bewerten seien, wird übersehen, dass der Planfeststellungsbeschluss (S. 258) unter Berufung auf die Erläuterungen zu Abschnitt 6.5.3.5 im Anhang D der DIN 4150-2 (S. 20) hervorhebt, dass für Schienenverkehr von einer scharfen Obergrenze durch einen Anhaltswert Ao abgesehen wurde. Es ist folgerichtig, dass die Planfeststellungsbehörde auf die Prüfung von seltenen Überschreitungen, wie sie in Abschnitt 6.5.1 der DIN 4150-2 definiert sind, verzichtet hat und hierauf nicht abstellt. 117 (3) Die weitere Kritik verkennt den begrenzten Zweck des Gutachtens. Es soll lediglich Grundlage zur Festlegung des Korridors der Basismessungen sein, um die Grenzabstände von Einwirkungsbereichen zu ermitteln, in denen die festgesetzten Zumutbarkeits-Anhaltswerte eingehalten werden (PFB S. 58). Darüber hinaus ist die Erschütterungsprognose relevant nur für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von (aktiven) Schutzmaßnahmen am Gleis im Sinne des § 41 BImSchG und für die Abwägung (siehe dazu noch dd). Dafür ist es nicht erforderlich, die Beiträge der einzelnen Zugarten zur Erschütterungsbelastung zu ermitteln. Die Anteile der Zugarten, die sich aus dem der Prognose zugrunde gelegten Betriebsprogramm 2025 ergeben, haben nur Bedeutung als Teil der Eingangsdaten zur Ermittlung für die auf die Grundstücke voraussichtlich einwirkenden Gesamterschütterungen. Schließlich gehen weder die ETU noch der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass der ÖPNV bzw. S-Bahn-Verkehr 90% der Erschütterungen auslöst, sondern dass er 90% des gesamten künftigen Eisenbahnverkehrs ausmachen wird (PFB S. 265 zu Buchst. e). 118 dd) Anspruch auf weitergehenden Erschütterungsschutz an den S-Bahn-Gleisen durch Schottertrog mit Unterschottermatten haben die Kläger nicht. § 41 Abs. 2 BImSchG erlaubt, von so genannten aktiven Schutzmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 der Norm, namentlich also von Maßnahmen am Gleis, abzusehen, soweit die Kosten außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen. Die Verhältnismäßigkeit weitergehender Schutzmaßnahmen in diesem Sinne hat die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage der Variantenuntersuchungen des Gutachters der Beigeladenen vom 12. November 2012 und 18. März 2015 (PFB Anlage 10.2) wegen des ungünstigen Verhältnisses von Mehrkosten zu zusätzlich gelösten Schutzfällen (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 - 3 A 5.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 75 Rn. 60 m.w.N.) ohne Rechtsfehler verneint (PFB S. 275). Die Verwertbarkeit der gutachterlichen Untersuchungen unterliegt keinen Bedenken. Ausgehend von den der Betrachtung zugrunde gelegten (erhöhten) Anhaltswerten sind Fehler insoweit weder geltend gemacht noch ersichtlich. 119 8. Der Planfeststellungsbeschluss trägt den Anforderungen des materiellen Natur- und Umweltschutzes Rechnung. 120 a) Der zentrale Einwand, die Antragsunterlagen für die naturschutzrechtliche Prüfung seien defizitär, trifft nicht zu. 121 aa) Die Methodik der Bestandserfassungen ist nicht zu bemängeln. 122 (1) Die anzuwendende Methodik ist nicht normativ vorgegeben; sie hängt maßgebend von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 129 und vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59 ff.). Das Gericht hat Bestandserfassungen und Auswirkungsprognosen hinzunehmen, sofern sie im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulänglich oder gar ungeeignet erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - a.a.O. Rn. 65 und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​210116U4A5.14.0] - BVerwGE 154, 73 Rn. 146). Inwiefern hier die Bestandserfassungen naturschutzfachlich unvertretbar sein sollten, haben die Kläger nicht substanziiert - auch nicht nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung - dargelegt. Das gilt auch für die Methodik der Fledermauserfassung. Sie ist entgegen der Auffassung des Sachbeistands der Kläger klar erläutert (Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag - AFB S. 14 f.). Warum Sichtbeobachtungen und das Verhören mithilfe von Detektoren nicht geeignet sein sollten, um Sommer- und Winterquartiere auf den in Anspruch zu nehmenden Flächen und im S-Bahnhof Lichtenrade auszuschließen, ist nicht ersichtlich. Die Bäume im Eingriffsbereich sind im Jahr 2013 auf Höhlen, die für Fledermausbesatz geeignet sind, untersucht worden. Dass Fledermäuse - wie im AFB S. 26 dargelegt - durch die anlagebedingten Flächenverluste nicht betroffen sind, weil Sommer- oder Winterquartiere nicht in Anspruch genommen werden, ist nachvollziehbar; es ist das Ergebnis der Untersuchungen. Die vom Sachbeistand der Kläger im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag vermisste Kontrolle von Bäumen vor Fällung auf Höhlen und Fledermausbesatz ist im Planfeststellungsbeschluss unter A.4.5.3 Buchst. a) vorgesehen. 123 bb) Die Datengrundlage ist hinreichend aktuell. 124 (1) Zu Unrecht gehen die Kläger mit der gutachterlichen Stellungnahme der ... GmbH vom 8. April 2016 davon aus, dass die Bestandserhebungen allein deshalb unverwertbar seien, weil sie bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses länger als fünf Jahre zurücklagen. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde müssen allerdings prüfen, ob ältere Erkenntnisse im Zeitpunkt der Planfeststellung noch belastbar und aussagekräftig sind. Ob und in welchem Umfang neu kartiert werden muss, hängt von den Ergebnissen dieser Überprüfung ab (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 63, 68, 91, vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 149 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 45 f.). 125 (2) Ausgehend hiervon ist gegen die Aktualität der Bestandserfassungen nichts zu erinnern. Die vor Planeinreichung durchgeführten Bestandsaufnahmen (Amphibien, Reptilien, Avifauna und Vegetation) stammen aus den Jahren 1992 bis 1996 (PFB Anlage 8.3). Aus Anlass der ersten Planänderung wurden im Jahr 2005 Streckenbegehungen und vergleichende Bestandsaufnahmen durchgeführt (PFB Anlage 9, LBP S. 14 ff.). Diese ergaben, dass die Bestandssituation hinsichtlich der Vegetation und der Fauna im Wesentlichen unverändert war (LBP S. 14, 24). Amphibien und Reptilien (Zauneidechsen) wurden im Untersuchungsraum nicht festgestellt, nur unmittelbar nördlich und südlich angrenzend in den Planfeststellungsabschnitten I und III (LBP S. 21 f.). Der Untersuchungsraum (PFA II) wurde wegen der Verschattung als für Reptilien nicht geeignet eingestuft. 126 Einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag haben die Vorhabenträger unter dem 18. November 2010 vorgelegt (LBP Anhang 2). Hierfür wurde von Ende Juni bis August 2010 erstmals eine Fledermauserfassung durchgeführt (PFB Anlage 9.2, Anhang 2 zum LBP; AFB S. 14). Der Bestand an Vögeln wurde ebenfalls neu erfasst (AFB S. 16). Für Amphibien/Reptilien (Glattnattern, Zauneidechsen und Anhang IV-Amphibien) fand sich erneut kein Nachweis. Aufbauend auf der vorhandenen Bestandserfassung wurden schließlich für die Umweltverträglichkeitsstudie vom 6. Mai 2015 (PFB Anlage 8.1) im Sommer und Herbst 2013 Gebietsbegehungen durchgeführt. Da sich die Biotopausstattung und die Habitatstrukturen nicht wesentlich verändert hatten, wurde von einer nochmaligen Untersuchung der Vögel, Fledermäuse und Amphibien abgesehen. Auf den für das Vorhaben benötigten Flächen wurden jedoch Nester und Bruthöhlen aller Vögel sowie Höhlungen und Spalten für Fledermäuse kartiert. Unverändert wurde kein Nachweis für ein Vorkommen von Zauneidechsen gefunden (UVS S. 51). Für den faunistischen Fachbericht vom 11. September 2014 ""Chiropteren- und Avifauna"" (Abriss S-Bahnhof Lichtenrade) fand am 1. September 2014 eine Begehung statt. Hiernach wurden im Jahr 2010 alle relevanten Tierarten erstmals (Fledermäuse) oder grundlegend neu (Vögel, Zauneidechse) untersucht. Bei Feststellung des Plans waren die Daten mithin nur unwesentlich älter als fünf Jahre. Die Biotoperfassung im Jahr 2013 hatte keine Anhaltspunkte für Veränderungen ergeben. Die im Bestand dynamische Zauneidechse und Konfliktschwerpunkte (Baumhöhlen im Bereich der neuen Trasse, Abriss S-Bahnhof Lichtenrade) wurden in den Jahren 2013 und 2014 nochmals untersucht. Ein Ermittlungsdefizit ist insoweit nicht zu erkennen. 127 b) Dass unter den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG auch die Festsetzung weiterer Kompensationsmaßnahmen einer ergänzenden Entscheidung vorbehalten werden darf, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <346 f.> und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 155; Beschluss vom 30. August 1994 - 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.). Hier lagen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG hinsichtlich der trassenfernen gemeinsamen Ersatzmaßnahme ""Regionales Band: Mauergrünzug - vom Mauerpark zum Naturpark Barnim"" vor. Die Maßnahme war im Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht genehmigungsfähig und also nicht festsetzbar; insbesondere war die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme privater Grundstücke nicht abschließend geklärt. Andererseits stand die Maßnahme ""Mauergrünzug"" jedenfalls in Umrissen fest, lediglich Ausführungsmodalitäten waren noch offen. Sie war mit der obersten Naturschutzbehörde abgestimmt und im Landesentwicklungsplan, im Landschaftsprogramm, im Artenschutzprogramm und im Flächennutzungsplan beschrieben (PFB S. 349 ff. und Anlage 9, LBP Anhang 3, Erläuterungsbericht S. 2). Deshalb durfte die Planfeststellungsbehörde davon ausgehen, dass die Maßnahme ""Mauergrünzug"" im Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1 (Abzw. Berlin-Mariendorf - Schichauweg) festgesetzt und damit auch die noch fehlende Kompensation für Eingriffe im hier betroffenen Abschnitt 2 gesichert wird. 128 9. Die antragsgemäße Feststellung des Plans für den oberirdischen Trassenverlauf (Variante A: S- und Fernbahngleise verlaufen ebenerdig; gradlinige Unterführung der Bahnhofstraße; am Bahnübergang Goltzstraße nur Geh- und Radwegunterführung) ist nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde hat die von den Klägern bevorzugten Tunnelvarianten D1a, E2.2, E2.2a und E2.2b abwägungsfehlerfrei verworfen. Maßstab für die gerichtliche Beurteilung der behördlichen Trassenwahl ist das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot des § 18 Satz 2 AEG. 129 a) Die Auswahl unter verschiedenen, ernstlich in Betracht kommenden Ausführungsvarianten eines Vorhabens ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Die Planfeststellungsbehörde ist, wie es dem Vorhabenträger bei der Planerarbeitung obliegt, auch bei der Wahl zwischen Varianten zu einer optimierenden, konkurrierende Belange möglichst schonenden Verwirklichung des Planungsziels verpflichtet. Das Gericht kann die Ausübung der dazu eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit nur auf die Einhaltung der Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit überprüfen. Sie sind nur dann überschritten, wenn der Behörde bei der Auswahl infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist oder wenn sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eine andere als die gewählte Trassenführung eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei gar von Erwägungen einer ""besseren"" Planung leiten zu lassen (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 169 und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​151216U4A4.15.0] - NVwZ 2017, 708 Rn. 32). 130 b) Ein Fehler im Abwägungsvorgang ist der Planfeststellungsbehörde im Ergebnis nicht deshalb unterlaufen, weil sie bei ihrer Bestätigung der Antragsvariante von einem rechtlich unzutreffenden Maßstab ausgegangen wäre. 131 aa) Auf die Zugrundelegung eines unzutreffenden Maßstabs der Abwägung deutet freilich die Formulierung hin, die Planfeststellungsbehörde habe ""die Trassierungsvorstellungen des Vorhabenträgers darauf zu überprüfen, ob eine andere als die gewählte Linienführung sich [...] eindeutig als die bessere [...] darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten eine offensichtlich bessere Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen"" (PFB S. 174). Damit ist der - nur - der gerichtlichen Überprüfung zugrunde zu legende Maßstab bezeichnet, der sich wesensmäßig von dem gestalterischen Auftrag zur Planung unterscheidet (dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 74 Rn. 95 ff.). Auch wenn die Planfeststellungsbehörde nachvollziehend kontrolliert, ob die vom Vorhabenträger getroffene Entscheidung rechtmäßig ist - und daher nicht berechtigt ist, dessen die Planrechtfertigung tragende planerische Erwägungen durch abweichende eigene zu ersetzen -, darf sie sich doch nicht auf die Kontrolle zurückziehen, ob sich eine andere Variante aufdrängte. Sie muss vielmehr selbst alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen berücksichtigen und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange einstellen (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 168 f.). 132 bb) In dieser, durch das Abwägungsgebot geforderten Weise ist die Planfeststellungsbehörde hier der Sache nach auch vorgegangen. Die im Planfeststellungsbeschluss auf den problematischen Ausgangspunkt folgenden Erwägungen lassen eindeutig erkennen, dass die Planfeststellungsbehörde insoweit tragfähige eigene Erwägungen angestellt hat und sich durch ihre unzutreffende Bezugnahme auf die Grundsätze gerichtlicher Kontrolle nicht auf eine Prüfung sich ""aufdrängender"" Varianten beschränkt hat. Das zeigen die eingehenden Darstellungen der Vor- und Nachteile der Trassenvarianten und auch die Formulierung, die Planfeststellungsbehörde müsse ""alle betroffenen und schützenswerten Belange in ihrer Gewichtigkeit im konkreten Einzelfall bewerten und versuchen, einen vertretbaren Kompromiss zwischen den im Konflikt befindlichen Belangen zu erreichen"" (PFB S. 218). 133 cc) Damit ist auch die Befürchtung der Kläger widerlegt, das Eisenbahn-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde habe sich durch eine Vorgabe des Bundes, nur die Antragsvariante A, nicht aber eine Tunnelvariante werde finanziert, gebunden gefühlt und habe sein Planungsermessen, mit der Folge eines Abwägungsausfalls, nicht ausgeübt. Abgesehen davon, dass die Kläger die behauptete Finanzierungsvorgabe nicht glaubhaft gemacht haben und das Eisenbahn-Bundesamt in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen erklärt hat, von ihr keine Kenntnis zu haben, fehlt gemessen an den eingehenden Erwägungen im Planfeststellungsbeschluss zu den Vor- und Nachteilen der in Betracht kommenden Varianten (PFB S. 174 - 231) jeder Anhalt dafür, dass eine solche Vorgabe die Abwägung verengt haben könnte. 134 c) Auch im Übrigen ist weder der Abwägungsvorgang noch das Abwägungsergebnis mit einem durchgreifenden Fehler behaftet. 135 aa) Die Planfeststellungsbehörde hat die Varianten der Trassenführung (PFB B.3.7) umfassend geprüft und die Bevorzugung der Antragsvariante detailliert begründet. Hierzu hat sie sich aufgrund der kontroversen Diskussion des Trassenverlaufs im Planfeststellungsverfahren veranlasst gesehen, die wesentlich zu dessen Dauer beigetragen hat (PFB S. 175). Gestützt auf eine genaue Beschreibung der im Verlauf des Verfahrens diskutierten Trassenführungen hat sie Auswirkungen jeder noch in Betracht kommenden Variante (Varianten A, D1a, E2.2, E2.2a, E2.2b) auf den Eisenbahnbetrieb, Straßenverkehr, ÖPNV, auf die Notwendigkeit zu Grundstücksinanspruchnahmen, die Belastungen durch Lärm und Erschütterungen, auf Boden/Wasser, Klima/Luft, Fauna/Flora, auf das Orts-/Landschaftsbild, die Kultur- und Sachgüter, Wertverluste, die Kosten und die Bauzeit (PFB B.3.7.2.1 bis B.3.7.2.14) umfassend ermittelt und die Varianten danach miteinander verglichen. Nach einer Darstellung und Abhandlung der gegen den Variantenvergleich und die Entscheidung für die Variante A vorgebrachten Einwände (PFB B.3.7.3) hat sie die Varianten zusammenfassend bewertet (PFB B.3.7.4) und das Ergebnis ihrer Abwägung umfassend erläutert (PFB B.3.7.5). 136 bb) Aus dem Vortrag der Kläger wird nicht erkennbar, dass der Planfeststellungsbehörde Ermittlungsfehler unterlaufen sind, weil sie Belange übersehen oder in ihrer Bedeutung grundlegend verkannt hätte. 137 (1) Straßenverkehr: Die Kläger halten den von ihnen so bezeichneten ""Steiltunnel"" unter der Eisenbahnüberführung Bahnhofstraße mit einem Gefälle von 8% (Westseite) bzw. 7% (Ostseite) bei einem Verkehr von zukünftig ca. 19 000 Kfz täglich (Erläuterungsbericht PFB Anlage 1.2, S. 30, 32) für unzumutbar. Dieser Bewertung ist die Planfeststellungsbehörde nicht gefolgt; das ist nicht zu beanstanden. Weder die Beigeladenen noch das Eisenbahn-Bundesamt haben verkannt, dass die Unterführung der Bahnhofstraße für den Straßenverkehr keine optimale Lösung darstellt und - was nur bei einer Tunnellösung möglich wäre - eine ebenerdige Straßenführung vorzuziehen wäre. Das Eisenbahn-Bundesamt räumt insoweit ein, dass die Unterführung ""zum Teil maximal zulässige Neigungen"" aufweise (PFB S. 185). Ebenso wenig hat die Planfeststellungsbehörde verkannt, dass durch die Schließung des Bahnübergangs Goltzstraße Umwegfahrten erforderlich werden (PFB S. 185). Sie bewertet dies aber als zumutbar, weil die Bahnhofstraße den zusätzlichen Verkehr - nach einer aktualisierten, deutlich reduzierten Verkehrsprognose sei mit einer Steigerung auf rd. 10 000 Kfz/24 h zu rechnen - aufnehmen könne und deshalb nachteilige Auswirkungen auf den innerörtlichen Kfz-Verkehr nicht zu erwarten seien (PFB S. 172, 185 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die Planung der Unterführungen nicht den Regelwerken entsprechen sollte oder die Prognose der Straßenverkehre im Bereich Bahnhofstraße und Umgebung nicht tragfähig wäre, haben sich nicht ergeben. 138 (2) Eisenbahnbetriebslärm: Insoweit gehen die Einwände der Kläger nicht über ihr Vorbringen zu §§ 41 ff. BImSchG hinaus. Zu Recht hat die Planfeststellungsbehörde darauf hingewiesen, dass die oberirdische Variante insgesamt zu einer Verbesserung der Belastung im Verhältnis zur Vorbelastung führt. Sie hat dabei nicht verkannt, dass andere Varianten unter dem Gesichtspunkt der Lärmentlastung besser abschneiden (PFB S. 193 f.). 139 (3) Erschütterungen: Die Planfeststellungsbehörde hat erkannt, dass sich die Erschütterungswirkungen der oberirdischen Variante von denen der Trog- und Tunnelvarianten wesentlich unterscheiden und die oberirdische Variante in dieser Hinsicht die am wenigsten vorteilhafte ist (PFB S. 196 ff.). Hierzu legt das Eisenbahn-Bundesamt dar, dass sich bei offenen Trogbauwerken (Variante D1a) die Erschütterungssituation wegen des so genannten Stimmgabeleffekts der Trogoberkanten erheblich verschlechtern könne. Diese Problematik gebe es weder bei einem gedeckelten Trog noch bei einem Tunnel. Hier könne es jedoch Probleme mit sekundärem Luftschall geben. Die von Tunneln ausgehenden Schwingungen könnten in benachbarten Gebäuden zu kaum spürbaren, aber akustisch wahrnehmbaren Immissionen führen. Diese seien besonders lästig, weil in dem betroffenen Raum kein direkt von der Schiene ausgehender primärer Luftschall auftrete, der den sekundären Luftschall überdecken könne. Aus diesem Grund seien aufwändige Erschütterungsschutzmaßnahmen erforderlich. Die Antragsvariante werde voraussichtlich aber die höchsten Belastungen mit sich bringen, weil die zur Verfügung stehenden Schutzsysteme bei oberirdischen Strecken etwas weniger effektiv seien als bei Tunnelvarianten. Sie hat die Beeinträchtigungen durch Erschütterungen auch nicht fehlerhaft gewichtet. Die Erhöhung der Anhaltswerte der Tabelle 1 der DIN 4150-2 als Schwelle der Zumutbarkeit ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden. 140 (4) Umweltbelange: Die Planfeststellungsbehörde hat nicht verkannt, dass die Antragsvariante gegenüber den Tunnelvarianten in Bezug auf die Umweltauswirkungen die ungünstigste Lösung ist (PFB S. 225). Die Bewertung hat sie zutreffend aus der Umweltverträglichkeitsstudie 2015 übernommen (PFB Anlage 8, UVS S. 37). Diese Einstufung nötigt als solche freilich nicht dazu, im Rahmen der Abwägung eine unter Umweltgesichtspunkten günstigere Trasse zu bevorzugen. 141 (5) Grundstückswertminderungen: Die Planfeststellungsbehörde hält die Befürchtung, dass die Anliegergrundstücke an der Bahntrasse an Wert verlieren könnten, wegen der Verbesserung der Lärmsituation durch Lärmschutzwände für spekulativ. Unabhängig hiervon seien etwaige Grundstückswertminderungen kein eigenständiger Abwägungsposten (PFB S. 202). Die zuletzt genannte Erwägung dürfte allerdings in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Gleichwohl bestand jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen kein Anlass, etwaigen Grundstückswertminderungen weiter nachzugehen. 142 Art. 14 Abs. 1 GG gebietet nicht, jede Wertminderung auszugleichen, die einem staatlichen Verhalten zugerechnet werden kann. Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG für derartige Wertverluste haben die Betroffenen nicht, jedenfalls solange das Grundstück bewohnbar bleibt und die Wertminderung nicht eine unzumutbare Höhe erreicht (BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2010:​rk20100223.1bvr273608] - NVwZ 2010, 512 Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​280416U9A14.15.0] - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 383 Rn. 25). Anhaltspunkte für eine unzumutbare Wertminderung haben die Kläger nicht aufgezeigt. Die Planfeststellungsbehörde hat im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange aber auch vorhabenbedingte Wertminderungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle zu bedenken (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - a.a.O. Rn. 25). Ob diese Abwägung eine sachverständige Ermittlung etwaiger vorhabenbedingter Wertminderungen erfordert, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Hier bestand für derartige Ermittlungen kein Anlass. Da das Vorhaben die Situation der angrenzenden Wohngrundstücke nicht nur verschlechtert, sondern im Hinblick auf den Betriebslärm auch verbessert, fehlen Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Wertverluste zu einem Konflikt führen könnten, der in der Planfeststellung bewältigt werden müsste. Die Planfeststellungsbehörde musste den Wertveränderungen auch nicht für die Abwägung der Antragsvariante gegen die in Betracht kommenden Tunnelvarianten weiter nachgehen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass sie in ihrem Abwägungsgerüst im Rahmen der gegen die Antragsvariante sprechenden Belange etwaigen Grundstückswertverlusten neben den unmittelbaren Veränderungen des Wohnumfeldes, insbesondere den betriebsbedingten Lärm- und Erschütterungsbelastungen und den sonstigen Umweltauswirkungen (PFB S. 221), keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. 143 (6) Kosten: Die Kläger bemängeln, dass dem Variantenvergleich intransparente Kostenermittlungen zugrunde liegen, und bezweifeln deren Richtigkeit. 144 (aa) Der Planfeststellung liegt die mit der 2. Planänderung vorgelegte vergleichende Kostenschätzung der Beigeladenen mit Preisstand 2009 zugrunde (Erläuterungsbericht, PFB Anlage 1.2, S. 24 - 26; PFB S. 211). Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Kostenvergleich durch seine Fachabteilung überprüfen lassen und für insgesamt belastbar befunden (PFB S. 204). Erhebliche Fehler sind insoweit nicht ersichtlich. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde sind berechtigt, ihrer Variantenprüfung Kostenschätzungen mit prognostischem Gehalt zugrunde zu legen. Genauer können die Kosten eines Vorhabens erst dann angegeben werden, wenn die Ausführungsplanung vorliegt und alle Gewerke vergeben sind. Dieser Sachstand ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung regelmäßig nicht erreicht. Bei der Prognose der Baukosten von Ausführungsvarianten kommt der Behörde daher ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zu. Die Kostenschätzung kann grundsätzlich nur dann beanstandet werden, wenn keine geeigneten Erkenntnismittel herangezogen wurden oder die gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar sind (stRspr, BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 90 m.w.N.). 145 (bb) Ausgehend hiervon haben die Kläger keine beachtlichen Einwände gegen die Kostenansätze vorgebracht. Es genügt, wenn der voraussichtliche Aufwand aus einem Vergleich mit Kosten hergeleitet wird, die bei vergleichbaren baulichen Maßnahmen tatsächlich angefallen sind oder sich bei Ausschreibungen als realistische Größe ergeben haben. Gerade Vorhabenträger, hier also die Beigeladenen, verfügen über ein solches Erfahrungswissen und können abschätzen, wie sich eine noch ausstehende Ausführungsplanung auswirken wird. Dass die Einzelpositionen im Erläuterungsbericht nur ergebnishaft dargestellt sind, stellt ihre Richtigkeit nicht in Frage. 146 (cc) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Kosten des aktiven und passiven Schutzes gegen Betriebslärm und Erschütterungen bei der Vorzugsvariante zu gering geschätzt bzw. ""heruntergerechnet"" worden sind, weil etwa die Zahl der Betroffenen höher oder die Belästigungen stärker sein werden als angenommen. Das ergibt sich aus den der Schutzkonzeption zugrunde liegenden Berechnungen. Deren Belastbarkeit ist nicht infrage gestellt. Die Kosten der Schallschutzwände entsprechen dem auf langjährigen Erfahrungen beruhenden und bundesweit angewandten Kostenkennwertekatalog der Beigeladenen (PFB Anlage 10.1.1, S. 15). 147 Entsprechendes gilt für den Erschütterungsschutz. Das Eisenbahn-Bundesamt hat abweichend vom Antrag von km 13,120 bis km 13,617 auch für beide S-Bahn-Gleise deren Verlegung in einen Betontrog angeordnet und dafür zusätzliche Kosten in Höhe von ca. 1 Mio. € angesetzt (PFB S. 205). Eine greifbare Grundlage für die Annahme, dass sich die Kosten weiter erhöhen werden und die Kostenrelation dadurch in einem anderen Licht erscheinen könnte, ist nicht gegeben, weil die Zumutbarkeitsschwelle für die Gewährung von Erschütterungsschutz zu billigen ist. Den Einbau teurerer ""Masse-Feder-Systeme"" hat das Eisenbahn-Bundesamt in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Hinreichende Erfahrungen mit diesen Systemen liegen nur für Tunnel vor; bei einem oberirdischen Einsatz ist zweifelhaft, ob diese Systeme auch langfristig funktionieren (PFB S. 405). Dies ziehen die Kläger nicht substanziiert in Zweifel. Die Kostenabschätzung in der von den Betroffenen eingebrachten so genannten ""Maidl-Studie"" zur Machbarkeit eines Fernbahntunnels ist nicht mehr aussagekräftig. Die Studie stammt aus dem Jahr 1997, die dort entwickelte Tunnelvariante wurde zu den Varianten E2.2 fortentwickelt, der Tunnel dabei erheblich verlängert. 148 (dd) Das Eisenbahn-Bundesamt hat schließlich die Kosten der Tunnellösungen auch nicht deshalb falsch eingeschätzt, weil das Land Berlin bereit wäre, einen Teil der Mehrkosten zu tragen. Nach den Feststellungen des Eisenbahn-Bundesamtes hat das Land keine verbindliche Erklärung zur Kostenübernahme abgegeben (PFB S. 212 f.). Das Land sei vielmehr davon ausgegangen, dass der Bund gegebenenfalls die Finanzierung einer Tunnellösung sicherstellen müsse. Hinweise auf konkrete und verbindliche anderslautende Erklärungen des Landes Berlin haben die Kläger nicht vorgelegt. 149 d) Was die Kläger gegen die behördliche Vorzugswahl vorbringen, überzeugt ebenfalls nicht. Die gerichtliche Kontrolle ist insofern auf die Prüfung beschränkt, ob Belange offensichtlich fehlgewichtet worden sind oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zum objektiven Gewicht einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 74 Rn. 100 m.w.N.). 150 aa) Die Planfeststellungsbehörde hat die Bedeutung des § 50 BImSchG erkannt und zutreffend behandelt. 151 Dessen Gebot, die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen so weit wie möglich vermieden werden (§ 50 Satz 1 BImSchG), kann auch durch Gradientenabsenkungen der Trasse sowie Tief- oder Troglagen Rechnung getragen werden (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <253 f.>). § 50 BImSchG hat jedoch nur die Funktion einer Abwägungsdirektive, die im Rahmen der planerischen Abwägung durch andere Belange von hohem Gewicht überwunden werden kann (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 71.07 - Städte- und Gemeinderat 2009, Nr. 7 - 8, S. 30, juris Rn. 44). Dass dabei auch Kostengesichtspunkte den Ausschlag geben dürfen, ist - wie noch auszuführen - nicht zweifelhaft. 152 bb) Auch das Abwägungsergebnis ist frei von Fehlern. 153 (1) Ausgangspunkt der Gesamtabwägung ist hier, dass jede Variante durch eine je eigene Mischung aus unterschiedlich gewichtigen Vorzügen und Nachteilen geprägt ist (dazu PFB S. 183: Variantenvergleich anhand der Auswirkungen). Klar vorzugswürdige Lösungen gibt es lediglich in Bezug auf einzelne Aspekte; eine insgesamt überlegene Variante hat sich aber nicht herausgebildet. Hat die Planfeststellungsbehörde in einer solchen Lage das Gewicht der Belange, wie hier, fehlerfrei bestimmt, liegt jede Vorzugswahl innerhalb des gerichtlich nicht zu beanstandenden Entscheidungsspielraums, bei der die favorisierten Belange nicht in ein erkennbar widersprüchliches oder disproportionales Verhältnis zu den zurückgestellten gesetzt werden. Davon kann bei der hier gewählten Antragsvariante keine Rede sein. 154 (2) Die Planfeststellungsbehörde hat neben der kürzeren Bauzeit und der besseren Abwicklung von Güterverkehr als entscheidenden Vorteil der Antragsvariante die erheblich geringeren Baukosten angesehen (PFB S. 219). Sie hat damit auf einen Gesichtspunkt abgestellt, der nach gefestigter Rechtsprechung im Rahmen der Abwägung gemäß § 18 Satz 2 AEG berücksichtigt werden muss; denn zu den von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belangen gehört auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 24). Bei der Entscheidung für die eine oder andere Planungsvariante dürfen Kostengesichtspunkte sogar den Ausschlag geben (stRspr, BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <43 f.> und vom 28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <254> m.w.N.). Für aktive Schallschutzmaßnahmen, zu denen die Trassenführung - wie gesagt - auch gehört, enthält § 41 Abs. 2 BImSchG diesen Rechtsgedanken sogar ausdrücklich. Unter welchen weiteren Voraussetzungen die Kosten den Ausschlag geben dürfen, kann allerdings nicht losgelöst von der objektiven Gewichtigkeit der zu schützenden, vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange beurteilt werden und bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 11 A 6.00 - a.a.O. S. 24). Ausgehend hiervon hat die Planfeststellungsbehörde nicht zu beanstandende Erwägungen angestellt. 155 (3) Zutreffend hat sie die Belastungen durch Lärm und Erschütterungen und bei den sonstigen Umweltauswirkungen vor allem die Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes als besonders bedeutsame gegenläufige Belange angesehen (PFB S. 221), dem aber gegenübergestellt, dass diese Beeinträchtigungen den rechtlichen Anforderungen entsprechend ausgeglichen werden und verbleibende Nachteile angesichts der hohen Bedeutung des Vorhabens zumutbar sind. Nach den vorstehenden Ausführungen trifft dies zu. 156 Namentlich sind die Rechte der Streckenanlieger auf Schutz vor Immissionen in vollem Umfang gewahrt. Bei der Antragsvariante können 99,5% der Schutzfälle durch aktive Schallschutzmaßnahmen gelöst werden, wobei sich gegenüber der Vorbelastung sogar Verbesserungen ergeben. Damit ist dem besonderen Gewicht des Lärmschutzes Rechnung getragen (PFB S. 223 f.). Im Ergebnis ebenso tragfähig ist die Einschätzung des Erschütterungsschutzes. Auch wenn der Aussage, nicht auszuschließende Restkonflikte durch Erschütterungen könnten die fachplanerische Bevorzugung der oberirdischen Variante nicht zugunsten einer räumlichen Trennung infrage stellen (so PFB S. 225), in dieser Allgemeinheit schwerlich zuzustimmen ist, hält sich die Grundentscheidung, Erschütterungsprobleme durch Schutzauflagen und hilfsweise Entschädigungen zu bewältigen und nicht einen Tunnel vorzuziehen, im vorliegenden Fall im Rahmen des Abwägungsspielraums der Behörde. Das rechtfertigt sich aus der nicht unerheblichen Vorbelastung durch Erschütterungen, die mit bisher ungelösten Konflikten einhergeht, deren Größenordnung durch die oberirdische Variante - gemessen an der festgelegten Zumutbarkeitsschwelle - jedenfalls nicht weiter anwachsen wird. 157 (4) Beeinträchtigungen anderer öffentlicher Belange hat die Planfeststellungsbehörde ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise - da beherrschbar oder zumutbar - als nachrangig eingestuft. Das gilt insbesondere für die von den Klägern angesprochenen Vorhabenswirkungen auf den Städtebau und den Gewerbestandort (dazu PFB S. 168 bis 173, 226 f.), den Denkmalschutz (dazu PFB S. 363 i.V.m. S. 324 ff.), für Gefährdungen durch Eisenbahnunfälle (PFB S. 343) und Beeinträchtigungen von Luft und Klima (PFB S. 427 f.). Für Fehler haben die Kläger insofern keine Anhaltspunkte aufgezeigt. 158 D. Auch die weiteren Klagebegehren haben keinen Erfolg. 159 1. Der Antrag, die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsantrag der Beigeladenen abzulehnen, setzt im Sinne einer Stufenklage voraus, dass dem hauptsächlich verfolgten Anfechtungsantrag bzw. dem davon umfassten Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses stattgegeben worden und die Entscheidung über den eingereichten Plan dadurch wieder offen ist. Hier ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss aber rechtlich nicht zu beanstanden. Daher kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Planbetroffene beanspruchen können, dass die Behörde die Feststellung eines von einem Dritten gemäß § 73 VwVfG eingereichten Plans ablehnt. 160 2. Für die beiden als Anregung formulierten Begehren auf Planergänzung fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie fordern Regelungen für die Zeit nach Durchführung des festgestellten Plans, setzen also im Sinne eines Hilfsantrages Bestand und Realisierung des Planfeststellungsbeschlusses voraus. 161 a) Eine Regelung des Inhalts, für den Fall der Nichteinhaltung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV Betriebsbeschränkungen vorzusehen, ist nicht veranlasst. Die Planfeststellungsbehörde darf davon ausgehen, dass ihr gemäß §§ 41 ff. BImSchG entwickeltes Schutzkonzept den geforderten Lärmschutz sicherstellt. Das ist das Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung, die gerichtlich nicht zu beanstanden ist. Was die Planfeststellungsbehörde zu verfügen hätte, sollte sich diese Annahme als unzutreffend erweisen, liegt jenseits des Planfeststellungsverfahrens. Denn die Umsetzung des dort entwickelten Lärmschutzkonzepts ist der Ausführung des Plans zugeordnet und in einem Planfeststellungsbeschluss weder regelungsfähig noch regelungsbedürftig. Nur ergänzend ist anzumerken, dass das Eisenbahn-Bundesamt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allenfalls in Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, die von den Klägern verlangten Betriebsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen zu erwägen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 5.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​171116U3C5.15.0] - BVerwGE 156, 306). 162 b) Erst recht besteht keine Notwendigkeit für eine Anordnung mit dem Inhalt, die Aufnahme des Eisenbahnbetriebs erst nach Erfüllung aller Schutzauflagen zu gestatten. Die Herstellung der im Planfeststellungsbeschluss verfügten Schutzauflagen, namentlich die Gleisbettung und die Lärmschutzwände, sind Teil der Durchführung des Plans; sie müssen aus technischen Gründen vor der Betriebsaufnahme realisiert sein. Ob die passiven Schutzmaßnahmen (PFB S. 55 f.) vor Betriebsaufnahme realisiert sein müssen, kann dahinstehen. Die Kläger gehören jedenfalls, weil ihr Schutz bereits durch die aktiven Maßnahmen sichergestellt ist, nicht zu den insoweit Anspruchsberechtigten. 163 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 und 2 ZPO." bverwg_2017-49,29.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 49/2017 vom 29.06.2017 EN Anspruch auf Einsicht in Gutachten über NS-Vergangenheit verstorbener ehemaliger Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass einem Journalisten Einsicht in ein Gutachten über die politische Belastung ehemaliger Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums in der NS-Zeit gewährt werden muss, soweit die Mitarbeiter bereits verstorben sind. Einen Anspruch auf Einsicht bezüglich noch lebender Mitarbeiter hat es hingegen verneint.  Im Rahmen der Aufarbeitung seiner Vergangenheit ließ das Bundeslandwirtschaftsministerium zur Klärung der Frage, ob es unter Würdigung des Verhaltens ehemaliger Bediensteter in der NS-Zeit angezeigt erscheint, diese nach ihrem Tod mit einer Kranzspende oder einem Nachruf zu ehren, ein wissenschaftliches Gutachten erstellen. Darin wurden die Lebensläufe von 62 ehemaligen Bediensteten des Ministeriums, die zum Zeitpunkt der Vergabe des Gutachtenauftrags noch lebten, im Hinblick auf eine nationalsozialistische Vergangenheit untersucht und bewertet. Dem Antrag des Klägers, eines Journalisten, ihm auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes bzw. nach Maßgabe des presserechtlichen Auskunftsanspruchs Einsicht in das 2009 fertiggestellte Gutachten zu gewähren, entsprach das Ministerium nur unter Schwärzung von Teilen des Gutachtens, soweit sie personenbezogene Daten betrafen. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Oberverwaltungsgericht teilweise Erfolg: Soweit sich die im Gutachten enthaltenen Informationen auf noch lebende Personen bezögen, komme eine Einsicht wegen der Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten nur bei Einwilligung der Betroffenen in Betracht. Das Ministerium sei zu einer entsprechenden Nachfrage verpflichtet. Hinsichtlich der bereits verstorbenen ehemaligen Bediensteten sei Einsicht in das Gutachten zu gewähren, soweit diese Personen darin als 'deutlich kritikwürdig' oder 'nicht ehrwürdig' bezeichnet würden oder ihr Todeszeitpunkt mindestens drei Jahre zurückliege. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt, soweit sie die noch lebenden ehemaligen Mitarbeiter betrifft. Vorbehaltlich einer Einwilligung der Betroffenen steht der Schutz personenbezogener Daten der Einsicht auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes zwingend entgegen. Soweit nach den beamtenrechtlichen Vorschriften die vom Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich geforderte Vertraulichkeit der Personalaktendaten zum Schutz höherrangiger Interessen ausnahmsweise durchbrochen und Einsicht gewährt werden kann, kommt hier dem Informationsinteresse der Presse kein Vorrang zu. Demgegenüber geht dieses Interesse vor, soweit im Gutachten die Lebensläufe bereits verstorbener Mitarbeiter behandelt werden. Der postmortale Persönlichkeitsschutz gebietet auch bei Würdigung der Belange der Hinterbliebenen nicht, den Zugang zu diesen Unterlagen während eines Zeitraums von drei Jahren nach dem Tod zu sperren. BVerwG 7 C 24.15 - Urteil vom 29. Juni 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 8 A 2410/13 - Urteil vom 10. August 2015 - VG Köln, 13 K 1541/11 - Urteil vom 26. September 2013 -","Urteil vom 29.06.2017 - BVerwG 7 C 24.15ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U7C24.15.0 EN Einsicht in Personalakten Leitsätze: 1. Auskunftsansprüche Dritter auf der Grundlage des Personalaktenrechts (§ 111 Abs. 3 Satz 1 BBG, § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG) gehen dem Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG nicht gemäß § 1 Abs. 3 IFG vor. 2. Der absolute Schutz personenbezogener Daten nach § 5 Abs. 2 IFG wird durch fachrechtliche Bestimmungen nicht eingeschränkt. 3. Ein Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 Abs. 1 IFG ist durchzuführen, wenn ein Versagungsgrund durch die Einwilligung des Betroffenen überwunden werden kann. 4. Die Versagungsgründe nach § 3 Nr. 4 IFG und nach § 5 Abs. 1 und 2 IFG sind nebeneinander anwendbar. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 IFG § 1 Abs. 1 und 3, § 3 Nr. 4, § 5 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 1 BBG § 106 Abs. 1 Satz 2, § 111 Abs. 3 Satz 1 BDSG § 3 Abs. 1, § 12 Abs. 4, § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EMRK Art. 10 Instanzenzug VG Köln - 26.09.2013 - AZ: VG 13 K 1541/11 OVG Münster - 10.08.2015 - AZ: OVG 8 A 2410/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 - 7 C 24.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U7C24.15.0] Urteil BVerwG 7 C 24.15 VG Köln - 26.09.2013 - AZ: VG 13 K 1541/11 OVG Münster - 10.08.2015 - AZ: OVG 8 A 2410/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. August 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. September 2013 geändert, soweit sie die Einsicht in Unterlagen zu bereits verstorbenen Bediensteten betreffen. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die geschwärzten Stellen des Gutachtens ""Entwicklung und Kriterien der Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BML/BMVEL und der Dienststellen seines Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus"" (Schlussbericht) zu gewähren, soweit sie diesen Personenkreis betreffen. Der Bescheid des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 3. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2011 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Die weitergehende Revision des Klägers und die Revision der Beklagten werden zurückgewiesen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens und des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte drei Viertel und der Kläger ein Viertel. Unter Einbeziehung des teilweise rechtskräftig gewordenen Teils der Kostenentscheidung tragen von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens die Beklagte zwei Drittel und der Kläger ein Drittel. Gründe I 1 Der Kläger, Journalist bei einer großen Tageszeitung, begehrt Einsicht in ein wissenschaftliches Gutachten zur Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Bediensteten eines Bundesministeriums. 2 Im Anschluss an ein 2005 vom Ministerium in Auftrag gegebenes wissenschaftliches Sachverständigengutachten zu ""Rolle und Inhalt der Agrarpolitik und Agrarforschung von Vorgängerinstitutionen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft"", wurde im November 2009 eine Folgestudie mit dem Titel ""Entwicklung und Kriterien zur Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BML/BMVEL und der Dienststellen seines Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus"" (im Folgenden: Schlussbericht) vorgelegt. Es soll der Prüfung dienen, ob ehemalige Mitarbeiter nach Maßgabe der Richtlinien der Bundesregierung ""für Kranzspenden und Nachrufe beim Ableben von Bundesbediensteten"" wegen erheblicher Verfehlungen von einer Ehrung ausgeschlossen werden sollen. Zu diesem Zweck behandelt dieser Bericht u.a. die Lebensläufe von 62 ehemaligen Bediensteten des Bundesministeriums, die zum Zeitpunkt der Vergabe des Gutachtenauftrags im Jahr 2005 noch lebten. Insbesondere im Hinblick auf eine Verstrickung in das NS-Regime wurden die Betroffenen abschließend fünf Kategorien zugeordnet (""mit Respekt""; ""nicht kritikwürdig""; ""kritikwürdig""; ""deutlich kritikwürdig""; ""nicht ehrwürdig""). Dem Kläger wurde auf Antrag unter dem 3. März 2011 zunächst eine Kopie des Gutachtens mit wenigen Schwärzungen übersandt, während die Einsicht in den Schlussbericht mit Verweis auf den Schutz personenbezogener Daten abgelehnt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2011 gab das Ministerium dem Antrag bezüglich des Schlussberichts mit Ausnahme von Schwärzungen auf im einzelnen bezeichneten Seiten - darunter die Abschnitte mit den Lebensläufen - statt. 3 Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung des Einsichtsantrags und wies die Klage im Übrigen ab. 4 Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. August 2015 das erstinstanzliche Urteil geändert und den Entscheidungsausspruch neu gefasst. Es hat der Klage - unter Abweisung im Übrigen - insoweit stattgegeben, als die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger Einsicht in die geschwärzten Stellen des Schlussberichts zu gewähren, soweit sich diese Informationen auf Personen beziehen, die bereits verstorben sind und im Schlussbericht als ""deutlich kritikwürdig"" oder ""nicht ehrwürdig"" bezeichnet werden, und soweit sich die Informationen auf bereits verstorbene sonstige Personen beziehen, deren Todeszeitpunkt mindestens 3 Jahre zurückliegt. Soweit es um noch lebende Personen geht, hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Bei den noch lebenden Bediensteten sei der Anspruch auf Informationszugang vorbehaltlich noch zu erteilender Einwilligungen dieser Personen nach § 5 Abs. 1 und 2 IFG ausgeschlossen. § 5 Abs. 2 IFG inkorporiere den beamtenrechtlich vorgegebenen Vertraulichkeitsschutz und erstrecke ihn auf privatrechtlich Beschäftigte, so dass er dort nicht eingreife, wo das Personalaktenrecht deren Vertraulichkeit etwa durch den Auskunftsanspruch Dritter nach § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG selbst durchbreche. Bei Abwägung nach Maßgabe dieser Vorschrift komme auch bei Würdigung des Grundrechts der Pressefreiheit eine Offenlegung nicht in Betracht. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten sei jedoch rechtswidrig, soweit die noch lebenden Betroffenen nicht gemäß § 8 Abs. 1 IFG nach ihrer Einwilligung befragt worden seien. Nach deren Beteiligung sei der Kläger neu zu bescheiden. Bei Beachtung des postmortalen Vertraulichkeitsschutzes der Personalakten erfasse der von § 5 Abs. 2 IFG gewährleistete erhöhte Schutz im Grundsatz auch die Daten Verstorbener. § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG sei auch hier zu berücksichtigen. Die Abwägung führe zum Ergebnis, dass der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 IFG bei den als ""besonders kritikwürdig"" beurteilten sowie der seit mindestens 3 Jahren verstorbenen ehemaligen Bediensteten nicht mehr eingreife. Bei Personen, die lediglich als ""kritikwürdig"" eingestuft worden seien, sei die Vertraulichkeit der Personalakten auch zur Wahrung der Pietätsinteressen etwaiger Angehöriger noch 3 Jahre nach dem Tod aufrecht zu halten. Bei nicht belasteten Personen, die als ""nicht kritikwürdig"" oder ""mit Respekt"" eingestuft worden seien, sei eine Sperrfrist von 3 Jahren hinreichend und angemessen. Soweit ein Zugangsanspruch vor Ablauf der Sperrfrist zu verneinen sei, komme eine Überwindung des gesetzlichen Schutzes personenbezogener Daten durch Einwilligung seitens der nahen Angehörigen nicht in Betracht. Der Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht sei auch nicht nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. Der herausgehobenen Bedeutung der Pressefreiheit sei bereits bei der Auslegung der Regelungen über den Zugang zur Personalakte Rechnung getragen worden. 5 Der Kläger und die Beklagte haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. 6 Der Kläger trägt vor: § 5 Abs. 2 IFG sei nicht anwendbar. Die Informationen stammten nur teilweise aus den Personalakten. Im Übrigen bestehe kein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis, das mit dem Tod ende. Bei der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG gebotenen Abwägung müsse das hohe von der Pressefreiheit geprägte Aufklärungsinteresse in Rechnung gestellt werden; demgegenüber sei das Pietätsinteresse der Angehörigen irrelevant, so dass es keine Sperrfrist geben könne. Gehe man vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 IFG aus, sei die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Parallelführung mit dem Personalaktenrecht im Grundsatz zutreffend. Dabei habe das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass sich aus § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG auch ein Anspruch auf Akteneinsicht ergeben könne. Die Abwägung sei allerdings unzureichend. 7 Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen und unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. September 2013 und des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. August 2015 die Beklagte zu verpflichten, ihm Einsicht in die geschwärzten Stellen des Gutachtens ""Entwicklung und Kriterien der Bewertung der Ehrwürdigkeit von ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BML/BMVEL und der Dienststellen seines Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus"" (Schlussbericht) zu gewähren, sowie den Bescheid des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 3. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2011 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht, und die Revision der Beklagten zurückzuweisen. 8 Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. August 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. September 2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen. 9 Sie wendet sich gegen eine Parallelführung des § 5 Abs. 2 IFG mit dem Personalaktenrecht. Der Bescheidungsausspruch sei verfehlt, weil § 8 Abs. 1 IFG nicht anwendbar und eine Drittbeteiligung ermessensfehlerfrei unterblieben sei. Der Schutz des § 5 Abs. 2 IFG reiche über den Tod hinaus. Eine Akzessorietät zu § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG, der der Beklagten im Übrigen Ermessen einräume, sei nicht gegeben. Die gebotene Abwägung sei unzureichend, weil sie maßgebliche Kriterien nicht berücksichtige. Sie sei im Ergebnis nicht haltbar. Die Annahme einer Sperrfrist von nur 3 Jahren sei nicht vertretbar. Denn es gehe nicht nur um die Wahrung der Pietät, sondern um den postmortalen Achtungsanspruch. II 10 Die zulässige Revision des Klägers ist teilweise begründet: Dem Kläger ist - über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hinaus - auch Einsicht in die Unterlagen zu gewähren, die alle bereits verstorbenen Bediensteten betreffen. Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. 11 Zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Vorschriften des Personalaktenrechts die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes nicht verdrängen (1.). Bei der Prüfung des Informationszugangs zu Angaben über noch lebende ehemalige Bedienstete (2.) legt das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend ein bundesrechtswidriges Verständnis des § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), zugrunde. Die Entscheidung erweist sich jedoch insoweit aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Hinsichtlich des Informationszugangs zu Angaben über bereits verstorbene ehemalige Bedienstete (3.) beruht das Urteil auf einem Verstoß gegen § 5 Abs. 2 IFG und gegen § 3 Nr. 4 IFG. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Schließlich folgen aus presserechtlichen Vorschriften keine weitergehenden Ansprüche (4.). 12 1. Das Oberverwaltungsgericht prüft das vom Kläger geltend gemachte Zugangsbegehren zu Recht vorrangig am Maßstab des Informationsfreiheitsgesetzes. Denn die Vorschriften des Personalaktenrechts stehen der Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes nicht gemäß § 1 Abs. 3 IFG entgegen. Danach gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme von § 29 VwVfG und § 25 SGB X vor. Diese Vorschrift dient der Sicherung des Vorrangs des Fachrechts gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz. Um dies zu erreichen, wird das Informationsfreiheitsgesetz (nur) durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG - abstrakt - identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 46; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 294). Das ist bei den Vorschriften des Personalaktenrechts nicht der Fall. 13 a) Für die Ruhestandsbeamten ist § 111 Abs. 3 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) als Bestandteil des beamtenrechtlichen Personalaktenrechts (§§ 106 bis 115 BBG) einschlägig. Diese Regelungen gehen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) den gemäß § 12 Abs. 4 i.V.m. §§ 28, 32 BDSG ausdrücklich für alle Beschäftigten (§ 3 Abs. 11 Nr. 8 BDSG) geltenden Regelungen des Beschäftigtendatenschutzes vor (vgl. Körffler/Klug/Gola, in: Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. 2015, § 12 Rn. 7; Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 19. Edition, BDSG, § 12 Rn. 12). 14 Die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes wird von § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG nicht gesperrt. Danach dürfen Auskünfte aus Personalakten nur mit Einwilligung der Beamtin oder des Beamten erteilt werden, es sei denn, dass die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, vorrangiger Interessen der oder des Dritten die Auskunftserteilung zwingend erfordert. 15 aa) Der sachliche Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist hier eröffnet. 16 Zu den Personalakten gehören nach § 106 Abs. 1 Satz 4 BBG alle Unterlagen, die die Beamtin oder den Beamten betreffen, soweit sie mit dem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren sachlichen Zusammenhang stehen. Dies betrifft alle Unterlagen, die für den Status der Beamtin oder des Beamten von Bedeutung sind. Folglich zählen zu den Personalakten alle Daten, die in der Lage sind, neben einem Persönlichkeitsbild der Beamtin oder des Beamten ein lückenloses Bild von der Entstehung und Entwicklung des Dienstverhältnisses als historischen Geschehensablauf zu vermitteln (BT-Drs. 12/544 S. 11). Ob ein Vorgang Personalakten enthält, richtet sich allein nach einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem konkreten Beamtenverhältnis; der Art der Aufbewahrung kommt rechtliche Bedeutung nicht zu (vgl. etwa Schwarz, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, BBG, Stand Juni 2017, § 106 Rn. 4 ff.). 17 Hiernach gehören die Darstellung und Bewertung des Verhaltens der ehemaligen Bediensteten in der Zeit des Dritten Reiches, wie sie im Schlussbericht enthalten ist, zu den Personalakten im materiellen Sinne. Soweit dem Schlussbericht Daten zum Lebenslauf des Betroffenen aus den beim Bundesministerium geführten formellen Personalakten zugrunde liegen, bedarf das keiner näheren Darlegung. Sie sind Teil der Einstellungsunterlagen, anhand derer das Beamtenverhältnis begründet worden ist. Der erforderliche sachliche Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis besteht gleichermaßen, soweit für den Schlussbericht Erkenntnisse über den ehemaligen Bediensteten aus anderen Quellen verarbeitet worden sind. Denn die Frage, ob und wie ein ehemaliger Bediensteter bei Würdigung seines vor der Tätigkeit im Ministerium liegenden öffentlichkeitsbezogenen Verhaltens nach seinem Tod von der ehemaligen Dienststelle geehrt werden soll, stellt sich als Nachwirkung des bereits beendeten aktiven Dienstverhältnisses dar. Dabei ist unbeachtlich, ob eine solche Ehrung Ausfluss der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ist oder lediglich außerrechtlichen Gepflogenheiten entspricht. Auf den Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zielt im Übrigen das Informationsinteresse des Klägers: Nicht das Verhalten irgendeiner Privatperson im Dritten Reich ist für den Kläger von Interesse, sondern gerade die Verbindung mit der späteren beruflichen Position. Der Bezug zum jeweiligen Dienstverhältnis wird nicht etwa dadurch überlagert und verdrängt, dass die Beklagte ein übergreifendes Interesse an der Aufarbeitung der Geschichte der jeweiligen Institution verfolgt. Denn dies ändert nichts daran, dass gerade der Umgang mit den Lebensläufen der ehemaligen Bediensteten inmitten steht. 18 bb) Der Regelungsgehalt der beamtenrechtlichen Bestimmung deckt sich mit dem Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz. 19 § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG enthält nicht lediglich eine an die aktenführende Behörde gerichtete Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Auskünften an Dritte unter Änderung der auf die Zwecke der Personalverwaltung und Personalwirtschaft gerichteten Bestimmung der Akten (§ 106 Abs. 3 Satz 1 BBG), sondern normiert vielmehr eine Anspruchsgrundlage jedenfalls für den privaten Dritten, die diesem ein Recht auf Auskunft vermittelt. Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG im Gegensatz zu den Vorschriften über die Akteneinsicht durch den Beamten und seine Hinterbliebenen in § 110 Abs. 1 und 2 BBG weder von einem Recht noch davon spricht, dass der Zugang zu gewähren ist. Denn die Erteilung der Auskunft setzt nach § 111 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 Alt. 2 BBG ein überwiegendes Interesse des Dritten voraus. Die Bezugnahme auf die Interessensphäre bzw. den Rechtskreis des Dritten belegt, dass ihm mit dieser Bestimmung auch ein subjektiv-öffentliches Recht auf Auskunft eingeräumt wird. Die Vorschrift ist eine drittgerichtete Schutznorm und soll diesen nicht lediglich reflexhaft begünstigen (vgl. zur entsprechenden landesrechtlichen Bestimmung des § 88 Abs. 2 LBG NW als Anspruchsgrundlage und insoweit eine im Verhältnis zum presserechtlichen Auskunftsanspruch vorrangige Norm Kathke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 88 LBG Rn. 141 ; zum Verständnis der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG als Anspruchsnorm Albers, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand Mai 2017, § 16 BDSG, Einl. a.E., Rn. 17). Unbeachtlich ist des Weiteren, dass sich § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG nach seinem Wortlaut lediglich auf einen Auskunftsanspruch bezieht. Denn § 1 Abs. 3 IFG verlangt keine bestimmte Art des Informationszugangs (vgl. Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 297). 20 Schließlich hat § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG in seinem allerdings beschränkten sachlichen Anwendungsbereich einen mit § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG identischen Regelungsgegenstand. Er verpflichtet eine Bundesbehörde zur Zugangsgewährung; ob der Zugangsanspruch im jeweiligen Einzelfall durchgreift, ist für die Feststellung einer Normenkonkurrenz unerheblich (vgl. Schoch, a.a.O., § 1 Rn. 298). 21 cc) Diese Bestimmung versteht sich jedoch nicht als abschließende und somit das Informationsfreiheitsgesetz verdrängende Regelung. 22 Ihr Wortlaut verhält sich dazu nicht. Die Systematik und die Teleologie des Gesetzes sind ebenfalls nicht aussagekräftig. Eine fachgesetzliche Regelung ist gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsanspruch immer spezieller; allein daraus kann auf eine Verdrängung der letzteren nicht geschlossen werden. 23 Auch der Entstehungsgeschichte der Norm, der in dieser Situation erhebliche Bedeutung zukommt, ist hierzu ausdrücklich nichts zu entnehmen. Das Personalaktenrecht beruht auch in seiner jetzigen Ausgestaltung im Wesentlichen auf dem Neunten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 (BGBl. I S. 1030). Hinweise zum Verhältnis in Bezug auf die Zugangsvorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes sind in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 12/544) schon deswegen nicht zu erwarten, weil dieses damals noch nicht galt. Die Begründung des Gesetzentwurfs des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetzes - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), mit dem die damals bestehende Rechtslage insbesondere in Bezug auf die Einsichts- und Auskunftsrechte im Wesentlichen fortgeführt worden ist, verhält sich hierzu ebenso wenig (BT-Drs. 16/7076, S. 125, 127). Angesichts der Tatsache, dass das Informationsfreiheitsgesetz mittlerweile in Kraft getreten war, spricht indessen alles dafür, insoweit von einem beredten Schweigen auszugehen, als ein Geltungsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes auch in Bezug auf Personalaktendaten weiterhin hingenommen wird. 24 Das Informationsfreiheitsgesetz erstreckt seinen Regelungswillen nach seiner Entstehungsgeschichte gerade auch auf Personalaktendaten (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 13; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 24). Zwar bilden die beamtenrechtlichen Vorschriften über den Umgang mit personenbezogenen Daten ein umfassendes und abschließendes (Sonder-)Regelungssystem (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <12>). Diese Aussage bezieht sich aber (nur) auf das Verhältnis zu den allgemeinen Datenschutzgesetzen, namentlich in Bezug auf das Einsichts- und Auskunftsrecht des Beamten (siehe § 19 BDSG). Die Begründung zum Gesetzentwurf des Informationsfreiheitsgesetzes, die hinsichtlich des besonderen Schutzes nach § 5 Abs. 2 IFG ausdrücklich auf die Personalakten verweist, geht allerdings nicht davon aus, dass der Zugang zu diesen schon durch andere Bestimmungen vorrangig geregelt und deswegen aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen ist. Folglich stehen die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen nebeneinander. 25 b) Für die (ehemaligen) Tarifbeschäftigten gilt nichts anderes. Der Begriff der Personalakte wird hier nach gleichlautenden materiellen Kriterien bestimmt (vgl. etwa BAG, Urteile vom 7. Mai 1980 - 4 AZR 214/78 - ArbuR 1981, 124 = juris Rn. 11 f. und vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09 - NJW 2011, 1306 Rn. 13). Eine dem § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG vergleichbare Bestimmung enthält der über § 12 Abs. 4 BDSG für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst anwendbare allgemeine Beschäftigtendatenschutz in § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG. Danach ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten zulässig, soweit es erforderlich ist zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Diese Vorschrift vermittelt bei Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen nach Würdigung der gegenläufigen Interessen die Übermittlung von Personalaktendaten an Dritte zulässig ist, ebenfalls einen Auskunftsanspruch (zur ähnlichen Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG als Anspruchsnorm Albers, a.a.O., § 16 BDSG, Einl. a.E., Rn. 17; a.A. Taeger, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl. 2013, § 28 Rn. 134). Im Bereich des öffentlichen Dienstes bedarf es folglich nicht des Rückgriffs auf eine entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Anspruchsgrundlage (siehe hierzu Grimm, in: Groeger, Arbeitsrecht im Öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014, I. Personalakte Rn. 6, 11). Eine Sperrwirkung kommt auch der Vorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG nicht zu. 26 2. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes zur Neubescheidung verpflichtet, soweit der Kläger Zugang zu den Abschnitten des Schlussberichts begehrt, die noch lebende ehemalige Bedienstete betreffen. Das Urteil bemisst insoweit den Schutz personenbezogener Daten zwar nach unzutreffenden rechtlichen Maßstäben, erweist sich aber als im Ergebnis richtig. 27 a) Das Oberverwaltungsgericht geht bei der Prüfung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 und 2 IFG zutreffend davon aus, dass es sich bei den streitigen Passagen des Schlussberichts jeweils um personenbezogene Daten im Sinne des § 5 Abs. 1 IFG handelt, deren Integrität nach der Grundregel des Satzes 1 - vorbehaltlich einer Abwägung im Einzelfall - grundsätzlich der Vorrang vor einem gegenläufigen Informationsinteresse des Antragstellers zukommt (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26). Nicht überwindbar im Wege der Abwägung ist das Vertraulichkeitsinteresse zum einen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG für sensible Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG. Die Abwägung wird zum anderen nach § 5 Abs. 2 IFG für einen weiteren Ausschnitt der personenbezogenen Daten von Gesetzes wegen vorgegeben. Soweit diese Daten im Zusammenhang u.a. mit einem Dienstverhältnis stehen, kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen immer der Vorrang im Sinne eines abwägungsresistenten Versagungsgrundes zu (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 19 und vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26). 28 Das Oberverwaltungsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass zu den im Sinne von § 5 Abs. 2 IFG qualifizierten personenbezogenen Daten die Darstellung und Bewertung der Lebensläufe der Bediensteten in der Zeit des Dritten Reiches gehören. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zielt die Vorschrift in erster Linie auf den Schutz der Personalakten im materiellen Sinne (BT-Drs. 15/4493 S. 13). Hierzu zählen auch - wie oben ausgeführt - die streitigen Passagen im Schlussbericht. 29 Der Umfang des durch § 5 Abs. 2 IFG vermittelten besonderen Schutzes ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit Blick auf das Personalaktenrecht und eine angestrebte ""Parallelführung"" zu beschränken. Für die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Inkorporation der Wertungen des Personalaktenrechts und dort möglicher Durchbrechungen des Vertraulichkeitsschutzes fehlt es am normativen Anknüpfungspunkt. § 5 Abs. 2 IFG verweist zur Bestimmung seiner Reichweite nicht auf andere Vorschriften, die den Schutz personenbezogener Daten fachgesetzlich ausformen und gegebenenfalls einschränken, sondern setzt ihn für seinen Anwendungsbereich absolut. 30 Eine Bezugnahme bei der Ausgestaltung der Versagungsgründe und eine Verschränkung mit anderen Normen findet sich demgegenüber in § 3 Nr. 4 IFG, der als Rezeptionsnorm die Beachtung u.a. von Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvorschriften als einen dem Informationszugang entgegenstehenden öffentlichen Belang regelt (BVerwG, Urteile vom 24. Mai 2011 - 7 C 6.10 - Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 und vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11). Die Vertraulichkeit der Personalakten ist in § 106 Abs. 1 Satz 2 BBG normiert; dieser Grundsatz wird in den nachfolgenden Bestimmungen über die Weitergabe, die Einsicht und die Auskunft weiter ausgestaltet. Für privatrechtlich Beschäftigte hat die Rechtsprechung vor dem Hintergrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung entsprechende Vorgaben entwickelt (siehe BAG, Urteile vom 15. Juli 1987 - 5 AZR 215/86 - NJW 1988, 791 und vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09 - NJW 2011, 1306 Rn. 37 ff.; Gola/Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013, Kapitel 4.5). In dieser rechtlichen Einordnung nimmt das Informationsfreiheitsgesetz die Wertungen des Fachrechts auf. 31 b) Das Urteil erweist sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig. 32 Nach dem zutreffenden Verständnis des § 5 Abs. 2 IFG steht einem Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG der Schutz personenbezogener Daten entgegen. Dies rechtfertigt zwar die Abweisung der Klage im Hauptantrag, ein Bescheidungsausspruch ist aber geboten. 33 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht eine Beteiligung der betroffenen Bediensteten gefordert, damit diesen die Gelegenheit gegeben wird, die nach § 5 Abs. 1 IFG - auch bezogen auf Daten nach § 5 Abs. 2 IFG - alternativ vorgesehene Einwilligung zu erteilen, womit der Versagungsgrund überwunden werden kann. 34 Das in § 8 Abs. 1 IFG vorgesehene Drittbeteiligungsverfahren zielt zwar in erster Linie auf den Rechtsschutz des Dritten. Es dient der Ermittlung schutzwürdiger Interessen Dritter, um so festzustellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines dem Informationszugang entgegenstehenden privaten Rechtsguts vorliegen (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 22). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 8 Abs. 1 IFG auch in den Fällen des § 5 Abs. 2 IFG anwendbar. Richtig ist zwar, dass im Rahmen des § 5 Abs. 2 IFG kein Raum für eine Abwägung ist und es daher der Ermittlung schutzwürdiger Interessen des Drittbetroffenen durch dessen Beteiligung nicht bedarf. Die Behörde muss aber auch unabhängig hiervon den Dritten beteiligen, wenn seine Erklärung für die abschließende behördliche Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung ist. Denn den materiell-rechtlichen Bestimmungen, die die Möglichkeit einer Einwilligung des Betroffenen und somit die Disponibilität eines Schutzgutes vorsehen, muss gleichermaßen Geltung verschafft werden. Dem Betroffenen, der das Zugangshindernis im Interesse des Antragstellers beseitigen kann, ist Gelegenheit zu geben, dies zu tun, bevor der Zugangsantrag abgelehnt wird. Dem muss die Verfahrensgestaltung seitens der Behörde entsprechen, die grundsätzlich ihrer diesbezüglichen Sachaufklärungspflicht durch Beteiligung des Dritten nachzukommen hat (vgl. auch Schoch, a.a.O., § 8 Rn. 10, 18). Die Behörde kann sich demnach nicht darauf berufen, dass ihr nach Maßgabe des § 10 VwVfG bei der Ausgestaltung des Verfahrens Ermessen eingeräumt sei. Insbesondere vermag entgegen der Ansicht der Beklagten eine verallgemeinernd angenommene Belastung für den betagten Betroffenen die Behörde nicht aus ihrer Verpflichtung entlassen. Allerdings kann die Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens durch die Beachtung entgegenstehender Rechte begrenzt sein. Sie hat etwa zu unterbleiben, wenn es nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass bereits die Anfrage den Betroffenen einer Gefahr für Leib und Leben aussetzt. Ob schließlich bei einer Vielzahl von Betroffenen der Aufwand - von einem Ermittlungsaufwand im Hinblick auf die aktuelle Adresse und die Erreichbarkeit des Betroffenen kann schon wegen der weiterhin bestehenden Rechtsbeziehungen zum ehemaligen Bediensteten als Pensions- bzw. Rentenempfänger keine Rede sein - der Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens entgegenstehen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 22), bedarf keiner Klärung, denn eine solche Konstellation ist schon aufgrund der übersichtlichen Anzahl der Betroffenen hier nicht gegeben. 35 bb) Dem Neubescheidungsausspruch steht der Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG auch dann nicht entgegen, wenn mit dem Oberverwaltungsgericht dessen Voraussetzungen bejaht werden. Denn eine Versagung des Informationszugangs nach Maßgabe der Vertraulichkeitsbestimmungen des Fachrechts steht auch insoweit unter dem Vorbehalt, dass der Betroffene keine Einwilligung erteilt. 36 (1) Die Anwendung des § 3 Nr. 4 IFG wird hier nicht durch § 5 Abs. 1 und 2 IFG gesperrt. Das Verhältnis der Weigerungsgründe nach § 3 Nr. 4 IFG und nach § 5 Abs. 1 und 2 IFG ist umstritten (siehe hierzu Schoch, a.a.O., § 3 Rn. 252 m.w.N.). Insbesondere in Bezug auf die in beiden Vorschriften ausdrücklich angesprochenen Informationen, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen, wird ein Vorrang bzw. eine Spezialität des § 5 Abs. 1 und 2 IFG vertreten. Ein normativer Ansatzpunkt hierfür fehlt indessen. Einerseits kann nicht ausgeblendet werden, dass die personenbezogenen Daten und deren Schutz und Vertraulichkeit im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 4 IFG zu einem besonderen öffentlichen Belang erklärt werden, der schon wegen der Schutzrichtung nicht ohne Weiteres verdrängt werden darf. Andererseits kann nicht angenommen werden, dass § 3 Nr. 4 IFG und die dort in Bezug genommenen fachgesetzlichen Einschränkungen des Schutzes persönlicher Daten der Regelung des § 5 Abs. 1 und 2 IFG vorgehen. Der durch diese Vorschrift vermittelte großzügige Schutz hat im Rahmen des voraussetzungslosen Zugangsanspruchs weiterhin seine Berechtigung. Ein Gleichlauf mit fachgesetzlich normierten Offenlegungsbefugnissen bedürfte einer gesetzlichen Regelung. Deswegen ist grundsätzlich von einer (Ideal-)Konkurrenz der Versagungsgründe auszugehen. 37 (2) Daraus folgt aber nicht, dass die Möglichkeit für den Betroffenen, über seine Daten zu verfügen, wegen einer Überlagerung durch den Schutz öffentlicher Belange allgemein ausgeschlossen ist. Vielmehr sind die fachgesetzlichen Regelungen in den Blick zu nehmen. Wenn diese die von § 5 Abs. 1 und 2 IFG für disponibel erklärten personenbezogenen Daten ebenfalls der Einwilligung des Betroffenen öffnen, überwindet die im Rahmen des § 5 Abs. 1 IFG erteilte Einwilligung auch den Versagungsgrund nach § 3 Nr. 4 IFG. So liegt es hier. 38 § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG sieht eine Offenlegung von Personalaktendaten im Falle der Einwilligung vor (vgl. auch § 106 Abs. 3 Satz 1 BBG). Diese Vorschrift ist Ausdruck eines datenschutzrechtlichen Verständnisses des Personalaktenrechts, die nicht mehr allein aus einem öffentlichen Interesse heraus geheim zu halten sind. Die hier vorgesehene Einwilligung bezieht sich allerdings nur auf die Erteilung einer Auskunft. Dem Dritten wird - anders als nach § 110 Abs. 1 und 2 BBG dem Betroffenen selbst bzw. seinen Hinterbliebenen - kein Einsichtsrecht zugestanden. Mit dieser Unterscheidung und der Beschränkung der Zugangsmodalitäten gibt das Gesetz zu erkennen, dass bei einer Eröffnung des Informationszugangs im Wege der Einsicht auch öffentliche Interessen beeinträchtigt werden können. Bei mangelnder Aufsicht und Kontrolle birgt die Gewährung von Akteneinsicht die Gefahr, dass auch Teile der Akte zugänglich werden, über deren Inhalt der Betroffene nicht verfügen kann. Die damit verbundene Gefährdung öffentlicher Interessen ist demgegenüber ausgeschlossen, wenn nicht die gesamte Personalakte im formellen Sinne betroffen ist und eine zielgenaue Offenlegung durch eine besondere technische Gestaltung - insbesondere durch die Fertigung von Kopien der betreffenden Seiten (siehe § 110 Abs. 3 Satz 2 BBG) - problemlos möglich ist. So liegen die Dinge hier. Der Schlussbericht mit den darin enthaltenen biografischen Angaben über ehemalige Bedienstete und der Bewertung von deren Verhalten im Dritten Reich ist von den übrigen Personalakten vollständig getrennt, so dass bei einer Einsicht durch Überlassung einer Kopie der einschlägigen Seiten die Gefahr eines Übergriffs auf andere Daten, die wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen nicht offengelegt werden können, auszuschließen ist. 39 Im Anwendungsbereich von § 12 Abs. 4 i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG gilt für Tarifbeschäftigte ein entsprechender Einwilligungsvorbehalt nach § 4 Abs. 1 und § 4a Abs. 1 BDSG. 40 cc) Der Kläger kann sein Zugangsbegehren hinsichtlich der noch lebenden ehemaligen Beschäftigten nicht auf die fachrechtlichen Anspruchsgrundlagen stützen. 41 (1) Nach § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG kann der Dritte eine Auskunft nur verlangen, wenn der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen die Auskunftserteilung zwingend erfordert. Damit hat der Gesetzgeber die Überwindung der gesetzlich normierten Vertraulichkeit insbesondere zur Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im Ausnahmefall zugelassen. Im Rahmen seiner Prüfung zu § 5 Abs. 2 IFG ist das Oberverwaltungsgericht bei der nach diesen Maßgaben vorzunehmenden Abwägung zum Ergebnis gelangt, dass das Informationsinteresse des Klägers nicht überwiegt. Das ist letztlich nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass das pressespezifische Informationsinteresse des Klägers angesichts der Bedeutung einer freien Presse für einen freiheitlichen demokratischen Staat als bedeutsamer Belang in die Abwägung einzustellen ist und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit einschließlich der Offenlegung personeller Kontinuitäten im öffentlichen Leben sowie in den staatlichen Institutionen der frühen Jahre der Bundesrepublik weiterhin eine hohe Bedeutung für das Gemeinwesen hat. Im Ergebnis bedenkenfrei ist aber auch die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass das Informationsinteresse des Klägers dadurch vermindert sei, dass dem öffentlichen Interesse in nicht unerheblichem Umfang bereits durch die ungeschwärzten Bestandteile des Schlussberichts Rechnung getragen worden sei. Widmet sich die Presse einem Thema, darf sie zwar auch insoweit nach publizistischen Kriterien selbst darüber befinden, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht. Es ist Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 41). Eine hiernach unzulässige ""journalistische Relevanzprüfung"" liegt den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts aber nicht zugrunde. Wenn es auf den Erkenntniswert der offengelegten zusammenfassenden Aussagen des Gutachtens verweist, wird damit auch erläutert, warum das Informationsinteresse die begehrte Auskunftserteilung angesichts der entgegenstehenden Vertraulichkeitsinteressen nicht zwingend erfordert. Diese Wertung ist nicht zu beanstanden. 42 Dem Persönlichkeitsschutz hat das Oberverwaltungsgericht, wie in der gesetzlichen Regelung vorausgesetzt, zu Recht ein hohes Gewicht beigemessen. Soweit es auf die mit der Veröffentlichung der Lebensläufe verbundene ""Persönlichkeitsbelastung"" und eine ""stigmatisierende Wirkung"" verweist, ist auch dagegen nichts zu erinnern. Diese Wertung bringt jedenfalls auch zum Ausdruck, dass das Gewicht des Vertraulichkeitsinteresses nicht von der Vermeidung einer Konfrontation mit der je eigenen Biografie, sondern von den Wirkungen einer öffentlichen Auseinandersetzung mit Abschnitten des eigenen Lebenslaufs geprägt wird. Da es dabei nicht nur um punktuelle Daten, sondern um eine Gesamtwürdigung geht, ist der Schutz des Persönlichkeitsrechts von überragender Bedeutung. 43 (2) Nichts anderes ergibt sich für die Tarifbeschäftigten auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG. Auch hier verlangt der ausfüllungsbedürftige Begriff des ""schutzwürdigen Interesses"" eine Abwägung des Interesses des Betroffenen am Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung der Daten für ihn hat, mit den Interessen des Dritten (siehe zur insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - BGHZ 181, 328 Rn. 26; so auch Wolff, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, § 28 BDSG Rn. 100 f.; a.A. Simitis, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 182). 44 dd) Eine dem Kläger günstige Entscheidung folgt schließlich nicht aus europarechtlichen Vorgaben. 45 (1) Die Auslegung der innerstaatlichen Vorschriften im Lichte des Art. 10 EMRK erfordert keine abweichende Bewertung. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat bislang keinen Anlass für eine Korrektur des durch das nationale Recht jeweils gefundenen Ergebnisses am Maßstab der Konventionsnormen gesehen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 33, vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 29 sowie vom 29. Juni 2016 - 7 C 32.15 - Buchholz 406.252 § 8 UIG Nr. 2 Rn. 40 ff.). Daran ändert auch die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn (Urteil der Großen Kammer Nr. 18030/11 vom 8. November 2016; auszugsweise in dt. Übersetzung in NLMR 2016, 536) nichts. Nach den dort unter Würdigung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs dargelegten Rechtsgrundsätzen, unter denen sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EMRK ein Recht auf Informationszugang ergeben kann (Rn. 155 f., 158 ff.), spricht zwar viel dafür, dass das vom Kläger in seiner Rolle als Journalist und somit in seiner Funktion als ""public watchdog"" geltend gemachte Zugangsbegehren von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst wird. Es ist allerdings nichts dafür ersichtlich, dass die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vorgesehenen Einschränkungen (Art. 10 Abs. 2 EMRK) bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (""in einer demokratischen Gesellschaft notwendig"") nicht genügen. 46 (2) Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Fassung vom 12. Dezember 2007, ABl. Nr. C 303 S. 1), deren Art. 11 die Informationsfreiheit gewährleistet, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 gilt die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach Art. 51 Abs. 2 dehnt die Charta den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union aus. Daher ist das Recht der Mitgliedstaaten nur dann an den Grundrechten der Karte zu messen, wenn es durch Unionsrecht determiniert ist oder Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Rede stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2016 - 6 C 2.15 - NVwZ 2017, 65 Rn. 26 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn das Informationsfreiheitsrecht ist - im Gegensatz zu dem hier nicht einschlägigen Umweltinformationsrecht - nicht durch unionsrechtliche Vorgaben determiniert. 47 3. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts ist Einsicht in die Akten zu gewähren, soweit bereits verstorbene ehemalige Bedienstete betroffen sind; eine unterschiedliche Bewertung innerhalb dieser Gruppe ist nicht geboten. 48 a) Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 und 2 IFG abgestellt. Es geht zwar zutreffend davon aus, dass der Begriff der personenbezogenen Daten Verstorbene grundsätzlich nicht erfasst. Der im Anschluss daran gleichwohl vorgenommenen inhaltlichen Erstreckung der Vorschrift auf Verstorbene ist nicht zu folgen. 49 aa) § 5 Abs. 1 IFG dient dem Schutz personenbezogener Daten; der in § 5 Abs. 2 IFG verwendete Begriff der ""Informationen"" ist aufgrund des inhaltlichen Bezugs zu § 5 Abs. 1 IFG im gleichen Sinne zu verstehen. Die Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten richtet sich nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 20 und vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 22; Schoch, a.a.O., § 5 Rn. 22). Die ausdrückliche Erwähnung besonders sensibler Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG in § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG bestärkt das datenschutzrechtliche Begriffsverständnis. Hiernach ist § 3 Abs. 1 BDSG maßgeblich, der mit dem Begriff der ""natürlichen Person"" - vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Fundierung im Recht auf informationelle Selbstbestimmung - nur lebende Personen im Blick hat (vgl. nur Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 17). 50 bb) Das Oberverwaltungsgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, personenbezogene Daten auch über den Tod des Betroffenen hinaus einfachgesetzlich - wie etwa in § 35 Abs. 5 SGB I oder § 203 Abs. 4 StGB ausdrücklich geschehen - zu schützen. Im Beamtenrecht wird die Vertraulichkeit der Personalakte ausweislich des § 110 Abs. 2 BBG über die beschränkten Einsichtsrechte der Hinterbliebenen auch postmortal geschützt. Mit einer solchen Regelung kann der Gesetzgeber von ihm identifizierte Schutzlücken füllen, die sich im Vorfeld des durch die Menschenwürdegarantie geforderten postmortalen Persönlichkeitsschutzes auftun können; dieser ist zwingend zu beachten, wobei er im Informationsfreiheitsgesetz jedenfalls als verfassungsunmittelbarer Versagungsgrund zur Geltung zu bringen ist (Schoch, a.a.O., § 5 Rn. 27), und einer Abwägung nicht zugänglich. 51 Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 und 2 IFG aber nicht entsprechend ergänzt und erweitert. Die - wie bereits hinsichtlich der noch lebenden ehemaligen Bediensteten - erstrebte inhaltliche Parallelführung der Zugangsansprüche nach dem Personalaktenrecht und dem Informationsfreiheitsrecht kann wiederum über § 3 Nr. 4 IFG geleistet werden. Diese Rezeptionsnorm nimmt insoweit die fachgesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts auf, so dass auch hier eine inzidente Prüfung nach den dort einschlägigen Bestimmungen vorzunehmen ist. 52 cc) Bei der der Sache nach vorrangigen Prüfung, ob ein Informationszugang den postmortalen Persönlichkeitsschutz verletzen würde und jedenfalls demnach ausgeschlossen ist, ist das Oberverwaltungsgericht zum zutreffenden Ergebnis gelangt. 53 (1) Der postmortale Persönlichkeitsschutz folgt aus dem Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. Hingegen besteht kein Schutz des Verstorbenen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Der aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist demgemäß nicht identisch mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt. Der Schutz kann nicht etwa im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden. Beeinträchtigungen können dementsprechend nicht durch die grundrechtliche Gewährleistung kollidierender Freiheitsrechte gerechtfertigt werden. Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt. Dafür genügt ein Berühren der Menschenwürde nicht. Vorausgesetzt ist eine sie treffende Verletzung. Bei Angriffen auf den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch genügt beispielsweise nicht dessen Infragestellung, wohl aber deren grobe Entstellung (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 - NJW 2001, 2957 <2959>, vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04 - NJW 2006, 3409 und vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 1533/07 - NVwZ 2008, 549 Rn. 7 ff., jeweils m.w.N.). 54 Der allgemeine Achtungsanspruch wird durch die Offenlegung der im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie nach Auswertung schriftlicher Quellen wiedergegebenen Elemente eines Lebenslaufs nicht tangiert. Auch in der Bewertung eines Betroffenen als ""nicht ehrwürdig"" oder ""kritikwürdig"", die eine spezifische Zielrichtung hat, liegt keine Herabwürdigung seiner Person. Denn er wird dadurch nicht als allgemein ""ehrlos"" oder ""unwürdig"" dargestellt, sondern damit wird sein Verhalten in einem bestimmten Lebensabschnitt im Hinblick auf die Angemessenheit einer bestimmten Ehrerbietung nach seinem Ableben bewertet. Schließlich wird auch der Geltungswert, den der Betroffene durch die eigene Lebensleistung erworben hat, damit nicht infrage gestellt. Denn diese Schutzwirkung zielt nicht darauf ab, dass das Lebensbild, das der Betroffene zu seinen Lebzeiten selbst - gegebenenfalls auch durch Ausblenden und Verdrängen bestimmter Vorkommnisse - seinem Umfeld zu vermitteln bestrebt war, für die Nachwelt und sein Andenken abschließend und maßgeblich sein müsste. 55 (2) Nichts anderes ergäbe sich, wenn man den Schutz des Geltungswerts und folglich eines Lebensbildes in der Weise erweiternd verstehen wollte, dass nicht lediglich dessen Verzerrung, sondern auch ein Einblick in die der Privatsphäre zuzuordnenden Daten ausgeschlossen sein soll, um so letztlich eine umfassende Ausleuchtung und Ausforschung der Persönlichkeit nach dem Tod zu verhindern. Damit würde zugleich unter Wahrnehmung einer staatlichen Schutzpflicht einer Geheimhaltungserwartung zu Lebzeiten entsprochen, die Voraussetzung einer vollen Persönlichkeitsentfaltung ist (siehe hierzu Martini, JZ 2012, 1145 <1150 f.>; Spilker, DÖV 2015, 54 <56 ff.>; Hevers, Informationszugangsansprüche des forschenden Wissenschaftlers, 2015, S. 171 ff., 174 sowie BVerwG, Beschlüsse vom 7. August 2013 - 20 F 9.12 - juris Rn. 17 und vom 20. Dezember 2016 - 20 F 10.15 - juris Rn. 28). Durch die Offenlegung der im Schlussbericht bewerteten Lebensläufe ist die zu Lebzeiten besonders geschützte Privat- und Intimsphäre der Betroffenen indessen nicht berührt. Denn sie sind auf die politische und berufliche Betätigung und damit auf die Sozialsphäre der Betroffenen bezogen. 56 b) Auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. 57 Das Oberverwaltungsgericht nimmt hinsichtlich der Vertraulichkeitsvorschriften des Personalaktenrechts wiederum auf seine Ausführungen im Rahmen des § 5 Abs. 2 IFG Bezug. Die dort vertretene Differenzierung zwischen den Personen, die unterschiedlichen Bewertungskategorien zugeordnet worden sind, beruht nicht auf tragfähigen Annahmen. 58 aa) Bei der nach § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG gebotenen Abwägung ist das pressespezifische und somit grundrechtlich fundierte Informationsinteresse wiederum hoch zu gewichten. Demgegenüber ist das Vertraulichkeitsinteresse, das (nur noch) auf einem einfachgesetzlichen postmortalen Persönlichkeitsschutz beruht, im Vergleich zur Situation der noch lebenden Bediensteten deutlich herabgesetzt. Bei Personen, bei denen die im Mittelpunkt des Informationsinteresses stehenden personellen Kontinuitäten durch eine entsprechende Einstufung (""deutlich kritikwürdig""; ""nicht ehrwürdig"") besonders hervortreten, hat - wie bereits vom Oberverwaltungsgericht ausgeführt - das Vertraulichkeitsinteresse zurückzutreten. 59 Nichts anderes gilt aber auch für die Personen, die in andere Bewertungskategorien eingestuft worden sind. Auch insoweit ist ein Informationsinteresse der Presse plausibel. Bei den als ""kritikwürdig"" eingestuften ehemaligen Bediensteten spricht schon vieles dafür, dass das Oberverwaltungsgericht hier eine rechtlich unzulässige ""journalistische Relevanzprüfung"" einfließen lässt. Deswegen ist auch das von der Beklagten vorgebrachte Abwägungskriterium, wonach die später im Ministerium ausgeübte Funktion von Bedeutung sei, irrelevant. Jedenfalls fehlt es - wie auch bei den anderen Kategorien - an einer überzeugenden Begründung für die 3-jährige Sperrfrist. Das Argument des Verblassens des postmortalen Persönlichkeitsschutzes trägt bei solch kurzen Zeiträumen nicht. Die Achtung von Pietätsinteressen der Angehörigen würde - wenn überhaupt - eher eine Orientierung an der hergebrachten Vorstellung eines Trauerjahres nahelegen. Aber auch das vermag letztlich nicht zu überzeugen. Denn es geht um Vorkommnisse in der Sozialsphäre aus längst vergangenen Lebensabschnitten des Verstorbenen. 60 Diesem Ergebnis kann schließlich nicht ein vermeintlicher Wertungswiderspruch zu den - mittlerweile nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BArchG (in der Fassung des Gesetzes vom 10. März 2017, BGBl. I S. 410) auf einen Zeitraum von 10 Jahren nach dem Tod reduzierten - Schutzfristen des Bundesarchivgesetzes entgegengehalten werden. Denn nach § 11 Abs. 5 Nr. 2 BArchG gelten diese nicht, wenn das Archivgut aus Unterlagen besteht, die vor der Übergabe an das Bundesarchiv bereits einem Informationszugang nach einem Informationszugangsgesetz offen gestanden haben. Insoweit schreibt das neue Bundesarchivgesetz die alte Rechtslage fort (siehe § 5 Abs. 4 Satz 2 BArchG a.F.; § 13 Abs. 2 IFG; BT-Drs. 15/4493, S. 17); die insoweit abweichende Formulierung im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/9633, S. 18, 70 f.) ist nach Änderung im Ausschuss nicht Gesetz geworden (BT-Drs. 18/10813, S. 10). 61 bb) Hinsichtlich der die (ehemaligen) Tarifbeschäftigten betreffenden Daten fehlt es an einer ausdrücklichen rechtlichen Regelung, die den Schutz des Personalaktengeheimnisses - jedenfalls im Grundsatz und vorbehaltlich einer Interessenabwägung im Einzelfall - über den Tod hinaus erstreckt. Ob in dieser Situation jedenfalls im öffentlichen Dienst eine entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften angezeigt ist, weil Umstände, die eine abweichende Behandlung der Beschäftigtengruppen rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind, kann dahinstehen. Denn auch eine Interessenabwägung steht - wie oben ausgeführt - einer Offenlegung der Daten nicht entgegen. 62 4. Schließlich kann der Kläger als Journalist und Träger des Grundrechts der Pressefreiheit einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht geltend machen. 63 a) Das Landespressegesetz Nordrhein-Westfalen ist nicht anwendbar; dem Landesgesetzgeber fehlt die Zuständigkeit zur Regelung von Auskunftsansprüchen gegenüber Bundesbehörden. Der Bund besitzt gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Bundesbeamten sowie nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die konkurrierende Gesetzgebung für das Arbeitsrecht. Dazu zählt in beiden Fällen - ob originär oder erst als Annex zur Sachmaterie mag dahinstehen - die Befugnis, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen über die Beschäftigten zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 22 ff., 25 ff. und Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 13 ff., 18 ff.). In dieser Situation ist für einen verfassungsunmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann Raum, wenn der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat und seiner aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Pflicht nicht nachgekommen ist, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). 64 b) Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber mit § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG einen auf Personalaktendaten bezogenen Auskunftsanspruch normiert, der auch den Anforderungen der Pressefreiheit genügt. Entsprechendes gilt für die Tarifbeschäftigten auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BDSG. 65 Dabei ist unbeachtlich, dass die Vorschriften nicht zwischen der Presse und sonstigen Dritten unterscheiden. Daraus folgt nicht, dass diese insoweit als Jedermannsrecht normierten Auskunftsansprüche nicht geeignet sind, die informationsrechtliche Stellung der Presse auszugestalten, weil sie deren besondere Funktionsbedürfnisse nicht reflektierten (so zum IFG BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28). Denn die Vorschriften verweisen auf eine umfassende Interessenabwägung, in die dann je nach ihrer Art unterschiedlich zu gewichtende Anliegen und folglich auch das besonders hohe Informationsinteresse der Presse einfließen kann. Dies entspricht im Übrigen auch den generellen Anforderungen an den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse. Er wird der Aufgabe der Presse gerecht, wenn er seinem materiell-rechtlichen Gehalt nach nicht hinter dem Inhalt derjenigen presserechtlichen Auskunftsansprüche zurückbleibt, die die Landesgesetzgeber im Wesentlichen inhaltsgleich, auf eine Abwägung zielend und den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genügend, in den Landespressegesetzen normiert haben. Der auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende Auskunftsanspruch fordert dementsprechend eine Abwägung im Einzelfall (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 17 unter Bezugnahme auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 12; siehe zur Abwägung bei entgegenstehenden privaten Interessen etwa Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, 20. Kap., Rn. 10 und Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 121 ff.). 66 Wenn das Gesetz für einen Auskunftsanspruch hohe Hürden errichtet, kommt damit zum Ausdruck, dass es das Vertraulichkeitsinteresse bei den Personalaktendaten als gewichtig einschätzt. Eine solche Wertung zum Schutz persönlicher Daten ist dem Gesetzgeber nicht versagt. Damit nimmt er gerade sachspezifisch die hier geregelte Problemlage in den Blick und trägt den Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Sachmaterie Rechnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 20, 24). 67 Diese Vorschriften sind schließlich nicht etwa deswegen unzulänglich, weil sie zwingend mit Kostenfolgen verbunden sind, die einer effektiven Pressearbeit entgegenstünden. Das Beamtenrecht regelt - ebenso wie die für die Tarifbeschäftigten geltenden Bestimmungen - keine spezielle Kostenfolge für die Erteilung von Auskünften. Das Verwaltungskostengesetz, das hier gemäß § 23 Abs. 1 BGebG noch Anwendung findet (siehe BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 7 C 6.15 - NVwZ 2017, 485 Rn. 11), sieht in § 6 vor, dass für bestimmte Arten von Amtshandlungen aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung zugelassen werden können. Damit kann auch den Besonderheiten eines presserechtlichen Einsichtsbegehrens hinreichend Rechnung getragen werden. Soweit hinsichtlich der bereits verstorbenen Bediensteten ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG mit den Gebührenfolgen nach der Informationsgebührenverordnung besteht, ist auf die entsprechende Vorschrift in § 2 IFGGebV zu verweisen. 68 c) Ist damit aufgrund der gesetzlichen Regelungen dem Informationszugangsbegehren bereits Rechnung getragen, ist für einen besonderen presserechtlichen Anspruch kein Raum mehr. Die Prüfung eines im Vergleich zu diesen Bestimmungen weitergehenden Informationsanspruchs erübrigt sich. Auch stellt sich nicht die Frage, ob bei einem Gleichlauf der beiden Anspruchsgrundlagen von einer ""Erfüllungswirkung"" des auf der einen Grundlage gewährten Anspruchs für den anderen auszugehen wäre. 69 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO." bverwg_2017-5,02.02.2017,"Pressemitteilung Nr. 5/2017 vom 02.02.2017 EN Geringere Ruhestandsbezüge wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der DDR Bezieht ein Ruhestandsbeamter des Bundes auch eine Rente für eine Tätigkeit in der DDR, die ihm aufgrund eines Studienabschlusses an der SED-Parteihochschule „Karl Marx“ übertragen wurde, so muss er sich diese Rente auf seine Versorgungsbezüge anrechnen lassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1945 geborene Kläger war seit 1973 in der Zentralen Staatliche Preiskontrolle für Investitionen (ZSPI) des Amtes für Preise, einem Organ des Ministerrats der DDR, tätig. Nach einigen Jahren als persönlicher Mitarbeiter beim Staatssekretär des Amtes für Preise und einem dreijährigen Studium der Gesellschaftswissenschaften an der SED-Parteihochschule „Karl Marx“ beim Zentralkomitee der SED, das er mit dem Diplom abschloss, wurde er 1982 zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt. 1990 wechselte er zum Rechnungshof der DDR und wurde nach der Wiedervereinigung vom Bundesrechnungshof zunächst als Angestellter und schließlich 1994 als Beamter übernommen. Zuletzt bekleidete er das Amt eines Leitenden Regierungsdirektors. Der Kläger erhält für seine Tätigkeit in der DDR eine gesetzliche Rente von rd. 800 €. Diesen Betrag brachte die Beklagte bei der Berechnung seiner Versorgungsbezüge in Abzug. Nach der Berechnung der Versorgungsbehörde lag der Höchstwert für die addierten Renten- und Versorgungsbezüge im Fall des Klägers bei 2 250 €. Der gegen diesen Abzug gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben. Kläger und Beklagte haben hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Klage insgesamt abgewiesen. Gemäß § 12a Beamtenversorgungsgesetz und § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Bundesbesoldungsgesetz sind Zeiten für eine Tätigkeit nicht ruhegehaltfähig, die aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der DDR übertragen war. Dies wird u.a. bei einem Absolventen der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung der DDR widerlegbar vermutet. Bei der Parteihochschule „Karl Marx“, die unmittelbar dem Zentralkomitee der SED unterstand, handelt es sich um eine solche Einrichtung. Sie stellte die höchste Bildungseinrichtung der SED dar und diente der „Kaderauslese“. Es sollten „zuverlässige, disziplinierte und marxistisch geschulte Funktionäre“ aufgebaut werden. Dem Kläger ist es nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Allein sein Vorbringen, er sei aufgrund seiner fachlichen Qualifikation ausgewählt worden, genügt nicht. Nach dem Gesetz werden auch Zeiten vor dem Besuch der Parteihochschule von dem Ausschluss erfasst. Da die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit bereits mit dem vollendeten siebzehnten Lebensjahr beginnt, reicht auch der Ausschluss so weit zurück. Diese Regelung ist auch verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zur Bewältigung der Folgen der Deutschen Einheit, namentlich zur hier in Rede stehenden Vorschrift des § 30 BBesG, eine besonders weite Typisierungsbefugnis eingeräumt. In diesem Rahmen durfte er auch typisierend annehmen, dass sich die für die Übertragung einer Tätigkeit mit besonderer Systemnähe erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung bereits in Zeiten vor dieser Übertragung herausgebildet hat. Auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation ist die gesetzliche Regelung nicht zu beanstanden, weil jedem Ruhestandsbeamten nach dem Gesetz zumindest die Mindestversorgung verbleibt. Im konkreten Fall liegen die Gesamtbezüge des Klägers sogar etwas höher. Fußnote: Beamtenversorgungsgesetz § 12a Nicht zu berücksichtigende Zeiten Zeiten nach § 30 des Bundesbesoldungsgesetzes sind nicht ruhegehaltfähig. Bundesbesoldungsgesetz  § 30 Nicht zu berücksichtigende Dienstzeiten (1) § 28 Absatz 1 bis 3 gilt nicht für Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit. Dies gilt auch für Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. Satz 1 gilt auch für Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch für Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik übertragen war. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird insbesondere widerlegbar vermutet, wenn der Beamte oder Soldat 1. vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, der Freien Deutschen Jugend oder einer vergleichbaren systemunterstützenden Partei oder Organisation innehatte oder 2. als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat eines Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war oder 3. hauptamtlich Lehrender an den Bildungseinrichtungen der staatstragenden Parteien oder einer Massen- oder gesellschaftlichen Organisation war oder 4. Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung war. BVerwG 2 C 25.15 - Urteil vom 02. Februar 2017 Vorinstanz: VG Berlin, 28 K 253.11 - Urteil vom 30. September 2015 -","Urteil vom 02.02.2017 - BVerwG 2 C 25.15ECLI:DE:BVerwG:2017:020217U2C25.15.0 EN Ruhen von Versorgungsbezügen wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR Leitsätze: 1. Die Parteihochschule ""Karl Marx"" beim Zentralkomitee der SED war eine der Akademie für Staat und Recht vergleichbare Bildungseinrichtung im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG. 2. Um die in § 30 Abs. 2 Satz 2 BBesG enthaltene Vermutung zu widerlegen, dass eine bestimmte Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen war, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass die Erfüllung eines der in dieser Vorschrift enthaltenen Beispielsfälle nicht einmal eine von womöglich mehreren Ursachen für die Übertragung der Tätigkeit gewesen ist. 3. Die von § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG bewirkte Erfassung von Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind, reicht bei der Bestimmung der Höchstgrenze im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG bis zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs zurück. 4. Dieses Regelungsgefüge verstößt weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG (Alimentationsgrundsatz) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es hält sich im Rahmen der weiten Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers. Jedem Beamten, dem aufgrund besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR dort eine Tätigkeit i.S.v. § 30 Abs. 2 BBesG übertragen war, verbleibt bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest die im Dienste der Bundesrepublik Deutschland ""erdiente"" Versorgung und in jedem Fall die Mindestversorgung des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 BeamtVG §§ 12a, 14 Abs. 4 Satz 1, § 55 BBesG §§ 28, 30 VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VG Berlin - 30.09.2015 - AZ: VG 28 K 253.11 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 02.02.2017 - 2 C 25.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020217U2C25.15.0] Urteil BVerwG 2 C 25.15 VG Berlin - 30.09.2015 - AZ: VG 28 K 253.11 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2015 wird aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Sprungrevision des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um das teilweise Ruhen von Versorgungsbezügen aufgrund besonderer persönlicher Nähe des Versorgungsempfängers zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. 2 Der 1945 geborene Kläger besuchte von 1953 bis 1965 die Polytechnische Schule bzw. Erweiterte Oberschule in Ostberlin. Von 1962 bis Oktober 1965 absolvierte er schulbegleitend eine Ausbildung als Elektromechaniker. Daran schloss sich bis Oktober 1970 das Studium der Ingenieurökonomie an der Technischen Universität Dresden an. Ab Oktober 1970 bis 1973 arbeitete er hauptberuflich als Planer im Institut für Nachrichtentechnik. Ab 1973 bis 1976 arbeitete der Kläger in der Zentralen Staatlichen Preiskontrolle für Investitionen (ZSPI) des Amtes für Preise, einem Organ des Ministerrats der DDR. Von 1976 bis 1979 war er als persönlicher Mitarbeiter beim Staatssekretär des Amtes für Preise tätig. In diesem Zeitraum nahm er an einer 16-monatigen berufsbegleitenden ""Fortbildung von Nachwuchskadern für Leitungsfunktionen"" der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft teil. Von 1979 bis 1982 absolvierte der Kläger ein Studium an der Parteihochschule ""Karl Marx"" beim Zentralkomitee der SED, das er mit dem akademischen Grad ""Diplom-Gesellschaftswissenschaftler"" abschloss. Im unmittelbaren Anschluss an dieses Studium wurde er im Juli 1982 zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt. 3 Ab Juli 1990 war der Kläger als Prüfer beim Rechnungshof der DDR tätig. Ab dem 3. Oktober 1990 wurde sein Arbeitsverhältnis im Angestelltenverhältnis beim Bundesrechnungshof fortgesetzt. Im Juli 1994 wurde er unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsrat z.A. ernannt. 2007 wurde er zum Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16 BBesO) befördert. Ab Januar 2009 war er im Statusamt eines Leitenden Regierungsdirektors tätig. 4 Mit Bescheid vom 14. September 2010 setzte der Präsident des Bundesrechnungshofes das Ruhegehalt des Klägers auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 37,8 % und eines Grundgehaltes der Besoldungsgruppe A 16 auf 2 199,94 € fest. 5 Mit Rentenbescheid vom 30. September 2010 setzte die Deutsche Rentenversicherung die gesetzliche Altersrente des Klägers für seine in der DDR sowie ab dem 3. Oktober 1990 im Angestelltenverhältnis geleisteten Dienstzeiten ab dem 1. Dezember 2010 auf 865,61 € fest. 6 Mit Bescheid vom 16. November 2010 setzte die Beklagte die auszuzahlenden Versorgungsbezüge des Klägers auf 1 411,88 € fest. Die Gesamtversorgung des Klägers bestehend aus Rente und Versorgungsbezügen überschreite die maßgebliche Höchstgrenze um 795,82 €. In dieser Höhe ruhten seine Versorgungsbezüge. 7 Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Seine Klage hat teilweise Erfolg gehabt. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid vom 16. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als bei der Höchstgrenzenfestsetzung auch der Zeitraum vom 1. Dezember 1962 bis zum 18. Oktober 1970 abgezogen worden ist. Die Beklagte habe die Höchstgrenze fehlerhaft bestimmt und daher zu Unrecht deren Überschreitung angenommen. Dem Grundsatz nach habe die Beklagte zwar zu Recht Zeiten ab 1970, dem Beginn der Berufstätigkeit des Klägers, in Abzug gebracht. Dem Kläger sei die Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen worden. Dieser Umstand führe nach dem Gesetz auch zum Ausschluss vorheriger Zeiten. Allerdings führe eine gesetzessystematische Auslegung zu einer Begrenzung dieses Ausschlusses. Seien bestimmte Zeiten für die besoldungsrechtliche Zuordnung zu Erfahrungsstufen nicht anerkennungsfähig, schließe dies auch ihren Abzug bei der Berechnung der versorgungsrechtlichen Höchstgrenze aus. Dies gelte hier für die Zeiten von Ausbildung und Studium des Klägers von 1962 bis 1970. 8 Kläger und Beklagte haben hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. 9 Der Kläger hält es für rechtswidrig, dass die Zeiten von 1970 bis 1990 von der Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit ausgeschlossen bleiben. Seine berufliche Tätigkeit sei ihm aufgrund seiner Leistung und Qualifikation übertragen worden. Die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen seien verfassungswidrig. 10 Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der Zeitraum vom 19. Oktober 1970 bis 30. Juni 1990 als ruhegehaltfähige Dienstzeit des Klägers zu berücksichtigen ist, und den Bescheid der Bundesfinanzdirektion Mitte vom 16. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2011 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2015 aufzuheben, soweit sie dieser Feststellung entgegenstehen, und die Sprungrevision der Beklagten zurückzuweisen. 11 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2015 aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Sprungrevision des Klägers zurückzuweisen. II 12 Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zeitraum der Berufstätigkeit des Klägers in der DDR vom 19. Oktober 1970 bis zum 30. Juni 1990 sei bei der Bestimmung der Höchstgrenze im Rahmen der Ruhensberechnung nicht zu berücksichtigen, verletzt kein Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (1.). Die Sprungrevision der Beklagten ist dagegen zulässig und begründet. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Zeitraum von Ausbildung und Studium des Klägers vom 1. Dezember 1962 bis 18. Oktober 1970 sei bei der Berechnung der Höchstgrenze zu beachten, verletzt Bundesrecht (2.). 13 1. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der maßgeblichen, zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand am 1. Dezember 2010 und - soweit hier von Bedeutung - bis heute unverändert geltenden Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 150) werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Zu den Renten im Sinne dieser Vorschrift gehören gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen, wie sie der Kläger bezieht. 14 Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG gelten als Höchstgrenze für Ruhestandsbeamte der Betrag, der sich als Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG ergeben würde, wenn der Berechnung bei den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen die Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet (Buchst. a) und als ruhegehaltfähige Dienstzeit - soweit hier von Bedeutung - die Zeit vom vollendeten siebzehnten Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles abzüglich von Zeiten nach § 12a BeamtVG (Buchst. b) zugrunde gelegt werden. Gemäß § 12a BeamtVG sind Zeiten nach § 30 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) nicht ruhegehaltfähig. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der hier maßgeblichen und - soweit hier von Bedeutung - bis heute unverändert fortgeltenden Fassung vom 19. Juni 2009 (BGBl. I S. 1434) gilt § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht für Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit. Satz 2 dieser Vorschrift erstreckt den Ausschluss nach Satz 1 auch auf Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. § 30 Abs. 2 BBesG erklärt die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 und 2 auch für Zeiten einer Tätigkeit für anwendbar, die aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik übertragen war. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BBesG insbesondere widerlegbar vermutet, wenn auf den Beamten eine der dort näher beschriebenen Fallgruppen Anwendung findet. 15 Die Tätigkeit des Klägers als Stellvertreter des Leiters der ZSPI unterfällt der Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG, weil der Kläger Absolvent einer vergleichbaren Bildungseinrichtung wie der Akademie für Staat und Recht im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG gewesen ist, indem er den Studienabschluss des Diplom-Gesellschaftswissenschaftlers an der Parteihochschule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ""Karl Marx"" erreicht hat; die Zeiten dieser beruflichen Tätigkeit sind gemäß § 12a BeamtVG in der Folge nicht ruhegehaltfähig (a). Die aus dem erfolgreichen Besuch dieser Bildungseinrichtung abzuleitende Vermutung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist nicht widerlegt worden (b). In Anwendung von § 30 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BBesG und § 12a BeamtVG sind auch die vor der Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI liegenden Zeiten nicht ruhegehaltfähig (c). Diese gesetzlichen Regelungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (d). 16 a) Die Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI ist dem Kläger übertragen worden, weil in seiner Person eine besondere persönliche Nähe zum System der ehemaligen DDR gegeben war. Dies ist gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG zu vermuten bei Absolventen der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung. Die vom Kläger erfolgreich besuchte Parteihochschule der SED ""Karl Marx"" ist eine solche vergleichbare Einrichtung gewesen. Da sich die von § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG vorausgesetzte Systemnähe im Rahmen des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG bereits unmittelbar aus der Ausbildung selbst ergibt, kommt es für die Feststellung der Vergleichbarkeit der Ausbildung mit derjenigen an der einzig in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Ausbildung an der Akademie für Staat und Recht in besonderem Maße auf eine Vergleichbarkeit von Lehrinhalten und Ausbildungszielen an (BAG, Urteil vom 20. Mai 1999 - 6 AZR 610/97 - NJW 2000, 1516 <1517 f.>, zur tarifvertraglichen Vorbildvorschrift des § 30 BBesG). Diese ist bei der Parteihochschule der SED ""Karl Marx"" gegeben. 17 An der Akademie für Staat und Recht wurden Staatsfunktionäre ausgebildet und leitende Kader der Staatsorgane qualifiziert. Die Ausbildung diente nach dem Willen des Ministerrats der DDR der ständigen klassenmäßigen Stärkung des sozialistischen Staatsapparates und der Erhöhung der marxistisch-leninistischen Kenntnisse der Leiter und Mitarbeiter der Staatsorgane und der Entwicklung ihrer politischen und fachlichen Fähigkeit, schöpferisch die Politik der SED im Interesse der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zur weiteren Festigung der Arbeiter- und Bauernmacht und ständigen Erhöhung ihres internationalen Ansehens zu verwirklichen (BAG, Urteil vom 20. Mai 1999 - 6 AZR 610/97 - NJW 2000, 1516 <1518>). Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) erhielten die Absolventen der Akademie für Staat und Recht mit dem Ziel ihrer Vorbereitung auf eine (künftige) Leitungsfunktion im sozialistischen Staatswesen vor allem eine intensive ideologische Schulung marxistisch-leninistischer Prägung, wohinter die Vermittlung rein fachlicher juristischer Kenntnisse deutlich zurücktrat. 18 Dem entsprachen nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Ausbildungsziele und -inhalte der Parteihochschule ""Karl Marx"". Hiernach war diese Parteihochschule die höchste Bildungsstätte der SED. Sie hat der Kaderauslese gedient und sollte einen ""zuverlässigen, disziplinierten und marxistisch geschulten Funktionär"" hervorbringen. Die Parteihochschule hat als höchste Stufe der Aus- und Weiterbildung der führenden Kader gedient. Zu den dort unterrichteten und geprüften Fächern gehörten unter anderem marxistisch-leninistische Philosophie, Staat und Recht, Kulturpolitik der SED, politische Ökonomie des Sozialismus/Kapitalismus, marxistisch-leninistische Partei und Parteiaufbau, wissenschaftlicher Kommunismus, Geschichte der SED, Geschichte und Politik der KPdSU sowie Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Die Delegierung an die Parteihochschule geschah auf Beschluss der Sekretariate der SED-Bezirksleitungen, welche sich dazu mit der Abteilung Parteiorgane des ZK abstimmen mussten. Erforderlich waren dabei unter anderem eine ""kaderpolitisch reine Weste"" sowie die erfolgreich bestandene Erprobung in der politischen Arbeit. 19 b) Die danach bestehende Vermutung, in der Person des Klägers habe eine besondere persönliche Nähe zum System der ehemaligen DDR bestanden, ist nicht widerlegt worden. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass Gegenstand der Widerlegung nicht die Nähe der ausgeübten Tätigkeit zum System der ehemaligen DDR bzw. die Systemnähe des Klägers an sich ist. Denn § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG knüpft an den Grund für die Übertragung der Tätigkeit, nicht an den Charakter der Tätigkeit an (OVG Münster, Urteil vom 2. Februar 2001 - 12 A 2446/98 - juris Rn. 80; Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 1. Aufl. 2014, § 30 Rn. 7). Dieser Grund für die Übertragung der Tätigkeit wird im Rahmen des Satzes 2 dieser Vorschrift vermutet, wenn eines der genannten Beispiele gegeben ist. Im Rahmen des hier einschlägigen § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG kommt es gerade nicht auf eine sonstige Systemnähe des Beamten an, sondern allein auf das Absolvieren der Ausbildung an einer der erfassten Bildungseinrichtungen, weil diese Absolventen im Sinne der SED-Interessen in besonderer Weise systemgetreu geschult und für später wahrgenommene (Spitzen-)Ämter im Staatsapparat der DDR wegen der systemnahen Ausbildung ausgewählt wurden (OVG Münster, Urteil vom 2. Februar 2001 - 12 A 2446/98 - juris Rn. 84). 20 Zur Widerlegung der Vermutung ist demnach nachzuweisen, dass dem Beamten die jeweiligen Tätigkeiten aus anderen Gründen als der anzunehmenden besonderen Systemnähe übertragen worden sind. Dabei genügt es nicht, wenn neben der Systemnähe auch andere Gründe für die Übertragung der Funktion ausschlaggebend waren, namentlich die Qualifikation des Beamten. Denn es wird bei jeder Übertragung einer öffentlichen Funktion oder Tätigkeit in der DDR zu vermuten sein, dass die Systemnähe des Betroffenen nicht der einzige Grund für die Übertragung gewesen ist. In der Regel wird auch dessen Qualifikation - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaße - mit berücksichtigt worden sein. Zu widerlegen ist damit die gesetzliche Vermutung, dass die Systemnähe des Beamten zumindest eine von mehreren Ursachen (Mitursächlichkeit) bei der Übertragung der Tätigkeit gewesen ist (BAG, Urteil vom 20. Mai 1999 - 6 AZR 610/97 - NJW 2000, 1516 <1519>; OVG Magdeburg, Beschluss vom 3. November 2008 - 1 L 7/08 - juris Rn. 7). Anders formuliert ist der Nachweis zu erbringen, dass die Systemnähe nicht einmal eine von womöglich mehreren Ursachen für die Übertragung der Tätigkeit gewesen ist. 21 Für das Vorliegen dieser Voraussetzung trägt der Beamte die materielle Beweislast. Ihm stehen hierfür alle zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Eine Einschränkung der gerichtlichen Aufklärungsmöglichkeiten wäre nur dann mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar, wenn es hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung und einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gäbe (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2016 - 2 C 21.14 - BVerwGE 154, 137 Rn. 21). Im Verhältnis zur gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO trägt der Beamte allerdings schon wegen seiner persönlichen Nähe zu den maßgeblichen Umständen seiner beruflichen Entwicklung besondere Mitwirkungspflichten (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Das Gericht muss vor allem dann eigene Ermittlungen anstellen, wenn aufgrund der Darlegungen des Beamten oder aufgrund sonstiger Umstände ernsthafte Zweifel an der gesetzlichen Vermutung im konkreten Fall bestehen. Immer dann, wenn im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die gesetzliche Vermutung im konkreten Fall falsch und ein anderer Sachverhalt richtig ist, greift die gesetzliche Vermutung im Sinne einer Regelung der materiellen Beweislast (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 33). 22 Hiervon ausgehend war aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt; es bestand auch kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Unter seinen Feststellungen befinden sich - im Gegenteil - vielmehr Umstände, die, ohne dass dies angesichts der gesetzlichen Vermutung erforderlich wäre, sogar für die hier relevante Kausalität streiten. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich der Kläger selbst Systemnähe zugemessen hat. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an den Besuch der Parteihochschule ""Karl Marx"" zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt wurde. Dies unterstreicht die hier erforderliche Kausalität des Hochschulbesuchs (zur Bedeutung der zeitlichen Komponente vgl. BAG, Urteil vom 20. Mai 1999 - 6 AZR 610/97 - NJW 2000, 1516 <1519>). Ebenfalls streitet für die Kausalität der Umstand, dass der berufliche Werdegang des Klägers einschließlich der verschiedenen Ausbildungsstationen einem bereits 1975 im Einvernehmen mit dem Kläger aufgestellten persönlichen Nachwuchsentwicklungsplan mit dem Ziel der Leitung der ZSPI entsprach. 23 Weder aus den Darlegungen des Klägers noch aus sonstigen Umständen ergibt sich ein weiterer Ermittlungsbedarf oder gar die Widerlegung der Vermutung. Der Kläger bringt lediglich vor, ihm sei wegen seiner Leistungen und seiner Qualifikation die Tätigkeit in der ZSPI übertragen worden. Diese Annahme ist schon nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung in Zweifel zu ziehen oder Anlass zu weiteren Ermittlungen durch das Tatsachengericht zu geben, weil sie als wahr unterstellt werden kann. Sie schließt die vom Gesetz angenommene Mitursächlichkeit des erfolgreichen Besuchs einer in § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG genannten Bildungseinrichtung nicht aus. Dem entsprechend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, dass ein ""gewisser förderlicher Einfluss"" des Besuchs der Parteihochschule ""Karl Marx"" nicht ausgeschlossen werden könne. 24 c) Auch der durch den Kläger zum Gegenstand der Revision gemachte Zeitraum ab dem 19. Oktober 1970 bis zur Übertragung der Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI ist gemäß § 12a BeamtVG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 BBesG nicht ruhegehaltfähig. Für Tätigkeiten, die wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen worden sind, erklärt § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG auch Absatz 1 Satz 2 derselben Vorschrift für anwendbar. Dieser regelt, dass auch Zeiten vor einer solchen Tätigkeit von § 30 BBesG erfasst werden. Die Vorschrift enthält damit für Zeiten vor dem Übertragungsakt eine unwiderlegliche Vermutung der Systemnähe, die auf dem Gedanken beruht, dass sich die für die Übertragung erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung schon in der vorangegangenen Zeit herausgebildet hat (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <328>; Groepper, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand Dezember 2016, § 12a BeamtVG Rn. 27). 25 d) Dieses Regelungsgefüge ist mit dem Grundgesetz vereinbar. 26 aa) Es liegt keine durch Art. 3 Abs. 1 GG untersagte, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Diese besteht nicht darin, dass für Beamte, deren beruflicher Werdegang keine Zeiten nach § 30 BBesG aufweist, bei der Höchstgrenzenberechnung im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG kein vergleichbarer Abzug vorgesehen ist. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft (BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82 u.a. - BVerfGE 75, 108 <157>). Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1976 - 1 BvR 197/73 - BVerfGE 42, 374 <388> und Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. - BVerfGE 100, 138 <174>). Dabei ist der Gesetzgeber grundsätzlich auch befugt zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (BVerfG, Urteile vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. - BVerfGE 100, 138 <174> und vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 301/98 - BVerfGE 101, 297 <309>). Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung wie etwa im Besoldungs- und Versorgungsrecht ein Gebiet, in dem der Normgeber über einen weiten Wertungsspielraum verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <330>; BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 31). Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stand der Gesetzgeber zudem vor der Aufgabe, zahlreiche Vorgänge einer Vergangenheit, die durch ein von der Bundesrepublik Deutschland verschiedenes Herrschafts- und Gesellschaftssystem vollkommen andersartig geprägt waren, für die Überleitung in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland normativ erfassen und bewerten zu müssen. Hieraus folgt ein besonders starkes Typisierungsbedürfnis und eine entsprechend weite Typisierungsbefugnis. Damit verbundene Härten im Einzelfall sind hinzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <324 f.>). 27 Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht verlassen, indem er Tätigkeiten, die aufgrund des erfolgreichen Besuchs einer Bildungseinrichtung, die die ideologische Qualifizierung künftiger leitender Kader zum Ziel hatte, als ruhegehaltfähige Dienstzeit ausnahm. 28 Gemeinsamer Grundgedanke von § 30 Abs. 1 und 2 BBesG ist, Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR, die durch eine in verschiedener Weise herausgehobene Nähe zum Herrschaftssystem der DDR gekennzeichnet sind, durch widerlegliche oder unwiderlegliche Vermutungen von der besoldungs- oder versorgungssteigernden Anrechnung auszunehmen. Die Regelung geht davon aus, dass solche Dienstzeiten, während derer der Beamte außerhalb des Rahmens einer rechtsstaatlichen Verwaltung tätig geworden ist, nicht mit Tätigkeiten in der rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen sind (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <324>; BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 14 und vom 20. Juni 2013 - 2 B 71.12 - Buchholz 240 § 30 BBesG Nr. 3 Rn. 19). 29 Schon wegen der Zielrichtung der Ausbildung in den von § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG erfassten Bildungseinrichtungen, die letztlich in der Heranbildung von Stützen eines Systems bestand, in dem die gesamte Gesellschaft auf die Einparteienherrschaft der SED ausgerichtet sein sollte und in dem die Beschneidung individueller Freiheit und die Ausübung von Unrecht zu den Herrschaftsmitteln gehörten, durfte der Gesetzgeber bei ihren Absolventen annehmen, dass deren Tätigkeit nicht mit derjenigen in einer rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Verwaltung gleichgesetzt werden kann. Wie auch das Beispiel des Klägers zeigt, ist die Annahme naheliegend, dass die spätere Tätigkeit zumindest auch wegen der in dem erfolgreichen Besuch dieser Bildungseinrichtung zum Ausdruck kommenden Systemnähe übertragen wurde. Diese pauschale Annahme wird zugunsten der betroffenen Beamten sogar dadurch abgemildert, dass ihre Widerlegung nach dem Gesetz zulässig ist. 30 Es stand dem Gesetzgeber aufgrund seines Wertungsspielraums auch zu, innerhalb der Regelung des § 30 BBesG verschiedene Fallgruppen im Hinblick auf die besoldungs- und versorgungsrechtliche Anerkennung von Vordienstzeiten gleichermaßen hiervon auszunehmen. Denn auch wenn diese Fallgruppen, welche in Absatz 1 Satz 1 die Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit oder dessen Nachfolgeeinrichtung, des Amtes für Nationale Sicherheit, in Absatz 1 Satz 3 die Angehörigen der Grenztruppen der ehemaligen DDR und in Absatz 2 Satz 2 die Angehörigen systemstützender Organisationen wie Einheitspartei und Einheitsgewerkschaft, die mittleren und oberen Führungskräfte in zentralen Staatsorganen sowie die Lehrenden und Absolventen bestimmter Bildungseinrichtungen erfassen, unterschiedliche Personengruppen betreffen und unterschiedliche Anknüpfungspunkte für ihre Identifizierung wählen, so ist ihnen gemein, dass sie durch eine ""herausgehobene"" Nähe zum Herrschaftssystem der ehemaligen DDR gekennzeichnet sind (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <324>). 31 Anders als vom Kläger angenommen kommt es auch nicht darauf an, ob die von § 30 BBesG erfasste Systemnähe in jedem Einzelfall ihren Ausdruck in der Repression gegen die Bevölkerung auch unter Begehung schwerster Menschenrechtsverletzungen findet (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 - 2 C 5.03 - LKV 2004, 507 <508> zu Angehörigen der Grenztruppen). Im Rahmen des Typisierungs- und Wertungsspielraums des Gesetzgebers ist es vielmehr nicht sachwidrig, wenn Personen, die staatliche Unrechtshandlungen persönlich auszuführen hatten, im Hinblick auf ihre spätere besoldungs- und versorgungsrechtliche Einordnung mit solchen Personen gleichgesetzt werden, die durch ihr Zutun es überhaupt erst ermöglicht haben, dass ein Staat (fort-)besteht, der solche Unrechtshandlungen zum Herrschaftsinstrument erhebt. 32 Ebenso ist es nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 BBesG auch die vor dem eigentlichen Anknüpfungspunkt liegenden Zeiten erfasst. Die in der Regelung unwiderlegbar zum Ausdruck kommende Annahme, dass sich die für die angenommene Systemnähe erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung schon in der vorangegangenen Zeit herausgebildet haben muss, vermeidet Abgrenzungsprobleme und dient damit der Rechtssicherheit als einem wesentlichen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <328>). Es handelt sich hierbei auch um eine nachvollziehbare Annahme des Gesetzgebers. Denn es wäre gerade nicht überzeugend anzunehmen, dass sich eine politisch-ideologische Grundeinstellung erst mit der Übernahme einer aufgrund Systemnähe übertragenen Tätigkeit herausbildet. Der Übertragungsakt setzt vielmehr als kausale Voraussetzung die Systemnähe voraus, die ihrerseits im marxistisch-leninistisch organisierten Staat ohne entsprechende politisch-ideologische Grundeinstellung nicht denkbar ist. 33 Dass die von § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG erfassten Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind, von ihrem Anfangspunkt her offen bzw. unbegrenzt sind, stellt auch versorgungsrechtlich keine vor dem Hintergrund der Sachgerechtigkeit zu beanstandende unerträgliche Härte dar. § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG) erkennt bei der Höchstgrenzenberechnung als ruhegehaltfähige Dienstzeit einen Zeitraum an, der mit der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs beginnt. Das bedeutet bei einem Beamten, der nach der früher geltenden Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand getreten ist, dass zunächst eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 48 Jahren bei der Höchstgrenzenberechnung in Ansatz gebracht wird, obwohl zur Erreichung der Versorgungshöchstgrenze gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nur 40 Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit erforderlich sind. In Abzug zu bringende Zeiten nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG reichen ebenfalls maximal bis zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs zurück, weil ein Abzug nur von dem Grunde nach ruhegehaltfähigen Dienstzeiten erfolgen kann. 34 Dieses Regelungsgefüge führt dazu, dass einem Beamten, der unter die Regelung des § 30 BBesG fällt, in der Summe aus Renten- und Versorgungsbezügen in keinem Fall weniger Gesamtaltersbezüge zustehen, als er an Versorgungsbezügen im Dienst der Bundesrepublik Deutschland ""erdient"" hat. Soweit diese erdienten Versorgungsbezüge unterhalb der durch § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG geregelten Mindestversorgung liegen, verbleibt ihm in der Gesamtbetrachtung zumindest diese (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 6 f.). Beamte, die weniger als die der Mindestversorgung entsprechende ruhegehaltfähige Dienstzeit von 20 Jahren ""erdient"" haben, erhalten die Mindestversorgung und damit mehr als das ""Erdiente"". Beamten, die mehr als 20 Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit aufweisen, kann aufgrund ihres Lebensalters, das zu mehr als 20 Jahren Dienst nach der Deutschen Einheit geführt hat, maximal ein Zeitraum von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit abgezogen werden, der ihnen genau die ""erdiente"" ruhegehaltfähige Dienstzeit für die Berechnung der Höchstgrenze im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG belässt. Das wird durch die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit durch die äußerste Grenze der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs bewirkt. 35 Bei wirtschaftlicher Betrachtung führt dies dazu, dass Beamte, die der Regelung des § 30 BBesG unterfallen, maximal den Wert ihrer gesetzlichen Rente, welche im Wesentlichen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in der ehemaligen DDR gewährt wird, verlieren. Dies kann angesichts der Art der von § 30 BBesG erfassten Vortätigkeit nicht als sach- und gleichheitswidrig angesehen werden. Rechtstechnisch wird dieser Verlust dadurch bewirkt, dass der Anspruch auf Rentenzahlung ungeschmälert bestehen bleibt, während ein entsprechender Teil der Versorgung ruht. Dass der Gesetzgeber diese gesetzestechnische Form der Berücksichtigung der aufgrund Systemnähe zur ehemaligen DDR übertragenen Tätigkeit gewählt hat, steht ihm im Rahmen einer durch ihn vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zu (kritisch Wolff, ZBR 2011, 145 <147, 149>). Der Dienstherr darf sich auch in diesem Fall von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 8). 36 Nicht zu beanstanden ist innerhalb des Regelungsgefüges des § 30 BBesG der Umstand, dass einzig für die von dieser Regelung in Absatz 1 Satz 3 erfasste Gruppe der Angehörigen der Grenztruppen der ehemaligen DDR die Erstreckung auf vorhergehende Zeiten, welche durch Absatz 1 Satz 2 erfolgt, nicht vorgesehen ist. Insoweit erscheint es nicht sachwidrig, gerade bei den Angehörigen der Grenztruppen nicht pauschal anzunehmen, dass sich bei ihnen schon vor dieser Tätigkeit eine entsprechende politisch-ideologische Grundeinstellung herausgebildet hat. Denn zu den Angehörigen der Grenztruppen gehörten in nicht unerheblichem Umfang auch Wehrpflichtige, die im Rahmen ihres Grundwehrdienstes ihren Dienst in den Grenztruppen verrichten mussten (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <332>). 37 Es liegt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Personen vor, die keine Versorgungsbezüge, sondern ausschließlich eine gesetzliche Rente erhalten. Allein die Versorgungsberechtigung zeigt auf, dass es sich hierbei nicht um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 13). 38 bb) Schließlich ist kein Verstoß gegen den Alimentationsgrundsatz gegeben. Denn über die Regelungen der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist gewährleistet, dass die Gesamtversorgung des Beamten mindestens deren Niveau erreicht und damit in jedem Falle dem Art. 33 Abs. 5 GG genügt (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 6). 39 2. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, erfasst § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG den gesamten Zeitraum bis hin zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs durch den Kläger. Der Verweis in § 12a BeamtVG auf ""Zeiten nach § 30 des Bundesbesoldungsgesetzes"" bezieht sich allein auf die dort beschriebenen Zeiten. Das beinhaltet auf der einen Seite die in materieller Hinsicht erfassten Tätigkeiten, welche der Gesetzgeber als Ausdruck einer herausgehobenen Nähe zum Herrschaftssystem der ehemaligen DDR gewertet hat, und auf der anderen Seite die zeitliche Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG, welche die Rechtsfolgen auf zuvor liegende Zeiten erstreckt. 40 § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG bewirkt im Versorgungsrecht keine Begrenzung des zeitlichen Umfangs der gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG in Abzug zu bringenden Zeiten. § 30 BBesG nimmt die vom Verwaltungsgericht angeführte Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht in seinen Tatbestand auf. § 30 BBesG bewirkt zunächst lediglich eine Veränderung der Rechtsfolgen bei der besoldungsrechtlichen Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG, indem er bei der Bestimmung der Erfahrungsstufe bestimmte Zeiten als anerkennungsfähige Vordienstzeiten ausschließt. In gleicher Weise bewirkt § 30 BBesG durch die Bezugnahme in § 12a BeamtVG auch im Versorgungsrecht eine Einschränkung, hier auf die Ruhegehaltfähigkeit bestimmter Zeiten im Rahmen der Höchstgrenzenfestsetzung gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG. 41 Die vom Verwaltungsgericht angenommene Beschränkung der zeitlichen Wirkung des § 30 BBesG durch den Regelungsbereich des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG erfasst alle Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. Eine Einschränkung des § 30 BBesG durch die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG wäre ein systemfremder Eingriff in die Eigengesetzlichkeit des Versorgungsrechts. § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthält eine komplexe Regelung der Frage, welche Vordienstzeiten bei der Bestimmung von Erfahrungsstufen anzuerkennen sind. Demgegenüber liegt der Berechnung von ruhegehaltfähigen Dienstzeiten in §§ 6 ff. BeamtVG eine gänzlich andere Konzeption zugrunde. Insbesondere bei der hier maßgeblichen Höchstgrenzenberechnung nach § 55 Abs. 2 BeamtVG wird dieser Unterschied deutlich, weil hier zunächst zugunsten des Versorgungsempfängers und in wesentlich großzügigerem Ausmaß als im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG ein Zeitraum ab der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs in Ansatz zu bringen ist. Es wäre systemfremd, Sonderregelungen des Besoldungsrechts hierauf zu übertragen. 42 Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Die Bundesregierung hat zu Änderungsvorschlägen des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 - BBVAnpG 92), nach denen eine dem § 30 BBesG entsprechende Regelung auch in das Beamtenversorgungsgesetz und das Soldatenversorgungsgesetz übernommen werden sollte, erwidert, dass die vom Bundesrat vorgetragenen rechtlichen Bedenken nicht geteilt werden. Vielmehr solle mit der Verweisung sichergestellt werden, dass im Besoldungs- und Versorgungsrecht jederzeit einheitliche Regelungen gelten (BT-Drs. 12/3629 S. 36). Damit dürfte aber kaum gemeint gewesen sein, dass sich künftig die Anerkennung von Vordienstzeiten für die Berechnung des Besoldungsdienstalters (bzw. nach neuerem Recht der Stufenzuordnung) auf die Frage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auswirken soll. Vielmehr kann diese Äußerung nur so verstanden werden, dass der materielle Gehalt der Einschätzung bestimmter Tätigkeiten in der DDR im Besoldungs- wie auch im Versorgungsrecht gleich verlaufen soll. 43 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-50,29.06.2017,"Pressemitteilung Nr. 50/2017 vom 29.06.2017 EN Kein Anspruch auf Einsicht in Unterlagen des Statistischen Bundesamts zur Unternehmenskonzentration Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Statistikgeheimnis einem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf Zugang zu amtlichen Informationen zur Unternehmenskonzentration entgegensteht, wenn eine mit dem Statistikgeheimnis unvereinbare Reidentifizierung von Unternehmern und Unternehmen anhand dominanter Merkmale nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kläger beantragte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erfolglos Zugang zu Unterlagen, die das Statistische Bundesamt für die Monopolkommission aufbereitet hatte. Die Monopolkommission hat u.a. die Aufgabe, alle zwei Jahre ein Gutachten zu erstellen, in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt. Das Statistische Bundesamt unterstützt die Monopolkommission dabei durch Verbindung und Auswertung von Datensätzen. Die Ergebnisse der Vergleichsberechnungen für das XVII. Hauptgutachten 2006/2007 übermittelte das Bundesamt der Monopolkommission in einer anonymisierten Fassung, für die keine sog. Dominanzprüfung durchgeführt wurde. Mit einer solchen Prüfung soll eine mit dem Statistikgeheimnis nicht vereinbare Reidentifizierung von Unternehmern und Unternehmen anhand dominanter Merkmale ausgeschlossen werden. Das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts hob der Verwaltungsgerichtshof auf. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Informationszugang hat, weil die streitgegenständlichen Vergleichsberechnungen vom Statistikgeheimnis des § 16 BStatG geschützt sind und deshalb dem Informationszugangsrecht ein besonderes Amtsgeheimnis i.S.v. § 3 Nr. 4 IFG entgegensteht. Eine Verpflichtung zur Vornahme einer Dominanzprüfung besteht nicht. BVerwG 7 C 22.15 - Urteil vom 29. Juni 2017 Vorinstanzen: VGH Kassel, 6 A 1998/13 - Urteil vom 30. Juli 2015 - VG Wiesbaden, 6 K 1423/11.WI - Urteil vom 07. März 2013 -","Urteil vom 29.06.2017 - BVerwG 7 C 22.15ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U7C22.15.0 EN Leitsätze: 1. § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG stellt eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG dar. 2. Der Begriff der Einzelangaben in § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG ist weit auszulegen. Rechtsquellen IFG § 3 Nr. 4 BStatG § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 6 GWB § 47 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Wiesbaden - 07.03.2013 - AZ: VG 6 K 1423/11.WI VGH Kassel - 30.07.2015 - AZ: VGH 6 A 1998/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.06.2017 - 7 C 22.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U7C22.15.0] Urteil BVerwG 7 C 22.15 VG Wiesbaden - 07.03.2013 - AZ: VG 6 K 1423/11.WI VGH Kassel - 30.07.2015 - AZ: VGH 6 A 1998/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Statistischen Bundesamtes zur Unternehmenskonzentration. 2 Im September 2010 beantragte er auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu Vergleichsberechnungen zur Gruppenzugehörigkeit von Unternehmen, die das Statistische Bundesamt für die Monopolkommission durchgeführt und an diese zur Erstellung des XVII. Hauptgutachtens 2006/2007 übermittelt hatte. Den Antrag lehnte das Statistische Bundesamt ab. 3 Das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Dem Anspruch auf Informationszugang stehe der Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG entgegen. Das Statistikgeheimnis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG erstrecke sich auch auf die streitbefangenen Unterlagen des Statistischen Bundesamtes, die Einzelangaben im Sinne dieser Vorschrift enthielten. Der Begriff der Einzelangabe umfasse nicht nur die einzelnen Daten vor der Aggregierung, sondern auch die ermittelten Ergebnisse, solange es sich nicht sicher um die in § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BStatG genannten ""statistischen Ergebnisse"" handele, die vom Gebot der Geheimhaltung ausgenommen seien. Die Berechnungen unterfielen hinsichtlich der Rechenmethoden, der Auswahl der Daten und des Ergebnisses dem Schutzzweck des § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG, weil in den Daten dominante Einzelwerte enthalten sein könnten und diese gegebenenfalls auf das einzelne Unternehmen und dessen Einzelangaben zurückgerechnet werden könnten. Eine Dominanzprüfung sei nicht durchgeführt worden. Das Statistische Bundesamt sei nicht verpflichtet, weitere Amtshandlungen vorzunehmen, die einen Auskunftsanspruch erst begründen könnten. 4 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: 5 Den Informationszugang beschränkende Versagungsgründe seien eng auszulegen. Das gelte auch für das Statistikgeheimnis des § 16 BStatG. Dominanzfälle müssten für den Datensatz tatsächlich vorliegen. Sie dürften nicht bloß vermutet werden. Dies habe das Berufungsgericht aber als ausreichend erachtet. Die Auffassung des Bundesamtes führe zu einer dem Informationszugang entgegenstehenden Bereichsausnahme für Statistik, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur für Nachrichtendienste bestehe. Das Berufungsgericht habe den Anspruch auf Informationszugang zu Unrecht insgesamt versagt. Dass in einem Vorgang geheimhaltungsbedürftige Informationen enthalten seien, reiche zur vollständigen Verweigerung des Informationszugangs nicht aus. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG müsse dem Antrag auf Zugang zu Informationen in dem Umfang stattgegeben werden, der ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich sei. Demnach sei vorliegend die Durchführung einer Dominanzprüfung geboten. 6 Im Übrigen greift der Kläger das Berufungsurteil unter dem Gesichtspunkt eines Gehörsverstoßes an. 7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 2015 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 7. März 2013 zurückzuweisen. 8 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. II 10 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben; die Verfahrensrüge des Klägers greift nicht durch. 11 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) zugunsten der Beklagten eingreift. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang unter anderem nicht, wenn die Information einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. 12 § 3 Nr. 4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Mai 2011 - 7 C 6.10 - Buchholz 400 IFG Nr. 4 Rn. 14 und vom 28. Juli 2016 - 7 C 3.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 19 Rn. 11; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 204 f.). Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 21 und 25). 13 Eine solche Spezialvorschrift ist auch § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz - BStatG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2394) (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 11). Nach dieser Bestimmung sind Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die für eine Bundesstatistik gemacht werden, von den Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die mit der Durchführung von Bundesstatistiken betraut sind, geheim zu halten, soweit durch besondere Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Der Versagungsgrund des Statistikgeheimnisses nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG ist keine Bereichsausnahme, wie sie nach § 3 Nr. 8 IFG hinsichtlich eines Anspruchs auf Informationszugang etwa gegenüber den Nachrichtendiensten besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2016 - 7 C 18.14 - Buchholz 404 IFG Nr. 17 Rn. 12). Diese Vorschriften nehmen nicht das Statistische Bundesamt schon als solches vom Zugangsanspruch aus, sondern schränken den Informationszugang für bestimmte Einzelangaben ein, soweit nicht ein Ausnahmetatbestand nach den nachfolgenden Absätzen vorliegt. 14 Die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG geschützten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse umfassen Erklärungen, die vom Auskunftspflichtigen oder Befragten in Erfüllung seiner statistischen Auskunftspflicht nach § 15 BStatG oder bei einer Erhebung ohne Auskunftspflicht freiwillig abgegeben werden (vgl. Dorer/Mainusch/Tubies, Kommentar zum BStatG, 1988, § 16 Rn. 13 f.; BT-Drs. 10/5345 S. 21). Für den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben unverzichtbar, solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1, 49). Dieser Schutzzweck gebietet eine weite Auslegung des Begriffs der Einzelangaben in § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG. 15 Zu den durch das Statistikgeheimnis geschützten Einzelangaben gehören daher auch die mit den Einzelangaben anderer Befragter zusammengefassten Einzelangaben, solange ein Personenbezug wieder herstellbar ist. ""Statistische Ergebnisse"" im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BStatG stellen somit nur solche zusammengefassten Einzelangaben dar, die nicht geeignet sind, einen Rückschluss auf Einzelangaben einzelner Befragter zuzulassen. Das setzt regelmäßig die Vornahme einer sog. Dominanzprüfung voraus, mit der ermittelt werden soll, ob trotz Zusammenfassung von Einzelangaben ein Befragter aufgrund seiner besonderen Stellung noch identifizierbar ist (vgl. Dorer/Mainusch/Tubies, Kommentar zum BStatG, 1988, § 16 Rn. 27). Eine solche Prüfung ist hier vor der Übermittlung an die Monopolkommission nicht erfolgt. Dass die Beklagte hierzu verpflichtet gewesen wäre, trägt auch der Kläger nicht vor. 16 Auf dieser Grundlage, von der auch der Verwaltungsgerichtshof ausgeht (vgl. UA S. 15), fallen Angaben unter den Schutz des Statistikgeheimnisses nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG, in denen dominante Einzelwerte enthalten sein können, die einen Rückschluss auf einzelne Auskunftspflichtige bzw. die von diesen gemachten Einzelangaben ermöglichen. Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) hinsichtlich der vom Kläger begehrten Ergebnisse der vom Statistischen Bundesamt für die Monopolkommission durchgeführten Vergleichsberechnungen der Fall. Danach steht fest, dass in den verfahrensgegenständlichen Untersuchungen derartige Einzelwerte (sog. Dominanzwerte) auftreten können und sogar wahrscheinlich sind (vgl. UA S. 17). Auch die sog. Herfindahl-lndizes sind den Einzelangaben zuzurechnen. Da nicht auszuschließen ist, dass durch Kombination mit anderen Konzentrationsmaßen Rückschlüsse auf einzelne Einheiten gezogen werden können, ist ein Zugang zu diesen Daten ohne weitere Prüfung nicht möglich. Dass diese Prüfung nach Auffassung des Klägers keinen besonderen Aufwand erfordert, sondern schematisch vorgenommen werden kann, stellt die Notwendigkeit einer solchen Prüfung nicht in Frage. Das Gleiche gilt für die Fallzahlen, die den Vergleichsberechnungen zugrunde liegen. Auch sie fallen unter die statistische Geheimhaltung. Nach nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs stammen diese Daten nicht allein aus kommerziellen Quellen, sondern sind mit Daten aus den Statistischen Landesämtern und dem Statistischen Bundesamt zusammengefasst worden. 17 § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG bedarf entgegen der Auffassung des Klägers auch keines ""wissenschaftsfreundlichen"" Verständnisses. Den Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit trägt § 16 Abs. 6 BStatG Rechnung. Diese Vorschrift ist auf den Kläger, der für keine Hochschule oder sonstige Forschungseinrichtung tätig ist, nicht anwendbar. 18 Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf Vornahme einer nachträglichen Dominanzprüfung. Das Bundesstatistikgesetz sieht eine solche Rechtspflicht der Beklagten nicht vor. Anderes folgt nicht aus § 47 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245). Auch das Informationsfreiheitsgesetz bietet keine Rechtsgrundlage hierfür. Insbesondere ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG kein Anspruch auf eine weitere Aufbereitung der zum Gegenstand des Informationsbegehrens gemachten Vergleichsberechnungen. Die Vorschrift geht davon aus, dass ein Informationszugang nach den materiell-rechtlichen Vorgaben wenigstens teilweise besteht (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 = Buchholz 404 IFG Nr. 18 Rn. 19). Daran fehlt es hier. Das Statistikgeheimnis schließt - wie dargelegt - einen Informationszugang zu den Vergleichsberechnungen insgesamt und nicht nur bezogen auf einen Teil der Berechnungen aus. Sperrt das Fachrecht den Informationszugang und gewährt es auch keinen Anspruch auf eine weitere Bearbeitung der Informationen, um die Sperrwirkung zu überwinden, so ist dies auch für den Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz maßgeblich. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auf diejenigen Informationen beschränkt ist, die bei der Behörde im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags vorhanden sind (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 = Buchholz 404 IFG Nr. 18 Rn. 41). 19 2. Entgegen der Auffassung der Revision leidet das Urteil des Berufungsgerichts nicht an einem Verfahrensfehler. Die Revision rügt eine Versagung des rechtlichen Gehörs nach § 138 Nr. 3 und § 108 Abs. 2 VwGO. Das rechtliche Gehör sei verletzt, weil der Kläger nicht die Möglichkeit gehabt habe, zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 29. Juli 2015 ausreichend Stellung zu nehmen. Diese Auffassung geht indes fehl. Falls der Kläger durch neues Vorbringen des Prozessgegners überfordert gewesen sein sollte, hätte er, um sich Gehör zu verschaffen, um Vertagung oder um Schriftsatzfrist nachsuchen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1997 - 11 B 3.97 - NVwZ 1998, 634, 636; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 35). Dies hat der Kläger nicht getan. Ihm wurde in der mündlichen Verhandlung zweimal durch Unterbrechung der Sitzung Gelegenheit gegeben, sich zu dem Schriftsatz zu äußern. Nach der ersten Unterbrechung hat der Kläger zwar angekündigt, eine Schriftsatzfrist zu beantragen, einen solchen Antrag hat er aber auch nach der zweiten Unterbrechung nicht gestellt. Im Übrigen enthält der Schriftsatz der Beklagten kein neues Vorbringen, sondern fasst den wesentlichen Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze zusammen. 20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-54,17.08.2017,"Pressemitteilung Nr. 54/2017 vom 17.08.2017 EN Masterabschluss in Psychologie eröffnet Zugang zur Psychotherapeutenausbildung Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der erfolgreiche Abschluss eines Masterstudiengangs in Psychologie an einer inländischen Universität die Zugangsvoraussetzung für eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten erfüllt. Die Klägerin schloss 1996 ein Fachhochschulstudium zur Diplom-Sozialpädagogin ab und arbeitete in der Folgezeit in einer psychosozialen Beratungsstelle. Ab 2009 studierte sie berufsbegleitend im Masterstudiengang Psychologie an einer staatlich anerkannten Universität. Die Zulassung zum Masterstudium erfolgte mit der Auflage, verschiedene Brückenkurse zu belegen. Nach bestandener Abschlussprüfung, die das Fach Klinische Psychologie einschloss, verlieh ihr die Universität im September 2013 einen Mastergrad. Im Anschluss beantragte sie beim Beklagten die Prüfung ihrer Zugangsberechtigung für die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin. Mit Bescheid vom 4. März 2014 stellte der Beklagte fest, dass die Voraussetzung für den Ausbildungszugang nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG)* nicht vorliege, weil die Klägerin keinen Bachelorabschluss in Psychologie habe. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid blieben ohne Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies auch die Berufung der Klägerin zurück. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen geändert und den Beklagten zur Feststellung verpflichtet, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin erfüllt. Der von ihr bestandene Masterabschluss ist eine Abschlussprüfung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG. Das Erfordernis eines zusätzlichen Bachelorabschlusses in Psychologie lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Für eine dahingehende Auslegung genügt nicht, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Psychotherapeutengesetzes im Jahr 1998 als Zugangsvoraussetzung die Diplomprüfung im Studiengang Psychologie vor Augen hatte. Er hat die durch den sog. Bologna-Prozess bewirkte Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterabschlüsse bislang nicht zum Anlass genommen, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG zu ändern oder zu reformieren. Wegen der grundsätzlichen Gleichstellung des Masterabschlusses an einer Universität mit dem Diplomabschluss an einer Universität ist daher unter Abschlussprüfung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG neben der Diplomprüfung auch die Masterprüfung zu verstehen. Hingegen findet sich im Wortlaut der Norm kein Anknüpfungspunkt dafür, dass für den Zugang zur Ausbildung auch ein Bachelorabschluss in Psychologie vorliegen muss. Fußnote: Die Regelung lautet: … (2) Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung nach Absatz 1 ist 1. für eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten a) eine im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie, die das Fach Klinische Psychologie einschließt und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes der Feststellung dient, ob der Student das Ziel des Studiums erreicht hat, BVerwG 3 C 12.16 - Urteil vom 17. August 2017 Vorinstanzen: VGH Kassel, 7 A 983/15 - Urteil vom 04. Februar 2016 - VG Kassel, 3 K 1496/14.KS - Urteil vom 17. März 2015 -","Urteil vom 17.08.2017 - BVerwG 3 C 12.16ECLI:DE:BVerwG:2017:170817U3C12.16.0 EN Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten Leitsatz: Ein im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandener Masterabschluss im Studiengang Psychologie, der das Fach Klinische Psychologie einschließt, ist eine Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG. Rechtsquellen PsychThG § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a HRG § 19 GG Art. 12 Abs. 1 Instanzenzug VG Kassel - 17.03.2015 - AZ: VG 3 K 1496/14.KS VGH Kassel - 04.02.2016 - AZ: VGH 7 A 983/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 - 3 C 12.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:170817U3C12.16.0] Urteil BVerwG 3 C 12.16 VG Kassel - 17.03.2015 - AZ: VG 3 K 1496/14.KS VGH Kassel - 04.02.2016 - AZ: VGH 7 A 983/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt: Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Februar 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 17. März 2015 werden geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 4. März 2014 und sein Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG erfüllt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin schloss im September 1996 an der Fachhochschule Fulda erfolgreich ein Studium zur Diplom-Sozialpädagogin ab. In der Folgezeit arbeitete sie als Sozialpädagogin in einer psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle. Zum Wintersemester 2009/2010 nahm sie berufsbegleitend ein Teilzeitstudium im Masterstudiengang ""Klinische Psychologie/Psychoanalyse"" an einer privaten Hochschule mit staatlicher Anerkennung als Universität in Berlin auf. Die Zulassung zu diesem Masterstudium war mit der Auflage verknüpft, Brückenkurse in Allgemeiner Psychologie, Entwicklungspsychologie, Klinischer Psychologie und Methodenlehre zu belegen. Im September 2013 schloss die Klägerin das Masterstudium mit der Gesamtnote 1,5 ab und erhielt den akademischen Grad ""Master of Arts"" verliehen. Im Anschluss begann sie an einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte in Kassel die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin. Das Ausbildungsinstitut verband die Zulassung mit der Aufforderung, bis spätestens zur Zwischenprüfung nachzuweisen, dass das hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen ihren Masterabschluss als Abschlussprüfung anerkenne, die nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) den Zugang zur Ausbildung eröffne. Mit Bescheid vom 4. März 2014 stellte das Landesprüfungsamt fest, dass die Klägerin die Zugangsvoraussetzung nicht erfülle. Erforderlich sei ein universitärer konsekutiver Masterabschluss im Studiengang Psychologie. Daran fehle es, weil sie keinen an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule erworbenen Bachelorabschluss in Psychologie habe. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesprüfungsamt mit Bescheid vom 9. Juli 2014 zurück. 2 Die dagegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Im Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs heißt es zur Begründung im Wesentlichen: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Zugang zu einer Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin setze nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG eine universitäre Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie voraus, die das Fach Klinische Psychologie einschließe. Eine historisch-teleologische Auslegung ergebe, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Psychotherapeutengesetzes mit dem Begriff der Abschlussprüfung ein abgeschlossenes universitäres Diplomstudium im Studiengang Psychologie gemeint gewesen sei. Nach der Studienreform mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge entspreche dem früheren Diplomstudium ein konsekutives Bachelor- und Masterstudium in Psychologie. Der Gesetzgeber habe eine hohe fachliche Qualifikation als Voraussetzung für den Ausbildungszugang gewährleisten wollen. Ein Masterstudium sei nicht auf eine umfassende wissenschaftliche Qualifizierung ausgerichtet und daher vom Ausbildungsniveau nicht mit dem Diplomstudiengang vergleichbar. Voraussetzung für den Zugang zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten sei daher zusätzlich zum Masterabschluss auch ein universitärer Bachelorabschluss in Psychologie. Einen solchen Abschluss habe die Klägerin nicht erworben. Ein Diplomabschluss an der Fachhochschule entspreche zwar einem Bachelorabschluss. Sie habe die Diplomprüfung aber nicht im Studiengang Psychologie abgelegt. Zudem sei die Fachhochschule keine Universität oder gleichstehende Hochschule. Die Zulassung zum Masterstudium könne das Bachelorstudium nicht ersetzen. Sie besage lediglich, dass die Hochschule die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Masterstudiums im Studiengang Psychologie als erfüllt angesehen habe. Damit werde aber nicht festgestellt, dass die Vorleistungen der Klägerin äquivalent zu einem universitären Bachelorstudium der Psychologie wären. Das Gleiche gelte für das Zeugnis über das Bestehen des Masterstudienganges Psychologie. Es enthalte keine Feststellung, dass es sich bei dem Masterabschluss um eine Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG handele. Dies zu prüfen obliege vielmehr dem jeweils zuständigen Landesprüfungsamt für Heilberufe. Die Klägerin werde durch das Auslegungsergebnis nicht in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit verletzt. Ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor. 3 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Nach dem Wortlaut des Gesetzes erfülle sie die Zugangsvoraussetzung, da sie eine universitäre Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie bestanden habe, die das Fach Klinische Psychologie einschließe. Die wortlauteinschränkende Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und stehe auch im Widerspruch zu den durch den Bologna-Prozess reformierten Studienstrukturen. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG knüpfe allein an die Abschlussprüfung an; mit Ausnahme des Faches Klinische Psychologie würden keine weiteren inhaltlichen Vorgaben für den Studiengang gemacht. Wenn eine Universität die Gleichwertigkeit eines Fachhochschulabschlusses mit einem Bachelorabschluss bestätige und den Studienbewerber zum Masterstudiengang Psychologie zulasse, dürfe sich der Beklagte über die Entscheidung der Hochschule nicht hinwegsetzen. 4 Der Beklagte tritt dem entgegen und verteidigt das Berufungsurteil. Der Verwaltungsgerichtshof habe zutreffend angenommen, dass der Begriff der Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie am Maßstab einer umfassenden akademischen Ausbildung nach dem Vorbild des ehemaligen Diplomstudienganges zu beurteilen sei. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sei nicht verletzt, weil die Grenzen der anerkannten Auslegungsmethoden nicht überschritten worden seien. 5 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Berufungsentscheidung in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit ebenfalls für zutreffend. Zwar seien die Zugangsvoraussetzungen dem Gesetzeswortlaut nach erfüllt. Eine systematische, historische und teleologische Auslegung spreche jedoch für das Erfordernis eines konsekutiven Bachelor- und Masterstudiums im Fach Psychologie. Es handele sich um einen gerechtfertigten Eingriff in die Berufswahlfreiheit. An den Ausbildungszugang zu einem Heilberuf dürften hohe Qualifikationsanforderungen gestellt werden, da dies dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung diene. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verlange eine gesetzliche Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lasse. Es reiche aber aus, wenn sich diese wie hier durch Auslegung ermitteln ließen. II 6 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ein im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandener Masterabschluss im Studiengang Psychologie, der das Fach Klinische Psychologie einschließt, ist eine Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, es bedürfe außerdem eines universitären Bachelorabschlusses in Psychologie, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Der Klage ist deshalb unter Änderung der vorinstanzlichen Urteile stattzugeben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 7 1. Grundlage des Anspruchs der Klägerin auf Feststellung, dass sie die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin erfüllt, ist § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1311) in der Fassung des letzten Änderungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191). Danach setzt der Zugang zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten eine im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie voraus, die das Fach Klinische Psychologie einschließt und gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes der Feststellung dient, ob der Student das Ziel des Studiums erreicht hat. Der von der Klägerin erworbene Masterabschluss in Psychologie ist eine Abschlussprüfung im Sinne dieser Bestimmung. 8 a) Die Regelung der Zugangsvoraussetzungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG knüpft an das Hochschulrecht an. Verlangt wird eine Hochschulprüfung, mit der der Studiengang Psychologie abgeschlossen und festgestellt wird, dass die Ziele des Studiums erreicht worden sind (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes - HRG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. April 1987, BGBl. I S. 1170). Ausgehend von den damaligen Studienstrukturen mit Diplom- und Magisterstudiengängen verband der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes mit dem Begriff der Abschlussprüfung einen Diplomabschluss im Studiengang Psychologie. Zur Gewährleistung einer hohen Qualifikation und eines einheitlichen Ausbildungsniveaus der Berufsangehörigen sollten nur Diplompsychologen mit einem Universitäts- oder diesem gleichstehenden Abschluss den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten ergreifen können (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Oktober 1993, BT-Drs. 12/5890 S. 12 und S. 18 ; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 9. Februar 1994, BT-Drs. 12/6811 S. 25 und S. 29 ; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. Juni 1997, BT-Drs. 13/8035 S. 14 und S. 18). Der Wortlaut der Norm bietet allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Begriff der Abschlussprüfung eine abschließende Festlegung auf den Diplomabschluss bezweckt gewesen wäre. Die Verwendung der Formulierung ""Abschlussprüfung"" anstelle von ""Diplomprüfung"" spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber mögliche Änderungen im Hochschulrecht mitbedacht und deshalb bewusst eine Bezeichnung gewählt hat, die die Art des Abschlusses nicht näher qualifiziert. Dies wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt. Es heißt dort, ""Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie ist nach gegenwärtigem Hochschulrecht der Diplomabschluss"" (BT-Drs. 12/6811 S. 29). Das lässt erkennen, dass der Begriff nicht statisch gemeint ist, sondern durch das jeweils geltende Hochschulrecht bestimmt und ausgefüllt werden soll. 9 Nach der Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Zuge des so genannten Bologna-Prozesses (vgl. Dritter Bericht zur Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland, BT-Drs. 16/12552; Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses 2012-2015 in Deutschland, www.bmbf.de/de/der-bologna-prozess-die-europaeische-studienreform-1038.html) ist unter dem Begriff der Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG auch ein Masterabschluss im Studiengang Psychologie zu verstehen. Der Masterabschluss ist ebenso wie das Diplom ein berufsqualifizierender Hochschulabschluss, der auf Grund von Prüfungen erworben wird und den Nachweis erbringt, dass ein (Master-)Studiengang erfolgreich absolviert worden ist (vgl. § 19 HRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. August 2002 ; Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 i.d.F. vom 4. Februar 2010). Für den von der Klägerin im Land Berlin erworbenen Abschluss gilt nichts Abweichendes (§ 23 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin i.d.F. vom 26. Juli 2011 ). Die Studienzeit, innerhalb derer der Abschluss erreicht werden kann, spricht nicht gegen die Anerkennung des Masterabschlusses in Psychologie als Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG. Im gestuften System der Bachelor- und Masterstudiengänge wird der Mastergrad auf Grund eines ""weiteren"" berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses verliehen. Er kann grundsätzlich nur erworben werden, wenn ein erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss vorliegt (§ 19 Abs. 3 HRG; § 23 Abs. 3 BerlHG; Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, a.a.O. S. 6). Daraus ergibt sich eine Gesamtregelstudienzeit, die mit der Regelstudienzeit vergleichbar ist, die seinerzeit für ein Diplomstudium im Studiengang Psychologie vorgesehen war (mindestens neun Semester, § 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 der Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang Psychologie - Universitäten und gleichgestellte Hochschulen, Stand: 5. November 2002/13. Dezember 2002). Von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Master- und Diplomabschlüssen an Universitäten oder gleichstehenden Hochschulen gehen auch die ""Ländergemeinsame(n) Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen"" aus (a.a.O. S. 8). 10 b) Der Masterabschluss der Klägerin erfüllt auch die weiteren in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG genannten Kriterien. 11 aa) Sie hat den Abschluss an einer privaten Hochschule mit staatlicher Anerkennung als Universität erworben. Staatlich anerkannte Hochschulen gehören zu den Universitäten und gleichstehenden Hochschulen im Sinne der Zugangsregelung. Die an einer staatlich anerkannten Hochschule abgelegte Abschlussprüfung steht einem Abschluss an einer staatlichen Hochschule gleich (§ 70 Abs. 3 HRG; § 123 BerlHG). 12 Aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG lässt sich nichts Abweichendes ableiten. Nach dieser Vorschrift setzt der Zugang zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eine Abschlussprüfung in den Studiengängen Pädagogik oder Sozialpädagogik voraus, die an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule bestanden worden ist. Durch die Formulierung der ""staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule"" wollte der Gesetzgeber deutlich machen, dass es in den Studiengängen Pädagogik und Sozialpädagogik keines universitären Studienabschlusses bedarf, sondern Fachhochschulabschlüsse den Zugang zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gleichermaßen eröffnen (Walther-Moog, in: Jerouschek, PsychThG, 2004, § 5 Rn. 26). Aus der unterschiedlichen Formulierung kann daher nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe einen Abschluss im Studiengang Psychologie, der an einer staatlich anerkannten Universität oder gleichstehenden Hochschule erworben wurde, vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG ausnehmen wollen. 13 bb) Der Masterabschluss der Klägerin schließt das Fach Klinische Psychologie ein. Aus den Zeugnis- und Prüfungsunterlagen geht hervor, dass sie den Masterstudiengang ""M.A. Psychologie - Schwerpunkt Klinische Psychologie"" absolviert hat. Sie hat unter anderem das Wahlpflichtfach ""Klinische Neuropsychologie"" belegt und die geforderte Prüfungsleistung erbracht. 14 cc) Aus der Bezugnahme auf § 15 HRG ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen an die Qualifikation der Abschlussprüfung. § 15 Abs. 2 Satz 1 HRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. April 1987, auf den § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG verweist, lautet: ""Die Hochschulprüfungen, mit denen ein Studienabschnitt oder ein Studiengang abgeschlossen wird, dienen der Feststellung, ob der Student bei Beurteilung seiner individuellen Leistung das Ziel des Studienabschnitts oder des Studiums erreicht hat"". Die Vorschrift ist mit Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. August 1998 (BGBl. I S. 2190) entfallen. In der Neufassung des § 15 HRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 ist eine vergleichbare Bestimmung nicht mehr enthalten, weil sie rahmenrechtlich als entbehrlich angesehen wurde (Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes, BT-Drs. 13/8796 S. 20). 15 2. Weitere Voraussetzungen stellt das Gesetz nicht auf. Das zusätzliche Erfordernis eines universitären Bachelorabschlusses in Psychologie lässt sich § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG nicht entnehmen. 16 a) Im Wortlaut der Norm findet sich kein Anknüpfungspunkt dafür, dass der Zugang zur Ausbildung ausschließlich Bewerbern offen stehen soll, die außer einem Masterabschluss auch einen an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule erworbenen Bachelorabschluss im Studiengang Psychologie aufweisen. Die gesetzliche Regelung qualifiziert die Abschlussprüfung nur insoweit näher, als sie das Fach Klinische Psychologie einschließen muss. Im Übrigen enthält sie sich inhaltlicher Vorgaben und nimmt die Entscheidungen der Hochschulen über die Zulassung zum Studiengang Psychologie, über das Curriculum und über die Ausgestaltung und das Bestehen der Abschlussprüfung hin. Diese Bindung an das Hochschulrecht schließt aus, bei der Prüfung der Zugangsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG die Entscheidungen der Hochschulen in Frage zu stellen und eigene fachliche Qualifikationen für die Abschlussprüfung aufzustellen. Der Gesetzgeber hat die durch den Bologna-Prozess bewirkte Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge und die damit verbundene Einführung gestufter Studienabschlüsse bislang nicht zum Anlass genommen, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG zu ändern oder anzupassen. Sieht er im Hinblick auf die Entwicklungen des Hochschulrechts im Studiengang Psychologie Reformbedarf für die Regelung der Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten, obliegt es ihm, entsprechend tätig zu werden. 17 Das Erfordernis eines zusätzlichen Bachelorabschlusses in Psychologie ergibt sich auch nicht aus gesetzessystematischen Erwägungen. Dass nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PsychThG neben einem Psychologiestudium (Buchst. a) auch ein erfolgreiches Studium der Pädagogik oder Sozialpädagogik den Zugang zur Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ermöglichen soll (Buchst. b), beruht auf der Einschätzung des Gesetzgebers, die in diesen Studiengängen vermittelten Qualifikationen befähigten in besonderem Maße zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen (BT-Drs. 12/5890 S. 18; BT-Drs. 12/6811 S. 25; BT-Drs. 13/8035 S. 14 und S. 18). Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, ein Masterabschluss in Psychologie könne nur dann als Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG anerkannt werden, wenn außerdem ein Bachelor in Psychologie nachgewiesen wird. Der Einwand, dieses Normverständnis sei geboten, um die gesetzlich bestimmten Unterschiede in den Qualifikationsanforderungen für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht zu nivellieren, greift nicht durch. Das zeigt der Fall der Klägerin. Sie hat einen Abschluss als Diplomsozialpädagogin, der ihr den Zugang zu einer Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin eröffnet. Darüber hinaus hat sie erfolgreich ein Masterstudium in Psychologie absolviert. Sie weist mithin eine akademische Vorbildung auf, die über die in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG verlangte Zugangsvoraussetzung deutlich hinausreicht. 18 Ebenso wenig verfängt das teleologische Argument, ein Bachelorabschluss in Psychologie sei erforderlich, um dem Regelungsziel einer möglichst hohen Qualifikation und eines einheitlichen Ausbildungsniveaus der Psychologischen Psychotherapeuten Rechnung zu tragen. Es obliegt dem Gesetzgeber, die Auswirkungen zu beurteilen, die sich aus der Umstellung der Studienstrukturen für die Ausbildung zum Psychotherapeuten ergeben, und daraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. 19 Wollte man mit Blick auf das genannte Regelungsziel § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG dahin auslegen, dass der Ausbildungsbewerber einen konsekutiven Studiengang Psychologie absolviert haben muss, würde die Klägerin im Übrigen auch diese Anforderung erfüllen. Konsekutiv im Sinne des Hochschulrechts ist der Studiengang bereits dann, wenn das Masterstudium Psychologie auf einem Bachelorstudiengang oder einem gleichgestellten berufsqualifizierenden Studium aufbaut (vgl. § 19 Abs. 4 HRG; § 23 Abs. 3 BerlHG; Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 i.d.F. vom 4. Februar 2010 S. 5). Ob ein Studienbewerber zum Masterstudiengang Psychologie zuzulassen ist, entscheidet die einzelne Hochschule nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist die Klägerin auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 der Prüfungsordnung für den Studiengang ""Master of Arts (MA) Klinische Psychologie/Psychoanalyse"" an der International Psychoanalytic University Berlin (IPU) vom 14. September 2009 zum Masterstudium zugelassen worden. Nach § 5 Abs. 1 der Prüfungsordnung kann zugelassen werden, wer über einen Abschluss eines sechssemestrigen Bachelor-Studienganges Psychologie einer Universität oder gleichstehenden Hochschule verfügt. Nach § 5 Abs. 2 der Prüfungsordnung können Absolventen fachlich vergleichbarer Studiengänge zugelassen werden, wenn sie über einen Hochschulabschluss (i.d.R. Magister oder Diplom oder Staatsexamen) verfügen und sie sich eventuell fehlende Grundlagen für die Aufnahme des Masterstudiums noch aneignen (Satz 1). Zu letztgenanntem Zweck werden vier Brückenkurse angeboten, die jeweils mit einer an den Prüfungsanforderungen des Bachelor-Studienganges Psychologie orientierten Prüfung abschließen (Satz 2 und 3). Danach hat auch die Klägerin ""konsekutiv"" studiert. Der von ihr absolvierte Masterstudiengang baut auf einem Diplom-Fachhochschulstudium auf, das von der IPU als dem Bachelorstudium Psychologie fachlich vergleichbar eingestuft worden ist. Die für die Studien-Zulassung zusätzlich verlangten vier Brückenkurse hat sie erfolgreich abgeschlossen. 20 b) Auch der Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG spricht gegen das Auslegungsergebnis des Verwaltungsgerichtshofs. 21 § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG stellt eine subjektive Ausbildungszulassungs- und Berufswahlregelung dar. Die Berufsausbildung, deren Zugang sie regelt, ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 PsychThG Voraussetzung für die Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG beschränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit, indem sie den Zugang zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten an den Nachweis bestimmter Qualifikationsanforderungen knüpft (subjektive Zugangsbeschränkungen im Sinne der so genannten Stufentheorie, vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2000 - 1 BvR 1453/99 - NJW 2000, 1779; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​141216U6C19.15.0] - WissR 49, 296 Rn. 7 f.). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind umso größer, je empfindlicher in die Berufsfreiheit eingegriffen wird (BVerfG, Beschlüsse vom 25. März 1992 - 1 BvR 298/86 - BVerfGE 86, 28 <40> und vom 8. April 1998 - 1 BvR 1773/96 - BVerfGE 98, 49 <60 f.>). Nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben müssen subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen klar geregelt sein. Das spricht dagegen, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG als zusätzliche Zugangsvoraussetzung den Nachweis eines Bachelorabschlusses in Psychologie zu entnehmen. Denn hierfür bietet die gesetzliche Regelung, wie gezeigt, keine klaren Anknüpfungspunkte. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-55,17.08.2017,"Pressemitteilung Nr. 55/2017 vom 17.08.2017 EN Zur Arzneimitteleigenschaft von Import-Blutegeln Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass lebende Blutegel, die zum Zweck der Arzneimittelherstellung nach Deutschland importiert werden, im Zeitpunkt der Einfuhr noch nicht als Arzneimittel eingestuft werden können, wenn wesentliche Bearbeitungsschritte zum anwendungsfertigen medizinischen Blutegel erst im Inland erfolgen. Die Klägerin ist ein medizinisches Import- und Vertriebsunternehmen, das lebende Blutegel zur Anwendung in der Humanmedizin herstellt. Hierfür importiert sie u.a. aus der Türkei Blutegel, die in ihren natürlichen Lebensräumen wild aufgewachsen sind. Zwischen ihr und dem Beklagten war streitig, ob die importierten Blutegel bereits zum Zeitpunkt der Einfuhr die Merkmale eines Arzneimittels erfüllen. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Blutegel ihre medizinische Zweckbestimmung erst erhalten würden, nachdem im Inland ungeeignete Tiere aussortiert worden seien und die verbliebenen Blutegel einen mehrmonatigen Quarantäneprozess einschließlich mikrobiologischer Kontrolluntersuchungen durchlaufen hätten. Der beklagte Freistaat meinte demgegenüber, dass die medizinische Zweckbestimmung von Anfang an feststehe und die Blutegel deshalb schon im Einfuhrzeitpunkt als Arzneimittel zu behandeln seien. Danach bedürfe die Klägerin einer Erlaubnis zur Einfuhr von Arzneimitteln aus einem Nicht-EU-Land gemäß § 72 des Arzneimittelgesetzes (AMG) sowie einem Zertifikat über die Einhaltung der anerkannten Grundregeln für die Herstellung und Qualitätssicherung von Arzneimittel nach § 72a AMG. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass die Klägerin keine Einfuhrerlaubnis und kein Einfuhrzertifikat benötige. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil geändert und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Vorschriften über die Einfuhr von Arzneimitteln nach §§ 72, 72a AMG nicht eingreifen. Die von der Klägerin importierten Blutegel sind im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG; sie stellen in diesem Zeitpunkt lediglich die Vorstufe eines Arzneimittels dar. Zwar kann im Rahmen eines mehrstufigen Herstellungsprozesses auch Vor- oder Zwischenprodukten eine Arzneimitteleigenschaft zukommen. Hier steht der Einstufung als Arzneimittel aber entgegen, dass die importierten Blutegel bis zum anwendungsfertigen Endprodukt noch einer wesentlichen weiteren Aufbereitung bedürfen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen durchlaufen die Blutegel bei der Klägerin einen mehrmonatigen Quarantäne- und mikrobiologischen Überwachungsprozess. Diese Maßnahmen sind nach der Leitlinie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu Blutegeln in der Humanmedizin erforderlich, um die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Blutegeln in der therapeutischen Anwendung sicherzustellen. BVerwG 3 C 18.15 - Urteil vom 17. August 2017 Vorinstanzen: VGH München, 20 B 14.179 - Urteil vom 25. September 2014 - VG Bayreuth, B 1 K 08.972 - Urteil vom 27. Oktober 2009 -","Urteil vom 17.08.2017 - BVerwG 3 C 18.15ECLI:DE:BVerwG:2017:170817U3C18.15.0 EN Arzneimitteleigenschaft von lebenden Import-Blutegeln Leitsatz: Blutegel, die zum Zweck der Arzneimittelherstellung importiert werden, sind im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG, wenn bis zum abgabefertigen Endprodukt noch wesentliche Bearbeitungs- oder Aufbereitungsschritte erforderlich sind. Rechtsquellen AMG § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 3, § 4 Abs. 14, §§ 72, 72a Instanzenzug VG Bayreuth - 27.10.2009 - AZ: VG B 1 K 08.972 VGH München - 25.09.2014 - AZ: VGH 20 B 14.179 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.08.2017 - 3 C 18.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:170817U3C18.15.0] Urteil BVerwG 3 C 18.15 VG Bayreuth - 27.10.2009 - AZ: VG B 1 K 08.972 VGH München - 25.09.2014 - AZ: VGH 20 B 14.179 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. September 2014 wird geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie für die Einfuhr von Blutegeln zur Herstellung von Hirudo medicinalis L. (Blutegel zur Anwendung in der Human- oder Tiermedizin) keine Einfuhrerlaubnis und Einfuhrzertifikate nach den §§ 72, 72a des Arzneimittelgesetzes (AMG) benötigt. 2 Die Klägerin ist ein medizinisches Import- und Vertriebsunternehmen, das lebende Blutegel zur medizinischen Anwendung herstellt. Hierfür importiert sie u.a. aus der Türkei Blutegel, die in ihren natürlichen Lebensräumen wild aufgewachsen sind. Mit Bescheid vom 30. November 2006 erhielt sie von der Regierung von Oberfranken die Erlaubnis zur ""Herstellung von Wirkstoffen tierischen Ursprungs (Blutegeln)"". Nach einem behördlichen Zuständigkeitswechsel wies die Regierung von Oberbayern die Klägerin darauf hin, dass für die Einfuhr von Blutegeln eine Erlaubnis nach § 72 AMG erforderlich sei. Daraufhin beantragte sie im November 2007, ihre Herstellungserlaubnis auf den Import von Arzneimitteln zu erweitern. Mit Bescheid vom 19. Februar 2008 erteilte ihr die Regierung von Oberbayern die Erlaubnis zur Herstellung und Einfuhr von Arzneimitteln. Die Herstellungserlaubnis bezog sich auf die Tätigkeiten des Züchtens, Haltens, Abpackens und Kennzeichnens von Hirudo medicinalis L. (Blutegeln). Die Einfuhrerlaubnis gestattete den Import von Blutegeln zur weiteren Verarbeitung. Zugleich wurde die Herstellungserlaubnis vom 30. November 2006 widerrufen. Zur Begründung hieß es, bei Blutegeln zur Anwendung in der Humanmedizin handele es sich um Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG, deren gewerbs- oder berufsmäßige Herstellung und Einfuhr erlaubnispflichtig seien. Der Bescheid enthielt außerdem den Hinweis auf eine zusätzliche Zertifikatspflicht nach § 72a AMG. 3 Mit der dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt die Feststellung beantragt, dass sie für die Einfuhr von Blutegeln zur Herstellung von Hirudo medicinalis L. weder eine Einfuhrerlaubnis noch ein Einfuhrzertifikat benötige. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen für eine Erlaubnispflicht nach § 72 AMG und eine Zertifikatspflicht nach § 72a AMG lägen nicht vor, weil es sich bei den importierten Blutegeln im Zeitpunkt der Einfuhr weder um Arzneimittel noch um Wirkstoffe im Sinne des Arzneimittelgesetzes handele. Zwar seien Blutegel gemäß § 3 Nr. 3 AMG Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG. Zu einem Präsentationsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG würden sie jedoch erst, wenn sie zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt seien. Die Bestimmung zum Arzneimittel erhalte ein Blutegel nicht schon durch das Aufsammeln im Verbreitungsgebiet. Blutegel würden nicht nur für medizinische Zwecke verwendet. Eine offenbar nicht unerhebliche Menge der von der Klägerin importierten Tiere werde als ungeeignet aussortiert und als Fischfutter oder für den Anglerbedarf weiterveräußert. Die bloße Möglichkeit einer medizinischen Verwendung genüge nicht, um die Blutegel schon im Zeitpunkt der Einfuhr als Arzneimittel einzustufen. Ihre arzneiliche Zweckbestimmung bekämen sie erst im Inland nach erfolgreichem Durchlaufen eines Quarantäne- und mikrobiellen Überwachungsprozesses. Deshalb erfüllten sie im Einfuhrzeitpunkt auch nicht die Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Ebenso wenig könnten sie als Wirkstoffe im Sinne von § 4 Abs. 19 AMG eingestuft werden, da sie nicht dazu bestimmt seien, als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden. 4 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die von der Klägerin importierten Blutegel seien im Zeitpunkt der Einfuhr sowohl Funktions- als auch Präsentationsarzneimittel. Die Einstufung als Funktionsarzneimittel erfordere den wissenschaftlichen Nachweis einer pharmakologischen Wirkung. Blutegel wirkten nachgewiesenermaßen schmerzhemmend. Zudem dürfte von einer gerinnungs- und entzündungshemmenden Wirkung auszugehen sein. Auch wenn ungeeignete Tiere nach der Einfuhr aussortiert würden, ändere das nichts daran, dass geeignete Blutegel bereits bei der Einfuhr die Eigenschaft eines Funktionsarzneimittels hätten. Die im Betrieb der Klägerin durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungs- und Quarantäneprozesse dienten der Arzneimittelsicherheit und begründeten nicht erst die Arzneimitteleigenschaft. Unabhängig davon handele es sich bei den importierten Blutegeln um die Vorstufe eines Präsentationsarzneimittels. Vorstufen eines abgabefertigen Medikaments seien jedenfalls dann selbst Arzneimittel, wenn ihre arzneiliche Zweckbestimmung erkennbar sei und keine wesentlichen Verarbeitungsschritte mehr erforderlich seien. Für die Anwendung des Arzneimittelrechts genüge, dass ein Stoff mit seiner Herstellung für arzneiliche Zwecke bestimmt sei. Das sei hier der Fall, da die Blutegel keiner stofflichen Verarbeitung, sondern lediglich einem Sortierungsprozess unterlägen. Mit der weiteren ""Verarbeitung"" im Betrieb der Klägerin gelangten sie sodann mit der Verpackung und Versendung an den Arzneimittelhandel als Präsentationsarzneimittel in den Verkehr. 5 Zur Begründung ihrer vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung der §§ 72, 72a AMG. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Arzneimitteleigenschaft zu Unrecht bereits für den Zeitpunkt der Einfuhr bejaht. Für die Einstufung als Funktionsarzneimittel fehle es an der erforderlichen arzneilichen Zweckbestimmung. Auch seien Vorprodukte nicht schon deshalb selbst Arzneimittel, weil sie zu einem Arzneimittel weiterverarbeitet würden. Voraussetzung sei vielmehr, dass es bis zum abgabefertigen Endprodukt keiner wesentlichen Bearbeitungsschritte mehr bedürfe. Zur Herstellung der medizinischen Blutegel seien nach der Einfuhr noch wesentliche Verfahrensschritte erforderlich. Dazu gehöre die Selektion der zur medizinischen Anwendung geeigneten Blutegel. Zudem müsse sichergestellt sein, dass von den importierten Blutegeln keine Infektionsgefahr ausgehe. Zu diesem Zweck schreibe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Quarantänelagerung von mindestens 32 Wochen sowie mikrobiologische Untersuchungen vor. Erst mit diesen Bearbeitungsschritten seien die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der medizinischen Blutegel gewährleistet. Im Zeitpunkt des Aufsammelns und der Einfuhr könnten die Tiere daher lediglich als Ausgangsstoff für die Arzneimittelherstellung eingestuft werden. Das Berufungsurteil weiche auch von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab. Danach seien bei der Entscheidung über die Arzneimitteleigenschaft alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, nicht nur dessen pharmakologische Eigenschaften. Die Blutegel seien im Zeitpunkt der Einfuhr auch kein Präsentationsarzneimittel. Ein Produkt unterfalle dem Begriff des Präsentationsarzneimittels, wenn es nach seiner Aufmachung und Kennzeichnung objektiv den Eindruck eines Arzneimittels erwecke. Das gelte auch für Vorstufen eines Arzneimittels. Die Blutegel würden in neutral aufgemachten Behältern nach Deutschland importiert. Bei einem durchschnittlich informierten Betrachter könne daher nicht der Eindruck eines Arzneimitteltransports entstehen. Der Schutzzweck des Arzneimittelgesetzes gebiete keine andere Beurteilung. Die Kontrolle der Fangbedingungen durch Inspektionen nach § 72a AMG sei kein geeignetes Mittel, den Infektionsrisiken zu begegnen. Mit den Maßnahmen und Standards, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in seiner ""Mitteilung zu Blutegeln in der Humanmedizin - Leitlinie zur Sicherung von Qualität und Unbedenklichkeit"" vorgebe, lasse sich das Infektionsrisiko ausreichend mindern. Die Einhaltung dieser Standards sei Voraussetzung der Herstellungserlaubnis und werde behördlich überwacht. Gemessen daran könnte die Überwachungstätigkeit nach § 72a AMG die Sicherheit im Verkehr mit medizinischen Blutegeln nicht erhöhen. 6 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil. Die Klägerin importiere die Blutegel allein, um sie für die Arzneimittelherstellung zu verwenden. Dass im Verlauf des Herstellungsprozesses einzelne Egel als ungeeignet ausgesondert würden, sei für die Feststellung der Arzneimitteleigenschaft unerheblich. Bei den nach der Einfuhr im Betrieb der Klägerin durchgeführten Maßnahmen handele es sich nicht um eine wesentliche Weiterverarbeitung. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit eines Bearbeitungsschritts sei insbesondere darauf abzustellen, ob ein neuer Stoff entstehe. Das sei bei den Blutegeln nicht der Fall. Bis auf eine etwaige Virusabreicherung während der Quarantänelagerung blieben die Tiere unverändert. Für die Wesentlichkeit von Bearbeitungsschritten sei weiter bedeutsam, auf welcher Herstellungsstufe das Produkt seine arzneiliche Wirkung erhalte. Blutegel wiesen ihre pharmakologische Wirkung bereits bei der Einfuhr auf. Schließlich gebiete auch der Zweck des Gesetzes, die Herstellung und den Verkehr mit Arzneimitteln zu kontrollieren, eine Einstufung als Arzneimittel. Behördliche Inspektionen der Fanggebiete und -bedingungen seien geeignet, die Ausgangsqualität der importierten Blutegel zu erhöhen und das Infektionsrisiko von vornherein zu reduzieren. Eine Übertragung von Krankheitserregern könne auch bei Einhaltung der Quarantänezeit und Durchführung mikrobiologischer Untersuchungen nicht ausgeschlossen werden. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist ebenfalls der Auffassung, dass die Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr Funktionsarzneimittel seien. II 8 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin bedarf keiner Erlaubnis und Zertifikate gemäß § 72 und § 72a AMG. Bei den von ihr importierten Blutegeln handelt es sich im Zeitpunkt der Einfuhr nicht um Arzneimittel oder Wirkstoffe im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Das Berufungsurteil ist deshalb zu ändern; die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zurückzuweisen. 9 1. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757) geändert worden ist, bedarf einer Erlaubnis, wer gewerbs- oder berufsmäßig aus Ländern, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG in die Bundesrepublik einführt. Gemäß § 72a Abs. 1 Satz 1 AMG darf der Importeur Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 1a, 2 und 4 AMG nur einführen, wenn ein Zertifikat nach Nummer 1 oder eine Bescheinigung nach Nummer 2 oder 3 vorliegt. Beide Vorschriften setzen voraus, dass die importierten Produkte im Einfuhrzeitpunkt Arzneimittel sind. Es genügt nicht, dass sie, ohne selbst Arzneimittel zu sein, im Inland zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden. 10 Die von der Klägerin zur Herstellung von Blutegeln zur medizinischen Anwendung eingeführten Blutegel sind im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel. Sie erfüllen zu diesem Zeitpunkt weder die Merkmale eines so genannten Funktionsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl. L 311 S. 67) i.d.F. der Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 299 S. 1) sowie Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl. L 311 S. 1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 596/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 (ABl. L 188 S. 14; dazu unter a), noch diejenigen eines so genannten Präsentationsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinien 2001/83/EG und 2001/82/EG (b). Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen eines Arzneimittels nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 AMG vor (c). 11 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Einstufung als Funktionsarzneimittel zu Unrecht ausreichen lassen, dass die von der Klägerin importierten Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr eine pharmakologische Wirkung haben. Für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter den Begriff des Arzneimittels fällt, genügt es nicht, allein auf seine pharmakologischen Eigenschaften abzustellen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung stellen die importierten Blutegel ein bloßes Vorprodukt dar, das selbst kein Arzneimittel ist, weil es bis zum anwendungsfertigen Endprodukt noch einer wesentlichen weiteren Aufbereitung bedarf. 12 aa) Zu den Funktionsarzneimitteln nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG, Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinien 2001/83/EG, 2001/82/EG zählen alle Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder um eine medizinische Diagnose zu erstellen. Ob ein Erzeugnis unter diese Begriffsbestimmung fällt, bedarf einer Einzelfallprüfung, bei der alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen sind (BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​201114U3C25.13.0] - Buchholz 418.32 AMG Nr. 67 Rn. 18 f.; EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-109/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​626], Laboratoires Lyocentre - Rn. 42 m.w.N.). Richtig ist allerdings, dass die pharmakologischen Eigenschaften das wesentliche Kriterium sind, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Kann ein Erzeugnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung die physiologischen Funktionen nicht nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische (oder immunologische oder metabolische) Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen, kommt eine Einstufung als Funktionsarzneimittel nicht in Betracht (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 13 ff. m.w.N.). Danach ist die pharmakologische Wirkung zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels fällt (vgl. EuGH, Urteile vom 15. November 2007 - C-319/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​678], Kommission/Deutschland - Rn. 64 f., vom 15. Januar 2009 - C-140/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​5], Hecht-Pharma - Rn. 32 ff. und vom 6. September 2012 - C-308/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​548], Chemische Fabrik Kreussler - Rn. 33 f.; BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 67 Rn. 19 f.). 13 bb) Gemäß § 3 Nr. 3 AMG sind ""Tierkörper, auch lebender Tiere"" Stoffe im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Demgemäß unterfallen Tiere, die lebend beim Menschen angewendet werden, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Dass Blutegel Arzneimittel sein können, ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. h AMG. Danach zählen Blutegel und Fliegenlarven zu den Arzneimitteln, die pharmazeutische Unternehmer und Großhändler außer an Apotheken an Krankenhäuser, Ärzte und Heilpraktiker abgeben dürfen. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. h AMG begründet die Arzneimitteleigenschaft von Blutegeln jedoch nicht, sondern setzt das Vorliegen eines Erzeugnisses im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG voraus. 14 Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass bei Blutegeln in der Humanmedizin eine schmerzhemmende Wirkung nachgewiesen sei und darüber hinaus von einer gerinnungs- und entzündungshemmenden Wirkung auszugehen sein dürfte. Zu den typischen Indikationen einer Blutegeltherapie gehörten die Schmerzbehandlung bei Arthrosen, die Behandlung von Hämatomen sowie die Anwendung in der rekonstruktiven und plastischen Chirurgie. Er hat weiter festgestellt, dass diese pharmakologischen Eigenschaften von Blutegeln auf Substanzen beruhten, die im Speichel der Tiere vorhanden seien und eine pharmakologische Wirkung auslösten, wenn sich ein Egel zur Nahrungsaufnahme an der Haut seines Wirts fest- und dessen Blut aufsauge. Danach besitzen Blutegel ihre pharmakologischen Eigenschaften von Natur aus. Die arzneilich wirksamen Substanzen im Speichel sind natürliche Bestandteile der Tiere. Das alleinige Abstellen auf die pharmakologische Wirkung hätte daher zur Folge, dass auch der Blutegel in der Natur Arzneimittel wäre und den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes unterläge. Dasselbe würde für Blutegel gelten, die für nicht medizinische Verwendungszwecke (z.B. für den Anglerbedarf) in den Verkehr gebracht würden. Ein derart weiter Arzneimittelbegriff widerspricht der Systematik des Arzneimittelgesetzes, das gemäß § 4 Abs. 14, §§ 13 ff. AMG davon ausgeht, dass Arzneimittel hergestellt werden. Ebenso wenig, wie es ""geborene"" pflanzliche Arzneimittel gibt (OVG Bautzen, Urteil vom 31. Juli 2014 - 3 A 205/13 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2014:​0731.3A205.13.0A] - PharmR 2014, 591 <595>; VGH München, Urteil vom 11. Mai 1984 - 25 B 82 A.2323 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​1984:​0511.25B82A.2323.0A] - BayVBl. 1984, 692 <693>; Müller, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 35), gibt es ""geborene"" tierische Arzneimittel. 15 cc) Das Gesetz geht von einem weiten Begriff des Herstellens aus. Nach § 4 Abs. 14 AMG ist darunter das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe zu verstehen. Danach durchlaufen die von der Klägerin importierten Blutegel einen mehrstufigen Herstellungsprozess, bevor sie im Sinne von § 4 Abs. 17 AMG als Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden. 16 (1) Die Herstellung dürfte mit dem Absammeln der Blutegel in ihren natürlichen Lebensräumen beginnen. Es spricht vieles dafür, dass es sich dabei um ein Gewinnen im Sinne von § 4 Abs. 14 AMG handelt. Hierzu zählt die Entnahme eines Stoffes aus seiner natürlichen Umgebung zum Zweck der Arzneimittelherstellung (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 3. Aufl., Stand: 1. Oktober 2016, § 4 AMG Rn. 49a; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl. 2016, § 4 Rn. 117). Insoweit dürfte das Gleiche gelten wie für Stoffe im Sinne von § 3 Nr. 2 AMG (vgl. Kügel a.a.O.; Krüger, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 5: Pflanzenernte als Gewinnung im Sinne von § 4 Abs. 14 AMG). 17 (2) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen setzt sich der Herstellungsprozess nach der Einfuhr im Betrieb der Klägerin mit einer Sortierung und Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie zum Infektionsschutz fort. Tiere, die die Klägerin aufgrund Konstitution oder Größe als für medizinische Zwecke ungeeignet ansieht, werden aussortiert. Die verbliebenen Blutegel werden einer mehrmonatigen Quarantäne unterzogen. Des Weiteren werden sie mikrobiologisch untersucht. Durchlaufen sie diese Prozesse erfolgreich, erfolgt ihre Freigabe für die Verwendung als Arzneimittel. Vor der Abgabe werden die Blutegel im Sinne von § 4 Abs. 14 AMG verpackt und gekennzeichnet. 18 dd) Bei der Herstellung von Arzneimitteln aus lebenden Tieren ist für die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und bloßem Vorprodukt nicht allein auf das Kriterium der arzneilichen Zweckbestimmung, sondern zusätzlich darauf abzustellen, dass keine wesentlichen Bearbeitungs- oder Aufbereitungsschritte bis zum anwendungs- und abgabefertigen Endprodukt mehr erforderlich sind. 19 (1) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass angesichts der weiten Definition des Herstellens nach § 4 Abs. 14 AMG nicht stets erst der letzte Herstellungsschritt vor dem Inverkehrbringen die Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses begründet. Vielmehr gebietet der Schutzzweck des Gesetzes, nicht nur das abgabefertige Endprodukt als Arzneimittel einzuordnen, sondern bei einem mehrstufigen Herstellungsprozess auch bestimmte Vorstufen den Kontrollen und Anforderungen des Arzneimittelrechts zu unterstellen (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 14 und Rn. 16). Das Arzneimittelgesetz enthält keine ausdrücklichen Regelungen darüber, ab welcher Produktionsstufe von einem Arzneimittel gesprochen werden kann. Ihm lässt sich aber entnehmen, dass Vorstufen nicht allein deshalb bereits Arzneimitteleigenschaft haben, weil sie zu einem Arzneimittel weiterverarbeitet werden (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 14 und Rn. 18). 20 (2) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung für die Unterscheidung zwischen Arzneimitteln und Vorprodukten, die selbst kein Arzneimittel sind, darauf abgestellt, ab welcher Verarbeitungsstufe die Bestimmung eines arzneilichen Anwendungszwecks möglich ist und erkennbar vorliegt. Danach ist die Arzneimitteleigenschaft eines Vorprodukts begründet, wenn bereits im Zeitpunkt seiner Herstellung eindeutig feststeht, dass seine künftige Zweckbestimmung ausschließlich darin besteht, durch Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper arzneilichen Zwecken zu dienen (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 17 m.w.N.). 21 (2.1) Dieses Kriterium ermöglicht hier keine klare Abgrenzung. Einerseits werden die Blutegel von der Klägerin beschafft, um sie für die Arzneimittelherstellung zu verwenden. Zweck der Einfuhr ist es, sich den Ausgangsstoff für die Herstellung medizinischer Blutegel zu besorgen. Dass ein Teil der importierten Tiere nach der Einfuhr als Fischfutter oder für den Anglerbedarf weiterveräußert wird, ist dagegen nicht bezweckt, sondern Folge dessen, dass sie von der Klägerin wegen fehlender Eignung für die Arzneimittelherstellung aussortiert werden. Danach ließen sich die Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr als Arzneimittel einstufen, weil eine arzneiliche Zweckbestimmung der Einfuhr feststeht. 22 Andererseits ist im Einfuhrzeitpunkt offen, welche Tiere für eine arzneiliche Verwendung tatsächlich herangezogen werden. Die Bestimmung der hierfür geeigneten Blutegel erfolgt erst nach der Einfuhr. Die pharmakologischen Eigenschaften sind bei einem in seinem natürlichen Lebensraum wild aufgewachsenen Blutegel eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Eignung für eine arzneiliche Verwendung. Der Einsatz als Arzneimittel kommt erst in Betracht, wenn geprüft wurde, ob der Egel ausreichend saugfähig ist, und wenn das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern, mit denen sich ein Blutegel in der Natur infiziert haben könnte, so erheblich gesenkt wurde, dass von einer Unbedenklichkeit ausgegangen werden kann. Danach wären die Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel, weil die arzneiliche Zweckbestimmung des einzelnen Egels zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht. 23 Als untauglich erweist sich auch, die Unterscheidung zwischen Arzneimittel und bloßem Vorprodukt daran auszurichten, ob bei der weiteren Aufbereitung des Vorprodukts ein chemisch-physikalischer Prozess stattfindet, der die pharmakologische Wirkung begründet oder durch den ein neuer Stoff entsteht, der erst am menschlichen oder tierischen Körper angewandt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 17). Dieses Kriterium hilft nicht weiter, weil die arzneilich wirksamen Substanzen natürliche Bestandteile des Blutegels sind und die von der Klägerin importierten Tiere, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, keiner stofflichen Be- oder Verarbeitung unterzogen werden. 24 (2.2) Eine allein an der Zweckbestimmung orientierte Abgrenzung zwischen Arzneimittel und bloßem Vorprodukt überzeugt darüber hinaus auch deshalb nicht, weil sie dazu führt, dass bereits Ausgangsstoffe dem Begriff des Funktionsarzneimittels unterfallen können. Wäre für die von der Klägerin importierten Blutegel die arzneiliche Zweckbestimmung im Zeitpunkt der Einfuhr zu bejahen, wären sie als Arzneimittel einzustufen, ohne dass sie sich von einem Blutegel in der Natur unterschieden. Damit begründete die Beschaffung eines Ausgangsstoffes zum Zweck der Arzneimittelherstellung schon dessen Arzneimitteleigenschaft. Für eine solche Ausweitung des Arzneimittelbegriffs bietet das Gesetz jedoch keine Anknüpfungspunkte (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 18). 25 (3) Es bedarf daher eines zusätzlichen Abgrenzungskriteriums. Der Senat hat in seinem Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 8.10 - erwogen, ob für die Arzneimitteleigenschaft von Produkten in einem mehrstufigen Herstellungsprozess zusätzlich darauf abzustellen ist, dass keine wesentlichen Bearbeitungsschritte bis zum abgabefertigen Endprodukt mehr erforderlich sind. Mangels Entscheidungserheblichkeit konnte die Frage damals offen bleiben (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 18 f.). Der Senat bejaht sie nunmehr jedenfalls für Sachverhalte, in denen es - wie hier - um die Herstellung eines lebenden Arzneimittels geht. 26 ee) Danach sind die von der Klägerin importierten Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr keine Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG, weil sie bis zum abgabefertigen Endprodukt noch einer wesentlichen Aufbereitung bedürfen. 27 (1) Ob bis zur Herstellung des abgabefertigen Endprodukts noch wesentliche Bearbeitungs- oder Aufbereitungsschritte erforderlich sind, beurteilt sich anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung des Herstellungsprozesses (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2012 - 1 StR 534/11 - BGHSt 57, 312 Rn. 34 ff. ). Eine Bearbeitung oder Aufbereitung ist wesentlich, wenn sie nach der Verkehrsanschauung den Herstellungsprozess prägt oder für die Anwendungsfertigkeit des Erzeugnisses von besonderer Bedeutung ist (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 19). 28 (2) Ausgehend davon befinden sich die Blutegel im Einfuhrzeitpunkt in einem Zustand, der für die Herstellung eines abgabefertigen Endprodukts noch eine wesentliche Aufbereitung erforderlich macht. Die nach der Einfuhr im Betrieb der Klägerin vorgenommene Aussortierung ungeeigneter Blutegel sowie die durchgeführten Quarantäne- und mikrobiologischen Überwachungsprozesse sind notwendige Maßnahmen zur Sicherung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Egel. Ihnen kommt im Rahmen des mehrstufigen Herstellungsprozesses ein besonderer Stellenwert zu. Erst durch diese Maßnahmen werden die Blutegel in einen anwendungsfertigen Zustand versetzt (vgl. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Mitteilung zu Blutegeln in der Humanmedizin - Leitlinie zur Sicherung von Qualität und Unbedenklichkeit -, S. 4 f.). Zudem macht die Quarantäne von mindestens 32 Wochen ab dem Zeitpunkt der Einfuhr auch in zeitlicher Hinsicht einen wesentlichen Teil des Herstellungsverfahrens aus. Damit kommt dem Aufbereitungsverfahren im Betrieb der Klägerin insgesamt eine prägende Bedeutung im Herstellungsprozess zu. 29 (3) Der Schutzzweck des Gesetzes, die Herstellung und den Verkehr mit Arzneimitteln zu kontrollieren (§ 1 AMG), gebietet keine andere Beurteilung. 30 Inspektionen der Fanggebiete und -bedingungen im Herkunftsland der Blutegel gemäß § 72a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 AMG könnten den Infektionsschutz verbessern, ein Infektionsrisiko aber nicht vollständig ausschließen. Die Aufbereitungsmaßnahmen im Betrieb der Klägerin sind zur Sicherung von Qualität und Unbedenklichkeit des Endprodukts in jedem Fall erforderlich. Sie werden durch Inspektionen im Drittland auch nicht nur teilweise entbehrlich. Das gilt auch deshalb, weil diese Inspektionen lediglich eine punktuelle Kontrolle bieten, während die Quarantäne- und mikrobiologischen Untersuchungsprozesse im Betrieb der Klägerin eine systematische und kontinuierliche Überwachung ermöglichen. 31 Zudem sieht das Arzneimittelgesetz behördliche Zulassungs- und Aufsichtsverfahren vor, in denen das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der arzneilichen Anwendung von lebenden Importegeln zu prüfen ist und gegebenenfalls Konsequenzen für die Verkehrsfähigkeit zu ziehen sind (vgl. § 141 Abs. 4 i.V.m. § 21 Abs. 1, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 5 AMG sowie § 69 Abs. 1, § 5 AMG). Des Weiteren hat der Hersteller nach § 13 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 6a AMG zu gewährleisten, dass die Arzneimittelherstellung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik vorgenommen wird. 32 b) Die von der Klägerin importierten Blutegel erfüllen im Zeitpunkt der Einfuhr auch nicht die Voraussetzungen eines Präsentationsarzneimittels nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. 33 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel zu Unrecht ausreichen lassen, dass die Blutegel im Zeitpunkt der Einfuhr Vorprodukt eines Präsentationsarzneimittels seien. Dass das Endprodukt dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG unterfällt, begründet nicht auch die Arzneimitteleigenschaft des Vorprodukts. Die Einstufung als Präsentationsarzneimittel setzt voraus, dass das Vorprodukt selbst als Mittel präsentiert wird, das zur Heilung oder Linderung von Krankheiten bestimmt ist (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 8.10 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 60 Rn. 12 f.). 34 bb) Unter den Begriff des Präsentationsarzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinien 2001/83/EG, 2001/82/EG fallen alle Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Ein Erzeugnis erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet oder empfohlen wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (stRspr; BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 25.13 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 67 Rn. 14 m.w.N.; EuGH, Urteil vom 15. November 2007 - C-319/05, Kommission/Deutschland - Rn. 43 ff. m.w.N.). 35 Das ist bei den von der Klägerin importierten Blutegeln nicht der Fall. Dass die Egel im Zeitpunkt der Einfuhr ausdrücklich oder durch ihre Aufmachung als Mittel präsentiert werden, das zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden bestimmt ist, haben weder der Verwaltungsgerichtshof noch das Verwaltungsgericht festgestellt. Der Senat sieht hierfür auch keine Anhaltspunkte. Es genügt insbesondere nicht, dass es sich bei der Klägerin um ein medizinisches Import- und Vertriebsunternehmen handelt. 36 c) Nach § 2 Abs. 2 AMG gelten bestimmte Erzeugnisse unter näher beschriebenen Voraussetzungen als Arzneimittel. Die von der Klägerin importierten Blutegel werden davon ersichtlich nicht erfasst. Sie sind im Zeitpunkt der Einfuhr weder tierärztliche Instrumente im Sinne von Nr. 1a noch Gegenstände mit einer Zweckbestimmung im Sinne von Nr. 2 noch Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen mit einem Verwendungszweck im Sinne der Nr. 4. Ebenso wenig handelt es sich um Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein solches Arzneimittel aufgebracht ist (Nr. 1). 37 2. Eine Erlaubnis- und Zertifikatspflicht ergibt sich schließlich nicht aus § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 72a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AMG. Unter den Begriff der Wirkstoffe im Sinne dieser Vorschriften fallen gemäß § 4 Abs. 19 AMG alle Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden. Das trifft auf die von der Klägerin importierten Blutegel nicht zu. Sie werden im Herstellungsprozess lebend als ganzes Tier verwendet. 38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO." bverwg_2017-57,24.08.2017,"Pressemitteilung Nr. 57/2017 vom 24.08.2017 EN Erteilung einer einheitlichen Betriebserlaubnis für eine aus einer Haupt- und Nebenstelle bestehenden Kindertagesstätte Eine Kindertagesstätte, die nach der Konzeption ihres Trägers räumlich dezentral in Form einer Hauptstelle und einer in einem Nachbarort gelegenen Nebenstelle betrieben werden soll, kann als Einrichtung im Sinne des Kinder- und Jugendhilferechts Gegenstand einer einheitlichen Betriebserlaubnis sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die klagende Kirchengemeinde war zunächst Trägerin einer viergruppigen Kindertagesstätte in einer rheinland-pfälzischen Ortsgemeinde. Später übernahm sie zusätzlich die Trägerschaft für eine eingruppige Kindertagesstätte in einem etwa zwei Kilometer entfernten Ort. Sie beantragte, die bestehende Betriebserlaubnis für die viergruppige Kindertagesstätte abzuändern und ihr eine einheitliche Betriebserlaubnis für eine fünfgruppige Kindertagesstätte bestehend aus einer Haupt- und einer Nebenstelle zu erteilen. Dies lehnte das Landesjugendamt mit der Begründung ab, hierfür fehle es an einem unmittelbaren örtlichen Zusammenhang. Der Betrieb könne nur für jeden Standort gesondert erlaubt werden, weil es sich um zwei selbständige Einrichtungen handle. Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht das beklagte Land verpflichtet, der Klägerin eine einheitliche Betriebserlaubnis zu erteilen. Die Berufung des beklagten Landes vor dem Oberverwaltungsgericht ist erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Eine Einrichtung im Sinne der im Streit stehenden Vorschrift des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - SGB VIII) setzt zwar unter anderem einen Orts- und Gebäudebezug voraus. Dieses Merkmal dient jedoch in erster Linie dazu, ambulante Maßnahmen aus dem Einrichtungsbegriff auszuklammern. Es ist nicht dahin zu verstehen, dass sich die von dem Einrichtungsträger genutzten Räumlichkeiten alle an einem Ort oder „unter einem Dach“ befinden müssen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass bei der Wahl einer dezentralen Organisationsform mit Haupt- und Nebenstelle an unterschiedlichen Orten das Wohl der Kinder in einer solchen Einrichtung nicht gewährleistet sein könnte. Vielmehr ist dies als weitere gesonderte Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis anhand der gesetzlichen Kriterien im Einzelfall zu prüfen. Grundlage dieser Prüfung ist die von dem Einrichtungsträger vorzulegende Konzeption. Im konkreten Fall war die Annahme der Vorinstanz, dass nach der Konzeption der Klägerin das Kindeswohl in einer aus Haupt- und Nebenstelle bestehenden einheitlichen Kindertageseinrichtung gewährleistet sei, im Ergebnis nicht zu beanstanden. BVerwG 5 C 1.16 - Urteil vom 24. August 2017 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 7 A 10094/15 - Urteil vom 13. November 2015 - VG Koblenz, 3 K 1253/13.KO - Urteil vom 08. Dezember 2014 -","Urteil vom 24.08.2017 - BVerwG 5 C 1.16ECLI:DE:BVerwG:2017:240817U5C1.16.0 EN Einheitliche Betriebserlaubnis für eine Kindertagesstätte bestehend aus einer Haupt- und einer Nebenstelle an unterschiedlichen Orten Leitsatz: Das von dem Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII geforderte Merkmal des Orts- und Gebäudebezugs ist auch erfüllt, wenn die Einrichtung, deren Betrieb zur Genehmigung gestellt wird, nach der Konzeption des Einrichtungsträgers aus zwei oder mehr Einrichtungsteilen an unterschiedlichen Standorten besteht. Rechtsquellen SGB VIII § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 Nr. 1, § 48a Abs. 2 GG Art. 12 Instanzenzug VG Koblenz - 08.12.2014 - AZ: VG 3 K 1253/13.KO OVG Koblenz - 13.11.2015 - AZ: OVG 7 A 10094/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.08.2017 - 5 C 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:240817U5C1.16.0] Urteil BVerwG 5 C 1.16 VG Koblenz - 08.12.2014 - AZ: VG 3 K 1253/13.KO OVG Koblenz - 13.11.2015 - AZ: OVG 7 A 10094/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2017 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer einheitlichen Betriebserlaubnis für eine von ihr betriebene Kindertagesstätte mit einer Haupt- und einer Nebenstelle in zwei benachbarten rheinland-pfälzischen Gemeinden. 2 Die Klägerin ist Trägerin der viergruppigen Kindertagesstätte ""S."" in N. Nachdem sie zu Beginn des Jahres 2012 die Trägerschaft über die eingruppige Kindertagesstätte ""R."" in dem etwa zwei Kilometer entfernt liegenden G. übernommen hatte, beantragte sie, die bestehende Betriebserlaubnis für die viergruppige Kindertagesstätte abzuändern und ihr eine einheitliche Betriebserlaubnis für eine fünfgruppige Kindertagesstätte bestehend aus einer Haupt- und einer Nebenstelle zu erteilen. Denn nach ihrer Konzeption seien diese jeweils Teil einer einheitlichen Einrichtung. Das Landesjugendamt lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, es fehle an dem für die Annahme einer Einrichtung erforderlichen unmittelbaren örtlichen Zusammenhang. Bei den beiden Kindertagesstätten handele es sich vielmehr um zwei selbständige Einrichtungen. Deren Betrieb könne daher nur für jeden Standort gesondert erlaubt werden. Daraufhin erteilte das Landesjugendamt der Klägerin für die eingruppige Kindertagesstätte in G. eine eigenständige Betriebserlaubnis. 3 Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine einheitliche Betriebserlaubnis für den Betrieb des Kindergartens ""S."" in N. als Hauptstelle und den Kindergarten ""R."" in G. als Nebenstelle zu erteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. 4 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche für einen Teil des Tages betreut würden, bedürften - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII einer Betriebserlaubnis. Mit dem gesetzlich nicht definierten Begriff der Einrichtung sei eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck unter der Verantwortung eines Trägers gemeint. Ihr Bestand und Charakter müssten vom Wechsel der Personen, denen sie zu dienen bestimmt sei, weitgehend unabhängig sein. Ferner erfasse der Begriff auch im Bereich der Jugendhilfe nur solche Einrichtungen, die orts- und gebäudebezogen seien. Damit entspreche der Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Wortlaut nach und auch inhaltlich dem vom Bundesverwaltungsgericht zu § 100 BSHG entwickelten funktionalen Einrichtungsbegriff. Mit dem Begriff der Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sei eine räumlich dezentrale Organisation mit zwei oder mehr Einrichtungsteilen vereinbar. Das Merkmal der Orts- und Gebäudebezogenheit verlange keine Einrichtung ""unter einem Dach"". Eine Einrichtung könne aus verschiedenen Gebäuden bestehen. Diese müssten auch nicht am selben Ort stehen. Sie könnten auch in einer größeren Entfernung voneinander liegen. Ausschlaggebend sei, ob die Teile der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers so zugeordnet seien, dass sie gemeinsam als Einrichtungsganzes anzusehen seien. Das sei in Bezug auf die fünfgruppige Kindertagesstätte der Klägerin mit vier Gruppen in N. und einer Gruppe in G. unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes ihrer diesbezüglich - faktisch bereits umgesetzten - Konzeption der Fall. Die Betriebserlaubnis sei nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet sei. Dass diese Voraussetzung vorliege, sei zwischen den Beteiligten nicht streitig. Anderes sei auch für den Senat nicht ersichtlich. Infolgedessen bestehe ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Betriebserlaubnis. 5 Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. 6 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision des Beklagten und vertritt die Auffassung, die Frage, ob mehrere räumlich voneinander getrennte Gebäude eine gemeinsame Einrichtung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bilden könnten, lasse sich nicht sinnvoll gesetzlich regeln. Sie müsse vielmehr im Einzelfall von dem Rechtsanwender unter Berücksichtigung einer Gesamtschau aller Umstände beantwortet werden. II 8 Die zulässige Revision ist unbegründet. Die entscheidungstragenden Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, eine Einrichtung im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes könne auch aus zwei oder mehr Einrichtungsteilen in größerer Entfernung zueinander bestehen, wobei es für die Annahme einer einheitlichen Einrichtung genüge, wenn die Einrichtungsteile der Rechts- und Organisationssphäre des Trägers so zugeordnet seien, dass sie gemeinsam als Einrichtungsganzes anzusehen seien, stehen mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 9 Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368), bedarf der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) - für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. Diese ist nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Das ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in der Regel anzunehmen, wenn die von dem Träger der Einrichtung gemäß § 45 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII vorzulegende Konzeption den in § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB VIII genannten, aber nicht abschließenden Kriterien genügt. 10 Die Beteiligten nehmen - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert und von der Vertreterin des Beklagten auf Nachfrage klargestellt - übereinstimmend an, dass dies auf die derzeit bekannte Konzeption der Klägerin für die von ihr zur Genehmigung gestellte und überdies bereits betriebene Einrichtung zutrifft und die Konzeption damit das Wohl der Kinder in dieser Einrichtung sicherstellt. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, wie der Begriff der Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu verstehen ist. Insoweit stimmen sie zu Recht darin überein, dass im Ausgangspunkt das Verständnis des tradierten Fachsprachgebrauchs zugrundezulegen ist, an dem sich auch der Gesetzgeber des Kinder- und Jugendhilfegesetzes orientiert hat (vgl. Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 45 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes - KJHG - vom 26. Juni 1990 BT-Drs. 11/5948 S. 83). Anknüpfend daran ist mit einer Einrichtung im Sinne der genannten Vorschrift die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von Personen und Sachen gemeint, die unter der Verantwortung eines Trägers den in § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Zwecken der Betreuung oder Unterkunftsgewährung zu dienen bestimmt ist, in ihrem Bestand und Charakter vom Wechsel der Kinder oder Jugendlichen, die betreut werden oder denen Unterkunft gewährt wird, weitgehend unabhängig ist und die zudem einen Orts- und Gebäudebezug aufweist (vgl. auch z.B.: Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand März 2016, § 45 Rn. 6; Nonninger, in: LPK-SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 45 Rn. 8; Lakies, in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 45 Rn. 9 und 10; Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 45 Rn. 4; Krug/Uhl, in: Krug/Riehle, SGB VIII, Stand 1. Juli 2012, § 45 Rn. 12; Gerstein, in: GK-SGB VIII, Stand April 2012, § 45 Rn. 3 und 5; Happe/Schimke, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., Stand April 2007, Erl. KJHG Art. 1 § 45 Rn. 15 ff.). Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass als zentrale Frage des Streitfalls darüber zu entscheiden ist, ob das Merkmal der Orts- und Gebäudebezogenheit - wie der Beklagte geltend macht - bedingt, dass dezentral organisierte Einrichtungen mit Haupt- und Nebenstelle an verschiedenen Orten vom Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht erfasst werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. 11 Das Merkmal der Orts- und Gebäudebezogenheit ist in Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht dahin zu verstehen, dass sich die von einem Einrichtungsträger genutzten Räumlichkeiten alle an einem Ort bzw. ""unter einem Dach"" befinden müssen. Das von dem Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII geforderte Merkmal des Orts- und Gebäudebezugs ist auch erfüllt, wenn die Einrichtung, deren Betrieb zur Genehmigung gestellt wird, nach der Konzeption des Einrichtungsträgers aus zwei oder mehr Einrichtungsteilen an unterschiedlichen Standorten besteht. Das gilt jedenfalls - worüber hier allein zu entscheiden ist - für den Fall, dass die Einrichtungsteile alle im Zuständigkeitsbereich desselben überörtlichen Trägers der Jugendhilfe liegen. 12 1. Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII lässt diese Auslegung zu. Ihm ist insbesondere auch unter Einbeziehung seines gesetzeshistorischen Hintergrunds keine Begrenzung dahin zu entnehmen, dass der für die Annahme einer jugendhilferechtlichen Einrichtung vorausgesetzte Orts- und Gebäudebezug fehlt, wenn die von einer Einrichtung genutzten Gebäude oder Räume dezentral auf mehrere Standorte verteilt sind. 13 Der tradierte Fachsprachgebrauch, von dem - wie bereits erwähnt - auch der Gesetzgeber ausgeht, verhält sich nicht dazu, was im Einzelnen mit dem geforderten Orts- und Gebäudebezug gemeint ist. Er liefert damit auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine orts- und gebäudebezogene Einrichtung die räumliche Zusammenfassung ihrer Teile an einem Ort bzw. ""unter einem Dach"" erfordert. Dementsprechend steht er auch für eine Auslegung dahin offen, dass die Räumlichkeiten einer Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII an verschiedenen Orten gelegen sein können. 14 Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieser weist vielmehr tendenziell in die Richtung, dass das Merkmal der Orts- und Gebäudebezogenheit in dem dargelegten weiten Sinne zu verstehen ist. Denn danach bezeichnet der Begriff der Einrichtung - soweit vorliegend von Interesse - einen Ort, der zu einem bestimmten Zweck errichtet wurde. Begriffe mit synonymer Bedeutung sind Institution, Anstalt, Organisation oder Unternehmen. Vor allem für Unternehmen ist es nicht ungewöhnlich, in räumlicher Entfernung von der Zentrale rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Betriebsteile zu errichten. 15 2. Für ein derart weites Verständnis des Merkmals der Orts- und Gebäudebezogenheit streitet mit starkem Gewicht das gesetzessystematische Verhältnis des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Regelung des § 45 Abs. 2 SGB VIII (a). Die Regelung des § 48a Abs. 2 SGB VIII bekräftigt dieses Verständnis (b). 16 Entsprechend dem systematischen Aufbau des § 45 SGB VIII ist zwischen dem Begriff der Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 und der in Absatz 2 geregelten Erlaubnisvoraussetzung zu unterscheiden. Das ist aus der in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII enthaltenen Formulierung abzuleiten, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen ""in der Einrichtung"" gewährleistet ist. Daraus folgt, dass die Frage, ob eine Einrichtung vorliegt, der Prüfung der Erlaubnisvoraussetzung nach § 45 Abs. 2 SGB VIII vorgelagert ist. Die Konzeption des § 45 SGB VIII lässt darauf schließen, dass die Gewährleistung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung in erster Linie auf der Ebene der Erlaubnisvoraussetzung des § 45 Abs. 2 SGB VIII, also bei der präventiven Kontrolle der im Einzelfall zur Genehmigung gestellten Einrichtung zu prüfen ist und nicht schon bei der Frage, ob eine Einrichtung im Sinne des Gesetzes vorliegt. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn bereits der Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dergestalt verengt würde, dass von vornherein nur der Betrieb von Einrichtungen mit einer bestimmten organisatorischen Form, beispielsweise der Konzentration der organisatorisch verknüpften personellen und sächlichen Mittel an einem Ort bzw. ""unter einem Dach"" erlaubt werden könnte. Denn auf diese Weise würde entgegen der gesetzgeberischen Vorstellung und der Interessenlage eine absolute Schranke für die Erlaubnisfähigkeit errichtet werden. Dem Betrieb von Einrichtungen mit einer davon abweichend konzipierten Organisationsform wäre schon allein aus diesem Grund die Erlaubnis zu versagen, ohne dass im Einzelfall die zentrale Erlaubnisvoraussetzung des § 45 Abs. 2 SGB VIII zu prüfen und festzustellen wäre, ob das Wohl der Kinder und Jugendlichen in dieser Einrichtung gewährleistet ist. 17 Zugleich könnte eine übermäßige Verengung des Einrichtungsbegriffs zu einer nicht gerechtfertigten Einschränkung der Organisationsfreiheit der Einrichtungsträger führen, die für Träger der freien Jugendhilfe als eine Ausprägung des Grundrechts auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet ist. Aus der Binnensystematik des § 45 SGB VIII erschließt sich, dass es der freien Entscheidung der Einrichtungsträger obliegt zu bestimmen, wie und in welcher organisatorischen Form sie ihre Einrichtungen betreiben und das Wohl der Kinder und Jugendlichen in dieser Einrichtung gewährleisten möchten. Denn die Prüfung der Erlaubnisvoraussetzung des § 45 Abs. 2 SGB VIII hat sich maßgeblich an der von dem Träger gemäß § 45 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII vorzulegenden Einrichtungskonzeption auszurichten. Stellt diese sicher, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist, ist die Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingend zu erteilen (vgl. Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 45 Rn. 14; Lakies, in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 45 Rn. 24; VGH München, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 12 CE 17.704 - juris Rn. 33). Die Organisationsfreiheit der Einrichtungsträger würde in erheblichem Umfang beschnitten, wenn dezentrale Organisationsformen mit zwei oder mehr Einrichtungsteilen an unterschiedlichen Standorten schon begrifflich keine Einrichtung darstellten. Das ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn nahezu ausgeschlossen wäre, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in einer solchen Einrichtung durch eine konzeptionelle Gestaltung gewährleistet werden könnte, die der räumlichen Trennung und den damit gegebenenfalls einhergehenden Notwendigkeiten Rechnung trägt. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass der Gesetzgeber von einer solchen Annahme ausgegangen ist. Auch im Übrigen bestehen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Gefährdung des Wohls der Kinder und Jugendlichen in einer räumlich dezentral betriebenen Einrichtung allein schon wegen der Verteilung der von ihr zum Zwecke der Betreuung oder Unterkunftsgewährung genutzten Räumlichkeiten auf unterschiedliche Standorte unvermeidlich ist. 18 b) Dass der Orts- und Gebäudebezug nicht schon deshalb auszuschließen ist, weil sich die Räumlichkeiten einer Einrichtung an verschiedenen Orten befinden, findet eine weitere systematische Stütze in § 48a Abs. 2 SGB VIII. 19 Danach gilt die sonstige Wohnform, wenn sie organisatorisch mit einer Einrichtung verbunden ist, als Teil der Einrichtung. Sonstige Wohnformen zeichnen sich dadurch aus, dass Jugendliche ihr Wohnen allein oder in einer Wohngemeinschaft mit anderen Jugendlichen weitestgehend eigenverantwortlich gestalten und organisieren und die Betreuung durch externe, nicht mit ihnen zusammenwohnende Fachkräfte erfolgt. Sie unterfallen nach der in § 48a Abs. 1 SGB VIII zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung nicht dem Einrichtungsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Typisches Beispiel für eine mit einer Einrichtung verbundene sonstige Wohnform ist die sogenannte Außenwohngruppe eines Heims (vgl. Mörsberger, in: Wiesner, SGB VIII 5. Aufl. 2015, § 48a Rn. 5 und Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand September 2012, K § 48a Rn. 6), die in den wenigsten Fällen in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesem liegen wird. Dass das Gesetz die bloße organisatorische Anbindung an eine Einrichtung für die Fiktion genügen lässt, spricht deutlich dafür, dass der Einrichtungsbegriff des Kinder- und Jugendhilfegesetzes keine Konzentration der einer Einrichtung dienenden Räumlichkeiten an einem Standort bzw. ""unter einem Dach"" voraussetzt. 20 3. Das vorgenannte Auslegungsergebnis ist weder im Hinblick auf den speziellen Zweck des Begriffsmerkmals der Orts- und Gebäudebezogenheit (a) noch mit Blick auf die allgemeine Zielsetzung des § 45 SGB VIII zu beanstanden (b). 21 a) Der im Einrichtungsbegriff nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII geforderte Orts- und Gebäudebezug dient ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 83) in erster Linie dazu, ambulante Maßnahmen wie die Betreuung von Kindern im Freien bei Spaziergängen und Ausflügen vom Einrichtungsbegriff und damit auch von der Erlaubnispflicht auszunehmen. Denn für solche Betreuungsmaßnahmen gebe es andere Regelungen, die hinreichend sicherstellten, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen gewährleistet werde. Diese Zwecksetzung ist nicht berührt, wenn es um die Frage der Einbeziehung von räumlich dezentral organisierten Einrichtungen in den Einrichtungsbegriff geht, und kann demzufolge durch das Auslegungsergebnis nicht verfehlt werden. 22 b) Das vorgenannte Begriffsverständnis ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht mit Rücksicht auf den Normzweck des § 45 SGB VIII zu korrigieren. 23 Das in dieser Vorschrift geregelte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt will sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche in Einrichtungen keinen Gefährdungen ausgesetzt sind. Dementsprechend sollen vor der Aufnahme des Betriebs die Erziehungsbedingungen in einer Einrichtung geprüft werden, um bereits im Erlaubniserteilungsverfahren möglichen Gefahren für das Wohl der Kinder oder Jugendlichen in der Einrichtung begegnen zu können und die Einhaltung von Mindestanforderungen zu garantieren. Des Weiteren soll durch den Genehmigungsvorbehalt vermieden werden, dass Einrichtungen, nachdem sie ihren Betrieb aufgenommen haben, geschlossen werden müssen. Denn dies könnte mit neuen Risiken für die Entwicklung der von der Einrichtung aufgenommenen Kinder und Jugendlichen verbunden sein, da diese gezwungen wären, ihre Umgebung und sozialen Beziehungen (erneut) zu wechseln (vgl. BT-Drs. 11/5948 S. 83). Diese gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Einrichtungsbegriff auch dezentral organisierte Einrichtungen mit Räumlichkeiten an unterschiedlichen Standorten erfasst. 24 Es ist - wie bereits erwähnt - entgegen der Ansicht des Beklagten nicht von vornherein ausgeschlossen, dass bei der Wahl einer dezentralen Organisationsform mit Haupt- und Nebenstelle an unterschiedlichen Orten das Wohl der Kinder oder Jugendlichen in einer solchen Einrichtung nicht garantiert sein könnte. Entscheidend hierfür ist, dass der Einrichtungsträger in der von ihm vorzulegenden Konzeption etwaigen besonderen Anforderungen, die sich aufgrund der Nutzung von Räumlichkeiten an unterschiedlichen Standorten mit Blick auf das zu gewährleistende Wohl der Kinder oder Jugendlichen stellen, im konkreten Einzelfall hinreichend Rechnung trägt. Eine andere rechtliche Wertung ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass eine effektive und zumutbare Kontrolle durch den überörtlichen Träger jedenfalls dann nicht möglich sei, wenn die Räumlichkeiten einer Einrichtung nach der Konzeption des Einrichtungsträgers auf die Zuständigkeitsbereiche verschiedener überörtlicher Träger der Jugendhilfe verteilt seien. Es ist zweifelhaft, ob diese Annahme zutreffend ist und es mit Blick darauf zulässig wäre, den Einrichtungsbegriff auf zentral organisierte Einrichtungen mit Räumlichkeiten an einem Standort bzw. ""unter einem Dach"" einzuengen. Das ist aber letztlich nicht zu entscheiden, da eine derartige Fallkonstellation hier nicht gegeben ist. 25 4. In Anwendung der vorstehend aufgezeigten rechtlichen Vorgaben hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen das Vorliegen einer (einheitlichen) Einrichtung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu Recht bejaht. 26 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stehen beide Kindertagesstätten in der Trägerschaft der Klägerin. Sie werden nach deren Konzeption unter einem einheitlichen Namen betrieben und unterstehen einer einheitlichen Leitung. Diese ist zu festgelegten Zeiten, aber auch nach Vereinbarung an jedem der beiden Standorte anzutreffen. Des Weiteren gibt es nach der Konzeption der Klägerin für beide Standorte einen einheitlichen Elternausschuss. Ferner gilt für beide Standorte das gleiche pädagogische Konzept. Auch wenn grundsätzlich die Kinder aus N. eine der dortigen Gruppen und die Kinder aus G. die dortige Gruppe besuchen sollen, können sie auf Wunsch der Eltern auch in eine Gruppe an dem jeweils anderen Standort aufgenommen werden. Zudem können sie tageweise das ""jeweils andere Haus"" besuchen. Darüber hinaus finden an beiden Standorten ein- und mehrwöchige Projekte statt, die für alle Kinder offen sind. Gleiches gilt für die traditionellen Feste. Diese Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend, da die Beteiligten keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben haben. Die darauf aufbauende rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz, die eingruppige Kindertagesstätte in G. sei der Rechts- und Organisationssphäre der Klägerin so zugeordnet, dass sie als Teil der viergruppigen Kindertagesstätte in N. zu betrachten sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 27 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-59,13.09.2017,"Pressemitteilung Nr. 59/2017 vom 13.09.2017 EN Düsseldorfer „Licht-aus!“-Appell war rechtswidrig Der Aufruf des Düsseldorfer Oberbürgermeisters, anlässlich einer Demonstration das Licht auszuschalten, das tatsächliche Ausschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden sowie seine Bitte, an einer Gegendemonstration teilzunehmen, waren rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin meldete für den Abend des 12. Januar 2015 in Düsseldorf eine Versammlung mit dem Motto „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ an. Aus Anlass dieser Versammlung hatte der Düsseldorfer Oberbürgermeister vom 7. bis zum 11. Januar 2015 in die Internetseite www.duesseldorf.de die Erklärung „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ eingestellt. Darin kündigte er an, dass am 12. Januar 2015 ab Beginn der Demonstration an verschiedenen öffentlichen Gebäuden der Stadt die Beleuchtung ausgeschaltet werde. Zugleich rief er die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute auf, die Beleuchtung an ihren Gebäuden ebenfalls auszuschalten, um ein „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen. Darüber hinaus bat er in der Erklärung um die Teilnahme an einer parallel stattfindenden Gegendemonstration. Die angemeldete Versammlung fand am 12. Januar 2015 statt. Während ihrer Dauer wurde die Beleuchtung am Rathaus sowie an weiteren städtischen Gebäuden ausgeschaltet. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Aufruf des Oberbürgermeisters, das Licht auszuschalten, sowie das Ausschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden als rechtswidrig beurteilt. Die Bitte, an einer friedlichen Gegendemonstration teilzunehmen, hat es als rechtmäßig bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz geändert und festgestellt, dass auch der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration rechtswidrig war. Der Oberbürgermeister ist als kommunaler Wahlbeamter zwar grundsätzlich befugt, sich im Rahmen seines Aufgabenbereichs zu Themen der örtlichen Gemeinschaft öffentlich zu äußern. Diese Befugnis unterliegt jedoch Grenzen. Aus dem Demokratieprinzip folgt, dass ein Amtsträger sich zwar am politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung beteiligen, ihn aber nicht lenken und steuern darf. Ebenso sind ihm Äußerungen nicht gestattet, die die Ebene des rationalen Diskurses verlassen oder die Vertreter anderer Meinungen ausgrenzen. Danach erwiesen sich die in Rede stehenden Maßnahmen des Düsseldorfer Oberbürgermeisters als rechtswidrig. Der Aufruf zur Teilnahme an einer Gegendemonstration griff in unzulässiger Weise in den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung ein. Mit dem Aufruf, das Licht auszuschalten, und dem tatsächlichen Ausschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden wurden die Grenzen der Äußerungsbefugnis, sich in sachlicher und rationaler Weise mit den Geschehnissen in der Stadt Düsseldorf auseinanderzusetzen, überschritten und der Bereich politischer Kommunikation durch diskursive Auseinandersetzung verlassen. BVerwG 10 C 6.16 - Urteil vom 13. September 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 2293/15 - Urteil vom 04. November 2016 - VG Düsseldorf, 1 K 1369/15 - Urteil vom 28. August 2015 -","Urteil vom 13.09.2017 - BVerwG 10 C 6.16ECLI:DE:BVerwG:2017:130917U10C6.16.0 EN Amtliche Äußerung eines Oberbürgermeisters im politischen Meinungskampf Leitsätze: 1. Amtliche Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers im politischen Meinungskampf sind nur innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zulässig. 2. Die Befugnis zu amtlichen Äußerungen, die sich gegen eine nicht zu den politischen Parteien (Art. 21 GG) zählende politische Gruppierung richten, findet ihre Grenze nicht in dem politischen Parteien gegenüber geltenden Neutralitätsgebot, wohl aber in dem für jedes staatliche Handeln geltenden Sachlichkeitsgebot. Dieses verlangt, dass sich die amtlichen Äußerungen am Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses ausrichten und auf eine lenkende Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verzichten. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2 VwGO § 43 Abs. 1, §§ 127, 141 Satz 1 Instanzenzug VG Düsseldorf - 28.08.2015 - AZ: VG 1 K 1369/15 OVG Münster - 04.11.2016 - AZ: OVG 15 A 2293/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.09.2017 - 10 C 6.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:130917U10C6.16.0] Urteil BVerwG 10 C 6.16 VG Düsseldorf - 28.08.2015 - AZ: VG 1 K 1369/15 OVG Münster - 04.11.2016 - AZ: OVG 15 A 2293/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2017 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, Hoock und Dr. Rublack sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. November 2016 wird zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin wird das genannte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen insoweit geändert, als die Berufung zurückgewiesen wurde. Es wird festgestellt, dass die Einstellung der Erklärung ""Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz"" in die Internetseite www.duesseldorf.de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten auch insoweit rechtswidrig war, als sie folgenden Inhalt hatte: ""Zudem bittet Oberbürgermeister Thomas Geisel, sich der Gegendemonstration ‘Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass‘ anzuschließen. Diese startet am Montag, 12. Januar, 17:30 Uhr an der Friedrich-Ebert-Straße 34-38 in Höhe des DGB-Hauses."" Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin meldete im Dezember 2014 beim Polizeipräsidium Düsseldorf für den 12. Januar 2015 in der Zeit von 18:45 Uhr bis 22:00 Uhr eine öffentliche Versammlung mit dem Motto ""Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes"" an. Als Veranstalterin benannte sie die Vereinigung ""Dügida - Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes""; sich selbst benannte die Klägerin als verantwortliche Leiterin. Das Polizeipräsidium Düsseldorf bestätigte die Anmeldung der Versammlung mit Schreiben vom 8. Januar 2015. 2 Am 7. Januar 2015 wurde auf der Internetseite der Beklagten www.duesseldorf.de folgender Text veröffentlicht: ""Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz Neben dem Rheinturm wird an weiteren markanten Gebäuden am Montagabend, 12. Januar, die Beleuchtung ausgeschaltet. Anlässlich der für Montagabend, 12. Januar, in Düsseldorf angemeldeten Demonstration der 'Dügida'-Bewegung (Anmelderin M. D.) ruft Oberbürgermeister Thomas Geisel alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer, örtliche Unternehmen und Geschäftsleute dazu auf, 'Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus' zu setzen und die Beleuchtung ihrer Gebäude (ausgenommen sicherheitsrelevante Lichter) am Montagabend ab 18:25 Uhr auszuschalten. Oberbürgermeister Thomas Geisel: 'Das ist das richtige Signal, dass in Düsseldorf kein Platz für das Schüren dumpfer Ängste und Ressentiments ist. Düsseldorf ist eine weltoffene Stadt, in der jeder willkommen ist.' Neben dem Rheinturm des IDR wird aufgrund der Initiative von Oberbürgermeister Thomas Geisel auch die Beleuchtung von Gebäuden entlang des Altstadt-Rheinufers, zum Beispiel die des Rathauses und des Schlossturms am Burgplatz, der Tonhalle, der Lambertuskirche und des Ehrenhofes erlöschen. Auch andere historische Gebäude wie die Kaiserpfalz oder die angestrahlten Bäume der Königsallee sind Teil der Aktion. Weiterhin werden auch die Lichter am Riesenrad von O. B. um 18:25 Uhr abgeschaltet. Zudem bittet Oberbürgermeister Thomas Geisel, sich der Gegendemonstration 'Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass' anzuschließen. Diese startet am Montag, 12. Januar, 17:30 Uhr an der Friedrich-Ebert-Straße 34-38 in Höhe des DGB-Hauses."" 3 Die von der Klägerin angemeldete Versammlung fand am 12. Januar 2015 statt. Während ihrer Dauer wurde die Beleuchtung des Rathauses sowie weiterer öffentlicher Gebäude der Beklagten ausgeschaltet. 4 Im Februar 2015 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren festzustellen, dass die in die Internetseite www.duesseldorf.de vom 7. bis 11. Januar 2015 eingestellte Erklärung des Oberbürgermeisters sowie das tatsächliche Ausschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden der Stadt rechtswidrig gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, dass die Einstellung der Erklärung ""Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz"" in die Internetseite www.duesseldorf.de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten rechtswidrig gewesen sei, soweit sie die Düsseldorfer Bürger und Geschäftsleute aufgerufen habe, während der Versammlung der Klägerin die Beleuchtung an ihren Gebäuden auszuschalten. Auch das Ausschalten der Beleuchtung an verschiedenen öffentlichen Gebäuden der Beklagten in Abweichung von der üblichen Beleuchtung sei rechtswidrig gewesen. Die Bitte des Oberbürgermeisters, an der Gegendemonstration teilzunehmen, hat das Oberverwaltungsgericht hingegen für rechtmäßig gehalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Oberbürgermeister der Beklagten habe zwar grundsätzlich die Befugnis gehabt, sich mit der streitbefangenen Erklärung zu der von der Klägerin angemeldeten Versammlung amtlich zu äußern. Allerdings habe er die rechtlichen Grenzen seiner Äußerungsbefugnis teilweise überschritten. Sein Aufruf, anlässlich der Versammlung der Klägerin das Licht auszuschalten, sowie das Abschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden der Beklagten, sei mit dem Sachlichkeitsgebot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Ansehung des Grundrechtsschutzes der Art. 8 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Der Oberbürgermeister habe kommunale Einrichtungen zu einer politischen Symbolsetzung zweckentfremdet und der Klägerin die Möglichkeit genommen, auf die damit verbundene Aussage politischer Missbilligung in diskursiver Form zu reagieren. Rechtmäßig sei hingegen sein Aufruf zur Teilnahme an einer friedlichen Gegendemonstration gewesen. Dieser sei auf der Ebene diskursiver politischer Kommunikation verblieben. 5 Zur Begründung der Revision trägt die Beklagte vor: Das Oberverwaltungsgericht ziehe die Grenzen des Äußerungsrechts des Oberbürgermeisters zu eng. Es wende Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 8 Abs. 1 GG unzutreffend an und verkenne den Inhalt des Sachlichkeitsgebots. Der Oberbürgermeister habe als kommunaler Wahlbeamter am politischen Meinungsbildungsprozess teilnehmen dürfen, soweit Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betroffen gewesen seien. Seine Äußerungsbefugnis werde zwar durch die Grundrechte der Klägerin begrenzt. Die Erklärung ""Licht aus!"" auf der städtischen Internetseite sowie das Ausschalten der Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden hätten die Klägerin und die von ihr angemeldete Demonstration aber weder in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit noch in ihrer Versammlungsfreiheit berührt. Diese Maßnahmen hätten lediglich eine öffentlich bekundete Gegenposition dargestellt, die von der Klägerin als Grundrechtsträgerin grundsätzlich hinzunehmen gewesen sei. Der Oberbürgermeister habe auch das Sachlichkeitsgebot nicht verletzt. Da es an einer Beeinträchtigung der Grundrechte der Klägerin fehle, könne eine Verletzung des Sachlichkeitsgebots mangels subjektiver Rechtsverletzung die (teilweise) Begründetheit der Klage nicht tragen. Unabhängig davon stelle sich die ""Licht aus!""-Aktion nicht als unsachlich dar. In einem auf Rede und Gegenrede angelegten öffentlichen Meinungskampf sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem politischen Wirken einer Gruppierung seitens des Stadtoberhauptes nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich. Der Oberbürgermeister habe auch die ""Waffengleichheit"" in der öffentlichen Diskussion gewahrt. 6 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. November 2016 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. August 2015 insgesamt zurückzuweisen. 7 Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen sowie das genannte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen insoweit zu ändern, als die Berufung zurückgewiesen wurde, und festzustellen, dass die Einstellung der Erklärung ""Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz"" in die Internetseite www.duesseldorf.de vom 7. bis zum 11. Januar 2015 durch den Oberbürgermeister der Beklagten auch insoweit rechtswidrig war, als sie folgenden Inhalt hatte: ""Zudem bittet Oberbürgermeister Thomas Geisel, sich der Gegendemonstration 'Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger für Demokratie und Vielfalt - Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hass' anzuschließen. Diese startet am Montag, 12. Januar, 17.30 Uhr an der Friedrich-Ebert-Straße 34-38 in Höhe des DGB-Hauses."" 8 Zur Begründung der Anschlussrevision macht sie geltend: Der Oberbürgermeister habe seine kommunalrechtliche Kompetenz überschritten und auch mit seinem Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration in ihre Grundrechte aus Art. 5 und 8 GG eingegriffen. Zudem habe er gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Mit seiner Autorität als Oberhaupt der Stadt habe er der Gegendemonstration einen Ansehensvorsprung verschafft und zugleich das Ansinnen ihrer Demonstration diskriminiert. 9 Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision der Klägerin zurückzuweisen. II 10 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussrevision der Klägerin hat hingegen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ist ohne Verstoß gegen revisibles Recht davon ausgegangen, dass der Aufruf des Oberbürgermeisters der Beklagten, aus Anlass der von der Klägerin angemeldeten Versammlung das Licht auszuschalten, sowie das zeitgleiche Abschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden rechtswidrig waren. Demgegenüber steht seine Auffassung, der Aufruf des Oberbürgermeisters zur Teilnahme an einer friedlichen Gegendemonstration sei rechtmäßig gewesen, nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 11 1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der nach § 43 Abs. 1 VwGO erhobenen Feststellungsklage zutreffend bejaht. Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches Rechtsverhältnis liegt vor, wenn rechtliche Beziehungen streitig sind, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung für das Verhältnis mehrerer Personen zueinander oder das Verhältnis einer Person zu einer Sache ergeben. Auch der Inhalt eines vergangenen Rechtsverhältnisses kann zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden, wenn es über seine Beendigung hinaus noch anhaltende Wirkungen entfaltet (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 - BVerwGE 152, 204 Rn. 18 f.). 12 Zwischen den Beteiligten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Sie streiten darüber, ob der Oberbürgermeister der Beklagten mit den in Rede stehenden Maßnahmen unzulässig in Grundrechte der Klägerin eingegriffen hat. Sein Aufruf richtet sich unmittelbar gegen die von ihr angemeldete Versammlung sowie die damit verbundene Meinungskundgabe und betrifft sie in den Grundrechten der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Wegen des konkludent erhobenen Vorwurfs, diese Versammlung propagiere Intoleranz und Rassismus (""Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus""), waren die Äußerungen des Oberbürgermeisters geeignet, interessierte Bürger von einer Teilnahme an der Versammlung abzuhalten und damit die Wirkung der Veranstaltung nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 Rn. 52; auch vom 7. November 2015 - 2 BvQ 39/15 - BVerfGE 140, 225 Rn. 11). 13 Ebenso ist das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern. Liegt das feststellungsfähige Rechtsverhältnis in der Vergangenheit, ist ein berechtigtes Interesse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn ohne die Möglichkeit einer Feststellungsklage kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen wäre. Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Stehen hoheitliche Maßnahmen im Streit, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Feststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, ist das Feststellungsinteresse auch für ein vergangenes Rechtsverhältnis zu bejahen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 32 m.w.N.). Die in Rede stehenden Maßnahmen des Oberbürgermeisters stehen im engen Zusammenhang mit der Versammlung der Klägerin. Sie erledigen sich typischerweise so kurzfristig, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache nicht rechtzeitig erlangt werden kann. 14 Die Klägerin ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Die Möglichkeit einer Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG durch die Äußerungen des Oberbürgermeisters der Beklagten erscheint nicht ausgeschlossen. 15 2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht, soweit es den Aufruf des Oberbürgermeisters zur Teilnahme an einer Gegendemonstration als rechtmäßig erachtet hat (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Im Übrigen steht es mit Bundesrecht im Einklang. Im Einzelnen: 16 a) Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Oberbürgermeister der Beklagten befugt ist, sich im Rahmen seines Aufgabenbereichs zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft öffentlich zu äußern, und dass sich die streitgegenständlichen Äußerungen im Rahmen dieser Aufgabenzuweisung gehalten haben. 17 Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet der Gemeinde das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Daraus erwächst der Gemeinde die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Gewalt überantwortet sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen. Die Stellungnahme eines kommunalen Amtsträgers muss demnach in spezifischer Weise ortsbezogen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 37.89 - BVerwGE 87, 228 <229 f.>). 18 Es ist anerkannt, dass staatliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit notwendig ist, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt auch die Darlegung und Erläuterung der Politik der Regierungs- und Verwaltungsorgane hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (zu Äußerungen der Bundesregierung vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 2 BvE 2/14 - BVerfGE 138, 102 Rn. 40 m.w.N.). Das kann entsprechend für die Tätigkeit des Bürgermeisters einer Gemeinde angenommen werden. Dem Amt des Bürgermeisters als gewähltes Stadtoberhaupt ist - vergleichbar Regierungsmitgliedern - eine kommunikative Äußerungsbefugnis inhärent. Zwar ist er kommunaler Wahlbeamter; als Leiter der gesamten Verwaltung der Gemeinde steht er an deren Spitze (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NW). Zugleich wird er aber von den Bürgern in allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt und kann in Nordrhein-Westfalen obendrein vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden (vgl. § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 GO NW). Deshalb hat er neben der Leitung der Verwaltung auch eine originär politische Funktion wahrzunehmen. Aufgrund seiner politischen Funktion ist er befugt, sich am politischen Diskurs über spezifisch örtliche Angelegenheiten zu beteiligen. 19 Der Oberbürgermeister der Beklagten hat den ihm durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und seine Organkompetenz zugewiesenen Rahmen eingehalten. Seine Erklärung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der von der Klägerin angemeldeten Versammlung und der diese Veranstaltung tragenden politischen Gruppierung. Sie ist als Gegenposition zu dem von der Klägerin benannten Thema ihrer Versammlung ""Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes"" zu verstehen und befasst sich thematisch mit der Integration von Ausländern und dem Zusammenleben mit Muslimen in der örtlichen Gemeinschaft der Stadt Düsseldorf. Dabei wendet sich der Oberbürgermeister ausdrücklich an seine Düsseldorfer Mitbürger, an örtliche Unternehmen und Geschäftsleute und charakterisiert Düsseldorf als weltoffene Stadt. Darüber hinaus erhalten die Aussagen des Oberbürgermeisters durch die Wahl der Stadt Düsseldorf als Veranstaltungsort der Versammlung der Klägerin sowie der Gegendemonstration einen spezifisch örtlichen Bezug. 20 b) Über die kommunale Aufgabenzuweisung hinaus bedurfte es für die Maßnahmen des Oberbürgermeisters keiner gesetzlichen Grundlage. 21 Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch Grundrechte Dritter berührt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber, es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach Zielsetzung und Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>). Das gilt auch für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit; auch in seinem Schutzbereich bedarf es für staatliche Maßnahmen erst dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn sie in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen und eine abschreckende Wirkung entfalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2015 - 2 BvQ 39/15 - BVerfGE 140, 225 Rn. 11). 22 Die Maßnahmen des Oberbürgermeisters beeinträchtigen die Klägerin zwar faktisch in deren Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In ihrer Intensität stehen sie einem zielgerichteten regulativen Grundrechtseingriff aber nicht gleich. Der Aufruf, das Licht auszuschalten, das Abschalten der Beleuchtung an städtischen Gebäuden sowie der Aufruf, an einer Gegendemonstration teilzunehmen, greifen weder objektiv zielgerichtet in die Versammlungsfreiheit der Klägerin ein, noch wirken diese Maßnahmen wie ein regulativer Grundrechtseingriff. Sie beeinträchtigen die Versammlung der Klägerin lediglich in einem Randbereich, indem sie geeignet sind, noch Unentschlossene in der Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme zu beeinflussen. 23 c) Die Befugnis des Oberbürgermeisters, sich in amtlicher Funktion zu der von der Klägerin angemeldeten Versammlung öffentlich zu äußern, unterliegt freilich Grenzen. Diese ergeben sich hier jedoch nicht schon aus dem Neutralitätsgebot. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Neutralitätsgebot als Grenze der Äußerungsbefugnis eines Amtsträgers nur im Verhältnis zu politischen Parteien im Sinne des Art. 21 GG, nicht aber im Verhältnis zu sonstigen politischen Gruppierungen herangezogen werden kann. 24 Das Neutralitätsgebot folgt aus dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG). Deren Recht, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf die politische Willensbildung des Volkes einwirken (vgl. BVerfG, Urteile vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 - BVerfGE 44, 125 <146> und vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 4/13 - BVerfGE 136, 323 Rn. 28). Das gilt nicht nur im Wahlkampf, sondern darüber hinaus auch für den politischen Meinungskampf und Wettbewerb im Allgemeinen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2015 - 2 BvQ 39/15 - BVerfGE 140, 225 Rn. 9). Auch auf der kommunalen Ebene greift das Neutralitätsgebot ein. So verstoßen etwa Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister im Kommunalwahlkampf in amtlicher Eigenschaft abgibt, gegen die Neutralitätspflicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 5.96 - BVerwGE 104, 323 <326 f.>; Beschluss vom 19. April 2001 - 8 B 33.01 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 47 S. 2; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. März 2014 - 2 BvQ 9/14 - juris Rn. 11). 25 Das Neutralitätsgebot dient dem Schutz der Chancengleichheit der politischen Parteien. Gegenüber politischen Gruppierungen, die nicht als politische Partei organisiert sind, sich nicht an politischen Wahlen beteiligen und sich in der Regel durch einen vergleichsweise niedrigen Organisationsgrad auszeichnen, besteht hingegen keine vergleichbare Interessenlage. Für eine Anwendung des Neutralitätsgebots zugunsten solcher politischer Gruppierungen besteht daher kein Anlass. Dabei kann offen bleiben, ob das Neutralitätsgebot bei öffentlichen Äußerungen von kommunalen Amtsträgern zu beachten wäre, wenn deren Meinungskundgabe eine politische Gruppierung im Vorfeld der Parteiengründung beträfe. Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) handelt es sich bei der die Versammlung der Klägerin tragenden ""Dügida""-Bewegung nicht um eine politische Partei, sondern um eine Vereinigung ohne feste Struktur mit einem in personeller wie sächlicher Hinsicht lediglich niedrigschwelligen Organisationsgrad, mithin nicht einmal um eine Gruppierung im Vorfeld der Parteiengründung. 26 d) Im Grundsatz trifft ebenso die Annahme des Oberverwaltungsgerichts zu, die Äußerungsbefugnis des Oberbürgermeisters der Beklagten im politischen Meinungskampf finde ihre Grenzen in den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots, das für jedes Staatshandeln gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558, 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <272>). Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht den Inhalt des Sachlichkeitsgebots zu eng bestimmt und deshalb die gebotenen rechtlichen Schlüsse daraus nur unvollständig gezogen. 27 aa) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass amtliche Äußerungen sich an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu orientieren haben. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. August 1989 - 1 BvR 881/89 - juris Rn. 7 und 15; BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <83>; Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 - juris Rn. 14). 28 Staatliche Amtsträger unterstehen jedoch nicht allein dem Rechtsstaatsgebot, sondern auch dem Demokratieprinzip. Die freie Bildung der öffentlichen Meinung ist Ausdruck des demokratischen Staatswesens (Art. 20 Abs. 1 GG), in dem sich die Willensbildung des Volkes frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich ""staatsfrei"" vollzieht. Der Willensbildungsprozess im demokratischen Gemeinwesen muss sich vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin, vollziehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56 <98 f.>; Beschlüsse vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 - BVerfGE 69, 315 <346> und vom 4. Juli 2012 - 2 BvC 1, 2/11 - BVerfGE 132, 39 <50>). Einem Amtsträger in Wahrnehmung seiner hoheitlichen Funktion ist deshalb eine lenkende oder steuernde Einflussnahme auf den politischen Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung verwehrt. Dies findet seinen Niederschlag auch darin, dass Äußerungen eines Amtsträgers, der sich in Wahrnehmung seiner hoheitlichen Funktion am politischen Meinungskampf beteiligt, nicht demselben Maßstab unterliegen, der bei Meinungsäußerungen von Bürgern untereinander anzulegen ist. Während sich der Bürger auf die Wahrnehmung seines Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) stützen kann, ist dem Staat die Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG gegenüber seinen Bürgern verwehrt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 1996 - 8 B 33.96 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 133 S. 5). Art. 5 GG garantiert die freie Bildung der öffentlichen Meinung und will den Kommunikationsprozess im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sichern (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319>; Beschluss vom 9. Februar 1994 - 1 BvR 1687/92 - BVerfGE 90, 27 <32>). Damit ist eine lenkende Einflussnahme des Staates unvereinbar. 29 Auch dies führt wieder auf das Sachlichkeitsgebot zurück, das damit auch eine spezifisch demokratische Komponente besitzt. Demokratie lebt vom Austausch sachlicher Argumente; sie zielt auf eine vernunftgeleitete Sorge um das gemeine Wohl. Ein Amtswalter, der am politischen Diskurs teilnimmt, hat deshalb seine Äußerungen an dem Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses auszurichten. Das schließt eine Meinungskundgabe durch symbolische Handlungen nicht aus, fordert aber den Austausch rationaler Argumente, die die Ebene argumentativer Auseinandersetzung nicht verlassen. Staatliche Amtsträger dürfen ferner in der öffentlichen Diskussion Vertreter anderer Meinungen weder ausgrenzen noch gezielt diskreditieren, solange deren Positionen die für alle geltenden rechtlichen Grenzen nicht überschreiten, namentlich nicht die allgemeinen Strafgesetze verletzen. Nur so kann die Integrationsfunktion des Staates sichergestellt werden, die ebenfalls im Demokratieprinzip wurzelt. 30 bb) Nach diesen Maßstäben hat das Oberverwaltungsgericht den Aufruf des Oberbürgermeisters der Beklagten, das Licht auszuschalten, sowie das Abschalten der Beleuchtung an mehreren städtischen Gebäuden zu Recht für rechtswidrig gehalten. Es hat zutreffend ausgeführt, dass das symbolische Verdunkeln der Stadt für sich genommen keinen Aufschluss darüber gebe, aus welchen inhaltlich-politischen Gründen die von der Klägerin auf ihrer Versammlung vertretenen Positionen zu missbilligen seien, etwa weil sie verfassungsfeindliche Tendenzen zeigten oder den Grundwerten der öffentlichen Gemeinschaft widersprächen. Die mit beiden Maßnahmen verbundene negative Symbolik des öffentlichen Lichtlöschens bringt in drastischer Weise die Missbilligung der mit der Versammlung der Klägerin verfolgten politischen Ziele zum Ausdruck. Sie verlässt die Ebene eines rationalen und sachlichen Diskurses, ohne für eine weitere diskursive Auseinandersetzung mit den politischen Zielen der von der Klägerin angemeldeten Versammlung offen zu sein. 31 Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt aber auch der Aufruf des Oberbürgermeisters der Beklagten, an einer friedlichen Gegendemonstration teilzunehmen, das Sachlichkeitsgebot. Der Aufruf verfolgte das Ziel, die Versammlung der Klägerin in ihrer Wirkung zu schwächen und die Gegendemonstration zu stärken. Er greift unzulässig in den Wettstreit der politischen Meinungen ein und nimmt lenkenden Einfluss auf die Grundrechtsausübung der Bürger. Der Wettbewerb zwischen gegenläufigen friedlichen Versammlungen ist jedoch im Rahmen staatsfreier Meinungsbildung der Bevölkerung auszutragen und darf nicht staatlich beeinflusst werden. 32 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2017-60,14.09.2017,"Pressemitteilung Nr. 60/2017 vom 14.09.2017 EN Großflächige Kommerzialisierung des Strandzugangs in Wangerland ist unzulässig Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Einzäunung und Bewirtschaftung nahezu des gesamten Meeresstrandes der Gemeinde Wangerland als kostenpflichtiges kommunales Strandbad rechtswidrig ist. Nicht von der Bade-Infrastruktur geprägte Flächen dürfen unentgeltlich zum Baden und Spazierengehen betreten werden. Die Kläger machen das Recht auf ganzjährig unentgeltlichen Zugang zu den 9 km langen Meeresstränden im Gemeindegebiet geltend. Eine Eigengesellschaft der Gemeinde hatte nahezu 90 % der Strandfläche vom Land Niedersachsen gepachtet, eingezäunt und in bestimmten Abschnitten mit Rettungsstationen, Sanitärgebäuden, Kiosken und Kinderspielgeräten ausgestattet, um sie während der Badesaison als kostenpflichtige Strandbäder zu betreiben. Die Kläger beriefen sich dagegen auf den gewohnheitsrechtlichen Gemeingebrauch am Küstengewässer und am Meeresstrand sowie auf § 59 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), der jedermann das Recht gibt, die freie Landschaft auf Straßen und Wegen und ungenutzten Grundflächen unentgeltlich zu betreten. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat die Klagen abgewiesen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die Revision der Kläger hatte teilweise Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der frühere landesgewohnheitsrechtliche Gemeingebrauch am gesamten Meeresstrand sei 1981 durch Landesgesetz aufgehoben worden, war im Revisionsverfahren nicht zu prüfen. Dort ist nicht die Richtigkeit der Auslegung von Landesrecht zu kontrollieren, sondern nur, ob das Berufungsurteil Bundesrecht verletzt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht bejaht. Das Berufungsurteil verletzt das Grundrecht der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und widerspricht § 59 BNatSchG. Aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt ein Recht zur Abwehr rechtswidriger Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit. Art. 2 Abs. 1 GG verpflichtet nicht nur die beklagte Gemeinde, sondern auch deren Eigengesellschaft. Der unentgeltliche Zutritt zum Strand durfte den Klägern nicht schon wegen der Bewirtschaftung der Pachtflächen als Strandbad verweigert werden. Der Betrieb dieser kommunalen Einrichtung ist rechtswidrig, weil eine wirksame Widmung fehlt. Sie kann auch durch die Pachtverträge nicht ersetzt werden. Außerdem schränkt die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Strandes - und nicht nur der für den derzeitigen Badebetrieb benötigten Flächen - die allgemeine Handlungsfreiheit unverhältnismäßig ein. Daraus folgt allerdings kein Recht der Kläger auf freien Zugang zu sämtlichen Strandflächen. § 59 Abs. 1 BNatSchG beschränkt das Recht zum unentgeltlichen Betreten fremder Grundstücke in der freien Landschaft verfassungskonform auf Straßen und Wege und ungenutzte Grundflächen, sofern das Landesrecht keine weitergehenden Rechte vorsieht. Der Strand ist Teil der freien Landschaft auch, soweit er - wie in Hooksiel - im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme künstlich angelegt wurde. Eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung liegt nicht schon in der Umzäunung des Strandes oder in Maßnahmen, die den bisherigen Zustand erhalten, etwa im Aufspülen von Sand oder in der Strandreinigung. Die Ausstattung des Strandes mit Infrastruktureinrichtungen für den Badebetrieb und der Betrieb des Strandbades selbst stellen eine Nutzung dar, sofern sie sich nicht darin erschöpfen, das nach dem Gesetz unentgeltlich zu gewährende Betreten zum Spazierengehen und Baden zu kommerzialisieren. Das Recht zum unentgeltlichen Betreten erstreckt sich daher hier nicht auf Teilflächen, die durch mehrere, miteinander in funktionalem Zusammenhang stehende Einrichtungen des Badebetriebs geprägt sind. Auf die Rechtmäßigkeit des Strandbadbetriebs kommt es für die Begrenzung des Betretensrechts nach § 59 Abs. 1 BNatSchG nicht an. Diese Vorschrift soll eine Beeinträchtigung der tatsächlichen Nutzung fremder Grundstücke verhindern und ist darauf angelegt, dass jeder den Umfang zulässigen Betretens nach eigenem Augenschein und nicht erst nach rechtlicher Prüfung beurteilen kann. BVerwG 10 C 7.16 - Urteil vom 13. September 2017 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 10 LC 87/14 - Urteil vom 19. Januar 2016 - VG Oldenburg, 1 A 1314/14 - Urteil vom 23. September 2014 -","Urteil vom 13.09.2017 - BVerwG 10 C 7.16ECLI:DE:BVerwG:2017:130917U10C7.16.0 EN Freier Zugang zum Meeresstrand Leitsätze: 1. Verweigert eine kommunale Eigengesellschaft Erholungsuchenden die Ausübung eines diesen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zustehenden Rechts auf freien Zugang zu Strandflächen und -wegen, können die Betroffenen von der Gemeinde verlangen, die Eigengesellschaft durch Gesellschafterbeschluss anzuweisen, ihnen freien Zugang im Umfang ihrer Berechtigung zu gewähren. 2. Art. 2 Abs. 1 GG schützt das Recht des Einzelnen auf freien Zugang zum Strand zum Spazierengehen, Baden und Wattwandern als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit. § 59 Abs. 1 BNatSchG beschränkt das Zugangsrecht verfassungskonform auf das Betreten über den Strand führender, auch privater Straßen und Wege und das Betreten tatsächlich ungenutzter Teilflächen des Strandes. 3. Eine das Betretensrecht gemäß § 59 Abs. 1 BNatSchG ausschließende Nutzung liegt nicht vor, wenn ein Entgelt für das nach dieser Vorschrift unentgeltlich zu duldende Betreten zu Erholungszwecken im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gefordert wird. 4. Eine nach § 59 Abs. 1 BNatSchG tatbestandsmäßige Nutzung von Strandflächen als Strandbad setzt eine Mehrzahl benachbarter, funktional aufeinander bezogener Einrichtungen der Bade-Infrastruktur voraus, deren Nutzung schon mit dem Eintritt für den Strandbadbesuch abgegolten ist. Das Aufstellen einzelner Sanitäranlagen oder Abfallbehälter genügt dazu nicht. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 123, 124, 125, 75 Nr. 3 und 4 a.F. VwGO § 42 Abs. 2 BNatSchG §§ 1, 7 Abs. 1 Nr. 3, § 59 Abs. 1, § 62 Instanzenzug VG Oldenburg - 23.09.2014 - AZ: VG 1 A 1314/14 OVG Lüneburg - 19.01.2016 - AZ: OVG 10 LC 87/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.09.2017 - 10 C 7.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:130917U10C7.16.0] Urteil BVerwG 10 C 7.16 VG Oldenburg - 23.09.2014 - AZ: VG 1 A 1314/14 OVG Lüneburg - 19.01.2016 - AZ: OVG 10 LC 87/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2017 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen vom 19. Januar 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. September 2014 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Beigeladene zu 1 durch Gesellschafterbeschluss anzuweisen, den unentgeltlichen Zutritt des Klägers zum FKK-Strand und zum Hundestrand in H., ferner zu den in der Anlage A 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2015 rot umrandeten Flächen sowie zu den in Blatt 22 der Anlage 3 zum Gesetz über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vom 11. Juli 2001 (GVBl S. 443) gelb gekennzeichneten Flächen in S., schließlich zum gesamten Teekabfuhrweg und zu den Querungshilfen sowie den unentgeltlichen Zutritt der Klägerin zu den in den Anlagen A 1 und A 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2015 rot umrandeten Flächen und grün markierten Querungshilfen in H. und S. ganzjährig zu dulden. Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten aller drei Rechtszüge tragen die Kläger zu je einem Viertel und die Beklagte zur Hälfte. Jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Die Kläger verlangen von der Beklagten, die von dieser allein gehaltene Beigeladene zu 1 anzuweisen, ganzjährig den unentgeltlichen Zutritt der Kläger zu den im Gemeindegebiet liegenden Nordseestränden zu dulden. 2 Zur knapp 30 km langen Küstenlinie der Beklagten gehören rund 9 km Strand, die etwa je zur Hälfte in den Küstenbadeorten S. und H. liegen. In S. wird seit 1860 ein Strandbad betrieben. Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Gemeinde M., übernahm es 1956 vom bisherigen privaten Betreiber. Der Strand in H. wurde 1974 im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme wegen der Bebauung anderer Strandflächen künstlich angelegt. Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Strandgrundstücke ist der Beigeladene zu 2. Er verpachtete 1974/75 Strandflächen in beiden Küstenbadeorten, zunächst an die Beklagte und später an die von dieser gegründeten Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1. 1997/98 schlossen die Beigeladenen einen befristeten Pachtvertrag über die Nutzung der Strandgrundstücke in H. als Camping- oder Strandbadgelände. Seit Auslaufen dieses Vertrages zum Jahresende 2010 setzen sie das Nutzungsverhältnis stillschweigend zu den bisherigen Konditionen fort. Der 1999 geschlossene Pachtvertrag der Beigeladenen über die Strandgrundstücke in S. wurde bis Ende 2018 verlängert. Er erfasst den gesamten Strand mit Ausnahme eines etwa 1 km langen, schmal auslaufenden Abschnitts im Nordwesten. 3 In H. betreibt die Beigeladene zu 1 auf dem westlichen Strandabschnitt einen Campingplatz. Daran schließen sich in östlicher Richtung der FKK-Strand, der auch von Surfern und Kitern zu nutzende Hundestrand und der Textilstrand an. Dort befinden sich ein Sanitärgebäude mit Kiosk, ein Kinderspielplatz und eine DLRG- und Erste-Hilfe-Station. Die übrigen Strandabschnitte sind jeweils mit einem Kiosk mit Sanitärgebäude ausgestattet. Der Strand ist durchgehend eingezäunt und nur über Durchgänge mit Kassenhäuschen zu erreichen, die von April bis Oktober besetzt sind. Dort erhebt die Beigeladene zu 1 für den Strandzugang ein Entgelt von regulär 3 € pro Tag. Für Gemeindeeinwohner und Kurkarteninhaber ist der Zugang kostenlos. Kurbeiträge fallen jedoch nur bei mehrtägigem Aufenthalt an. 4 In S. sind der südliche, in Hafennähe gelegene Strandabschnitt und der nordöstlich des Campingplatzes liegende Strandabschnitt jeweils mit DLRG- und Erste-Hilfe-Stationen, Kiosken und Sanitärgebäuden ausgestattet. Eine dazwischen liegende Strandfläche, in deren Mitte sich ein Kinderspielhaus befindet, und ein weiterer, nordwestlicher Strandabschnitt sind im Gesetz über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vom 11. Juli 2001 (GVBl S. 443) als Erholungszonen festgesetzt. Der Strandzugang ist an fünf Durchgängen mit Kassenhäuschen sowie über den Parkplatz des Campingplatzes zu denselben Bedingungen wie in H. möglich. 5 Zur Erhaltung der Strandflächen sind wiederkehrende Ausbesserungsarbeiten einschließlich Sandaufspülungen erforderlich, deren Häufigkeit und Umfang zwischen den Beteiligten umstritten sind. Die Beigeladene zu 1 reinigt nach eigenen Angaben beide Strände und mäht die grasbewachsenen Flächen. 6 Die Kläger, Einwohner von Nachbargemeinden der Beklagten, verlangten von dieser und der Beigeladenen zu 1 vergeblich, ihnen ganzjährig den ungehinderten, unentgeltlichen Zugang zum gesamten im Gemeindegebiet liegenden Nordseestrand zum Spazierengehen, Baden und Wattwandern zu gewähren. Ihre Klage vor dem Amtsgericht wurde rechtskräftig als unzulässig abgewiesen. Daraufhin haben die Kläger vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und sich auf den Gemeingebrauch am Meeresstrand und am Küstengewässer sowie auf naturschutzrechtliche Betretensrechte berufen. Ursprünglich haben sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Beigeladene zu 1 anzuweisen, ihnen unentgeltlichen Zugang zum Strand zu gewähren. Trotz Rechtswegrüge der Beklagten hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, ohne vorab über den Rechtsweg zu entscheiden. 7 Im Berufungsverfahren hat die Beigeladene zu 1 erneut eingewandt, bei den Strandbädern handele es sich um privatrechtlich betriebene öffentliche Einrichtungen, deren Benutzungsbedingungen zivilgerichtlich zu klären seien. Daraufhin haben die Kläger erläutert, sie begehrten keine kostenfreie Benutzung der Infrastruktur der Beigeladenen zu 1, sondern nur freien Zugang zum Strand und zum Küstengewässer. Pachtverträge könnten das Zugangsrecht nicht einschränken. Ergänzend haben sich die Kläger auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 des Grundgesetzes (GG) berufen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht haben sie ihr Zutrittsbegehren auf die in den Anlagen A 1 und A 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2015 rot umrandeten Flächen in S. und H. und auf die grün markierten Querungshilfen in H. beschränkt. Die Beklagte hat erklärt, darin liege eine Teilklagerücknahme, der sie nicht zustimme. Sie strebe eine endgültige Klärung an, um Folgeprozesse über andere Strandabschnitte zu vermeiden. 8 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Leistungsklagen zulässig, aber unbegründet seien. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet. Das Klagebegehren richte sich auf den ganzjährig kostenfreien Zugang zu allen gemeindlichen Strandabschnitten. Die teilweise Klagerücknahme sei unwirksam, da die Beigeladene (zu 1) die erforderliche Einwilligung verweigert habe, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln. Das Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich aus der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils. 9 Den Klägern stehe der geltend gemachte Einwirkungsanspruch nicht zu. Dabei könne offen bleiben, ob das Kommunalrecht ""Brückennormen"" enthalte, aus denen sich ein solcher Anspruch ergeben könne. Dahinstehen könne auch, ob es eines Einwirkungsanspruchs bedürfe, obwohl die Waldbehörde auf Antrag die Beseitigung unzulässiger Zugangssperren anordnen könne. Ein Einwirkungsanspruch scheitere jedenfalls daran, dass den Klägern kein Recht auf unentgeltlichen Zugang zu den von der Beigeladenen (zu 1) bewirtschafteten Strandabschnitten oder auch nur zu Teilabschnitten zustehe. Dazu bedürfe es einer Anspruchsgrundlage, weil die Kläger eine Leistung und nicht nur die abwehrrechtliche Beseitigung einer Störung verlangten. Eine Anspruchsgrundlage finde sich jedoch weder im Gesetz noch im Gewohnheitsrecht. 10 Auf einen Gemeingebrauch am Küstengewässer lasse sich ein Anspruch auf freien Strandzugang nicht stützen. Der Gemeingebrauch an oberirdischen Gewässern gemäß § 25 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) oder § 32 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) erstrecke sich weder auf den Strand noch auf das Küstengewässer der Nordsee. Gewohnheitsrechtlich sei ein wasserrechtlicher Gemeingebrauch nicht zu begründen, da die bundes- und landesrechtlichen Vorschriften einen Gemeingebrauch am Küstengewässer ausschlössen. Jedenfalls folge aus einem etwaigen Gemeingebrauch am Gewässer noch kein Recht auf landseitigen Zugang. 11 Ein gewohnheitsrechtlicher Gemeingebrauch am Meeresstrand komme als Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht in Betracht. Ein solcher habe Anfang des 20. Jahrhunderts im verfahrensgegenständlichen Bereich zwar noch bestanden. Der Staat sei aber schon damals befugt gewesen, Badekonzessionen zur Anlegung von Badeanstalten unter Ausschluss des Gemeingebrauchs Dritter zu erteilen. Eine solche Sondernutzung sei hier aufgrund von Vereinbarungen eingeführt worden. Spätestens mit Inkrafttreten der landesgesetzlichen Regelung des Rechts zum Betreten der freien Landschaft im Jahr 1981 durch § 67 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes vom 20. März 1981 (NdsGVBl. S. 31) sei der landesgewohnheitsrechtliche Gemeingebrauch am Meeresstrand aufgehoben worden, da die spätere Regelung desselben Sachverhalts die frühere verdränge. Selbst bei Fortbestehen des Gemeingebrauchs wäre im Übrigen ein Recht auf freien Strandzugang wegen der gegenwärtigen Sondernutzung zu verneinen. Sollten die Pachtverträge keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Strandbadbetrieb bieten, könne dieser jedenfalls auf Antrag der Beigeladenen (zu 1) durch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis legalisiert werden. 12 Aus naturschutzrechtlichen Vorschriften ergebe sich ebenfalls kein Anspruch auf unentgeltlichen Zugang zum Strand. § 62 BNatSchG verpflichte öffentlich-rechtliche Körperschaften zur Bereitstellung von Erholungsflächen, lasse ihnen aber weiten Spielraum. Er richte sich zudem nur an die Eigentümer und Besitzer der Grundstücke, zu denen die Beklagte hier nicht gehöre. § 59 Abs. 1 BNatSchG, der das unentgeltliche Betreten der freien Landschaft zum Zweck der Erholung auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen gestatte, greife ebenfalls nicht ein. Zwar gehöre der Meeresstrand zur freien Landschaft. Die Strandflächen in H. und S. stellten aber keine ungenutzten Grundstücke dar, weil sie teils künstlich angelegt worden seien, regelmäßig in unterschiedlichem Umfang erneuert und, um attraktiv zu bleiben, ständig gereinigt werden müssten. Die Strandgrundstücke seien auch nicht teilweise ungenutzt. Bei Anlagen, die der Erholung dienten, müsse grundsätzlich auf eine Gesamtbetrachtung abgestellt werden. Das schließe - ebenso wie die fehlende straßenrechtliche Widmung der Querungshilfen - auch ein Betretensrecht bezüglich der über den Strand verlaufenden Wege aus. Die Gesamtbetrachtung sei verfassungsrechtlich geboten, weil § 59 Abs. 1 BNatSchG auch für private Grundstückseigentümer gelte und sonst deren Eigentums- und Berufsfreiheit (Art. 12 und 14 GG) unangemessen beeinträchtige. Zum selben Ergebnis führe es, den Strand als ungenutztes Grundstück zu betrachten, dessen Besitzer zur Wahrung seiner schutzwürdigen Interessen nach § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG berechtigt sei, Uferabschnitte speziellen Benutzergruppen - hier den Benutzern der Strandbäder - vorzubehalten. Auf die Rechtmäßigkeit des Strandbadbetriebes komme es nach § 59 Abs. 1 BNatSchG nicht an. Aus dem Landesrecht ergebe sich kein weitergehender Anspruch auf unentgeltlichen Strandzugang. 13 Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren unbeschränkt weiter. Das Revisionsbegehren der Klägerin ist auf die Flächen und Querungshilfen beschränkt, die Gegenstand ihres Antrags in der Berufungsverhandlung waren. 14 Die Beklagte tritt den Revisionen entgegen. Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, § 62 BNatSchG verpflichte nur den Beigeladenen zu 2. Ob Erholungsflächen in angemessenem Umfang bereitgestellt würden, sei landesweit und nicht im gemeindlichen Bezugsrahmen zu beurteilen. Die Erhebung eines Entgelts für den Strandzugang rechtfertige sich jedenfalls aus dem Aufwand für die Ausstattung, Unterhaltung und Reinigung der Strandflächen. Die Beigeladenen unterstützen das Beklagtenvorbringen, stellen jedoch keine eigenen Anträge. Der Beigeladene zu 2 meint, § 59 Abs. 1 BNatSchG begründe kein subjektives Recht, sondern sei als Programmsatz zu verstehen. 15 Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen Antrag zu stellen. Er hält die berufungsgerichtlich mit einer Gesamtbetrachtung begründete Annahme einer flächendeckenden Nutzung der Strandgrundstücke für fehlerhaft. Sie widerspreche dem Gesetzesziel der Erholungsvorsorge (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 BNatSchG) und löse den Grundrechtskonflikt zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 GG einerseits und Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG andererseits einseitig zulasten des Gemeingüterschutzes auf. II 16 Die unbeschränkt eingelegte Revision des Klägers ist teilweise begründet, die beschränkte Revision der Klägerin hat in vollem Umfang Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt § 59 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), soweit es ein Recht der Kläger auf unentgeltliches Betreten der jeweils im Tenor bezeichneten Strandflächen und -wege verneint. Insoweit stellt es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). 17 1. Gegen die Zulässigkeit der Revisionen im jeweiligen Umfang bestehen keine Bedenken. 18 a) Der Revisionsantrag des Klägers enthält keine nach § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageerweiterung; er geht nicht über den Gegenstand des Berufungsverfahrens hinaus. Die mit den Schriftsätzen des Klägers vom 10. und 19. November 2015 angekündigten, in der Berufungsverhandlung gestellten Anträge hat das Oberverwaltungsgericht gemäß § 92 Abs. 1 VwGO zutreffend als unwirksame Teilklagerücknahmen behandelt. Es ist in sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens gemäß § 88 VwGO davon ausgegangen, dass die Klage sich ursprünglich auf ganzjährig freien Zugang zum gesamten Strand und nicht nur zu einzelnen Abschnitten und Wegen richtete. Der erstinstanzliche Klageantrag zielte nach der Klagebegründung darauf ab, den Gemeingebrauch am gesamten Strand gegen dessen nahezu vollständige Inanspruchnahme für den Betrieb kostenpflichtiger Strandbäder durchzusetzen. Die Kläger erläuterten schriftsätzlich, Verfahrensgegenstand seien 9 km Strand im Gebiet der Beklagten, die in S. zu 90 % und in H. zu 100 % abgesperrt seien. Sie begehrten freien Zugang auch zu den gesperrten Flächen, allerdings ohne Nutzung der Infrastruktur. Erst im Berufungsverfahren erklärten sie eine räumliche Begrenzung ihres Zutrittsbegehrens. Darin lag keine ohne Weiteres zulässige Konkretisierung oder Beschränkung der Klage gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, sondern eine teilweise Klagerücknahme gemäß § 92 Abs. 1 VwGO, weil die Beschränkung mit einer Verschiebung der materiell-rechtlichen Anspruchsbegründung einherging (zu diesem Kriterium vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <135>). Der Sache nach gaben die Kläger im Berufungsverfahren das mit dem Gemeingebrauch begründete umfassende Zutrittsbegehren auf und machten stattdessen nur noch ein naturschutzrechtlich begründetes Recht zum Betreten von Wegen und ungenutzten Grundflächen in der freien Landschaft geltend. Diese Teilklagerücknahme war unwirksam, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Einwilligung der Beklagten weder erteilt noch gemäß Satz 3 der Vorschrift fingiert wurde. Zwar wahrte der Widerspruch gegen die Neufassung des Antrags mit Schriftsatz vom 10. November 2015 nicht die gesetzliche Zweiwochenfrist. Dies führte aber nicht zur Einwilligungsfiktion, weil der nach § 92 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 VwGO erforderliche Hinweis auf die Fiktionsregelung bei der Zustellung des Schriftsatzes nicht erteilt worden war. 19 b) Im eingeschränkten Revisionsantrag der Klägerin liegt eine zulässige Revisionsbeschränkung, die ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten wirksam ist. Eine unbeschränkt zugelassene Revision kann durch einen in der Begründungsfrist angekündigten eingeschränkten Antrag wirksam beschränkt werden, weil nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erst die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten muss (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1991 - 3 C 6.89 - Buchholz 310 § 140 VwGO Nr. 5). 20 2. Das angegriffene Urteil leidet nicht an wirksam gerügten Verfahrensmängeln. Der Vortrag der Klägerin, das Berufungsgericht gehe ohne Beweisaufnahme von den bestrittenen Angaben des Beklagten zur Strandpflege aus, enthält keine substantiierte Darlegung eines Aufklärungsmangels oder einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Vorinstanz hat das Bestreiten des Umfangs und der Häufigkeit der Maßnahmen zur Unterhaltung und Pflege des Strandes ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils berücksichtigt. Nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung kam es für das Vorliegen einer Nutzung im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG jedoch nicht auf diese Streitpunkte an, sondern nur auf die künstliche Schaffung eines Teils des Strandes, das Vorhalten von Infrastruktureinrichtungen und die Notwendigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen überhaupt. Ein substantiiertes Bestreiten auch dieser Umstände legt die Klägerin nicht dar. Ihre Berufung - auch - auf Art. 2 Abs. 1 GG wird im Tatbestand des angegriffenen Urteils wiedergegeben. Dass dessen Entscheidungsgründe nicht näher darauf eingehen, erklärt sich aus der berufungsgerichtlichen Auslegung des § 59 Abs. 1 BNatSchG, die Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG größeres Gewicht beimisst. 21 Die Bezugnahmen der Kläger auf die Begründungen ihrer Nichtzulassungsbeschwerden genügen nicht zur prozessordnungsgemäßen substantiierten Darlegung weiterer Verfahrensmängel. Wurden im Beschwerdeverfahren mehrere Rügen erhoben, muss eine Bezugnahme zumindest klarstellen, auf welche dieser Gründe die Revision gestützt werden soll (BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 1987 - 1 C 10.85 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 49 - LS 1 und S. 17 sowie vom 30. August 1988 - 9 C 20.88 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 93 - LS 1 und S. 126). Das ist hier nicht geschehen. 22 3. Die Zulässigkeit der Leistungsklagen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht bejaht. 23 Die Kläger sind gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Das von ihnen geltend gemachte Recht auf ungehinderten Zutritt zum gesamten Strand kann seine Grundlage in § 59 Abs. 1 BNatSchG und Art. 2 Abs. 1 GG finden, weil es nicht auf die unentgeltliche Zulassung zur Benutzung der Strandbäder als kommunaler Einrichtungen zielt, sondern auf die Ausübung eines durch den Strandbadbetrieb beeinträchtigten, quasi-dinglichen Rechts zum Betreten des Strandes zu Erholungszwecken. Wegen der Grundrechtsbindung der Beklagten und ihrer Eigengesellschaft, der Beigeladenen zu 1 (dazu sogleich unter 4.), kann sich aus einem solchen Recht ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte ergeben, die von ihr zur Strandbewirtschaftung eingesetzte Beigeladene zu 1 anzuweisen, die Ausübung des Zugangsrechts zu dulden. 24 Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt weder wegen der - überschaubaren - Entfernung der Wohnorte der Kläger zum Strand noch wegen der Möglichkeit, die zuständige Waldbehörde einzuschalten. Deren Zuständigkeit erstreckt sich nicht auf die Durchsetzung sämtlicher in Betracht kommenden Zugangsrechte. Sie beschränkt sich nach § 31 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung vom 21. März 2002 - NWaldLG - (NdsGVBl. S. 112), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2016 (NdsGVBl. S. 97), auf Anordnungen zur Beseitigung von Hindernissen, die der Ausübung der in §§ 23 ff. NWaldLG geregelten Betretensrechte entgegenstehen. 25 4. Das Berufungsurteil geht jedoch zu Unrecht davon aus, der geltend gemachte Einwirkungsanspruch sei unbegründet, weil den Klägern kein Recht auf unentgeltlichen Zugang zum Strand oder zu Teilen davon zustehe. Diese Annahme beruht auf einer fehlerhaften Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 59 Abs. 1 BNatSchG. Bezüglich der im Tenor bezeichneten Strandflächen und -wege trifft sie auch im Ergebnis nicht zu. 26 a) Zur Konstruktion des Einwirkungsanspruchs sind keine kommunalrechtlichen ""Brückennormen"" erforderlich. Es genügt, dass den Klägern gegen die Beklagte ein Recht zur Abwehr rechtswidriger Beeinträchtigungen eines etwaigen, gegen die Beklagte oder die Beigeladene zu 1 gerichteten Rechts auf freien Strandzugang zusteht. 27 Die dem Berufungsurteil zugrunde liegende Auffassung, ein Recht der Kläger auf freien Strandzugang bedürfe einer einfach-rechtlichen Anspruchsgrundlage, ist revisionsrechtlich fehlerhaft. Sie beruht auf der unrichtigen Annahme, die Kläger verlangten eine Leistung und keine Störungsbeseitigung. Das träfe nur zu, wenn sie sich auf ein Recht zur unentgeltlichen Benutzung der Strandbäder als kommunaler Einrichtungen beriefen. Sie machen jedoch keinen solchen Zulassungsanspruch geltend, sondern ein zulassungsunabhängiges Recht zum Betreten des Strandes zum Spazierengehen, Baden und Wattwandern. Ein solches Recht kann sich nicht nur aus einem etwaigen Gemeingebrauch oder aus naturschutzrechtlichen Vorschriften ergeben, sondern auch aus Art. 2 Abs. 1 GG, sofern die beabsichtige Strandnutzung in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit fällt und ihre Beschränkung durch die Absperrung und die Entgelterhebung nicht durch die verfassungsmäßige Ordnung gedeckt ist. 28 Als kommunale Gebietskörperschaft und als Teil der vollziehenden Gewalt kann die Beklagte sich ihrer öffentlich-rechtlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) einschließlich der Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) nicht dadurch entziehen, dass sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer privatrechtlich organisierten Eigengesellschaft wie der Beigeladenen zu 1 bedient. Vielmehr hat sie für die Rechtmäßigkeit des Handelns ihrer Eigengesellschaft einzustehen und zu gewährleisten, dass diese keine Rechte Dritter verletzt. Schränkt die Verweigerung des Strandzugangs durch die Beigeladene zu 1 Zugangsrechte der Kläger rechtswidrig ein, muss die Beklagte die Beigeladene zu 1 anweisen, den rechtswidrigen Eingriff abzustellen. Entgegen der dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Auffassung kommt es dabei nicht darauf an, ob das Zugangsrecht gegenüber der Beklagten oder nur gegenüber der Beigeladenen zu 1 begründet ist. Im ersten Fall ist die Beklagte verpflichtet, die Ausübung des Zugangsrechts zu gewährleisten und dazu die von ihr zur Strandbewirtschaftung eingesetzte Beigeladene zu 1 anzuweisen, die Ausübung des Rechts zu dulden. Im zweiten Fall muss die Beklagte die Beigeladene zu 1 zur Erfüllung des gegen diese gerichteten Zugangsanspruchs anhalten. In beiden Fällen können die Zugangsberechtigten, deren Recht ohne eine solche Anweisung vereitelt würde, das erforderliche Einwirken der Beklagten verlangen. 29 b) Die Annahme der Vorinstanz, ein Recht der Kläger auf unentgeltlichen Strandzugang sei nicht aus einem Gemeingebrauch am Küstengewässer (dazu aa) oder am Meeresstrand (dazu bb) zu begründen, wird zwar mit teils bundesrechtswidrigen Erwägungen begründet. Sie beruht aber nicht auf der darin liegenden Verletzung revisiblen Rechts. 30 aa) Entgegen den Erwägungen des Berufungsurteils ist ein Gemeingebrauch am Küstengewässer nicht bundesrechtlich ausgeschlossen. Bundesrecht begründet zwar keinen solchen Gemeingebrauch. Es schließt aber nicht aus, dass er sich aus anderen, etwa landesgesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Rechtssätzen ergibt. Die gegenteilige Auffassung beruht auf einem unzulässigen Umkehrschluss aus § 25 WHG (Wasserhaushaltsgesetz). Diese Vorschrift betrifft nur oberirdische (Binnen-)Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG und enthält auch insoweit keine abschließende Regelung des Gemeingebrauchs. Sie verweist vielmehr auf dessen landesrechtliche Ausgestaltung und schränkt die Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers nur hinsichtlich des Einleitens und Einbringens von Stoffen ein, um Ziele des Wasserhaushaltsgesetzes zu verwirklichen (Schmid, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 25 Rn. 1 ff.). Für den Gemeingebrauch am Küstengewässer, das in § 3 Nr. 2 WHG als Teil des Meeres definiert wird, folgt daraus nichts. Seine Nutzung wird bundesrechtlich in § 43 WHG, und zwar ebenfalls nicht abschließend geregelt. Diese Vorschrift ermächtigt die Länder, bestimmte nach § 8 WHG erlaubnispflichtige Benutzungen im Sinne des § 9 WHG von der Erlaubnispflicht auszunehmen. Damit betrifft sie nur Handlungen, die regelmäßig die Substanz oder stoffliche Zusammensetzung des Gewässers nicht unerheblich beeinträchtigen. Unterhalb dieser Schwelle liegende Nutzungen wie das Baden werden nicht normiert. Insoweit richtet sich der Gemeingebrauch nach den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen (Heselhaus, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 43 Rn. 3, 19 f.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 43 Rn. 2 und 4; im Ergebnis ebenso Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1998, S. 25: erlaubnisfreier Sondergebrauch; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 303, 473: erlaubnisfreie Nutzung im Rahmen des Landesrechts). Das Bundeswasserstraßenrecht schließt einen Gemeingebrauch am Küstengewässer ebenfalls nicht aus, da Badeanstalten und der trockenfallende Badestrand nach § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG nicht zu den Seewasserstraßen des Bundes zählen. 31 Das Berufungsurteil beruht aber nicht auf der unrichtigen Anwendung der bundeswasserrechtlichen Vorschriften. Es verneint ein Recht auf freien Strandzugang kraft Gemeingebrauchs am Küstengewässer mit der selbständig tragenden, revisionsrechtlich fehlerfreien Alternativerwägung, dass aus einem Gemeingebrauch am Gewässer noch kein Recht auf landseitigen Zugang zum Gewässer folgt. 32 bb) Einen Gemeingebrauch am Meeresstrand, der ein solches Zugangsrecht begründen könnte, hat das Oberverwaltungsgericht für das Gebiet der Beklagten im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt verneint. Zwar geht es in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung davon aus, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe dort ein gewohnheitsrechtlicher, an die Eigenschaft des Meeresstrandes als öffentlicher Sache anknüpfender Gemeingebrauch bestanden (vgl. OVG Oldenburg, Urteil vom 1. Juni 1908, OldZ 36 [1909] 39 <46>). Es meint aber, dieser Gemeingebrauch sei in Niedersachsen spätestens 1981 durch § 67 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes vom 20. März 1981 (NdsGVBl. S. 31) aufgehoben worden, da diese landesgesetzliche Regelung des Rechts zum Betreten der freien Landschaft denselben Sachverhalt normiere und die frühere gewohnheitsrechtliche Regelung verdrängt habe. An diese berufungsgerichtliche Anwendung des Landesrechts ist das Revisionsgericht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden, weil sie ausschließlich irrevisibles Recht betrifft (§ 137 Abs. 1 VwGO) und kein Bundesrecht verletzt. 33 Sowohl der gewohnheitsrechtliche Gemeingebrauch als auch die ihn angeblich aufhebende gesetzliche Regelung gehören nach § 137 Abs. 1 VwGO zum irrevisiblen Landesrecht. Die vorkonstitutionelle gewohnheitsrechtliche Regelung des Gemeingebrauchs am Meeresstrand galt unter dem Grundgesetz gemäß Art. 123 Abs. 1, Art. 124 f. GG als Landesrecht fort. Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bei Zusammentritt des ersten Bundestages am 7. September 1949 fielen die einschlägigen Materien des Wasser- und Naturschutzrechts weder in die ausschließliche noch in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, sondern nach Art. 75 Nr. 3 und 4 GG a.F. in dessen Rahmengesetzgebungskompetenz. Selbst wenn diese bei der Anwendung des Art. 125 GG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gleichzustellen wäre, hätte das Gewohnheitsrecht des Gemeingebrauchs am Meeresstrand als Detailregelung jedenfalls keinen rahmenrechtlichen Charakter, der eine Fortgeltung als Bundesrecht nach Art. 125 GG begründen könnte (dazu vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1958 - 2 BvO 2/57 - BVerfGE 8, 186 <192 f.>; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1956 - 1 C 202.54 - BVerwGE 3, 333 <339 f.>). Die 1981 erlassene landesnaturschutzgesetzliche Regelung zählt nach § 137 Abs. 1 VwGO ebenfalls nicht zum revisiblen Recht. 34 Allerdings ist zweifelhaft, ob die landesgesetzliche Betretensregelung als (widmungsunabhängige) Inhalts- und Schrankenbestimmung des Privateigentums mit dem (widmungsabhängigen) Gemeingebrauch an öffentlichen Sachen kollidiert oder ob sie diesen nicht vielmehr im Rahmen der naturschutzrechtlichen Erholungsvorsorge um das Recht zum Betreten auch ungewidmeter Grundstücke in der freien Landschaft ergänzt. Diese Frage unterliegt nach § 137 Abs. 1 VwGO jedoch ebenfalls nicht der revisionsgerichtlichen Kontrolle. Die Anwendung des Derogationsgrundsatzes, dem zufolge die Regelung eines Sachverhalts durch eine spätere, mit ihr kollidierende Regelung desselben Sachverhalts verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 1990 - 4 C 3.90 - BVerwGE 85, 289 <292 f.>), ist nicht revisibel, wenn beide Regelungen zum irrevisiblen Landesrecht gehören (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 1990 - 4 NB 29.90 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 23 = juris LS 1 und Rn. 6 und vom 11. Dezember 1997 - 8 B 247.97 - juris LS 1 und Rn. 2). 35 Bundesrecht steht der berufungsgerichtlichen Annahme einer Verdrängung des gewohnheitsrechtlichen Gemeingebrauchs am Meeresstrand durch die landesgesetzliche Betretensregelung auch im Übrigen nicht entgegen. Die 1981 noch als Bundesrahmenrecht geltenden naturschutz- und wasserhaushaltsrechtlichen Vorschriften verpflichteten den Landesgesetzgeber nicht, den Gemeingebrauch am Meeresstrand im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten. Art. 2 Abs. 1 GG schützte zwar die Teilnahme am bestehenden Gemeingebrauch, verbot aber nicht dessen gesetzliche Aufhebung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1969 - 4 C 77.67 - BVerwGE 32, 222 <225 f.>; Beschluss vom 4. Oktober 2007 - 4 BN 40.07 - BauR 2008, 483 f.). 36 c) Das Berufungsurteil berücksichtigt jedoch nicht, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 59 Abs. 1 BNatSchG ein Recht der Kläger auf unentgeltlichen Zugang zum Meeresstrand im jeweils im Tenor umschriebenen Umfang ergibt. 37 aa) Der von den Klägern begehrte freie Zutritt zum Strand zum Baden, Spazierengehen und Wattwandern fällt in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Beschränkungen lässt Art. 2 Abs. 1 GG nur zu, wenn sie durch die verfassungsmäßige Rechtsordnung gedeckt sind (BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <37 ff.>; Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 921/85 - BVerfGE 80, 137 <153>). Das Berufungsurteil übersieht den grundrechtlichen Schutz des Strandzugangs, weil es unzutreffend annimmt, dieser könne wegen des Grundstückseigentums des Beigeladenen zu 2 und der vertraglich vereinbarten Nutzung durch die Beigeladene zu 1 nicht Gegenstand eines Abwehrrechts sein, sondern setze einen Leistungsanspruch voraus. 38 Die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG schützt jede Form menschlichen Handelns, also auch das Betreten des Strandes. Dazu gehören der sogenannte trockene Strand zwischen dem Deichfuß und der Uferlinie, die durch das mittlere Tidehochwasser bestimmt wird, und der seeseits der Uferlinie liegende nasse Strand, der bis zur Tideniedrigwasserlinie (Strand- oder Wattlinie) reicht und sich, je nach Tidestand, zum Baden oder Wattwandern eignet (zur Terminologie und Abgrenzung vgl. Lüders/Luck, Kleines Küstenlexikon, 1976, S. 14, 119 f. mit Abbildung 159; Petersen, Deutsches Küstenrecht, 1989, Rn. 74 f.). 39 Das Eigentum des Beigeladenen zu 2 an den seewärtig bis zur Uferlinie reichenden, verfahrensgegenständlichen Strandgrundstücken schließt ein grundrechtliches Abwehrrecht gegen Beschränkungen ihres Betretens nicht aus. Die Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Betätigung auf eigenen oder der entsprechenden Benutzung gewidmeten Grundstücken, sondern auch das Betreten sonstiger fremder Grundstücke im Rahmen der jeweils geltenden, verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG stellt keine grundrechtsimmanente Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit in dem Sinne dar, dass Privateigentum von vornherein verfassungskräftig der Ausübung von Freiheitsrechten anderer Grundstücksträger entzogen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 921/85 - BVerfGE 80, 137 <152>). Vielmehr wird sein Inhalt nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch hinsichtlich der Befugnis zur Abwehr von Handlungen privater Dritter erst durch die einfache Rechtsordnung ausgestaltet (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 a.a.O. S. 151). Der Ausgleich gegenläufiger Grundrechtspositionen bleibt dem Gesetzgeber überlassen. Er kann durch verfassungskonforme, insbesondere verhältnismäßige Regelungen einerseits Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 und 2 GG bestimmen und andererseits die Grenzen zulässiger Freiheitsausübung auf fremdem Eigentum nach Art. 2 Abs. 1 GG festlegen, wie dies etwa in § 59 Abs. 1 BNatSchG geschehen ist. 40 Art. 2 Abs. 1 GG verpflichtet gemäß Art. 1 Abs. 3 GG neben der Beklagten und dem Beigeladenen zu 2 auch die Beigeladene zu 1. Als Eigengesellschaft eines Hoheitsträgers ist sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unabhängig von der Rechtsform ihrer Tätigkeit unmittelbar an die Grundrechte gebunden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 - juris Rn. 24 ff., 29 ff. m.w.N.). 41 bb) Mit dem Absperren der verfahrensgegenständlichen Strandgrundstücke und der Erhebung eines Eintritts für den Zugang zu diesen Flächen greift die Beigeladene zu 1 in die allgemeine Handlungsfreiheit der Kläger ein. Hinsichtlich der jeweils im Tenor bezeichneten Strandflächen und -wege ist dieser Eingriff nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil er nicht im Einklang mit der verfassungsmäßigen Rechtsordnung steht. 42 aaa) Mit der Bewirtschaftung der gesamten Fläche als kommunaler öffentlicher Einrichtung kann die Verweigerung freien Zugangs nicht gerechtfertigt werden, weil keine Widmung der Grundstücke für den Strandbadbetrieb vorliegt und die Pachtverträge - soweit sie noch bestehen - die erforderliche Widmung nicht ersetzen können. 43 Eine Widmung liegt nicht schon in der Ausstattung und faktischen Bewirtschaftung der Grundstücke als Strandbäder, sondern setzt als hoheitlicher, dinglich wirkender Rechtsakt eine Regelung der Zweckbestimmung der Sache und ihrer Nutzung durch Rechtssatz oder dinglichen Verwaltungsakt voraus (vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 39 ff.). Zur Widmung kommunaler Einrichtungen ist entweder der Erlass einer Satzung oder eine hoheitliche Einzelfallregelung durch den Gemeinderat als zuständiges Gemeindeorgan erforderlich. Eine solche Regelung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie ergibt sich auch nicht aus den von ihm in Bezug genommenen Akten. Ein entsprechender Beschluss des Rates der Gemeinde M. anlässlich der Übernahme des zuvor von einem Privaten betriebenen Strandbades in S. im Jahr 1956 ist nicht in den Akten enthalten. Eine Widmung durch den Rat der Beklagten ist darin weder für die Strandgrundstücke in S. noch für die 1974 geschaffenen Strandgrundstücke in H. belegt. Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ist eine Widmung auch nicht anderweitig belegbar, da sämtliche noch auffindbaren Unterlagen im gerichtlichen Verfahren vorgelegt wurden. 44 Überdies hätte die Wirksamkeit einer etwaigen Widmung eine Zustimmung des Beigeladenen zu 2 als Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Grundstücke vorausgesetzt. Da die Widmung eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit begründet, die das Grundstück unabhängig von der Wirksamkeit und Laufzeit des zivilrechtlichen Kausalgeschäfts belastet, muss die Zustimmung zur Widmung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung erteilt werden (vgl. Papier, a.a.O. S. 2). Auch eine solche Erklärung liegt hier nicht vor. 45 Die in den Akten enthaltenen Pachtverträge mit dem Beigeladenen zu 2 sind privatrechtlicher Natur und können weder eine öffentlich-rechtliche Widmung noch die erforderliche öffentlich-rechtliche Zustimmung des Eigentümers ersetzen. Die Verträge beschränken sich auf Abreden zur Gebrauchsüberlassung der Grundstücke und zum Pachtzins. Öffentlich-rechtliche Regelungsgegenstände wie Erlaubnisvorbehalte und Verpflichtungen aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften werden ausdrücklich ausgeklammert. Soweit die zuletzt abgeschlossenen Verträge den Pachtzweck benennen, überlassen sie es der Eigengesellschaft der Beklagten, festzulegen, welche Pachtgrundstücke in welchem Umfang als Campingplatz oder als Strandbad genutzt werden sollen. Damit werden bereits die Anforderungen an die sachenrechtliche Bestimmtheit der Widmung verfehlt. Wegen ihrer dinglichen Wirkung muss sie die gewidmete Sache eindeutig bezeichnen und einem bestimmten Widmungszweck zuordnen. 46 Soweit eine allfällige kommunale Widmung vor der vom Berufungsgericht angenommenen und auf das Jahr 1981 datierten Aufhebung des Gemeingebrauchs am Meeresstrand vorgenommen worden sein sollte, hätte sie den zuvor noch bestehenden Gemeingebrauch nach der berufungsgerichtlichen Auslegung des damaligen irrevisiblen Landesrechts überdies nur auf der Grundlage einer sogenannten ""Badekonzession"" rechtmäßig einschränken können. Dazu wäre eine von dem Beigeladenen zu 2 als Sachherrn der Strandgrundstücke erteilte Sondernutzungserlaubnis erforderlich gewesen, die dem Adressaten die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung des Strandes unter Einschränkung oder Ausschluss des Gemeingebrauchs Dritter gestattete. Nach den Feststellungen der Vorinstanz und dem von dieser in Bezug genommenen Akteninhalt fehlt eine solche Sondernutzungserlaubnis ebenso wie die Widmung und die öffentlich-rechtliche Zustimmung dazu. Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Auffassung ist das Fehlen einer bis 1981 erforderlichen Sondernutzungserlaubnis auch nicht unbeachtlich. Bestehende Zugangs- und Nutzungsrechte dürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG nur durch rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen beschränkt werden. Dass eine rechtswidrige Beschränkung künftig legalisiert werden könnte, reicht zur Eingriffsrechtfertigung nicht aus. 47 Selbst wenn eine Widmung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Grundstücke samt öffentlich-rechtlicher Zustimmung und - gegebenenfalls - samt Sondernutzungserlaubnis vorläge, wäre sie - und wäre gegebenenfalls auch die Sondernutzungserlaubnis - materiell rechtswidrig, weil das Recht der Kläger auf freien Zugang zum Strand unverhältnismäßig eingeschränkt würde. Der verfassungsrechtlich legitime Zweck, den Betrieb der Strandbäder als öffentlicher Einrichtungen zu sichern, kann nur eine den freien Zugang ausschließende Widmung derjenigen Flächen erfordern, die für die Durchführung des aktuellen Badebetriebs benötigt werden. Die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Deichvorlandes geht weit darüber hinaus. Sie sichert nicht den störungsfreien Betrieb der Strandbäder als öffentlicher Badeanstalten, sondern das von der Beklagten gewählte Modell der Finanzierung von Unterhaltung und Pflege auch der nicht vom Badebetrieb in Anspruch genommenen Flächen des Vordeichgeländes. 48 bbb) Das Fehlen einer wirksamen Widmung der Strandgrundstücke zu einer kommunalen öffentlichen Einrichtung hat allerdings nicht zur Folge, dass die Beigeladene zu 1 den Klägern freien Zugang zum gesamten von ihr bewirtschafteten Strand gestatten müsste. Vielmehr beschränkt § 59 Abs. 1 BNatSchG das grundrechtlich geschützte Recht auf freien Zugang zu diesen Grundstücken verfassungskonform auf die im Tenor jeweils bezeichneten Strandflächen und -wege. Diese Vorschrift konkretisiert als verfassungskonforme Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums auch die Duldungspflichten des Beigeladenen zu 2; diese können durch den Pachtvertrag nicht abbedungen werden. 49 (1) Nach § 59 Abs. 1 BNatSchG ist das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung allen gestattet. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich auch auf Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand wie die im Eigentum des Beigeladenen zu 2 stehenden Strandgrundstücke. § 59 Abs. 1 BNatSchG differenziert nicht nach der Rechtsnatur des Grundstückseigentümers und setzt weder eine Widmung voraus, noch nimmt er selbst eine Widmung vor (Agena/Louis, NuR 2015, 10 <11>). Vielmehr enthält er eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken in der freien Landschaft verpflichtet, deren Betreten durch Dritte im tatbestandlichen Umfang zu dulden. Gleichzeitig normiert § 59 Abs. 1 BNatSchG ein subjektiv-öffentliches Recht jedes Einzelnen, solche Grundstücke - nur - im entsprechenden Umfang unentgeltlich zu Erholungszwecken zu betreten. Die Vorschrift dient nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der Erholungsvorsorge (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG), sondern auch dem individuellen Interesse der zutrittsberechtigten natürlichen Personen, die nach der Einschätzung des Gesetzgebers zur wohnortnahen Erholung in der freien Landschaft auf das Betretensrecht angewiesen sind (Heym, in: Schlacke [Hrsg.], GK-BNatSchG, 2012, vor §§ 59-62 Rn. 4 ff. und § 59 Rn. 41 f.; Konrad, in: Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 59 BNatSchG Rn. 2 f.; Agena/Louis, NuR 2015, 10 <12> m.w.N.). Daher hat der Gesetzgeber das Betretensrecht in § 59 Abs. 1 BNatSchG als unmittelbar geltende, vollzugsfähige Regelung ausgestaltet und ausdrücklich als allgemeinen Grundsatz des Naturschutzrechts normiert, von dem das Landesrecht nicht abweichen darf (vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG; Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17. März 2009, BT-Drs. 16/12274, S. 74). 50 (2) Entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2 ist die Vorschrift auch verfassungskonform. Sie ist von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Naturschutz und die Landschaftspflege (Art. 74 Nr. 29 GG) gedeckt, weil diese Materien die Regelung der Nutzung der Natur zu Erholungszwecken einschließen. § 59 Abs. 1 BNatSchG schränkt weder das Eigentumsrecht des Duldungspflichtigen noch die allgemeine Handlungsfreiheit der Erholungsuchenden unverhältnismäßig ein. Die Beschränkung des Betretensrechts auf Straßen und Wege sowie ungenutzte Grundflächen sichert die Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung des betroffenen Grundstückseigentums. In Verbindung mit dem Regelungsvorbehalt in § 59 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BNatSchG gewährleistet sie, dass die privatnützige Verwendung der Grundstücke durch das Betretensrecht nicht stärker beeinträchtigt wird, als es zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der Erholungsvorsorge notwendig und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Dass § 59 Abs. 1 BNatSchG auf die tatsächliche Nutzung und nicht auf deren Rechtmäßigkeit abstellt, soll den Betroffenen in der freien Landschaft eine verlässliche Einschätzung ihrer Rechte und Pflichten ""auf Sicht"" ermöglichen, ohne erst (regelmäßig nicht kurzfristig verfügbaren) Rechtsrat einholen zu müssen. Die Regelung verpflichtet den Eigentümer auch nicht, dem Betretensrecht unterliegende Grundflächen im gegenwärtigen Zustand zu erhalten, sondern stellt auf den jeweils aktuellen Zustand ab. 51 (3) Die von der Beigeladenen zu 1 bewirtschafteten Strandgrundstücke sind nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) Teil der freien Landschaft. Dazu gehören nicht nur naturbelassene, sondern auch künstlich angelegte, aber naturhaft geprägte Grundstücke außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs richtet sich nicht nach bauplanungsrechtlichen Kriterien, sondern danach, ob die Grundstücke durch eine Bebauung geprägt oder dieser funktional zugeordnet sind (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. April 2009 - 11 B 9.08 - NuR 2009, 490 - juris Rn. 35 ff.; Maus, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 14). Die Strandgrundstücke in S. und die 1974 angelegten Strandgrundstücke in H. liegen jeweils im Vordeichgelände außerhalb der Ortslage. Ihr tatsächliches Erscheinungsbild wird nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen und den von der Vorinstanz in Bezug genommenen Lageplänen und Luftbildern nicht durch die Ausstattung mit wenigen, kleinen Gebäuden geprägt. Die Strandgrundstücke sind diesen Gebäuden auch nicht funktional zugeordnet, sondern werden - umgekehrt - in ihrer Funktion als naturhaft gestaltete Erholungsfläche durch Einrichtungen der Infrastruktur wie die Kioske mit Sanitäranlagen ergänzt. Für das tatsächliche Erscheinungsbild prägend bleiben die naturhafte Gestaltung der Strandgrundstücke und der ursprüngliche Charakter des jenseits der Uferlinie an sie angrenzenden nassen Strandes. 52 (4) Das Recht zum Betreten von Grundflächen zum Zweck der Erholung besteht freilich nicht, wenn, soweit und solange die Grundflächen genutzt werden. Eine derartige Nutzung besteht hier nicht im vom Berufungsgericht angenommenen räumlichen Umfang und auch nicht aus den von ihm angenommenen Gründen. 53 (a) Das Berufungsurteil geht unzutreffend davon aus, eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung der gesamten von der Beigeladenen zu 1 bewirtschafteten Strandgrundstücke im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG sei schon wegen der künstlichen Anlage des Strandes in H. und der regelmäßigen Maßnahmen zur Unterhaltung und Pflege beider Strände zu bejahen. 54 Eine Nutzung im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG setzt eine Verwendung einer in der freien Landschaft liegenden Grundfläche durch den Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks voraus. In der künstlichen Schaffung eines Grundstücks liegt noch keine Verwendung. Vielmehr ermöglicht die künstliche Anlage der Fläche erst deren spätere Nutzung. 55 Die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands der Strandflächen stellt ebenfalls noch keine Verwendung dar. Das regelmäßige Aufspülen von Sand, die Strandreinigung und die Pflege der Grünflächen können das Recht zum unentgeltlichen Betreten der entsprechenden Flächen daher nicht ausschließen. Der Einwand der Beklagten, damit werde sie indirekt dazu verpflichtet, der Allgemeinheit aufwändig instand gehaltene und gepflegte Strände zur Verfügung zu stellen, trifft nicht zu. § 59 Abs. 1 BNatSchG begründet keine Pflicht des Eigentümers zur Grundstückserhaltung, -gestaltung oder -pflege. Inwieweit sich Pflichten zur Instandhaltung oder Instandsetzung des Strandes, zur Pflege der Grünflächen des Vordeichgeländes und zur Strandreinigung aus § 21 Abs. 1 Satz 1 oder 2 des Niedersächsischen Deichgesetzes vom 23. Februar 2004 - NDG - (NdsGVBl. S. 83), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 13. Oktober 2011 (NdsGVBl. S. 353), aus abfallrechtlichen Vorschriften oder aus Verkehrssicherungspflichten ergeben, kann hier dahinstehen. Für die Begründung und den Umfang des Betretensrechts sind sie ohne Bedeutung. 56 (b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, jedenfalls stelle die Inanspruchnahme der gesamten umzäunten Fläche für den Strandbadbetrieb eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung sämtlicher Grundstücke dar, ist ebenfalls revisionsrechtlich fehlerhaft. 57 Die vollständige Absperrung der im Besitz der Beigeladenen zu 1 befindlichen Strandgrundstücke ist keine Nutzung im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG. In der Errichtung von Zugangssperren liegt keine das Betretensrecht tatbestandlich ausschließende Verwendung eines Grundstücks, sondern eine Einschränkung dieses Rechts, die nur nach Maßgabe des § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG gerechtfertigt sein kann. Zu Unrecht geht das Berufungsurteil hier von einer solchen Rechtfertigung aus. Die vollständige Sperrung durch Zäune und Kassenhäuschen dient keinem der in § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG aufgezählten Gründe des Naturschutzes oder der Gefahrenabwehr. Sie dient auch keinen sonstigen schutzwürdigen Interessen des Grundstücksbesitzers, da die Inanspruchnahme der Strandgrundstücke für den Betrieb der kommunalen Strandbäder rechtswidrig ist. Wie oben dargelegt, kann sie sich nicht auf eine wirksame Widmung stützen und geht überdies weit über den für den Strandbadbetrieb erforderlichen Umfang hinaus. 58 Selbst eine wirksame Widmung würde für sich genommen noch keine Nutzung begründen. Zum einen stellt der Nutzungsbegriff des § 59 Abs. 1 BNatSchG auf die faktische Verwendung der Grundfläche und nicht auf deren Rechtsgrundlage ab. Zum anderen schließt die Einbeziehung einer Grundfläche in eine öffentliche Einrichtung das Betretensrecht nicht von vornherein aus (vgl. Burgi, Erholung in freier Natur, 1993, S. 129 ff.). 59 (c) Eine das Betretensrecht nach § 59 Abs. 1 BNatSchG ausschließende Nutzung kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift schließlich nicht darin liegen, ein Entgelt für das nach dieser Vorschrift unentgeltlich zu duldende Verhalten zu fordern. Die Unentgeltlichkeit des Betretensrechts wird in § 59 Abs. 1 BNatSchG zwar nicht ausdrücklich normiert, ist aber - zu Recht - allgemein anerkannt (vgl. nur Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Mai 2017, § 59 BNatSchG Rn. 3; Heym, in: Schlacke [Hrsg.], GK-BNatSchG, 2012, § 59 Rn. 23; Agena/Louis, NuR 2015, 10 <16> je m.w.N.). Sie ergibt sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Betretensrechts als Jedermannsrecht, das nur nach Maßgabe des § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG zu den dort genannten Zwecken beschränkt und damit gerade nicht von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht werden darf. Außerdem entspricht die Unentgeltlichkeit dem sozialstaatlichen Ziel der Regelung, im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG allen Menschen die naturnahe Erholung als Erfüllung eines Grundbedürfnisses zu ermöglichen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 4 Nr. 2 BNatSchG, BT-Drs. 16/12274, S. 74). 60 (5) Allerdings erstreckt sich das Betretensrecht der Kläger nicht auf sämtliche Strandflächen. Ausgenommen sind diejenigen Teilflächen, die tatsächlich als Strandbäder genutzt werden. Dies sind diejenigen Teilflächen der Strände in H. und S., die jeweils von mehreren benachbarten, funktional aufeinander bezogenen Einrichtungen der Bade-Infrastruktur geprägt sind. Die berufungsgerichtliche Annahme einer flächendeckenden Nutzung der Grundstücke als Strandbäder beruht auf einer Überdehnung des Nutzungsbegriffs und auf einer unzulässigen Gesamtbetrachtung, die über den begrifflichen Unterschied zwischen Grundstücken und Grundflächen im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG hinweggeht. 61 Eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung einer Strandfläche als kostenpflichtiges Strandbad kann nur vorliegen, wenn als Gegenleistung für den Eintritt nicht allein die vom Begriff des Betretens im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG umfasste, natur- und landschaftsverträgliche Freizeitbetätigung ermöglicht wird. Vielmehr muss die Gegenleistung in einer darüber hinausgehenden, qualitativ von der Ausübung des Betretensrechts zu unterscheidenden Benutzung einer (Strand-)Badeanstalt bestehen. Das ist nicht schon der Fall, wenn auf dem Strand punktuell Abfallbehälter oder einzelne Container oder Kioske mit Sanitäranlagen aufgestellt werden. Erforderlich ist eine Mehrzahl benachbarter, in funktionalem Zusammenhang stehender Einrichtungen des Badebetriebs wie beispielsweise Einrichtungen der Badeaufsicht, Rettungs- und Erste-Hilfe-Stationen, Umkleidekabinen, Strandduschen oder Kinderspielbereiche, deren Nutzung jeweils schon mit dem Eintritt für den Strandbadbesuch abgegolten ist. Stehen dagegen Einrichtungen - wie etwa Strandkörbe - nur aufgrund gesondert abzuschließender Mietverträge gegen zusätzliches, über den Strandbadeintritt hinausgehendes Entgelt zur Verfügung, sind sie bei der Bestimmung des funktionalen Nutzungszusammenhangs nicht zu berücksichtigen. 62 Die Grundflächen, die in H. und S. nach diesen Maßstäben als Strandbäder genutzt werden, lassen sich auf der Grundlage der revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts anhand der von ihm in Bezug genommenen Lagepläne und der in den Akten enthaltenen zugehörigen Luftbilder abgrenzen, sodass eine revisionsgerichtliche Entscheidung in der Sache selbst möglich ist (§ 137 Abs. 2, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 63 Durch eine Mehrzahl funktional aufeinander bezogener Einrichtungen des Badebetriebs geprägt sind der Textilstrand in H. und die beiden unter anderem mit DLRG-Rettungs- und Erste-Hilfe-Stationen, Kiosken und Sanitäranlagen ausgestatteten Strandbereiche in S., von denen der eine südlich in Hafennähe und der zweite nordöstlich des Campingplatzes liegt. Nicht von der Nutzung als Strandbad erfasst wird die dazwischen auf dem S. Außengroden liegende, in Blatt 22 der Anlage 3 zum Gesetz über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (NWattNPG) vom 11. Juli 2001 (GVBl S. 443) als Erholungszone gelb gekennzeichnete Fläche, die das Kinderspielhaus samt zugehöriger Freifläche ausspart. Ungenutzt ist auch der Strandabschnitt, der in S. nordwestlich des am Campingplatz gelegenen Strandbades liegt. Dieser Strandabschnitt umfasst die in der Anlage A 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. November 2015 rot umrandeten Flächen und die teilweise deckungsgleiche, westlich darüber hinausreichende, ebenfalls in Blatt 22 der Anlage 3 zum NWattNPG als Erholungszone gelb gekennzeichnete Fläche. 64 Daraus ergibt sich ein Recht der Kläger zum unentgeltlichen Betreten der jeweils im Tenor bezeichneten ungenutzten Teilflächen der Strandgrundstücke. § 59 Abs. 1 BNatSchG schließt ein Recht zum unentgeltlichen Betreten ausdrücklich nur für genutzte Grundflächen und nicht stets schon für das gesamte Grundstück aus. Aktuell ungenutzte Teilflächen dürfen daher auch dann unentgeltlich betreten werden, wenn eine andere auf demselben (Buch-)Grundstück liegende Grundfläche einer tatbestandsmäßigen Nutzung unterliegt. Die im Berufungsurteil angestellte Gesamtbetrachtung findet im Gesetz keine Stütze. 65 (6) Darüber hinaus können die Kläger auch verlangen, ihnen im jeweils tenorierten Umfang die unentgeltliche Benutzung des Teekabfuhrweges und der über den östlichen Strand von H. zum Küstengewässer führenden Querungshilfen zu gewähren. Die gegenteilige Annahme des Berufungsurteils stellt zur Beurteilung der Frage, ob ein dem Betretensrecht unterliegender Weg im Sinne des § 59 Abs. 1 BNatSchG vorliegt, unzutreffend auf die Kriterien der straßenrechtlichen Widmung und der Befestigung ab. Das Recht zum Betreten von Straßen und Wegen in der freien Landschaft gemäß § 59 Abs. 1 BNatSchG gilt jedoch gerade für nicht gewidmete Privatwege, sofern sie von mindestens einer Person zur Fortbewegung genutzt werden. Es soll der Erholungsnutzung nicht nur die öffentlichen Verkehrsflächen, sondern auch private, tatsächlich genutzte Verkehrsflächen zugänglich machen und setzt nur voraus, dass die Oberfläche des Weges sich erkennbar von der Umgebung unterscheidet (Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 2013, § 59 BNatSchG, Rn. 9). Das trifft ausweislich der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sowohl auf den Teekabfuhrweg als auch auf die Querungshilfen zu; beide werden auch von den Strandbesuchern genutzt. 66 d) Aus § 62 BNatSchG ergibt sich kein weitergehendes Recht der Kläger auf freien Zugang zum Strand. Diese Vorschrift verpflichtet die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, in angemessenem Umfang für die Erholung der Bevölkerung geeignete Flächen bereitzustellen. Dazu gehören insbesondere Ufergrundstücke und Grundstücke, die den Zugang zum Meeresstrand ermöglichen oder erleichtern (vgl. die Gesetzesbegründung vom 17. März 2009, BT-Drs. 16/12274, S. 75 mit dem Hinweis auf § 28 Nr. 1 und 3 BNatSchG a.F.). Gemäß § 3 Abs. 7 BNatSchG trifft die Bereitstellungspflicht wegen des Verbotes bundesgesetzlicher Aufgabendelegation an die Gemeinden (Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG) und mangels landesrechtlicher Aufgabenzuweisung nicht die Beklagte. Sie trifft aber den Beigeladenen zu 2 und kann daher bei der Entscheidung über die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen, über die Zustimmung zu kommunalen Widmungen und über die Ausgestaltung von Pachtverträgen sowie bei deren Auslegung Bedeutung erlangen. Eine nähere Prüfung erübrigt sich hier, weil eine wohnortnahe Erholung am Meeresstrand im Gebiet der Beklagten jedenfalls durch den gegenwärtig gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 59 Abs. 1 BNatSchG gewährleisteten Zugang zum Strand in angemessenem Umfang gewährleistet ist. 67 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keine eigenen Anträge gestellt haben, waren ihnen keine Kosten aufzuerlegen. Ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären, entsprach nicht der Billigkeit, da sie sich keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben." bverwg_2017-61,14.09.2017,"Pressemitteilung Nr. 61/2017 vom 14.09.2017 EN Unzulässige Festsetzung von CO2-Emissionsfaktoren zur Regelung der Energieeffizienz von TEHG-Anlagen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass es einer Gemeinde verwehrt ist, die Verwendung fossiler Brennstoffe im Bebauungsplan davon abhängig zu machen, dass die dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) unterliegenden Anlagen bestimmte CO2-Emissionsobergrenzen nicht überschreiten. Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist ein Bebauungsplan der Stadt Herrenberg, der die Verwendung fossiler Energieträger an die Einhaltung bestimmter CO2-Emissions­faktoren knüpft. Die Betreiberin eines im Gebiet ansässigen Asphaltmischwerks beantragte eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung, um an Stelle der bisher eingesetzten Brennstoffe Braunkohlestaub als Befeuerungsmittel verwenden zu können. Die Stadt Herrenberg nahm den Antrag zum Anlass, den streitgegenständlichen Bebauungsplan aufzustellen. Im Bebauungsplan ist festgesetzt, dass bei Feuerungsanlagen mit einer Nennwärmeleistung von mehr als 1 MW die Verwendung fossiler Energieträger nur zulässig ist, wenn die nach der Verordnung über die Zuteilung von Treibhausemissionsgas-Emissionsberechtigungen (ZuV 2012) zu bestimmenden spezifischen CO2-Emissio­nen einen Wert von 0,08 t CO2 /GJ nicht überschreiten. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH) hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Stadt Herrenberg zurückgewiesen. Der VGH hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Bebauungsplan unwirksam ist. Im Einklang mit Bundesrecht ist er davon ausgegangen, dass die an den CO2-Ausstoß und die Energieeffizienz anknüpfende Festsetzung dem § 5 Abs. 2 BImSchG zugrunde liegenden Konzept des TEHG widerspricht. Die Unwirksamkeit der Festsetzung hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge. BVerwG 4 CN 6.16 - Urteil vom 14. September 2017 Vorinstanz: VGH Mannheim, 3 S 2492/13 - Urteil vom 29. Juli 2015 -","Urteil vom 14.09.2017 - BVerwG 4 CN 6.16ECLI:DE:BVerwG:2017:140917U4CN6.16.0 EN Leitsatz: Der Gemeinde ist es verwehrt, die Verwendung fossiler Brennstoffe in Anlagen, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterliegen, im Bebauungsplan davon abhängig zu machen, dass die eingesetzten Stoffe bestimmte CO2-Emissionsfaktoren nicht überschreiten. Eine solche Festsetzung widerspricht dem Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz, das der Regelung in § 5 Abs. 2 BImSchG zugrunde liegt und auch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB zu beachten ist. Rechtsquellen GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 18, 24 BauGB § 2 Abs. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BImSchG a.F. § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, Abs. 2, § 6 Abs. 1 TEHG §§ 1, 4, 7, 9, 17 ZuV 2012 RL 2003/87/EG RL 2010/75/EU Art. 9 Abs. 1 Instanzenzug VGH Mannheim - 29.07.2015 - AZ: VGH 3 S 2492/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.09.2017 - 4 CN 6.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:140917U4CN6.16.0] Urteil BVerwG 4 CN 6.16 VGH Mannheim - 29.07.2015 - AZ: VGH 3 S 2492/13 In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann für Recht erkannt: Die Revision der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist der Bebauungsplan ""Steinbruch Plapphalde"" der Antragsgegnerin, der ein ""Sonstiges Sondergebiet Steinbruch"" festsetzt und in seinen textlichen Festsetzungen unter anderem die Verwendung von Brennstoffen in Feuerungsanlagen regelt. 2 Die Antragstellerin zu 1 ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans, auf denen sie Muschelkalkgestein abbaut. Im Areal des Steinbruchs haben sich weitere gewerbliche Nutzungen angesiedelt, unter anderem die Antragstellerin zu 2, die ein Asphaltmischwerk betreibt, das sie derzeit mit Erdgas, Flüssiggas und Erdöl befeuert. 3 Im Jahre 2008 beantragte die Antragstellerin zu 2 eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für die Asphaltmischanlage, die es ihr erlaubt, den Brenner auszutauschen und Braunkohlestaub als Befeuerungsmittel zu verwenden. Dies führte zu erheblichen Widerständen in der Bevölkerung. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin nahm den Genehmigungsantrag zum Anlass, den streitgegenständlichen Bebauungsplan aufzustellen. Der Bebauungsplan setzt Geräuschimmissionskontingente fest (Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen). Weiter bestimmt er: ""1.4 Gebiete in denen bestimmte luftverunreinigende Stoffe nur eingeschränkt verwendet werden dürfen (§ 9 Abs. (1) 23a BauGB). Im Geltungsbereich des Bebauungsplans ist bei Feuerungsanlagen mit einer Nennwärmeleistung von mehr als 1 MW die Verwendung von fossilen Energieträgern nur zulässig, wenn die spezifische CO2-Emissionen einen Wert von 0,08 t CO2/GJ nicht überschreiten. Ausnahmsweise können Brennstoffe mit höheren spezifischen CO2-Emissionen zugelassen werden, wenn - die spezifischen CO2-Emisionen der eingesetzten Brennstoffe im Jahresmittel den genannten Wert von 0,08 t CO2/GJ nicht überschreiten oder - die spezifischen CO2-Emissionen beim Mischen der hergestellten Asphalte im Jahresmittel einen Wert von 21,5 kg/t Mischgut nicht überschreiten. Die spezifischen CO2-Emissionen bestimmen sich nach der Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 - 2012"". 4 Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen hat der Verwaltungsgerichtshof den Bebauungsplan insgesamt für unwirksam erklärt. Die Festsetzung von Emissionskontingenten in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen leide an einem Verkündungsmangel, weil die Antragsgegnerin nicht sichergestellt habe, dass sich die Planbetroffenen vom Inhalt der von der Festsetzung in Bezug genommenen DIN-Vorschrift in verlässlicher und zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen könnten. Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen sei ebenfalls rechtswidrig. Die Festsetzung sei nicht von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB gedeckt, der dazu ermächtige, aus städtebaulichen Gründen Gebiete festzusetzen, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bestimmte luftverunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen. Denn die Regelung beschränke nicht die Verwendung bestimmter Brennstoffe, sondern wirke wie eine unmittelbare Festsetzung anlagenbezogener Emissions- oder Immissionswerte. Die Antragsgegnerin missachte zudem die Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 BImSchG. Nach dessen Satz 1 seien, soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) unterlägen, Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um die Erfüllung der Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sicherzustellen; die Antragstellerin zu 2 habe belegt, dass beim Einsatz von Braunkohlestaub in ihrem dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterfallenden Betrieb schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten seien. Satz 2 der Vorschrift bestimme ergänzend, dass zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von CO2 keine Anforderungen gestellt werden dürften, die über die Pflichten, die das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründe, und damit über die Anforderungen der TA Luft oder anderer bundesrechtlicher Bestimmungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen hinausgehen. Die Vorschrift könne nicht ohne Auswirkung auf die Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB bleiben. Wenn es der Immissionsschutzbehörde verwehrt sei, bestimmte Anforderungen zu stellen, könne auch für die Antragsgegnerin nichts anderes gelten, selbst wenn sie für ihr Handeln städtebauliche Motive in Anspruch nehme. Auch das Unionsrecht sehe nur eine Eingriffsermächtigung zur Durchsetzung einer konkreten Schutzpflicht vor, wie es § 5 Abs. 2 BImSchG formuliere. Die Unwirksamkeit der Regelungen in Nr. 1.1.3 und 1.4 der textlichen Festsetzungen führe zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. 5 Nach Zustellung des Normenkontrollurteils führte die Antragsgegnerin ein ergänzendes Verfahren zur Behebung des Verkündungsmangels hinsichtlich der Festsetzung Nr. 1.1.3 durch. Der um einen Hinweis ergänzte und ansonsten inhaltsgleiche Bebauungsplan wurde erneut bekannt gemacht und rückwirkend in Kraft gesetzt. 6 Die Antragsgegnerin hat von dem vom Senat zugelassenen Rechtsmittel der Revision Gebrauch gemacht. Sie wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB ermächtige nicht zu einer Festsetzung, die den in der Verwendung beschränkten Brennstoff über dessen spezifischen CO2-Emissionsfaktor definiere. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch verkannt, dass sich § 5 Abs. 2 Satz 2 BImSchG an die Immissionsschutzbehörden richte, sich aber nicht zum Städtebaurecht verhalte. Die durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz verfolgte Zielsetzung sei deshalb nicht geeignet, städtebauliche Klimaschutzziele einzuschränken. 7 Die Antragstellerinnen verteidigen das angegriffene Urteil. II 8 Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Bebauungsplan gesamtunwirksam ist. 9 1. Von der Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Emissionskontingenten in Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen ist allerdings nicht mehr auszugehen. 10 Die Antragsgegnerin hat den vom Verwaltungsgerichtshof beanstandeten Mangel bei der Verkündung der textlichen Festsetzung Nr. 1.1.3 in einem ergänzenden Verfahren geheilt und den Bebauungsplan rückwirkend bekannt gemacht (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 4 BN 38.15 - BauR 2016, 1769 Rn. 2). Mit der Neubekanntmachung ist eine Rechtsänderung eingetreten, die vom Revisionsgericht in gleicher Weise zu berücksichtigen ist, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (stRspr, siehe z.B. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 11 m.w.N.). Auf den Verkündungsmangel kann der Senat seine Entscheidung deshalb nicht mehr stützen. 11 Ob die Festsetzung an einem Ermittlungsfehler im Sinne des § 2 Abs. 3 BauGB leidet, hat der Verwaltungsgerichtshof offengelassen. Seine tatsächlichen Feststellungen reichen für eine Entscheidung des Senats nicht aus. 12 2. Im Ergebnis hat der Verwaltungsgerichtshof aber zu Recht angenommen, dass die von der Überschreitung eines CO2-Emissionsfaktors abhängige Verwendungsbeschränkung fossiler Energieträger in Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen rechtswidrig und unwirksam ist. 13 Die Rüge der Revision, der Verwaltungsgerichtshof sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der in der Festsetzung gewählte, nach der Zuteilungsverordnung 2012 vom 13. August 2007 (BGBl. 2007 I S. 1941) zu ermittelnde CO2-Emissionsfaktor an die Resultate des Brennstoffeinsatzes nach konkreten Verbrennungsvorgängen in konkreten Anlagen anknüpfe und deshalb nicht stoff-, sondern anlagenbezogen sei (vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7a D 164/94.NE - ZfBR 1997, 159 = juris Rn. 19 mit kritischer Anmerkung Kraft, DVBl. 1998, 1048 <1050>), kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls steht die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die textliche Festsetzung Nr. 1.4 missachte die Sperrwirkung des § 5 Abs. 2 BImSchG, im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang. Der Gemeinde ist es verwehrt, die Verwendung fossiler Brennstoffe in Anlagen, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterliegen, im Bebauungsplan davon abhängig zu machen, dass die eingesetzten Stoffe bestimmte CO2-Emissionsfaktoren nicht überschreiten. Eine solche Festsetzung widerspricht dem Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, das der Regelung in § 5 Abs. 2 BImSchG zugrunde liegt und auch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB zu beachten ist. 14 a) Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz enthält ein bewirtschaftungsrechtliches Regelungskonzept besonderer Art nach dem Prinzip von ""cap and trade"" (Verknappung und Handel, vgl. etwa Weinreich, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2017, Rn. 5 ff. Vorb. zum TEHG; Storm, Umweltrecht, 10. Aufl. 2015, Rn. 539), das es auf der Grundlage eines unionsweiten Emissionshandelssystems dem Betreiber einer dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallenden Anlage überlässt, nach Kostengesichtspunkten über den Einsatz von Brennstoffen zu entscheiden. 15 Zweck des Gesetzes ist es nach § 1 TEHG, für die in seinen Anwendungsbereich fallenden Tätigkeiten, durch die in besonderem Maße Treibhausgase emittiert werden, die Grundlagen für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in einem gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystem zu schaffen, um damit durch eine kosteneffiziente Verringerung von Treibhausgasen zum weltweiten Klimaschutz beizutragen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TEHG hat der Betreiber jährlich bis zum 30. April an die zuständige Behörde eine Anzahl von Emissionsberechtigungen abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Emissionsberechtigungen werden auf der Grundlage einer stufenweise verminderten Gesamtemissionsmenge (""cap"") an die Anlagenbetreiber kostenlos zugeteilt (§ 9 TEHG). Nicht benötigte Berechtigungen sind gemäß § 7 Abs. 3 TEHG übertragbar und innerhalb der Europäischen Union (§ 17 TEHG) handelbar (""trade""). Sie können verkauft und von den Betreibern wenig energieeffizienter Anlagen zugekauft werden, um ihrer Abgabepflicht nach § 7 Abs. 1 TEHG nachzukommen. Auf dieser Grundlage kann der Betreiber einer TEHG-Anlage nach Kostengesichtspunkten selbst entscheiden, ob es sich für ihn in einem System kontinuierlich verknappter Gesamtemissionskontingente lohnt, die Energieeffizienz seiner Anlage durch technische Maßnahmen und/oder durch den Einsatz emissionsarmer Brennstoffe zu erhöhen und nicht benötigte Berechtigungen zu verkaufen. 16 b) Das Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes drängt für seinen Anwendungsbereich widersprechende Regelungsansätze zurück. 17 aa) Für die in § 5 BImSchG festgelegten Pflichten der Betreiber immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen war dies in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 BImSchG in der bei Inkrafttreten des Bebauungsplans geltenden Fassung (des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft vom 8. Juli 2004, BGBl. I S. 1578) geregelt; sie sind nunmehr (seit der Neufassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 17. Mai 2003, BGBl. I S. 1274) in § 5 Abs. 2 BImSchG wortidentisch zusammengefasst. 18 Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sind, soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Von den Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 BImSchG und den sie konkretisierenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften ist deshalb im Fall von TEHG-Anlagen allein die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG anwendbar; nicht anwendbar ist im Umkehrschluss die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 5 Rn. 5a). Damit setzt der Gesetzgeber Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung - ABl. L 334 S. 17) um, der Emissionsgrenzwerte für direkte Emissionen nur zulässt, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass keine erhebliche lokale Umweltverschmutzung verursacht wird. § 5 Abs. 2 Satz 2 BImSchG stellt ergänzend klar, dass bei diesen Anlagen zur Erfüllung der in § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG geregelten Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von CO2, die unter anderem auf Verbrennungsprozessen beruhen, keine Anforderungen gestellt werden dürfen, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet. Mit diesen Regelungen nimmt der Bundesgesetzgeber den ordnungsrechtlichen Regelungsansatz des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu Gunsten der im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz konzipierten ökonomischen Steuerung der Vermeidung von CO2-Emissionen zurück. Sich widersprechende Regelungsansätze werden dadurch vermieden. 19 bb) Für den Bereich der gemeindlichen Bauleitplanung ist § 5 Abs. 2 BImSchG nicht unmittelbar einschlägig. Die Vorschrift ist jedoch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB zu beachten. 20 § 5 Abs. 2 BImSchG modifiziert - wie dargestellt - für den Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG. Sie betrifft damit unmittelbar nur die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geregelten Genehmigungsvoraussetzungen. Zu der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genannten weiteren Voraussetzung, dass der Anlage ""andere öffentlich-rechtliche Vorschriften ... nicht entgegenstehen"" dürfen, worunter gemäß § 30 Abs. 1 BauGB auch die Festsetzungen eines Bebauungsplans zu subsumieren sind, verhält sich § 5 Abs. 2 BImSchG nicht; darauf weist die Revision zutreffend hin. § 5 Abs. 2 BImSchG und das in ihm zum Ausdruck kommende Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes erlangen jedoch bei der Auslegung der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB Bedeutung. 21 Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle Recht setzenden Organe des Bundes und der Länder, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, welche die Rechtsordnung widersprüchlich machen (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1876/91 u.a. - BVerfGE 98, 83 <97 f.>). Gegenläufigen Regelungen wären die Betreiber von TEHG-Anlagen aber ausgesetzt, wenn die Gemeinden auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB Gebiete festsetzen könnten, in denen bestimmte luftverunreinigende Stoffe abhängig von ihrem CO2-Emissionsfaktor nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen. Denn wie dargelegt kann sich der Betreiber einer TEHG-Anlage nach dem bewirtschaftungsrechtlichen Konzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes nach Kostengesichtspunkten auch für den Einsatz billiger, aber CO2 stärker freisetzender Brennstoffe entscheiden. Diese Entscheidungsfreiheit würde ihm genommen, wenn die Gemeinde den Einsatz solcher Brennstoffe im Wege der Bauleitplanung einschränken oder verbieten könnte. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der sowohl für das Bodenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) als auch für das Recht der Luftreinhaltung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) und der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) gesetzgebungsbefugte Bund gegenläufige Regelungen bewusst in Kauf nehmen und den Gemeinden ein Instrument an die Hand geben wollte, mit dem sie das zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 13. Oktober 2003 (ABl. L 275 S. 32) neu geschaffene Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes auf lokaler Ebene außer Kraft setzen können. 22 Der Normwiderspruch lässt sich auch nicht unter Hinweis auf die Befugnis der Gemeinde zur bodenrechtlichen Standortsteuerung auflösen. Eine solche Befugnis zur Standortsteuerung von TEHG-Anlagen durch eine Festsetzung der hier getroffenen Art lässt sich aus den von der Revision in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats nicht herleiten. Richtig ist zwar, dass der Senat die Gemeinden grundsätzlich als befugt angesehen hat, bodenrechtliche Standortsteuerung auch dann zu betreiben, wenn bauliche Anlagen nach den einschlägigen immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeitsmaßstäben unbedenklich sind (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 4 C 1.11 - BVerwGE 144, 82 Rn. 17). Die Gemeinde darf grundsätzlich auch im Vorfeld schädlicher Umwelteinwirkungen im Wege der Bauleitplanung eigenständig gebietsbezogen das Maß hinnehmbarer Beeinträchtigungen nach den Maßstäben des Vorsorgegrundsatzes steuern, wenn städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 4 CN 5.01 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 25 S. 11). Auf dieser Linie liegt auch der Beschluss vom 16. Dezember 1988 - 4 NB 1.88 - (Buchholz 406.11 § 9 BBauG/BauGB Nr. 33 S. 22 f.), in dem der Senat bestätigt hat, dass die Gemeinden berechtigt sind, auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB entsprechend dem Vorsorgeprinzip des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vorbeugenden Umweltschutz zu betreiben. Zur Standortsteuerung von Anlagen im Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes lässt sich den in Bezug genommenen Entscheidungen indes nichts entnehmen. Im Übrigen hat der Senat stets auf die Grenzen der Befugnis zur bodenrechtlichen Standortsteuerung hingewiesen: Die Gemeinde darf sich nicht an die Stelle des Bundesgesetz- oder Verordnungsgebers setzen, etwa dadurch, dass sie für den gesamten Geltungsbereich eines Bauleitplans direkt oder mittelbar andere, insbesondere niedrigere Grenzwerte festsetzt; in diesem Sinne wäre eine eigene ""Vorsorgepolitik"" unzulässig (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 4 C 1.11 - BVerwGE 144, 82 Rn. 18). Gleiches gilt, wenn die planende Gemeinde auf der Grundlage des Emissionsfaktors bestimmte Brennstoffe verbietet oder nur eingeschränkt zulässt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gemeinde damit keine auf die örtlichen Verhältnisse abstellenden Ziele verfolgt (vgl. hierzu Kraft, DVBl. 1998, 1048 <1049>), sondern zum allgemeinen Klimaschutz beitragen möchte. Denn so setzt sie ihr eigenes, auf verbindlichen Vorgaben gegründetes Klimaschutzkonzept an die Stelle des auf Entscheidungsfreiheit des Anlagenbetreibers aufbauenden Klimaschutzkonzepts, das dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz zugrunde liegt. 23 § 5 Abs. 2 BImSchG enthält weitere Anhaltspunkte für die Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB. § 5 Abs. 2 Satz 1 BImSchG lässt sich entnehmen, dass für Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB im Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes von vornherein dann kein Raum ist, wenn sie nicht dem städtebaulichen Zweck dienen, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden. Dies deckt sich, wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht herausgearbeitet hat, mit Vorgaben des Unionsrechts, das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2010/75/EU die Möglichkeit, Emissionsgrenzwerte für direkte Emissionen vorzugeben, nur eröffnet, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass keine erhebliche lokale Umweltverschmutzung verursacht wird. Umweltschutz im Sinne des Vorsorgeprinzips (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) ist den Gemeinden im Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes durch § 5 Abs. 2 BImSchG folglich untersagt. Im Übrigen stellt § 5 Abs. 2 Satz 2 BImSchG klar, dass das Ziel einer effizienten Verwendung von Energie in TEHG-Anlagen im Hinblick auf CO2-Emissionen allein nach den Pflichten des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes eingefordert werden darf. Damit ist den Gemeinden das Instrument einer verbindlichen Vorgabe von CO2-Emissionsfaktoren für das Ziel einer Steigerung der Energieeffizienz in TEHG-Anlagen ebenfalls aus der Hand genommen. Zu anderen Emissionen ist damit keine Aussage getroffen. 24 c) Gemessen hieran ist die Festsetzung Nr. 1.4 des Bebauungsplans von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB nicht gedeckt und daher unwirksam. 25 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat die Antragstellerin zu 2 durch Vorlage eines Bescheides des Umweltbundesamtes belegt, dass ihr Betrieb einem Überwachungsplan nach § 6 TEHG und damit dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegt (Verbrennungseinheiten zur Verbrennung von Brennstoffen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von insgesamt 20 MW oder mehr gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 TEHG i.V.m. Anhang 1 Teil 2 Nr. 1). 26 Die Festsetzung Nr. 1.4 zielt auf eine Begrenzung der Emission von Treibhausgasen in einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz unterliegt. Sie macht die Verwendung fossiler Brennstoffe in Feuerungsanlagen wie derjenigen der Antragstellerin zu 2 davon abhängig, dass der Emissionsfaktor der eingesetzten Brennstoffe 0,08 t CO2/GJ nicht überschreitet. Diese Festsetzung ist von der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB nicht gedeckt, weil es der Gemeinde - wie dargelegt - untersagt ist, die Emissionsfaktoren der eingesetzten Brennstoffe im Interesse einer Steigerung der Energieeffizienz in TEHG-Anlagen verbindlich vorzugeben. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass Nr. 1.4 Satz 3 der textlichen Festsetzungen bestimmt, dass die spezifischen CO2-Emissionen im Sinne des Satzes 1 der Festsetzung nach der Zuteilungsverordnung 2012 vom 13. August 2007 (BGBl. I S. 1941) zu bestimmen sind. Auch wenn damit - wie die Revision meint - lediglich die Verwendung bestimmter Brennstoffe mit einem ""hohen"" Emissionsfaktor eingeschränkt worden wäre, änderte dies nichts daran, dass die Verwendungsbeschränkung an einen bestimmten CO2-Emissionsfaktor anknüpft. 27 Überdies war die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen nicht das Planungsziel der Antragsgegnerin. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beim Einsatz von Braunkohlestaub in der Anlage der Antragstellerin zu 2 keine schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten sind. Auch die Antragsgegnerin hat im Verhandlungstermin vor dem Senat bestätigt, dass es ihr bei der Festsetzung nicht um die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen durch CO2, sondern vielmehr darum gegangen sei, ihr ""vorbildliches Energieengagement"" für gemeindliche Klimaschutzziele nicht durch die Asphaltmischanlage der Antragstellerin zu 2 konterkarieren zu lassen. Dem entsprechend bezeichnet die Begründung des Bebauungsplans als ein wesentliches Planungsziel, ""neben der beabsichtigten Unterstützung des Luftreinhalteplanes ... eine möglichst staubarme und klimaneutrale Energieerzeugung sicherzustellen sowie der ... Forderung nachzukommen, die Kohlendioxid-Gesamtbelastung insgesamt zu begrenzen"". Der Antragsgegnerin ging es darum, die CO2-Emission im Interesse einer höheren Energieeffizienz zu begrenzen und letztlich zum globalen Klimaschutz beizutragen. Auch hierzu ist sie durch § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. a BauGB bei einer am Regelungskonzept des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und § 5 Abs. 2 BImSchG orientierten Auslegung nicht ermächtigt. 28 3. Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1.4 hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge. 29 Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit, wenn - erstens - die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und - zweitens - die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 26 m.w.N.). An der zweiten Voraussetzung fehlt es hier. Das mit der Festsetzung Nr. 1.4 verfolgte Ziel, die CO2-Emissionen zu beschränken, war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für den Gemeinderat bei der Aufstellung des Bebauungsplans wesentlich. Dies ergebe sich aus den Akten sowie daraus, dass die Antragsgegnerin den immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag der Antragstellerin zu 2 zum Anlass für die Aufstellung des Bebauungsplans genommen hat. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu erkennen gegeben, dass diese Feststellung zutrifft. Es fehlt deshalb jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Rat der Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bebauungsplan auch ohne die unwirksame Festsetzung Nr. 1.4 beschlossen hätte. 30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-63,21.09.2017,"Pressemitteilung Nr. 63/2017 vom 21.09.2017 EN Haftung nach dem Umweltschadensgesetz: Keine Zurechnung eines Gutachterverschuldens Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass bei der verschuldensabhängigen Haftung für Umweltschäden Vorsatz und Fahrlässigkeit nach zivilrechtlichen Maßstäben bestimmt werden. Ein etwaiges Verschulden eines vom Verantwortlichen beauftragten weisungsfreien Gutachters wird diesem nicht zugerechnet. Der Kläger, eine anerkannte Naturschutzvereinigung, begehrt vom Land Rheinland-Pfalz die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz. Die Bebauung eines teilweise in einem FFH-Gebiet liegenden Grundstücks u.a. mit Getreidesilos durch die Beigeladene und eine fehlerhafte Durchführung von naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen hätten zu erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf den Lebensraum der Falterarten Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Großer Feuerfalter geführt. Die Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe und ohne durchgreifende Fehler bei der tatrichterlichen Beurteilung eine Verantwortlichkeit der Beigeladenen nach dem Umweltschadensgesetz verneint. Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts hat die Beigeladene weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Ein etwaiges Verschulden des von der Beigeladenen beauftragten Gutachters kann ihr nicht entsprechend § 278 BGB zugerechnet werden. Das Umweltschadensgesetz trifft eine abschließende Regelung der Verantwortlichkeit. BVerwG 7 C 29.15 - Urteil vom 21. September 2017 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 8 A 10041/15 - Urteil vom 22. Juli 2015 - VG Neustadt/Weinstraße, 5 K 505/13. NW - Urteil vom 25. März 2014 -","Urteil vom 21.09.2017 - BVerwG 7 C 29.15ECLI:DE:BVerwG:2017:210917U7C29.15.0 EN Maßstäbe für Vorsatz und Fahrlässigkeit; keine Zurechnung eines Gutachterverschuldens Leitsätze: 1. Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG Verantwortlichen bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. 2. Die Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG setzt kein rechtswidriges Handeln voraus. 3. § 278 BGB findet im Rahmen der Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG keine entsprechende Anwendung. Rechtsquellen RL 2004/35/EG Art. 2 Nr. 6, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b (UH-RL) USchadG § 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 8 BNatSchG § 19 Abs. 1 und 2 BGB § 276 Abs. 2, § 278 Instanzenzug VG Neustadt a. d. Weinstraße - 25.03.2014 - AZ: VG 5 K 505/13. NW OVG Koblenz - 22.07.2015 - AZ: OVG 8 A 10041/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.09.2017 - 7 C 29.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:210917U7C29.15.0] Urteil BVerwG 7 C 29.15 VG Neustadt a. d. Weinstraße - 25.03.2014 - AZ: VG 5 K 505/13. NW OVG Koblenz - 22.07.2015 - AZ: OVG 8 A 10041/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Der Beigeladene zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Der Kläger, eine anerkannte Naturschutzvereinigung, begehrt vom Beklagten die Anordnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz gegenüber der Beigeladenen zu 1. 2 Die Beigeladene zu 1 betreibt eine Getreidemühle, die ihren Betrieb durch bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück Flurstück a der Gemarkung F. (Eingriffsgrundstück) erweitert hat. Die Baugenehmigung sowie eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilte der Beigeladene zu 2 jeweils am 29. Juni 2012. Die von den baulichen Maßnahmen betroffenen Flächen liegen teilweise im FFH-Gebiet ""M."". Erhaltungszielarten sind dort unter anderem die Falterarten Großer Feuerfalter und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling. 3 Einen das Eingriffsgrundstück betreffenden vorhabenbezogenen Bebauungsplan vom 22. Juni 2010 erklärte das Oberverwaltungsgericht unter anderem wegen Defiziten der FFH-Vorprüfung für unwirksam. Im Auftrag der Beigeladenen zu 1 erstellte die ... (B-GmbH) im Rahmen des anschließenden ergänzenden Bebauungsplanverfahrens am 21. September 2011 einen Fachbeitrag zum speziellen Artenschutz (Fachbeitrag). Danach ist aufgrund des Vorkommens des Großen Feuerfalters sowie eines potenziellen Vorkommens des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings auf dem Eingriffsgrundstück die Erfüllung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nicht auszuschließen. Der Fachbeitrag empfiehlt insoweit vorsorglich Vermeidungsmaßnahmen, namentlich die Ansiedlung der auf dem Eingriffsgrundstück vorgefundenen Nahrungspflanzen Krauser Ampfer und Großer Wiesenknopf auf dem benachbarten Grundstück Flurstück b der Gemarkung F. (Ausgleichsgrundstück) sowie eine ergänzende Ansaat der Nahrungspflanzen. Auf dem Ausgleichsgrundstück bedürfe es zudem einer Reduzierung des Nährstoffgehalts durch Abtrag des Oberbodens. Des Weiteren seien dort eine 5-jährige Entwicklungspflege sowie eine dauerhafte Unterhaltungspflege durchzuführen. 4 Die geänderte Fassung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans vom 22. März 2012 setzte Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft auf der Grundlage des Fachbeitrags fest. Auch dieser Bebauungsplan wurde vom Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt. Am 15. Januar 2013 beschloss die Gemeinde F. einen Bebauungsplan ""F. M."". Dessen textliche Festsetzungen ordnen im Wesentlichen die gleichen Maßnahmen wie der Bebauungsplan vom 22. März 2012 an. Ziffer 1.9 bestimmt, dass bis zum Beginn der Durchführung der in Ziffer 4.2 festgesetzten Maßnahmen (Verpflanzung der Einzelpflanzen bzw. Pflanzengruppen der Arten Krauser Ampfer und Großer Wiesenknopf vom Grundstück Flurstück a; Oberbodenabtrag auf dem Grundstück Flurstück b) die Errichtung von baulichen Anlagen auf dem Eingriffsgrundstück nicht zulässig ist. Einen gegen den Bebauungsplan vom 15. Januar 2013 gerichteten Normenkontrollantrag wies das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Juli 2014 zurück. Eine ergänzende, von der Beigeladenen zu 1 in Auftrag gegebene FFH-Verträglichkeitsuntersuchung der B-GmbH vom 13. März 2013 ist zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Arten Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Großer Feuerfalter eine vorhabenbedingte erhebliche Beeinträchtigung jeweils ausgeschlossen werden könne und Maßnahmen zur Schadensbegrenzung nicht erforderlich seien. 5 Für die seitens der Beigeladenen zu 1 auf dem Ausgleichsgrundstück durchgeführten naturschutzfachlichen Vermeidungsmaßnahmen zugunsten der Erhaltungszielarten Großer Feuerfalter und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling erteilte der Beigeladene zu 2 am 29. September 2011 eine wasserrechtliche Genehmigung, einen Erdabtrag von im Mittel 20 cm auf einer Teilfläche des Grundstücks vorzunehmen. Eine Nebenbestimmung legt fest, dass bei der Bauausführung darauf zu achten ist, die Abgrabungstiefe genau einzuhalten, weil bei einer tieferen Abgrabung die Gefahr einer Vernässung bestehe, die den Zweck des Vorhabens gefährde. 6 Die Beigeladene zu 1 begann im Herbst 2011 durch Abgraben des Ausgleichsgrundstücks mit der naturschutzfachlichen Maßnahme. Wegen eines Nachbarwiderspruchs gegen die wasserrechtliche Genehmigung vom 29. September 2011 verfügte der Beigeladene zu 2 am 17. November 2011 die Einstellung der Arbeiten auf dem Ausgleichsgrundstück. In der Folge wurden die Baumaßnahmen auf dem Eingriffsgrundstück durchgeführt. 7 Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 12. November 2012 beim Beklagten die Anordnung von Maßnahmen zur Sanierung eingetretener Umweltschäden nach dem Umweltschadensgesetz. Die Bebauung des Eingriffsgrundstücks und eine fehlerhafte Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen auf dem Ausgleichsgrundstück (namentlich ein Oberbodenabtrag in einer Tiefe von ca. 40 cm) hätten zu erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf den Lebensraum der Arten Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Großer Feuerfalter geführt. 8 Am 13. Juni 2013 erhob der Kläger Untätigkeitsklage. Mit Bescheid vom 8. Juli 2013 stellte der Beklagte fest, dass ein Umweltschaden nicht vorliege. Es fehle jedenfalls an der Erheblichkeit möglicher nachteiliger Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und des Großen Feuerfalters. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 25. März 2014 ab. In Bezug auf die Art Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling liege kein Umweltschaden vor, weil ein Vorkommen auf dem Eingriffsgrundstück nicht belegt sei. Hinsichtlich der Art Großer Feuerfalter habe die Beigeladene zu 1 einen möglichen Umweltschaden jedenfalls nicht schuldhaft herbeigeführt. 9 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 22. Juli 2015 zurückgewiesen. Es bedürfe keiner Klärung, ob ein Umweltschaden vorliege. Es fehle zumindest an einem Verschulden des Verantwortlichen. Die Beigeladene zu 1 habe weder selbst, als Ausübende oder Bestimmerin einer beruflichen Tätigkeit, Schädigungen von Arten und Lebensräumen vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt, noch sei ihr ein Verschulden der von ihr beauftragten Gutachter der B-GmbH zuzurechnen. 10 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das angefochtene Urteil verkenne den gesetzlichen Verschuldensmaßstab; die Umwelthaftungsrichtlinie gehe von einem vom Zivilrecht abweichenden Verschuldensmaßstab aus. Ein schuldhaftes Verhalten liege bei richtlinienkonformer Auslegung bereits dann vor, wenn der Verantwortliche die Vorgaben der Habitatschutzrichtlinie nicht nach bestem Wissen und Gewissen beachtet habe. Bei einem objektiven Fehlverhalten werde ein Verschulden des Verantwortlichen vermutet. Vorliegend liege das schuldhafte Fehlverhalten darin, dass die Beigeladene zu 1 vor den Maßnahmen auf dem Eingriffs- und dem Ausgleichsgrundstück keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt habe. Das Oberverwaltungsgericht verkenne, dass der Beigeladenen zu 1 ein Gutachterverschulden gemäß § 278 BGB zugerechnet werden könne. Auch bei Zugrundelegung des vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Verschuldensmaßstabes stelle sich das Urteil als rechtswidrig dar. Die Beigeladene zu 1 habe offensichtlich erhaltungszielrelevante Flächen ohne vorherige FFH-Verträglichkeitsprüfung bearbeitet und damit einen Umweltschaden billigend in Kauf genommen. Im Hinblick auf die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen habe die Beigeladene zu 1 fahrlässig gehandelt. Bei Beachtung der nach dem Artenschutzrecht zu bestimmenden Sorgfaltspflicht hätte sie die Maßnahmen auf dem Eingriffsgrundstück nicht durchführen dürfen, ohne zuvor abzuwarten, ob die Ausgleichsmaßnahmen erfolgreich sein würden. Dass die Gutachter davon ausgegangen seien, auf dem Ausgleichsgrundstück könne sich ein Ersatzlebensraum etablieren, sei unerheblich. Die angefochtene Entscheidung sei zudem unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen, weil das Oberverwaltungsgericht sich nicht hinreichend mit dem klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt habe. 11 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2015 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. März 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 8. Juli 2013 zu verpflichten, 1. gegenüber der Beigeladenen zu 1 anzuordnen, das Grundstück Flurstück b der Gemarkung F. auf das Ausgangsniveau vor der durchgeführten Bodenabtragung mit nährstoffarmem Boden aufzufüllen, dort gebietsheimisches Saatgut artenreicher Feuchtwiesen mit einem hohen Anteil an Samen der Arten Großer Wiesenknopf und Krauser Ampfer auszubringen und für den Zeitraum von fünf Jahren beginnend mit dem auf die Ansaat folgenden Frühjahr eine Entwicklungspflege und sodann eine Unterhaltungspflege im Sinne der Nr. 3.3.4 des Fachbeitrages der B-GmbH vom 21. September 2011 durchzuführen, 2. gegenüber der Beigeladenen zu 1 anzuordnen, das Grundstück Flurstück a der Gemarkung F. unter Rückbau der errichteten baulichen Anlagen auf das Bodenniveau vor dem Eingriff zurückzuversetzen, dort 50 Pflanzen der Art Krauser Ampfer und 8 Pflanzen der Art Großer Wiesenknopf durch Sodenübertragung aus Flächen im Naturraum ""Nördliches Oberrheintiefland"" einzubringen und die Fläche im Übrigen entsprechend dem Antrag zu 1 zu behandeln, sowie, für den Fall, dass dem Antrag zu 2 stattgegeben wird, 3. gegenüber dem Beigeladenen zu 2 anzuordnen, die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 29. Juni 2012 zurückzunehmen, hilfsweise, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über Art und Umfang der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen neu zu entscheiden. 12 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 13 Das angefochtene Urteil stelle sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar. Der Kläger schließe zu Unrecht von der rechtswidrigen Verursachung eines Umweltschadens auf das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Bezugspunkt für das Verschulden seien weder die Vorgaben des Gebietsschutz- noch des Artenschutzrechts, sondern die Arten und natürlichen Lebensräume im Sinne des § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG. Für die Anwendbarkeit des § 278 BGB fehle es an dem erforderlichen Sonderrechtsverhältnis. 14 Der Beigeladene zu 2 verteidigt das angefochtene Urteil. 15 Nach Auffassung des Vertreters des Bundesinteresses setzt eine Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG ein Verschulden des Verantwortlichen im zivilrechtlichen Sinne des § 276 BGB voraus. Auch seien zivilrechtliche Zurechnungsnormen zu berücksichtigen. II 16 Die zulässige Revision ist sowohl hinsichtlich der Hauptanträge als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht in Einklang. 17 A. Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil maßgeblich darauf gestützt, dass es hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchadG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 666), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 4. August 2016 (BGBl. I S. 1972) an einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Handeln der Beigeladenen zu 1 als Verantwortlicher (§ 2 Nr. 3 USchadG) fehle und ein etwaiges Verschulden der von der Beigeladenen zu 1 beauftragten naturschutzfachlichen Gutachter dieser jedenfalls nicht zuzurechnen sei. Dies ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 18 I.1. Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln des nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG Verantwortlichen bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. 19 a) Eine eigenständige Begriffsbestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG trifft der Gesetzgeber des Umweltschadensgesetzes nicht. Auch den Gesetzgebungsmaterialien ist ein Hinweis auf insoweit heranzuziehende besondere Maßstäbe nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 22). Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Namentlich aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht, das die Begründung des Gesetzentwurfs in Bezug nimmt (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 21), ergeben sich keine Maßstäbe oder Begriffsbestimmungen für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Zur Begründung der Polizeipflicht spielt es nach allgemeinem Verständnis mit Blick auf eine effektive Gefahrenabwehr keine Rolle, ob eine Gefahr vom Pflichtigen vorsätzlich oder fahrlässig hervorgerufen wird. 20 Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG auf ein Verständnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit abzustellen, wie es der Zivilrechtsordnung und insbesondere der Vorschrift des § 276 BGB zugrunde liegt und hinsichtlich des Begriffs der Fahrlässigkeit in § 276 Abs. 2 BGB seinen positiv-rechtlichen Ausdruck findet. Die Heranziehung von im Zivilrecht geltenden Maßstäben auch im Bereich des öffentlichen Rechts, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt. So greift die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mangels einer spezielleren Regelung auch bei der Auslegung von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG den § 276 Abs. 2 BGB auf (siehe etwa zum Fahrlässigkeitsbegriff BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 2 B 93.07 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 120 Rn. 5 f.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2003 - 8 B 68.03 - juris Rn. 5 m.w.N.). 21 b) Unionsrecht steht dem nicht entgegen. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 S. 56) - Umwelthaftungsrichtlinie (UH-RL) - enthält eine auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln abstellende verschuldensabhängige Haftungsregelung. Diese tritt neben die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für bestimmte (gefährliche) berufliche Tätigkeiten in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a UH-RL. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UH-RL (Gemeinsamer Standpunkt (EG) des Rates Nr. 58/2003 vom 18. September 2003, ABl. 2003 C 277 E, S. 10) wird deutlich, dass mit dem nachträglich eingefügten Verschuldenserfordernis für Biodiversitätsschäden aufgrund ungefährlicher beruflicher Tätigkeiten, eine Beschränkung der Haftung im Sinne eines Verschuldens im hergebrachten Verständnis des (zivilen) Haftungsrechts angestrebt wurde. Es liegt daher nahe, für die Begriffsbestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit jedenfalls sinngemäß auf das überkommene Verständnis des jeweiligen nationalen Zivilrechts zurückzugreifen. Wird ein Tatbestandsmerkmal - wie hier das Verschulden - nicht durch die Umwelthaftungsrichtlinie selbst konkretisiert, sind für dessen Definition die Mitgliedstaaten zuständig (EuGH, Urteil vom 9. März 2010 - C-378/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​126] - Rn. 55 für den ""ursächlichen Zusammenhang""). Die Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit sind in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten integriert, wobei sich der Begriff der Fahrlässigkeit auf ein nicht vorsätzliches Handeln oder Unterlassen bezieht, mit dem die verantwortliche Person ihre Sorgfaltspflicht verletzt (EuGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - C-308/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​312] - Rn. 74 f.). 22 2. Im Rahmen der verschuldensabhängigen Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG beziehen sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Verantwortlichen auf die Unversehrtheit der nach § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG geschützten Arten und natürlichen Lebensräume. Eine Schädigung dieser Schutzgüter liegt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vor, wenn die Einwirkung durch den Verantwortlichen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands der Lebensräume oder Arten hat. Für den Erfolgseintritt im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG genügt es, wenn vom Verantwortlichen unmittelbare Gefahren solcher Schäden verursacht werden. 23 a) Anknüpfend hieran ist Vorsatz des Verantwortlichen dann zu bejahen, wenn dieser erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder die unmittelbare Gefahr solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Fahrlässig handelt der Verantwortliche, wenn er erhebliche nachteilige Auswirkungen seines Verhaltens auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands geschützter Lebensräume oder Arten oder unmittelbare Gefahren solcher erheblichen nachteiligen Auswirkungen unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorhersehen und vermeiden konnte. 24 b) Darauf, ob das zum Erfolgseintritt führende Verhalten des Verantwortlichen rechtmäßig ist, kommt es grundsätzlich nicht an. Umgekehrt ist bei der Prüfung, ob eine Handlung als vorsätzlich oder fahrlässig im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG zu qualifizieren ist, ebenfalls grundsätzlich nicht ausschlaggebend, ob die Handlung mit der Rechtsordnung insgesamt, namentlich mit einschlägigen Vorschriften des Naturschutzrechts, in vollem Umfang in Einklang steht. 25 Für die Annahme, ein Verschulden im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG setze stets die Rechtswidrigkeit des die Unversehrtheit der nach § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG geschützten Arten und natürlichen Lebensräume berührenden Verhaltens des Verantwortlichen voraus (in diesem Sinne VG Schleswig, Urteil vom 20. September 2012 - 6 A 186.11 - NuR 2013, 442 Rn. 71 m.w.N.), fehlt es am notwendigen Anknüpfungspunkt im Gesetzeswortlaut. Die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte der Umwelthaftungsrichtlinie sprechen gegen diese Annahme. So ergibt sich aus § 2 Nr. 3 USchadG, dass Verantwortlicher im Sinne des Umweltschadensgesetzes auch der Inhaber einer - mit Legalisierungswirkung verbundenen - Zulassung oder Genehmigung für eine berufliche Tätigkeit ist, der in Ausübung oder Bestimmung dieser Tätigkeit unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 4. Februar 2016 - 1 LB 2.13 - NuR 2016, 572 Rn. 127). Zudem sieht § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG hinsichtlich eines im Einzelnen festgelegten, begrenzten Bereichs genehmigter oder zulässiger Tätigkeiten einer verantwortlichen Person eine Haftungsfreistellung vor. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass genehmigte oder gesetzeskonforme Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG grundsätzlich der verschuldensabhängigen Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG unterworfen sind. 26 Auch der Entstehungsgeschichte der Umwelthaftungsrichtlinie ist zu entnehmen, dass sich der Richtliniengeber bewusst gegen die grundsätzliche Ausnahme von erlaubten Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Umwelthaftungsrichtlinie entschieden hat. Der Richtlinienentwurf der Kommission (UH-RL-E) hatte in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c eine derartige Ausnahme noch vorgesehen (KOM <2002> 17 endg., ABl. 2002 C 151, S. 138). Schon die Kommission ging allerdings davon aus, dass ein rechtmäßiges Verhalten einen Fahrlässigkeitsvorwurf nicht zwingend ausschließen sollte. Denn nach Art. 9 Abs. 2 UH-RL-E sollte Art. 9 Abs. 1 Buchst. c UH-RL-E nicht gelten, wenn der Betreiber fahrlässig handelte. Das Europäische Parlament sah es für eine wirksame Umsetzung des Verursacherprinzips und in Übereinstimmung mit den Regelungen zahlreicher EU-Mitgliedstaaten, welche einer Genehmigung für die Umwelthaftung keine Bedeutung beimessen, jedoch als erforderlich an, diesen Rechtfertigungsgrund zu streichen (Europäisches Parlament, Bericht, A5-0145/2003 endg., S. 79). Dieser Auffassung ist der Rat gefolgt (Gemeinsamer Standpunkt Nr. 58/2003, ABl. C 277, S. 30). 27 c) Die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens und die Reichweite der Legalisierungswirkung einer Genehmigung für eine schadensverursachende berufliche Tätigkeit sind dessen ungeachtet bei der Frage nach der Haftung des Verantwortlichen von maßgeblicher Bedeutung. So wird ein Verantwortlicher, der schutzwürdig auf eine Genehmigung vertraut, bei einem von der Legalisierungswirkung der Genehmigung umfassten Verhalten regelmäßig nicht fahrlässig handeln (vgl. hierzu etwa Shirvani, UPR 2010, 209 <212> m.w.N.). Demgegenüber wird derjenige im Zweifel mindestens fahrlässig handeln, der bewusst ein die Unversehrtheit der nach § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG geschützten Arten und natürlichen Lebensräume verletzendes Handeln ohne eine hierfür erforderliche Genehmigung ausführt oder der wissentlich gegen naturschutzrechtliche Verbotstatbestände verstößt. 28 Für die Auffassung des Klägers, jedes Handeln, dass nicht mit den Maßgaben der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie in Einklang stehe, sei dem Verantwortlichen grundsätzlich auch als ein schuldhaftes oder zumindest nachlässiges, jedenfalls haftungsbegründendes Fehlverhalten anzulasten, ist ein normativer Anhalt nicht ersichtlich. 29 Eine Haftung für vermutetes Verschulden kommt ohne einen diesbezüglichen normativen Anhaltspunkt, der für die Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG nicht ersichtlich ist, hierbei nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine Haftung des Verantwortlichen für vermutetes Verschulden lassen sich - entgegen der Behauptung der Revision - namentlich auch der Umwelthaftungsrichtlinie nicht entnehmen. 30 d) Nach allem ist auch den klägerischen Anregungen, dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV Fragen zu den Maßstäben von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UH-RL vorzulegen (Schriftsatz vom 5. September 2017, S. 22, Fragen 4 und 5), nicht zu folgen. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich beantworten, ohne dass es hierzu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung oder Konkretisierung der Umwelthaftungsrichtlinie zuständig sind und insoweit über einen weiten Ermessensspielraum verfügen (EuGH, Urteil vom 9. März 2010 - C-378/08 - Rn. 55 m.w.N.). Dies gilt auch hinsichtlich der Konkretisierung der Begriffe ""vorsätzlich"" und ""fahrlässig"" nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b UH-RL im nationalen Recht. 31 3. In Übereinstimmung mit den dargelegten bundesrechtlichen Maßstäben hat das Berufungsgericht Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verhaltens der Beigeladenen zu 1 verneint. Die Beurteilung eines Verhaltens als vorsätzlich oder fahrlässig ist Sache der tatrichterlichen Würdigung und als solche mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Sie unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob das Tatsachengericht die Rechtsbegriffe von Vorsatz oder Fahrlässigkeit verkannt, bei der Beurteilung wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Verfahrensvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 2 B 93.07 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 120 Rn. 7 m.w.N.; stRspr BGH, vgl. nur BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 96.11 - NJW 2012, 2422 Rn. 24 m.w.N.). 32 Derartige Mängel sind für den Senat nicht erkennbar. Der Kläger, der im Kern lediglich eine von derjenigen des Berufungsgerichts abweichende Würdigung des Verhaltens der Beigeladenen zu 1 vornimmt, zeigt solche Defizite nicht auf. 33 a) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der auf dem Eingriffsgrundstück ergriffenen Maßnahmen - insbesondere die Baufeldfreimachung und die anschließende Bebauung - Vorsatz oder Fahrlässigkeit entscheidungstragend deshalb verneint, weil die Beigeladene zu 1 darauf habe vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt der Eingriffe bereits teilweise durchgeführten naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen auf dem Grundstück Flurstück b letztlich zur Schaffung eines zur Kompensation des Lebensraumverlusts und zur Stabilisierung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen der betroffenen Falterarten Großer Feuerfalter und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling geeigneten Ersatzlebensraums führen würden. Die Beigeladene zu 1 hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hierauf deshalb vertrauen dürfen, weil die von ihr beauftragten naturschutzfachlichen Gutachter ihrerseits davon ausgegangen sind (und auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht weiter ausgegangen sind), dass sich auf dem Ausgleichsgrundstück dauerhaft ein für die Arten Großer Feuerfalter und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling zur Ansiedlung geeigneter Ersatzlebensraum in einer zur Erreichung oder Beibehaltung eines günstigen Erhaltungszustands der lokalen Populationen dieser Arten ausreichenden Größe und Beschaffenheit etablieren wird (UA S. 27 ff.). 34 Diese tatrichterlichen Erwägungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision musste das Berufungsgericht insbesondere allein aus dem Umstand, dass eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung erst nach der Durchführung der Umsetzung der Nahrungspflanzen der geschützten Falterarten sowie der Maßnahmen auf dem Eingriffsgrundstück vorgelegt worden ist, nicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der Beigeladenen zu 1 schließen. Dies ergibt sich schon daraus, dass Bezugspunkt für Vorsatz oder Fahrlässigkeit des nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG Verantwortlichen allein die Unversehrtheit der nach § 19 Abs. 2 und 3 BNatSchG geschützten Arten und natürlichen Lebensräume und nicht die Einhaltung sämtlicher gegebenenfalls einschlägiger naturschutzrechtlicher Vorschriften ist. Aus dem gleichen Grund lässt sich auch aus einem etwaigen objektiven Verstoß gegen einen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand (vgl. § 44 BNatSchG) nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit beim Verantwortlichen schließen. 35 b) Hinsichtlich der auf dem Ausgleichsgrundstück ergriffenen Maßnahmen, namentlich der Abgrabung, hat das Berufungsgericht selbständig tragend festgestellt, dass diese Maßnahmen aufgrund von fachlichen Anleitungen und Empfehlungen der Gutachter erfolgt sind und nichts dafür ersichtlich ist, dass eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Anleitungen und Empfehlungen der Gutachter für die Beigeladene zu 1 erkennbar gewesen sein könnte. Davon ausgehend musste das Oberverwaltungsgericht allein aus der Kenntnis der Beigeladenen zu 1 vom Inhalt der wasserrechtlichen Genehmigung vom 29. September 2011, insbesondere der Nebenbestimmungen zur Bauausführung, nicht auf ein Verschulden schließen. Folglich kommt auch dem Umstand keine Bedeutung zu, dass das Oberverwaltungsgericht - nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wohl zu Unrecht - angenommen hat, dass die Baugenehmigung vergleichbare Nebenbestimmungen enthielt. 36 Soweit der Kläger Defizite hinsichtlich der ökologischen Baubegleitung seitens der Gutachter rügt, stellt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler maßgeblich darauf ab, dass auch diesbezügliche etwaige Mängel für die Beigeladene zu 1 nicht erkennbar gewesen seien (vgl. UA S. 32). Schließlich ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nichts dafür ersichtlich, dass es sich beim Gutachten der B-GmbH um ein ""Gefälligkeitsgutachten"" gehandelt haben könnte, dessen etwaige mangelnde Tragfähigkeit zur Abwendung des - vom Berufungsgericht offen gelassenen - Eintritts eines Umweltschadens die Beigeladene zu 1 unter Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können (vgl. UA S. 36 f.). 37 II. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht auch die Zurechnung eines - vom Berufungsgericht im Ergebnis offen gelassenen - Verschuldens der Gutachter der B-GmbH zu Lasten der Beigeladenen zu 1 abgelehnt. 38 1. § 2 Nr. 3 USchadG legt den Kreis der nach dem Umweltschadensgesetz Verantwortlichen abschließend fest. Hiernach ist Verantwortlicher jede natürliche oder juristische Person, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat. 39 a) Das ""Ausüben"" einer beruflichen Tätigkeit setzt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Tätigwerden in eigener Person voraus (vgl. auch Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2017, USchadG § 2 Rn. 32). Das ""Bestimmen"" einer beruflichen Tätigkeit bezieht sich demgegenüber auf eine Einflussnahme gegenüber einem Dritten. Hierbei setzt der Begriff des ""Bestimmens"" jedenfalls ein gewisses Maß an Weisungsbefugnis seitens des Bestimmenden gegenüber dem Bestimmten voraus (vgl. Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2017, USchadG § 2 Rn. 33 m.w.N.). Ein solches Begriffsverständnis steht auch mit den Regelungen des Bundes und der Länder zur Reichweite der Polizeipflichtigkeit in Einklang, wonach sich die polizeirechtliche Verantwortlichkeit eines Handlungsstörers auf das Verhalten eines Verrichtungsgehilfen erstreckt (vgl. hierzu beispielhaft § 17 Abs. 3 BPolG, Art. 9 Abs. 1 Satz 4 LStVG, § 17 Abs. 3 OBG NRW). Eine derartige Verantwortlichkeit setzt jedoch die Macht des Verantwortlichen voraus, dem Verrichtungsgehilfen Weisungen zu erteilen (vgl. nur Wittreck, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand 20. August 2017, § 17 OBG Rn. 39 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts haben die Gutachter der B-GmbH die den auf dem Ausgleichsgrundstück durchgeführten naturschutzfachlichen Maßnahmen zugrunde liegende spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (Fachbeitrag) eigenverantwortlich, nach eigener Fachkunde und ohne Beeinflussungen des Auftraggebers, der Beigeladenen zu 1, erarbeitet. Entsprechendes gilt für die Durchführung der Maßnahmen auf dem Ausgleichsgrundstück. 40 b) Für die vom Kläger geforderte entsprechende Anwendung des § 278 Satz 1 BGB, wonach der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten hat wie eigenes Verschulden, bleibt kein Raum. Die Rechtslage hinsichtlich einer Haftung des Verantwortlichen für ein Verhalten Dritter unterscheidet sich insofern grundlegend von derjenigen bei der Auslegung der Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG. Ansatzpunkt für die Heranziehung zivilrechtlicher Maßstäbe war dort die Verwendung der (auch) zivilrechtlich geprägten Begriffe von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG. An einem vergleichbaren tatbestandlichen Anknüpfungspunkt für die Heranziehung zivilrechtlicher Maßstäbe fehlt es in § 2 Nr. 3 USchadG gerade. 41 Die Heranziehung der Regelung des § 278 BGB im Rahmen der verschuldensabhängigen Verantwortlichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG erscheint auch der Sache nach als nicht angemessen. Der Anwendungsbereich des § 278 BGB (analog) erstreckt sich nach herkömmlichem Verständnis auf eine Haftung für das Verschulden Dritter im Verhältnis der Parteien eines zumindest schuldrechtsähnlichen Sonderrechtsverhältnisses (vgl. nur BGH, Urteil vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87 - NJW 1988, 2667 <2668>; Grundmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, BGB § 278 Rn. 15 und 19 m.w.N.) und bezieht sich insofern gerade nicht auf die Verantwortlichkeit eines Pflichtigen gegenüber der Allgemeinheit. Um eine derartige (Polizei-) Pflichtigkeit eines Verantwortlichen im Verhältnis zur Allgemeinheit geht es jedoch im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG. Auf das Rechtsverhältnis zwischen Verantwortlichem und für die Zulassung eines Vorhabens zuständiger Behörde, auf das die Revision in diesem Zusammenhang abstellen will, kommt es insoweit nicht an. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine Haftung nach dem Umweltschadensgesetz unabhängig von der Zulassungsbedürftigkeit einer möglicherweise schadenstiftenden beruflichen Tätigkeit - und damit zugleich unabhängig von der Beteiligtenstellung in einem Verwaltungsverfahren - in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass eine von einem eigenen Verschulden unabhängige Haftung für ein schuldhaftes Verhalten Dritter den verschuldensabhängigen Haftungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG jedenfalls in Fällen mit Drittbeteiligung der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG lediglich für einen Katalog bestimmter beruflicher Tätigkeiten vorgesehenen Gefährdungshaftung annäherte. 42 c) Eine Haftung des nach § 2 Nr. 3 USchadG Verantwortlichen für ein Verhalten Dritter, das der Verantwortliche nicht im Sinne dieser Vorschrift ""bestimmt"", ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht unmittelbar aus der Umwelthaftungsrichtlinie. Art. 2 Nr. 6 UH-RL sieht eine Haftung auch für denjenigen, dem ""die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht über die technische Durchführung einer solchen Tätigkeit übertragen wurde"", ausdrücklich nur für den Fall vor, dass eine solche Haftung in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Da dies nach deutschem Recht nicht der Fall ist, scheidet auch eine Zurechnung eines Verschuldens eines auf Seiten der Verantwortlichen eingeschaltenen Gutachterbüros aufgrund einer Betrachtung der Risikosphären (vgl. Saurer, NuR 2017, 289 <292>) aus. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht. Auch insoweit gilt, dass die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung oder Konkretisierung der Umwelthaftungsrichtlinie zuständig sind (EuGH, Urteil vom 9. März 2010 - C-378/08 - Rn. 55 m.w.N.). Dies betrifft auch die Frage der Verschuldenszurechnung. 43 Eine Verantwortlichkeit der Beigeladenen zu 1 nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG für ein etwaiges - vom Berufungsgericht offen gelassenes - Verschulden der Gutachter der B-GmbH scheidet auf der Grundlage dieser mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) getroffenen Feststellungen nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben mit Blick auf die Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit der gutachterlichen Tätigkeit der B-GmbH mangels eines ""Bestimmens"" einer schadensverursachenden Tätigkeit aus. Auf die von der Revision näher erörterte Frage eines Verschuldens auf Seiten der B-GmbH kommt es hiernach nicht mehr an. 44 III. Auf der Grundlage seiner mit Bundesrecht zu vereinbarenden Rechtsauffassung konnte das Oberverwaltungsgericht offen lassen, ob vorliegend ein Umweltschaden im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchst. a USchadG i.V.m. § 19 BNatSchG eingetreten ist (vgl. UA S. 21 ff.). Auf die Darlegungen des Klägers zum Vorliegen eines Umweltschadens kommt es hiernach nicht entscheidungserheblich an. 45 Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Kläger erörterten Frage der Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände. Die weitere Frage nach Inhalt und Umfang von im Haftungsfall gegebenenfalls anzuordnenden Sanierungsmaßnahmen (§ 8 USchadG) stellt sich hiernach ebenfalls nicht. Schon mangels Entscheidungserheblichkeit war insoweit auch den klägerischen Anregungen, dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV Fragen zur Auslegung des Begriffs des Umweltschadens vorzulegen, nicht zu folgen. 46 B. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auch nicht auf Verfahrensmängeln. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist nicht verletzt. 47 Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich mit jedem Vorbringen im Urteil ausdrücklich zu befassen. Nur wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Beteiligtenvorbringens gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, sind Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verletzt (stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - LKV 2017, 126 f. Rn. 4 m.w.N.). 48 Gemessen hieran zeigen die Darlegungen des Klägers einen Gehörsverstoß nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht musste sich nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung, namentlich zu den Maßstäben für Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG und zur (Nicht-)Zurechnung von Drittverschulden entsprechend § 278 BGB, nicht in einem weiteren Umfang, als dies geschehen ist, mit Einzelheiten des klägerischen Vortrags in den Urteilsgründen auseinandersetzen. Dies gilt auch hinsichtlich der Darlegungen des Klägers zur Erheblichkeit der Beeinträchtigung der Arten Großer Feuerfalter und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling, zu fachlichen Defiziten des Fachbeitrags zum speziellen Artenschutz sowie mit Bezug auf die erst im März 2013 vorliegende FFH-Verträglichkeitsprüfung. 49 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen, weil sich diese - anders als der Beigeladene zu 2 - durch ihre Antragstellung einem eigenen Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO)." bverwg_2017-64,21.09.2017,"Pressemitteilung Nr. 64/2017 vom 21.09.2017 EN Besoldungsreform für Professoren in Rheinland-Pfalz Die mit Wirkung vom 1. Januar 2013 im Land Rheinland-Pfalz eingeführte teilweise Anrechnung des erhöhten Grundgehalts auf die Leistungsbezüge von Professoren ist verfassungsgemäß. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Professor im beklagten Land Rheinland-Pfalz. Er bezog dort nach seiner Berufung im Jahr 2009 das Grundgehalt eines W 2-Professors sowie Leistungsbezüge in Höhe von rd. 300 €, die im Rahmen der Berufungsverhandlungen vereinbart worden waren. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Besoldung nach der Besoldungsordnung W im Land Hessen für verfassungswidrig erklärt hatte (Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263), reformierte auch das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2013 sein mit Hessen vergleichbares System der W-Besoldung. Dabei wurde das Grundgehalt um 240 € angehoben. Diese Anhebung wurde zugleich i.H.v. maximal 90 € auf die Leistungsbezüge angerechnet, so auch beim Kläger. Seine dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen bestätigt. Die teilweise Anrechnung der pauschalen Besoldungserhöhung ist verfassungsgemäß. Die in Rede stehenden Leistungsbezüge unterfallen als Bestandteile der Professorenbesoldung grundsätzlich dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums). Leistungsbezüge der Professoren werden durch Verwaltungsakt vergeben und beruhen insoweit auf der zwischen den Beteiligten geschlossenen Berufungsvereinbarung. Auch sie unterfallen dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Auch im Geltungsbereich dieser Norm sind Einschränkungen durch Gesetz jedenfalls dann möglich, wenn diese aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sind, die sich aus dem System der Beamtenbesoldung ergeben. Das ist hier der Fall. Der Bundesgesetzgeber hatte im Jahr 2002 die Besoldungsordnung W für Professoren eingeführt. Diese löste die ältere Besoldungsordnung C ab, welche einen Anstieg der Besoldung in Altersstufen vorsah. Dieser Anstieg wurde in der Besoldungsordnung W abgeschafft und durch die erweiterte Möglichkeit zu Leistungszulagen ersetzt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur hessischen Parallelregelung bestand für das beklagte Land Anlass, die Professorenbesoldung neu zu strukturieren. Dass in diesem Rahmen neben einer generellen Erhöhung der Besoldung eine teilweise Abschmelzung bestehender Leistungszulagen erfolgte, ist nicht sachwidrig. Eine Verletzung des Mindestalimentationsniveaus hat der Kläger nicht geltend gemacht. Sie hätte auch nicht auf die Veränderung eines Besoldungsbestandteils, sondern nur darauf gestützt werden können, dass die Gesamtbesoldung, bestehend aus Grundgehalt, Leistungsbezügen und eventuellen weiteren Bestandteilen, insgesamt zu niedrig sei. BVerwG 2 C 30.16 - Urteil vom 21. September 2017 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 2 A 11124/15.OVG - Urteil vom 05. April 2016 - VG Trier, 1 K 1913/14.TR - Urteil vom 15. September 2015 -","Urteil vom 21.09.2017 - BVerwG 2 C 30.16ECLI:DE:BVerwG:2017:210917U2C30.16.0 EN Teilweise Anrechnung einer Grundgehaltserhöhung auf Leistungsbezüge im Rahmen der Professorenbesoldung Leitsätze: 1. Ist eine die Besoldung in einem Teilaspekt reduzierende gesetzliche Regelung nach Ansicht des Beamten verfassungswidrig, so kann er dies nur mit der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO geltend machen. 2. Leistungsbezüge, welche auf der Grundlage von Berufungsvereinbarungen an Professoren gewährt werden, unterstehen dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG; dieser ist insoweit spezieller als die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. 3. Die teilweise Anrechnung einer Grundgehaltserhöhung auf bestehende Leistungsbezüge stellt auch dann einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die durch die zugesagten Leistungsbezüge begründete Rechtsposition dar, wenn der Anrechnungsbetrag geringer als der Erhöhungsbetrag ist und sich die Regelung damit erhöhend auf die Gesamtbezüge auswirkt. 4. Angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur W-Besoldung (Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263) bestand für die teilweise Anrechnung der Grundgehaltserhöhung auf bestehende Leistungsbezüge ein hinreichender sachlicher Grund für eine Vertrauensschutz ausschließende Neuregelung im System der Beamtenbesoldung selbst. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 und 5, Art. 125a Abs. 1 Satz 1 VwGO § 43 Abs. 1, § 144 Abs. 7 BBesG 2002 § 1 Abs. 2, §§ 33, 34 LBesG RP §§ 3, 37, 69 Abs. 7 Instanzenzug VG Trier - 15.09.2015 - AZ: VG 1 K 1913/14.TR OVG Koblenz - 05.04.2016 - AZ: OVG 2 A 11124/15.OVG Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.09.2017 - 2 C 30.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:210917U2C30.16.0] Urteil BVerwG 2 C 30.16 VG Trier - 15.09.2015 - AZ: VG 1 K 1913/14.TR OVG Koblenz - 05.04.2016 - AZ: OVG 2 A 11124/15.OVG In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. April 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger steht als Professor (Besoldungsgruppe W 2) im Dienste des beklagten Landes. Er erhält gemäß einer Berufungsvereinbarung aus dem Jahr 2009 neben den regulären Bezügen unbefristet (ruhegehaltsfähige) Berufungsleistungsbezüge. Nach der Berufungsvereinbarung standen ihm diese Bezüge für 2013 i.H.v. 314,34 €/Monat zu. Im Oktober 2013 erhielt der Kläger vom Beklagten eine Bezügemitteilung, wonach die pauschale Erhöhung des Grundgehalts von 240 € ab Januar 2013 in Höhe eines Betrags von 90 € auf die Berufungsleistungsbezüge angerechnet wird. 2 Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück und bezog sich zur Begründung auf das zum 1. Januar 2013 in Kraft getretene Landesbesoldungsgesetz. 3 In den Vorinstanzen hat der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung der Festsetzung der Bezüge und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids zu verurteilen, ihm für den in der Besoldungsmitteilung genannten Zeitraum die Besoldung ohne teilweise Kürzung des Leistungsbezugs auszuzahlen. Diese Klage ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anrechnung dem Gesetz entspreche. Dieses sei verfassungsgemäß. Die teilweise Anrechnung der pauschalen Grundgehaltserhöhung auf die Leistungsbezüge des Klägers verletze weder die hergebrachten Grundsätze des Hochschullehrerbeamtenrechts noch die Eigentumsgarantie. Auch das allgemeine Gleichbehandlungsgebot und der Grundsatz des Vertrauensschutzes seien gewahrt. 4 Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision. 5 Der Kläger beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. April 2016 und des Verwaltungsgerichts Trier vom 15. September 2015 sowie den Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom 25. September 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, bei der Bemessung der Bezüge des Klägers für die Zeit seit Januar 2013 das Grundgehalt des Klägers in Höhe von monatlich 90 € auf die Leistungsbezüge des Klägers anzurechnen. 6 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt weder Bundesrecht noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). 8 1. Richtige Klageart für das Begehren, ungeschmälerte Leistungsbezüge zu erhalten, ist die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Gesetzgeber genießt im Bereich der Besoldung einen weiten Gestaltungsspielraum. Deswegen und wegen des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Landesbesoldungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz - LBesG - vom 18. Juni 2013, GVBl. S. 157) können keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Das gilt nicht nur für begehrte Leistungen, die das Gesetz nicht vorsieht, sondern gleichermaßen auch bei gesetzlich vorgesehenen Leistungskürzungen. Denn in jedem Fall ist es dem Gesetzgeber vorbehalten, die Gesamtbesoldung, die aus verschiedenen Teilen bestehen kann, festzulegen. Eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Anspruch nur bei der Annahme der Verfassungswidrigkeit einer einzelnen Norm besteht, kann daher nicht im Wege der allgemeinen Leistungsklage erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 Rn. 28 f.). Der Wechsel der Klageart im Verhältnis zu den Vorinstanzen gilt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO nicht als Klageänderung und verstößt somit nicht gegen § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 9 2. Gemäß § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP wird der zum 1. Januar 2013 in Kraft tretende Erhöhungsbetrag des Grundgehalts der Besoldungsgruppe W 2 (240 €) auf Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge sowie besondere Leistungsbezüge nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (BBesG 2002), die an Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe W 2 laufend monatlich gezahlt werden, über deren Gewährung bis zum 31. Dezember 2012 entschieden worden ist und deren Zahlung bis zu diesem Zeitpunkt begonnen hat, angerechnet. 10 Diese Norm verstößt nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG). Das zu diesen Grundsätzen gehörende Alimentationsprinzip schützt nicht nur allgemein den Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Alimentation, sondern es bewirkt auch den Schutz der aufgrund einer Berufungs- oder Bleibevereinbarung vergebenen Leistungsbezüge. Mit Blick auf Besoldungsbestandteile ist Art. 33 Abs. 5 GG gegenüber Art. 14 Abs. 1 GG spezieller, sodass eine Überprüfung der angegriffenen Regelung anhand des Eigentumsgrundrechts ausscheidet (a). Die Anrechnung des Grundgehalts auf bestehende Leistungsbezüge greift in rechtliche Positionen ein, die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt werden (b). Dieser Eingriff ist hier jedoch gerechtfertigt (c). 11 a) Das aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) hergeleitete Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Im Rahmen dieser Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber die Attraktivität der Dienstverhältnisse für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation kommt es auf ihre Gesamthöhe an, zu deren Ermittlung neben dem Grundgehalt auch weitere Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen heranzuziehen sind, auch wenn diese für sich betrachtet nicht den verfassungsrechtlichen Schutz eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG genießen sollten (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64 Rn. 93; Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. - BVerfGE 140, 240 Rn. 72). 12 Die Leistungsbezüge der Professoren sind ein Teil ihrer Besoldung. Zum Zeitpunkt der Berufungsvereinbarung und der darauf folgenden (erstmaligen) Gewährung der hier in Rede stehenden Leistungsbezüge des Klägers im Jahr 2009 galt im Land Rheinland-Pfalz das Bundesbesoldungsgesetz in der am 28. August 2006 geltenden Fassung als ""eingefrorenes"" Bundesrecht (Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG) fort. Mit dem Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung (Professorenbesoldungsreformgesetz - ProfBesReformG) vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 686) war zuletzt der Wortlaut des § 1 Abs. 2 BBesG, der regelt, welche Dienstbezüge zur Besoldung gehören, in seiner Nr. 2 von ""Zuschüsse zum Grundgehalt für Professoren an Hochschulen"" in ""Leistungsbezüge für Professoren sowie hauptberufliche Leiter und Mitglieder von Leitungsgremien an Hochschulen"" geändert worden. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung führte hierzu aus, die Vorschrift stelle klar, dass Leistungsbezüge als Dienstbezüge Bestandteil der Besoldung sind (BT-Drs. 14/6852 S. 12). Mit dieser Neuregelung wurde die frühere Besoldungsordnung C, welche das Grundgehalt in vom Lebensalter abhängigen Stufen ansteigen ließ, durch die neue Besoldungsordnung W ohne Altersstufen ersetzt. An die Stelle der Altersstufen der Besoldungsordnung C traten die das Grundgehalt ergänzenden variablen Leistungsbezüge (BR-Drs. 402/01 S. 21). 13 Leistungsbezüge verlieren nicht dadurch ihren Charakter als Besoldung, dass sie auf der Grundlage von Berufungs- oder Bleibeverhandlungen gewährt werden. Insbesondere wird hierdurch nicht gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung der Besoldung verstoßen. Die Gesetzesbindung der Besoldung ist ein nach Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigender hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <299>; BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 8 und vom 27. März 2014 - 2 C 2.13 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 13 Rn. 18). Dieser Grundsatz verbietet es, einem Beamten eine gesetzlich nicht vorgesehene Besoldung zu gewähren (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 2 B 169.82 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Zulässigkeit leistungsbezogener Bezahlungselemente setzt danach voraus, dass ein gesetzlicher Rahmen den Anlass und die Möglichkeiten der Leistungsgewährung bestimmt, die Leistung aufgrund Verwaltungsentscheidung bewilligt wird und diese Bewilligungsentscheidung dann in die Bezügeberechnung eingeht (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <299>). 14 Die streitgegenständlichen Berufungsleistungsbezüge des Klägers sind eine in diesem Sinne gesetzlich vorgesehene Besoldung. In den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist explizit vorgesehen, dass Berufungsleistungsbezüge gewährt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LBesG RP; § 1 Abs. 2 Nr. 2 und § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG 2002), dass sie ausgehandelt werden (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBesG RP und § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG 2002) und welche Maßgaben dafür inhaltlich gelten (§ 37 Abs. 2, §§ 38, 40 LBesG RP und § 33 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1, 3, 4, Abs. 4 und § 34 BBesG 2002). Die diesbezügliche Entscheidung des Beklagten geht in die Bezügeberechnung ein. 15 Mit der Zugehörigkeit zur Besoldung der Professoren unterfallen die Leistungsbezüge dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Die Dienstbezüge der Professoren unterscheiden sich zwar grundlegend von den allgemeinen Bezügen der Beamten. Letztere sind in ihrer konkreten Höhe durch das Gesetz festgelegt. Sie bestimmen sich im Wesentlichen nach den Grundgehaltssätzen, die bei Berücksichtigung von Erfahrungszeiten für alle Beamten desselben Statusamtes bzw. gleichrangiger Statusämter dieselbe Besoldung vorsehen. Hierdurch wird der Grundsatz der dem Amt angemessenen Alimentation verwirklicht. Zusätzliche Bezüge, die das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht, sind gemäß § 2 Abs. 1 LBesG RP unzulässig. Aus dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und dem Alimentationsprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG folgt dabei ein Abstandsgebot, das es dem Gesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums untersagt, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 u.a. - ZBR 2017, 340 Rn. 75). 16 Im Besoldungsrecht der Hochschullehrer gelten demgegenüber Abweichungen von diesen Grundsätzen, die es ermöglichen, durch die Gewährung zuvor vereinbarter Leistungsbezüge die erforderliche und hinreichende Attraktivität der Hochschullehrerstellen erst herzustellen, um so qualifizierte Hochschullehrer für diese Stellen zu gewinnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <331>). Hier besteht eine Besonderheit, die dem Leistungsprinzip Vorrang vor dem Abstandsgebot einräumt. Denn - wie das Beispiel des hier relevanten rheinland-pfälzischen Hochschullehrerbesoldungsrechts zeigt - können Berufungs- und Bleibeverhandlungen die Grundlage für Leistungsbezüge sein, die gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 LBesG RP in einzelnen Fällen jedenfalls in der Besoldungsgruppe W 3 eine Gesamtbesoldung oberhalb eines Staatssekretärsgehalts (Besoldungsgruppe B 10) ermöglichen und damit mehr als eine Verdopplung des allgemein für die Besoldungsgruppe W 3 geltenden Grundgehalts erlaubt (zur fehlenden ""Plafondierung"" nach oben bereits BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <309>). Gleichwohl gehören auch solche Leistungsbezüge zur Besoldung der Professoren (s.o.) und unterfallen dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <330 f.>). 17 Die dem Kläger gewährten Leistungsbezüge sind jedenfalls bis zu einer Höhe von 40 % des Grundgehalts gemäß § 33 Abs. 3 BBesG 2002 ruhegehaltfähig. Dies unterstreicht zusätzlich, dass sie der Sicherung der amtsangemessenen Alimentation dienen und damit dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <301>). 18 Einer Unterscheidung zwischen dem alimentativen und dem additiven Charakter der Leistungsbezüge (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <308 ff.>) bedarf es hier nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat den alimentativen Charakter der in der genannten Entscheidung im Streit stehenden Leistungsbezüge deswegen verneint, weil diese nicht jedem Professor zustanden und auch nicht zwingend dauerhaft zu gewähren waren. Sie seien damit nicht geeignet, die aufgrund zu niedriger Grundgehaltssätze bestehende Unteralimentation zu kompensieren. Hier geht es hingegen um dauerhaft gewährte Leistungsbezüge, die nicht erforderlich sind, um eine Unteralimentation zu kompensieren, sondern die einen über die Mindestalimentation hinausgehenden Bezügebestandteil darstellen und die somit einen Teil der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Alimentation bilden. Auch der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren klargestellt, dass die Leistungsbezüge hier nicht die Funktion haben, seine Besoldung, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64 Rn. 93), erst über das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß zu heben. 19 Dem Gesetzgeber steht bei der Bemessung der Alimentation ein weiter Spielraum zu (BVerfG, Urteile vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <288 f.> und vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <294>), der nach unten hin durch die Mindestalimentation begrenzt wird, welche in den vergangenen Jahren durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteile vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 und vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64; Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u.a. - BVerfGE 140, 240) Konkretisierungen erfahren hat. Es wäre angesichts dieses Spielraums unzutreffend anzunehmen, dass sämtliche Besoldungsteile, die oberhalb der Mindestalimentation liegen, nicht mehr dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterfallen. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, die amtsangemessene Alimentation auch oberhalb dieser Untergrenze festzulegen. 20 Soweit der Schutzbereich des Art. 33 Abs. 5 GG reicht, verdrängt er aus Gründen der Spezialität die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf Gehalts- und Versorgungsbezüge aus öffentlichen Kassen vermitteln beide Grundrechte ohnehin dasselbe Schutzniveau (BVerfG, Urteile vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257 <308> und vom 5. Juli 1989 - 1 BvL 11/87 u.a. - BVerfGE 80, 297 <313 f.>; Beschlüsse vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <330 f.> und vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <294>; BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 24). Eines gesonderten Schutzes durch Art. 14 Abs. 1 GG bedürfen die bereits durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Ansprüche daher nicht. 21 b) Die Anrechnungsregelung des § 69 Abs. 7 LBesG RP greift in subjektive Rechtspositionen des Klägers ein, die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt sind. 22 Allerdings ist nicht von einem Eingriff in die Alimentationshöhe an sich auszugehen. Durch den Erlass des Landesbesoldungsgesetzes haben sich die Gesamtbezüge des Klägers nicht verringert, sondern sie sind um 150 € gestiegen. Das folgt aus der pauschalen Erhöhung des Grundgehaltssatzes um 240 € bei gleichzeitiger Anrechnung dieser Erhöhung um - wie hier - maximal 90 € auf die Leistungsbezüge. 23 Ein Eingriff ist gleichwohl anzunehmen, und zwar unabhängig von der Frage, ob die angegriffene Vorschrift bei rein rechnerischer Betrachtung zu einer Kürzung oder zu einem sonstigen Einschnitt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum relativen Normbestandsschutz (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64 Rn. 128) führt. Das folgt aus den Besonderheiten des Professorenbesoldungsrechts. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG 2002 eröffnet den Professoren - gleichermaßen wie § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBesG RP - das Recht, in Berufungs- und Bleibeverhandlungen Vereinbarungen über Leistungsbezüge zu treffen. Auf dieser Grundlage entscheidet der Dienstherr der Professoren durch Verwaltungsakt über die Gewährung von Leistungsbezügen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <308>). Berufungs- und Bleibeverhandlungen stellen nach der gesetzlichen Systematik nur eine Vorfeldmaßnahme dar, auf deren Grundlage der Dienstherr seine Entscheidung über die Gewährung von Leistungsbezügen stützt, und zwar in Form einer Zusage. Dies folgt auch daraus, dass das Gesetz in § 33 Abs. 1 BBesG 2002 variable Leistungsbezüge aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen anderen variablen Leistungsbezügen gleichsetzt, die etwa für besondere Leistungen in Forschung, Lehre etc. gewährt werden, ohne dass hierüber zuvor Verhandlungen geführt werden. 24 Die Gewährung von Leistungsbezügen auf der Grundlage einer zuvor getroffenen Berufungs- oder Bleibevereinbarung im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 BBesG 2002 begründet eine eigenständige Rechtsposition, welche den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießt. Die Reduzierung der gewährten Leistungsbezüge durch Gesetz greift in diese Position ein. 25 c) Der Umstand, dass die Leistungsbezüge dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterfallen, bedeutet nicht, dass diese in ihrer konkreten Ausgestaltung unantastbar sind. Dem Gesetzgeber steht es nach dieser Vorschrift vielmehr zu, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Das gilt grundsätzlich auch für Besoldungselemente, die auf einer Berufungsvereinbarung beruhen (Dorff, MittHV 1982, 297 <299>). 26 Im Unterschied zu Art. 129 Abs. 3 WRV schützt Art. 33 Abs. 5 GG gerade nicht die wohl erworbenen Rechte der Beamten (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <335>). Der Gesetzgeber darf vielmehr beamtenrechtliche Regelungen an neue Entwicklungen und neue Sachverhalte anpassen. Durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Rechtspositionen darf er dabei nicht grundsätzlich infrage stellen, sondern sie lediglich aus sachlichen Gründen verändern. Im Bereich des Besoldungsrechts können solche sachlichen Gründe insbesondere dann gegeben sein, wenn sie ihre Rechtfertigung im System der Beamtenbesoldung finden; ein Abstellen allein auf finanzielle Erwägungen ist allerdings unzulässig (BVerfG, Urteile vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <289, 291> und vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 u.a. - BVerfGE 139, 64 Rn. 128; Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/74 u.a. - BVerfGE 52, 303 <336>). 27 Solche sachlichen Gründe sind hier gegeben. Bei der Umstellung von der C-Besoldung auf die W-Besoldung durch das Professorenbesoldungsreformgesetz wurden die Grundgehaltssätze bei gleichzeitiger Aufstockung des Gesamtvolumens von Leistungsbezügen herabgesetzt. Diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung beanstandet worden, dass die herabgesetzten Grundgehaltssätze nicht mehr der zu gewährenden Mindestalimentation genügten und dass die Möglichkeit, Leistungsbezüge zu gewähren, diesen Umstand nicht kompensieren könne, weil nicht sichergestellt sei, dass jeder Professor in den Genuss solcher Bezüge komme (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <308 ff.>). Die Landesgesetzgeber, in deren Ländern diese zunächst als Bundesrecht geschaffene Regelung auch über den 31. August 2006 fortgalt, waren infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehalten, das System der Professorenbesoldung zu reformieren. Dass der Beklagte im Rahmen dieser Reform neben der Anhebung der Grundgehaltssätze auch eine Abschmelzung bestehender Leistungszulagen vorsah, deren Umfang jedoch auf maximal 90 € begrenzt war und damit höchstens gut ein Drittel des garantierten Besoldungszuwachses konsumierte, erscheint vor diesem Hintergrund nicht sachwidrig. Vielmehr befand sich der Gesetzgeber in einer Situation, die im Vertragsrecht als Wegfall der Geschäftsgrundlage bezeichnet würde und die folglich trotz bestehender Vereinbarung zu einer Anpassung der Verhältnisse berechtigte. 28 3. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Leistungsbezüge des Klägers dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfielen, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Die in § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP enthaltene abstrakt-generelle Anrechnungsregelung stellte sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Diese Anrechnungsregelung genügte auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; insbesondere wäre insoweit zu berücksichtigen, dass dem Anrechnungsbetrag ein Erhöhungsbetrag gegenübersteht, der nahezu das dreifache Volumen hat und damit den Eingriff mehr als kompensierte. 29 4. Die Anrechnungsregelung des § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 30 Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Es steht dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <329 f.>; BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 31). 31 a) Vor diesem Hintergrund ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass sich die Anrechnungsregelung des § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP allein auf Leistungsbezüge gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BBesG 2002 bezieht, und damit Leistungsbezüge nach Nr. 3 dieser Vorschrift, welche für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung oder der Hochschulleitung gewährt werden, von der Anrechnung ausnimmt. Denn der Zweck der letztgenannten Leistungsbezüge rechtfertigt diese Differenzierung. Funktionsleistungsbezüge nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBesG 2002 werden für eine konkrete Gegenleistung, welche in der Tätigkeit in der Hochschulselbstverwaltung oder der Hochschulleitung besteht, gewährt. Anders als Bezüge nach Nr. 1 und 2 können sie allein für die Dauer der Wahrnehmung der Funktion oder Aufgabe gewährt werden, was Satz 3 dieser Vorschrift klarstellt. Sie sind - anders als Leistungsbezüge nach Nr. 1 und 2 - auch nicht voll ruhegehaltfähig (§ 33 Abs. 3 BBesG 2002). Den wahrgenommenen Funktionen kommt zudem im Hinblick auf den Hochschulbetrieb eine Bedeutung zu, die Grundvoraussetzung für das Wirken der Hochschule selbst und aller an ihr tätigen Professoren ist. 32 b) Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung besteht auch nicht darin, dass von der Anrechnungsregelung des § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP nur solche Leistungsbezüge erfasst werden, über deren Gewährung bis zum 31. Dezember 2012 entschieden worden ist. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine zulässige Stichtagsregelung. Es ist dem Gesetzgeber nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (stRspr, BVerfG, Urteil vom 5. Juli 1989 - 1 BvL 11/87 u.a. - BVerfGE 80, 297 <311>; Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 <301>; Kammerbeschluss vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 1170/14 - FamRZ 2015, 1263 Rn. 41). Hier besteht der sachliche Grund darin, dass die gesamte Besoldung für Professoren zum 1. Januar 2013 umgestellt worden ist und damit Leistungsbezüge, welche ab diesem Tag gewährt werden, ohnehin schon den Inhalt der neuen Regelung berücksichtigen. 33 5. Die Anrechnungsregelung des § 69 Abs. 7 Satz 1 LBesG RP verstößt auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot. 34 Zwar ist bei der Regelung von einer echten Rückwirkung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 - BVerfGE 131, 20 <36>) auszugehen. Sie ist gemäß Art. 34 Abs. 1 Nr. 2 des Landesgesetzes zur Reform des finanziellen öffentlichen Dienstrechts vom 18. Juni 2013 (GVBl. S. 157) mit Wirkung vom 1. Januar 2013 in Kraft getreten und bewirkt Rechtsfolgen für die Besoldung der Professoren ab Januar 2013. Da das Rückwirkungsverbot jedoch seine Grundlage im Vertrauensschutzprinzip findet (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 - BVerfGE 131, 20 <39 ff.>), kann auch die echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig sein, wenn auf Seiten des Betroffenen kein schutzwürdiges Vertrauen (mehr) vorhanden ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtslage unklar oder verworren ist oder wenn ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten ist (BVerfG, ebd. S. 41). Erst recht muss das dann gelten, wenn die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Rechtslage positiv durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist und dem Gesetzgeber die Behebung dieses Zustands obliegt. 35 Der Kläger durfte Anfang 2013 nicht mehr auf den uneingeschränkten Bestand seiner Leistungsbezüge vertrauen. Das lässt sich nicht schon aus dem laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Änderung der W-Besoldung herleiten; denn der entscheidende Änderungsantrag, der die streitgegenständliche Konsumtionsregelung enthielt, datiert erst vom 1. März 2013 (Vorlage 16/2283 zu LT-Drs. 16/1822) und ist somit jedenfalls nicht für die Monate Januar und Februar 2013 geeignet, das Vertrauen des Klägers in den Bestand der alten Rechtslage auszuschließen. 36 Der Kläger hatte allerdings schon infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - (BVerfGE 130, 263) mit einer vollständigen Neuregelung des Besoldungssystems für Professoren zu rechnen. Das beruht darauf, dass die Regelung des Beklagten derjenigen des Landes Hessen, welches Beteiligter in dem genannten Verfahren des Bundesverfassungsgerichts war, inhaltlich entsprach. Der Beklagte war als Nichtbeteiligter zwar nicht direkter Adressat der Entscheidungsformel. Gleichwohl war jedoch auch er erkennbar gehalten, eine Neuregelung der W-Besoldung vorzunehmen. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich auch entnehmen, dass dem Gesetzgeber bei der Neugestaltung ein Spielraum zukam, der sowohl die Höhe der Grundgehaltssätze als auch die Ausgestaltung der Leistungsbezüge als Variablen enthielt (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <311 f.>). Damit musste allen Hochschullehrern bekannt sein, dass in allen betroffenen Ländern die Regelungen zur W-Besoldung neu zu fassen waren. 37 6. Anhaltspunkte dafür, dass die Gesamtbesoldung des Klägers unterhalb des Mindestalimentationsniveaus liegt, bestehen nicht. Hierfür reicht es ohnehin nicht aus, sich auf die Rechtswidrigkeit nur eines Besoldungsbestandteils zu berufen. Vielmehr wäre vom Kläger geltend zu machen, dass seine Gesamtalimentation unzureichend sei (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 52.08 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 36 Rn. 14). Hierauf zielt das klägerische Vorbringen indes nicht ab. 38 7. Verfahrensfehler liegen nicht vor. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 144 Abs. 7 VwGO abgesehen. Die Voraussetzungen des Satzes 2 dieser Vorschrift, welche eine Begründung ausnahmsweise erforderlich machen, sind nicht gegeben. 39 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-71,25.10.2017,"Pressemitteilung Nr. 71/2017 vom 25.10.2017 EN Kein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei „schwacher“ Auslandsadoption Die Adoption eines minderjährigen Kindes im Ausland durch einen Deutschen führt für das Kind in aller Regel nur dann zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn die Auslandsadoption auch zum Erlöschen des Eltern-Kind-Verhältnisses zu den leiblichen Eltern führt. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens war das Begehren einer kongolesischen Staatsangehörigen auf Ausstellung eines deutschen Staatsangehörigkeitsausweises. Dies setzt hier voraus, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Annahme als Kind gemäß § 6 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) erworben hat. Die 1993 geborene Klägerin stammt aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und wurde dort im Jahr 2006 vor Vollendung des 18. Lebensjahres von ihrem Onkel adoptiert, nachdem beide leiblichen Eltern verstorben waren. Anschließend reiste sie mit einem Visum nach Deutschland ein und lebt seitdem hier. Der Onkel, der ebenfalls aus der DR Kongo stammt, hatte bereits vor der Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Da die DR Kongo nur die sog. „schwache Adoption“ kennt, bei der das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht erlischt und u.a. weiterhin (subsidiäre) Unterhaltsansprüche im Verhältnis zur bisherigen Familie fortbestehen, hat das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat den Staatsangehörigkeitserwerb bejaht, das Oberverwaltungsgericht Münster hingegen verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch eine Auslandsadoption verlangt § 6 StAG nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass diese auch in Deutschland wirksam und einer Adoption nach deutschem Recht wesensgleich ist. Die familienrechtliche Wirksamkeit der Auslandsadoption stand hier aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2008 fest. Aus der familiengerichtlichen Entscheidung ergab sich aber auch, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren leiblichen Eltern nicht erloschen ist. Genau dies kennzeichnet aber eine Adoption nach deutschem Recht. Damit fehlt es an einer für die Wesensgleichheit mit einer deutschen Volladoption zentralen Voraussetzung. Die Kappung der Bande zu den leiblichen Eltern ist von zentraler Bedeutung für die Integration des Kindes in die neue Familie. Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall ein oder beide leiblichen Elternteile verstorben oder verschollen sind. Im Staatsangehörigkeitsrecht ist das Gebot der Rechtssicherheit von so erheblicher Bedeutung, dass klare abstrakte Kriterien für die rechtliche Gleichwertigkeit der Adoptionswirkungen und damit den Staatsangehörigkeitserwerb geboten sind. BVerwG 1 C 30.16 - Urteil vom 25. Oktober 2017 Vorinstanzen: OVG Münster, 19 A 1132/14 - Urteil vom 26. Juli 2016 - VG Köln, 10 K 3084/13 - Urteil vom 16. April 2014 -","Urteil vom 25.10.2017 - BVerwG 1 C 30.16ECLI:DE:BVerwG:2017:251017U1C30.16.0 EN Kein gesetzlicher Erwerb der Staatsangehörigkeit bei ""schwacher Adoption"" Leitsätze: 1. Das für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 6 Satz 1 StAG zu erfüllende Tatbestandsmerkmal der ""nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind"" setzt voraus, dass eine im Ausland vollzogene Adoption in Deutschland wirksam ist und in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht gleichsteht. 2. Die Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht setzt in der Regel voraus, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Adoptierten zu seinen leiblichen Eltern erlischt (§ 1755 BGB). 3. Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die die Rechtswirkungen nach dem ausländischen Recht denen nach deutschem Recht gegenüberstellt und nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall die leiblichen Eltern noch leben. Rechtsquellen AdWirkG §§ 2, 3, 4 BGB §§ 1755, 1756 FamFG §§ 107, 108, 109 GG Art. 16 Abs. 1 Haager Adoptionsübereinkommen Art. 2, 23 StAG § 6 Satz 1, §§ 10, 17, 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Instanzenzug VG Köln - 16.04.2014 - AZ: VG 10 K 3084/13 OVG Münster - 26.07.2016 - AZ: OVG 19 A 1132/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.10.2017 - 1 C 30.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:251017U1C30.16.0] Urteil BVerwG 1 C 30.16 VG Köln - 16.04.2014 - AZ: VG 10 K 3084/13 OVG Münster - 26.07.2016 - AZ: OVG 19 A 1132/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StAG, weil sie davon ausgeht, dass sie durch Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. 2 Die am 17. Juni 1993 in Kinshasa/Demokratische Republik (DR) Kongo (damals Zaire) geborene Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige. Ihr Vater verstarb im Jahr 1997, ihre Mutter im Jahr 2004. Noch vor dem Tod der Mutter wurde deren Bruder, einem in der DR Kongo geborenen katholischen Pfarrer, die Vormundschaft für die Klägerin zugesprochen. Dieser hatte im Oktober 2003 die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Mit Urteil vom 4. Mai 2006 stimmte das Friedensgericht von Kinshasa-Ngaliema/DR Kongo dem Adoptionsantrag des Onkels der Klägerin zu. 3 Das Amtsgericht Stuttgart stellte auf Antrag des Adoptivvaters durch Beschluss vom 31. Oktober 2008 fest, dass die in der DR Kongo erfolgte Annahme als Kind in Deutschland anzuerkennen ist, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme als Kind nicht erloschen ist, und dass das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht. 4 Im August 2011 beantragte der Adoptivvater beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für die Klägerin mit der Begründung, sie habe durch die Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das BVA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Mai 2012 ab. Die in der DR Kongo ausgesprochene Adoption sei eine sogenannte ""schwache Adoption"", da die Beziehungen zu der leiblichen Familie des Angenommenen weiterhin aufrechterhalten blieben. Das Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern erlösche nicht. Auch das Amtsgericht Stuttgart habe in seinem Beschluss nur in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht die Gleichwertigkeit des Annahmeverhältnisses mit einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis festgestellt. Schwache Adoptionen hätten für sich genommen keinen Staatsangehörigkeitserwerb zur Folge. Sie könnten jedoch auf Antrag umgewandelt werden. Ein solcher Antrag sei hier nicht gestellt worden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Die Klägerin reiste im Januar 2013 mit einem Visum zum Familiennachzug nach Deutschland ein, wo sie seitdem lebt. 5 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. Es hat offengelassen, ob sich die Wirkungen der Adoption der Klägerin nach deutschem oder nach kongolesischem Sachrecht beurteilen. Denn auch nach kongolesischem Adoptionsrecht begründe die Adoption die Gleichstellung des Kindes mit einem Kind des Annehmenden. Sie bewirke, dass der Adoptierte in jeder Hinsicht wie ein Kind des Adoptierenden angesehen werde, in die Familie des Adoptierenden eintrete und in der neuen Familie unterhalts- und erbberechtigt sei. Die Adoption sei auch hinsichtlich der Beziehungen zur Ursprungsfamilie einer deutschen Minderjährigenadoption gleichwertig. Die nach kongolesischem Recht grundsätzlich fortbestehenden Beziehungen zu den leiblichen Eltern seien im vorliegenden Fall als unschädlich anzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Verwandtenadoption einer minderjährigen Vollwaise handele. In diesen Fällen seien die zu den leiblichen Eltern fortbestehenden Beziehungen regelmäßig bloße Restbeziehungen. 6 Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben. Eine ""nach den deutschen Gesetzen wirksame Annahme als Kind"" im Sinne von § 6 Satz 1 StAG liege bei einer Auslandsadoption nur dann vor, wenn diese den Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach den §§ 1741 bis 1766 BGB im Wesentlichen gleichstehe. Im vorliegenden Fall stehe aber aufgrund der bindenden Wirkung des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2008 fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren leiblichen Eltern durch die Auslandsadoption nicht erloschen sei, das Annahmeverhältnis vielmehr nur in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichstehe. Diese nach § 2 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) getroffene Feststellung entfalte Bindungswirkung auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren. Eine solche ""schwache Adoption"" erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG nicht. Die Adoptionswirkungen bestimmten sich im vorliegenden Fall nach dem Recht der DR Kongo. Bei der Vergleichsbetrachtung von deutschem und kongolesischem Adoptionsrecht sei ein abstrakt-genereller Maßstab anzulegen und nicht auf die individuelle familiäre Situation der einzelnen adoptierten Person abzustellen. Es komme daher nicht darauf an, dass beide Eltern der Klägerin bereits vor ihrer Adoption verstorben waren. Die danach fortbestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen der Klägerin zu ihrer ursprünglichen Familie könnten die tatsächliche Eingliederung der Angenommenen in die neue Familie empfindlich stören, etwa indem (subsidiäre) Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht werden könnten. 7 Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Nach ihrer Auffassung stellt die Adoption nach kongolesischem Recht keine ""schwache Adoption"" dar. Dies ergebe sich aus Vorschriften des kongolesischen Adoptionsrechts. Für die Gleichwertigkeit der Auslandsadoption genüge eine rechtliche Gleichstellung des angenommenen Kindes mit dem leiblichen Kind des Annehmenden, sie erfordere aber nicht, dass das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen sei. Dem Erwerb der Staatsangehörigkeit stehe es nicht entgegen, wenn einzelne rechtliche Beziehungen zu den leiblichen Eltern bestehen blieben. Seien die Voraussetzungen einer vollständigen und grundsätzlich unwiderruflichen rechtlichen Integration in die neue Familie erfüllt, könne es nicht mehr entscheidend auf die Frage ankommen, in welchem Ausmaß rechtliche Beziehungen zur alten Familie beibehalten würden. Bei dem im Rahmen von § 6 StAG anzustellenden Vergleich der adoptionsrechtlichen Regelungen in Deutschland und in der DR Kongo sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Verwandtenadoption handele, bei der nach § 1756 Abs. 1 BGB nur das Verwandtschaftsverhältnis zu den Eltern des Kindes erlösche, die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse hingegen - wie im kongolesischen Recht - bestehen blieben. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin Vollwaise sei und damit keine Eltern-Kind-Beziehung zu der ursprünglichen Familie der Klägerin mehr bestehe. Insoweit sei beim Vergleich der Adoptionsfolgen eine konkret-individuelle und keine abstrakt-generelle Betrachtung geboten. 8 Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts. II 9 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Ausstellung des begehrten Staatsangehörigkeitsausweises hat. Denn die Voraussetzungen des § 6 StAG für den Erwerb der Staatsangehörigkeit infolge einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind sind nicht erfüllt. 10 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StAG. Dieses verfolgt sie in statthafter Weise mit der Verpflichtungsklage (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 12). Lediglich eine - wenn auch zentrale - Vorfrage dazu ist, ob die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 6 StAG erworben hat. 11 Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Anspruchs auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - NVwZ 2017, 1312 Rn. 9) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2218). Allerdings ist für den Erwerb der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes aus Gründen materiellen Rechts auf die Rechtslage bei Annahme der Klägerin als Kind im Jahr 2006 abzustellen. Maßgeblich hierfür ist § 6 StAG in der Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) erhalten hat und die bis heute gültig ist. 12 Nach § 6 Satz 1 StAG erwirbt eine Person, die im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Senat legt das Tatbestandsmerkmal der ""nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind"" dahin aus, dass eine im Ausland vollzogene Adoption in Deutschland wirksam sein und in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht gleichstehen muss. 13 1. Ausländische Adoptionen können in Deutschland nur Rechtswirkungen entfalten, wenn sie als im Inland wirksam anerkannt werden. Die Anerkennung erfolgt dabei grundsätzlich ipso iure. Über sie entscheidet jedes deutsche Gericht und jede Behörde inzident in dem Verfahren, in dem es auf die Wirksamkeit der ausländischen Adoption ankommt, so auch im Verfahren nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Auflage 2016, § 14 Rn. 69). Das deutsche Recht macht die Anerkennung von ausländischen Adoptionsentscheidungen daher - anders als die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in § 107 FamFG - nicht von einer allgemeinverbindlichen Feststellungsentscheidung abhängig. Vielmehr geht § 108 Abs. 1 FamFG grundsätzlich von der Anerkennungsfähigkeit der Adoptionsentscheidungen aus, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Anerkennung nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist indes ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung gegen Grundrechte verstößt. 14 1.1 Allerdings gibt es Verfahren, die familienrechtlich wirksame Anerkennung von Adoptionsentscheidungen herbeizuführen. So sieht das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. 2001 II S. 1034) ein Bescheinigungsverfahren durch die zuständige Behörde des Adoptionsstaates vor, dass die Adoption gemäß dem Haager Übereinkommen zustande gekommen ist. Diese Bescheinigung hat zur Folge, dass die Auslandsadoption von den anderen Vertragsstaaten als familienrechtlich wirksam anerkannt wird (Art. 23 Abs. 1). Das Haager Übereinkommen ist nach seinem Art. 2 anzuwenden, wenn ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat (""Heimatstaat"") in einen anderen Vertragsstaat (""Aufnahmestaat"") gebracht worden ist, wird oder werden soll. Das Haager Übereinkommen ist hier aber nicht anwendbar, da zwar Deutschland Vertragsstaat des Haager Übereinkommens ist, nicht aber die DR Kongo. 15 Eine weitere Möglichkeit der familienrechtlichen Anerkennung, die hier in Anspruch genommen wurde, eröffnet das Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (AdWirkG) vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2953), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). Das Gesetz sieht ein gerichtliches Verfahren vor, in dem insbesondere die Anerkennung und die Wirkungen ausländischer Adoptionsakte (innerhalb wie außerhalb des Anwendungsbereichs des Haager Übereinkommens) allgemeinverbindlich geklärt werden können. § 2 AdWirkG eröffnet den Beteiligten des Adoptionsverfahrens die Möglichkeit, zur Herbeiführung von Rechtssicherheit eine bindende Entscheidung über die Anerkennung einer ausländischen Adoption und deren Wirkungen in Deutschland herbeizuführen. Nach § 2 Abs. 1 AdWirkG stellt das Familiengericht fest, ob eine Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam ist und ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist. Nach § 2 Abs. 2 AdWirkG ist im Falle einer anzuerkennenden oder wirksamen Annahme zusätzlich festzustellen, dass das Annahmeverhältnis einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht, wenn das genannte Eltern-Kind-Verhältnis erloschen ist (Nr. 1), andernfalls, dass das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht des Annehmenden einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (Nr. 2). Der familiengerichtlichen Entscheidung nach § 2 AdWirkG kommt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG eine umfassende Bindungswirkung ""für und gegen alle"" zu, von der lediglich die bisherigen Eltern ausgenommen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juli 2007 - BVerwG 5 B 4.07 - FamRZ 2007, 1550 und vom 2. Juli 2012 - 10 B 12.12 - Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 6 Rn. 3 f.). 16 1.2 Die Auslandsadoption der Klägerin vom Mai 2006 ist in Deutschland familienrechtlich wirksam, weil das Amtsgericht Stuttgart dies durch Beschluss vom 31. Oktober 2008 nach § 2 AdWirkG rechtskräftig festgestellt hat. Zugleich steht aufgrund der amtsgerichtlichen Entscheidung fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme nicht erloschen ist (§ 2 Abs. 1 AdWirkG) und das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AdWirkG). Diese Feststellungen wirken nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG für und gegen alle, sind also auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren nach § 6 StAG verbindlich (BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 5 B 4.07 - FamRZ 2007, 1550 Rn. 7). 17 2. Die familienrechtlich wirksame Adoption der Klägerin steht jedoch in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht nicht gleich. Daher fehlt es an einer Voraussetzung des § 6 Satz 1 StAG. 18 2.1 Das Erfordernis der Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 6 StAG, wohl aber aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung des historischen Willens des Gesetzgebers. 19 Vom Erfordernis der Wirkungsgleichheit ist schon der Gesetzgeber bei Erlass der Vorgängerregelung in § 6 RuStAG (heute: StAG) im Jahr 1976 ausgegangen. Der Staatsangehörigkeitserwerb des ausländischen Kindes wurde seinerzeit im Gesetzentwurf der Bundesregierung damit begründet, dass dieses durch die Adoption ""die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden"" erwirbt. Das lasse es als gerechtfertigt erscheinen, das minderjährige Kind auch staatsangehörigkeitsrechtlich den ehelichen Kindern Deutscher gleich zu behandeln. Eine solche Gleichbehandlung sei hingegen nicht erforderlich bei Erwachsenen, deren Annahme auch nach der Neuordnung des Adoptionsrechts mit schwächeren Wirkungen ausgestattet sei (vgl. BT-Drs. 7/3061 S. 64). Der Hinweis auf die abweichende Regelung bei Erwachsenen-Adoptionen verdeutlicht, dass der tragende Gesichtspunkt für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes die nach deutschem Recht mit einer Minderjährigenadoption verbundenen Wirkungen waren. Bleibt die Auslandsadoption aber - wie in vielen Ländern der Welt - in ihren Wirkungen wesentlich hinter der deutschen Minderjährigenadoption zurück, entfällt die Rechtfertigung für die Gleichstellung durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Vom Erfordernis der Wesensgleichheit ist der Gesetzgeber auch in der Folgezeit ausgegangen. So wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Adoptionswirkungsgesetz im Jahr 2001 darauf hingewiesen, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung voraussetze, dass eine im Ausland vollzogene Annahme durch Deutsche in ihren Wirkungen nicht wesentlich hinter denen der Minderjährigenadoption deutschen Rechts zurückbleibe (BT-Drs. 14/6011 S. 28). 20 Die vom Gesetzgeber in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat auch in der Folgezeit am Erfordernis der Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht festgehalten (OVG Hamburg, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 3 Bf 275/04 - InfAuslR 2007, 301). Auch hat das Bundesverwaltungsgericht für den Sonderfall der Adoption eines Kindes nach Eintritt der Volljährigkeit zu den Bedingungen der Minderjährigenadoption den Staatsangehörigkeitserwerb nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn eine Auslandsadoption der Adoption nach deutschem Recht wesensgleich ist, indem sie zivilrechtlich im Wesentlichen die Wirkungen einer Volladoption entfaltet (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <118 f.>). 21 2.2 Von zentraler Bedeutung für die Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht ist, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Adoptierten zu seinen leiblichen Eltern erlischt (§ 1755 BGB). Diese Rechtsfolge hat selbst eine Verwandtenadoption nach § 1756 Abs. 1 BGB, bei der die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse bestehen bleiben. Erlischt das Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern bei einer Auslandsadoption nicht, scheidet ein Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG in aller Regel aus. Das fehlende Erlöschen steht der Wirkungsgleichheit einer ""schwachen Adoption"" entgegen, bei der ein verwandtschaftliches Verhältnis zu den leiblichen Eltern fortbesteht. Die Kappung der Bande zu den leiblichen Eltern ist von zentraler Bedeutung für die Integration des Kindes in die neue Familie. Keine derart zentrale Bedeutung kommt hingegen dem Fortbestehen bestimmter unterhalts- und erbrechtlicher Bindungen zu. Sie sind allerdings mit in eine Gesamtabwägung bei der Beurteilung der für den Staatsangehörigkeitserwerb maßgeblichen Voraussetzung einzustellen, ob die Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht weitgehend wirkungsgleich ist. 22 2.3 Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die die Rechtswirkungen nach dem ausländischen Recht denen nach deutschem Recht gegenüberstellt und nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall die leiblichen Eltern noch leben oder - wie hier - bereits verstorben sind. Im Staatsangehörigkeitsrecht ist das Gebot der Rechtssicherheit von so erheblicher Bedeutung, dass klare abstrakte Kriterien für die rechtliche Gleichwertigkeit der Adoptionswirkungen und damit den Staatsangehörigkeitserwerb geboten sind. Das gilt in besonderer Weise für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes. Das Gebot der Rechtssicherheit hat aufgrund der verfassungsrechtlichen Wertung in Art. 16 Abs. 1 GG besonderes Gewicht bei den Verlusttatbeständen nach § 17 StAG, ist aber auch bei der Auslegung der Tatbestände zu beachten, die einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes bewirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 42; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 26 und vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 25). 23 2.4 Aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2008 steht fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme nicht erloschen ist (§ 2 Abs. 1 AdWirkG). Diese Feststellung ist auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren bindend (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG). Damit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung für die Wirkungsgleichheit der im Jahr 2006 vollzogenen Auslandsadoption mit einer hier maßgeblichen Verwandtenadoption nach § 1756 Abs. 1 BGB. 24 Das Oberverwaltungsgericht hat auch keine Umstände festgestellt, die bei abstrakter Betrachtung ein Abweichen von der regelmäßig zu erfüllenden Voraussetzung des Erlöschens des Eltern-Kind-Verhältnisses zu den leiblichen Eltern rechtfertigen oder gebieten würden. Vielmehr wird in dem angefochtenen Urteil - für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) - festgestellt, dass nach dem für das Adoptionsverhältnis maßgeblichen kongolesischen Recht unterhaltsrechtliche Verpflichtungen des Kindes gegenüber seinen Eltern und sonstigen Verwandten fortbestehen, wenn diese sich zur Erlangung des Unterhalts nicht an ein anderes Mitglied ihrer Familie wenden können. Auch erbrechtlich bleibt das Kind dadurch gebunden, dass sein Nachlass grundsätzlich zu gleichen Teilen an die Ursprungsfamilie und die Adoptivfamilie fällt. Das sind erhebliche Unterschiede zum deutschen Unterhalts- und Erbrecht, wobei die fortbestehenden Bindungen geeignet sind, die Integration des Kindes in die neue Familie zu erschweren. Eine Erschwerung der Integration in die neue Familie kann sich darüber hinaus auch aus Nachzugsbegehren der leiblichen Eltern - solange diese noch leben - als ""sonstige Familienangehörige"" nach § 36 Abs. 2 AufenthG ergeben. 25 2.5 Im Übrigen können die negativen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer ""schwachen"" Auslandsadoption durch deren Umwandlung in eine Volladoption nach deutschem Recht bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AdWirkG abgewendet werden. Einen solchen Antrag haben die Klägerin bzw. ihr Adoptivvater nicht gestellt, solange die Klägerin noch minderjährig war. Die seit nahezu fünf Jahren in Deutschland lebende Klägerin kann die deutsche Staatsbürgerschaft aber weiterhin durch Einbürgerung nach § 10 StAG erlangen, der regelmäßig zu erfüllende achtjährige Aufenthalt kann bei Erfüllung bestimmter Integrationsvoraussetzungen auf sieben oder sechs Jahre abgekürzt werden (§ 10 Abs. 3 StAG). 26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-73,27.10.2017,"Pressemitteilung Nr. 73/2017 vom 27.10.2017 EN Ersatz von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz in einer Kindertageseinrichtung Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe muss einem Kind einen seinem individuellen Bedarf entsprechenden Betreuungsplatz nachweisen. Versäumt er dies, muss er gleichwohl die Aufwendungen für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz nicht übernehmen, wenn diese Kosten von dem Kind bzw. seinen Eltern auch bei rechtzeitigem Nachweis zu tragen gewesen wären. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Mutter des im August 2011 geborenen Klägers zeigte bei der Landeshauptstadt München, der Beklagten, an, dass der Kläger ab dem 1. April 2014 einen Vollzeitbetreuungsplatz benötige. Daraufhin wies ihr die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe Ende Januar 2014 freie Plätze bei insgesamt sechs Tagespflegepersonen nach. Die Mutter des Klägers lehnte die Plätze ab, weil diese entweder zu früh schließen würden oder an einem Tag nicht geöffnet seien. Am 5. Februar 2014 meldeten die Eltern des Klägers diesen in einer privaten Tageseinrichtung an. Auf der Grundlage des Betreuungsvertrages wurde der Kläger ab dem 1. April 2014 in dieser Einrichtung in einem Umfang von 40 Wochenstunden frühkindlich gefördert. Dafür war ein Beitrag von monatlich 1 380 € zu entrichten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erstattung eines Teils des entrichteten Beitrags abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil teilweise aufgehoben und insoweit dem Grunde nach Aufwendungsersatz zugesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Ein Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz in einer Kindertageseinrichtung kann grundsätzlich aus einer entsprechenden Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) folgen, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung rechtzeitig über den Bedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 12. September 2013 (BVerwG 5 C 35.12) entschieden. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs waren hier erfüllt. Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, haben gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres Anspruch darauf, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ihnen einen ihrem Bedarf entsprechenden Betreuungsplatz nachweist. Ein Recht, zwischen dem Nachweis eines Platzes in einer Tageseinrichtung und in Kindertagespflege zu wählen, besteht hingegen ebenso wenig wie ein Wahlrecht zwischen einem Platz in einer Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Trägers und einer Betreuung in einer privaten Einrichtung. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist bundesrechtlich nicht verpflichtet, dem Kind einen kostenfreien oder zumindest kostengünstigen Betreuungsplatz nachzuweisen. Ob der im Fall seiner Inanspruchnahme zu entrichtende Beitrag im Einzelfall finanziell zumutbar ist, ist nicht Gegenstand des Nachweisverfahrens. Zwar darf der von § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verliehene Anspruch auf eine möglichst optimale Kinderbetreuung nicht dadurch gefährdet oder gar vereitelt werden, dass die Inanspruchnahme der nachgewiesenen Betreuungsstellen mit unzumutbaren finanziellen Belastungen verbunden wäre. Der Gesetzgeber hat sich aber dafür entschieden, dass die finanzielle Zumutbarkeit erst in einem eigenständigen Verfahren nach § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII zu prüfen ist. Danach soll u.a. ein in einer privaten Einrichtung zu entrichtender Teilnahmebeitrag ganz oder teilweise von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Belastung dem Kind und den Eltern nicht zuzumuten ist. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ist dem Zweck des Anspruchs auf Betreuung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII mit besonderem Gewicht Geltung zu verschaffen. Obwohl die Selbstbeschaffung hier zulässig war, kann der Kläger nicht die Übernahme eines Teiles des für die Nutzung der gewählten Tageseinrichtung entrichteten Beitrags verlangen. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe muss nur diejenigen Aufwendungen für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz übernehmen, die der Leistungsberechtigte im Falle des rechtzeitigen Nachweises nicht hätte tragen müssen. Hätte die Beklagte dem Kläger den von diesem beschafften Betreuungsplatz nachgewiesen, hätte sie ihrer Nachweispflicht mit der Folge genügt, dass der Kläger den vereinbarten Teilnahmebeitrag ebenfalls hätte entrichten müssen. Ob dieser Beitrag hinsichtlich der Höhe zumutbar war oder nach § 90 Abs. 3 SGB VIII (teilweise) zu übernehmen gewesen wäre, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. BVerwG 5 C 19.16 - Urteil vom 26. Oktober 2017 Vorinstanzen: VGH München, 12 BV 15.719 - Urteil vom 22. Juli 2016 - VG München, 18 K 14.2448 - Urteil vom 21. Januar 2015 -","Urteil vom 26.10.2017 - BVerwG 5 C 19.16ECLI:DE:BVerwG:2017:261017U5C19.16.0 EN Ersatz von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz in einer Kindertageseinrichtung Leitsätze: 1. § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verpflichtet den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, dem anspruchsberechtigten Kind einen Platz in einem öffentlich geförderten Betreuungsverhältnis nachzuweisen, der seinem individuellen Bedarf und dem seiner Erziehungsberechtigten entspricht. 2. § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verleiht kein Recht, zwischen dem Nachweis eines Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege zu wählen. Entsprechendes gilt für den Nachweis eines Betreuungsplatzes in einer Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Trägers oder in einer privaten Einrichtung. 3. Bei dem Nachweis eines Betreuungsplatzes ist nicht zu prüfen, ob der dort zu entrichtende Teilnahmebeitrag den Eltern und dem Kind zuzumuten ist. Ist das nicht der Fall, kann der Teilnahmebeitrag nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ganz oder teilweise übernommen werden, wobei dem Gebot, die von § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII insbesondere angestrebte Gewährung einer bestmöglichen Kinderbetreuung in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist. 4. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat im Fall der zulässigen Selbstbeschaffung eines kostenpflichtigen Betreuungsplatzes in analoger Anwendung von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nur die Aufwendungen zu übernehmen, die das nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anspruchsberechtigte Kind bei rechtzeitigem und ordnungsgemäßem Nachweis eines Betreuungsplatzes nicht hätte tragen müssen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 28 Abs. 2 Satz 3 HGrG § 6 Abs. 1 SGB I §§ 40, 41 SGB VIII § 2 Abs. 2 Nr. 3 bis 6, § 3 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 22a Abs. 3 Satz 1 und 2, § 23 Abs. 1, 2, 2a, 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2, § 24 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, 5 Satz 1 und 2, § 36a Abs. 1, 2, 3 Satz 1 Nr. 1 und 3, § 74a Satz 1, §§ 77, 79 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 90 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB XII §§ 82, 83, 84, 85, 87, 88, 92a VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 139 Abs. 3 Satz 4, § 154 Abs. 2, § 173 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbs. 1 ZPO § 560 AGSG Art. 45a Instanzenzug VG München - 21.01.2015 - AZ: VG M 18 K 14.2448 VGH München - 22.07.2016 - AZ: VGH 12 BV 15.719 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 5 C 19.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:261017U5C19.16.0] Urteil BVerwG 5 C 19.16 VG München - 21.01.2015 - AZ: VG M 18 K 14.2448 VGH München - 22.07.2016 - AZ: VGH 12 BV 15.719 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2016 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Januar 2015 wird insgesamt zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Mehrkosten für die selbstbeschaffte frühkindliche Förderung des Klägers in einer Tageseinrichtung einer Trägerin der freien Jugendhilfe in der Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014. 2 Die Mutter des am 30. August 2011 geborenen Klägers zeigte der beklagten Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe im September 2013 im Hinblick auf einen ursprünglich für November 2013 geplanten Umzug nach München an, dass sie eines Vollzeitbetreuungsplatzes für den Kläger bedürfe. Im November 2013 teilte sie unter Angabe der Anschrift der von ihr erworbenen Arztpraxis mit, der Umzug werde sich erst zum 1. April 2014 vollziehen. Im Dezember 2013 gaben die Eltern des Klägers an, ab dem 1. April 2014 einen wochentäglichen Betreuungsplatz in der Zeit von ""7.30/8.00 Uhr bis 16.00 Uhr"" zu benötigen. Ihre Angaben ergänzte die Mutter des Klägers im Januar 2014 dahingehend, dass eine Wohnanschrift in München noch nicht bestehe, weshalb die Adresse der von ihr erworbenen Arztpraxis angegeben worden sei, und dass auch die Betreuungszeiten noch nicht abschließend bestimmt werden könnten. Unter dem 29. Januar 2014 wies ihr die Beklagte freie Plätze bei insgesamt sechs Tagespflegepersonen nach. Die Mutter des Klägers lehnte die Plätze noch am gleichen Tag als den Bedarf in zeitlicher Hinsicht nicht deckend ab. Mit E-Mail vom 3. Februar 2014 regte die Beklagte an, die Mutter des Klägers möge sich hinsichtlich etwaig freier Betreuungsplätze in Tageseinrichtungen an ihre ""U3-Beratungsstelle"" wenden. Am 5. Februar 2014 schlossen die Eltern des Klägers einen Betreuungsvertrag mit einer öffentlich geförderten Trägerin der freien Jugendhilfe. Dieser sah die frühkindliche Förderung des Klägers ab dem 1. April 2014 in einer Tageseinrichtung in einem Umfang von 40 Wochenstunden gegen Entrichtung eines Teilnahmebetrages in Höhe von monatlich 1 380 € vor. 3 Das Verwaltungsgericht hat die ursprünglich auf die Erstattung der für den selbstbeschafften Betreuungsplatz in der Tageseinrichtung aufgewandten Mehrkosten gerichtete Klage des Klägers als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die Beklagte verpflichtet, über den Aufwendungsersatzanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Aufwendungsersatzanspruch analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu. Die Beklagte habe dem Verschaffungsanspruch des Klägers aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht entsprochen. Der Anspruch sei auch nicht durch die Selbstbeschaffung eines dem Bedarf des Klägers entsprechenden Betreuungsplatzes erfüllt worden. § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII begründe einen ""echten Alternativanspruch"". Das Wunsch- und Wahlrecht der Erziehungsberechtigten erstrecke sich auch auf die jeweilige Betreuungsform. Daher dürfe das Kind, sofern freie Betreuungsplätze in einer Tageseinrichtung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stünden, nicht auf eine Förderung in der Kindertagespflege verwiesen werden. Dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei es im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG zudem grundsätzlich verwehrt, nur einem Teil der Anspruchsberechtigten einen ""günstigen"" Platz in einer eigenen oder einer kommunalen Tageseinrichtung zu verschaffen. Der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei hier nicht durch den Nachweis mehrerer Fördermöglichkeiten in der Kindertagespflege erfüllt worden. Von den durch die Selbstbeschaffung veranlassten Aufwendungen seien im Wege des Vorteilsausgleichs etwaige ersparte (fiktive) Kostenbeiträge nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII abzusetzen. Deren Höhe richte sich, sofern konkrete Anhaltspunkte für eine Bestimmung - wie etwa der in der Wunscheinrichtung zu zahlende Betrag - fehlten, im Wege einer typisierenden Betrachtung nach dem jeweiligen Durchschnitt der gegebenenfalls nach dem Elterneinkommen gestaffelten Beiträge der kommunalen Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Jugendhilfeträgers. Dies gelte allerdings nur dann, wenn den Eltern und dem Kind die Übernahme eines solchen Beitrags überhaupt gemäß § 90 Abs. 3 SGB VIII zuzumuten gewesen wäre. 4 Die Beklagte stützt ihre Revision neben verschiedenen Verfahrensrügen auf eine Verletzung von § 24 Abs. 2 i.V.m. §§ 5, 36a Abs. 3 SGB VIII analog, §§ 79, 74a SGB VIII sowie von Art. 28 Abs. 2, Art. 20 Abs. 2 und 3 und Art. 3 Abs. 1 GG. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Voraussetzungen für einen Analogieschluss und dessen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht verkannt. Der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei bereits dann erfüllt, wenn das anspruchsberechtigte Kind tatsächlich einen Betreuungsplatz innehabe, der von seinem zeitlichen Umfang und dem inhaltlichen Angebot her den Förderauftrag erfülle und in zumutbarer Zeit erreichbar sei. Der Rechtsanspruch sei auf die Eröffnung einer Angebotsvielfalt und für den Fall, dass ein Betreuungsplatz nicht schon selbst gefunden werde, auf den Nachweis einer Fördermöglichkeit, sei es in öffentlich-rechtlicher, sei es in privater Trägerschaft, gerichtet. § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vermittle einen Anspruch weder auf einen bestimmten Betreuungsplatz noch auf eine bestimmte Betreuungsform. Das Wunsch- und Wahlrecht werde durch die vorhandenen Kapazitäten eingeschränkt. Der Anspruch könne von dem zuständigen Jugendhilfeträger durch einen Platz entweder in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege erfüllt werden. Weder im Bundesgesetz noch im bayerischen Landesrecht finde sich eine Regelung, die auf der Ebene des Primäranspruchs eine Kostenbegrenzung oder gar die Unentgeltlichkeit der Leistung vorsehe. Art. 3 Abs. 1 GG zwinge die Beklagte nicht, ein zentrales Vergabe- und Vermittlungsverfahren zu schaffen oder ein einheitliches Preisniveau für alle Plätze herzustellen. Der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII entstehe erst nach Ablauf der Anmeldefrist des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.V.m. Art. 45a AGSG. Hier habe ein Primäranspruch im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung noch nicht bestanden. Von einem rechtzeitigen ln-Kenntnis-Setzen im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII sei erst dann auszugehen, wenn der Zeitpunkt des Bedarfs und die Umstände bekannt seien, die für die Zuständigkeit der Beklagten relevant seien. Die Selbstbeschaffung sei auch nicht dringlich im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewesen. Es sei weder rechtsmissbräuchlich noch schikanös, den Kläger in diesem Zusammenhang auf die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zu verweisen. Da der Primäranspruch kostenmäßig nicht begrenzt sei, könne sich kein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, wenn der Rechtsanspruch des Kindes durch einen Platz tatsächlich erfüllt sei, der teurer sei als ein Platz in einer kommunalen Einrichtung. Mit § 90 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 SGB VIII existiere ein gesetzliches Korrektiv für unzumutbare Kinderbetreuungskosten. 5 Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. 6 Die am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern vertritt die Auffassung, § 24 Abs. 2 SGB VIII gewähre keinen ""echten Alternativanspruch"" auf Zurverfügungstellung eines Platzes in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege unabhängig von den in der jeweiligen Betreuungsform verfügbaren Kapazitäten. Der Leistungsanspruch sei auch nicht auf einen bestimmten Platz oder eine bestimmte Tageseinrichtung, sondern auf einen Platz in einer grundsätzlich geeigneten, d.h. den konkreten Bedarf des Kindes bedienenden, zumutbaren Tageseinrichtung oder Kindertagespflege gerichtet. II 7 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dessen entscheidungstragende Annahme, der Kläger habe einen Anspruch auf Übernahme der Differenz zwischen den Aufwendungen für den selbstbeschafften Betreuungsplatz und denjenigen Aufwendungen für einen Betreuungsplatz in einer öffentlich-rechtlich betriebenen Tageseinrichtung, steht mit dem analog anzuwendenden § 36a Abs. 3 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe - i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464), - SGB VIII - nicht in Einklang. 8 Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für den Fall, dass Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden, zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn 1. der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und 3. die Deckung des Bedarfs a) bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder b) bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Zwar findet § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hier entsprechend Anwendung (1.). Auch sind dessen Voraussetzungen erfüllt (2.). Es fehlt jedoch an der Übernahmefähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen (3.). 9 1. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII finde im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht unmittelbar (a), jedoch entsprechend Anwendung (b), steht im Einklang mit Bundesrecht. 10 a) Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, da deren Gegenstand die Selbstbeschaffung von ""Hilfen"" ist. Bei der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (§ 22 ff. SGB VIII) handelt es sich indes nicht um Hilfen im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 SGB VIII, sondern um Angebote gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 24). Insoweit erweist sich die Bestimmung als lückenhaft. 11 b) § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist jedoch in Bezug auf jugendhilferechtliche Leistungen, welche die frühkindliche Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB VIII betreffen, analog anzuwenden. 12 aa) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sind erfüllt, da die Norm eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes aufweist (1) und die Sach- und Interessenlage der in § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII geregelten Selbstbeschaffung einer jugendhilferechtlichen Hilfeleistung und der nicht geregelten Selbstbeschaffung eines Angebotes zur frühkindlichen Förderung vergleichbar ist (2). 13 (1) Die festgestellte Gesetzeslücke erweist sich als planwidrig. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Schaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII das Ziel, die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anspruch auf Aufwendungsersatz im Fall der Selbstbeschaffung von Leistungen im Jugendhilferecht zu kodifizieren. Da das richterrechtliche Haftungsinstitut auch die sekundärrechtlichen Folgen eines enttäuschten (Primär)Anspruchs auf Kinderbetreuung umfasste, bleibt die Bestimmung hinter dem Plan des Gesetzgebers zurück (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 35). 14 Der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke steht nicht entgegen, dass weder Bundesrecht noch das bayerische Landesrecht die Kostenfreiheit der frühkindlichen Förderung vorsehen. Die Kostenpflichtigkeit des Angebots ändert nichts daran, dass der Plan des Gesetzgebers, einen Aufwendungsersatzanspruch auch in Bezug auf die nicht rechtzeitige Erfüllung eines auf die frühkindliche Förderung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege zu schaffen, in § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einer nur unvollkommenen gesetzlichen Regelung zugeführt worden ist. Entsprechendes gilt - entgegen der Auffassung der Beklagten - für den Umstand, dass der Sekundäranspruch in aller Regel die Rechtsnatur des ihm zugrunde liegenden Leistungsanspruchs teilt (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 14). Dieser Rechtssatz hat die bundes- oder landesrechtliche Rechtsnatur des Sekundäranspruchs zum Gegenstand; er trifft hingegen keine Aussage zu dessen Inhalt und Voraussetzungen. Der Umstand, dass der Berechtigte, der sich die Leistung selbst beschafft, nicht schlechter, aber auch nicht besser als derjenige stehen soll, dessen Leistungsbegehren rechtzeitig erfüllt wurde, hindert einen Analogieschluss ebenso wenig wie das Bestreben des Gesetzgebers, durch die Einfügung des § 36a SGB VIII das Entscheidungsprimat und die Steuerungskompetenz des Jugendamtes zu stärken sowie die Selbstbeschaffung von Leistungen einzudämmen (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 3, 26 und 47). Beiden Aspekten ist im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Anspruchsgrundlage Rechnung zu tragen. 15 (2) Der in § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII normierte Fall ist mit dem hier in Rede stehenden nicht geregelten Sachverhalt vergleichbar, weil es bei beiden Fallgestaltungen um einen enttäuschten gesetzlichen Primäranspruch, der keine bloße Geldleistung zum Gegenstand hat, und um den Ersatz von Aufwendungen für die Selbstbeschaffung geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 36 ff.). Dem steht die mangelnde Kostenfreiheit des Primäranspruchs nicht entgegen. § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, eine Übernahme der durch die Selbstbeschaffung veranlassten erforderlichen Aufwendungen komme von vornherein nur in Betracht, wenn die beanspruchte jugendhilferechtliche Hilfeleistung dem Berechtigten ohne eine Beteiligung an den Kosten zu gewähren ist. Der Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage widerstreitet überdies nicht, dass sich der Inhaber des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht in einer Notlage befindet, die der Situation des Begünstigten etwa eines - unmittelbar von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erfassten - Anspruchs auf Eingliederungshilfe oder auf Hilfe zur Erziehung regelmäßig entspricht. § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hebt nicht auf das Bestehen einer Notlage ab. Voraussetzung für die Übernahme der Aufwendungen ist vielmehr allein die Dringlichkeit der Deckung des Bedarfs des Anspruchsberechtigten, die maßgeblich durch einen drohenden Verlust des Anspruchs infolge seiner mit Zeitablauf eintretenden Unerfüllbarkeit geprägt wird (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 37 f.). 16 bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet eine Analogie nicht deshalb aus, weil ihr System der Finanzierung von Kindertagesstätten auf der Grundlage des § 74a Satz 1 SGB VIII im Vertrauen darauf geschaffen wurde, dass keine Kosten für eine Selbstbeschaffung anfielen. 17 § 74a Satz 1 SGB VIII verleiht den Ländern das Recht, die Finanzierung von Tagesstätten in eigener Verantwortung zu regeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2010 - 5 CN 1.09 - Buchholz 436.511 § 74a KJHG/SGB VIII Nr. 1 Rn. 18). Diese Finanzierungsverantwortung schützt die Kommunen nicht davor, dass als Folge einer (entsprechenden) Anwendung von Bundesrecht bisher vernachlässigte Kosten auf sie zukommen. Anderenfalls würden die Finanzierungsmodelle der Kommunen den Inhalt des Bundesrechts bestimmen. 18 cc) Einer analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII steht auch nicht die von Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 GG verbürgte finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden und Gemeindeverbände entgegen. 19 Von einer Verletzung des Rechts einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes auf finanzielle Eigenverantwortung ist erst dann auszugehen, wenn der Kernbereich der finanziellen Eigenverantwortung dieser Körperschaften angetastet wird (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 584/76, 2 BvR 598/76, 2 BvR 599/76, 2 BvR 604/76 - BVerfGE 56, 298 <312>), mithin deren Finanzspielräume nachhaltig in einer Weise eingeschränkt werden, die von ihnen nicht mehr zu bewältigen und hinzunehmen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <386> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 Rn. 22 m.w.N.). Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass die hier in Rede stehende analoge Anwendung des § 36 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu einer Überschreitung dieser Grenze führt. 20 Da die Analogie nicht in den Schutzbereich der finanziellen Eigenverantwortung eingreift, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - der Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht einschlägig. Dies gilt gleichermaßen für den von der Beklagten in diesem Zusammenhang auch in Anspruch genommenen Parlamentsvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG. 21 2. Die Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Der Analogieschluss ist auf sämtliche Tatbestandsmerkmale, an die die Bestimmung die Rechtsfolge des Übernahmeanspruchs knüpft, sinngemäß zu erstrecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 39). 22 Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass sich der durch seine Eltern gesetzlich vertretene anspruchsberechtigte Kläger ein Angebot zur frühkindlichen Förderung in einer von einem öffentlich geförderten Träger der freien Jugendhilfe betriebenen Tageseinrichtung selbst beschafft hat. Die Beteiligten nehmen wie auch die Vorinstanzen zu Recht an, dass diese Selbstbeschaffung nicht auf der Grundlage einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne des § 36a Abs. 1 SGB VIII erfolgte und auch kein Fall einer erlaubten Selbstbeschaffung im Sinne des § 36a Abs. 2 SGB VIII vorlag. 23 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass auch die weiteren Anforderungen des entsprechend anwendbaren § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erfüllt waren. 24 a) Die Voraussetzung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII war gegeben. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Nachweis eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes (aa). Dieser Anspruch war fällig (bb) und wurde von der Beklagten bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt (cc). 25 aa) § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vermittelte dem Kläger einen Anspruch, dass ihm die Beklagte einen bedarfsgerechten Platz in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege nachweist. 26 (1) Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Die Voraussetzungen des Anspruchs waren bei dem Kläger erfüllt. Mithin hatte er einen auf frühkindliche Förderung gerichteten Rechtsanspruch gegenüber der Beklagten. Im Unterschied zu den in § 24 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 SGB VIII begründeten objektiv-rechtlichen Pflichten verleiht § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ein subjektives Recht auf frühkindliche Förderung. Dies legt bereits der Wortsinn des Merkmals ""Anspruch"" nahe und entspricht der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 2 f., 10, 12 und 15). 27 Der Rechtsanspruch ist auf den Nachweis eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes gerichtet (in diesem Sinne auch VGH Mannheim, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 12 S 1782/15 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2016:​1208.12S1782.15.0A] - VBlBW 2017, 288 <290 f., 292>; VGH München, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 ZB 15.11 91 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​2015:​1117.12ZB15.1191.0A] - BayVBl. 2016, 448 Rn. 21 und 25; OVG Münster, Urteil vom 20. April 2016 - 12 A 1262/14 - juris Rn. 39, 80; vgl. ferner OVG Koblenz, Urteil vom 1. September 2016 - 7 A 10849/15 [ECLI:​DE:​OVGRLP:​2016:​0901.7A10849.15OA] - juris Rn. 41; ebenso wohl BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15 [ECLI:​DE:​BGH:​2016:​201016UIIIZR278.15.0] - NJW 2017, 397 Rn. 18; a.A. VGH Kassel, Beschluss vom 19. September 2013 - 10 B 1848/13 [ECLI:​DE:​VGHHE:​2013:​0919.10B1848.13.0A] - juris Rn. 4; OVG Münster, Beschluss vom 31. Januar 2014 - 12 B 1468/13 - juris Rn. 6; OVG Bautzen, Beschlüsse vom 1. September 2014 - 1 B 157/14 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2014:​0901.1B15.14.0A] - juris Rn. 7, vom 24. November 2014 - 1 B 251/14 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2014:​1124.1B251.14.0A] - NJW 2015, 1546 Rn. 7 und vom 9. Oktober 2015 - 1 B 251/15 [ECLI:​DE:​OVGSN:​2015:​1009.1B251.15.0A] - juris Rn. 7, 10, 11). 28 Dafür spricht bereits der Umstand, dass § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ein subjektives Recht auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege begründet. Es drängt sich auf, dass die diesem Rechtsanspruch korrespondierende Pflicht des Trägers in einem aktiven Tun besteht. Dem trägt eine Pflicht zum Nachweis eines Betreuungsplatzes Rechnung. 29 Die Annahme einer Nachweispflicht entspricht zudem dem systematischen Zusammenhang zwischen § 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII und § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII. Nach der zuletzt genannten Bestimmung kann Landesrecht bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen. Diese Regelung zielt darauf ab, das zur Verfügung stehende Gesamtangebot zur frühkindlichen Förderung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege optimal zu bewirtschaften (Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: Januar 2014, § 24 Rn. 61). Sie geht davon aus, dass im Einzelfall ein konkreter Betreuungsbedarf angezeigt wird und die Inanspruchnahme einer entsprechenden Leistung des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe beabsichtigt ist. Gemessen daran liegt die Annahme nahe, dass diese Leistung in einem auf den Einzelfall bezogenen aktiven Tun besteht. Die Nachweispflicht trägt dem Rechnung. 30 Die Annahme einer Nachweispflicht steht auch im Einklang mit den Regelungen des Vierten Abschnitts des Fünften Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch. Gemäß § 79 Abs. 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Die Gewährleistungsverpflichtung erfährt in § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in Bezug auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Konkretisierung. Danach soll dieser gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. § 79 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII begründet eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung sicherzustellen, dass eine dem Bedarf entsprechende Anzahl von Betreuungsplätzen vorgehalten wird. Der Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII setzt darauf auf und vermittelt dem anspruchsberechtigten Kind ein subjektives Recht auf Förderung, das sachgerecht nur durch den Nachweis eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes erfüllt werden kann. 31 Etwas anderes folgt nicht aus dem systematischen Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 SGB VIII. Danach umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII die Vermittlung des Kindes zu einer geeigneten Tagespflegeperson, soweit diese nicht von der erziehungsberechtigten Person nachgewiesen wird. Aus dem Umstand, dass in § 23 Abs. 1 SGB VIII eine Pflicht zur Vermittlung ausdrücklich geregelt ist, kann nicht geschlossen werden, dass im Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine Nachweispflicht mangels ausdrücklicher Erwähnung ausscheide. Dagegen spricht bereits, dass § 23 Abs. 1 SGB VIII (lediglich) der Klarstellung dient (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 33) und den Besonderheiten der Kindertagespflege Rechnung tragen soll. 32 Das bisherige Auslegungsergebnis wird durch Sinn und Zweck des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestätigt. Durch die Begründung eines subjektiven Rechts in § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII soll die Rechtsstellung des Leistungsberechtigten gestärkt werden. Der Gesetzgeber bezweckt - wie bereits aufgezeigt - die Stärkung des Entscheidungsprimats und der Steuerungskompetenz des Jugendamtes sowie die Eindämmung der Selbstbeschaffung von Leistungen. Insbesondere das zuletzt genannte Ziel lässt sich effektiv dadurch erreichen, dass der Anspruch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf den Nachweis eines Platzes gerichtet ist. 33 Die historisch-genetische Auslegung vermittelt keine Erkenntnisse, die der Annahme einer Nachweispflicht widerstreiten. Zwar findet dieses Gebot in der Begründung des Gesetzentwurfs keine ausdrückliche Erwähnung (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 10, 11 und 12). Es ist auch in den Plenarberatungen des Gesetzentwurfs nicht angesprochen worden (vgl. BT-PlPr 16/163 S. 1790A - 17200D und BT-PlPr 16/180 S. 19235A - 19259D). Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich aber auch nicht entnehmen, dass § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch auf den Nachweis einer Betreuungsmöglichkeit nicht umfassen sollte. 34 (2) Der Anspruch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf Nachweis eines Angebots zur frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege unterliegt nicht dem Einwand der Kapazitätserschöpfung (a). Er ist erfüllt, wenn dem anspruchsberechtigten Kind ein kommunaler oder öffentlich geförderter privater Betreuungsplatz nachgewiesen wird (b). Einem Kapazitätsvorbehalt unterworfen sind hingegen das Recht zur Wahl der Betreuungsform (c) und das Recht, zwischen dem Anbieter der frühkindlichen Förderung, einem öffentlich-rechtlichen Träger oder einem Träger der freien Jugendhilfe, zu wählen (d). Der in Rede stehende Nachweis muss dem konkret-individuellen Bedarf entsprechen (e). Die Höhe des Teilnahmebeitrags ist für den geschuldeten Nachweis ohne Bedeutung (f). 35 (a) Zutreffend geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei keinem Kapazitätsvorbehalt unterworfen (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2015:​fs20150721.1bvf000213] - BVerfGE 140, 65 Rn. 43). Wie zuvor ausgeführt ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verpflichtet zu gewährleisten, dass ein dem Bedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werdendes Angebot an Fördermöglichkeiten in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vorgehalten wird. Ihm obliegt es im Rahmen seiner aus § 79 Abs. 1 und § 80 SGB VIII folgenden Planungsverantwortung, eine plurale Betreuungsinfrastruktur sicherzustellen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 2009 - 5 C 25.08 - BVerwGE 134, 206 Rn. 44) und gegebenenfalls auch die vorhandenen Kapazitäten so zu erweitern, dass sämtlichen anspruchsberechtigten Kindern ein ihrem Bedarf entsprechender Betreuungsplatz nachgewiesen werden kann. 36 (b) § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verschafft Kindern, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geförderten Betreuungsverhältnisses (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13 - BVerfGE 140, 65 Rn. 43). Mithin werden Betreuungseinrichtungen in privater Trägerschaft von dem Anspruch nur erfasst, wenn sie öffentlich gefördert sind. 37 (c) Der Anspruch des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist auf den Nachweis eines bedarfsdeckenden Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege gerichtet (so auch BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15 - NJW 2017, 397 Rn. 18). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs begründet § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII keinen ""echten Alternativanspruch"" des Inhalts, dass das Kind von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht auf die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege verwiesen werden kann, sofern Plätze in einer Tageseinrichtung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, und umgekehrt. 38 Während der Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII insoweit offen ist, sprechen maßgeblich das systematische Verhältnis, in das § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII und § 79 Abs. 1 und 2 sowie § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gestellt sind, und der Sinn und Zweck dieser Normen gegen ein Wahlrecht. Die dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe in § 79 Abs. 1 SGB VIII zugewiesene Gesamtverantwortung schließt sowohl die Planungsverantwortung als auch die Finanzverantwortung ein. Im Rahmen der Gesamtverantwortung, aber auch der Gewährleistungspflicht nach § 79 Abs. 2 SGB VIII hat er eine bedarfsgerechte und effiziente frühkindliche Förderung in der Gesamtheit sicherzustellen. Die Pflicht, ein entsprechendes Angebot vorzuhalten, beschränkt sich auf den Gesamtbedarf an Betreuungsplätzen. Dem anspruchsberechtigten Kind und seinen Erziehungsberechtigten steht es im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VIII frei, innerhalb dieses Angebotes einen Betreuungsplatz, sei es in einer Tageseinrichtung, sei es in der Kindertagespflege, entsprechend dem spezifischen Bedarf des Kindes und im Einklang mit den Wünschen der Erziehungsberechtigten auszuwählen. Daran anknüpfend gewährleistet § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, dass dem anspruchsberechtigten Kind seinem Bedarf entsprechende und aktuell verfügbare Betreuungsplätze nachgewiesen werden. 39 Dieses Normverständnis wird durch die historisch-genetische Auslegung des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bekräftigt. Ziel des diesem zugrunde liegenden Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen für Kinder und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2403) war die Bereitstellung neuer Plätze in Tageseinrichtungen, aber insbesondere auch in der Kindertagespflege, um damit die Perspektive einer dem angenommenen bundesweiten Durchschnittsbedarfs entsprechenden Versorgungsquote von 35 v.H. für den Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren zu erreichen (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 2 und 3). Die Erweiterung der verschiedenen Formen der Tagesbetreuung sollte der Schaffung eines bedarfsdeckenden und bedarfsgerechten vielfältigen Angebotes an qualifizierter Tagesbetreuung dienen (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 10, 11 und 12). Der ab dem Kindergartenjahr 2013/2014 geschaffene Rechtsanspruch sollte ""entsprechend den Wünschen bzw. Bedürfnissen des Kindes und der Eltern sowohl in Tageseinrichtungen (§ 22 Abs. 1 Satz 1, § 22a) als auch in der Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2, § 23) erfüllt"" werden (BT-Drs. 16/9299 S. 15). Angesichts der prognostizierten Kosten für den Ausbau der Betreuung (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 3 f.) verbietet sich die Annahme, dass den Gesamtbedarf übersteigende Doppelstrukturen in der Weise aufgebaut werden sollten, dass für eine beträchtliche Anzahl anspruchsberechtigter Kinder vorsorglich ein Platz sowohl in einer Tageseinrichtung als auch in der Tagespflege vorgehalten wird. Rückschlüsse auf ein kapazitätsunabhängiges Wahlrecht hinsichtlich der Betreuungsform lassen sich auch nicht aus den Ausführungen der seinerzeit zuständigen Ministerin in der Zweiten und Dritten Beratung des Kinderförderungsgesetzes im Deutschen Bundestag ziehen. Abgesehen davon, dass die Ausführungen eines Mitgliedes der Bundesregierung nicht geeignet sind, den Regelungswillen des Deutschen Bundestages widerzuspiegeln, wurde in der Rede die Wahlfreiheit zu dem Vorhaben in Bezug gesetzt, ein ""gutes Drittel"" der Betreuungsplätze in der Kindertagespflege zu schaffen und die übrigen zwei Drittel der Plätze in Tageseinrichtungen vorzuhalten (BT-PlPr. 16/180 S. 19236 ). Dem ist für einen von der Vorinstanz angenommenen Alternativanspruch nichts zu entnehmen. 40 (d) Ebenso wenig vermittelt § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ein kapazitätsunabhängiges subjektives Recht, zwischen frühkindlicher Förderung in öffentlich-rechtlicher oder in freier Trägerschaft zu wählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2002 - 5 C 18.01 - BVerwGE 116, 226 <231> zu dem Anspruch auf Besuch eines Kindergartens nach § 24 Abs. 1 SGB VIII a.F.). Gemäß § 3 Abs. 1 SGB VIII ist die Jugendhilfe durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen gekennzeichnet. Leistungen der Jugendhilfe werden nach § 3 Abs. 2 SGB VIII von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Indes besteht auch das Recht, zwischen Betreuungsangeboten in öffentlich-rechtlich betriebenen Tageseinrichtungen und solchen in privat-rechtlich organisierten Tageseinrichtungen zu wählen, nur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten. Fehlt es an diesen, so muss sich der Anspruchsberechtigte auch auf die Förderung in jeweils anderer Trägerschaft verweisen lassen. 41 (e) Der Nachweis eines Angebotes zur frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege genügt den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nur, wenn es dem konkret-individuellen Bedarf des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten insbesondere in zeitlicher (aa) und räumlicher (bb) Hinsicht entspricht. 42 (aa) Der zeitliche Umfang der Förderung richtet sich gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nach dem individuellen Bedarf. Der Verwaltungsgerichtshof geht mit Recht davon aus, dass der individuelle Bedarf durch die Verhältnisse des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten gekennzeichnet ist. Dass insoweit nicht allein auf den Bedarf des Kindes abzustellen ist, sondern im Regelfall auch die Verhältnisse seiner Eltern zu berücksichtigen sind, folgt insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang zu § 22 Abs. 2 Nr. 3, § 22a Abs. 3 Satz 1 und 2, § 23 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wie auch aus Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 24 SGB VIII, der unter anderem auf eine Stärkung der Verlässlichkeit der nicht durch Erziehungsberechtigte erfolgenden Kinderbetreuung (Rixen, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 1. Juni 2014, § 24 Rn. 7) und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zielt (vgl. BT-Drs. 16/9229 S. 1, 2, 10, 12 f. und 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15 - NJW 2017, 397 Rn. 26). Gemessen daran begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, maßgeblich sei stets der durch die Erziehungsberechtigten definierte individuelle Bedarf, begrenzt durch das Wohl des zu betreuenden Kindes, keinen Bedenken. 43 (bb) In Anlehnung an § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII ist ein Betreuungsplatz nachzuweisen, der hinsichtlich seiner örtlichen Lage dem individuellen Bedarf entspricht. Dies ist der Fall, wenn er von den Eltern und dem Kind in zumutbarer Weise zu erreichen ist. Auch dies richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14. August 2013 - 12 B 793/13 - NJW 2013, 3803 <3805>). Insoweit sind die konkreten Belange sowohl des anspruchsberechtigten Kindes als auch seiner Erziehungsberechtigten maßgebend. Mit Blick darauf nimmt der Verwaltungsgerichtshof zutreffend an, dass in die Betrachtung des Einzelfalles unter anderem die Entfernung zur Arbeitsstätte bzw. zur Wohnung und der mit dem Bringen und Abholen des Kindes einhergehende zeitliche Aufwand für die Eltern oder den primär betreuenden Elternteil einzubeziehen sind. 44 (f) Aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII folgt nicht, dass bereits bei dem Nachweis eines Betreuungsplatzes die Höhe des dort zu entrichtenden und hier allein in Rede stehenden Teilnahmebeitrags für die Inanspruchnahme einer Einrichtung eines freien Trägers zu berücksichtigen ist. Für die Erfüllung des Anspruchs auf Nachweis ist die Höhe des Teilnahmebeitrags ohne Bedeutung (so auch Kepert, ZKJ 2015, 267 <268> sowie Wiesner, ZKJ 2014, 458 <460> und ZKJ 2015, 60 <61>). 45 Der Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur solche Plätze nachgewiesen werden dürfen, für die ein in der Höhe begrenzter Teilnahmebeitrag zu leisten ist. Dies gilt gleichermaßen für die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. 46 Allerdings ist die Höhe des zu entrichtenden Teilnahmebeitrags von Bedeutung für den mit § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verfolgten Zweck, jedem anspruchsberechtigten Kind Zugang zu einer bedarfsgerechten Betreuung zu eröffnen und tatsächlich eine verlässliche, bestmögliche Kinderbetreuung zu gewährleisten. Die Erreichung dieses Zieles darf nicht dadurch gefährdet oder gar vereitelt werden, dass ein nachgewiesener Betreuungsplatz für den Leistungsberechtigten mit unzumutbar hohen Aufwendungen verbunden ist. 47 Gleichwohl ist die Höhe des Teilnahmebeitrags nicht schon bei dem Nachweis eines Betreuungsplatzes in Rechnung zu stellen. Dies folgt aus der Systematik des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Prüfung der konkret-individuellen Zumutbarkeit für den Teilnahmebeitragspflichtigen einem eigenständigen Verfahren zuzuweisen. Es ist dem Verfahren nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vorbehalten, den Beitragsschuldner vor unzumutbaren finanziellen Belastungen zu bewahren. Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII soll u.a. der Teilnahmebeitrag vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe ganz oder teilweise übernommen werden, wenn die Belastung dem Kind und den Eltern nicht zuzumuten ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. April 1997 - 5 C 6.96 - Buchholz 436.511 § 90 KJHG/SGB VIII Nr. 3 S. 5 f.). Dem Gebot, die von § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII insbesondere angestrebte Gewährung einer bestmöglichen Kinderbetreuung nicht durch unzumutbare finanzielle Hürden zu gefährden oder zu vereiteln, ist bei der Auslegung und Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB VIII, den in § 90 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII genannten Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuches und anderer einschlägiger landesrechtlicher Regelungen mit besonderem Gewicht Rechnung zu tragen. Dies gilt gleichermaßen für das Anliegen des Gesetzgebers, durch die Tagesbetreuung den differenzierten Bedürfnissen von Kindern und Familien auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie den Anforderungen an eine Wissensgesellschaft zu entsprechen und Chancengleichheit für Kinder zu erreichen (vgl. BT-Drs. 15/3676 S. 1). 48 Die Höhe des Beitrags ist auch nicht aus Gründen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) bereits bei dem Nachweis eines Betreuungsplatzes einzustellen. Insbesondere ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses gehalten, dem Kind einen Platz in einer Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft nachzuweisen, weil für die Nutzung dieser Einrichtungen nach der Feststellung in dem angegriffenen Urteil geringere Beiträge erhoben werden als in Einrichtungen privater Träger. Ein Gleichheitsverstoß liegt schon deshalb nicht vor, weil die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Ungleichbehandlung aus Sachgründen in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden Weise gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - [ECLI:​DE:​BVerfG:​2014:​ls20141217.1bvl002112] - BVerfGE 138, 136 Rn. 121). Sie ist im Kern Folge der nicht zu beanstandenen Entscheidung des Gesetzgebers, dass der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auch durch Nachweis eines Platzes in einer Einrichtung eines privaten Trägers erfüllt werden kann. Hinzu kommt, dass bei einer unzumutbaren finanziellen Belastung durch einen Teilnahmebeitrag dieser - wie dargelegt - nach § 90 Abs. 3 SGB VIII ganz oder teilweise übernommen werden soll. 49 bb) Der nach Maßgabe des Vorstehenden entstandene Anspruch des Klägers nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII war im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung fällig. Bundesrecht normiert insoweit keine zeitlichen Vorgaben, sondern setzt allein voraus, dass der Leistungsberechtigte die zur Erfüllung erforderlichen Angaben tätigt (1). In zeitlicher Hinsicht verweist § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII auf Landesrecht, dessen Voraussetzungen hier gewahrt sind (2). 50 (1) Der im Rahmen des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII erforderliche Nachweis eines den konkret-individuellen Bedarf deckenden Angebots zur frühkindlichen Förderung verlangt, dass der Leistungsberechtigte gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe diejenigen tatsächlichen Angaben tätigt, die dieser zur Erfüllung des Anspruchs benötigt. Hierzu zählen insbesondere der Zeitpunkt, zu dem der Bedarf entsteht, ein räumlicher Anknüpfungspunkt für die Suche nach einem Betreuungsplatz und der Umfang der täglichen Betreuungszeiten. Diese Angaben lagen der Beklagten ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs spätestens am 3. Dezember 2013 vor. An diese Feststellungen ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da zulässige und begründete Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben wurden. 51 (2) Der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII war im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung auch im Sinne des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.V.m. Art. 45a des bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 8. Dezember 2006 (GVBl. S. 942), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch § 2 des Gesetzes vom 24. Juni 2013 (GVBl. S. 385), fällig. Eine Frist, innerhalb derer die erforderlichen Tatsachen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe unterbreitet werden müssen, ist bundesrechtlich nicht vorgegeben. Gemäß § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII kann jedoch Landesrecht bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen. Nach Art. 45a AGSG setzt die Zuweisung eines Betreuungsplatzes gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung grundsätzlich voraus, dass die Erziehungsberechtigten die Gemeinde und bei einer gewünschten Betreuung durch eine Tagespflegeperson den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens drei Monate vor der geplanten Inanspruchnahme in Kenntnis setzen. 52 Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass den Anforderungen des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.V.m. Art. 45a AGSG hier entsprochen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Auslegung und Anwendung einer Norm des Landesrechts, hier des Art. 45a AGSG, durch das Berufungsgericht gemäß § 137 Abs. 1 VwGO, § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden, sofern die Vorinstanz eine irrevisible Norm des Landesrechts nicht unter Verkennung von oder im Widerspruch zu Bundesrecht ausgelegt und angewandt hat (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 15). Gemessen daran erweist sich die Auslegung und Anwendung des Art. 45a AGSG durch die Vorinstanz als fehlerfrei. Mit Bundesrecht vereinbar ist das Verständnis des Art. 45a AGSG als Fälligkeitsregelung im Sinne von § 41 i.V.m. § 40 des Sozialgesetzbuches (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil -, bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836). Dieses Normverständnis steht in Einklang mit Sinn und Zweck des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, durch die Ermächtigung zur Regelung von Anmeldefristen eine optimale Bewirtschaftung der Betreuungsplätze in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege zu ermöglichen (vgl. auch LT-Drs. 16/16443 S. 12). 53 Ebenfalls revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Förderbedarf sei im Einklang mit den Voraussetzungen des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.V.m. Art. 45a AGSG ungeachtet dessen ordnungsgemäß und rechtzeitig an die Beklagte herangetragen worden, dass der Leistungsberechtigte im Zeitpunkt des Herantragens noch nicht im Bezirk des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wohnhaft gewesen und als Anhaltspunkt für die Lokalisierung der Fördermöglichkeit allein eine künftige Arbeitsanschrift benannt worden sei. § 24 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB VIII verpflichtet - wie dargelegt - die Erziehungsberechtigten nicht, dem örtlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Wohnanschrift der Familie als räumlichen Anknüpfungspunkt für den Nachweis einer Fördermöglichkeit anzugeben. Von einer Bindung gemäß § 137 Abs. 1 VwGO, § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ist auch insoweit auszugehen, als der Verwaltungsgerichtshof annimmt, Art. 45a AGSG mache hinsichtlich der Modalitäten der Anmeldung keine Vorgaben und für den Fall, dass dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII noch Informationen fehlten, hemme oder unterbreche dies nicht den Lauf der Anmeldefrist. Vielmehr müsse der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die großzügig bemessene Frist des Art. 45a AGSG nutzen, um sich die betreffenden Informationen unter Mitwirkung des Antragstellers zu beschaffen. Diese Auslegung steht nicht in Widerspruch zu § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, da die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage eine Fristbestimmung nicht enthält, sondern deren Erlass und Ausgestaltung gerade in das Ermessen des Landesgesetzgebers stellt. 54 Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Vorgaben ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs dahin zu erkennen, dass die Anmeldefrist am 25. September 2013 in Lauf gesetzt wurde. Denn an diesem Tag haben die Eltern des Klägers ausweislich der Tatsachenfeststellung der Vorinstanz den Anspruch nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geltend gemacht. An diese tatsächliche Feststellung ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind. Den landesrechtlichen Vorgaben ist damit genügt. 55 Die Revision rügt insoweit ohne Erfolg, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, soweit er annehme, die Frist des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII i.V.m. Art. 45a AGSG sei mit Eingang der E-Mail der Mutter des Klägers vom 25. September 2013 in Lauf gesetzt worden, obgleich in dieser wesentliche Angaben gefehlt hätten. Gegenstand des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (""Überzeugungsgrundsatz"") im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Feststellung sämtlicher für die Entscheidung des Gerichts erheblicher Tatsachen und deren ""freie Würdigung"", mithin die ausreichende Erforschung und Würdigung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen wie etwa des Akteninhalts, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte oder gerichtskundiger Tatsachen. Rügefähig ist nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Die Beachtung dieser Verfahrenspflichten ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als die angefochtene Entscheidung. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist von dem Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze), Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage beruht, gedankliche Brüche oder Widersprüche enthält oder von Willkür geprägt ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Dezember 2011 - 5 B 24.11 - ZOV 2012, 98 und vom 28. März 2017 - 2 B 9.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​280317B2B9.16.0] - juris Rn. 17, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht bereits bei einer von der inhaltlichen Position eines Beteiligten abweichenden Würdigung eines Sachverhalts, sondern erst dann vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260>). 56 Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kenntnis der zukünftigen Wohnadresse der Eltern des anspruchsberechtigten Kindes bedürfe es für das In-Lauf-Setzen der vorgenannten Frist nicht, und im Einklang mit der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellung, dass der Beklagten zumindest die Praxisadresse der Mutter des Klägers als insoweit maßgeblicher örtlicher Bezugspunkt für die Bereitstellung und Vermittlung eines bedarfsgerechten Angebots bekannt gewesen sei, war die vorstehende Annahme des Berufungsgerichts nicht denkfehlerhaft. Ein Verstoß gegen die Logik ist nicht ansatzweise erkennbar. 57 Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, es sei denkfehlerhaft und zugleich aktenwidrig, die in der E-Mail der Mutter des Klägers vom 25. September 2013 enthaltene Bekundung der Absicht, im November 2013 nach München zu ziehen, als fristauslösende Anmeldung eines Bedarfs für einen Betreuungsplatz ab dem 1. April 2014 auszulegen. Darin liegt zunächst kein Verstoß gegen Denkgesetze. Ein solcher Verfahrensfehler setzt voraus, dass sich der Verstoß gegen Denkgesetze auf die tatsächliche Würdigung beschränkt und die rechtliche Subsumtion nicht berührt (BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 5 B 43.14 - ZOV 2015, 217 Rn. 5). Das ist hier nicht der Fall. Die hier in Rede stehende Rüge beanstandet im Kern die Auslegung des Art. 45a AGSG durch den Verwaltungsgerichtshof. 58 Ebenso wenig zeigt die Revision die Aktenwidrigkeit der betreffenden Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auf. Von einer Aktenwidrigkeit der tatsächlichen Feststellungen ist auszugehen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein Widerspruch besteht. Dieser Widerspruch muss zweifelsfrei und offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2011 - 8 B 12.11 - juris Rn. 15). Zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt besteht kein Widerspruch. Der Sache nach rügt die Revision nicht die Aktenwidrigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, die Mutter des Klägers habe mit E-Mail vom 25. September 2013 im Hinblick auf einen für November 2013 in Aussicht genommenen Umzug nach München bei der Beklagten den Bedarf für einen Vollzeitbetreuungsplatz (Tagesmutter oder Krippe) für den Kläger angemeldet, sondern die Richtigkeit der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, diese Bedarfsanmeldung sei auch in Bezug auf den Zeitpunkt ""1. April 2014"" geeignet, den Lauf der Anmeldefrist des Art. 45a AGSG auszulösen. 59 cc) Der Anspruch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 weder durch den Nachweis von sechs Betreuungsplätzen in der Kindertagespflege (1) noch durch interne Platzfreigaben (2) noch durch die zum 1. April 2014 im Wege der Selbstbeschaffung erfolgte Aufnahme des Klägers in eine von einem Träger der freien Jugendhilfe betriebene Tageseinrichtung (3) erfüllt worden. 60 (1) Erfüllung ist nicht durch den am 29. Januar 2014 erfolgten Nachweis von sechs verfügbaren Betreuungsplätzen in der Kindertagespflege eingetreten. 61 Jedenfalls fünf der sechs angebotenen Betreuungsplätze waren ausweislich der gemäß § 137 Abs. 2 VwGO in Ermangelung zulässiger und begründeter Verfahrensrügen bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bereits infolge des unzureichenden zeitlichen Umfangs der täglichen Betreuung nicht im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 SGB VIII bedarfsdeckend. 62 Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, auch der sechste angebotene Betreuungsplatz habe den Rechtsanspruch des Klägers nicht erfüllen können, da er dessen Bedarf nicht gedeckt hätte und diesem daher die Annahme des Angebotes nicht zuzumuten gewesen sei, ist revisionsgerichtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit in Ermangelung zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die Beurteilung gebunden, der Betreuungsplatz sei nicht in zumutbarer Weise zu erreichen. Die auf den konkret-individuellen Umständen des Einzelfalles gründende Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der mit zwei Stunden pro Tag anzusetzende Zeitaufwand für die Bewältigung des Weges von der Praxis zu der Tagespflegestelle und zurück sei der freiberuflich tätigen Mutter des Klägers nicht mehr zuzumuten, ist im Kern Sachverhalts- und Beweiswürdigung. 63 Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist darüber hinaus die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dem Kläger sei es nicht zumuten gewesen, auf eine - von der Beklagten auch nicht angebotene - Kombination aus mehreren Tagespflegestellen zur Deckung seines Bedarfs verwiesen zu werden. 64 (2) Dem Hinweis der Revision, seit der Einführung des Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII seien stets ausreichend freie Plätze verfügbar gewesen, ist keine erfüllende Wirkung beizumessen, da schon nicht dargetan wurde, dass diese Plätze dem Kläger nachgewiesen wurden. Deshalb haben die auf das Vorhandensein von Plätzen zielenden Verfahrensrügen der Beklagten schon deshalb keinen Erfolg, weil es auf die bloße Existenz von Betreuungsmöglichkeiten auch nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht ankommt. Dies gilt gleichermaßen für die im Zusammenhang mit der Behauptung, mit Schriftsätzen vom 27. Januar 2016 und 15. Juni 2016 seien vermittelbare Plätze benannt worden, erhobene Verfahrensrüge. Diese erweist sich schon deshalb als erfolglos, weil nach der auch insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Nachweis eines Betreuungsplatzes bei Fälligkeit des entsprechenden Anspruchs erfolgen muss. 65 (3) Unterbleibt nach Eintritt der Fälligkeit der Nachweis eines bedarfsgerechten Förderangebotes, so bewirkt die nachfolgende Selbstbeschaffung eines Betreuungsplatzes nicht die Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Die Selbstbeschaffung erweist sich als aliud gegenüber dem geschuldeten Nachweis. 66 b) Der Kläger hat die Beklagte analog § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt. Der Beklagten war es ausweislich der das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls Anfang Dezember 2013 auf Grund der ihr durch die Mutter des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt unterbreiteten Angaben möglich, ihrer Steuerungsverantwortung nachzukommen. 67 c) Im maßgeblichen Zeitpunkt der Selbstbeschaffung waren zudem die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII analog erfüllt. Im Hinblick auf die Art und Dringlichkeit des Hilfebedarfs durfte nicht länger zugewartet werden, sondern musste der Bedarf des Klägers nach frühkindlicher Förderung sofort und ohne nennenswerten zeitlichen Aufschub gedeckt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 38). 68 Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Eltern des Klägers seien nicht gehalten gewesen, vor einer Selbstbeschaffung um einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nachzusuchen, ist im Ergebnis revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, ob im Rahmen des Übernahmeanspruchs analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII eine vorherige Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz geboten ist, bislang offengelassen (BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 51). Sie bedarf auch hier keiner Klärung. Soweit der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass das Nachsuchen um vorläufigen Rechtsschutz nur dann verlangt werden kann, wenn Abhilfe auch tatsächlich zu erwarten ist, steht dies mit Bundesrecht im Einklang. Die Vorinstanz hat in der Sache angenommen, Abhilfe sei nicht zu erwarten gewesen. Dabei handelt es sich im Kern um eine Tatsachenfeststellung, die die Bindungswirkung nach § 137 Abs. 2 VwGO auslöst. Zulässige und begründete Verfahrensrügen sind diesbezüglich nicht erhoben worden. 69 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht, soweit der Verwaltungsgerichtshof annimmt, analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII seien die Kosten für die frühkindliche Förderung des Klägers auf dem selbstbeschafften Betreuungsplatz in dem Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 zu erstatten. Analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet. Gegenstand der Selbstbeschaffung war hier ein Angebot zur frühkindlichen Förderung, dessen Kosten zwar erforderlich (a), aber nicht übernahmefähig (b) sind, weil sie nicht über die Kosten hinausgehen, die der Kläger auch bei dem Nachweis dieses konkreten Betreuungsplatzes durch die Beklagte zu tragen gehabt hätte. 70 a) Liegen die Voraussetzungen einer zulässigen Selbstbeschaffung vor, können der Leistungsberechtigte und dessen Erziehungsberechtigte in Bezug auf die von ihnen anstelle des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zu treffende Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme den üblicherweise diesem zustehenden Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. In dieser Situation beschränkt sich die uneingeschränkte verwaltungsgerichtliche Prüfung auf das Bestehen des jugendhilferechtlichen Bedarfs, während die Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe allein einer fachlichen Vertretbarkeitskontrolle aus der Ex-ante-Betrachtung des Leistungsberechtigten unterliegt (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 34). Gemessen daran ist hier davon auszugehen, dass der hier in Rede stehende Teilnahmebeitrag noch erforderlich im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII analog war. Das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit an die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, dass die Aufwendungen unvermeidbar, also erforderlich gewesen seien. 71 Ohne Erfolg beanstandet die Beklagte in diesem Zusammenhang die tragende Annahme der Vorinstanz als verfahrensfehlerhaft, die monatlichen Betreuungskosten rechtfertigten nicht die Annahme, dass in der selbstbeschafften Einrichtung ""Luxusleistungen"" erbracht würden und die Aufwendungen deshalb vermeidbar gewesen wären. Dies folgt bereits daraus, dass in Fällen, in denen eine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt ist, die Rüge von Verfahrensfehlern nur dann Erfolg haben kann, wenn hinsichtlich jeder dieser tragenden Gründe ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2017 - 5 B 57.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​160217B5B57.16.0] - juris Rn. 6 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. 72 Die Unvermeidbarkeit der Aufwendungen hat die Vorinstanz auch mit der selbstständig tragenden Begründung angenommen, die Eltern des Klägers hätten nur die Möglichkeit gehabt, den Leistungsumfang des privaten Anbieters zu akzeptieren oder auf dessen Angebot zu verzichten. Dagegen sind zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben worden. 73 b) Obwohl die Selbstbeschaffung des Betreuungsplatzes zulässig war, hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme des streitigen Beitrags für die Inanspruchnahme des Betreuungsplatzes. 74 Der Sekundäranspruch auf Übernahme von Aufwendungen in analoger Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gewährt nicht mehr als der Primäranspruch (vgl. Kepert, ZKJ 2015, 267 <268>). Dem steht - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - nicht entgegen, dass der Primäranspruch auf einen Nachweis und der Sekundäranspruch auf eine Geldleistung gerichtet ist. Der Umfang der zu übernehmenden erforderlichen Aufwendungen entspricht dem Betrag, der bei rechtzeitigem Nachweis eines ausreichenden Förderangebots von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 5 C 12.11 - BVerwGE 142, 115 Rn. 22 f.). Ist der Primäranspruch - wie hier - nicht auf den Nachweis eines beitragsfreien Betreuungsplatzes gerichtet, hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur diejenigen Aufwendungen zu übernehmen, die das nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anspruchsberechtigte Kind im Fall des rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Nachweises eines Betreuungsplatzes nicht hätte tragen müssen (vgl. Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 36a Rn. 54). Mithin ist in den Fällen, in denen kein Recht auf kostenfreie Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes besteht, der Anspruch auf Übernahme von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz auf den Mehraufwand beschränkt, der gerade durch die Selbstbeschaffung entstanden ist. Nicht beansprucht werden können die Aufwendungen, die ohnehin zu tragen gewesen wären. Zu Letzteren gehören die hier streitigen Aufwendungen. 75 Hätte der Beklagte den selbstbeschafften Betreuungsplatz bei Fälligkeit des Anspruchs aus § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nachgewiesen, wäre dieser erfüllt gewesen, da es sich um einen öffentlich geförderten, bedarfsgerechten Platz gehandelt hat und der Kläger - wie aufgezeigt - keinen Anspruch auf Nachweis eines Platzes in einer kommunalen Einrichtung hatte. Die Höhe des Teilnahmebeitrags ist - wie ebenfalls dargelegt - nicht schon bei dem Nachweis eines Betreuungsplatzes zu berücksichtigen. Im Fall des Nachweises des selbstbeschafften Betreuungsplatzes hätte der Kläger denselben Teilnahmebeitrag zu entrichten, aber die streitigen Aufwendungen ebenfalls erbringen müssen. Mehraufwendungen, die gerade durch die Selbstbeschaffung entstanden sind, hat er nicht geltend gemacht. 76 Für die Prüfung der finanziellen Zumutbarkeit des Teilnahmebeitrages ist im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII analog kein Raum. Diese Frage ist - wie dargelegt - in dem Verfahren des § 90 Abs. 3 SGB VIII nach Maßgabe der aufgezeigten Maßstäbe zu beantworten. 77 4. Da die Revision aus den aufgezeigten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die des Weiteren geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen und das angefochtene Urteil auf ihnen beruht. 78 5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2017-76,08.11.2017,"Pressemitteilung Nr. 76/2017 vom 08.11.2017 EN Umfang der Ausbildungsförderung für mit einem Elternteil zusammenwohnende Auszubildende Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute zum Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) entschieden, dass Auszubildende nicht im Sinne des Gesetzes „bei den Eltern wohnen“ und ihnen deshalb der höhere Unterkunftsbedarf zusteht, wenn sie einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt. Die Klägerin, die als Studentin Ausbildungsförderung erhält, streitet mit dem beklagten Studierendenwerk darüber, ob ihr der höhere Unterkunftsbedarf zusteht, der daran geknüpft ist, dass der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt. Diese erhöhte Unterkunftspauschale betrug im streitigen Zeitraum 224 € monatlich (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG). Demgegenüber belief sich die monatliche Unterkunftspauschale für einen Auszubildenden, der „bei seinen Eltern wohnt“ im damaligen Zeitraum auf lediglich 49 € (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG). Nachdem der Mutter der Klägerin die Wohnung gekündigt worden war, nahm die Klägerin sie in ihre Wohnung auf. Daraufhin kürzte der Beklagte die der Klägerin gewährte Ausbildungsförderung und billigte dieser ab dem Einzug der Mutter in die Wohnung lediglich den geringeren Unterhaltsbedarf für bei den Eltern wohnende Auszubildende zu. Auf die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht der Klägerin für den streitigen Zeitraum von 16 Monaten den höheren Unterkunftsbedarf zugesprochen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin zum Bundesverwaltungsgericht hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Zwar trifft die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu und entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Wohnen „bei den Eltern“ im Sinne des Gesetzes grundsätzlich schon dann vorliegt, wenn Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben und die von ihnen genutzten Wohn- und Gemeinschaftsräume als einer Wohnung zugehörend anzusehen sind, ohne dass es auf die näheren Umstände des Zusammenlebens ankommt. Die damit verbundene gesetzliche Typisierung dient dem Bestreben des Gesetzgebers, die Ausbildungsförderung als Form der Massenverwaltung auch im Hinblick auf die Zuordnung der Unterkunftspauschalen verwaltungspraktikabel auszugestalten. Sie beruht auf der Annahme, dass das Zusammenwohnen mit den Eltern oder einem Elternteil regelmäßig mit einer Kostenersparnis für den Auszubildenden verbunden ist und er darüber hinaus durch das gemeinsame Wohnen typischerweise noch Rückhalt und Unterstützung durch die Eltern oder den Elternteil erlangt. Es ist jedoch geboten, eine Ausnahme von dieser Typisierung zu machen, wenn Auszubildende einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt. Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn - wie hier - der Elternteil von grundsätzlich nur das Existenzminimum abdeckenden Sozialleistungen (wie Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch) abhängig ist und vom Auszubildenden in dessen Wohnung aufgenommen wird, weil er anderweitig nicht mehr über eigenen Wohnraum verfügt. In einer solchen Konstellation spricht schon das Wortlautverständnis in gewichtiger Weise dafür, dass nicht der Auszubildende „bei dem Elternteil“ wohnt, sondern der Elternteil „bei dem Auszubildenden“. Auch die Zwecke der Kostenersparnis und Unterstützung durch den Elternteil, welche die Zubilligung der geringeren Unterkunftspauschale typisierend rechtfertigen, kommen in dieser Fallgestaltung nicht zum Tragen. BVerwG 5 C 11.16 - Urteil vom 08. November 2017 Vorinstanzen: OVG Hamburg, 4 Bf 112/12 - Urteil vom 24. September 2015 - VG Hamburg, 2 K 1801/11 - Urteil vom 13. April 2012 -","Urteil vom 08.11.2017 - BVerwG 5 C 11.16ECLI:DE:BVerwG:2017:081117U5C11.16.0 EN Umfang der Ausbildungsförderung für mit einem Elternteil zusammenwohnende Auszubildende Leitsätze: 1. Ein Wohnen bei den Eltern im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG liegt grundsätzlich dann vor, wenn Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil leben und die von ihnen genutzten Wohn- und Gemeinschaftsräume als einer Wohnung zugehörend anzusehen sind, ohne dass es auf die näheren Umstände des Zusammenlebens ankommt (Bestätigung der stRspr). 2. Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn Auszubildende einen Elternteil in ihre nicht im Eigentum der Eltern stehende Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt (Weiterentwicklung der Rechtsprechung). Rechtsquellen BAföG § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, § 13 Abs. 3a SGB II 2011 § 19 Abs. 3, § 27 Abs. 3 Instanzenzug VG Hamburg - 13.04.2012 - AZ: VG 2 K 1801/11 OVG Hamburg - 24.09.2015 - AZ: OVG 4 Bf 112/12 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.11.2017 - 5 C 11.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:081117U5C11.16.0] Urteil BVerwG 5 C 11.16 VG Hamburg - 13.04.2012 - AZ: VG 2 K 1801/11 OVG Hamburg - 24.09.2015 - AZ: OVG 4 Bf 112/12 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. September 2015 geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 13. April 2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2011 bis August 2012 der erhöhte Unterkunftsbedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG zusteht, der daran geknüpft ist, dass Auszubildende nicht bei ihren Eltern wohnen. 2 Der Beklagte hatte der Klägerin für den Bewilligungszeitraum von September 2010 bis August 2011 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 597 € gewährt. Dabei hatte er den erhöhten Unterkunftsbedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG in Höhe von 224 € zugrunde gelegt, weil die Klägerin in einer von ihr angemieteten Wohnung außerhalb des Elternhauses wohnte. 3 Im Januar 2011 zog die Klägerin in eine andere Wohnung um und beabsichtigte, hierfür noch einen Mitbewohner zu suchen. Weil ihrer Mutter, die im Anschluss an eine Insolvenz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs bezog, die Wohnung gekündigt worden war, nahm die Klägerin diese im April 2011 in ihre Wohnung auf. Die Mutter zahlte ihr als Untermieterin den hälftigen monatlichen Mietzins in Höhe von 250 €. 4 Nachdem die Klägerin dem Beklagten die vorgenannten Umstände mitgeteilt hatte, kürzte dieser die Ausbildungsförderung für den Zeitraum von Mai bis August 2011 auf monatlich 422 €. Ferner gewährte er in dieser Höhe Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von September 2011 bis August 2012. Dabei legte er jeweils den geringeren Unterkunftsbedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG in Höhe von monatlich 49 € für bei den Eltern wohnende Auszubildende zugrunde. Zugleich forderte er für den Zeitraum von Mai bis Juli 2011 bereits ausgezahlte Ausbildungsförderung in Höhe von 525 € von der Klägerin zurück. 5 Der hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung für den streitigen Zeitraum unter Berücksichtigung des erhöhten Unterkunftsbedarfs gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG zu bewilligen. 6 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe nur der geringere Unterkunftsbedarf zu, weil sie während des streitigen Zeitraums ""bei ihren Eltern"" im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG gewohnt habe. Hierfür genüge es aufgrund der dabei zugrunde zu legenden typisierenden Betrachtung, dass sie mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt habe. Die näheren Umstände des Zusammenlebens seien irrelevant. Deshalb sei der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte, auf die Aufklärung der näheren Umstände des Zusammenwohnens mit ihrer Mutter gerichtete Beweisantrag wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abzulehnen gewesen. Entscheidend sei allein, dass typischerweise die Annahme gerechtfertigt sei, der Auszubildende profitiere davon, mit seinen Eltern in einem Haushalt zusammenzuleben. Im Bereich der Massenverwaltung, zu der das Recht der Ausbildungsförderung zähle, könne im Interesse der Praktikabilität auf die gesetzestechnischen Mittel der Typisierung, Generalisierung und Pauschalisierung nicht verzichtet werden, auch wenn dies zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit gehe. Der Gesetzgeber habe den für das Ausbildungsförderungsrecht zuständigen Ämtern nicht die Aufgabe zuweisen wollen, bei der Anwendung des § 13 Abs. 2 BAföG die näheren Umstände des Zusammenlebens zwischen einem Auszubildenden und seinen Eltern zu untersuchen und förderungsrechtlich zu bewerten. In den Fällen, in denen der Auszubildende von dem Zusammenwohnen mit seinen Eltern nicht profitieren könne, weil diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezögen und - wie die Mutter der Klägerin - in diesem Rahmen die Unterkunftskosten nur anteilig ersetzt erhielten, habe der Auszubildende einen eigenen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, der neben den Anspruch auf Ausbildungsförderung trete und mit dem der andernfalls ungedeckte Unterkunftsbedarf bezuschusst werde. 7 Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt und damit einen Verfahrensfehler begangen. In materiellrechtlicher Hinsicht rügt sie eine Verletzung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG. Es liege kein ""Wohnen bei den Eltern"" im Sinne dieser Rechtsnorm vor, wenn - wie hier - ein Elternteil in die Wohnung des Auszubildenden ziehe und der Auszubildende keinerlei wirtschaftliche oder sonstige Unterstützung durch den Elternteil empfange. 8 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten. II 9 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Es beruht auf einer Verletzung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG), hier anzuwenden i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; ber. 2012 I S. 197). Nach dieser Fassung der Vorschrift erhöhen sich die Bedarfe für die Unterkunft um monatlich 49 €, wenn der Auszubildende bei seinen Eltern wohnt (Nr. 1) und um monatlich 224 €, wenn er nicht bei seinen Eltern wohnt (Nr. 2). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum nur die geringere Unterkunftspauschale nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG beanspruchen konnte. 10 Ein Wohnen ""bei den Eltern"" im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG ist zwar wegen der typisierten Ausgestaltung dieses Merkmals grundsätzlich an das nahe räumliche Zusammenleben mit den Eltern in einer Wohnung geknüpft (1). Allerdings ist eine Ausnahme von der Typisierung des Zusammenwohnens zu machen, wenn Auszubildende einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt. In dieser Fallkonstellation haben sie Anspruch auf die höhere Pauschale des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG (2). Weil diese Voraussetzungen hier vorliegen, stand der Klägerin - wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat - im streitigen Zeitraum die höhere Unterkunftspauschale zu (3). 11 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein Wohnen bei den Eltern im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG grundsätzlich dann vor, wenn Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil leben und die von ihnen genutzten Wohn- und Gemeinschaftsräume als einer Wohnung zugehörend anzusehen sind, ohne dass es auf die näheren Umstände des Zusammenwohnens ankommt. Denn ausgehend von der Wortbedeutung, die geprägt wird durch die Präposition ""bei"", erfasst die Formulierung ""bei seinen Eltern wohnen"" das nahe räumliche Zusammenleben mit den Eltern in einem Haushalt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1977 - 5 C 68.76 - BVerwGE 55, 54 <59> und - 5 C 69.76 - Buchholz 436.36 § 13 BAföG Nr. 1 S. 4; vom 13. April 1978 - 5 C 54.76 - BVerwGE 55, 325 <327 f.>; vom 16. Dezember 1980 - 5 C 48.79 - BVerwGE 61, 235 <237 f.>; vom 17. Februar 1993 - 11 C 10.92 - Buchholz 436.36 § 68 BAföG Nr. 15 S. 23 f. und vom 24. Februar 2000 - 5 C 16.99 - Buchholz 436.36 § 2 BAföG Nr. 27 S. 6). 12 Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin bedarf es hierfür aber nicht notwendig einer sich Naturalunterhalt gewährenden Haushaltsgemeinschaft zwischen den Eltern und dem Auszubildenden, die sich im Sinne einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auch dadurch auszeichnet, dass in einer gemeinsamen Wohnung nachweislich mindestens ein Raum, der nicht Nebenraum (Küche, Bad, WC, Flur) ist, gemeinsam genutzt wird. Maßgebend ist vielmehr das tatsächliche Erscheinungsbild des Zusammenwohnens, dem ein typisierender Charakter zukommt. Deshalb genügt es für das Wohnen ""bei seinen Eltern"" im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG grundsätzlich schon, wenn Eltern(teil) und Auszubildender in einer Wohnung oder - auf häusliche Verhältnisse bezogen - ""unter einem Dach"" gemeinsam leben und einen Haushalt im weiteren Sinne teilen. Eine wirtschaftlich dominierende Stellung der Eltern, eine bestimmte Form der Wohnnutzung und des Zusammenlebens (etwa in Form eines traditionellen Familienverbandes) oder ein nachweislich gemeinsames Wirtschaften ist nicht erforderlich (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 13. April 1978 - 5 C 54.76 - BVerwGE 55, 325 <327 f.> und vom 16. Dezember 1980 - 5 C 48.79 - BVerwGE 61, 235 <237 f.>). 13 Die Gründe dafür, warum die Vorschrift in dieser Weise auszulegen und von einer gesetzlichen Typisierung, die durch das Zusammenwohnen begründet wird, auszugehen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht wie folgt erläutert: Sofern der Auszubildende mit seinen Eltern oder einem Elternteil zusammenwohnt, weist dieses Bild zumindest in seiner typischen Ausgestaltung unabhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten qualifizierende Merkmale auf. Qualifizierend wirken sich zwar nicht mehr wie im Schulalter der Kinder die Erziehungspflicht und das Erziehungsrecht der Eltern aus. Wesensprägend ist vielmehr der Umstand, dass sich der Studierende, weil er noch in der Ausbildung ist, regelmäßig in einem Zustand mannigfaltiger Abhängigkeiten von verschiedenartigen Zuwendungen befindet. Kann er in dieser Situation mit den Eltern zusammenwohnen, bei denen ein junger Mensch typischerweise noch Rückhalt findet, so steht es mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in Einklang, diese Art des Zusammenlebens als Wohnen bei den Eltern zu beschreiben. Es besteht kein Anlass, diesen Begriff bei der Auslegung des § 13 Abs. 2 BAföG strenger zu interpretieren. Der Zubilligung des niedrigeren Satzes für die Unterkunft an einen Auszubildenden, der mit seinen Eltern in einer Wohnung lebt, liegt im Übrigen die Erwägung zugrunde, dass durch diese Form des Wohnens die Aufwendungen für die Unterkunft des Auszubildenden erfahrungsgemäß wesentlich gemindert werden, weil anders, als wenn der Auszubildende in einer eigenen Wohnung oder einem selbstständigen Zimmer wohnt, die anteiligen Kosten für die Gemeinschaftsräume wie Flur, Treppenhaus, Bad und Küche nur einmal anfallen. Grundsätzlich ist nicht zu prüfen, ob die angeführten Gesichtspunkte auch der Wirklichkeit eines bestimmten Einzelfalles entsprechen. Die Regelung des § 13 Abs. 2 BAföG kennt nur zwei Typengruppen, die allein nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals ""bei den Eltern wohnen"" unterschieden werden und für eine weitere Differenzierung keinen Raum lassen. Es ist deshalb rechtsunerheblich, ob die Wohngemeinschaft zwischen dem Auszubildenden und seinen Eltern noch die Merkmale eines traditionellen Familienverbandes aufweist und ob die Eltern dem Auszubildenden Unterhalt leisten oder nicht. Im Rahmen der hier gegebenen Leistungsverwaltung ist der Gesetzgeber berechtigt, von einem typischen Erscheinungsbild auszugehen und danach die zu gewährende Leistung generalisierend zu regeln (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1980 - 5 C 48.79 - BVerwGE 61, 235 <237 f.> m.w.N.). 14 An diesen Grundsätzen, denen auch das Oberverwaltungsgericht gefolgt ist, hält der Senat aus den vorgenannten Gründen fest. Er sieht diese Grundsätze auch der Sache nach durch den Gesetzgeber bestätigt. Zwar hat dieser die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit der durch das 7. BAföG-Änderungsgesetz vom 13. Juli 1981 (BGBl. I S. 625) eingeführten Vorschrift des § 13 Abs. 3a BAföG in einem Punkt korrigiert (vgl. BT-Drs. 9/410 S. 13). Danach wohnt ein Auszubildender auch dann bei seinen Eltern, wenn der von ihm bewohnte Raum im Eigentum der Eltern steht. Durch die Einführung dieser Regelung ist die bereits zuvor durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründete Auslegung des § 13 Abs. 2 BAföG jedoch in ihren Kernaussagen nicht verändert, sondern das Merkmal des Wohnens bei den Eltern nur um die genannte Fallkonstellation erweitert worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1993 - 11 C 10.92 - Buchholz 436.36 § 68 BAföG Nr. 15 S. 25 f.). Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze im Übrigen bestätigen wollte. 15 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die an das Zusammenwohnen geknüpfte Typisierung aber von Anfang an nicht als abschließend verstanden worden. Insbesondere ist eingeräumt worden, dass es notwendig sein kann, aus verfassungsrechtlichen Gründen Ausnahmen zuzulassen, weil auch einer an sachbezogenen Merkmalen orientierten Typisierung Grenzen durch den insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verflochtenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen sind. Diesbezüglich hat das Bundesverwaltungsgericht zwar im Ergebnis offengelassen, aber ausdrücklich erwogen, ob eine solche Ausnahmekonstellation anzunehmen ist für den Fall einer Studentin mit eigener Wohnung, die darin ihre (betreuungsbedürftige) Mutter aufnimmt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1977 - 5 C 68.76 - BVerwGE 55, 54 <60> und - 5 C 69.76 - Buchholz 436.36 § 13 BAföG Nr. 1 S. 5). 16 2. Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ist es geboten, für die hier in Rede stehende Fallkonstellation eine Ausnahme von der Typisierung anzunehmen. Dies ergibt sich, ohne dass es einer verfassungskonformen Auslegung bedarf, bereits im Wege der einfachrechtlichen Gesetzesinterpretation. § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG ist dahin auszulegen, dass auch im Falle des Zusammenwohnens von Auszubildendem und Elternteil ein Wohnen ""bei den Eltern"" ausnahmsweise nicht vorliegt, wenn der Auszubildende den Elternteil in seine eigene, nicht im Eigentum der Eltern stehende Wohnung aufnimmt und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt. 17 Bereits der Normwortlaut spricht mit gewichtiger Tendenz dafür, dass bei dieser Fallgruppe ein Wohnen bei den Eltern im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG nicht vorliegt (a). Sinn und Zweck der Rechtsnorm, wie sie sich auch aus der Entstehungsgeschichte erschließen, stützen diese Annahme (b). Systematische Erwägungen stehen dem jedenfalls nicht entgegen (c). 18 a) Auch wenn der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist, legt es das allgemeine Sprachverständnis nahe, die Fallkonstellation, dass ein unterstützungsbedürftiger Elternteil in die bereits vom Auszubildenden bewohnte und von diesem angemietete Wohnung zieht, nicht mehr als ein Wohnen ""bei den Eltern"" anzusehen. Vielmehr liegt es in dieser Konstellation näher, davon zu sprechen, dass der Elternteil ""bei dem Auszubildenden"" wohnt. Die Präposition ""bei"" deutet darauf hin, dass der Ausgangspunkt des Wohnens bei den Eltern oder einem Elternteil liegt. Hier verhält es sich aber umgekehrt. Durch die Aufnahme eines Elternteils in die Wohnung des Auszubildenden wird diese sprachlich nicht zur ""elterlichen Wohnung"" (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. November 2016 - L 1 AS 4236/16 ER-B - juris Rn. 24). 19 b) Die Wortlautanalyse wird durch Sinn und Zweck der Norm, wie sie sich auch aus den Gesetzesmaterialien erschließen, bekräftigt. 20 Bei der Festlegung, warum den Auszubildenden, die bei den Eltern wohnen, nur die niedrigere Unterkunftskostenpauschale des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG zuzubilligen ist, hat sich der Gesetzgeber von bestimmten Zwecksetzungen leiten lassen: Erstens von dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis, nämlich der Erwägung, dass durch diese Form des Wohnens die Aufwendungen, die der Auszubildende für die Unterkunft zu bestreiten hat, erfahrungsgemäß wesentlich gemindert werden und typischerweise geringer ausfallen als bei Auszubildenden, die außerhalb des Elternhauses wohnen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 24. November 1977 - 5 C 68.76 - BVerwGE 55, 54 <58>). Dieser Kostengesichtspunkt ist bereits in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 6/1975 S. 27) angesprochen worden. Es ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ein ansonsten zu bedienender Vermietergewinn für den Auszubildenden im Falle des Wohnens bei den Eltern nicht anfällt (BVerwG, Urteil vom 15. August 1996 - 5 C 15.95 - BVerwGE 101, 344 <345>). Zweitens hat der Gesetzgeber den Gesichtspunkt der Unterstützung des Auszubildenden im Blick gehabt. Er ist - wie bereits oben dargelegt - von der Annahme ausgegangen, dass Studierende durch das gemeinsame Wohnen mit den Eltern bei diesen typischerweise noch Rückhalt und Unterstützung erfahren. 21 Diese Zweckerwägungen kommen jedoch in der hier streitigen Fallkonstellation, in der ein der Sache nach selbst unterstützungsbedürftiger Elternteil in die Wohnung des Auszubildenden zieht, nicht zum Tragen und vermögen die Vorenthaltung der höheren Unterkunftspauschale nicht zu rechtfertigen. Der Gesichtspunkt der Kostenersparnis für den Auszubildenden greift insoweit erkennbar nicht ein. Der Auszubildende ist in dieser Konstellation im Hinblick auf die Wohnkosten nicht besser gestellt, als er stehen würde, wenn er nicht mit einem Elternteil, sondern mit irgendeiner dritten Person in einer Wohnung leben und sich mit dieser die Wohnkosten teilen würde. Auch die Annahme, dass der Auszubildende durch das Zusammenwohnen mit dem Elternteil die ansonsten anfallenden Kosten des Vermietergewinns erspart, trifft ersichtlich nicht zu. Der zweite Gesichtspunkt der Unterstützung des Auszubildenden trägt in der beschriebenen Fallkonstellation ebenfalls nicht. Dem tatsächlichen Erscheinungsbild nach ist hier nicht der Auszubildende, sondern der eine Wohnung benötigende Elternteil unterstützungsbedürftig. Das gilt gerade dann, wenn - wie hier - der von dem Auszubildenden aufgenommene Elternteil von Sozialleistungen lebt, die aufgrund ihrer Höhe eine finanzielle Unterstützung des Auszubildenden nicht erlauben. Insgesamt ist diese Fallkonstellation dadurch geprägt, dass ein höheres Maß an Unterstützungsbedürftigkeit nicht - wie von der Zwecksetzung der Norm her erforderlich - bei dem Auszubildenden, sondern bei dem Elternteil liegt. 22 Der weitere Gesetzeszweck, nämlich die Gewährleistung der Verwaltungspraktikabilität, hindert nicht daran, in dieser Fallkonstellation eine Ausnahme von der Typisierung zuzulassen. Hintergrund der typisierenden Wirkung des Zusammenwohnens von Auszubildendem und Eltern(teil) ist zwar das Ziel des Gesetzgebers, die Ausbildungsförderung als Form der Massenverwaltung auch im Hinblick auf die Zuordnung der Unterkunftspauschalen des § 13 Abs. 2 BAföG für den Verwaltungsvollzug praktikabel auszugestalten (vgl. dazu auch den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, BT-Drs. 9/603 S. 20 f., wo ein Änderungsvorschlag von den damaligen Mehrheitsfraktionen insbesondere mit der Begründung abgelehnt worden ist, dass der zur Realisierung erforderliche ""Verwaltungsaufwand"" nicht zu leisten sei). Diese Zweckerwägung steht der Zulassung einer Ausnahme von der Typisierung aber nicht entgegen, weil angesichts der rechtstatsächlich eher geringen Anzahl der Sachverhalte, die unter die Ausnahmekonstellation fallen können, der Ausbildungsverwaltung die praktikabel zu handhabende Typisierung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG im verwaltungspraktischen Regelfall erhalten bleibt. Überdies wird die Verwaltungspraktikabilität in der hier in Rede stehenden Fallgestaltung auch deshalb gewahrt, weil diese als Typisierungsausnahme zu verstehen und daher für den Auszubildenden mit der Obliegenheit verbunden ist, der Ausbildungsverwaltung die für ihn günstigen Umstände mitzuteilen. Deshalb sind die Förderungsämter nicht gehalten, jeden Sachverhalt eines Zusammenwohnens von Auszubildendem und Elternteil bereits von Amts wegen dahin aufzuklären, ob die für die Ausnahmekonstellation tragenden Umstände vorliegen. 23 c) Aus der Gesetzessystematik lassen sich keine Schlüsse ziehen, die dem insbesondere durch grammatische und teleologische Erwägungen gestützten Auslegungsergebnis entgegenstehen. 24 Das Verhältnis des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG zu der Sonderregelung des § 13 Abs. 3a BAföG ist weder in der einen noch in der anderen Richtung aussagekräftig. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aus der Existenz dieser Sonderregelung nicht darauf geschlossen werden, dass Auszubildende nur dann ""bei"" ihren Eltern im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG wohnen, wenn die Eltern die ""Verfügungsgewalt"" über die Wohnung haben, also Eigentümer oder Mieter der Wohnung sind. Denn § 13 Abs. 3a BAföG stellt nur auf das Eigentum der Eltern ab und nicht allgemein auf ein (auch einem Mieter zukommendes) Verfügungsrecht. Aus der Existenz der Sonderregelung des § 13 Abs. 3a BAföG lässt sich nicht ableiten, welcher Regelfall § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG zugrunde liegt. 25 Soweit das Oberverwaltungsgericht und insbesondere der Beklagte bestrebt sind, aus der Regelung des § 27 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854), - SGB II 2011 - systematische Rückschlüsse zu ziehen, verfängt dies ebenfalls nicht. Diese (mittlerweile wieder geänderte) Regelung hat vorgesehen, dass Auszubildende, die - soweit hier von Interesse - Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz erhalten und deren Bedarf sich nach § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BAföG bemisst, einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhalten können, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II 2011 ungedeckt ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich daraus jedoch nicht schließen, der Gesetzgeber habe mit der Schaffung dieser Regelung zum Ausdruck bringen wollen, dass er die Situation eines bei den Eltern lebenden Studierenden im Hinblick auf eine über die Ausbildungsförderung hinausgehende finanzielle Bedürftigkeit auch in Fallkonstellationen wie der hier in Rede stehenden allein über den Wohnkostenzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II 2011 habe regeln wollen. Diese Argumentation setzt voraus, was erst im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, nämlich ob überhaupt ein Fall des Bei-den-Eltern-Wohnens im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG vorliegt, an den § 27 Abs. 3 SGB II 2011 erst anknüpft. Weil sich die Frage, ob eine Bedarfslücke bei den Unterkunftskosten vorliegt und der Auszubildende ausnahmsweise noch ergänzend einen Wohnkostenzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II 2011 beanspruchen kann, erst stellt, wenn geklärt ist, ob § 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG eingreift, ist ein Rückschluss auf dessen Auslegung nicht statthaft. 26 3. Gemessen an den vorgenannten Maßstäben steht der Klägerin für den streitigen Zeitraum die höhere Unterkunftspauschale nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG zu. Obgleich sie ab April 2011 mit ihrer Mutter in einer Wohnung zusammen lebte, ist ein Ausnahmefall von der Typisierung des Zusammenwohnens anzunehmen, weil sie einen Elternteil in ihre (nicht im Eigentum der Eltern stehende) Wohnung aufgenommen und sich dies als Unterstützung des Elternteils dargestellt hat. Von Letzterem ist nämlich insbesondere auszugehen, wenn - wie hier - der Elternteil von Sozialleistungen abhängig ist, die grundsätzlich nur das Existenzminimum absichern (wie Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch), und vom Auszubildenden in dessen Wohnung aufgenommen wurde, weil er anderweitig nicht (mehr) über eigenen Wohnraum verfügte. 27 Die dies begründenden tatsächlichen Voraussetzungen sieht der Senat nach den im gerichtlichen Verfahren unstreitigen und vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Umständen als erfüllt an. Denn danach hat die Klägerin (als Hauptmieterin) ihre Mutter in die zuvor nur von ihr bewohnte Wohnung aufgenommen, weil dieser die eigene Wohnung gekündigt worden war. Als Untermieterin zahlte ihr die Mutter, die im Anschluss an eine Insolvenz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezog, den hälftigen monatlichen Mietzins für die Wohnung. Aus der Gesamtbetrachtung dieser Umstände ergibt sich, dass sich die Aufnahme der Mutter in die Wohnung der Klägerin als Unterstützung dieses Elternteils dargestellt hat. Auf die zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht im Berufungsverfahren allein streitige Frage, ob die Klägerin ihre Mutter zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in ihre Wohnung aufgenommen hat, kommt es demgegenüber für die Beurteilung des Rechtsstreits nicht an. Gleiches gilt für die näheren Umstände des Zusammenlebens in der Wohnung, auf deren Aufklärung die Klägerin mit ihrem im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag hinwirken wollte. 28 4. Weil die Revision der Klägerin aus den aufgezeigten Gründen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der von der Klägerin im Revisionsverfahren geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt. 29 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2017-78,15.11.2017,"Pressemitteilung Nr. 78/2017 vom 15.11.2017 EN Steuerberaterkammer darf Honorar für Gerichtsgutachten nicht mit Gebührenbescheid durchsetzen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine Steuerberaterkammer, die von einem Gericht mit einem Honorargutachten beauftragt wurde, hierfür keinen Gebührenbescheid erlassen darf. Ein Zivilsenat des Kammergerichts beauftragte die Steuerberaterkammer Berlin in einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens über die Angemessenheit eines Steuerberaterhonorars. Das Stundenhonorar der Steuerberaterkammer setzte der Senat mit gesondertem Beschluss auf 80,- € fest. Weitergehende Vergütungswünsche der Steuerberaterkammer wies er zurück. Nach Erstellung des Gutachtens erließ die Steuerberaterkammer gegenüber dem Kammergericht einen Gebührenbescheid für das Gutachten. Der Gebührenberechnung legte sie einen Stundensatz von 100,- € zugrunde. Den Widerspruch gegen ihren Bescheid wies sie zurück. Das Verwaltungsgericht hat auf Klage des Kammergerichts den Gebührenbescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der beklagten Steuerberaterkammer zurückgewiesen. Ihre Revision blieb ohne Erfolg. Dem Erlass eines Gebührenbescheides durch die Steuerberaterkammer für das von ihr erstellte Gutachten steht bereits der Beschluss des Kammergerichts über die Höhe der Vergütung für das Gutachten entgegen. Zum Erlass dieses Beschlusses war das Kammergericht nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG - ermächtigt. In dem Beschluss hat das Kammergericht mit bindender Wirkung festgelegt, dass die Vergütung ausschließlich nach den Regeln des JVEG erfolgt und der Stundensatz 80,- € beträgt. Für die Anwendbarkeit des JVEG genügt zudem der formale Akt der Heranziehung einer Person oder einer Behörde durch ein Gericht zu einer als Sachverständigenleistung bezeichneten Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 JVEG). Das JVEG trägt den Belastungen Rechnung, die dem Einzelnen dadurch entstehen, dass er für Zwecke der Rechtspflege beansprucht wird. Die durch das JVEG eingeräumten Ansprüche sollen in einem einfachen, leicht zu vollziehenden Verfahren ermittelt werden. Mit diesem Zweck wäre es nicht vereinbar, wenn das JVEG das Entstehen seiner Ansprüche an materielle Kriterien, wie etwa das tatsächliche Vorliegen der Sachverständigeneigenschaft, knüpfen würde. Andernfalls  würden die Herangezogenen mit dem Vergütungsrisiko belastet. Das Oberverwaltungsgericht hat das von der beklagten Steuerberaterkammer erstattete Honorargutachten außerdem zutreffend als Sachverständigengutachten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG eingeordnet. Sachverständige sind Hilfspersonen, die dem Gericht die Sachkunde vermitteln, die es selbst nicht hat. Ihre Rolle beschränkt sich nicht auf rein tatsächliche Fragen. Gegenstand ihrer Hilfstätigkeit können auch außerrechtliche Normen- und Regelsysteme, wie beispielsweise Handelsbräuche und die Verkehrssitte, sein. Auf solche Gesichtspunkte bezog sich das Gutachten der Steuerberaterkammer jedenfalls auch. Fußnote: Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG § 1 Geltungsbereich und Anspruchsberechtigte (1) Dieses Gesetz regelt 1. die Vergütung der Sachverständigen, … die von dem Gericht … herangezogen werden; … Eine Vergütung oder Entschädigung wird nur nach diesem Gesetz gewährt. … (2) Dieses Gesetz gilt auch, wenn Behörden oder sonstige öffentliche Stellen … zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden. BVerwG 10 C 4.16 - Urteil vom 15. November 2017 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 2.14 - Urteil vom 06. November 2014 - VG Berlin, 16 K 46.13 - Urteil vom 21. November 2013 -","Urteil vom 15.11.2017 - BVerwG 10 C 4.16ECLI:DE:BVerwG:2017:151117U10C4.16.0 EN Keine Gebühren nach dem Steuerberatergesetz für ein gerichtlich angeordnetes Sachverständigengutachten Leitsätze: 1. Die gerichtliche Festsetzung der Vergütung von Sachverständigenleistungen, die eine Steuerberaterkammer auf gerichtliche Anordnung erbringt, schließt den Erlass konkurrierender Vergütungsregelungen durch die Steuerberaterkammer aus. 2. Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG - regelt die Vergütung von Personen, die von einem Gericht zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden, abschließend. Bereits der formale Akt der Heranziehung zu Sachverständigenleistungen schließt eine Festsetzung der Vergütung dieser Leistungen auf anderer rechtlicher Grundlage aus. 3. Sachverständigenleistungen erbringt, wer einem Gericht die Sachkunde vermittelt, die es nicht hat und auch nicht haben muss. Gutachten, die die ordnungsgemäße Ausübung des Gebührenermessens eines Steuerberaters nach § 11 der Steuerberatergebührenverordnung bzw. der Steuerberatervergütungsverordnung zum Gegenstand haben, sind Sachverständigengutachten. Rechtsquellen StBerG § 76 Abs. 2 Nr. 7, § 79 Abs. 2 RVG § 14 Abs. 2 JVEG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 4 Abs. 1 und 4 Satz 3, § 9 Abs. 1 Satz 5 ZPO §§ 402, 413 Instanzenzug VG Berlin - 21.11.2013 - AZ: VG 16 K 46.13 OVG Berlin-Brandenburg - 06.11.2014 - AZ: OVG 12 B 2.14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.11.2017 - 10 C 4.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:151117U10C4.16.0] Urteil BVerwG 10 C 4.16 VG Berlin - 21.11.2013 - AZ: VG 16 K 46.13 OVG Berlin-Brandenburg - 06.11.2014 - AZ: OVG 12 B 2.14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2017 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Das klagende Land wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der beklagten Steuerberaterkammer. 2 Mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27. März 2012 ordnete ein Zivilsenat des Kammergerichts die Einholung eines Gutachtens der beklagten Steuerberaterkammer an. Der Beschluss erging in einem Berufungsverfahren zwischen einem Steuerberater und seiner Mandantin, in dem die Mandantin einen Anspruch auf Rückzahlung überhöhten Steuerberaterhonorars geltend machte. In dem Beschluss heißt es: ""V. Es soll gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 7 StBerG durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Steuerberaterkammer Berlin Beweis erhoben werden über die Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 1) könne aus den Rechnungen vom ... eine Vergütung von nur ... EUR verlangen: ..."". 3 Die Bitte der Steuerberaterkammer, den Stundensatz für die Erstellung des Gutachtens gemäß § 13 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG - auf 100 € festzusetzen, lehnte das Kammergericht mit Beschluss vom 13. Juli 2012 ab. In diesem Beschluss heißt es: ""Die Steuerberaterkammer erhält für jede Stunde im Sinne von § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs- und - entschädigungsgesetzes (JVEG) ein Honorar in Höhe von 80 EUR. Gründe: Die Steuerberaterkammer hat nach § 1 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 13 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 1 (JVEG) nur einen Anspruch auf die festgesetzte Vergütung. ..."". 4 Mit Vorschussgebührenbescheid vom 19. September 2012 forderte die beklagte Steuerberaterkammer, gestützt auf § 2 Nr. 1.1 i.V.m. § 5 ihrer Gebührenordnung, vom Kammergericht einen Vorschuss von 1 800 € für die Erstellung des Gutachtens. Dem legte sie 18 Gutachterstunden und einen Stundensatz von 100 € zugrunde. Den Widerspruch hiergegen wies sie zurück. 5 Der Kläger hat gegen den Vorschussgebührenbescheid und den Widerspruchsbescheid fristgerecht Klage erhoben. Während des gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte das geforderte Gutachten erstellt, einen endgültigen Gebührenbescheid über 1 376,18 € erlassen und den Vorschussgebührenbescheid nebst Widerspruchsbescheid aufgehoben. Der Gebührenberechnung hat sie 13 Gutachterstunden und wiederum einen Stundensatz von 100 € zugrunde gelegt. Den Widerspruch des Klägers gegen den endgültigen Gebührenbescheid hat sie zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger den endgültigen Gebührenbescheid und den diesen bestätigenden Widerspruchsbescheid zum alleinigen Gegenstand seiner Klage gemacht. 6 Mit Urteil vom 21. November 2013 hat das Verwaltungsgericht diese Bescheide aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 6. November 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die durch § 413 ZPO in Bezug genommenen Vorschriften des JVEG verdrängten vorliegend als vorrangiges Bundesrecht die Regelungen des Steuerberatergesetzes und der darauf gegründeten Gebührenordnung der Beklagten, weil auch Gutachten, die von einem Prozessgericht in Auftrag gegeben würden, um diesem die erforderliche Sachkunde zur Bewertung des angesetzten Aufwandes und der Üblichkeit eines Steuerberatungshonorars zu verschaffen, Sachverständigengutachten im Sinne der §§ 402 ff. ZPO seien. Dem stehe nicht entgegen, dass die Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG keinen Stundensatz für das Honorar von Steuerberatern festlege. Die dortige Aufzählung sei nicht abschließend. § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG enthalte insoweit eine hinreichend bestimmte Auffangregelung. § 14 Abs. 2 RVG gebiete kein anderes Ergebnis. Es handele sich um eine Spezialvorschrift für das anwaltliche Gebührenrecht, nach der Gebührengutachten kostenlos zu erstatten seien. Eine planwidrige Regelungslücke im Steuerberatungsgesetz, die durch Rückgriff auf § 14 RVG geschlossen werden müsse, sei nicht gegeben. 7 Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das vorliegende Gutachten stelle ein Sachverständigengutachten im Sinne der §§ 402 ff. ZPO dar. Der Sachverständigenbeweis diene der Feststellung von Tatsachen und nicht von Rechtsfragen. Bei dem vorliegenden Gutachten gehe es aber darum, die Richtigkeit von Grund und Höhe der Gebührenforderung eines Steuerberaters am Maßstab der Steuerberatervergütungsverordnung zu beurteilen, mithin um reine Rechtsanwendung. Insofern liege es nicht anders als bei Honorargutachten der Rechtsanwaltskammer nach § 14 RVG. Die dort angeordnete Kostenfreiheit gelte nur für Streitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandant, nicht aber in Rechtsstreitigkeiten, bei denen es inzident auf die Rechtmäßigkeit der anwaltlichen Gebührenforderung - wie etwa in Erstattungsstreitigkeiten - ankomme, und sei ohnehin nicht auf Honorarforderungen von Steuerberatern übertragbar. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht auch das Verhältnis der Vorschriften des JVEG zu denjenigen des Steuerberatergesetzes fehlerhaft beurteilt. Die Vorschrift des § 76 StBerG regele die Aufgaben der Steuerberaterkammer. § 79 Abs. 2 StBerG knüpfe daran an und lege fest, wann und von wem für die Erfüllung der Aufgaben Geldleistungen eingefordert werden könnten. Das JVEG gehe darüber hinaus, indem es den gesamten Bereich der Kosten in staatlich organisierten Verfahren in den Blick nehme. 8 Die Beklagte beantragt, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. November 2014 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen. 9 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Der Kläger und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 11 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Gebührenbescheid der Beklagten und deren Widerspruchsbescheid zu Recht aufgehoben, das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten deshalb zu Recht zurückgewiesen. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. 12 1. Dem Erlass eines Gebührenbescheides durch die Beklagte in Anwendung ihrer Gebührenordnung steht schon die Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 13. Juli 2012 entgegen, mit dem dieses die Höhe des Stundensatzes für das von der Beklagten angeforderte Gutachten auf 80 € festgesetzt hat. Das schließt den Erlass konkurrierender Vergütungsregelungen durch die Beklagte aus. 13 Für gerichtliche Beschlüsse ist anerkannt, dass sie ebenso wie Urteile der materiellen Bindungswirkung gegenüber den Parteien eines Prozesses und sonstigen Personen, gegenüber denen sie ergehen, fähig sein können (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1981 - VII ZR 366/80 - NJW 1981, 1962; BFH, Beschluss vom 18. Dezember 1991 - II B 112/91 - BFHE 166, 114; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 121 Rn. 4; jeweils m.w.N.). Voraussetzung ist, dass sie nach dem Inhalt ihrer Ermächtigungsgrundlage darauf zielen, einen bestimmten Sachverhalt abschließend rechtlich zu bewerten, um fortgesetztem Streit der Beteiligten über denselben Gegenstand entgegenzuwirken, eine Überlastung der Gerichte zu vermeiden und der Gefahr widersprechender Entscheidungen vorzubeugen (vgl. BFH, a.a.O., Rn. 21). Diese Ziele verfolgen § 9 Abs. 1 Satz 5 und § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes - JVEG - vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776, mit späteren Änderungen), die das Prozessgericht zur Festsetzung der Vergütung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen - und hierbei auch seines Stundensatzes - ermächtigen. Mit der frühzeitigen Festsetzung des Stundensatzes durch das Gericht soll der Sachverständige Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der von ihm erwarteten Leistungen und damit über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor erlangen (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 182). 14 Der Beschluss vom 13. Juli 2012 wurde der Beklagten ordnungsgemäß zugestellt und ist mit Rechtsbehelfen nicht angreifbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Seinem Inhalt nach schließt er eine anderweitige Entscheidung über die Vergütung des von der Beklagten erstellten Gutachtens aus. Das ergibt sich auch aus seiner Begründung, wenn das Prozessgericht dort ausdrücklich ausführt, der Beklagten stehe für das Gutachten nur der festgesetzte Stundensatz von 80 € zu. 15 2. Dem Erlass eines Gebührenbescheides der Beklagten auf der Grundlage ihrer Gebührenordnung steht ferner der Umstand entgegen, dass die Beklagte vom Kammergericht zu Sachverständigenleistungen herangezogen worden ist. Das hat zur Folge, dass die Festsetzung ihrer Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG ausschließlich durch einen gerichtlichen Beschluss erfolgt (a). Aus § 14 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788, mit späteren Änderungen) ergibt sich nichts anderes (b). 16 a) Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 2 JVEG auch, wenn Behörden oder sonstige öffentliche Stellen wie die Beklagte von einer Stelle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JVEG, zu denen das Kammergericht gehört, zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden. Maßgeblich ist insofern allein der formale Akt der Heranziehung; darauf, ob die Leistungen, zu denen der von der Heranziehung Betroffene verpflichtet wird, auch der Sache nach Sachverständigenleistungen sind, kommt es nicht an. 17 Ziel des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), als dessen Artikel 2 das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz verkündet wurde, war es, den Umfang des Kostenrechts zu reduzieren, dessen Regelungen zu vereinheitlichen und sie damit zu vereinfachen (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 139). Außerdem sollte den Personen, die zu Hilfsdiensten für die Justiz herangezogen werden, ein angemessener Ausgleich für die Belastungen verschafft werden, die sie durch die Erbringung dieser Dienste erleiden. Mit diesen Zielen wäre es nicht vereinbar, wenn die Anwendbarkeit des Gesetzes davon abhinge, ob die Heranziehung der Hilfsperson der Sache nach zulässig war. Dies würde nicht nur zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung von Prozessen auslösen und zusätzliches Streitpotential schaffen, sondern die Herangezogenen auch in unangemessener Weise mit dem Vergütungsrisiko für ihre Tätigkeit belasten. Mit der Heranziehung wird der Adressat regelmäßig öffentlich-rechtlich verpflichtet, die von ihm geforderten Hilfsdienste zu erbringen. Verweigert er sich, muss er, wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren, mit Ordnungsmitteln rechnen. Es widerspräche dem dargestellten Zweck des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes, demjenigen, der freiwillig oder pflichtig die geforderten Hilfsdienste erbringt, anschließend die Vergütung mit der Begründung zu verweigern, die Voraussetzungen für die Heranziehung hätten nicht vorgelegen. 18 Hat aber das Prozessgericht eine Person oder eine öffentliche Stelle, wie hier, formal als Sachverständigen herangezogen, so wird eine Vergütung oder Entschädigung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 JVEG nur nach diesem Gesetz gewährt, und das Gericht ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG ausschließlich zuständig, die Vergütung festzusetzen. 19 b) Aus § 14 Abs. 2 RVG, der auf §§ 88, 93 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 7. Juli 1879 (RGBl. I S. 176) zurückgeht, ergibt sich nichts anderes. Die Regelung sieht vor, dass in Streitigkeiten zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten über die angemessene Festsetzung einer Rahmengebühr ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen ist, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; das Gutachten ist kostenlos zu erstatten. Diese Vorschrift ist auf Gebührenstreitigkeiten zwischen Steuerberatern und ihren Mandanten weder unmittelbar noch analog anwendbar. Sie stellt eine Sondervorschrift dar, derzufolge der Vorstand der Rechtsanwaltskammer im Gebührenstreit eines ihrer Mitglieder eine besondere Äußerungsbefugnis erhält, die unabhängig davon besteht, ob das Prozessgericht ein Sachverständigengutachten zur Frage der angemessenen Gebührenhöhe einholen will und wen es hierzu heranziehen möchte. Das lässt sich auf die gerichtliche Heranziehung einer Steuerberaterkammer zu einem Gebührengutachten nicht erstrecken. 20 3. Im Übrigen hat die Beklagte, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, der Sache nach Sachverständigenleistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 JVEG erbracht. Namentlich beschränken sich solche Sachverständigenleistungen nicht auf die Beurteilung von Tatsachen. 21 Auf die Regelungen der §§ 402 ff. ZPO kommt es insofern nicht an. Das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz bestimmt seinen unmittelbaren Anwendungsbereich eigenständig. Verweisungen in anderen Gesetzen auf seinen Regelungsbereich bedarf es daher nur dort, wo das Gesetz nicht aus sich selbst heraus anwendbar ist (vgl. Schneider, JVEG, Stand 2007, § 1 Rn. 3 f.; Zimmermann, JVEG, Stand 2005, § 1 Rn. 1 f., Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, § 1 Rn. 1.16; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2014, § 1 JVEG Rn. 1 ff.). Für die Vergütung von Sachverständigen, die von einem Gericht zu Beweiszwecken herangezogen werden, gilt das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz jedoch unmittelbar. § 413 ZPO ist daher lediglich deklaratorisch. 22 Sachverständigenleistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 JVEG erbringt für ein Gericht, wer diesem die Sachkunde vermittelt, die es nicht hat und auch nicht haben muss (h.M., vgl. Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, Rn. 1 ff.). Sachkenntnis muss der Richter, wie sich aus § 293 ZPO ergibt, lediglich hinsichtlich des inländischen Rechts haben (h.M., vgl. z.B. Prütting, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 293 Rn. 2 bis 10). Der Begriff der Sachverständigenleistung ist mithin nicht positiv etwa durch einen Bezug auf Tatsachen, sondern negativ dadurch definiert, dass sie nicht das inländische Recht zum Gegenstand haben darf (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Mai 1990 - 2 WF 28/90 - FamRZ 1990, 1367 und OLG Koblenz, Beschluss vom 24. September 1997 - 13 WF 810/97 - FamRZ 1998, 756, III/1). Damit ist das Tätigkeitsfeld eines Sachverständigen denkbar weit; nicht zuletzt deswegen wird er als neutraler Richtergehilfe oder Richterberater charakterisiert, dessen Aufgabe es ist, Fachwissen an den Tatrichter weiterzugeben (vgl. BGH, Urteile vom 18. März 1993 - IX ZR 198/92 - NJW 1993, 1796 und vom 3. März 1998 - X ZR 106/96 - NJW 1998, 3555 <3556>). Anders als die Beklagte meint, beschränkt sich seine Aufgabe nicht auf die Beurteilung von Tatsachen oder Kausalverläufen, sondern kann auch normative Bewertungen betreffen, seien dies rechtliche Bewertungen nach ausländischem Recht, seien es Bewertungen anhand außerrechtlicher Konventionen und Normsysteme. 23 Gemessen hieran stellt sich der der Beklagten vom Kammergericht erteilte Auftrag als Auftrag zur Erbringung von Sachverständigenleistungen nach § 1 Abs. 2 JVEG dar. Nach dem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27. März 2012 war es Aufgabe der Beklagten zu prüfen, inwieweit Honorarforderungen eines Steuerberaters nach den Regelungen der Steuerberatergebührenverordnung - StBGebV - (seit 22. Dezember 2012: Steuerberatervergütungsverordnung) berechtigt waren. Grundlage der Honorarforderung war § 11 StBGebV, demzufolge der Steuerberater seine Gebühr nach Ermessen innerhalb eines vorgegebenen Rahmens selbst festzusetzen hat. Die Beklagte hatte mithin anhand der in der Vorschrift genannten Gesichtspunkte (u.a. Bedeutung der Angelegenheit, Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit) zu beurteilen, ob der Steuerberater sein Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt hatte, und dem Kammergericht die notwendige Sachkunde zu verschaffen, um gegebenenfalls entscheiden zu können, welche Gebühr angemessen gewesen wäre (vgl. dazu Rieble, in: Staudinger, BGB, § 315 Rn. 482 ff., 505 ff.). Die genannten Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache sowie ihrer Bedeutung setzen berufsspezifisches Erfahrungswissen voraus, über das der Richter nicht verfügen muss und zumeist auch nicht verfügt. 24 Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass die zivilgerichtliche Rechtsprechung die Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammern nach § 14 Abs. 2 RVG nicht als Sachverständigengutachten im Sinne der §§ 402 ff. ZPO einstuft (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - NJW 2004, 1043 <1046>; OLG Celle, Beschluss vom 23. Oktober 1972 - 7 U 4/71 - MDR 1973, 147; OLG München, Beschluss vom 16. Dezember 1974 - 11 W 1467/74 - NJW 1975, 884; OLG Hamm, Beschluss vom 5. Februar 1985 - 23 W 525/84 - JurBüro 1985, 1188 und OLG München, Beschluss vom 4. Juli 1989 - 11 W 1643/89 - MDR 1989, 922). Zum einen legt diese Rechtsprechung teilweise die heute überholte Rechtsansicht zugrunde, dass die Gebührenberechnung durch den Rechtsanwalt gebundener Gesetzesvollzug ohne gerichtlich nur beschränkt nachprüfbares anwaltliches Gebührenermessen sei (vgl. BT-Drs. 2/2545, S. 233 f.). Zum anderen stellt sie maßgeblich darauf ab, dass das Gericht das Gutachten zwingend einholen müsse und es darüber hinaus kein Wahlrecht hinsichtlich des Gutachters habe. Beide Gesichtspunkte treffen auf das hier zu beurteilende Gutachten der Beklagten nicht zu. 25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-79,17.11.2017,"Pressemitteilung Nr. 79/2017 vom 17.11.2017 EN Entfernung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis wegen mangelnder Verfassungstreue Ein Beamter, der Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt trägt und den sog. Hitlergruß zeigt, kann aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der im Disziplinarklageverfahren beklagte Beamte steht als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Landes Berlin. Im Jahr 2007 leitete die Staatsanwaltschaft verschiedene Ermittlungsverfahren ein, in denen dem Beklagten vorgeworfen wurde, an der Erstellung von CDs und Booklets mit volksverhetzenden Liedtexten beteiligt gewesen zu sein, Tätowierungen mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu tragen und in der Öffentlichkeit den Hitlergruß gezeigt zu haben. Diese Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, weil dem Beamten nicht habe nachgewiesen werden können, dass er den Hitlergruß im Inland und seine Tätowierungen öffentlich gezeigt habe. Vom Vorwurf der Volksverhetzung wurde der Beklagte freigesprochen, weil nach Auffassung des Strafgerichts nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit habe festgestellt werden können, dass sich das beanstandete Schmählied auf das Tagebuch der Anne Frank bezog. Das Land enthob den Beklagten bereits im Jahr 2007 vorläufig des Dienstes. In dem nach Abschluss der Strafverfahren fortgeführten Disziplinarklageverfahren hat das Verwaltungsgericht gegen den Beklagten eine Geldbuße i.H.v. 300 € wegen ungenehmigter Nebentätigkeiten verhängt, den Beklagten von den übrigen Anschuldigungen aber freigestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Landes hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückgewiesen. Auf die Revision des klagenden Landes hat das Bundesverwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Beamte stehen in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, aufgrund dessen sie zur Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ermächtigt werden können. Sie müssen sich daher zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt worden sind, bekennen und für sie eintreten. Wer die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ablehnt, ist für die Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht geeignet. Auf die Strafbarkeit treuepflichtwidriger Verhaltensweisen kommt es dabei nicht an. Die Treuepflicht eines Beamten kann auch durch das Tragen von Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt verletzt werden. Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar; durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, zu der sich der Träger schon angesichts ihrer Dauerhaftigkeit in besonders intensiver Weise bekennt. Identifiziert sich ein Beamter derart mit einer verfassungswidrigen Organisation oder Ideologie, dass er sich entsprechende Symbole eintätowieren lässt, zieht er außenwirksame Folgerungen aus seiner Überzeugung und bringt eine die verfassungsmäßige Ordnung ablehnende Einstellung zum Ausdruck, was im Wege des Disziplinarverfahrens geahndet werden kann. Die Beurteilung, ob ein Beamter seine Treuepflicht verletzt hat, setzt eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens voraus. Dies gilt bei Tätowierungen angesichts des oft nicht eindeutigen Aussagegehalts bildhafter Gestaltungen in besonderer Weise. Da der Beklagte nicht nur Tätowierungen von Runenzeichen und Emblemen rechtsextremistischer, rassistischer Musikgruppen trägt, sondern wiederholt den Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung verwahrt hat, ist sein durch die Tätowierungen dokumentiertes Bekenntnis als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung zu werten, die zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt. BVerwG 2 C 25.17 - Urteil vom 17. November 2017 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 80 D 6.13 - Urteil vom 04. Mai 2017 - VG Berlin, 80 K 22.12 OL - Urteil vom 09. April 2013 -","Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17ECLI:DE:BVerwG:2017:171117U2C25.17.0 EN Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt Leitsätze: 1. Die Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten setzt eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung voraus. 2. Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung kann ein Beamter auch durch plakative Kundgabe in Gestalt des Tragens einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt ziehen. 3. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten des Beamten voraus. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 und 5 EMRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 StGB § 86a Abs. 1 Nr. 1 VwGO § 137 Abs. 2 BBG §§ 74, 77 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG § 33 Abs. 1 Satz 3, § 47 Abs. 1 Satz 1 LBG BE § 70 DiszG BE § 13 Instanzenzug VG Berlin - 09.04.2013 - AZ: VG 80 K 22.12 OL OVG Berlin-Brandenburg - 04.05.2017 - AZ: OVG 80 D 6.13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:171117U2C25.17.0] Urteil BVerwG 2 C 25.17 VG Berlin - 09.04.2013 - AZ: VG 80 K 22.12 OL OVG Berlin-Brandenburg - 04.05.2017 - AZ: OVG 80 D 6.13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Kenntner und Dr. Günther am 17. November 2017 für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2017 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. April 2013 werden aufgehoben. Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft ein Disziplinarklageverfahren; im Vordergrund steht ein angeschuldigter Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht. 2 Der 1974 geborene Beklagte steht als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9 LBesO) im Dienst des Landes Berlin. Im Jahr 2007 leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Beklagten ein. Ihm wurde vorgeworfen, an der Erstellung von CDs und Booklets mit volksverhetzenden Liedtexten beteiligt gewesen zu sein. Das Landgericht Berlin sprach den Beklagten im Jahr 2011 von diesem Vorwurf frei, weil nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit habe festgestellt werden können, dass sich das beanstandete Schmählied auf das Tagebuch der Anne Frank beziehe. 3 Im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung im o.g. Strafverfahren wurden Körpertätowierungen des Beklagten festgestellt und in Lichtbildaufnahmen dokumentiert, weil sie den Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen begründeten. Das hierzu geführte Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Beklagte die Kennzeichen öffentlich verwendet habe. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte am Polizeisport teilgenommen habe, ohne ein seine Körpertätowierungen verdeckendes langärmeliges Hemd getragen zu haben. 4 Aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses wurde im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen auch die Wohnung des Beklagten durchsucht. Dort wurden zahlreiche Gegenstände mit Bezug zum Nationalsozialismus aufgefunden - etwa gerahmte Abbildungen von Adolf Hitler, Portraits von Rudolf Heß und Horst Wessel, ein Trinkbecher mit dem Aufdruck ""Rudolf Heß 1894-1987 Forever in our hearts"", Bücher und Zeitschriften mit nationalsozialistischem Inhalt sowie Kleidungsstücke und Gegenstände mit Aufdrucken verschiedener rechtsextremistischer Musikgruppen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Fotos und Foto-CDs sichergestellt, auf denen u.a. auch der Beklagte bei der Ausführung des sog. Hitlergrußes abgebildet ist. Auch ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Berlin ein. Da einige der Abbildungen offenbar anlässlich eines Konzerts in Großbritannien aufgenommen worden seien, lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Beklagte die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Inland verbreitet habe. 5 Im Hinblick auf die strafrechtlichen Beschuldigungen und den Verdacht der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit leitete der Dienstherr bereits im August 2007 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, das bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt wurde. Im September 2007 wurde der Beklagte unter ungekürzter Bezügezahlung vorläufig des Dienstes enthoben. 6 Im Jahr 2012 hat der Kläger Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Darin wird dem Beklagten vorgeworfen, er habe durch sein inner- und außerdienstliches Verhalten gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue, zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und zur Befolgung dienstlicher Anordnungen verstoßen. Der Beklagte habe mehrmals den Hitlergruß gezeigt und sich die Symbole seiner offensichtlich nationalsozialistischen Gesinnung in die Haut ""einbrennen"" lassen. Er habe seine Wohnung mit zahlreichen Devotionalien und Bildern führender Vertreter des Nationalsozialismus ausgestattet und pflege intensiven Umgang mit Personen aus der rechtsextremistischen Szene. Selbst sein Autokennzeichen führe die Kombination B-HH, was in der rechtsextremistischen Szene die übliche Abkürzung für ""Heil Hitler"" darstelle. All dies belege, dass der Beklagte sich mit einem Gedankengut identifiziere, das den Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaats diametral entgegensetzt sei. 7 Im Einzelnen stützt sich die Disziplinarklage auf fünf Anschuldigungskomplexe. Zum Ersten trage der Beklagte ausweislich der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren angefertigten Bildermappe 1 mehrere Körpertätowierungen mit Kennzeichen verbotener Organisationen und nationalsozialistischen Symbolen. Zum Zweiten habe der Beklagte ausweislich der bei ihm aufgefundenen Fotografien wiederholt den Hitlergruß gezeigt und sich auch mit einer Hakenkreuzfahne ablichten lassen. Zum Dritten verwahre der Beklagte nationalsozialistische Gegenstände, Symbole, Devotionalien und Literatur in seiner Wohnung, was nach Art und Menge des Materials nur den Schluss zulasse, dass der Beklagte dem Nationalsozialismus und seinen Protagonisten huldige. Zum Vierten pflege der Beklagte Umgang mit übelbeleumdeten Personen, indem er eine Partnerschaft zu Frau ... ... unterhalte, die rechtsextremistischen Aktivitäten für die NPD nachgehe und sog. ""Frontfrau"" der ""Gemeinschaft deutscher Frauen"" sei. Auch pflege er Kontakte zu den Brüdern ... und ... ..., die Mitglieder der Musikgruppe ""Deutsch, Stolz, Treue"" (D.S.T) seien. Zum Fünften betreibe der Beklagte als Mitgeschäftsführer ein Gewerbe (...), ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Nebentätigkeitsgenehmigung zu sein. 8 Das Verwaltungsgericht hat gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 300 € verhängt. Die vom Beklagten eingeräumte ungenehmigte Nebentätigkeit stelle ein Dienstvergehen dar. Hinsichtlich der übrigen Anschuldigungen hat das Verwaltungsgericht den Beklagten vom Disziplinarvorwurf freigestellt. 9 Die hiergegen gerichtete Berufung des klagenden Landes hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, weder aus den Tätowierungen noch aus den angeschuldigten Verhaltensweisen könne ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht entnommen werden. Dabei könne dahinstehen, ob es sich bei einzelnen Motiven der vom Beklagten getragenen Tätowierungen um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen handle. Das Anbringen und das Unterlassen der Entfernung von Tätowierungen beinhalte allenfalls die Mitteilung, eine verfassungsfeindliche Überzeugung zu haben. Ein für die Annahme eines Dienstvergehens erforderliches verfassungsfeindliches Verhalten sei damit jedoch nicht verbunden. Auch das öffentliche Darbieten des Hitlergrußes reiche für die Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht nicht aus. Durch das aufgrund der vorliegenden Beweismittel feststellbare gemeinschaftliche Zeigen des Hitlergrußes auf dem Konzert einer rechtsextremen Musikgruppe möge der Beklagte eine rechtsextremistische Haltung in einer Gruppe von Gleichgesinnten mitgeteilt haben. Ein politisch werbendes Verhalten, das auf die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder auf die Veränderung der politischen Verhältnisse gerichtet sei, könne hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Soweit hierdurch eine Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten vorliege, weil der Beklagte in zurechenbarer Weise den Anschein gesetzt habe, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder mit ihm zu sympathisieren, scheide eine disziplinarische Ahndung infolge des Maßnahmeverbots wegen Zeitablaufs aus. 10 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das klagende Land, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2017 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. April 2013 - soweit dieses noch nicht in Teilrechtskraft erwachsen ist (Anschuldigungspunkte 1 bis 4) - aufzuheben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. 11 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 12 Die zulässige Revision des klagenden Landes ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil verletzt revisibles Recht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, auch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichen Motiven könne als bloßes Haben und Mitteilen einer bestimmten Gesinnung nicht als Dienstvergehen bewertet werden, weil es nicht auf die wirksame Verbreitung eines verfassungsfeindlichen Standpunktes gerichtet sei, ist mit der in Art. 33 Abs. 5 GG und § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerten Verfassungstreuepflicht des Beamten nicht vereinbar (1.). Durch den Inhalt der getragenen Tätowierungen, das Zeigen des Hitlergrußes und sein weiteres Verhalten hat der Beklagte eine nationalsozialistisch geprägte Einstellung kundgetan, die mit seinem Diensteid auf das Grundgesetz und den Eignungsanforderungen für die Ausübung eines öffentlichen Amtes unvereinbar ist (2.). Der Beklagte muss daher aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden; zu diesem Ausspruch ist das Bundesverwaltungsgericht auch im Revisionsverfahren befugt (3.). 13 1. Die Verpflichtung auf die Verfassung und ihre fundamentalen Prinzipien gehört zu den tragenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums (a). Diese Verfassungstreuepflicht kann auch durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt verletzt werden, wenn dadurch eine Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt (b). Dies gilt auch dann, wenn eine hinreichende gesetzliche Regelung über das zulässige Ausmaß von Tätowierungen bei Beamten fehlt (c). 14 a) Beamte sind zur Verfassungstreue verpflichtet. 15 aa) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet. Beamte realisieren die Machtstellung des Staates (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>), sie haben als ""Repräsentanten der Rechtsstaatsidee"" dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 26). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286> sowie Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346>; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 C 24.13 - BVerwGE 150, 366 Rn. 30). 16 Der Beamte, der ""sozusagen als Staat Befehle geben kann"" (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer ""unkritischen"" Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <347 f.>). 17 Die Befugnis eines demokratischen Staates, von seinen Beamten die Treue zu den grundlegenden Verfassungsgrundsätzen zu verlangen, ist auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt (EGMR, Urteil vom 26. September 1995 - 7/1994/454/535 ""Vogt"" - NJW 1996, 375 <377>). Die Verfassungstreue stellt damit auch eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) sowie Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) für Beamte dar (vgl. BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - ZTR 2013, 261 Rn. 34). 18 Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94 u.a. - BVerfGE 96, 171 <181>; BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - ZTR 2011, 739 Rn. 23; EGMR, Entscheidung vom 22. November 2001 - 39799/98 ""Volkmer"" - NJW 2002, 3087 <3088>). Ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 11 ff.). 19 bb) Sind solche Personen bereits zu Beamten ernannt, können sie im Wege des Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. 20 Disziplinarmaßnahmen setzen allerdings ein konkretes Dienstvergehen voraus. Dieses besteht nicht bereits in der ""mangelnden Gewähr"" dafür, dass der Beamte jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 Rn. 31). 21 Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerfGK 13, 531 <540>; vgl. zum Erfordernis eines durch entsprechende Aktivitäten deutlich gewordenen Loyalitätsmangels auch BAG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - ZTR 2013, 261 Rn. 21). 22 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt eine derartige Verletzung der Verfassungstreuepflicht nicht erst dann vor, wenn der Beamte ein Verhalten zeigt, das auf die wirksame Verbreitung eines verfassungsfeindlichen Standpunktes oder auf die Teilnahme am politischen Meinungskampf gerichtet ist. Entsprechendes folgt auch nicht aus den in Bezug genommenen Formulierungen des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 - BVerwGE 114, 37 <45>), die im Übrigen keine Maßstabsbildung, sondern lediglich Subsumtionserwägungen enthalten. 23 Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte ""Mehr"" als das bloße Haben und Mitteilen ist nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht. Zwischen dem ""bloßen"" Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren liegen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen. 24 b) Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung kann ein Beamter auch durch plakative Kundgabe in Gestalt des Tragens einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt ziehen. 25 aa) Die Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch ""bloße"" Tätowierung ist möglich. Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar. Durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt (Lobstädt, Tätowierung, Narzissmus und Theatralität, 2011, S. 125 ff.; Schmidt, Das äußere Erscheinungsbild von Beamtenbewerbern, 2017, S. 161 f. m.w.N.). Mit dem Tragen einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, durch die eine mit ihr verbundene Aussage das ""forum internum"" verlässt. Durch eine Tätowierung erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt. 26 Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, ist nicht tragbar. Er dokumentiert mit dem Tragen der Tätowierung sein dauerhaftes Bekenntnis zu dieser Anschauung und damit seine Abkehr von der Verfassungsordnung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23). Eine hieran anknüpfende Disziplinarmaßnahme sanktioniert nicht die innere Haltung und Gesinnung des Beamten, sondern sein äußeres Handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 1 D 114.85 - NJW 1987, 2691 <2692>). 27 bb) Dass sich die Tätowierung in dem beim Tragen von Dienstkleidung sichtbaren Bereich des Körpers befindet, ist nicht erforderlich. 28 Entscheidungsmaßstab für die Frage, in welchem Umfang der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, ist die Annahme, dass das Dienstvergehen einschließlich aller be- und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260>; Beschluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 16). Für die danach gebotene objektive Bewertung der Vertrauensbeeinträchtigung ist es unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit tatsächlich bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56; Beschluss vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 36). 29 Dies gilt auch für die Kundgabe politischer Überzeugungen. Auch wenn sich ein Anhänger verfassungsfeindlicher Ziele nur im Kreis Gleichgesinnter offenbart und betätigt, zieht er Folgerungen aus seiner Überzeugung für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Selbst wenn sich ein Beamter in einer verfassungsfeindlichen Organisation rein intern engagiert und seine Überzeugung nur dort offenlegt, liegt hierin eine gelebte Folgerung und Betätigung seiner politischen Auffassung. Die Überzeugung führt in diesen Fällen nicht zu einer bloß passiven Zugehörigkeit zu einer Organisation, sondern zu einer gelebten Identifizierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Juli 1981 - 2 BvR 321/81 - NJW 1981, 2683). Die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung ist damit nicht Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Treuepflicht des Beamten. 30 Entsprechendes gilt für Tätowierungen. Diesen kommt vielfach eine gruppeninterne Funktion als sichtbares Symbol geteilter Überzeugungen zu, die es Gleichgesinnten erlaubt, einander zu erkennen und sich als eine von den ""anderen"" abgrenzbare Gruppe zu identifizieren (Lobstädt, Tätowierung, Narzissmus und Theatralität, 2011, S. 138 f.; BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 <359> und vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 Rn. 26). Die in Tätowierungen enthaltenen Symbole werden so im Sinne einer Solidarisierung nutzbar gemacht (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435 <436>). Soweit es sich dabei um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit nationalsozialistischem Hintergrund handelt, läuft dies auch dem Anliegen zuwider, die Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen infolge des Gebrauchs entsprechend assoziierungsgeeigneter Symbole zu hindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - NJW 2009, 2805 Rn. 17). 31 Allerdings muss bei einer derartigen und nur eingeschränkt sichtbaren Betätigung der Inhalt der gelebten Auffassung von besonderem Gewicht sein, damit die in der Bejahung einer Pflichtverletzung liegende Einschränkung der Meinungsfreiheit in einem angemessenen Verhältnis zur bezweckten Gewährleistung der Verfassungstreue des Beamten steht (EGMR, Urteil vom 26. September 1995 - 7/1994/454/535 ""Vogt"" - NJW 1996, 375 <376>). Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme setzt eine Gesamtwürdigung voraus, die nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu ergehen hat (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 35). 32 c) Unerheblich ist, dass im Land Berlin eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten weder bestand noch besteht. 33 aa) Das Verbot des Tragens bestimmter Tätowierungen greift in das auch den Beamten durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht ein. Es bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage. 34 Auch wenn die Reglementierung des Erscheinungsbildes von Beamten während ihrer Dienstausübung auf eine behördeninterne Wirkung gerichtet ist, nämlich auf die Art und Weise, in der der Beamte seinen Dienstpflichten nachzukommen hat, ist ihre Wirkung nicht auf die Zeiten der Dienstausübung beschränkt. Anders als die Vorgabe, eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen oder während der Dienstzeit Schmuckstücke abzulegen, greift das Verbot bestimmter Tätowierungen zwangsläufig auch in die private Lebensführung und damit in subjektive Rechte der Beamten ein. Die Regelung bedarf daher einer hinreichend bestimmten Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 - 2 BvR 550/90 - NJW 1991, 1477 f.). 35 In der Rechtsprechung ist hierfür auf die generelle Befugnis zur Regelung der Dienstkleidung (vgl. § 74 BBG) verwiesen worden. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betrafen in der Sache zwar nur die Gestaltung der Haartracht; in ihnen ist aber ausdrücklich auch auf die Möglichkeit einer Vorgabe für Tätowierungen verwiesen worden (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 18; ebenso Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 48 für das Soldatenrecht). An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. 36 Wie bei der Einschätzung, welche rechtlichen Grundlagen für die Vorgabe von Einstellungshöchstaltersgrenzen erforderlich sind, stellt sich auch im Hinblick auf die Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage unter dem zwischenzeitlich aktualisierten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders dar als noch vor einigen Jahren (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 57). 37 So sind Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte traditionell durch Verwaltungsvorschrift bestimmt worden; dies hat die Rechtsprechung lange Zeit gebilligt (BVerwG, Urteile vom 31. Januar 1980 - 2 C 15.78 - Buchholz 232 § 15 BBG Nr. 11 S. 5 und vom 23. Oktober 1980 - 2 C 22.79 - Buchholz 238.4 § 37 SG Nr. 2 S. 5). Erst im Jahr 2009 ist hierzu eine normative Ausgestaltung verlangt (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 - BVerwGE 133, 143 Rn. 9), die Regelung durch Rechtsverordnung aber weiterhin für ausreichend erachtet worden (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 Rn. 26). 2015 hat das Bundesverfassungsgericht den Parlamentsvorbehalt im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG weiter hervorgehoben und eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers selbst verlangt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff.). Dem ist die Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - BVerwGE 156, 180 Rn. 17 ff.). 38 Die vom Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Regelung von Einstellungshöchstaltersgrenzen gegebene Begründung trifft auch für die Reglementierung des Ausmaßes zulässiger Tätowierungen für Beamte zu. Grundrechte gelten auch im Beamtenverhältnis. Die Austarierung widerstreitender Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310> in Bezug auf Kleidungsvorschriften für Lehrkräfte) oder kollidierender Verfassungspositionen ist dem Parlament vorbehalten. Wesentliche Inhalte des Beamtenverhältnisses sind daher durch Gesetz zu regeln. Dies gilt insbesondere für Regelungen mit statusbildendem oder statusberührenden Charakter, durch die Bedingungen der Einstellung oder Entlassung normiert werden (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 69). 39 Mit der Bestimmung unzulässiger Tätowierungen werden Eignungsanforderungen festgelegt, die zur zwingenden Ablehnung eines Einstellungsbegehrens führen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 6 B 540/16 - juris Rn. 3 und 5). Für bereits ernannte Beamte bilden entsprechende Regelungen die Grundlage für Weisungen, keine derartige Tätowierung im Dienst zu tragen (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 - 5 A 54/16 - juris Rn. 21 f.). 40 Insoweit ist neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG berührt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dessen Anwendungsbereich für das Schneiden der Kopfhaare zwar grundsätzlich verneint (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 16). Die Vorgabe, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen, könne nicht zu einer Entstellung oder Verunstaltung führen. Angesichts des intensiven körperlichen Eingriffs und der damit verbundenen Schmerzen kann Entsprechendes für die Entfernung von Tätowierungen aber offenkundig nicht gelten. Die Aufforderung, großflächige Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen oder Unterarmen zu beseitigen, greift daher auch in den Schutzbereich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. 41 Anderes könnte nur angenommen werden, wenn man von der Möglichkeit einer Abdeckung der Tätowierungen im Dienst ausginge. Dies dürfte jedoch keinesfalls immer möglich oder praktikabel sein (vgl. zum ""Störfaktor"" eines Langarmhemds Schmidt, Das äußere Erscheinungsbild von Beamtenbewerbern, 2017, S. 218 ff.). Eine Einstellung betroffener Bewerber wird in der Praxis jedenfalls abgelehnt. Die Vorgabe bewirkt damit nicht nur eine Berufsausübungsregelung, sondern ein Berufswahl- und -ausübungsverbot. 42 Die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis bedarf folglich einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung. Auch im Falle der Verordnungsermächtigung muss dabei schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55). 43 bb) Diesen Anforderungen entspricht die Befugnis zum Erlass von Bestimmungen über die Dienstkleidung nicht. 44 Die Ermächtigung zum Erlass von ""Bestimmungen über Dienstkleidung"" (§ 74 BBG) oder zur Regelung von ""Einzelheiten über die Dienstkleidung"" (§ 70 LBG BE bzw. § 39 LBG BE a.F.) ist schon von ihrem Wortlaut her ersichtlich nicht auf die Reglementierung der Zulässigkeit von Tätowierungen gerichtet. Die Formulierung ""Dienstkleidung"" weist von Ausmaß und Intensität der Regelungsmöglichkeit eine gänzliche andere Zielrichtung und Intensität auf als eine Ermächtigung, die Dienstausübung für Beamte mit bestimmten Tätowierungen zu verbieten. Während die Dienstkleidung nur während der Dienstausübung getragen und anschließend wieder abgelegt werden kann, ist eine Tätowierung untrennbarer Bestandteil des Körpers. 45 Auch die Entstehungsmaterialien lassen keinen Hinweis darauf erkennen, dass der Gesetzgeber mit dieser Ermächtigung auch an Regelungen des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen gedacht haben könnte (vgl. zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz des Bundes BT-Drs. 16/7076 S. 117). 46 Die Ermächtigung weist schließlich keinen hinreichend bereichsspezifischen Bezug zum Verbot von Tätowierungen auf. Dem Gesetz sind keinerlei Maßstäbe für Inhalt, Art und Ausmaß einer derartigen Regelungsbefugnis zu entnehmen. Insbesondere fehlt es an einer erkennbaren parlamentarischen Leitentscheidung für die Grenzen einer zulässigen Reglementierung - etwa auf den bei Tragen einer Uniform noch ""sichtbaren"" Bereich. 47 Diese Anforderungen stellen auch nicht lediglich eine inhaltsleere Formalie dar. Die Regelung durch die Exekutive betrifft nicht eine technische Norm, deren Ausgestaltung maßgeblich durch die Nachführung veränderter wissenschaftlicher Erkenntnisse geprägt ist. Die Einschränkung von Tätowierungen für Beamte hängt vielmehr von gesellschaftspolitischen Fragestellungen ab, die ""in öffentlicher Debatte zu klären"" sind (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 53). 48 Mit der Dienstkleidung und insbesondere der von Polizeivollzugsbeamten zu tragenden Uniform soll, neben einer Kennzeichnung der Ausstattung mit hoheitlichen Befugnissen, die Neutralität ihrer Träger zum Ausdruck gebracht werden. Die Uniform soll sichtbares Zeichen dafür sein, dass die Individualität der Polizeivollzugsbeamten im Dienst hinter die Anforderungen des Amtes zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von der Person der handelnden Beamten als Maßnahmen des Staates wahrgenommen werden. Die Zulässigkeit der Untersagung bestimmter äußerer Erscheinungsformen beim Tragen der Dienstkleidung setzt daher in materieller Hinsicht voraus, dass diese geeignet sind, die Neutralitätsfunktion der Uniform zu beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 25). Die Entscheidung über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dies bei Tätowierungen der Fall ist, wird maßgeblich von den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen bestimmt. 49 Die Reglementierung macht überdies eine Beobachtung erforderlich, ob die Voraussetzungen eines Verbots in Ansehung möglicherweise gewandelter Anschauungen in der Bevölkerung zu dieser Frage noch gegeben sind (BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 - 2 BvR 550/90 - NJW 1991, 1477 <1478> für das Verbot von Ohrschmuck bei männlichen Beamten; BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 27 für die Gestaltung der Haartracht). 50 Anhaltspunkte dafür, dass gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen zwischenzeitlich auch hinsichtlich Tätowierungen vorliegen könnten, liegen durchaus vor (vgl. zur Einordnung als ""Modephänomen"" etwa Schmidt, Das äußere Erscheinungsbild von Beamtenbewerbern, 2017, S. 175 und 177 mit dem Hinweis, mittlerweile gebe es etwa 3000 Tattoostudios in Deutschland). Dies gilt nicht nur in Bezug auf das Verhalten prominenter Vorbilder in Sport, Musik und Showbusiness (vgl. Lobstädt, Tätowierung, Narzissmus und Theatralität, 2011, S. 115 ff.). Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (Allensbacher Kurzbericht vom 8. Juli 2014) hat sich der Anteil der Tätowierten in Deutschland in den letzten zehn Jahren um über 40 % erhöht. 24 % der 16- bis 29-Jährigen - und damit fast jeder Vierte - hat zwischenzeitlich eine Tätowierung. Bei Frauen liegt der Anteil in dieser Altersgruppe sogar bei 30 %, in Ostdeutschland (geschlechterübergreifend) bei 41 %. Insbesondere bei jüngeren Menschen und in Ostdeutschland hat die Verbreitung von Tätowierungen daher offenbar den Bereich von Subkulturen verlassen und ""die Mitte der Gesellschaft erreicht"" (VG Halle, Urteil vom 18. Mai 2016 - 5 A 54/16 - juris Rn. 31; hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017 - 2 L 3279/17 - juris Rn. 30). Die Frage, ob angesichts dieser Entwicklung weiterhin von einer allgemeinen Ablehnung oder Gefährdungen für die Repräsentations- oder Neutralitätsfunktion ausgegangen werden kann, bedarf daher einer aktualisierten Prüfung. 51 Dabei erscheint nicht ausgeschlossen, dass für die Tätowierung besonders exponierter und auch beim Tragen einer Uniform sichtbarer Bereiche, wie Kopf, Hals, Hände und vielleicht auch Unterarme weiterhin von einer ausreichenden Gefährdungslage ausgegangen werden kann. Präzise Aussagen hierzu sind den vorhandenen Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Die normative Leitentscheidung hierzu muss jedoch durch das Parlament und aufgrund aktueller Erkenntnisgrundlagen erfolgen. 52 Das Haben von Tätowierungen an sich verstößt damit nicht gegen eine dem Beklagten wirksam auferlegte Pflicht. Auf die Fragen, ob der Beklagte Kenntnis von entsprechenden Verwaltungsvorschriften (insbesondere der Polizeidienstvorschrift 350) hatte oder hätte haben müssen und wann (insbesondere vor oder nach der Ernennung) welche Tätowierung am Körper des Beklagten vorgenommen wurde, kommt es damit nicht an. 53 cc) Das Tragen einer Tätowierung stellt gleichwohl eine Pflichtverletzung dar, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. 54 Dies ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt - wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart. 55 Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht steht nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufweisen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568, Rn. 31 und 34). 56 Ebenso wenig ist von Belang, ob das Verbot entsprechender Tätowierungen durch eine wirksame (Verwaltungs-)Vorschrift konkretisiert worden ist. Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt ist, betrifft dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal (VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2017 - 2 L 3279/17 - juris Rn. 15). 57 2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen. Seine Tätowierungen erfüllen zwar keinen Straftatbestand (a). Durch den Inhalt der Tätowierungen und sein weiteres Verhalten hat der Beklagte aber eine nationalsozialistisch geprägte Einstellung kundgetan, die mit der Verfassungstreuepflicht von Beamten unvereinbar ist (b). 58 a) Der Beklagte hat sich Runenzeichen und andere Motive eintätowieren lassen, denen ein nationalsozialistischer Bedeutungsgehalt zukommt. Es handelt sich indes nicht um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. 59 Nach den tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Berufungsurteil ist der Beklagte an Rücken, Bauch, Oberkörper, Ober- und Unterarmen sowie an den Unterschenkeln großflächig mit verschiedenen Motiven tätowiert. Hinsichtlich der Einzelheiten hat das Berufungsgericht auf die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gefertigte Bildermappe 1 verwiesen. Von der Vorder- bis zur Rückseite des linken Oberarms sind mehrere Symbole zu einem Schriftzug aneinandergereiht, darunter eine so genannte Wolfsangel, eine Odalrune und eine Sigrune. Diese Symbole werden auch als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet. 60 Die Sigrune in ihrer doppelten Verwendung war Kennzeichen der Waffen-SS (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 25; OLG Bamberg, Urteil vom 18. September 2007 - 2 Ss 43/2007 - juris Rn. 9). Die Wolfsangel war von mehreren SS-Panzerdivisionen als Emblem verwendet worden (vgl. LG Berlin, Urteil vom 29. August 2002 - 544 StVK (Vollz) 490/02 - juris Rn. 20). Die Odalrune schließlich wurde im Dritten Reich u.a. als Symbol der Hitlerjugend, als Abzeichen des Rasse- und Siedlungsamts sowie als Emblem der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division ""Prinz Eugen"" verwendet (vgl. VGH München, Beschluss vom 7. März 2007 - 16a CD 07.1 - juris Rn. 27; KG Berlin, Beschluss vom 18. Mai 2016 - (4) 161 Ss 54/16 (75/16) - juris Rn. 3). Die Odalrune stellte auch nachfolgend ein Kennzeichen verschiedener rechtsextremistischer Vereinigungen, wie etwa der Wiking-Jugend, dar (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435); die Wiking-Jugend ist wegen ihrer Wesensverwandtschaft zur Hitlerjugend und ihrer rassistisch-antisemitischen Ausrichtung als verfassungswidrige Vereinigung verboten (BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 5 und 9). All diese Symbole werden auch in der Gegenwart von rechtsextremistischen Organisationen eingesetzt (vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern, Rituale und Symbole der rechtsextremistischen Szene, 2015, S. 14). 61 Die Runen werden jedoch auch in anderem Zusammenhang verwendet, etwa von Anhängern der Wikingerkultur sowie auf Schmuck und Kunstgewerbegegenständen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 18. Mai 2016 - (4) 161 Ss 54/16 (75/16) - juris Rn. 9). Die Wolfsangel findet sich in verschiedenen Stadt- und Gemeindewappen, die Odalrune gleicht dem Kopfwinkel auf dem Dienstgradabzeichen der Hauptfeldwebel und Oberfähnriche in der Bundeswehr (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435; OLG Bamberg, Urteil vom 18. September 2007 - 2 Ss 43/2007 u.a. - juris Rn. 11). 62 Die Mehrdeutigkeit der Kennzeichen macht daher eine Ermittlung des mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundenen Aussagegehalts anhand aller maßgeblichen Umstände des Falls erforderlich (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 Rn. 29). § 86a StGB dient nicht dazu, jedwedes Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen Organisation unter Strafe zu stellen, sondern tabuisiert lediglich tatsächlich existierende oder diesen zum Verwechseln ähnliche Symbole (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 Rn. 17). Als abstraktes Gefährdungsdelikt wehrt die Vorschrift nur Gefahren ab, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild solcher Kennzeichen verbunden sind. Der objektive Tatbestand der Strafnorm ist deshalb nur erfüllt, wenn sich aus den Gesamtumständen die Verwendung eines Symbols als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation ergibt. 63 Im Umgebungszusammenhang der Runen-Tätowierungen des Beklagten entsteht jedoch kein spezifisch nationalsozialistischer Eindruck. Im Vordergrund der Motivgebung stehen stilisierte Wikingerszenerien, die den kompletten Rücken bedecken. Hieran schließt sich zur linken Schulter ein im Halbkreis gehaltener Ring von Runenzeichen an, der einen Wikingerkopf und ein Wikingerschiff umschließt. Die Einbettung der Runen in diesen Zusammenhang lässt jedenfalls eine eindeutige Zuordnung der Symbole in einen nationalsozialistischen Kontext nicht zu. 64 Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Tätowierung keine Straftat nach § 86a StGB beinhalte, ist daher frei von Rechtsfehlern. 65 b) Durch den Inhalt der Tätowierungen und sein weiteres Verhalten hat der Beklagte bei einer Gesamtwürdigung aber eine nationalsozialistisch geprägte Einstellung kundgetan, die mit der Verfassungstreuepflicht von Beamten unvereinbar ist. 66 aa) Der Beklagte trägt neben den auf seiner linken Schulter tätowierten Runenzeichen - ausweislich der bei den Akten befindlichen Bildmappe 1 - eine Vielzahl weiterer eintätowierter Symbole: 67 Neben einer großflächigen Farbtätowierung des preußischen Königs Friedrich II. (am rechten Unterarm) hat sich der Beklagte eine Reihe von Totenköpfen, eisernen Kreuzen und anderen martialischen Motiven eintätowieren lassen. Es finden sich dabei auch zwei gekreuzte Hämmer (an der linken Wade). Zwar kann auch insoweit auf die Verwendung im Bergbau oder eine stilisierte Thor-Symbolik verwiesen werden. Das Motiv erinnert indes auch an das Logo der sog. Hammerskins, einer Sammelbewegung, die ein rassistisches Weltbild vertritt und sich selbst als Elite der ""Naziskins"" versteht (Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg, Rechtsextremismus in Stichworten, 2001, S. 55). Dieses Symbol hat in der rechtsextremistischen Szene einen klaren Erkennungswert (Bundesamt für Verfassungsschutz, Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen, 2015, S. 65). Entsprechendes gilt für die Abbildung zweier sich kreuzender Stielhandgranaten (auf der linken Schulter), die im Nationalsozialismus von SS-Divisionen als Truppenkennzeichen verwendet worden ist. 68 Der Beklagte hat sich weiterhin ein Wappen mit der Aufschrift ""Brutal Attack"" tätowieren lassen. Diesen Namen trägt eine neonazistische Musikgruppe aus Großbritannien, die zu den Gründungsmitgliedern des Neonazi-Musiknetzwerks ""Blood and Honour"" gehört. Bei den beschlagnahmten Lichtbildern findet sich ausweislich der bei den Akten befindlichen Bildermappe 2 eine Aufnahme, bei der unter einem Banner, das noch den Schriftzug ""od & Honour"" (mit einer Triskele) erkennen lässt, eine Vielzahl stark tätowierter Männer abgebildet sind, die den gestreckten rechten Arm zum Hitlergruß erhoben haben. Die Division Deutschland von ""Blood & Honour"" ist verboten (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 Rn. 4). Diese Gruppierung - deren Bezeichnung das ins Englische übersetzte Motto der Hitlerjugend ist - hat es sich zur Aufgabe gemacht, die nationalsozialistische Weltanschauung auf dem musikalischen Sektor zu verbreiten, und tritt offen für rassistische Ziele ein (vgl. unter Bezugnahme auf die Verbotsverfügung des BMI vom 14. September 2000: Bundesamt für Verfassungsschutz, Rechtsextremismus: Symbole, Zeichen und verbotene Organisationen, 2015, S. 29 sowie Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg, Rechtsextremismus in Stichworten, 2001, S. 22). 69 Weiterhin findet sich ein tätowierter Schriftzug ""ultima thule"" über dem Nabel des Beklagten. Diesen Namen trägt eine schwedische Vikingrock-Band, die wiederholt durch Kontakte zur rechtsextremen Szene aufgefallen ist. Der Beklagte hat sich auch das Logo der britischen Neonazi-Band ""Skrewdriver"" eintätowiert (an der linken Wade). Bei den beschlagnahmten Lichtbildern der Bildermappe 2 befindet sich schließlich ein Foto, auf dem der Beklagte ein T-Shirt mit diesem Symbol und dem Namenszug der Band trägt. An dem Zusammenhang des Symbols mit der Neonazi-Band besteht daher kein vernünftiger Zweifel. 70 Eine Gesamtschau der am Körper des Beklagten befindlichen Tätowierungen lässt daher jedenfalls den Schluss auf eine Identifikation mit rechtsextremistischen Musikgruppen zu. 71 Der Beklagte hat diese Symbole auch als Bekundungsmittel sowie zur Stärkung und Gemeinschaftsbildung Gleichgesinnter eingesetzt. Auf den in der Bildermappe 2 enthaltenden Fotografien ist er wiederholt mit nacktem Oberkörper im Kreise Gleichgesinnter abgebildet. Diese Betätigung seiner Überzeugung fand ausweislich der Lichtbilder auch öffentlich, weil für einen größeren und nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrnehmbar (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14 - NStZ 2015, 81 Rn. 17), statt. Im Übrigen hat der Beklagte auch schon in der Klageerwiderung eingeräumt, dass die Tätowierungen seinen Dienstvorgesetzten und Kollegen bekannt gewesen seien. 72 Darüber hinaus findet sich unter den Tätowierungen eine Vielzahl weiterer Motive, deren Bedeutungsgehalt vom Gericht ohne sachverständige Begutachtung nicht abschließend ermittelt werden kann, sodass der Senat hierauf nicht entscheidungstragend abstellt. So dürfte es sich etwa bei dem um den Hals des Beklagten eintätowierten Notenband um die ersten Takte des Horst-Wessel-Liedes handeln. Die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dies wäre ihm neu und er wisse nicht, um welches Musikstück es sich handele, ist unglaubhaft und steht dem nicht entgegen. 73 Eine weitere Aufklärung zum genauen Bedeutungsgehalt aller eintätowierten Symbole ist angesichts der Vielzahl weiterer und eindeutig nationalsozialistischer Betätigungen des Beklagten indes entbehrlich. Unbeschadet einer fehlenden Zuordnung zu einem bestimmten Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation kann aus der Gesamtschau mit hinreichender Sicherheit der Bezug zur nationalsozialistisch-rassistisch geprägten Einstellung des Beklagten abgeleitet werden. Das vom Beklagten in Anspruch genommene Interesse an der Wikingerkultur scheidet als plausible Erklärung seines Verhaltens aus. 74 bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Berufungsurteil hat der Beklagte ausweislich der bei den Akten befindlichen Bildermappe 2 jedenfalls in zwei Fällen den Hitlergruß gezeigt. Auf dem ersten Foto zeige der Beklagte den Hitlergruß in einer Wohnung vor einem Plakat mit der Aufschrift ""Kraft durch Freude"". Auf den anderen beiden Fotografien sei abgebildet, wie der Beklagte und weitere männliche Personen den Hitlergruß zeigen. Das Geschehen habe in einem Saal in einer Gruppe von Männern stattgefunden, die nach ihrem Äußeren der rechten Szene zuzuordnen seien und auf eine Bühne blickten. Diese - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden - Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils legt der Senat seiner Bewertung zugrunde (§ 137 Abs. 2 VwGO). 75 Die weiteren in der Disziplinarklage benannten Fotos sind nach Auffassung des Berufungsgerichts zum Beweis der vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht geeignet. Teilweise sei der Beklagte nicht eindeutig zu erkennen, zum Teil sei der ausgestreckte rechte Arm nicht vollständig abgebildet. Auf einem Bild schließlich sei nicht sicher auszumachen, ob es sich bei dem Stoff auf dem Schoß des Beklagten um eine Hakenkreuzfahne handle. Ob diese Einschätzung der Aktenlage entspricht oder der Beklagte auch auf weiteren Lichtbildern hinreichend sicher beim Zeigen des Hitlergrußes zu identifizieren ist, kann dahinstehen. Jedenfalls hat der Beklagte nicht nur in einem Einzelfall, sondern mehrfach den Hitlergruß dargeboten. 76 Dass ein Inlandsbezug dieser Handlungen nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden kann, hindert zwar eine Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 88/14 - NStZ 2015, 81 Rn. 7). Dieser Umstand steht jedoch der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht nicht entgegen. Die Verfassungstreuepflicht endet nicht an der Staatsgrenze. 77 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Beklagten auch das Posieren mit einer Hakenkreuzfahne zur Last gelegt werden. Die abweichende Feststellung im Berufungsurteil ist aktenwidrig. 78 Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Identifizierung müsse schon deshalb ausscheiden, weil die abgebildete Person nur von hinten zu sehen ist, ist offenkundig unzutreffend. Die ungewöhnliche und den gesamten Rücken bedeckende Tätowierung des Beklagten einschließlich der Farbgebung auf der linken Schulter lässt vielmehr eine Identifizierung zu, die sicherer ist als bei bloßer Betrachtung des Gesichts. Dabei können die Einzelgestaltungen angesichts der in der Bildermappe 1 befindlichen Fotografien von den auf dem Rücken des Beklagten befindlichen Tätowierungen präzise abgeglichen werden. Die Möglichkeit, dass eine andere Person genau dieselbe Tätowierung an genau denselben Körperstellen besitzen könnte, erscheint rein theoretisch. 79 Aufgrund der Aktenwidrigkeit der Feststellung im Berufungsurteil entfällt die in § 137 Abs. 2 VwGO angeordnete Bindungswirkung (BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 - 9 C 54.87 - BVerwGE 79, 291 <297 f.> und vom 25. November 2008 - 10 C 25.07 - Buchholz 402.25 § 71 AsylVfG Nr. 15 Rn. 17). Da die Bildermappe Bestandteil der vom Berufungsurteil in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge ist, kann das Revisionsgericht die Tatsache, dass es sich bei der mit einer Hakenkreuzfahne abgebildeten Person um den Beklagten handelt, selbst anhand der Akten feststellen und seiner Entscheidung zugrunde legen. 80 Der Beklagte hat weiterhin zahlreiche Gegenstände mit Bezug zum Nationalsozialismus in seiner Wohnung verwahrt, insbesondere eine gerahmte Abbildung von Adolf Hitler sowie Bilder von Rudolf Heß und Horst Wessel. 81 cc) Eine Gesamtschau dieser Pflichtverletzungen und des sich aus ihnen ergebenden Persönlichkeitsbilds des Beklagten lässt eine innere Abkehr von den Fundamentalprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung eindeutig erkennen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23). 82 Mit seinen Tätowierungen und dem Auftreten jedenfalls unter Gleichgesinnten, bei dem er wiederholt den Hitlergruß gezeigt und damit die Gewalt- und Willkürherrschaft des Nazi-Regimes sichtbar verherrlicht hat (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 B 29.10 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 32 Rn. 2; Urteil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 67) und - mindestens einmal - auch eine Hakenkreuzflagge hochgehalten hat, sowie im Hinblick auf die bei ihm aufgefundenen Portraits herausgehobener Personen des Nationalsozialismus dokumentiert der Beklagte seine Identifizierung mit dem Nationalsozialismus und zieht hieraus Folgerungen für seine Einstellung zur verfassungsmäßigen Ordnung. Eine plausible anderweitige Deutung lässt sich insbesondere auch dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen. 83 Auf die Frage, ob bereits der zurechenbare ""böse Schein"" einer verfassungsfeindlichen Einstellung als Pflichtverletzung gewertet werden könnte (vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 26, vom 21. Dezember 2010 - 2 B 29.10 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 32 Rn. 8 und vom 7. September 2015 - 2 B 56.14 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Rn. 37 Rn. 5; hierzu auch BGH, Urteil vom 18. Oktober 1972 - 3 StR 1/71 I - BGHSt 25, 30 <32>) und der Beklagte damit jedenfalls zu einer Distanzierung verpflichtet gewesen wäre, kommt es damit nicht an. Der Beklagte hat außenwirksame Folgerungen aus seiner Überzeugung gezogen und gelebt. 84 Ebenso wenig steht der Annahme eines Dienstvergehens entgegen, dass die einzelnen Tätowierungen jeweils für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Nationalsozialismus aufweisen. All dies schließt einen Verstoß gegen die dem Beklagten obliegende Verfassungstreuepflicht nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568, Rn. 31 und 34). 85 Schließlich kommt es auch nicht darauf an, dass die politische Überzeugung des Beklagten keinen (bekannten) Einfluss auf die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Übrigen hatte und es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist (BVerwG, Urteil vom 12. März 1986 - 1 D 103.84 - BVerwGE 83, 158 <161>). Die Treueverpflichtung des Beamten auf die Verfassungsordnung stellt ein personenbezogenes Eignungsmerkmal dar und betrifft das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten des Beamten gleichermaßen. 86 Die nationalsozialistischen Staatsvorstellungen indes standen und stehen ""in schärfstem Widerspruch zum Begriff eines Berufsbeamtentums, das dem Staat und Volk als Ganzem verpflichtet ist"" (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 - BVerfGE 3, 58 <118>). Ein Beamter, der sich öffentlich als Anhänger des Nationalsozialismus zu erkennen gibt, widerspricht dem Vorstellungsbild des auf die Verfassungsordnung des Grundgesetzes verpflichteten Beamten in diametraler Weise. Er ist verpflichtet, bereits dem Anschein einer Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen entgegenzutreten und hat den Gebrauch entsprechend assoziierungsgeeigneter Symbole und Verhaltensweisen zu unterlassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - NJW 2009, 2805 Rn. 13 und 17; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23). 87 c) Keine Verletzung der ihm obliegenden Pflichten hat der Beklagte indes durch die ihm vorgeworfenen Kontakte zu seiner Partnerin und den Mitgliedern einer Musikgruppe verwirklicht. Insoweit ist er von den Disziplinarvorwürfen freizustellen. 88 Dem Beklagten ist nicht vorgeworfen worden, seine Partnerin oder andere Personen bei verfassungsfeindlichen Handlungen oder politischen Aktivitäten unterstützt oder auch nur bestärkt zu haben. Gegenstand des Disziplinarklagevorwurfs ist vielmehr allein die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts. 89 In der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Kontakte oder partnerschaftlicher Beziehungen liegt jedoch kein Dienstvergehen. Auch die Verfassungstreuepflicht eines Beamten verpflichtet diesen nicht dazu, rein persönliche und nicht auf die Verwirklichung politischer Ziele gerichtete Kontakte zu anderen, auch möglicherweise übelbeleumundeten Menschen zu unterlassen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Berufungsurteil verwiesen werden. 90 3. Der Beklagte ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. 91 a) Nach der Schwere des von ihm begangenen Dienstvergehens (§ 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG BE) und dem Persönlichkeitsbild des Beklagten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 DiszG BE) sowie im Hinblick auf die durch eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht eingetretene Vertrauensverletzung (§ 13 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1 DiszG BE) kann als angemessene Disziplinarmaßnahme nur auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden (§ 10 DiszG BE). Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen. 92 Dies gilt auch in Ansehung der Dauer des Disziplinarverfahrens. Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck des Disziplinarrechts vereinbaren, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. 93 Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention folgt nichts anderes. Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Im Disziplinarverfahren kann eine überlange Verfahrensdauer daher berücksichtigt werden, wenn der Betroffene im Beamtenverhältnis verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden. Lässt das Dienstvergehen einen weiteren Verbleib im Beamtenverhältnis dagegen nicht zu, vermag eine überlange Verfahrensdauer an diesem Befund nichts zu ändern (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 44 ff. m.w.N.) 94 b) Zu der vorliegenden Disziplinarentscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht selbst befugt. Es kann auch im Rahmen des Revisionsverfahrens auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil und des Akteninhalts eine eigenständige Bemessungsentscheidung treffen (§ 41 DiszG BE i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 2, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 BDG und § 137 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwGO). Da die Revision vom Land eingelegt worden ist, gilt auch kein Verbot der reformatio in peius zugunsten des Beklagten (vgl. § 141 Satz 1 i.V.m. § 129 VwGO). Auf beides ist er vorab hingewiesen worden. 95 c) Aus der Verhängung der Höchstmaßnahme für das Dienstvergehen folgt, dass die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Geldbuße unter Durchbrechung der insoweit eingetretenen Teilrechtskraft aufgehoben werden muss. 96 Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) sind Pflichtverletzungen eines Beamten einheitlich zu würdigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es im Disziplinarrecht nicht primär um die Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen geht, sondern um die dienstrechtliche Bewertung des Gesamtverhaltens des Beamten, das im Dienstvergehen als der Summe der festgestellten Pflichtverletzungen seinen Ausdruck findet. Der Beamte wird disziplinarisch nicht gemaßregelt, weil er bestimmte Pflichten verletzt hat, sondern weil er dadurch Persönlichkeitsmängel offenbart, die eine Pflichtenmahnung oder eine Beendigung des Beamtenstatus für geboten erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - NVwZ 2010, 713 Rn. 63). 97 Hieraus folgt jedoch kein verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtenverstöße. Vielmehr lässt das Bundesdisziplinargesetz auch eine Würdigung in aufeinanderfolgenden Verfahren zu. Der materiell-rechtliche Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens muss dann jeweils im letzten Disziplinarverfahren beachtet werden: Dort ist eine einheitliche Würdigung des gesamten Dienstvergehens vorzunehmen (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 Rn. 24 f.; Beschluss vom 29. Juli 2009 - 2 B 15.09 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 29 Rn. 7 f.). Da in diesem Disziplinarverfahren die früher abgeurteilten Pflichtverletzungen nicht Verfahrensgegenstand sind, kann diese Einbeziehung nur im Rahmen der Würdigung des Persönlichkeitsbildes erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 21; zur Berücksichtigung nicht angeklagter Taten im Strafverfahren auch BGH, Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13 - NJW 2014, 645 Rn. 7 f.). 98 Soweit ein abgrenzbarer Teil des Streitgegenstandes vorliegt, kann daher auch eine Rechtsmittelbeschränkung erfolgen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 13 ff.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Anschuldigungskomplexes der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit hier grundsätzlich erfüllt. 99 Die insoweit eingetretene Teilrechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils muss in der vorliegenden Konstellation jedoch durchbrochen werden. Andernfalls würde gegen den Beklagten zusätzlich zur nunmehr ausgesprochenen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eine Geldbuße verhängt. Derartiges ist für ein vom Dienstherrn einheitlich angeschuldigtes Dienstvergehen gesetzlich aber nicht vorgesehen. Die Gesamtwürdigung muss daher auch auf diesen Anschuldigungspunkt erstreckt und die hierfür isoliert ausgeworfene Disziplinarmaßnahme aufgehoben werden. 100 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG BE i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO. 101 5. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 41 DG BE i.V.m. Ziff. 10 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG)." bverwg_2017-8,22.02.2017,"Pressemitteilung Nr. 8/2017 vom 22.02.2017 EN Flüchtling darf wegen Unterstützung der PKK ausgewiesen werden Auch ein anerkannter Flüchtling darf ausgewiesen werden. Dabei ist allerdings der besondere Ausweisungsschutz von Flüchtlingen zu beachten. Führt die Ausweisung wegen der dem Ausländer im Herkunftsland drohenden Gefahren nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung, kann er sich weiterhin auf die einem Flüchtling nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte berufen. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden. Der Entscheidung lag der Fall eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit zugrunde, der seit 20 Jahren mit seiner Frau und seinen sieben Kindern in Deutschland lebt. Dem Kläger wurde im Oktober 1997 wegen seines prokurdischen Engagements in der Türkei die Flüchtlingseigenschaft nach dem damaligen § 51 Abs. 1 Ausländergesetz zuerkannt und zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot wegen drohender Verletzung seiner Rechte nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt. Im Dezember 2009 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Im Januar 2012 wurde er wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (PKK) ausgewiesen. Zugleich wurde er verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der zuständigen Polizeidienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim beschränkt. Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen nur insoweit Erfolg, als das Verwaltungsgericht die Ausländerbehörde dazu verpflichtete, das mit der Ausweisung kraft Gesetzes eingetretene Einreise- und Aufenthaltsverbot auf acht Jahre zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ausländerbehörde verpflichtet, eine eigene Ermessensentscheidung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu treffen, und die Revision des Klägers im Übrigen zurückgewiesen. Der 1. Revisionssenat hat die Ausweisung des Klägers an dem seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht gemessen. Dieses steht im Einklang mit der Stillhalteklausel des Assoziationsrechts EWG-Türkei, weil es in der gebotenen Gesamtschau auch unter Berücksichtigung des Systemwechsels von einer Ermessensentscheidung zu einer gebundenen Entscheidung für türkische Staatsangehörige nicht zu einer Verschlechterung führt. Im Fall des Klägers liegt aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil er die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Er unterstützt seit mehr als zehn Jahren durch Aktivitäten in Deutschland die in der Türkei agierende Kurdenpartei PKK, eine terroristische Vereinigung. Der Kläger engagierte sich als Vorstandsmitglied in PKK-nahen Vereinen sowie als Versammlungsleiter und Redner auf entsprechenden Veranstaltungen. Das lässt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs erkennen, dass er sich den Zielen der PKK verpflichtet fühlt und deren als terroristisch zu qualifizierendes Handeln zumindest billigt. Die Ausweisung ist trotz der Anerkennung des Klägers als Flüchtling und weiterer zu seinen Gunsten sprechender Belange verhältnismäßig, zumal eine tatsächliche Beendigung seines Aufenthalts wegen eines zwingenden Abschiebungsverbotes (Art. 3 EMRK) nicht in Frage kommt. Die Ausweisung führt lediglich zum Erlöschen des Aufenthaltstitels. Die Ausweisung durfte trotz des besonderen Schutzes ergehen, den ein anerkannter Flüchtling genießt (§ 53 Abs. 3 AufenthG). Auch die Richtlinie 2011/95/EU (EU-Anerkennungsrichtlinie) steht der Ausweisung des Klägers ohne Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen. Die Ausweisung führt zwar kraft Gesetzes zum Erlöschen seines Aufenthaltstitels. Nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 24. Juni 2015 darf einem Flüchtling der Aufenthaltstitel aber entzogen werden, wenn - wie hier - zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung vorliegen (Art. 24 EU-Anerkennungsrichtlinie). Nach diesem Urteil bleiben dem Ausländer aber - solange er den Flüchtlingsstatus besitzt - die ihm nach dem Unionsrecht als Flüchtling zustehenden Rechte erhalten. Dazu gehören u.a. das Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, der Zugang zu Bildung und zu weiteren sozialen Rechten. Diese Rechte dürfen, auch soweit sie nach nationalem Recht an den Besitz eines Aufenthaltstitels anknüpfen, von den zuständigen Behörden daher nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Aufenthalt des Flüchtlings infolge der Ausweisung rechtswidrig geworden ist. Allerdings dürfen nach Art. 33 EU-Anerkennungsrichtlinie zusammen mit der Ausweisung der Aufenthalt räumlich beschränkt und Meldeauflagen verfügt werden, weil derartige Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern zulässig sind (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Da über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach aktueller Rechtslage von der Ausländerbehörde nach Ermessen zu entscheiden ist, war die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Befristungsentscheidung aufzuheben und der Beklagte zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu verpflichten. BVerwG 1 C 3.16 - Urteil vom 22. Februar 2017 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 11 S 889/15 - Urteil vom 13. Januar 2016 - VG Karlsruhe, 1 K 102/12 - Urteil vom 27. Januar 2015 -","Urteil vom 22.02.2017 - BVerwG 1 C 3.16ECLI:DE:BVerwG:2017:220217U1C3.16.0 EN Ausweisung eines Flüchtlings wegen Unterstützung der PKK Leitsätze: 1. Das seit 1. Januar 2016 geltende Ausweisungsrecht nach §§ 53 ff. AufenthG ersetzt das bisherige dreistufige System der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung. 2. Rechtsgrundlage für die Ausweisung eines Flüchtlings ist nach der seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Rechtslage § 53 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 AufenthG. Diese nationalen Vorschriften sind unionsrechtskonform am Maßstab der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU auszulegen. Dabei sind insbesondere Art. 21 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie zu beachten. 3. Der bisherige Regelausweisungstatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. wurde zu einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F. unter Beibehaltung seines Bedeutungsgehalts hochgestuft. 4. Die langjährige Unterstützung der als terroristische Vereinigung eingestuften PKK in Deutschland durch Wahrnehmung von Vorstandsämtern in Unterstützervereinen, als Versammlungsleiter und Redner kann auch bei einem anerkannten Flüchtling ein Ausweisungsinteresse begründen, das die unionsrechtlichen Voraussetzungen für den Entzug des Aufenthaltstitels wegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU erfüllt. 5. Ein Flüchtling hat auch nach Wegfall seines Aufenthaltstitels - solange er den Flüchtlingsstatus besitzt - weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die die EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU in Kapitel VII jedem Flüchtling gewährt, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift. 6. Die zum 1. Januar 2016 eingeführte Neuregelung des Ausweisungsrechts verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei soweit es die bisherige Ermessensausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung abgelöst hat. Rechtsquellen AufenthG §§ 11, 12 Abs. 2, §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 2, §§ 55, 56 EMRK Art. 8 GG Art. 6 Richtlinie 2011/95/EU Art. 21 Abs. 2, Art. 24 Abs. 1, Art. 25, 33 Instanzenzug VG Karlsruhe - 27.01.2015 - AZ: VG 1 K 102/12 VGH Mannheim - 13.01.2016 - AZ: VGH 11 S 889/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:220217U1C3.16.0] Urteil BVerwG 1 C 3.16 VG Karlsruhe - 27.01.2015 - AZ: VG 1 K 102/12 VGH Mannheim - 13.01.2016 - AZ: VGH 11 S 889/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Januar 2016 geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Festsetzung einer Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Januar 2016 zurückgewiesen. Der Kläger trägt 4/5, der Beklagte 1/5 der Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland. Hilfsweise erstrebt er eine neue Entscheidung des Beklagten über die Befristung des mit der Ausweisung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots. 2 Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Er wurde 1973 in der Türkei geboren, ist verheiratet und hat sieben Kinder. Er reiste 1997 nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl, da er in der Türkei wegen seines Engagements in prokurdischen Vereinen und Parteien sowie verwandtschaftlichen Beziehungen zu Guerillakämpfern der sog. Arbeiterpartei Kurdistans - PKK - an Leib und Leben bedroht sei. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) vom 9. Oktober 1997 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach dem damaligen § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zuerkannt und zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot wegen drohender Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK (damals § 53 Abs. 4 AuslG 1990) festgestellt. Der Kläger ist lediglich sporadisch und für kurze Zeiträume einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, gleiches gilt für seine Ehefrau. Er bezieht mit seiner Familie Leistungen nach dem SGB II. 3 Vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 2009 war der Kläger im Besitz jeweils befristeter Aufenthaltstitel. Am 13. März 2009 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 oder 2 AsylVfG nicht vorlägen. Im März 2009 stellte der Kläger bei der Ausländerbehörde der Stadt M. einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Auf Anfrage teilte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg der Ausländerbehörde im Mai 2009 mit, dass hinsichtlich der Person des Klägers ""Erkenntnisse"" vorlägen, über die das Innenministerium Baden-Württemberg gesondert informiert worden sei. Dessen ungeachtet wurde dem Kläger am 4. Dezember 2009 ohne weitere Mitteilung zum Stand der Sicherheitsüberprüfung eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt. 4 Das Regierungspräsidium K. teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis der Sicherheitsbedenken erteilt worden sei und derzeit deren Rücknahme und eine Ausweisung geprüft werde. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Dieses fand im Februar 2011 statt; allerdings verweigerte der Kläger mit Ausnahme eines durch ihn ausgefüllten Fragebogens die weitere Mitwirkung. 5 Mit Verfügung vom 10. Januar 2012 wies das Regierungspräsidium K. den Kläger aus (Ziffer 1) und stützte sich dabei auf § 54 Nr. 5, § 56 Abs. 1, § 55 AufenthG a.F. Zudem wurde der Kläger verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, und sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt M. begrenzt (Ziffer 2). 6 Die Ausweisung sei gerechtfertigt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Vereinigungen unterstütze, die ihrerseits den Terrorismus unterstützten. So habe der Kläger nach den vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in den Jahren 2001 bis 2010 regelmäßig an näher bezeichneten Veranstaltungen und Demonstrationen der PKK-Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL teilgenommen und sei teilweise auch selbst als Redner bei derartigen Veranstaltungen aufgetreten. Von 2001 bis 2003/2004 sei er Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden ""Kurdischer Kulturverein e.V."" in L. gewesen. Außerdem sei er seit langem Vorstandsmitglied und nunmehr sogar zweiter Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden ""Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V."" (YEK-KOM). Die Ausweisung sei trotz des dem Kläger als anerkanntem Flüchtling zustehenden besonderen Ausweisungsschutzes aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt und auch mit Blick auf die Bleibeinteressen des Klägers verhältnismäßig. Sie führe zudem nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung, vielmehr bleibe seine Abschiebung ausgesetzt, da ihr Abschiebungsverbote aufgrund der Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling sowie nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegenstünden. Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk M. beruhten auf § 54a AufenthG (a.F.) und seien mit Blick auf die gebotene Überwachung des Klägers und zur Eindämmung seiner gefahrbegründenden Aktivitäten erforderlich und angemessen. 7 Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Januar 2015 abgewiesen, zugleich aber den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Mit Urteil vom 13. Januar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zurückgewiesen. Dabei hat er die angefochtene Ausweisungsverfügung an der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung des AufenthG gemessen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere ausgeführt: Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Kläger in überwiegend herausgehobener Funktion die PKK und damit eine terroristische oder den Terrorismus unterstützende Vereinigung unterstützt habe. Dabei seien allerdings nur Aktivitäten nach Juli 2010 heranzuziehen, also nach der an den Kläger gerichteten Mitteilung, wegen seiner Aktivitäten werde die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft. Als tatbestandserhebliches Unterstützen sei hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirke. Nach diesem Maßstab seien die im Urteil im Einzelnen näher bezeichneten und durch den Kläger in der Sache eingeräumten Betätigungen als Teilnehmer, Mitglied, Redner und Versammlungsleiter bei diversen die PKK unterstützenden Veranstaltungen sowie als Vorstandsmitglied der die PKK unterstützenden YEK-KOM und deren Nachfolgeorganisation NAV-DEM als Unterstützungshandlung zu werten. Angesichts des Ablaufs der Veranstaltungen, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um den PKK-Führer Öcalan sowie gefallene Märtyrer bestünden für das Berufungsgericht keine Zweifel daran, dass sich der Kläger den Zielen der PKK verpflichtet fühle und sie mit seinem Tun unterstützen wolle. 8 Die Ausweisungsverfügung werde auch dem erhöhten Ausweisungsschutz gerecht, der dem Kläger als anerkanntem Flüchtling nach § 53 Abs. 3 AufenthG zustehe. Denn es lägen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU vor, wonach ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel widerrufen werden könne. 9 Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Denn er habe eine Niederlassungserlaubnis besessen, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen sei. Er lebe mit deutschen Familienangehörigen (sechs seiner Kinder) in familiärer Lebensgemeinschaft und übe sein Personensorgerecht für seine minderjährigen Kinder aus. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiege jedoch das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. 10 Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht. Zunächst habe das Berufungsgericht den Begriff des ""Unterstützens"" in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlerhaft ausgelegt und angewandt. Der von ihm in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht angewandte Unterstützungsbegriff sei rechtsstaatlich nicht hinreichend konkret. Jedenfalls auf der Grundlage des neuen, seit Jahresanfang 2016 geltenden Ausweisungsrechts, das nach ""schwerwiegenden"" und ""besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen"" differenziere, sei dieser Unterstützungsbegriff nicht mehr als Abgrenzungskriterium geeignet. Notwendig sei ein gefahrenabwehrrechtlich ausgerichteter Unterstützungsbegriff, der sich etwa in Anlehnung an strafrechtliche Zurechnungskriterien wie Anstiftung oder Beihilfe oder die im Strafrecht für Organisationsdelikte entwickelten Zurechnungskriterien gewinnen lassen könne. 11 Fehlerhaft sei zudem die Auslegung und Anwendung von § 53 Abs. 3 AufenthG im Hinblick auf die sich aus Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie ergebenden Voraussetzungen. Denn das Berufungsgericht habe weder festgestellt, dass der Kläger unmittelbar der PKK angehöre, noch dass sich die YEK-KOM oder die NAV-DEM selbst terroristischer Methoden bedienten. Weiterhin verkenne das Berufungsgericht die durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) aufgestellten Anforderungen an die festzustellenden Unterstützungshandlungen. Danach sei insbesondere zu prüfen, ob der Betroffene selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zwecke der Begehung solcher Handlungen beteiligt war und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel für ihre Begehung verschafft habe. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe der EuGH damit nicht lediglich beispielhaft die in den maßgeblichen Vorlagefragen des Ausgangsverfahrens vorgehaltenen Handlungen herausgegriffen, sondern in einem abschließenden Sinne bestimmte Kriterien vorgegeben. 12 Weiter setze der Gefahrenbegriff des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine ""konkrete Gefahr"" voraus. Weder der Wortlaut noch die der Vorschrift zugrunde liegende Entstehungsgeschichte rechtfertigten eine Absenkung dieser Gefahrenschwelle. Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob der Kläger die für die objektive Unterstützung zu Grunde gelegten Tatsachen und Umstände gekannt und eine zweckgerichtete Unterstützung auch gewollt habe. 13 Schließlich habe das Berufungsgericht verkannt, dass dem Kläger nach dem Urteil des EuGH vom 24. Juni 2015 selbst dann, wenn ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie entzogen werden dürfe, für die Zeit der Fortdauer seines Flüchtlingsstatus die Rechte nach Kapitel VII dieser Richtlinie erhalten bleiben. Deshalb beantragte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hilfsweise, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass ihm auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie. 14 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei. 15 Während des Revisionsverfahrens hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes für den Kläger widerrufen und entschieden, ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Gegen den Bescheid hat der Kläger Klage erhoben. II 16 Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers und die ihm auferlegte Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung im Ergebnis zu Recht als rechtmäßig eingestuft. Allerdings war auf der Grundlage der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG der Beklagte zu einer nunmehr gebotenen Ermessensentscheidung über die festzusetzende Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG zu verpflichten. 17 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung (Ziffer 1 des Bescheids) sowie der Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 2 des Bescheids). Aber auch der Streit über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - im Berufungsverfahren und anschließend im Revisionsverfahren angefallen. Denn das Befristungsbegehren ist als Minus notwendiger Bestandteil des Begehrens auf Aufhebung einer Ausweisung und kann daher von den Parteien nicht gesondert aus dem Verfahren ausgegliedert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 28 ff.). Hiervon sind im Übrigen vorliegend auch die Parteien übereinstimmend ausgegangen. 18 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) zugrunde zu legen, zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). 19 A. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG, weil der Kläger anerkannter Flüchtling ist. 20 1. Nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ergibt sich der Grundtatbestand der Ausweisung aus § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. 21 Das neue Ausweisungsrecht gibt das mit dem Ausländergesetz 1990 eingeführte dreistufige Konzept der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung auf. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für ein einheitliches System der rechtlich gebundenen Ausweisung entschieden (""wird ausgewiesen""), das vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. § 54 AufenthG benennt konkret die Gründe, wann das Ausweisungsinteresse ""besonders schwer"" oder ""schwer"" wiegt und knüpft damit an Tatbestände der früheren Ist- und Regelausweisung an. In § 55 AufenthG werden - spiegelbildlich hierzu - Tatbestände normiert, denen zufolge das Bleibeinteresse ""besonders schwer"" oder ""schwer"" wiegt, wobei auch die Aufzählung der ""schwer"" wiegenden Bleibeinteressen nicht abschließend ist. In § 53 Abs. 2 AufenthG werden Gesichtspunkte genannt, die bei der Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind, insbesondere die Dauer des Aufenthalts, Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, Folgen der Ausweisung für Angehörige und Partner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat. 22 Die Rechtsprechung des Senats, die ihrerseits Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aufgreift (vgl. Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <301 ff.> und vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.), hat bei der Entwicklung des neuen Ausweisungsrechts eine entscheidende Rolle gespielt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, BT-Drs. 18/4097 S. 49). Dabei griff der Gesetzgeber Vorschläge zur Neuregelung des Ausweisungsrechts auf, die Vertreter der Rechtsprechung unterbreitet haben (vgl. Dörig, NVwZ 2010, 921 <922>; Bergmann, ZAR 2013, 318 <322> sowie Gesetzesvorschlag Bergmann/Dörig vom Januar 2014, veröffentlicht in: Barwig u.a., Steht das europäische Migrationsrecht unter Druck?, 2014, S. 111 f.). Die Ausweisung setzt nunmehr nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Sofern nach dieser Gesamtabwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib in Deutschland überwiegt, wird der Ausländer ausgewiesen, andernfalls kommt eine Aufenthaltsbeendigung nach § 53 Abs. 1 AufenthG nicht in Betracht. 23 Die Tatbestandsmerkmale der ""öffentlichen Sicherheit und Ordnung"" im ausweisungsrechtlichen Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG sind nach der Begründung des Gesetzgebers im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Auch die Gefährdung dieser Schutzgüter bemisst sich nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der aufgeführten Schutzgüter eintreten wird. Mit Blick auf die verwendeten Begriffe sollte keine Ausweitung des Gefahrenbegriffs gegenüber dem bislang geltenden Recht erfolgen, vielmehr sollten lediglich die bislang verwandten unterschiedlichen Formulierungen aneinander angeglichen werden. Die von § 53 Abs. 1 AufenthG geforderte Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers in Deutschland erfolgt dabei nach der Intention des Gesetzgebers nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar. 24 Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder ""besonders schwerwiegend"" (Absatz 1) oder als ""schwerwiegend"" (Absatz 2). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind neben den explizit in den §§ 54, 55 AufenthG aufgeführten Interessen aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Die Katalogisierung schließt demnach die Berücksichtigung weiterer Umstände im Rahmen der nach § 53 Abs. 2 AufenthG zu treffenden Abwägungsentscheidung nicht aus. Dies folgt bereits aus dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG, ist aber für die schwerwiegenden, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenssituationen bewusst nicht abschließend aufgezählten Bleibeinteressen in § 55 Abs. 2 AufenthG nochmals ausdrücklich normiert. Die nunmehr als schwerwiegend oder besonders schwerwiegend qualifizierten Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 AufenthG decken sich weitgehend - aber nicht vollständig - mit den früheren Gründen für eine Regel- und Ist-Ausweisung, die schwerwiegenden und besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen greifen Fälle des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 AufenthG a.F. auf. 25 Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Bei diesem Kriterienkatalog hat sich der Gesetzgeber an den Maßstäben orientiert, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK als maßgeblich ansieht (""Boultif/Üner-Kriterien""). Die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände sollen sowohl zugunsten als auch zulasten des Ausländers wirken können und sind nach Auffassung des Gesetzgebers nicht als abschließend zu verstehen. 26 Die in § 54 AufenthG fixierten Tatbestände erfüllen zwei Funktionen: Sie sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung im Sinne von § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG und weisen diesen Ausweisungsinteressen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 Halbs. 2 und Abs. 3 AufenthG geforderte Abwägung zu. Ein Rückgriff auf die allgemeine Formulierung eines öffentlichen Ausweisungsinteresses in § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG ist deshalb entbehrlich, wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist. Allerdings bedarf es auch bei Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 54 AufenthG stets der Feststellung, dass die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht. 27 2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgestellt. Ein solches liegt dann vor, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei hiervon u.a. dann auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er (jedenfalls) eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand. 28 a) Der Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist dem Wortlaut nach weitgehend an den früheren Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung angelehnt, auf den die Ausweisungsverfügung auch ursprünglich gestützt war. Das Berufungsgericht hat für die Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu Recht dieselben rechtlichen Maßstäbe herangezogen, die der Senat zur Auslegung des früheren Regelausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entwickelt hat. 29 In der Rechtsprechung des Senats war die Auslegung des Regelausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung weitgehend geklärt. So ist anerkannt, dass eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst. Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung setzt allerdings voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind; ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 20 ff. und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 13 ff.). 30 Für den im Gesetz verwandten Begriff des Terrorismus sind Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Jedoch können wesentliche Kriterien aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 S. 3) sowie dem gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93 - vgl. auch ABl. L 116 vom 3. Mai 2002, S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Organisation terroristischer Art ist oder im Verdacht steht, eine solche zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​413], H.T./Land Baden-Württemberg - Rn. 83). Hier sind von den Tatsachengerichten ergänzende Feststellungen zu treffen. Dabei ist trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs anerkannt, dass als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen und Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sind (Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>, vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 und Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 <87> m.w.N.). 31 Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. missbilligten Ziele zu entfalten. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind. Für den Ausländer muss schließlich die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüber hinaus gehende innere Einstellung des Ausländers kommt es hingegen nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 15 und 18 m.w.N.). 32 Diese vom Senat zur Auslegung von § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze lassen sich entgegen dem Vorbringen der Revision auch auf den Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach dem neu gefassten § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen. Ein Vergleich der Textfassungen ergibt, dass der Gesetzgeber die früheren Regelausweisungstatbestände nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG a.F. in der neuen Vorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zusammengefasst hat, wobei unter den vorliegenden Umständen die Fälle staatsgefährdender Gewalttaten nach § 89a StGB außer Betracht bleiben können. Gegenüber dem früheren Recht ist der Hinweis entfallen, dass eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Eine Änderung der materiellen Rechtslage ist damit aber nicht verbunden, da auch nach neuem Recht eine fortbestehende Gefahr erforderlich ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (""gefährdet"") und ist implizit auch dem neuen Zusatz in § 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AufenthG zu entnehmen, wonach von einer Gefährdung nicht auszugehen ist, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt. 33 Den Gesetzgebungsmaterialien ist nichts dafür zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung für eine Abkehr von dem bisherigen Verständnis des Ausweisungstatbestandes hat entscheiden wollen. Zwar hat er in Satz 2 einen Halbsatz neu eingefügt, wonach ein Unterstützen nicht vorliegt, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt. Das stellt jedoch keine inhaltliche Änderung des Unterstützerbegriffs dar, sondern normiert lediglich ein in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entwickeltes Kriterium zur individuellen Zurechnung eines Unterstützerverhaltens. Denn der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die objektive Tatsache der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Vergangenheit dem Ausländer dann nicht mehr zugerechnet werden kann, wenn er sich glaubhaft hiervon distanziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <131>, vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 35 und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 17). Die nunmehr normierten Tatbestandsmerkmale lassen keine Abkehr von der Senatsrechtsprechung erkennen, denn ein ""erkennbares Abstandnehmen"" vom sicherheitsgefährdenden Handeln entspricht dem Distanzieren im Sinne der Senatsrechtsprechung. Allerdings findet sich in der Begründung zu dieser Neuregelung die Aussage, die Möglichkeit der ""Exkulpation"" zeige, dass der Betroffene Kenntnis davon gehabt haben müsse, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstütze, der ""undolose Unterstützer"" daher nicht unter die Regelung falle (BT-Drs. 18/4097 S. 51). Aus diesem Satz in der Gesetzesbegründung könnte man ableiten, der Gesetzgeber habe eine Regelung treffen wollen, nach der für die subjektive Seite des Unterstützens mehr erforderlich ist (Vorsatz) als nach dem bisherigen Verständnis (Erkennbarkeit). Wäre dies tatsächlich so Gesetz geworden, hätte dies eine nicht unerhebliche Einschränkung der Rechtsprechung zur subjektiven Zurechnung bedeutet, nach der es ausreicht, dass der Ausländer erkennen konnte, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstützt. Die Begründung hat jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, denn nach diesem wird Vorsatz im Hinblick auf die terroristische Betätigung der unterstützten Vereinigung nicht verlangt. Es reicht somit auch für die Erfüllung des subjektiven Unterstützertatbestands weiterhin die Erkennbarkeit einer terroristischen Betätigung der Vereinigung aus. Vorsatz bleibt hingegen weiter erforderlich für das eigene Handeln des Ausländers, das von dem Ziel geleitet sein muss, die Vereinigung zu unterstützen. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber der Vorfeldunterstützung des Terrorismus durch die Gesetzesänderung erhöhte Bedeutung beimessen wollte, indem er den bisher als Tatbestand für eine Regelausweisung normierten Ausweisungsgrund zu einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 AufenthG heraufstufte, was im bisherigen Recht dem Tatbestand einer zwingenden Ausweisung entsprochen hätte. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass das stärkere Gewicht, das der Gesetzgeber diesem Ausweisungsinteresse beimessen wollte (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 23), mit einer engeren Interpretation seiner Tatbestandsmerkmale einhergehen sollte. 34 Eine vom früheren Begriffsverständnis abweichende Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass dieser bisher eigenständige Tatbestand nunmehr in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG funktional mit einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft wird (""hiervon ist auszugehen, wenn""). Vielmehr ergibt eine systematische Auslegung der Vorschrift, dass der Inhalt des Ausweisungstatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung unverändert geblieben ist, während der Begriff der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Erweiterung erfahren hat. Denn der Gesetzgeber hat mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr kraft Gesetzes definiert, wann von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen ist, nämlich (jedenfalls) dann, wenn eine der dort genannten Tatbestandsalternativen erfüllt ist. Die Auslegung des Begriffs der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richtet sich daher (auch) nach diesen Tatbestandsalternativen, nicht umgekehrt. Anderes lässt sich hinsichtlich des Gefahrenmaßstabs auch nicht der Regelung des § 53 Abs. 1 AufenthG entnehmen. Denn anders als bei den übrigen Ausweisungsinteressen hat der Gesetzgeber in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG das Erfordernis einer Gefahr (nochmals) ausdrücklich aufgeführt, was unter systematischen Gesichtspunkten für eine gewisse Eigenständigkeit des Gefahrentatbestandes gegenüber § 53 Abs. 1 AufenthG fruchtbar gemacht werden kann. Es gilt damit nunmehr, dass das Gesetz bereits die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Bundesgebiet als eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ansieht, unabhängig davon ob die terroristische Vereinigung Gewaltakte auch auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland oder gegen deutsche Einrichtungen im Ausland begeht. Weiterhin gilt jedenfalls für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch Vorfeldmaßnahmen erfasst und keine von der Person des Unterstützers ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Die Rechtsprechung des Senats zur Unterstützung des Terrorismus durch Handlungen in dessen Vorfeld hat dem Rechnung zu tragen und dabei auch die Bedeutung zu berücksichtigen, die der Unionsgesetzgeber dieser Vorfeldunterstützung durch den Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) - EU-Anerkennungsrichtlinie - beimisst. 35 Ein Anlass für eine verfassungsrechtliche Neubewertung des Gefahrenmaßstabs besteht entgegen dem umfangreichen Revisionsvorbringen nicht. In der Rechtsprechung des Senats ist seit dem Urteil zum Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus - Terrorismusbekämpfungsgesetz - vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361, 3142) anerkannt, dass der Unterstützungsbegriff weit auszulegen und anzuwenden ist, um damit der auch völkerrechtlich begründeten Zielsetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <127 ff.>). Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Einen bislang nicht berücksichtigten verfassungsrechtlichen Rechtssatz, der den so umschriebenen Ausgleich zwischen dem legitimen und schon wegen seiner völkerrechtlichen Vorgaben besonders gewichtigen gesetzgeberischen Ziel der Terrorismusbekämpfung und den geschützten Grundrechtspositionen eines Ausländers infrage stellen würde, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere sprechen der Charakter der Ausweisung als Maßnahme der Gefahrenabwehr sowie die spezifische Zielsetzung der Terrorismusbekämpfung gegen eine Übertragung strafrechtlicher Rechtsprechungsgrundsätze, wie sie etwa für die Abgrenzung strafbarer und straffreier Meinungsäußerungen gelten. Der Senat hält auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. 36 b) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen. Dies gilt sowohl für die Qualifizierung der PKK als terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung (aa) als auch - jedenfalls im Ergebnis - für die Qualifizierung der Handlungen des Klägers als relevante Unterstützungshandlungen (bb). Ebenso wenig zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (cc). 37 (aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung der PKK als eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Das Gericht legt seiner Entscheidung die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Definition einer terroristischen Vereinigung zugrunde (UA Bl. 27 f.) und geht damit von einem zutreffenden Maßstab aus. Für die Bewertung der PKK als eine solche Vereinigung hat das Gericht zunächst darauf abgestellt, dass sie auch noch aktuell auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist, ohne diesem Umstand eine über einen deutlichen Anhaltspunkt hinausgehende Bedeutung beizumessen (UA Bl. 31). Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht sodann auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel festgestellt, dass die PKK zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele in der Türkei weiterhin Gewalttaten gegen staatliche Einrichtungen und Amtsträger sowie die Zivilbevölkerung verübt und im Übrigen etwa zur Finanzierung ihrer Aktivitäten oder zur Bekämpfung von Kritikern auch nicht vor Verbrechen gegenüber ihren eigenen Anhängern und auch darüber hinaus gegenüber der kurdischstämmigen Bevölkerung insgesamt zurückschreckt. Insbesondere sei die zwischen dem türkischen Staat und der PKK ausgehandelte (relative) Waffenruhe seitens der PKK zuletzt Ende Juli 2015 ausdrücklich aufgekündigt worden (UA Bl. 32 f.). Diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden und daher für den Senat bindend. Sie erlauben dem Senat zudem eine eigene rechtliche Bewertung des Inhalts, dass die PKK eine terroristische Vereinigung darstellt und nicht lediglich eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung. 38 (bb) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kläger die PKK in rechtserheblicher Weise individuell unterstützt hat. Allerdings ist das Gericht unter Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass zu Lasten des Klägers nur solche Unterstützungshandlungen berücksichtigt werden dürfen, die in zeitlicher Hinsicht nach der Mitteilung des Regierungspräsidiums vom Juli 2010 lagen, wonach eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft würden. 39 Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein Ausweisungsinteresse bereits dann aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht ist und nicht mehr zur Begründung einer Ausweisung herangezogen werden kann, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis oder dem Staat zuzurechnender Unkenntnis erteilt oder verlängert wurde (UA S. 34 f.). Zwar ist in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich anerkannt ist, dass Ausweisungsgründe in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und so lange entgegengehalten werden dürfen, als sie noch aktuell und nicht verbraucht sind und die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <313> und vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <121 f.>). Aus der Ableitung dieser Kriterien aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes folgt jedoch, dass die Ausländerbehörde einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen haben muss, aufgrund dessen der Ausländer annehmen kann, ihm werde ein bestimmtes Verhalten im Rahmen einer Ausweisung nicht entgegengehalten. Aus der Rechtsprechung des Senats ergibt sich zudem, dass ein hierauf gegründetes Vertrauen des Ausländers schützenswert sein muss. Hieran fehlt es, wenn die Ausländerbehörde - wie vorliegend - dem Kläger auf dessen Anfrage zum Stand des Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lediglich mitteilt, dass gegenwärtig noch eine Sicherheitsüberprüfung stattfinde, und dann zu einem späteren Zeitpunkt ohne jegliche Erläuterung zum Ausgang der Sicherheitsüberprüfung die begehrte Niederlassungserlaubnis erteilt. Auf dieser Grundlage kann der Betroffene nämlich weder wissen, welchen konkreten Umständen die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Sicherheitsüberprüfung nachgegangen ist, noch zu welchen konkreten Erkenntnissen sie hierbei nach Abschluss der Überprüfung gelangt ist. Daher kann der Betroffene aus der Erteilung der Niederlassungserlaubnis billigerweise auch nicht schließen, dass die Ausländerbehörde bei ihrer Sicherheitsüberprüfung alle als potentielle Versagungsgründe in Betracht kommenden Umstände tatsächlich ermittelt und sodann als für die Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis unbeachtlich eingestuft hat. 40 Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsverstoß, weil das Berufungsgericht auch ohne Berücksichtigung der vor dem für maßgeblich erachteten Zeitpunkt liegenden Umstände von rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen des Klägers ausgegangen ist und die diesbezüglichen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Im Übrigen wäre der Kläger durch die Nichtberücksichtigung weiterer, ihn belastender Umstände auch nicht beschwert. Im Einzelnen hat das Berufungsgericht für die Bestimmung der rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen zutreffend auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe zu § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung abgestellt (UA Bl. 35 ff.). Keine abweichende Beurteilung ergibt sich aus dem Einwand des Klägers, die PKK nicht unmittelbar unterstützt zu haben, sondern sich in legalen Vereinigungen betätigt zu haben, die ihrerseits die PKK im Wissen um deren Charakter gewollt und gezielt unterstützen. Denn es stellt keine verminderte Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus dar, wenn die Unterstützung terroristischer Vereinigungen nicht durch isolierte Einzelhandlungen, sondern in Vereinigung mit anderen erfolgt. Hierin liegt auch kein Fehlen der Unmittelbarkeit der Unterstützungshandlungen. 41 In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht sodann nach Auswertung der ihm vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden festgestellt, dass der Kläger über mehrere Jahre in teils hervorgehobener Funktion als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter oder Redner regelmäßig an Veranstaltungen teilgenommen und mitgewirkt hat, bei denen offene Propaganda für die PKK betrieben worden ist (UA Bl. 39 - 42). Unter Einbeziehung der Aktivitäten des Klägers in der Zeit seit 2001, wie sie in der Ausweisungsverfügung (S. 3 - 9, 16 - 23) aufgelistet, vom Kläger nicht in Abrede gestellt und vom Berufungsgericht in Bezug genommen worden sind (UA S. 39 f.), stellt sich das Unterstützungshandeln des Klägers wie folgt dar: Der Kläger war von 2001 bis 2003/2004 Vorsitzender des ""Kurdischen Kulturverein e.V."" in L., der der KONGRA-GEL nahestand. Im Oktober 2004 wurde er in das 15-köpfige Führungskomitee der ""Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland"" (YEK-KOM) gewählt und gehörte diesem bis zur Auflösung der YEK-KOM im Jahr 2014 an, zeitweilig (bis 2011) war er der 2. Vorsitzende der Vereinigung. Er hat sich im Juni 2014 in den fünfköpfigen Vorstand der die PKK unterstützenden NAV-DEM wählen lassen und diese Vorstandstätigkeit bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgeübt (UA Bl. 43 - 45). 42 Der Kläger beteiligte sich seit Mitte 2003 regelmäßig an Kundgebungen und Demonstrationen in unterschiedlichen deutschen Städten (u.a. Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Frankfurt, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Stuttgart) und in Straßburg/Frankreich, die sich unter anderem für eine Freilassung des inhaftierten PKK-Führers Öcalan aussprachen, des Gründungsjahrestags der PKK und/oder der ""Märtyrer des kurdischen Freiheitskampfes"" gedachten und Parolen auf die PKK ausriefen. Der Kläger hielt auf einigen dieser Veranstaltungen eine Rede, im Februar 2007 hob er dabei die Bedeutung der Gefallenen für die kurdische Sache hervor, im Januar 2009 sprach er zur aktuellen Lage der Kurden in ihrer Heimat, im März 2010 kritisierte er die Exekutivmaßnahmen der belgischen Polizei gegenüber dem kurdischen TV-Sender ROJ-TV, im November 2011 sprach er auf einer Kundgebung, die zum Thema u.a. die Verwendung von Napalmgas und chemischer Waffen gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei hatte, im Januar 2013 verurteilte er auf einer Kundgebung die Ermordung von drei PKK-Aktivisten in Paris, im Oktober 2015 hielt er anlässlich einer Protestaktion der NAV-DEM in Frankfurt eine Rede. 43 Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger nicht nur seine individuellen Unterstützungshandlungen, sondern sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied persönlich zuzurechnen sind. Die YEK-KOM, der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK nach den gerichtlichen Feststellungen durch eine Vielzahl von Aktionen. Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen oder ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie ""Freiheit für Öcalan"" und ""Frieden für Kurdistan"". Im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die ""logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans"" verankert. Der Verein biete der PKK oder ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Für die NAV-DEM gilt nach den getroffenen Feststellungen nichts anderes. Der Verein sei keine Neugründung, sondern eine Umbenennung des Vereins YEK-KOM. Im Übrigen werde deutlich, dass die NAV-DEM ihre Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen durchführe wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM. Diese zutreffende Würdigung bedeutet auch nicht, dass jeder Einsatz für die Interessen und Belange kurdischer Volkszugehöriger (oder eine Kritik an der Kurdenpolitik der Türkischen Republik) als eine Unterstützung der PKK und damit des Terrorismus einzuordnen wäre. 44 (cc) Soweit schließlich nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausscheidet, wenn der Ausländer ernsthaft und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt, hat das Berufungsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger ausweislich seines auch während des Ausweisungsverfahrens fortgesetzten Engagements als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner auch künftig an seiner Unterstützung der PKK festhalten wird. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unterstützerverhalten des Klägers sind detailreich und stellen - entgegen der Auffassung der Revision - keine zu schmale Tatsachengrundlage für die getroffenen Feststellungen dar. Damit erfüllt der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, und es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, das besonders schwer wiegt. 45 3. Die angefochtene Verfügung des Beklagten erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen, die nach § 53 Abs. 3 AufenthG an die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings zu stellen sind. Ein solcher darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. 46 a) Diese den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG ergänzende Vorschrift legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für mehrere rechtlich privilegierte Personengruppen fest, nämlich für Ausländer, die als Asylberechtigte anerkannt sind, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießen, die einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention besitzen, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder die eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen. Für all diese Personengruppen gilt der besondere aus Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie 2003/109/EG abgeleitete Maßstab, den der Gerichtshof der Europäischen Union auch auf Ausländer erstreckt hat, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:​EU:​C:​2011:​809], Ziebell - Slg. 2011, I-12735 Rn. 79, 86). Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 53 Abs. 3 AufenthG von vornherein ""bereichsspezifisch"" gemäß dem durch das Unionsrecht für den jeweiligen Personenkreis bestimmten Ausweisungsschutz auszulegen sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber den unionsrechtlichen Schutzstandard für daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige für ausreichend befunden und dessen Geltung für alle genannten Personengruppen angeordnet. Dies entbindet freilich nicht davon, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob für die jeweils betrachtete Personengruppe der so durch den nationalen Gesetzgeber definierte Ausweisungsschutz dem unionsrechtlichen Maßstab tatsächlich genügt. Nur wenn der unionsrechtliche Maßstab strenger ist als derjenige, der durch den Gesetzgeber in § 53 Abs. 3 AufenthG festgelegt worden ist, bedarf § 53 Abs. 3 AufenthG nach allgemeinen Grundsätzen einer unionsrechtskonformen Auslegung, die angesichts der Weite der Tatbestandsmerkmale und des erkennbaren gesetzgeberischen Willens, europarechtlichen Maßstäben zu genügen, auch möglich ist (so auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 54). 47 Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 AufenthG unionsrechtskonform nach den Vorgaben der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU auszulegen. Die Richtlinie formuliert keine Vorgaben für eine Ausweisung im Sinne des deutschen Rechts, wohl aber für eine Zurückweisung in den Herkunftsstaat (Art. 21 Abs. 2 und 3) und für den Entzug des Aufenthaltstitels (Art. 24 Abs. 1). 48 b) Nach Art. 21 Abs. 3 der EU-Anerkennungsrichtlinie darf ein Mitgliedstaat den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, wenn die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 C 8.11 - BVerwGE 143, 138 Rn. 21). Fällt ein Flüchtling nicht in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie, kann auch Abs. 3 dieser Vorschrift nicht zu Anwendung kommen (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 44). Eine Zurückweisung ist nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a zulässig, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Es kann offenbleiben, ob vom Kläger eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ausgeht, denn die Zurückweisung ist nur unter der weiteren Voraussetzung rechtmäßig, dass sie dem Mitgliedstaat nicht aufgrund seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist (Art. 21 Abs. 2). Dazu zählen die Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK (vgl. Begründung der Kommission im Richtlinienvorschlag vom 12. September 2001 KOM (2001) 510 endg. S. 33 zu Art. 19). Dem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK kommt absoluter Charakter zu; es kann mithin - anders als das Refoulement-Verbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK - nicht unter den Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU i.V.m. Art. 35 Abs. 2 GFK durchbrochen werden (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU [ECLI:​EU:​C:​2016:​198], Aranyosi und Căldăraru - Rn. 85 - 87; EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996 - Nr. 71/1995/577/663, Ahmed/Österreich - NVwZ 1997, 1100 Rn. 39 - 41). Für den Kläger besteht ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK. Denn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat im Anerkennungsbescheid vom 9. Oktober 1997 nicht nur die Flüchtlingseigenschaft des Klägers nach dem seinerzeit maßgeblichen § 51 Abs. 1 AuslG 1990, sondern auch ein Abschiebungsverbot nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990 hinsichtlich der Türkei festgestellt und dieses damit begründet, dass dem Kläger in der Türkei unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Diese Feststellung des Bundesamts begründet hier ein - absolutes - nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Insoweit kommt der Feststellung des Bundesamts im vorliegenden Verfahren über § 42 AsylG auch Bindungswirkung zu. Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU begrenzt damit den behördlichen Handlungsspielraum für eine Abschiebung in einen Verfolgerstaat oder einen Staat, in dem Gefahren nach Art. 3 EMRK drohen. Die Vorschrift setzt jedoch keine Maßstäbe für eine lediglich ""inlandsbezogene"" Ausweisung, die - wie hier - insbesondere den Verlust des Aufenthaltstitels zur Folge hat. 49 c) Unionsrechtliche Maßstäbe für eine zum Verlust des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings führende inlandsbezogene Ausweisung lassen sich aus Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie gewinnen. Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten, einem Flüchtling so bald wie möglich nach der Anerkennung einen Aufenthaltstitel auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. 50 (aa) Der Inhalt dieser Norm wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union in einem auf ein Vorlageersuchen des Berufungsgerichts ergangenen Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) näher bestimmt. Die Entscheidung bezieht sich zwar auf Art. 24 Abs. 1 der EG-Anerkennungsrichtlinie 2004/83/EG, ihre Aussagen sind aber uneingeschränkt auf die in der Sache unveränderte Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU übertragbar. Danach kann einem Flüchtling nach Art. 24 Abs. 1 nicht nur die Erteilung eines Aufenthaltstitels versagt werden, sondern der erteilte Aufenthaltstitel auch nachträglich widerrufen werden, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen (a.a.O. Rn. 55). Soweit in der Neufassung der Vorschrift nunmehr von zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung die Rede ist, ist damit keine inhaltliche Änderung verbunden. Diese Wirkung einer Entziehung des Aufenthaltstitels kommt der hier verfügten Ausweisung zu, die wegen des entgegenstehenden Abschiebungsverbots nach Art. 3 EMRK nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Entgegen einer am Wortlaut orientierten Auslegung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie hat der darin verwendete Begriff der ""zwingenden Gründe"" nach dem EuGH-Urteil eine weitere Bedeutung als der Begriff der ""stichhaltigen Gründe"" in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Das bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht den Schweregrad aufweisen, um eine Zurückweisung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie verfügen zu können, den Mitgliedstaat gleichwohl dazu berechtigen können, auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie dem betroffenen Flüchtling seinen Aufenthaltstitel zu entziehen (a.a.O. Rn. 75). 51 Bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts der ""zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung"" hat der EuGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung zu den Begriffen der ""öffentlichen Sicherheit"" und der ""öffentlichen Ordnung"" in Art. 27 und 28 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG genommen (a.a.O. Rn. 77 ff.). Danach umfasst der Begriff ""öffentliche Sicherheit"" im Sinne von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats. Die öffentliche Sicherheit kann danach berührt sein, wenn das Funktionieren staatlicher Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste beeinträchtigt wird oder eine Gefahr für das Überleben der Bevölkerung oder einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker besteht oder militärische Interessen beeinträchtigt werden. Dabei deutet der Begriff der ""zwingenden Gründe"" auf einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung hin (a.a.O. Rn. 78). Den Begriff der ""öffentlichen Ordnung"" hat der EuGH für die Unionsbürgerrichtlinie dahin ausgelegt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (a.a.O. Rn. 79). Zugleich betont er, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern (a.a.O. Rn. 77). 52 Für den Fall der Unterstützung des Terrorismus hat der EuGH zudem auf den 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG, heute 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU hingewiesen, wonach der Begriff der ""öffentlichen Sicherheit und Ordnung"" auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Dabei muss das nationale Gericht in einem ersten Schritt prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen. Wird eine vom Flüchtling unterstützte Vereinigung in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93) geführt, ist dies ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation ist oder im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein (a.a.O. Rn. 83). Allein der Umstand, dass ein Flüchtling eine solche Organisation unterstützt hat, darf jedoch nicht automatisch zur Aufhebung seines Aufenthaltstitels führen. Vielmehr ist in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Betreffende im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt hat (a.a.O. Rn. 90), und auch der Schweregrad der Gefahr zu beurteilen, die von seinen Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (a.a.O. Rn. 92). 53 (bb) Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geleisteten und ihm zuzurechnenden Unterstützungshandlungen an dem vom EuGH präzisierten Maßstab für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie gemessen und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich hieraus zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ergeben, die einen Entzug des Aufenthaltstitels gegenüber dem Kläger rechtfertigen. Das Gericht hat bereits im Rahmen seiner Prüfung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausführlich begründet, warum die PKK eine terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung darstellt (UA S. 27 - 34). Dabei hat es gewürdigt, dass die PKK auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist und auch weiterhin terroristische Aktivitäten entfaltet. In einem zweiten Schritt hat es näher dargelegt, warum die in Deutschland agierenden Vereinigungen YEK-KOM und NAV-DEM, für die der Kläger seit mehr als zwölf Jahren in hervorgehobenen Funktionen wirkte, und der Kläger auch individuell durch Anmeldung und Leitung von Versammlungen sowie Redebeiträge und weitere Aktivitäten die PKK unterstützt haben und weiter unterstützen (UA S. 55, 34 - 48). Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass der Kläger damit die Voraussetzungen für den Entzug seines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie erfüllt, steht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang. Zwar hat er selbst keine terroristischen Handlungen begangen, auch nicht andere Personen hierzu angeleitet oder sich an der Planung oder Finanzierung terroristischer Aktionen beteiligt, wie das der EuGH als mögliches Unterstützerhandeln erwähnt (a.a.O. Rn. 90). Diese Aufzählung des Gerichtshofs ist jedoch nur beispielhaft, macht zugleich aber deutlich, dass der Betreffende eine gewichtige Rolle im Rahmen seiner Unterstützung der terroristischen Organisation gespielt haben muss. 54 Bei der Frage, was als gewichtig anzusehen ist, ist der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie zu berücksichtigen, wonach auch die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, und die Unterstützung einer derartigen Vereinigung als Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung anzusehen sind. Die abschließende Bewertung, ob die Unterstützungshandlung hinreichend gewichtig ist, um ""zwingende Gründe"" darzustellen, überlässt der Gerichtshof dem verantwortlichen nationalen Gericht und erkennt auch einen Einschätzungsspielraum der Mitgliedstaaten an, nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen, was die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung erfordern. Diese abschließende Bewertung hat das Berufungsgericht dahin getroffen, dass die Unterstützungshandlungen des Klägers dem von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie geforderten Gewicht entsprechen. Es hat dies auf der Grundlage der Gewichtungsvorgabe des nationalen Gesetzgebers in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nachvollziehbar mit dem mehr als zwölfjährigem Unterstützerhandeln des Klägers in hervorgehobener Position innerhalb zweier Vereinigungen begründet, in dessen Rahmen er an zahlreichen Veranstaltungen mitwirkte, an denen sich Akteure beteiligten, die offen für die PKK warben und deren Kurs vorbehaltlos befürworteten (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.). Für das Gewicht seines Unterstützerhandelns durfte das Gericht auch berücksichtigen, dass der Kläger nach den tatrichterlichen Feststellungen in vollem Bewusstsein um dessen Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen gehandelt hat, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen (UA S. 55). 55 (cc) Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13 Rn. 95 ff.) aber hervorgehoben, dass ein Flüchtling, dessen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie aufgehoben wird, seinen Flüchtlingsstatus behält, sofern und solange ihm nicht dieser Status entzogen worden ist. Daher ist er auch nach dem Verlust seines Aufenthaltstitels weiterhin Flüchtling und hat in dieser Eigenschaft weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die das Kapitel VII der Richtlinie jedem Flüchtling gewährleistet, so insbesondere auf Schutz vor Zurückweisung, auf Wahrung des Familienverbands, auf Ausstellung von Reisedokumenten, auf Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie auf Zugang zu Integrationsmaßnahmen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift. Diese Rechte dürfen, auch soweit sie nach nationalem Recht an den Besitz eines Aufenthaltstitels anknüpfen, von den zuständigen Behörden daher nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Aufenthalt des Flüchtlings infolge der Ausweisung rechtswidrig geworden ist. Allerdings darf die Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 25 EU-Anerkennungsrichtlinie versagt werden, wenn - etwa zur Begegnung der Gefahr terroristischen Unterstützungshandelns - zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen. Ebenso dürfen nach Art. 33 der Richtlinie aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen verfügt werden, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern zulässig sind. 56 Eventuelle Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der dem Flüchtling auch nach Entzug des Aufenthaltstitels weiter zustehenden Rechte nach Kapitel VII der EU-Anerkennungsrichtlinie infolge unzureichender Umsetzung der Richtlinie in den einschlägigen nationalen Fachgesetzen berühren nicht die Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung. An die Beachtung der einen Flüchtling unmittelbar begünstigenden Vorschriften in Kapitel VII der Richtlinie und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH sind seit Ablauf der Umsetzungsfrist alle nationalen Behörden gebunden. Der Flüchtling hat seine Rechte gegenüber den jeweils zuständigen Behörden und erforderlichenfalls Gerichten geltend zu machen. Auch die Generalanwältin hat es insoweit als die Pflicht der nationalen Gerichte angesehen, für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11. September 2014 - C-373/13 - Rn. 114 letzter Absatz). 57 4. Dem öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen gewichtige Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1, § 55 AufenthG gegenüber. Diese hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (UA S. 59 f.). Es hat berücksichtigt, dass der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). 58 5. Das Berufungsgericht hat das öffentliche Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (UA S. 60 - 64). Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie genießt, hier allerdings auf absehbare Zeit keine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt ist, da ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht. Es hat seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und seine familiären Bindungen im Sinne von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gewürdigt, diesen durch die Verfügung allerdings insoweit nicht als beeinträchtigt angesehen, als keine Aufenthaltsbeendigung erfolgt. Es hat bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger in seinen geschützten Bindungen dadurch betroffen ist, dass sein Aufenthalt auf das Gebiet der Stadt M. beschränkt und er Meldeauflagen unterworfen ist. Weitere schützenswerte Bindungen hat das Gericht nicht anerkannt und dies nachvollziehbar damit begründet, dass der Kläger ungeachtet seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland kaum deutsch spricht, nur sporadisch und für kürzere Zeiträume erwerbstätig war und seit längerem von Sozialleistungen abhängig ist. Schließlich hat das Berufungsgericht in die Abwägung eingestellt, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. 59 6. Ohne Rechtsverstoß wertet das Berufungsurteil die in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung angeordnete Aufenthaltsbeschränkung und die verfügten Meldeauflagen als rechtmäßig gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den - wie hier - eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Gestützt auf diese Ermächtigung hat der Beklagte bestimmt, dass sich der Kläger zweimal wöchentlich zu melden hat. Ferner hat er den Aufenthalt des Klägers auf den Bereich der Stadt M. beschränkt, wie das § 56 Abs. 2 AufenthG vorsieht, wenn die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen durften gegenüber dem Kläger trotz dessen Rechtsstellung als Flüchtling ergehen. Dadurch wird sein Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 33 EU-Anerkennungsrichtlinie nicht verletzt. Denn derartige Maßnahmen dürfen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, wie sie hier wegen des Erfordernisses der Abwehr von terrorismusfördernden Aktivitäten vorliegen, auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern verfügt werden (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). 60 7. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die Ausweisung des Klägers anwendbaren Regelungen des Ausweisungsrechts nicht gegen assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbote aus Art. 13 ARB 1/80, Art. 7 ARB 2/76 und Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (BGBl. 1972 II S. 385) verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob hier überhaupt eines der Verschlechterungsverbote Anwendung findet. Denn der zum 1. Januar 2016 eingeführte Übergang von einer Ermessensentscheidung zu einer gebundenen Entscheidung stellt keine Verschlechterung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers dar (a). Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung bewirkte zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für betroffene Ausländer, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (b). 61 a) Die zum 1. Januar 2016 eingeführte Neuregelung des Ausweisungsrechts, die die bisherige Ermessensausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung abgelöst hat, hat die Rechtsstellung der Ausländer in der hier gebotenen und auch unionsrechtlich statthaften Gesamtschau nicht verschlechtert, sondern jedenfalls teilweise verbessert. Denn bisher sah das Gesetz Tatbestände einer zwingenden Ausweisung (Ist-Ausweisung), regelmäßig erfolgenden Ausweisung (Soll-Ausweisung) und Ausweisung nach Ermessen (Kann-Ausweisung) vor. Die zwingende Ausweisung und die regelmäßig erfolgende Ausweisung widersprachen für den Personenkreis der unionsrechtlich privilegierten Ausländer der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach eine Ausweisung ausschließlich auf ein persönliches Verhalten des Ausländers gestützt werden darf, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 [ECLI:​EU:​C:​2004:​262], Orfanopoulos und Oliveri - Slg. 2004, I-5257 Rn. 66 f.). Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass eine Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, wonach eine Ausweisung automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (a.a.O. Rn. 70). Aber auch die nationale Bestimmung über die Regelausweisung hat für den Gerichtshof den Anschein erweckt, dass trotz der Berücksichtigung individueller Umstände ein gewisser Automatismus oder jedenfalls eine Vermutung besteht, dass der betreffende Staatsangehörige auszuweisen ist (a.a.O. Rn. 92). 62 Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht die Schlussfolgerung gezogen, dass die gesetzliche Regelung zur zwingenden Ausweisung und Regelausweisung auf unionsrechtlich privilegierte Ausländer nicht mehr angewendet werden darf (BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <302> betreffend Unionsbürger und - 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <321> betreffend Assoziationsberechtigte nach ARB 1/80). Der Gesetzgeber hat daraus durch das zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene neue Ausweisungsrecht die Konsequenzen gezogen. Insofern stellt die neue Rechtslage eine Verbesserung gegenüber der bisherigen dar. Eine Ausweisung nach neuem Recht hat eine einzelfallbezogene umfassende Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen und orientiert sich dabei strikt am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG). Damit setzt der Gesetzgeber Vorgaben um, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 - Rn. 99) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR , Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 57 - 60) ergeben. 63 Es stellt keine Verschlechterung der Rechtslage für unionsrechtlich privilegierte Ausländer dar, dass ihre Ausweisung nach früherer Rechtslage im Wege einer Ermessensentscheidung erfolgte, nach neuem Recht hingegen im Wege einer rechtlich gebundenen Ausweisung, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Damit entfällt zwar die Möglichkeit, aus Gründen der Zweckmäßigkeit von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen. Auf ein solches Absehen von einer rechts- und ermessensfehlerfrei möglichen Ausweisung hatte der Ausländer aber zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch, auch die gerichtliche Kontrolle war insoweit durch § 114 VwGO eingeschränkt; durch die gesetzliche Neuregelung wird also keine individuelle Rechtsposition beeinträchtigt. Im Übrigen ist für die Beachtung des Verschlechterungsverbots auf die tatsächliche Praxis und nicht allein auf die abstrakte Rechtslage abzustellen. Die Rechtspraxis wurde maßgeblich durch die Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Innern vom 26. Oktober 2009 gesteuert. Danach lag die Ausweisungsentscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde, bei der Ermessensausübung waren das schutzwürdige Interesse des Ausländers am weiteren Verbleib in Deutschland und das öffentliche Interesse an der Ausweisung gegeneinander abzuwägen (Ziffer 55.1.3). Das weist auf eine Rechtspraxis hin, die der heute normierten gebundenen Ausweisung entspricht, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Insofern hat sich die Rechtsstellung des Ausländers nicht verschlechtert. 64 b) Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung hat zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für die betroffenen Ausländer bewirkt, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Die seinerzeitige Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung (§ 54 Nr. 5 AufenthG a.F.) führte zu einer Verschärfung des Ausweisungsrechts gegenüber der früheren Rechtslage, die allein den Tatbestand der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland kannte. Durch die Rechtsänderung wurde nun auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst. Diese ist jedoch mit Blick auf das Verschlechterungsverbot aus Art. 13 ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 14 ARB 1/80, jedenfalls aber durch ein zwingendes Allgemeininteresse, namentlich die völkerrechtlich gebotene Terrorismusbekämpfung auch bereits im Vorfeld unmittelbarer terroristischer Handlungen, gerechtfertigt. 65 8. Nach der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG ist über die Länge der Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom gleichen Tage - 1 C 27.16 - Rn. 20 ff.). Das Urteil des Senats zur Vorläuferfassung des § 11 AufenthG a.F., wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen war (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.), erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte hier noch nicht getroffen. Vielmehr hat bisher das Verwaltungsgericht das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der seinerzeit geltenden Rechtslage im Wege einer gebundenen Entscheidung auf acht Jahre festgesetzt. 66 Der Beklagte hat die nach neuem Recht nunmehr gebotene Ermessensentscheidung nachzuholen. Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK, gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. 67 B. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte (weitere) Hilfsantrag, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass dem Kläger auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie, ist unzulässig. Er stellt eine unzulässige Klageerweiterung im Revisionsverfahren dar (§ 142 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen bedarf es einer solchen behördlichen Feststellung auch nicht. Aus dem für alle nationalen Behörden verbindlichen EuGH-Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) ergibt sich bis zu einer dem Gesetzgeber vorbehaltenen Anpassung der einschlägigen Fachgesetze hinreichend deutlich, dass dem Kläger - solange er die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der EU-Anerkennungsrichtlinie genießt - auch die mit dieser Rechtsstellung einhergehenden Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie zustehen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift (vgl. dazu auch die vorstehenden Ausführungen in Rn. 55 f. dieses Urteils). 68 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung, die Meldeauflage, die Aufenthaltsbeschränkung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5 (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 46)." bverwg_2017-80,17.11.2017,"Pressemitteilung Nr. 80/2017 vom 17.11.2017 EN Keine Jagdsteuerpflicht für GmbH Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, soweit sie wirtschaftlichen Zwecken dient, nicht zur Jagdsteuer herangezogen werden darf. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH, die gemeinnützigen Zwecken dient und daher von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit ist. Ihr ausschließlicher Zweck besteht darin, für ihre Alleingesellschafterin, eine gemeinnützige Stiftung, Mittel zu beschaffen. Dies geschieht durch den Erwerb, die Veräußerung und Verwaltung eigenen und fremden Vermögens im In- und Ausland. Die Mittel sind nach näherer Maßgabe des Gesellschaftsvertrages für die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und bedrohter Tierarten zu verwenden. Im Gebiet des beklagten Landkreises Emsland gehören der Klägerin u.a. vier Eigenjagdbezirke, die im fraglichen Zeitraum nicht verpachtet waren. Der Beklagte erließ gegenüber der Klägerin Jagdsteuerbescheide. Diese wurden im Klageverfahren von den Vorinstanzen aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile jetzt bestätigt. Die Jagdsteuer, die von den Landkreisen erhoben wird, ist eine herkömmliche Aufwandsteuer. Solche Steuern belasten eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Sie muss darin zum Ausdruck kommen, dass Einkommen für die Befriedigung eines über die allgemeine Lebensführung hinausgehenden besonderen persönlichen Lebensbedarfs verwendet wird. An einer derartigen Einkommensverwendung fehlt es bei einer GmbH jedenfalls dann, wenn ihr Gesellschaftszweck allein auf Einkommenserzielung gerichtet ist. Das ist auch dann der Fall, wenn die GmbH - wie hier - als Trägerin eines gemeinnützigen Unternehmens Vermögen verwaltet. Denn auch mit einer solchen Zweckbestimmung werden ausschließlich wirtschaftliche Ziele verfolgt. BVerwG 9 C 14.16 - Urteil vom 16. November 2017 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 9 LC 314/14 - Urteil vom 18. August 2016 - VG Osnabrück, 1 A 212/13 - Urteil vom 23. September 2014 -","Urteil vom 16.11.2017 - BVerwG 9 C 14.16ECLI:DE:BVerwG:2017:161117U9C14.16.0 EN Jagdsteuerpflicht einer GmbH Leitsatz: Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Zweck ausschließlich auf Einkommenserzielung gerichtet ist, unterliegt nicht der Jagdsteuer (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2012 - 9 C 10.11 - BVerwGE 143, 210 und - 9 C 2.12 - BVerwGE 143, 216). Rechtsquellen GG Art. 105 Abs. 2a BJagdG §§ 1, 3, 11 NJagdG §§ 1, 18 GmbHG § 1 Instanzenzug VG Osnabrück - 23.09.2014 - AZ: VG 1 A 212/13 OVG Lüneburg - 18.08.2016 - AZ: OVG 9 LC 314/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 - 9 C 14.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:161117U9C14.16.0] Urteil BVerwG 9 C 14.16 VG Osnabrück - 23.09.2014 - AZ: VG 1 A 212/13 OVG Lüneburg - 18.08.2016 - AZ: OVG 9 LC 314/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. August 2016 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen Jagdsteuerbescheide des beklagten Landkreises. 2 Sie ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken dient und daher von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit ist. Ihre Alleingesellschafterin ist eine ebenfalls steuerbegünstigte Stiftung. Die Klägerin verfolgt nach ihrem Gesellschaftsvertrag ausschließlich den Zweck, für ihre Alleingesellschafterin Mittel zu beschaffen. Dies geschieht durch den Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens im In- und Ausland. Die Mittel sind nach näherer Maßgabe der Stiftungssatzung und des Gesellschaftsvertrages für die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und bedrohter Tierarten zu verwenden. 3 Im Kreisgebiet des Beklagten ist die Klägerin u.a. Eigentümerin von vier Eigenjagdbezirken. Mit Bescheiden vom 4. September 2013 zog sie der Beklagte für den Zeitraum von April 2013 bis März 2014 zu Jagdsteuern in Höhe von insgesamt 1 372,68 € heran. Im strittigen Zeitraum waren die Jagdbezirke nicht verpachtet. Sie wurden durch von der Klägerin angestellte Revierförster und Jagdgäste bejagt. 4 Der gegen die Steuerbescheide erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen: Der Aufwand der Klägerin für die Unterhaltung ihrer Eigenjagdbezirke rechtfertige keine Besteuerung nach Maßgabe des Art. 105 Abs. 2a GG. Denn die Klägerin habe keinen persönlichen Lebensbedarf, dem der fragliche Aufwand dienen könne. Dieser sei vielmehr insgesamt der Einkommenserzielung zuzuordnen. Die Jagdsteuer sei auch nicht als indirekte Steuer auf eine Überwälzung auf Dritte, etwa die Jagdgäste, angelegt. Die Steuersatzung des Beklagten sei somit verfassungskonform dahin einzuschränken, dass eine juristische Person wie die Klägerin von der Jagdsteuer ausgenommen sei. 5 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat der Beklagte geltend gemacht, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin im Zusammenhang mit der Jagdausübung ein Einkommen erziele, das dem satzungsmäßigen Zweck zugutekomme. Vielmehr betreibe sie, insbesondere durch die Anstellung eigener Revierförster, einen erheblichen Aufwand, der der Steuerpflicht unterliege. Es sei auch nicht unangemessen, die Klägerin im Wege der indirekten Steuererhebung mit dem persönlichen Aufwand ihrer Jagdgäste zu belasten. 6 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. August 2016 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 23. September 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen. 7 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das angefochtene Berufungsurteil. II 9 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2 VwGO). 10 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die angefochtenen Steuerbescheide keine hinreichende Grundlage in der Jagdsteuersatzung des Beklagten, hier maßgeblich in der Fassung vom 16. Februar 2009, finden. Danach ist Steuergegenstand die Ausübung des Jagdrechts; steuerpflichtig ist, wer das Jagdrecht ausübt oder durch Dritte ausüben lässt (§ 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Satzung bedürfe im Hinblick auf Art. 105 Abs. 2a GG einer einschränkenden Auslegung dahin, dass die Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter den hier vorliegenden Umständen nicht der Jagdsteuerpflicht unterliege, steht mit Bundesrecht in Einklang. 11 1. Die Jagdsteuer zählt zu den örtlichen Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Dabei handelt es sich um Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommt. Belastet werden soll der über die Befriedigung der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Aufwand im Hinblick auf die in diesem Konsum zum Ausdruck kommende besondere Leistungsfähigkeit. Von wem und mit welchen Mitteln der Aufwand finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient, ist dabei unerheblich (stRspr, s. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - juris Rn. 13 m.w.N.). Dagegen unterfällt ein Aufwand, der allein der Einkommenserzielung dient, nicht dem Art. 105 Abs. 2a GG; die Abgrenzung von Einkommensverwendung und Einkommenserzielung erfordert eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 14 m.w.N.). 12 Die Ausübung des Jagdrechts kann danach Gegenstand der Aufwandbesteuerung sein. Sie geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert die Verwendung finanzieller Mittel unabhängig davon, ob der Jagdausübungsberechtigte eine Eigenjagd erworben oder einen Jagdbezirk gepachtet hat. Ein die Steuererhebung rechtfertigender Aufwand kann auch darin liegen, dass auf eine Verpachtung der Jagd und die dadurch erzielbaren Einkünfte verzichtet wird. Das rechtfertigt es, in der Regel jeden, dem das Recht zur Ausübung der Jagd zusteht, mit der Jagdsteuer zu belasten (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 10.11 - BVerwGE 143, 210 Rn. 9 m.w.N.). 13 In einem Eigenjagdbezirk ist die Ausübung des Jagdrechts regelmäßig - von dem Fall der Jagdpacht abgesehen - dem Grundstückseigentümer zugeordnet (§§ 1, 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1 BJagdG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Niedersächsisches Jagdgesetz - NJagdG - vom 16. März 2001, GVBl. S. 100). Dabei unterscheidet das Gesetz nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen. Befindet sich der Eigenjagdbezirk im Eigentum einer juristischen Person, ist diese, vertreten durch ihre Organe, jagdausübungsberechtigt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie die tatsächliche Durchführung der Jagd angestellten Jägern oder Jagdgästen überlässt (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4, § 18 Abs. 1 NJagdG); eine diesen erteilte Jagderlaubnis berechtigt nur zur Nutzung des fremden Jagdrechts. Dementsprechend stellt die Jagdsteuersatzung des Beklagten (§ 2 Abs. 1 Satz 1) denjenigen, der das Jagdrecht durch Dritte ausüben lässt, demjenigen gleich, der es selbst ausübt. 14 2. Der Heranziehung der Klägerin als einer juristischen Person des Privatrechts zur Jagdsteuer steht hier aber entgegen, dass sie keinen steuerbaren Aufwand im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG betreibt. Die Frage der Aufwandsteuerpflicht juristischer Personen ist differenziert nach dem jeweiligen Steuergegenstand und gegebenenfalls nach der spezifischen Ausrichtung und Struktur der juristischen Person zu beantworten. So ist einer Jagdgenossenschaft die Ausübung des Jagdrechts durch die Jagdgenossen steuerlich zuzuordnen, weil wirtschaftlich betrachtet deren Einkommen für deren persönlichen Lebensbedarf verwendet wird (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 10.11 - BVerwGE 143, 210 Rn. 12). Dagegen kann eine jagdausübungsberechtigte Gemeinde nicht zur Jagdsteuer veranlagt werden, weil die umfassende Gemeinwohlbindung einer Kommune es ausschließt, Einkommen für eine konsumtive Nutzung zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse zu verwenden (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 2.12 - BVerwGE 143, 216 Rn. 10). 15 Der Befund, dass eine juristische Person ausschließlich anderen Zwecken als der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf dient, lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften mit umfassender Gemeinwohlbindung beschränken. Er gilt ebenso für juristische Personen des Privatrechts, falls sie ausschließlich auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und damit auf Einkommenserzielung gerichtet sind (vgl. Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, Kap. C Rn. 264). Ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die grundsätzlich zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden kann (§ 1 GmbHG), Trägerin eines gemeinnützigen Unternehmens, so ist sie regelmäßig - bis auf die fehlende Gewinnerzielungsabsicht - wirtschaftlich orientiert. Denn sie verfolgt im Hinblick auf die Verwaltung des Vermögens wirtschaftliche Ziele (s. Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 1 Rn. 10 f. m.w.N.). 16 So liegt der Fall auch hier. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin nach ihrem Gesellschaftsvertrag auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist, indem sie ausschließlich den Zweck verfolgt, für ihre Alleingesellschafterin - die gemeinnützige Stiftung - Mittel zur Erfüllung deren satzungsmäßiger Zwecke zu beschaffen. Die Mittelbeschaffung erfolgt ""durch den bisherigen Gegenstand des Unternehmens"", also denjenigen, der schon vor der Festlegung der Gemeinnützigkeit bestand. Dabei handelt es sich um den Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens im In- und Ausland (s. § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin). Daraus hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, dass der Aufwand der Klägerin unbeschadet des Umstandes, dass sie nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, nicht der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, sondern durchgehend der Einkommenserzielung dient. 17 Gegen die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Revision keine Verfahrensrügen erhoben. Seinen Schlussfolgerungen steht auch nicht der zwischen den Beteiligten unstreitige Umstand entgegen, dass die Klägerin die Jagd in den nicht verpachteten Jagdbezirken nicht nur ihren Revierförstern als angestellten Jägern überlassen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 NJagdG), sondern die Ausübung der Jagd auch Jagdgästen erlaubt hat (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 NJagdG). Denn zum einen dürften die Jagdgäste nach den vom Beklagten nicht bestrittenen Darlegungen der Klägerin durch ihre Zahlungen zum wirtschaftlichen Ergebnis beigetragen haben. Zum anderen und vor allen Dingen lässt der Umstand als solcher, dass eine wirtschaftlichen Zielen verpflichtete juristische Person des Privatrechts gelegentlich Jagderlaubnisse an Außenstehende erteilt, nicht darauf schließen, dass sie unter Verstoß gegen den Gesellschaftszweck konsumtive Zwecke dieser Privatpersonen verfolgt. Vielmehr ist bei einem Wirtschaftsunternehmen mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass es auch insoweit Unternehmenszwecke, etwa solche der Kundenbindung, erreichen will (so auch Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, Kap. C Rn. 264; zur entsprechenden Problematik im Falle einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 2.12 - BVerwGE 143, 216 Rn. 10 a.E.). 18 Der Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, der Aufwand, den die Klägerin mit den Lohnzahlungen an die Revierförster betreibe, übersteige auch unter Berücksichtigung der Beiträge der Jagdgäste wesentlich den Jagdertrag. Damit lässt sich, ohne dass es hierzu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf, eine Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf nicht begründen. Selbst wenn die von der Klägerin bestrittene und vom Oberverwaltungsgericht nicht aufgeklärte Behauptung des Beklagten zuträfe, würde das den von der Klägerin verfolgten Einkommenserzielungszweck nicht in Frage stellen. Die Erhebung einer Aufwandsteuer stellt keine Sanktion für ein - unterstellt - unwirtschaftliches Geschäftsgebaren dar, sondern setzt stets einen persönlichen Zwecken dienenden Aufwand voraus (s. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 5.13 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 31 Rn. 14). Eine ineffiziente Vermögensverwaltung ist als solche nicht gleichbedeutend mit einem Aufwand, der persönlichen Konsumzwecken dient. 19 3. Eine Heranziehung der Klägerin zur Jagdsteuer kommt entgegen der Auffassung des Beklagten schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer indirekten Steuer in Betracht, die auf Dritte (hier insbesondere die Jagdgäste) abgewälzt werden könnte. Eine Aufwandsteuer als indirekte Steuer muss auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt sein (stRspr, s. zuletzt Urteile vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 33 und vom 29. Juni 2017 - 9 C 7.16 - juris Rn. 15, 44). Daran fehlt es hier. Eine Abwälzung entspricht weder dem herkömmlichen Typus der Jagdsteuer noch ergeben sich für einen derartigen Normzweck irgendwelche Anhaltspunkte aus der hier einschlägigen Satzung. 20 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-83,23.11.2017,"Pressemitteilung Nr. 83/2017 vom 23.11.2017 EN Keine Beihilfe für ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament Der grundsätzliche Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) ist nicht zu beanstanden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Beamtin der Bundesrepublik Deutschland und erhält als solche grundsätzlich für 50 % ihrer krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Im April 2013 erwarb sie das ihr ärztlich verordnete Nasen- und Rachenspray Locabiosol. Die von ihr hierfür beantragte Beihilfe lehnte die beklagte Bundesagentur für Arbeit unter Hinweis auf den in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten grundsätzlichen Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV) ab. Ein in der Ausschlussregelung normierter Ausnahmetatbestand sei nicht gegeben. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage der Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht Erfolg gehabt. Die Regelung der Bundesbeihilfeverordnung sei unwirksam. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist wirksam. Er steht insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Der Verordnungsgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, dass dem Beamten infolge des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit im Einzelfall  keine Aufwendungen verbleiben, die seine finanziellen Möglichkeiten erheblich übersteigen. Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Gesamtschau verschiedener Regelungen. So hat der Verordnungsgeber bestimmte Fallgruppen von dem Leistungsausschluss ausgenommen. Darüber hinaus sind Aufwendungen für ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als beihilfefähig anzuerkennen, wenn sie eine an den jährlichen Einnahmen des Beamten und den Kosten für das einzelne Medikament ausgerichtete Grenze überschreiten. Schließlich können Aufwendungen übernommen werden, wenn im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde.     BVerwG 5 C 6.16 - Urteil vom 23. November 2017 Vorinstanzen: VGH München, 14 BV 14.1943 - Urteil vom 12. Februar 2016 - VG Ansbach, AN 1 K 14.00406 - Urteil vom 29. Juli 2014 -","Urteil vom 23.11.2017 - BVerwG 5 C 6.16ECLI:DE:BVerwG:2017:231117U5C6.16.0 EN Wirksamkeit des grundsätzlichen Leistungsausschlusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach der Bundesbeihilfeverordnung Leitsatz: Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV über den grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist wirksam. Der Beihilfeausschluss steht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zumindest deshalb in Einklang, weil die Regelungen des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c, des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 6 Abs. 7 BBhV jedenfalls in der Gesamtschau sicherstellen, dass den Beihilfeberechtigten infolge des Leistungsausschlusses im Einzelfall keine Aufwendungen verbleiben, die ihre finanziellen Möglichkeiten erheblich übersteigen. Rechtsquellen BBhV § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7, § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c, § 39 Abs. 3, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 1 Satz 5 BBG §§ 78, 80 Abs. 4 GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5 Instanzenzug VG Ansbach - 29.07.2014 - AZ: VG AN 1 K 14.00406 VGH München - 12.02.2016 - AZ: VGH 14 BV 14.1943 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.11.2017 - 5 C 6.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:231117U5C6.16.0] Urteil BVerwG 5 C 6.16 VG Ansbach - 29.07.2014 - AZ: VG AN 1 K 14.00406 VGH München - 12.02.2016 - AZ: VGH 14 BV 14.1943 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. 2 Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Beamtin des Bundes (Besoldungsgruppe A 14) und erhält als solche grundsätzlich für 50 Prozent ihrer krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Im April 2013 erwarb sie das ihr ärztlich verordnete Nasen- und Rachenspray Locabiosol, für das sie insgesamt 12,95 € aufwandte. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Beihilfe unter Hinweis auf den in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten grundsätzlichen Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ab. 3 Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht der Klägerin die begehrte weitere Beihilfeleistung in Höhe von 3,97 € zugesprochen. Die Ausschlussregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV sei mangels einer hinreichenden Härtefallregelung unwirksam. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die in Bezug auf den Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erforderliche Härtefallregelung sei in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV enthalten. Obwohl diese Regelung keine einheitliche absolute Obergrenze bezüglich dieser Aufwendungen vorsehe, verbleibe den Beihilfeberechtigten insoweit keine unzumutbare Belastung. Der Verordnungsgeber habe in § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV bereits wichtige Fallgruppen vom Leistungsausschluss ausgenommen. Zudem habe er die Mehrbelastung durch die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV für die Anerkennung der Aufwendungen als beihilfefähig vorausgesetzten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Beträge ausreichend begrenzt. Sollte es trotz dieser Regelungen ganz vereinzelt zu besonderen Härten kommen, könnten diese über die allgemeine Härtefallregelung des § 6 Abs. 7 BBhV 2012 gelöst werden. 5 Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie ist der Ansicht, der Leistungsausschluss verstoße gegen höherrangiges Recht und rügt insbesondere eine Verletzung des Fürsorgegrundsatzes, des allgemeinen Gleichheitssatzes sowie des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit. 6 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil. II 7 Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit der Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend angenommen hat, der Anspruch der Klägerin auf die erstrebte Beihilfeleistung sei nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen - Bundesbeihilfeverordnung - vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), hier anwendbar in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 8. September 2012 (BGBl. I S. 1935) - BBhV - wirksam ausgeschlossen. 8 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 9 und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Da die streitgegenständlichen Aufwendungen mit dem Erwerb des Arzneimittels am 10. April 2013 entstanden sind, ist ihre Beihilfefähigkeit somit anhand der seinerzeit geltenden vorstehend bezeichneten Fassung der Bundesbeihilfeverordnung zu bewerten, deren maßgebliche Regelungen dem derzeit geltenden Recht inhaltlich entsprechen. 9 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV haben Beamte einen Rechtsanspruch auf Beihilfe unter anderem für ärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes, die apothekenpflichtig sind, wenn die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. Ihr Streit konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht beihilfefähig, es sei denn, sie sind für Minderjährige mit Entwicklungsstörungen und für Kinder unter zwölf Jahren bestimmt (Buchst. a), wurden für diagnostische Zwecke, Untersuchungen und ambulante Behandlungen benötigt und in der Rechnung als Auslagen abgerechnet (Buchst. b) oder gelten bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard und werden mit dieser Begründung ausnahmsweise verordnet, wobei sich die beihilfefähigen Ausnahmen aus Anlage 6 ergeben (Buchst. c). Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Nasen- und Rachenspray Locabiosol um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt und keiner der vorgenannten Ausnahmetatbestände erfüllt ist. Streit besteht allein über die Wirksamkeit der Ausschlussregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV als solche. Insoweit stimmen die Beteiligten - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert - zu Recht darin überein, dass die Verordnungsregelung die erforderliche gesetzliche Ermächtigung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 11 und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 21 m.w.N.) in § 80 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz - BBG - vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) in der rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 14. November 2011 (BGBl. I S. 2219) findet, die den Leistungsausschluss inhaltlich deckt. Es ist daher allein darüber zu entscheiden, ob der Beihilfeausschluss in materieller Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Das ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - der Fall. 10 1. Der Leistungsausschluss des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV steht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Dabei kann hier dahinstehen, ob die Bundesbeihilfeverordnung den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nur dann in vollem Umfang genügt, wenn sie normative Vorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Härten im Einzelfall trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 18 und 20). Denn daran mangelt es hier nicht. 11 a) Die auf Bundesebene einfachgesetzlich in § 78 BBG normierte Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet ihre verfassungsrechtliche Verankerung in den durch Art. 33 Abs. 5 GG verbürgten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <98>; vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 5 C 32.15 - BVerwGE 155, 129 Rn. 19). Sie ergänzt die ebenfalls in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn und fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten bzw. Versorgungsempfänger und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt oder Tod sicherstellt. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 24 und vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 19). 12 Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, die Aufwendungen für eine Gruppe von Arzneimitteln generell von der Beihilfefähigkeit auszuschließen. Sie verlangt weder, dass die aus Anlass von Krankheitsfällen entstandenen Aufwendungen der Beamten bzw. Versorgungsempfänger durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und einer ergänzenden Beihilfe vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <233>; BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - USK 2009, 162, juris Rn. 17; vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 13 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 13). Der Dienstherr muss aber, wenn er sich - wie nach dem gegenwärtig praktizierten System - entscheidet, seiner Fürsorgepflicht im Krankheitsfall durch die Zahlung einer Beihilfe nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutritt, bei einem solchen Leistungsausschluss normative Vorkehrungen treffen, damit den Beamten bzw. Versorgungsberechtigten infolgedessen im Einzelfall, z.B. bei einer chronischen Erkrankung, keine erheblichen Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - USK 2009, 162 Rn. 19 f. und vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 33 m.w.N.). Dies ist bei einer - wie hier - fehlenden Versicherbarkeit eines von der Beihilfe nicht gedeckten Risikos gewährleistet, wenn das nicht versicherbare finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die angemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <282>). 13 b) Die Bundesbeihilfeverordnung enthält ausreichende Vorkehrungen, um zu verhindern, dass die Belastung infolge des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Einzelfall die finanziellen Möglichkeiten des Beamten bzw. Versorgungsberechtigten erheblich übersteigt. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 6 Abs. 7 BBhV - wofür vieles spricht (vgl. so für die allgemeine Härtefallregelung des § 7 Satz 2 der Landesbeihilfeverordnung Berlin angenommen BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 35 ff.) - bereits eine hinreichende Härtefallregelung enthält. Denn die Regelungen des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c, des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 6 Abs. 7 BBhV stellen jedenfalls in der Gesamtschau sicher, dass die spezifischen Anforderungen der Fürsorgepflicht erfüllt werden. 14 aa) § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV nimmt wichtige Fallgruppen von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss aus. 15 Nach dieser Vorschrift sind - wie dargelegt - unter den näher bezeichneten Voraussetzungen die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beihilfefähig, die für Minderjährige mit Entwicklungsstörungen und Kinder unter zwölf Jahren bestimmt sind, die für diagnostische Zwecke, Untersuchungen und ambulante Behandlungen benötigt werden und die bei der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard gelten. Dementsprechend kann es in diesen Fallgruppen infolge des grundsätzlichen Beihilfeausschlusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht zu einer unzumutbaren Belastung kommen. 16 bb) Die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV sieht mit Blick auf den Zusammenhang von Fürsorge und Alimentation eine weitere Rückausnahme von dem Beihilfeausschluss vor. 17 Danach sind Aufwendungen für ärztlich oder zahnärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen, wenn die Belastungsgrenze nach Satz 5 überschritten ist und die Aufwendungen pro verordnetem Arzneimittel über den in Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c festgelegten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Beträgen liegen. Auch diese Regelung trägt dazu bei, Beamte bzw. Versorgungsempfänger von einer im Hinblick auf ihre Alimentation unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung freizuhalten. 18 Dem steht - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel keine absolute Obergrenze in Höhe der für Eigenbehalte geltenden Belastungsgrenze festgesetzt hat, sondern davon ausgegangen ist, eine unzumutbare Eigenbelastung durch derartige Aufwendungen könne in der Regel erst jenseits der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV auftreten. Aus der Fürsorgepflicht folgt keine Pflicht des Dienstherrn zur numerischen Festsetzung der den Beihilfeberechtigten zumutbaren Eigenbelastung. Die von Beamten bzw. Versorgungsempfängern unter Fürsorgegesichtspunkten hinzunehmende Belastung stellt keine betragsmäßig exakt bestimmbare Größe dar. Insbesondere kennzeichnet die Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV - entgegen der Auffassung der Klägerin - bei den hier allein interessierenden nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht die äußerste Grenze der Fürsorgepflicht, von der ab den Beihilfeberechtigten mit Blick auf die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht die Auferlegung jeglicher krankheitsbedingter Kosten nicht mehr zumutbar ist, sondern diese vom Dienstherrn - zumindest anteilmäßig - zu erstatten sind. Diese Grenze wird vielmehr durch das Kriterium der finanziellen Unzumutbarkeit selbst markiert. 19 Die Fallgruppe des finanziellen Härtefalls wird in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel durch die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV genannten, kumulativ zu verstehenden Voraussetzungen umschrieben. Mit dem weiteren Erfordernis, dass die Kosten für das verordnete Arzneimittel einen bestimmten, nach Besoldungsgruppen gestaffelten Mindestpreis übersteigen müssen, wird die Frage, ob den Beihilfeberechtigten im Einzelfall eine unzumutbare Belastung abverlangt wird und der Ausschluss der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt, an die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beihilfeberechtigten geknüpft. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Differenzierung nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien steht mit dem beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz in Einklang (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <284>). Sie berücksichtigt typisierend, dass Angehörige höherer Besoldungsgruppen im Allgemeinen aus ihrer laufenden Regelalimentation bzw. daraus gebildeten Rücklagen die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel besser kompensieren können als Beamte niedrigerer Besoldungsgruppen. Das wirkt sich auf das Maß der vom Beihilferecht erwarteten zumutbaren Eigenvorsorge aus. Für Angehörige höherer Besoldungsgruppen - zu denen auch die Klägerin gehört - darf also eine höhere Preisgrenze festgelegt werden als für Angehörige niedrigerer Besoldungsgruppen. 20 Es ist nicht erkennbar, dass die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV festgelegten Beträge von 8, 12 und 16 € so hoch sind, dass die Vorschrift nicht geeignet wäre, effektiv zur Vermeidung unzumutbarer finanzieller Härten beizutragen, die sich im Einzelfall ergeben können. Hierbei kann nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass sich der Verordnungsgeber bei der Festlegung der Beträge ersichtlich davon hat leiten lassen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im unteren Preissegment angesiedelt sind und daraus wertend gefolgert hat, ihre Beschaffung verursache finanzielle Aufwendungen, die den Beamten bzw. Versorgungsempfängern im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden könnten (vgl. so zum früheren Beihilferecht des Bundes etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 12 m.w.N.). Dies zugrunde gelegt, darf daher typisierend davon ausgegangen werden, dass die große Mehrzahl der Beihilfeberechtigten durch den Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die weniger als 8, 12 oder 16 € kosten, auch bei Überschreiten der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV nicht in einem Umfang belastet wird, der deren finanzielle Möglichkeiten erheblich übersteigt. 21 Hinzu kommt, dass sich Beihilfeberechtigte, die regelmäßig auf ein bestimmtes nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel angewiesen sind, größere Packungsgrößen verordnen lassen können, die in der Regel teurer sind. Das trägt zur Minimierung der Fälle bei, in denen die Beihilfeberechtigten zur vollumfänglichen Kostentragung verpflichtet bleiben. Vergleichbares gilt für die nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV festgelegte niedrigere Belastungsgrenze für chronisch Kranke. Denn diese haben bereits ab der Überschreitung von einem Prozent der jährlichen Einnahmen nach § 39 Abs. 3 BBhV einen Anspruch darauf, dass ihre Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Apothekenabgabenpreis über den in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV festgelegten Beträgen liegt, nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit erstattet werden, was ebenfalls belastungsreduzierend wirkt. 22 cc) Der allgemeinen Härtefallregelung des § 6 Abs. 7 BBhV kommt schließlich die Funktion einer Auffangregelung zu. 23 Danach kann die oberste Dienstbehörde, sofern im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde, mit Zustimmung des Bundesministeriums des Innern eine Beihilfe zur Milderung der Härte gewähren. Anknüpfend an die Konkretisierung der Fürsorgepflicht in der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kann und muss im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf diese Vorschrift zur Vermeidung von Schutzlücken zurückgegriffen werden, wenn weder die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis c BBhV noch die in Bezug auf den Beihilfeausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel spezielle Härtefallregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBhV herangezogen werden kann oder die Beihilfeberechtigten selbst nach diesen beiden Regelungen im Einzelfall an einer amtsangemessenen Lebensführung gehindert sind, weil sie mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleiben, die sich für sie als unzumutbar darstellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 36 und vom 28. April 2016 - 5 C 32.15 - BVerwGE 155, 129 Rn. 19). 24 2. Überdies ist der grundsätzliche Leistungsausschluss des § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. 25 Dieser gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereiches ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> m.w.N.). Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 29 und vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn.10 f., jeweils m.w.N.). Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. September 2009 - 1 BvR 2275/07 - ZOV 2009, 291 <295> m.w.N.). Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten ""Mischsystem"" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 BBhV Nr. 1 Rn. 14 und vom 17. April 2014 - 5 C 40.13 - BVerwGE 149, 279 Rn. 11). Das ist für den grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verneinen. 26 a) Die von § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV bewirkte Ungleichbehandlung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gegenüber verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht zu beanstanden. 27 Dem Normgeber steht bei der Entscheidung, ob und für welche ärztlich oder zahnärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel grundsätzlich eine Beihilfe nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu gewähren ist, ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 BBhV Nr. 1 Rn. 15 m.w.N.), den der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV nicht überschreitet. Denn ihm liegt - wie vorstehend bereits ausgeführt - erkennbar die nicht zu beanstandende Wertung zugrunde, dass es sich bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um solche aus dem unteren Preissegment handele, deren Kosten den Beamten bzw. Versorgungsempfängern in der Regel ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden könnten. Hinzu kommt, dass die Ausschlussregelung - wie aufgezeigt - nicht ausnahmslos gilt. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, den Beamten von allen Behandlungskosten im Krankheitsfall freizustellen, beruht der Ausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel somit an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen auf einem plausiblen und sachlich vertretbaren Gesichtspunkt (vgl. so bereits zum früheren Beihilferecht des Bundes etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 12 m.w.N.). 28 b) Die durch § 50 Abs. 1 Satz 1 BBhV herbeigeführte Ungleichbehandlung, die darin besteht, dass Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel - wie dargelegt - nicht schon ab dem Überschreiten der Belastungsgrenze nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen sind, sondern erst ab dem Überschreiten besoldungsgruppenabhängiger Mindestpreise pro verordnetem Arzneimittel, während Eigenbehalte unterschiedslos für alle Beihilfeberechtigten ab dem Überschreiten der Belastungsgrenze nach § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV nicht mehr abgezogen werden dürfen, stellt ebenfalls keine gleichheitswidrige Benachteiligung dar. Auch sie ist durch hinreichende Differenzierungsgründe gerechtfertigt. 29 Die fehlende Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel einerseits und die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen, von denen die Eigenbehalte abzuziehen sind, andererseits, stellt einen auch mit Blick auf die Fürsorgepflicht nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrund dar, um von wesentlich ungleichen Sachverhalten auszugehen. Demzufolge ist es nicht geboten, die erstmalige Einbeziehung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in die Beihilfefähigkeit in gleicher Weise wie die Begrenzung des Abzugs von Eigenbehalten ausschließlich an das Überschreiten der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 Satz 5 BBhV zu binden. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der verschärfte Maßstab für die Anerkennung der Beihilfefähigkeit durch besoldungsgruppenabhängige Preisgrenzen abgemildert wird, die - wie vorstehend erörtert - die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betreffenden Beihilfeberechtigten widerspiegeln. Letztere stellt einen ausreichenden sachlichen Rechtfertigungsgrund für die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c BBhV bewirkte höhere Belastung der Beihilfeberechtigten höherer Besoldungsgruppen gegenüber den Beihilfeberechtigten niedrigerer Besoldungsgruppen dar, die - wie dargetan - auch mit den Anforderungen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einklang steht. 30 3. Die Unwirksamkeit des Leistungsausschlusses ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. 31 Dabei kann hier offengelassen werden, ob das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schon deshalb als Prüfungsmaßstab hinsichtlich der finanziellen Belastungen, die durch den Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel entstehen können, ausscheidet, weil insoweit die verfassungsrechtliche Prüfung im Rahmen der Beurteilung am Maßstab der Sonderregelung für den öffentlichen Dienst in Art. 33 Abs. 5 GG genügt (vgl. zum vergleichbaren Verhältnis der Spezialität in Bezug auf Art. 14 GG BVerfG, Beschlüsse vom 10. April 1984 - 2 BvL 19/82 - BVerfGE 67, 1 <14> und vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - BVerfGE 71, 255 <270 f.>). Denn der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit kann jedenfalls nicht weiter reichen als der Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG, welcher - wie dargelegt - durch § 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV nicht verletzt wird. 32 4. Der grundsätzliche Beihilfeausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht an dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Formstrenge zu messen. 33 Dieser Grundsatz findet im Zusammenhang mit den statusrechtlichen Entscheidungen der Ernennung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2007 - 2 B 25.07 - Buchholz 240 § 42 BBesG Nr. 26 Rn. 6), der Beförderung oder dem Aufstieg von Beamten sowie der Beendigung des Beamtenverhältnisses (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 1978 - 6 C 9.77 - BVerwG 55, 212 <217>) Anwendung. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt keine statusrechtliche Entscheidung dar, sodass der Grundsatz der Formstrenge durch ihn nicht berührt oder gar verletzt werden kann. 34 5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2017-88,18.12.2017,"Pressemitteilung Nr. 88/2017 vom 18.12.2017 EN Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für in Portugal lebende Kinder Einem Anspruch auf staatlichen Unterhaltsvorschuss steht nicht entgegen, dass die betroffenen Kinder in Portugal leben, wenn der alleinerziehende Elternteil in Deutschland mehr als nur geringfügig beschäftigt ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die 2003 und 2005 geborenen Kläger lebten zunächst in Deutschland bei ihrer Mutter, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nach ihrer Trennung vom Vater der Kläger nahm die Mutter eine Berufstätigkeit in Deutschland auf. Seit Ende des Jahres 2009 wohnen die Kläger in Portugal, wo ihre Großmutter lebt und ihre Mutter einen weiteren Wohnsitz begründete. Nachdem der Vater für die Kläger keinen Unterhalt mehr leistete, beantragte sie für die Kläger Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Die nach Ablehnung des Antrags und Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Kläger nicht, wie nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erforderlich, in Deutschland lebten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Klägern für die Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die begehrten Leistungen zuerkannt. Das Unterhaltsvorschussgesetz verleiht einem Kind, das von einem insoweit verpflichteten Elternteil keinen oder nicht regelmäßigen Unterhalt erhält, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder Unterhaltsausfallleistung. Dieser Anspruch besteht nach dem nationalen Gesetz nur für in Deutschland lebende Kinder. Dieses Wohnsitzerfordernis ist hier jedoch wegen des Vorrangs der vom Unionsrecht gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht anwendbar. Danach genießt ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich die gleichen sozialen Rechte wie die inländischen Arbeitnehmer. Darauf können sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Unionsbürger berufen, die - wie die Mutter der Kläger - in einem Mitgliedstaat der Union wohnen und in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten. Aus dieser Rechtsprechung folgt auch, dass die Kläger im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Unterhaltsvorschuss selbst das Freizügigkeitsrecht der Mutter geltend machen können, weil sich die Leistung als eine soziale Vergünstigung für die Mutter darstellt. Der Gerichtshof der Europäischen Union nimmt ferner an, dass der Ausschluss des Familienmitglieds eines Arbeitnehmers von einer sozialen Vergünstigung - wie hier - mit der Begründung, es habe seinen Wohnsitz nicht in dem insoweit zuständigen, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat, als eine von der Arbeitnehmerfreizügigkeit grundsätzlich verbotene mittelbare Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit anzusehen ist. Diese Ungleichbehandlung ist nur gerechtfertigt, wenn sie im Hinblick auf ein damit verbundenes legitimes Ziel auch erforderlich ist. Soweit mit dem Wohnsitzerfordernis des Unterhaltsvorschussgesetzes der Zweck verfolgt wird, dass die Leistung nur gewährt wird, wenn eine besondere Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland besteht, ist ein Inlandswohnsitz aber zur Erreichung dieses Zieles nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union reicht es aus, dass die Verbundenheit durch eine nicht nur geringfügige Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers in diesem Mitgliedstaat zum Ausdruck kommt. Denn diejenigen, die durch ihre Abgaben zur Finanzierung der Leistungen beitragen, sollen auch in den Genuss der Leistungen kommen. Dies trifft auf die Mutter der Kläger zu. Soweit die Leistungen ihrer Höhe nach an die Lebensverhältnisse in Deutschland anknüpfen, kann etwaigen günstigeren Lebenshaltungskosten im Ausland durch Abschläge Rechnung getragen werden. BVerwG 5 C 36.16 - Urteil vom 18. Dezember 2017 Vorinstanzen: OVG Bremen, 2 A 63/13 - Urteil vom 22. April 2015 - VG Bremen, 3 K 865/10 - Urteil vom 09. Februar 2012 -","Urteil vom 18.12.2017 - BVerwG 5 C 36.16ECLI:DE:BVerwG:2017:181217U5C36.16.0 EN fehlende Klagebefugnis, soweit die Klage über den von der Behörde geregelten Zeitraum hinausreicht; keine Anwendbarkeit des im UVG enthaltenen Wohnsitzerfordernisses wegen Anwendungsvorrangs der Arbeitnehmerfreizügigkeit Leitsätze: 1. Ein über den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung hinausgehendes Leistungsbegehren führt mangels Klagebefugnis zur Unzulässigkeit der Klage, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten Behördenentscheidung ist und die Behörde den Leistungsfall auch nur bis zu diesem Zeitpunkt geregelt hat. 2. Das in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG enthaltene Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes ist im Hinblick auf den Vorrang der in Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 und Art. 45 Abs. 2 AEUV gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht anzuwenden, wenn der alleinerziehende Elternteil in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer mehr als nur geringfügig beschäftigt ist und mit dem Kind in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnt. Rechtsquellen VwGO § 42 Abs. 2 UVG § 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1612/68 Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 1 Buchst. z AEUV Art. 45 Abs. 2 Instanzenzug VG Bremen - 09.02.2012 - AZ: VG 3 K 865/10 OVG Bremen - 22.04.2015 - AZ: OVG 2 A 63/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.12.2017 - 5 C 36.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:181217U5C36.16.0] Urteil BVerwG 5 C 36.16 VG Bremen - 09.02.2012 - AZ: VG 3 K 865/10 OVG Bremen - 22.04.2015 - AZ: OVG 2 A 63/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Bremen vom 9. Februar 2012 und des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 22. April 2015, soweit in diesem das Verfahren nicht eingestellt wurde, geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 1. Mai bis 9. Juli 2010 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Im Übrigen wird die weitergehende Klage abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Verfahrens, soweit die Kosten nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht von der Beklagten zu tragen sind. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Der am 23. Mai 2003 geborene Kläger zu 1 und der am 18. August 2005 geborene Kläger zu 2 sind deutsche Staatsangehörige. Sie begehren Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. 2 Die Kläger lebten bis 2009 in Bremen und leben nunmehr am Wohnort ihrer Großmutter in Portugal, wo ihre alleinerziehende Mutter, die eine Wohnung in Bremen unterhält und bei einer Fluggesellschaft in Deutschland arbeitet, ebenfalls 2009 für sich selbst einen weiteren Wohnsitz begründete. Sie beantragte, den Klägern ab Januar 2010 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu bewilligen, da deren Vater ab diesem Zeitpunkt keinen Unterhalt mehr leistete. Mit Bescheid vom 3. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis darauf ab, dass die Kläger nicht bei ihrer Mutter lebten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2010 insbesondere wegen Fehlens einer auf Dauer angelegten häuslichen Gemeinschaft der Kläger mit ihrer Mutter zurück. 3 Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kläger zwar im Sinne des Gesetzes bei ihrer Mutter, jedoch in Portugal lebten und damit das im Unterhaltsvorschussgesetz enthaltene Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes nicht erfüllten, das nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben verstoße. 4 Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten nach entsprechender Leistungsbewilligung für den Zeitraum Januar bis April 2010 den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Darüber hinaus haben die Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen in gesetzlicher Höhe ab Mai 2010 bis zur berufungsgerichtlichen Entscheidung begehrt. Mit dem angefochtenen Urteil vom 22. April 2015 hat das Berufungsgericht das Verfahren teilweise eingestellt und die Berufung in der Annahme, nur der Zeitraum von Mai 2010 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 9. Juli 2010 sei streitbefangen, zurückgewiesen, weil die Kläger nicht im Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes lebten. Dieses Erfordernis sei aus im Einzelnen dargelegten Gründen mit dem Unionsrecht vereinbar. 5 Ihre Revision stützen die Kläger u.a. darauf, dass die gesetzliche Voraussetzung, im Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes leben zu müssen, gegen die unionsrechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit ihrer Mutter verstoße und deshalb wegen des Vorrangs des Unionsrechts in ihrem Fall nicht angewendet werden dürfe. 6 Die Beklagte tritt dem Revisionsvorbringen entgegen. II 7 Die zulässige Revision hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Sie ist unbegründet, soweit die Kläger für den Zeitraum vom 10. Juli 2010 bis zum 22. April 2015 Leistungen nach dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl. I S. 1446), für den hinsichtlich des Begehrens in seiner Gesamtheit zu betrachtenden Zeitraum zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1108), begehren (1.). Begründet ist sie aber, soweit sich das Begehren der Kläger auf den Zeitraum vom 1. Mai bis 9. Juli 2010 bezieht (2.). 8 1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der Zeitraum zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheides und dem des angefochtenen Urteils (a). Die darauf bezogene Verpflichtungsklage ist jedoch mangels Klagebefugnis unzulässig (b). 9 a) Der Senat hat - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert und von ihnen nicht in Abrede gestellt - in zeitlicher Hinsicht auch über den Zeitraum vom 10. Juli 2010 bis zum 22. April 2015 zu entscheiden. 10 Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war auch der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Leistungen für diesen Zeitraum. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht hierüber nicht befunden. Gleichwohl ist dieser Zeitraum in der Revisionsinstanz angefallen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil ein Vollendurteil und kein Teilurteil im Sinne des § 110 VwGO erlassen. Es hat über den vorgenannten Zeitraum allein deshalb nicht entschieden, weil es unter Verstoß gegen § 88 VwGO und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO angenommen hat, der Streitgegenstand sei auf die Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 9. Juli 2010 begrenzt. Dies haben die Kläger der Sache nach auch als Verfahrensmangel gerügt. Eine vom Gericht als Vollendurteil gewollte Entscheidung ist aber auch dann ein Vollendurteil, wenn sie den Streitgegenstand nicht voll erschöpft (BVerwG, Beschluss vom 27. April 2011 - BVerwG 8 B 56.10 - ZOV 2011, 136 m.w.N.). 11 b) Den Klägern fehlt die erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, soweit sich ihre Verpflichtungsklage auf den vorgenannten Zeitraum erstreckt. 12 Eine Rechtsverletzung der Kläger durch die Nichtgewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist für diesen Zeitraum offensichtlich nicht möglich. Ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt derjenige der letzten Behördenentscheidung und hat die Behörde den Leistungsfall auch nur bis zu diesem Zeitpunkt geregelt, besteht auch bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht die Möglichkeit, dass der Kläger hinsichtlich des nachfolgenden Zeitraums einen Anspruch auf die begehrte Leistung im gerichtlichen Verfahren erfolgreich geltend machen kann. 13 Im gerichtlichen Verfahren auf Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist der entscheidungserhebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage regelmäßig derjenige der letzten Entscheidung der Behörde (aa), die hier über den geltend gemachten Anspruch auch nicht über diesen Zeitpunkt hinaus entschieden hat (bb). 14 aa) Der für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich nach materiellem Recht (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <160>), hier dem Unterhaltsvorschussgesetz. Dieses enthält hierzu keine ausdrückliche Bestimmung. Seine an der Gesetzessystematik (1) und an Sinn und Zweck des Gesetzes (2) orientierte Auslegung ergibt jedoch eindeutig, dass bei Klagen auf Bewilligungen von Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich die letzte Behördenentscheidung der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist. Die Gesetzgebungshistorie (3) bestätigt diesen Befund. 15 (1) Aus gesetzessystematischer Sicht spricht für dieses Ergebnis, dass das Unterhaltsvorschussgesetz verschiedene Vorschriften enthält, die belegen, dass das Prinzip der monatsweisen Betrachtung ein das Unterhaltsvorschussgesetz insgesamt kennzeichnender Grundsatz ist. 16 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz werden ungeachtet einer, wie der maximalen Bewilligungsdauer von (seinerzeit) 72 Monaten (vgl. § 3 UVG) zu entnehmen ist, gegebenenfalls längeren Bezugsdauer auf der Grundlage einer monatsweisen Bewilligung erbracht. § 1 Abs. 4 Satz 1 UVG legt fest, dass der Anspruch auf Unterhaltsleistung nicht besteht ""für Monate"", in denen der barunterhaltspflichtige Elternteil Vorausleistungen auf den Unterhalt erbracht hat. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UVG wird die Unterhaltsleistung ""monatlich"" gezahlt und zwar im Grundsatz nach Maßgabe des bürgerlich-rechtlichen ""monatlichen Mindestunterhalts"". Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 2 Abs. 1 Satz 3 UVG zu. Danach wird die Unterhaltsleistung anteilig gezahlt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen ""nur für den Teil eines Monats"" vorliegen. Schließlich werden gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG die ""in demselben Monat"" erfolgten Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils auf die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz angerechnet. Die danach jeweils vorzunehmende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erstreckt sich sowohl darauf, ob der Anspruch dem Grunde nach (noch) besteht, als auch auf seinen Umfang, was insbesondere dann eine beständige Anpassung der Leistungen erfordert, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil in monatlich unterschiedlicher Höhe zahlt. Nach den vorstehenden Regelungen obliegt es der Behörde, den Leistungsfall grundsätzlich fortlaufend unter Kontrolle zu halten, was jedoch auch länger andauernden Bewilligungszeiträumen insbesondere bei sich nicht verändernden Umständen nicht entgegensteht. 17 Abweichendes folgt nicht aus § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG. Diese Vorschrift wurde durch Art. 4 Nr. 4c des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder vom 6. April 1998 (BGBl. I S. 666, 672) angefügt. Danach kann das Land gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch für künftige Leistungen klagen, ""wenn die Unterhaltsleistung voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss"". Die Regelung soll den Rückgriff gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil prozessual erleichtern (BT-Drs. 13/7338 S. 46), eine materielle Aussage ist mit ihr nicht verbunden. 18 (2) Sinn und Zweck der Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sprechen ebenfalls für eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. 19 Das Unterhaltsvorschussgesetz verfolgt zwei Zwecke: Der alleinerziehende Elternteil soll wirtschaftlich entlastet und der (Mindest-)Unterhalt des Kindes soll sichergestellt werden (BT-Drs. 8/1952 S. 6). Damit besteht aus der maßgeblichen Sicht des Leistungsempfängers (Kind) Zweckidentität zwischen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt, die nämlich beide darauf zielen, seinen Unterhalt zu sichern (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 5 C 10.91 - Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 22 S. 26). Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz dienen - vergleichbar der sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt - nicht der Versorgung des Leistungsempfängers, sondern der Behebung oder zumindest Milderung einer gegenwärtigen Notlage, die nach der Wertung des Gesetzes durch das Alleinerziehen durch einen Elternteil und ausbleibende oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen anderen Elternteils gekennzeichnet ist. Wie bei der Sozialhilfe ist die Feststellung und Prüfung der gegenwärtigen Notlagensituation zuvörderst eine Aufgabe der Behörde. Für die sozialhilferechtliche Hilfe zum Lebensunterhalt aber ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich die letzte Behördenentscheidung den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bildet (BVerwG, Urteil vom 30. November 1966 - 5 C 29.66 - BVerwGE 25, 307 <308 f.>). 20 (3) Die Gesetzesmaterialien unterstreichen die Nähe von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zur sozialhilferechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt. 21 Diese werden im Gegensatz zu Letzteren zwar unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Kindes als Leistungsempfänger oder des alleinerziehenden Elternteils erbracht. Der Verzicht auf eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des alleinerziehenden Elternteils wurde im Gesetzentwurf des Unterhaltsvorschussgesetzes jedoch nicht damit begründet, dass die Unterhaltsvorschussleistungen nicht als Hilfeleistung in einer Notlage zu verstehen seien. Entscheidend war vielmehr, dass der insoweit erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zu möglichen Leistungseinsparungen stünde (BT-Drs. 8/1952 S. 6). Dieser Einschätzung liegt unausgesprochen die Annahme zugrunde, dass in einer zumindest erheblichen Anzahl von Fällen Hilfebedürftigkeit auch in wirtschaftlicher Hinsicht gegeben sein wird. Darauf weist auch der Umstand hin, dass sich die als § 8 des Gesetzentwurfs vorgesehene Vorschrift zur Überleitung von Unterhaltsansprüchen des Berechtigten an die Regelungen der §§ 90, 91 des Bundessozialhilfegesetzes anlehnte (BT-Drs. 8/1952 S. 7). 22 b) Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage verschiebt sich im konkreten Fall ausnahmsweise auch nicht deshalb über den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides hinaus, weil die Behörde den Hilfefall für einen darüber hinausgehenden Zeitraum geregelt hat; in einem solchen Fall erfasst die gerichtliche Überprüfung nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung des Senats den gesamten Regelungszeitraum (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 5 C 2.97 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 17 S. 9). Dies ist hier nicht der Fall. 23 Da das Berufungsgericht den zeitlichen Regelungsbereich insbesondere des angefochtenen Widerspruchsbescheides nicht festgestellt hat, ist dem Revisionsgericht eine eigene Auslegung des Verwaltungsakts möglich (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <280>), die sich am Empfängerhorizont zu orientieren hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die die Annahme einer über den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides hinausgehenden Regelung durch Ausgangs- und Widerspruchsbescheid rechtfertigen. Diese enthalten weder eine ausdrückliche Aussage über ihre zeitliche Regelungsdauer, noch stellen sie auf einen rechtlichen Gesichtspunkt ab, der in der konkreten Situation der Kläger die Annahme einer in die Zukunft hineinreichenden Regelung zu begründen vermag. Der Wohnsitz in Portugal wird zwar erwähnt. Entscheidende Bedeutung kommt nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides aber dem Umstand zu, dass die Kläger nicht im Sinne des Gesetzes bei ihrer Mutter lebten, was sich jedoch auch bei Aufrechterhaltung des portugiesischen Wohnsitzes jederzeit ändern kann. 24 2. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht dahin erkannt, dass den Klägern für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen zustehe. Seine entscheidungstragende Annahme, die Anknüpfung des Anspruchs an einen Wohnsitz im Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes sei auch mit Blick auf die unionsrechtlich gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit anwendbar, verletzt revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. 25 Rechtsgrundlage des geltenden gemachten Anspruchs ist § 1 Abs. 1 UVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl. I S. 1446), für den hier sachlich zu bescheidenden Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3194). Danach hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss- oder -ausfallleistungen, wer das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten oder Lebenspartner dauernd getrennt lebt und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, gehen diese zu Recht übereinstimmend davon aus, dass alle Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht mit Ausnahme des Merkmals des Lebens im Inland gegeben sind. Diese Voraussetzung erfüllen die Kläger nicht, weil sie in Portugal leben. Die nach nationalem Recht entscheidungserhebliche Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG hat jedoch insoweit aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts außer Anwendung zu bleiben. Das sog. Wohnsitzerfordernis im Inland gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist in Fällen der vorliegenden Art wegen des Vorrangs von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. Nr. L 257/2), für den hier sachlich zu bescheidenden Zeitraum zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 158/77) - VO (EWG) Nr. 1612/68 -, nicht anwendbar. Das ist unter Zugrundelegung der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Cilfit - Rn. 16 und 21) offenkundig und zweifelsfrei, so dass es einer Vorlage an dieses Gericht nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (ABl. EU Nr. C 115 vom 9. Mai 2008 S. 47 und BGBl. II 2008 S. 1038 <1054>; in Kraft für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Dezember 2009, BGBl. II S. 1223) nicht bedarf. 26 Nach Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 genießt ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Die Beteiligten streiten - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung erörtert - zu Recht nicht darüber, dass in Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Juli 2007 - C-213/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​438], Geven - Rn. 15 und vom 18. Juli 2007 - C-212/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​437], Hartmann - Rn. 20; vom 20. Juni 2013 - C-20/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​411], Giersch - Rn. 37; vom 14. Dezember 2016 - C-238/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​949], Verruga u.a. - Rn. 39 und vom 15. Dezember 2016 - C-401/15 bis 403/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​955], Depesme u.a. - Rn. 37) kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass sich die Mutter der Kläger, die auch in Portugal einen Wohnsitz hat und in Deutschland arbeitet, gegenüber ihrem Herkunftsstaat, der Bundesrepublik Deutschland, auf das Arbeitnehmerfreizügigkeitsrecht des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 berufen kann. Zutreffend besteht auch kein Streit darüber, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Dezember 2016 - C-238/15 - Rn. 40 und vom 15. Dezember 2016 - C-401/15 bis 403/15 - Rn. 40) vernünftigerweise nicht zu bezweifeln ist, dass die Kläger als Familienmitglieder der sog. Wanderarbeitnehmerin im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen dieses Recht selbst geltend machen können. Des Weiteren steht das unionsrechtliche Koordinierungsrecht der Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 nicht entgegen (a). Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind eine soziale Vergünstigung im Sinne dieser Vorschrift (b). Ihre Vorenthaltung wegen des fehlenden Wohnsitzes der Kläger im Inland führt zu einer mittelbaren Diskriminierung ihrer Mutter als sog. Wanderarbeitnehmerin (c). Diese ist nach unionsrechtlichen Maßstäben nicht gerechtfertigt (d). 27 a) Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 ist vorliegend zu beachten. 28 Die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 war - wie bereits das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat - neben der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar (EuGH, Urteile 10. März 1993 - C-111/91 [ECLI:​EU:​C:​1993:​92], Kommission/Luxemburg - Rn. 21 und vom 27. Mai 1993 - C-310/91 [ECLI:​EU:​C:​1993:​221], Schmid - Rn. 17). 29 Bezüglich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, die mit Wirkung vom 1. Mai 2010 an die Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 getreten ist, gilt nichts anderes. Insbesondere wird die Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 in Bezug auf Unterhaltsvorschussleistungen nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Leistungen mit Inkrafttreten von Art. 1 Buchst. z VO (EG) Nr. 883/2004 am 1. Mai 2010 aus dem Begriff der Familienleistungen und damit dem Anwendungsbereich dieser Koordinierungsverordnung ausgenommen sind. Die Verordnung (EG) 883/2004 beansprucht nach ihrem Art. 3 nur für die dort aufgeführten sozialrechtlichen Regelungskomplexe, u.a. Familienleistungen, Geltung. Dort nicht aufgeführte Materien verbleiben in der Regelungsmacht der Mitgliedstaaten, die das Gebot der Gleichbehandlung unter den Unionsbürgern zu beachten haben (Oberster Gerichtshof der Republik Österreich, Urteil vom 16. Dezember 2014 - 10 Ob 74/14a - Rn. 3; Bokeloh, Die Sozialleistungen im europäischen Kontext - Soziale Sicherheit, Sozialhilfe, besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, WzS 2017, 105 <109>; a.A. Pfarrhofer, Zak 2010, 229). 30 Schließlich ist zu beachten, dass Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen und daher ebenso wie Art. 45 Abs. 2 AEUV auszulegen ist (EuGH, Urteile vom 13. Dezember 2012 - C-379/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​798], Caves Krier - Rn. 25; vom 20. Juni 2013 - C-20/12 - Rn. 35 und vom 15. Dezember 2016 - C-401/15 bis 403/15 - Rn. 35). Wegen dieser primärrechtlichen Grundlage ist es ausgeschlossen anzunehmen, der Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 werde durch eine andere sekundärrechtliche Vorschrift eingeschränkt. 31 b) Unterhaltsvorschussleistungen stellen eine soziale Vergünstigung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1612/68 für die Mutter der Kläger als Wanderarbeitnehmerin dar. 32 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind darunter alle Vergünstigungen zu verstehen, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Erstreckung auf Wanderarbeitnehmer deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern (EuGH, Urteil vom 11. September 2007 - C-287/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​494], Hendrix - Rn. 48). Steht die Leistung - wie hier - einem Kind des Wanderarbeitnehmers zu, muss dieser für den Unterhalt des Kindes aufkommen (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - C-401/15 bis 403/15 - Rn. 39). 33 Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass Unterhaltsvorschussleistungen eine soziale Vergünstigung in diesem Sinne darstellen. Die Vergünstigung gegenüber dem Kind erweist sich zugleich als Vergünstigung gegenüber dem Elternteil. Unterhaltsvorschussleistungen tragen, wie schon ihre Bezeichnung erkennen lässt, zum Unterhalt des Kindes bei und dienen insoweit auch dazu, den alleinerziehenden und dem Kind gegenüber unterhaltspflichtigen Elternteil bei der Bewältigung der typischerweise schwierigen Erziehungs- und Lebenssituation zu entlasten (vgl. zu einer vergleichbaren Förderung für den Lebensunterhalt und die Durchführung eines Hochschulstudiums EuGH, Urteil 20. Juni 2013 - C-20/12 - Rn. 38 f.; zu Unterhaltsvorschussleistungen nach österreichischem Recht Oberster Gerichtshof der Republik Österreich, Urteile vom 12. April 2012 - 10 Ob 15/12x - Rn. 3.6 und vom 16. Dezember 2014 - 10 Ob 74/14a - Rn. 3.1 sowie die Schlussanträge der Generalanwälte beim EuGH in den Rechtssachen C-85/99, Offermanns, Rn. 67, C-255/99, Humers, Rn. 85 und C-302/02, Laurin Effing, Rn. 59 - 61). Da die Kläger im hier fraglichen Zeitraum bei ihrer Mutter lebten, leistete diese auch Unterhalt; auf die näheren Umstände und den Umfang der Unterhaltsleistungen kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an (EuGH, Urteile vom 15. Dezember 2016 - C-401/15 bis 403/15 - Rn. 60). 34 c) Der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG geforderte Wohnsitz des leistungsberechtigten Kindes in der Bundesrepublik Deutschland führt zu einer mittelbaren Diskriminierung der Mutter der Kläger aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. 35 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Voraussetzungen des nationalen Rechts als mittelbar diskriminierend anzusehen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, aber im Wesentlichen oder ganz überwiegend Wanderarbeitnehmer betreffen, sowie unterschiedslos geltende Voraussetzungen, die von inländischen Arbeitnehmern leichter zu erfüllen sind als von Wanderarbeitnehmern, oder auch solche, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich besonders zum Nachteil von Wanderarbeitnehmern auswirken (vgl. EuGH, Urteile vom 23. Mai 1996 - C-237/94 [ECLI:​EU:​C:​1996:​206], O'Flynn - Rn. 18 und vom 21. September 2000 - C 124/99 [ECLI:​EU:​C:​2000:​485], Borawitz - Rn. 25). So verhält es sich in Bezug auf die Wohnsitzklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. 36 Diese wirkt sich vor allem auf unionsrechtliche Wanderarbeitnehmer aus, die - wie die Mutter der Kläger - in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten, aber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnen. Diese Arbeitnehmer werden durch die Wohnsitzklausel in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG gegenüber im Inland arbeitenden und wohnenden Unionsbürgern benachteiligt. Denn Arbeitnehmer können durch die Klausel davon abgehalten werden, von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht (Art. 45 AEUV) Gebrauch zu machen und eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland zu suchen und auszuüben und in einem anderen Mitgliedstaat zu wohnen, weil - so wie hier - ihr Kind, für dessen Unterhalt sie aufkommen, keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und allein deshalb von den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeschlossen ist. 37 d) Für die Ungleichbehandlung der Mutter der Kläger als sog. Wanderarbeitnehmerin fehlt es an einer dem Unionsrecht standhaltenden Rechtfertigung. 38 Nach der seit Jahren gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Wohnsitzerfordernis im Zusammenhang mit der Gewährung staatlicher Leistungen an Wanderarbeitnehmer (und deren Familienangehörige) als Form mittelbarer Diskriminierung objektiv gerechtfertigt, wenn es geeignet ist, die Verwirklichung eines legitimen Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, Urteile vom 20. Juni 2013 - C-20/12 - Rn. 46 ff. und vom 14. Dezember 2016 - C-238/15 - Rn. 44 ff.). Dieser Maßstab gilt auch, wenn es sich dabei um eine - wie hier - beitragsunabhängige Sozialleistung handelt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2007- C-287/05 - Rn. 51 f. und 82). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen fehlerhaft bejaht. Ungeachtet der Frage, ob die mit dem Wohnsitzerfordernis verfolgten Ziele legitime Anliegen im Sinne des Unionsrechts sind (1), fehlt es an der Erforderlichkeit (2). 39 (1) Mit dem Wohnsitzerfordernis in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verfolgt der nationale Gesetzgeber zwei Ziele. 40 Das Wohnsitzerfordernis dient zum einen dazu, diejenigen zu unterstützen, die durch die Wahl ihres Wohnsitzes eine besondere Bindung zur deutschen Gesellschaft eingegangen sind (so die Aussage der Bundesregierung zum vergleichbaren Wohnsitzerfordernis des BErzGG, vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-213/05 - Rn. 22). Gefordert wird eine hinreichend enge Bindung des minderjährigen Kindes als dem unmittelbaren Empfänger der sozialen Vergünstigung. Die notwendige Verbundenheit wird durch den alleinerziehenden Elternteil vermittelt, auf dessen Arbeitnehmerfreizügigkeit sich das Kind beruft. Denn das Unterhaltsvorschussgesetz knüpft den Anspruch des Kindes an einen gemeinsamen Familienwohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes (""das Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt"", § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). 41 Zum anderen zielt das Wohnsitzerfordernis darauf, die Finanzierung eines im Vergleich zum Inland - aufgrund möglicherweise niedrigerer Lebenshaltungskosten - höheren Lebensstandards im Ausland auszuschließen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an die hiesigen Lebensverhältnisse anknüpfen und den hiesigen Mindestunterhalt abdecken sollen. Diese enge Verbindung der Leistungen mit dem sozialen und wirtschaftlichen Kontext in der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich daraus, dass sich die Höhe der Leistungen nach § 2 Abs. 1 UVG am bürgerlich-rechtlichen Mindestunterhalt orientiert, der wiederum an das sächliche Existenzminimum eines Kindes nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG gekoppelt ist. 42 Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob es sich bei den vorgenannten Zielen um legitime Zwecke im Sinne des Unionsrechts handelt. Denn das Wohnsitzerfordernis erscheint zwar zu deren Erreichung durchaus geeignet. Es geht allerdings über das zu ihrer Verwirklichung Notwendige hinaus. 43 (2) Die mit der Wohnsitzklausel einhergehende Beschränkung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit erweist sich als nicht erforderlich. 44 Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Wohnsitzklausel ist zu bejahen, wenn der Gesetzgeber nicht eine andere, gleichwirksame, aber die unionsrechtliche Freizügigkeit nicht oder weniger stark einschränkenden Leistungsvoraussetzung hätte wählen können (stRspr des EuGH, vgl. etwa Urteil vom 8. Juli 2010 - C-343/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​419], Afton Chemical - Rn. 45). So verhält es sich hier nicht. 45 (a) Vielmehr kann dem gesetzgeberischen Ziel der Verbundenheit mit dem die soziale Vergünstigung erbringenden Mitgliedstaat im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Juli 2007 - C-213/05 - Rn. 26, 28 - 30; vom 18. Juli 2007 - C-212/05 - Rn. 35 und vom 14. Dezember 2016 - C-238/15 - Rn. 49 ff.) gleich wirksam, aber das Freizügigkeitsrecht weniger belastend dadurch Rechnung getragen werden, dass die Unterhaltsvorschussleistungen davon abhängig gemacht werden, dass der in einem anderen Mitgliedstaat wohnende alleinerziehende Elternteil in der Bundesrepublik Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgeht, die die Grenze der Geringfügigkeit übersteigt. Ein Elternteil, der auf diese Weise Zugang zum bundesdeutschen Arbeitsmarkt gefunden hat, trägt mit den Abgaben, die er aufgrund der von ihm ausgeübten unselbstständigen Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entrichtet, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen in diesem Staat bei und belegt damit, dass er und das Kind, für dessen Unterhalt er aufkommt, in die hiesige Gesellschaft hinreichend integriert sind. 46 Gemessen daran verfügte die Mutter der Kläger in dem hier sachlich noch zu bescheidenden Zeitraum über die vorstehend genannten Bindungen zur Bundesrepublik Deutschland. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) war sie in dieser Zeit im Inland bei einer Fluggesellschaft als Chefin des Kabinenpersonals angestellt. Der Art nach handelt es sich dabei um eine Tätigkeit von mehr als nur geringfügigem Umfang. Da sie nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Bundesgebiet einen Wohnsitz unterhält, unterlag sie auch der deutschen Einkommensteuer (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 8 AO). 47 (b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist das Wohnsitzerfordernis auch zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Anliegens nicht erforderlich, allein den im Inland notwendigen Mindestunterhalt mittels der Unterhaltsvorschussleistungen zu decken. 48 Das Berufungsgericht kann sich insoweit insbesondere nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Hendrix (Urteil vom 11. September 2007- C-287/05 - Rn. 55) berufen. Zwar hat der Gerichtshof in dieser Entscheidung betont, ein Wohnsitzerfordernis könne für objektiv gerechtfertigt gehalten werden, wenn die betreffende Leistung eng mit dem sozialen und wirtschaftlichen Kontext des betreffenden Mitgliedstaats verbunden ist, was - wie dargelegt - bei den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz der Fall ist. Allerdings hat er für die Bejahung der Erforderlichkeit des Wohnsitzerfordernisses entscheidend darauf abgestellt, dass die der in Rede stehenden Sozialleistung zugrunde liegenden nationalen Rechtsvorschriften ausdrücklich eine Ausnahme vom Wohnsitzerfordernis im Falle einer ansonsten eintretenden ""erheblichen Unbilligkeit"" ermöglichten und damit selber ein im Vergleich zur strikten Anwendung des Wohnsitzerfordernisses milderes Mittel vorsahen (Urteil vom 11. September 2007- C-287/05 - Rn. 56 f.). Eine derartige Ausnahmeregelung enthält das Unterhaltsvorschussgesetz nicht. 49 Die mit dem Wohnsitzerfordernis erstrebte Deckung des in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Unterhaltsbedarfs lässt sich jedoch gleichwirksam, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer allerdings weniger einschneidend durch eine gesetzliche Regelung des Inhalts erreichen, dass die Höhe der Unterhaltsvorschussleistungen den gegebenenfalls niedrigeren Lebenshaltungskosten im Wohnsitzmitgliedstaat anzupassen sind. Eine solche Anpassung sieht das nationale Recht in anderen, aber durchaus vergleichbaren Regelungszusammenhängen selbst vor. Hervorzuheben ist insoweit die Regelung des § 24 Abs. 3 SGB XII über die Höhe von (ausnahmsweise) im Ausland zu erbringender Sozialhilfeleistungen. Danach richten sich Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens ""nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland"". Eine vergleichbare Regelung trifft im Rahmen der Kriegsopferversorgung § 64b Abs. 3 Satz 1 BVG für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a BVG. Ferner sind derartige Bestimmungen auch in anderen Regelungszusammenhängen bekannt. So wird im Beamtenrecht der Berechnung des Auslandszuschlags nach § 53 Abs. 1 Satz 4 BBesG für den dienstortbezogenen immateriellen Anteil eine ""standardisierte Dienstortbewertung im Verhältnis zum Sitz der Bundesregierung"" zugrunde gelegt, und § 55 BBesG sieht einen Kaufkraftausgleich durch Zu- oder Abschläge vor, wenn bei einer allgemeinen Verwendung im Ausland die Kaufkraft der Besoldung am ausländischen Dienstort nicht der Kaufkraft der Besoldung am Sitz der Bundesregierung entspricht. 50 Der Gefahr einer Kumulierung mit etwaigen nach portugiesischem Recht zu zahlenden Unterhaltsvorschussleistungen kann wirksam durch deren Anrechnung begegnet werden (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - C-20/12 - Rn. 79). 51 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 188 Satz 2 VwGO." bverwg_2017-91,21.12.2017,"Pressemitteilung Nr. 91/2017 vom 21.12.2017 EN Hoher Buchener Wald im Ebracher Forst kein geschützter Landschaftsbestandteil Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Verordnung der Regierung von Oberfranken vom 10. August 2015, mit welcher die Verordnung über den geschützten Landschaftsbestandteil „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“ aufgehoben wurde, rechtmäßig ist. Im April 2014 erließ das damals noch zuständige Landratsamt Bamberg die „Verordnung über den geschützten Landschaftsbestandteil 'Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst'"" (Ausgangsverordnung). Der geschützte Landschaftsbestandteil weist eine Fläche von etwa 775 ha auf, ist Teil des FFH-Gebietes „Buchenwälder und Wiesentäler des Nordsteigerwaldes“ und wurde u.a. zum Schutz der maßgebenden Lebensraumtypen und Arten des betreffenden FFH-Gebiets erlassen. Nach einer Änderung des Bayer. Naturschutzgesetzes hob die nunmehr zuständige Regierung von Oberfranken diese Verordnung mit Wirkung zum 1. September 2015 wieder auf (Aufhebungsverordnung). Den hiergegen vom Bund Naturschutz in Bayern e.V. erhobenen Normenkontrollantrag lehnte der Verwaltungsgerichtshof ab. Der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. Die Aufhebungsverordnung sei rechtmäßig, weil die Ausgangsverordnung unwirksam gewesen sei; sie sei von der Ermächtigungsnorm (§ 29 BNatSchG) nicht gedeckt gewesen. Die Aufhebung sei weder willkürlich noch werde hierdurch gegen Unionsrecht verstoßen. Die Revision blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Aufhebungsverordnung für wirksam. Sie findet in § 29 BNatSchG eine ausreichende Rechtsgrundlage. Der Aufhebung steht auch höherrangiges Recht, insbesondere Unionsrecht, nicht entgegen. Der „Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“ konnte nicht als geschützter Landschaftsbestandteil ausgewiesen werden, weil die hierfür erforderliche optische Abgrenzbarkeit des Schutzobjekts von seiner Umgebung nicht gegeben ist. Damit fehlt es für die Ausgangsverordnung an einer Ermächtigungsgrundlage, womit diese unwirksam ist. Als unwirksame Verordnung kann sie zur Umsetzung der Vorgaben des Unionsrechts (hier Art. 4 Abs. 4, Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie) nichts beitragen. Ihre der Rechtssicherheit dienende Aufhebung ist deswegen nicht zu beanstanden. BVerwG 4 CN 8.16 - Urteil vom 21. Dezember 2017 Vorinstanz: VGH München, 14 N 15.1870 - Urteil vom 28. Juli 2016 -","Urteil vom 21.12.2017 - BVerwG 4 CN 8.16ECLI:DE:BVerwG:2017:211217U4CN8.16.0 EN Erfolglose Revision gegen eine naturschutzrechtliche Aufhebungsverordnung Leitsätze: 1. Der in § 29 BNatSchG geregelte ""geschützte Landschaftsbestandteil"" dient dem Objekt- und nicht dem Flächenschutz. 2. Für den Schutz nach § 29 Abs. 1 BNatSchG ist es erforderlich, dass die zu schützenden Objekte nicht schon selbst eine ""Landschaft"" bilden, sondern als abgrenzbare Einzelgebilde erkannt werden können. 3. Eine Rechtsverordnung, die nicht von § 29 BNatSchG gedeckt ist, ist von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam. Sie kann zur Umsetzung der Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL nichts beitragen; ihre Aufhebung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Rechtsquellen VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BNatSchG § 20 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1 und 4, § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28, § 29 Abs. 1, § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG 1976 §§ 17, 18 FFH-RL Art. 4 Abs. 4, Art. 6 Abs. 2 Aarhus-Konvention Art. 9 Abs. 3 BayNatSchG Art. 51 Abs. 1 Nr. 5 Instanzenzug VGH München - 28.07.2016 - AZ: VGH 14 N 15.1870 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.12.2017 - 4 CN 8.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:211217U4CN8.16.0] Urteil BVerwG 4 CN 8.16 VGH München - 28.07.2016 - AZ: VGH 14 N 15.1870 In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann am 21. Dezember 2017 für Recht erkannt: Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine Verordnung zur Aufhebung einer Verordnung über geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von § 29 BNatSchG. 2 Am 16. April 2014 erließ das Landratsamt B. die ""Verordnung über den geschützten Landschaftsbestandteil 'Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst'"" (Ausgangsverordnung). Der Geltungsbereich der Verordnung umfasst eine Fläche von ca. 775 ha. Die ausgewiesene Fläche gehört zum Forstbetrieb E. der Beigeladenen und befindet sich vollständig im Eigentum des Antragsgegners. Der geschützte Landschaftsbestandteil ist Teil des FFH-Gebiets ""Buchenwälder und Wiesentäler des Nordsteigerwaldes"" (DE6029371) und Teil des Europäischen Vogelschutzgebiets ""Oberer Steigerwald"" (DE6029471). Nach § 2 der Ausgangsverordnung ist Zweck der Unterschutzstellung u.a. der Schutz der maßgebenden Lebensraumtypen und Arten des genannten FFH-Gebiets (Nr. 5). Die Ausgangsverordnung ist Gegenstand eines von der Beigeladenen eingeleiteten Normenkontrollverfahrens, das auf Antrag der Beteiligten ruhend gestellt wurde. 3 Mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes vom 24. April 2015 (GVBl S. 73 - BayNatSchG n.F.) hat der Bayerische Landesgesetzgeber mit Wirkung ab 1. Mai 2015 die Zuständigkeit für den Erlass von Rechtsverordnungen über geschützte Landschaftsbestandteile, die größer als 10 ha sind, von den unteren auf die höheren Naturschutzbehörden übertragen. Im Mai 2015 leitete die nunmehr zuständige Regierung von O. (Regierung) ein Verfahren zur Aufhebung der Ausgangsverordnung ein. Am 10. August 2015 erließ sie die Verordnung zur Aufhebung der ""Verordnung über den geschützten Landschaftsbestandteil 'Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst'"" (Aufhebungsverordnung). Diese trat am 1. September 2015 in Kraft. 4 Der Antragsteller ist eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung. Seinen Normenkontrollantrag gegen die Aufhebungsverordnung hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Die Aufhebungsverordnung sei nicht zu beanstanden, denn die Ausgangsverordnung sei nicht von § 29 BNatSchG gedeckt gewesen. Schutzfähig seien danach nur Objekte, die sich optisch von der übrigen Landschaft abgrenzen ließen, was anhand der tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Ausweisung durch Rechtsverordnung zu beurteilen sei. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, wie der durchgeführte Ortsaugenschein ergeben habe. Die Ausgangsverordnung sei damit nichtig. Der Erlass der Aufhebungsverordnung sei nicht willkürlich. Die Regierung sei aus Gründen der Rechtssicherheit gehalten gewesen, die nichtige Ausgangsverordnung aufzuheben. Der Aufhebung einer nichtigen Rechtsverordnung könne der Schutzauftrag aus Art. 20a GG, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung nicht entgegenstehen. Die Aufhebungsverordnung verstoße auch nicht gegen Unionsrecht. 5 Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Antragsteller geltend, das Normenkontrollgericht sei zu Unrecht von der Unwirksamkeit der Ausgangsverordnung ausgegangen. Diese sei von § 29 Abs. 1 BNatSchG gedeckt. Beim geschützten Landschaftsbestandteil handele es sich um eine flächenbezogene und nicht um eine objektbezogene Schutzkategorie. Unabhängig davon sei die Aufhebungsverordnung deshalb zu beanstanden, weil die Ausgangsverordnung der Umsetzung der aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie - FFH-RL) folgenden Verpflichtung zur Ausweisung des gemeldeten FFH-Schutzgebiets gedient habe. Durch die Aufhebung werde der rechtswidrige Zustand der Nichtausweisung manifestiert und zudem gegen das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL verstoßen. In diesem Zusammenhang beantragt der Antragsteller, die zu Protokoll erklärten Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorzulegen. 6 Antragsgegner und Beigeladene verteidigen die angefochtene Entscheidung. II 7 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt, soweit es den Antragsteller beschwert, nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner berechtigt war, die Ausgangsverordnung aufzuheben. 8 1. Die Aufhebungsverordnung findet in § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 29 Abs. 1 BNatSchG eine ausreichende Rechtsgrundlage. 9 Die vom Antragsgegner für sich in Anspruch genommene Aufhebungsbefugnis ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, lässt sich aber aus § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 7 und § 29 Abs. 1 BNatSchG ableiten. Die hierdurch erteilte Ermächtigung zur Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft als geschützter Landschaftsbestandteil zur Umsetzung der sich aus Art. 4 Abs. 4 FFH-RL ergebenden Verpflichtung impliziert die Befugnis, als actus contrarius eine einmal getroffene Festsetzung wieder aufzuheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2015 - 7 CN 1.14 - Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 2 zur Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung). Die Aufhebung der Ausgangsverordnung stellt sich damit als ein Akt der Wahrnehmung kraft Bundesrechts verliehener exekutiver Rechtsetzungsbefugnisse dar. Diesen Maßstab verfehlt die Revision mit ihren Überlegungen zur Übertragung der vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze über Modifikationen der Nichtigkeitsfolgen fehlerhafter Normen in gerichtlichen Verfahren; auch Fragen der Normprüfungs- und Normverwerfungskompetenz von Behörden oder zum Aufhebungsermessen stellen sich nicht. 10 Die angefochtene Verordnung ist verfahrensfehlerfrei ergangen. Die Regierung als Normgeber war hierfür gemäß Art. 51 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c BayNatSchG in der seit 1. Mai 2015 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes vom 24. April 2015 (GVBl S. 73) zuständig. Die Aufhebung der Ausweisung eines geschützten Landschaftsbestandteils ist durch § 29 Abs. 1 BNatSchG gedeckt. 11 2. Der Antragsgegner hat von seiner Aufhebungsbefugnis rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht; die Aufhebungsverordnung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. 12 Eine Rechtsverordnung muss sich nicht nur inhaltlich innerhalb des sich aus der Ermächtigung ergebenden Rahmens bewegen, sie darf auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht verstoßen (Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 80 Rn. 119). Das gilt auch für die Aufhebung von Rechtsverordnungen durch den Verordnungsgeber (Remmert a.a.O. Rn. 119; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 80 Rn. 34; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 57). Folglich kann eine Verordnung nicht aufgehoben werden, wenn die hierdurch geschaffene Rechtslage mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weder Art. 4 Abs. 4 noch Art. 6 Abs. 2 FFH-RL noch sonstige Normen des Unions- oder Bundesrechts erfordern die Aufrechterhaltung der Ausgangsverordnung. 13 a) Die Aufhebungsverordnung verstößt nicht gegen die aus Art. 4 Abs. 4 FFH-RL folgende Schutzverpflichtung, weil die Ausgangsverordnung nichtig ist und deshalb keinen wirksamen Beitrag zum Schutz der Erhaltungsziele des gemeldeten FFH-Gebiets leistet. 14 aa) Art. 4 Abs. 4 FFH-RL begründet für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verpflichtung, ein aufgrund des in Art. 4 Abs. 2 FFH-RL genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnetes Gebiet so schnell wie möglich - spätestens aber binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet auszuweisen und dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II der FFH-RL und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach festzulegen, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind. Die Wahl der Form und des Mittels zur Erfüllung dieser Schutzverpflichtung überlässt Art. 4 Abs. 4 FFH-RL den Mitgliedstaaten (Art. 288 Abs. 3 AEUV; vgl. Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 32 Rn. 66). 15 In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt die Unterschutzstellung nach Maßgabe des § 32 Abs. 2 bis 4 BNatSchG. Dabei trifft § 32 Abs. 2 BNatSchG die grundlegende Entscheidung, dass trotz der besonderen europarechtlichen Schutzanforderungen für Natura 2000-Gebiete keine neue Schutzkategorie geschaffen wird, sondern die bestehenden Schutzkategorien nach § 20 Abs. 2 i.V.m. §§ 22 ff. BNatSchG - vorbehaltlich einer alternativen Unterschutzstellung gemäß § 32 Abs. 4 BNatSchG, wie sie in Bayern seit 1. April 2016 durch die Bayerische Verordnung über die Natura 2000-Gebiete (AllMBl. 2016, 258) besteht - zu verwenden sind (Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 32 Rn. 3). Die Unterschutzstellung erfolgt daher durch Erklärung der gelisteten Gebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft, regelmäßig in der Form der Rechtsverordnung (vgl. Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 22 Rn. 5). 16 Die Wahl einer der in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 BNatSchG bereitgestellten Schutzkategorien hängt davon ab, ob im konkreten Fall die in §§ 23 - 29 BNatSchG normierten Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung vorliegen. Das kann es erforderlich machen, ein nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL gelistetes Gebiet in Teilbereichen unterschiedlichen Schutzregimen zu unterwerfen, weil sich das Gebiet keiner Schutzkategorie in der Gänze zuordnen lässt und nur so die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 4 FFH-RL insgesamt erfüllt werden kann. Wählt der Verordnungsgeber eine Schutzkategorie, für die die gesetzlichen Schutzvoraussetzungen nicht vorliegen, ist die Ausweisung von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam (BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 4 CN 3.13 - BVerwGE 149, 229 Rn. 27 m.w.N.). 17 bb) Die Ausgangsverordnung ist nicht von § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 29 Abs. 1 BNatSchG gedeckt. 18 (1) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt und dies ausführlich begründet (UA S. 28 ff. ab Rn. 78), dass es sich bei dem in § 29 BNatSchG geregelten geschützten Landschaftsbestandteil um eine Kategorie des Objektschutzes handele. Das sieht das Normenkontrollgericht richtig. 19 Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in der seit 1. März 2010 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) sind geschützte Landschaftsbestandteile rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft, deren besonderer Schutz erforderlich ist zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts (Nr. 1), zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- oder Landschaftsbildes (Nr. 2), zur Abwehr schädlicher Einwirkungen (Nr. 3) oder wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Nr. 4). Der Schutz kann sich gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG für den Bereich eines Landes oder für Teile des Landes auf den gesamten Bestand an Alleen, einseitigen Baumreihen, Bäumen, Hecken oder anderen Landschaftsbestandteilen erstrecken. Wie der Senat bereits zu § 18 BNatSchG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3574; 1977 I S. 650 - BNatSchG 1976) entschieden hat (Beschluss vom 18. Dezember 1995 - 4 NB 8.95 - Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 4), handelt es sich beim ""geschützten Landschaftsbestandteil"" - ebenso wie beim Naturdenkmal in § 17 BNatSchG 1976 - nicht um eine Kategorie des Flächen-, sondern des Objektschutzes. Aus dem Sinn des § 18 BNatSchG 1976 als einer auf den Objektschutz ausgerichteten Regelung folgte, dass ""Gebiete"" nicht als ""geschützte Landschaftsbestandteile"" unter Schutz gestellt werden durften. An dieser Bewertung ist für den weitgehend identischen § 29 BNatSchG festzuhalten; sie entspricht allgemeiner Meinung (vgl. Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 1; Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 1, 5; P. Fischer-Hüftle/J. Schumacher/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 29 Rn. 1; J. Schmidt-Räntsch, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl. 2003, § 29 Rn. 3; Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, § 29 Rn. 1, 3; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 29 BNatSchG Rn. 1; Durner, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, 2. Kap. § 7 Rn. 31; Dänicke, Energiepflanzenanbau im Umwelt- und Agrarrecht, 2014, S. 219; BayVerfGH, Entscheidung vom 8. November 2010 - Vf. 5-VII-09 - NVwZ-RR 2011, 100 = BayVBl. 2011, 173 = juris Rn. 36 m.w.N.; OVG Saarland, Urteil vom 12. Dezember 2012 - 2 C 320/11 - NuR 2013, 368; ferner Hönes, ZUR 2006, 304 <306> und Rosenzweig, NuR 1987, 313 <314>). 20 Der Antragsteller hält dem entgegen, durch die Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz im Jahr 2009 sei der Unterschied zwischen Flächenschutz einerseits und Objektschutz andererseits aufgegeben worden. Auch bei § 29 BNatSchG handele es sich daher um eine Kategorie des Flächenschutzes. Insofern sei der Umstand von entscheidender Bedeutung, dass der Schutz des geschützten Landschaftsbestandteils als ein Teil von Natur und Landschaft im Sinne von § 20 Abs. 2 BNatSchG dem neu eingefügten Biotopverbund (§ 21 BNatSchG) diene. Die Vorschrift über den Biotopverbund sei Ausfluss eines Paradigmenwechsels weg vom reinen Artenschutz hin zum flächendeckenden Ansatz. Die zwingenden Vorschriften über den Biotopverbund und die Biotopvernetzung zwängen zu einer Neuinterpretation auch der Unterschutzstellungskategorien von § 20 Abs. 2 BNatSchG. Folge hieraus sei die teleologische Auflösung der Gegensätze beim Objekt- und Flächenschutz. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Rechtsinstitut des Biotopverbundes ist bereits durch das Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193 - BNatSchG 2002) in das Naturschutzrecht (als § 3) eingefügt worden. Ein Paradigmenwechsel war damit nicht verbunden, wie insbesondere § 22 Abs. 1 BNatSchG 2002 zeigt, der zwischen gebiets- und objektbezogenen Schutzkategorien unterschied. Nach der Intention des Gesetzgebers können und sollen geschützte Landschaftsbestandteile als ""Trittsteine"" wesentliche Vernetzungsfunktionen im Rahmen des Biotopverbundes und der Biotopvernetzung übernehmen (BT-Drs. 14/6378 S. 52). Auf dieser Linie liegt die Einfügung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 durch das Bundesnaturschutzgesetz 2002, womit der geschützte Landschaftsbestandteil dem Biotopschutz dienstbar gemacht werden sollte, um auf diese Weise insbesondere kleinflächige Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten gezielt schützen zu können (BT-Drs. 14/6378 S. 52). § 21 BNatSchG knüpft an die Biotopverbundregelung in § 3 BNatSchG 2002 an und ergänzt diese um den Aspekt der Biotopvernetzung (BT-Drs. 16/12274 S. 61). Die Regelung ist im Zusammenhang mit § 20 Abs. 1 und 3 BNatSchG zu sehen. Wie aber § 20 Abs. 2 BNatSchG zeigt, wurde hierdurch keine neue Schutzkategorie geschaffen (Hendrischke, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 20 Rn. 11 m.w.N.). Der Biotopverbund ist kein Potpourri aus sämtlichen bereits geschützten Flächen und Objekten (Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 20 Rn. 5). Vielmehr handelt es sich hierbei um die räumliche und funktionale Vernetzung von Lebensräumen mit dem Ziel, das langfristige Überleben der heimischen Tier- und Pflanzenarten zu sichern. Das bringt § 20 Abs. 3 BNatSchG zum Ausdruck, wonach die in § 20 Abs. 2 BNatSchG genannten Teile von Natur und Landschaft nur Bestandteile des Biotopverbundes sind, wenn sie sich hierfür eignen. Diese Teile von Natur und Landschaft sind weder gleich geeignet noch die einzigen in Betracht kommenden Verbundbestandteile, wie § 21 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG belegt (siehe insbesondere dessen Nr. 3 und 4). Der Biotopverbund nimmt folglich die in § 20 Abs. 2 BNatSchG definierten Schutzkategorien so hin, wie sie sind, und definiert sie nicht um. Von einer ""teleologischen Auflösung der Gegensätze beim Objekt- und Flächenschutz"" kann folglich keine Rede sein. Gegen die Auffassung des Antragstellers spricht im Übrigen auch, dass der Gesetzgeber in Kenntnis des Beschlusses des Senats vom 18. Dezember 1995 - 4 NB 8.95 - (Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 4 = juris Rn. 7) trotz zweier umfassender Novellen zum Bundesnaturschutzgesetz bisher keine Veranlassung gesehen hat, § 29 BNatSchG grundlegend zu ändern. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er die Einordnung des geschützten Landschaftsbestandteils als Kategorie des Objektschutzes als zutreffend erachtet und sie nicht dem Flächen-/Gebietsschutz zuordnen will. 21 Der Antragsteller moniert weiter, schon mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip müsse die Unterscheidung zwischen Gebiets- und Objektschutz, so sie denn gewollt sei, im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommen; das sei nicht der Fall. Der Einwand ist unbegründet. Der Gesetzgeber nennt in § 20 Abs. 2 BNatSchG die maßgeblichen Kategorien zum Schutz von Teilen von Natur und Landschaft und definiert sie alsdann in §§ 23 - 29 BNatSchG. Dabei findet in § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1 und 4, § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 BNatSchG jeweils der Begriff ""Gebiet"" als Definitionsmerkmal der jeweiligen Schutzkategorie Verwendung. Hieraus ist zu folgern, dass mit diesen Vorschriften der Schutz von Flächen ermöglicht werden soll, die bestimmte Anforderungen erfüllen. § 29 BNatSchG enthält dagegen den Begriff ""Gebiet"" nicht; dessen Abs. 1 Satz 2 führt vielmehr einzelne Schutzobjekte auf und macht hierdurch deutlich, dass die Norm dem Objektschutz verschrieben ist. Gleiches gilt für § 28 BNatSchG, was durch die Verwendung des Begriffs ""Einzelschöpfungen"" deutlich wird. Damit kommt in den einzelnen Normen hinreichend klar die jeweilige Schutzrichtung zum Ausdruck. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang weiter rügt, bei dem nationalen Naturmonument handele es sich unzweifelhaft um ein schützenswertes Objekt, gleichwohl sei es in § 24 Abs. 4 BNatSchG der Kategorie des Gebietsschutzes zugeordnet worden, übersieht sie, dass die dogmatische Verortung eines Schutzgegenstandes Sache des Gesetzgebers ist, der insofern über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Aus der Zuordnung des nationalen Naturmonuments zum Gebietsschutz durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) kann somit nicht auf die Auflösung der Unterscheidung zwischen Gebiets- und Objektschutz geschlossen werden. 22 (2) Der Verwaltungsgerichtshof hat weiter angenommen, dass von einem geschützten Landschaftsbestandteil im Sinne von § 29 BNatSchG nur dann ausgegangen werden könne, wenn sich die jeweilige Schutzfläche optisch von der übrigen Landschaft abgrenzen lasse, was anhand der tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Ausweisung durch Rechtsverordnung zu beurteilen sei (UA S. 37). Ausgehend vom Standpunkt des gebildeten, für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossenen Betrachters müsse die Objekthaftigkeit der zu schützenden Fläche anhand von eindeutigen, objektivierbaren Merkmalen in der Natur zu erkennen sein. Ob dies der Fall sei, beurteile sich im konkreten Einzelfall anhand der jeweiligen Örtlichkeit (UA S. 38). Sei der geschützte Landschaftsbestandteil nicht bereits als räumlich eindeutig abgrenzbares Einzelobjekt erkennbar, sondern von gleichartigen Strukturen umgeben, kämen als mögliche Abgrenzungskriterien Besonderheiten in der Topografie, unterschiedliche Farbstruktur und Zusammensetzung der jeweiligen Flora, gut erkennbare unterschiedliche Wuchshöhen oder sonstige optisch eindeutig sich aus der Naturausstattung ergebende Unterscheidungsmerkmale in Betracht (UA S. 38 f.). Auch hiergegen gibt es bundesrechtlich nichts zu erinnern. 23 Geschützte Landschaftsbestandteile im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind ""Teile von Natur und Landschaft"". Wie der Senat im Beschluss vom 18. Dezember 1995 - 4 NB 8.95 - (Buchholz 406.401 § 18 BNatSchG Nr. 4 = juris Rn. 7) ausgeführt hat, können das auch Einzelgebilde der Natur wie Raine, Alleen, Wallhecken und Tümpel sein. Ihre Flächenhaftigkeit steht ihrer Qualifizierung als Landschaftsbestandteil grundsätzlich nicht entgegen, wie insbesondere § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG zeigt, bei dem es sich um keine Mischform zwischen Objekt- und Flächenschutz handelt, sondern um eine um Elemente des Flächenschutzes angereicherte Kategorie des Objektschutzes (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2017, § 29 BNatSchG Rn. 3, 6 m.w.N.). Maßgeblich ist folglich, dass die zu schützenden Objekte nicht schon selbst eine ""Landschaft"" bilden, sondern als Naturgesamtheit lediglich ein Teil der Landschaft sind, mithin als abgrenzbares Einzelgebilde erkannt werden können (siehe auch Hendrischke/Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 29 Rn. 6; Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 1; P. Fischer-Hüftle/J. Schumacher/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 29 Rn. 3). Erkennbar ist, was optisch wahrgenommen werden kann. Was in diesem Sinne ""Teil der Landschaft"" ist, ist dem entsprechend an der bei natürlicher Betrachtung feststellbaren Abgrenzbarkeit von der Umgebung festzumachen (OVG Saarland, Urteil vom 12. Dezember 2012 - 2 C 320/11 - NuR 2013, 368 = juris Rn. 40 m.w.N.). 24 Die Revision hält die von der Vorinstanz postulierten optischen Abgrenzungserfordernisse für obsolet; es seien neue Kriterien zu entwickeln, die für die Ausweisung eines geschützten Landschaftsbestandteils als Teil einer Waldlandschaft einschlägig seien. Mit dieser Auffassung vermag die Revision nicht durchzudringen. Denn ihr liegt die - wie dargestellt - unzutreffende Annahme zugrunde, durch die im Jahr 2009 erfolgte Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes seien die Gegensätze beim Objekt- und beim Gebietsschutz teleologisch aufgelöst worden. 25 (3) Ausgehend von seinen mit Bundesrecht im Einklang stehenden rechtlichen Annahmen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Eindrücke, die er bei der Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Gebiets gewonnen hat, zu dem Ergebnis gelangt, dass die unter Schutz gestellte Waldfläche zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht in einer den vorstehenden Anforderungen entsprechenden Weise abgrenzbar gewesen ist (UA S. 39 ff. ab Rn. 107). Mangels entsprechender Verfahrensrügen ist der Senat hieran gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). 26 cc) War die Ausgangsverordnung somit durch § 29 Abs. 1 BNatSchG nicht gedeckt, verstößt sie gegen die im Rechtsstaatsprinzip angelegten Grundsätze vom Vorbehalt des Gesetzes (zu dessen Geltung auch im Unionsrecht siehe Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 2 EUV Rn. 25) und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das führt zu ihrer Unwirksamkeit (zu letzterem BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 = juris Rn. 188, Kammerbeschluss vom 26. September 2016 - 1 BvR 1326/15 - NZS 2016, 942 = juris Rn. 24; Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 - BVerfGE 101, 1 = juris Rn. 111, insbesondere Rn. 141 f.; siehe ferner Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148 = juris Rn. 132). Über diese sich aus dem deutschen Verfassungsrecht ergebende Rechtsfolge vermag auch Art. 4 Abs. 4 FFH-RL nicht hinwegzuhelfen. Denn die Nichtigkeitsfolge gründet sich auf einen schwerwiegenden und nicht heilbaren materiellen Mangel. Eine mit einem solchen Mangel behaftete Verordnung kann zur Umsetzung der Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL nach deutschem Recht nichts beitragen. 27 b) Art. 6 Abs. 2 FFH-RL steht der Aufhebung der Ausgangsverordnung ebenfalls nicht entgegen; ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt nicht vor. 28 Nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL treffen die Mitgliedstaaten die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken können. Ein nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL gelistetes Gebiet unterliegt gemäß Art. 4 Abs. 5 FFH-RL auch ohne eine nach nationalem Recht erfolgte Unterschutzstellung dem Schutzregime des Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 FFH-RL, der diesbezüglich einen Mindestschutz normiert. Erweist sich eine nach deutschem Recht vorgenommene Schutzgebietsausweisung - wie hier - als unwirksam, verbleibt es beim Schutzregime des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Durch deren Aufhebung wird folglich keine mit Art. 6 Abs. 2 FFH-RL unvereinbare Verschlechterung herbeigeführt. Damit kann offen bleiben, ob die ersatzlose Aufhebung einer wirksamen Schutzgebietserklärung im Einzelfall mit Art. 6 Abs. 2 FFH-RL unvereinbar sein kann. 29 3. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es nicht. Die von der Revision aufgeworfenen Fragen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 2 FFH-RL sind nicht entscheidungserheblich, da die unwirksame Ausgangsverordnung keinen Beitrag zur Umsetzung von Unionsrecht zu leisten vermag; im Übrigen sind nur Fragen zur Zulässigkeit des Normenkontrollantrages betroffen, die hier keine Rolle spielen. Das gilt auch für die in Bezug auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) vom 25. Juni 1998 (siehe hierzu Zustimmungsgesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251) formulierten Vorlagefragen. 30 Sollte das Vorbringen des Antragstellers so zu verstehen sein, dass er einen Rechtsanspruch auf Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets aus Art. 4 Abs. 4 FFH-RL, § 32 Abs. 2 BNatSchG geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Anspruch - ungeachtet der Frage, ob eine Normenkontrolle, die auf Erlass einer untergesetzlichen Norm gerichtet ist, überhaupt statthaft ist (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 16. April 2015 - 4 CN 2.14 - BVerwGE 152, 55 Rn. 4 m.w.N.) - nicht verfahrensgegenständlich ist und an der Unwirksamkeit der Ausgangsverordnung nichts ändern würde. Unter den gegebenen Umständen ist die Ausweisung eines geschützten Landschaftsbestandteils ungeeignet, der Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 4 FFH-RL gerecht zu werden. Ob die Regierung den ""Hohen Buchenen Wald im Ebracher Forst"" gemäß § 32 Abs. 2, § 20 Abs. 2 Nr. 1, § 23 BNatSchG gegebenenfalls als Naturschutzgebiet hätte ausweisen müssen, bedarf aus denselben Gründen keiner Entscheidung. 31 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2018-1,25.01.2018,"Pressemitteilung Nr. 1/2018 vom 25.01.2018 EN Arbeitsassistenz für eine Erwerbstätigkeit eines schwerbehinderten Menschen trotz anderweitiger Beschäftigung Dem Anspruch eines schwerbehinderten Menschen auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz steht nicht entgegen, dass dieser bereits eine andere Teilzeitbeschäftigung ausübt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit Urteil vom 23. Januar 2018 entschieden. Der Kläger ist blind und zu 100 % als Schwerbehinderter anerkannt. Er steht seit 2000 als Beamter im Dienst des luxemburgischen Staates. Bis 2013 reduzierte er schrittweise diese Tätigkeit auf 50 %, um daneben eine von ihm 2008 gegründete Firma zu betreiben, die Künstler vermittelt und managt. Hierfür begehrte er die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Der Beklagte lehnte diesen Antrag im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit ab. Die Kostenübernahme diene dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen. Der Kläger sei indessen nicht arbeitslos, sondern durch seine Berufstätigkeit als Beamter bereits in das Arbeitsleben integriert. Die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben. Nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben. Die Notwendigkeit der Arbeitsassistenz ist nicht deshalb zu verneinen, weil der schwerbehinderte Mensch bereits einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Zwar kommt dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Schwerbehindertenrechts eine wesentliche Bedeutung zu. Drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit des schwerbehinderten Menschen stellen aber keine notwendigen Bedingungen für die begehrte Kostenübernahme dar. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz dient auch der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Deshalb ist es (wie bei nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich ihre Sache zu entscheiden, welchem Beruf sie nachgehen, ob sie diesem ihre Arbeitskraft vollumfänglich widmen oder ob sie diese anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzen. Ebenso wenig darf es sich zum Nachteil schwerbehinderter Menschen auswirken, wenn sie sich entscheiden, den Umfang einer ausgeübten Beschäftigung zu reduzieren oder den Arbeitsplatz bzw. Beruf zu wechseln und für die neue Tätigkeit eine Arbeitsassistenz zu beanspruchen. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichen nicht die Entscheidung, ob, in welcher Art und in welchem Umfang der Kläger bei seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile der Unterstützung bedarf. Deshalb ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. BVerwG 5 C 9.16 - Urteil vom 23. Januar 2018 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 3 LB 17/15 - Urteil vom 18. Februar 2016 - VG Schleswig, 15 A 295/14 - Urteil vom 11. Juni 2015 -","Urteil vom 23.01.2018 - BVerwG 5 C 9.16ECLI:DE:BVerwG:2018:230118U5C9.16.0 EN Teilzeitbeschäftigung steht dem Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. für eine daneben ausgeübte weitere Erwerbstätigkeit nicht entgegen Leitsatz: Die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung steht dem Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. für eine daneben ausgeübte weitere Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Rechtsquellen SGB IX a.F. § 102 Abs. 4 SGB IX n.F. § 185 Abs. 5 Instanzenzug VG Schleswig - 11.06.2015 - AZ: VG 15 A 295/14 OVG Schleswig - 18.02.2016 - AZ: OVG 3 LB 17/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.01.2018 - 5 C 9.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:230118U5C9.16.0] Urteil BVerwG 5 C 9.16 VG Schleswig - 11.06.2015 - AZ: VG 15 A 295/14 OVG Schleswig - 18.02.2016 - AZ: OVG 3 LB 17/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 23. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 18. Februar 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der blinde und als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannte Kläger begehrt die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz. 2 Er steht seit 2000 als Beamter im Dienst des luxemburgischen Staates. Bis 2013 reduzierte er schrittweise diese Tätigkeit auf 50 %, um daneben eine von ihm 2008 gegründete Firma zu betreiben, die Künstler vermittelt und managt. Am 14. Januar 2014 beantragte der Kläger für seine selbstständige Tätigkeit die Kostenübernahme für eine selbst organisierte Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX im Umfang von wöchentlich 13 Stunden. Das beklagte Ministerium lehnte den Antrag unter Hinweis darauf ab, dass die Kostenübernahme dem Abbau der Arbeitslosigkeit diene, der Kläger aber nicht arbeitslos, sondern durch seine Berufstätigkeit als Beamter bereits in das Arbeitsleben integriert sei. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Leistungen des SGB IX die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen, erleichtern oder sichern sollten. Der Kläger sei durch seine Tätigkeit als Beamter in Luxemburg bereits hinreichend in das Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert. Aus der freiwilligen Reduzierung dieser Tätigkeit könne nicht folgen, dass die Eingliederung nachträglich wieder entfalle. Auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergäbe sich keine andere Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der notwendigen Arbeitsassistenz. 3 Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht treten dem entgegen. II 4 Die Revision, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das angefochtene Urteil steht nicht im Einklang mit Bundesrecht. Es verletzt § 102 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (a.F.) und die gleichlautende Nachfolgeregelung des § 185 Abs. 5 SGB IX (n.F.) in der seither geltenden Fassung (BGBl. I 2016, 3234 <3292>). Entgegen der entscheidungstragenden Annahme des Oberverwaltungsgerichts steht das Innehaben eines sicheren Arbeitsplatzes im Rahmen einer hälftigen Teilzeitbeschäftigung der Bewilligung von Mitteln für eine notwendige Arbeitsassistenz zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Weil das Oberverwaltungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen getroffen hat, die eine abschließende Entscheidung erlauben, ob die übrigen Voraussetzungen einer ""notwendigen Arbeitsassistenz"" im Sinne der genannten Bestimmungen vorliegen, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 5 1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz kommt bis zum 31. Dezember 2017 § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. und für die Zeit danach § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. in Betracht. 6 Der Senat hat die Gesetzesänderung zu beachten, die seit der Antragstellung am 14. Januar 2014 ergangen ist. Denn für die revisionsgerichtliche Beurteilung ist die Rechtslage maßgeblich, auf die die Vorinstanz abzustellen hätte, wenn sie anstelle des Revisionsgerichts jetzt zu entscheiden hätte (BVerwG, Urteil vom 12. März 2002 - 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <120> m.w.N.). Dies ist angesichts des streitbefangenen Zeitraums die Rechtslage von der Antragstellung bis zur erneuten Entscheidung des Berufungsgerichts. 7 Hat die Behörde über einen Leistungsanspruch bis zu einem in die Zukunft hineinreichenden Zeitpunkt entscheiden wollen, unterliegt der gesamte Zeitraum, den die Behörde mit ihrer Entscheidung erfassen wollte, der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 5 C 2.97 - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 17 S. 9). Demzufolge kann sich die Regelung eines Hilfefalles bei ablehnenden Behördenentscheidungen, die sich auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt stützen, der nach Auffassung der Behörde der begehrten Leistungsgewährung dauerhaft entgegensteht, auf den (gesamten) Zeitraum gleichbleibender unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse erstrecken. So ist es hier. 8 Der Beklagte hat den in Bezug auf den Endzeitpunkt offen formulierten Antrag des Klägers über den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung hinaus dauerhaft abgelehnt, indem er sich der Sache nach darauf gestützt hat, dass eine Arbeitsassistenz für eine - wie hier in Rede stehende - Zweittätigkeit von vornherein nicht notwendig sein könne. 9 2. Nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Diese Vorschrift begründet nach ihrem insoweit unmissverständlichen Wortlaut und im Unterschied zu § 102 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 3 SGB IX n.F. (""kann"") einen nicht im Ermessen der Behörde stehenden Anspruch auf Kostenübernahme. Der hierbei verwendete Begriff der ""notwendigen Arbeitsassistenz"" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. 10 Die Beteiligten und das Berufungsgericht gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz auch für eine selbstständige Tätigkeit des schwerbehinderten Menschen in Betracht kommt, die nachhaltig betrieben wird und dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet ist. Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F. soll die begleitende Hilfe im Arbeitsleben dahin wirken, dass schwerbehinderte Menschen auf geeigneten Arbeitsplätzen beschäftigt werden. Zwar werden Arbeitsplätze durch § 73 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 156 Abs. 1 SGB IX n.F. als Stellen definiert, auf denen abhängig Beschäftigte tätig sind. Das führt aber nicht dazu, dass selbstständige Tätigkeiten eines schwerbehinderten Menschen nicht durch Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz unterstützt werden können (a.A. VG Münster, Urteil vom 26. November 2013 - 6 K 611/11 - UV-Recht Aktuell 2014, 124 zu § 33 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX a.F.). Denn § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c) SGB IX n.F. sehen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben ausdrücklich auch Geldleistungen des Integrationsamtes zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz vor. 11 Die ""Notwendigkeit"" der Arbeitsassistenz ist, worüber die Beteiligten im Revisionsverfahren allein streiten, nicht deshalb zu verneinen, weil der schwerbehinderte Mensch bereits einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Das ergibt die Auslegung der Vorschriften anhand der anerkannten Auslegungsmethoden (a). Dem Anspruch auf Kostenübernahme kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der schwerbehinderte Mensch den Umfang seiner bereits bestehenden Beschäftigung freiwillig reduziert hat, um der anderen Erwerbstätigkeit, für die er die Arbeitsassistenz benötigt, nachgehen zu können (b). Aus dem Umstand, dass das Integrationsamt die ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen hat, lässt sich nicht herleiten, dass eine Arbeitsassistenz nur dann notwendig ist, wenn sie der Überwindung von Arbeitslosigkeit dient (c). 12 a) Der Begriff der Notwendigkeit im Sinne von § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. ist in dem dargelegten weiten Sinne auszulegen. 13 Dieses Verständnis ist bereits im Wortlaut der Vorschriften angelegt. Die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz werden als ""begleitende"" Hilfen ""im Arbeitsleben"" übernommen. Der Bezug auf ein in der Regel mehrere Jahrzehnte währendes Arbeitsleben, das durch die Hilfe begleitet werden soll, weist darauf hin, dass das Gesetz nicht nur eine punktuelle Unterstützung des schwerbehinderten Menschen (etwa zur Überwindung von Arbeitslosigkeit) ermöglicht, sondern darüber hinausgehend auch eine länger andauernde, unter Umständen sogar permanente Hilfe vorsieht. Im modernen Arbeitsleben kann - wie allgemein bekannt - nicht davon ausgegangen werden, dass jemand während des gesamten Erwerbslebens derselben Tätigkeit nachgeht oder denselben Beruf ausübt. 14 Der systematische Vergleich mit der Regelung des § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F. bzw. § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX n.F. bekräftigt das durch den Wortlaut nahegelegte Begriffsverständnis. Diese sehen die Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz als Hilfe ""zur Erlangung eines Arbeitsplatzes"" für die Dauer von bis zu drei Jahren (§ 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX n.F.) vor. Diese Hilfe ist als eine ""zeitlich befristete berufliche Einstiegshilfe"" (BR-Drs. 49/01 S. 320) angelegt. § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. enthalten demgegenüber keine derartige Zweckbestimmung und auch keine Höchstdauer der Leistungsgewährung. 15 In die gleiche Richtung weisen § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F., wonach die von den Integrationsämtern durchgeführte begleitende Hilfe im Arbeitsleben dahin wirken soll, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Die Maßnahmen zielen somit auch darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen und diese darüber hinaus weiterzuentwickeln. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im Beruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Deshalb ist es (ebenso wie bei einem nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem Beruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt, und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte. 16 Das entspricht dem in Art. 27 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK) zum Ausdruck kommenden Menschenbild. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 beinhaltet das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit u.a. das Recht, diese frei zu wählen. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist nach dem Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II S. 1419) seit dem 1. Januar 2009 als innerstaatliches Recht im Rang einfachen Bundesrechts anzuwenden und kann als Auslegungshilfe für die Bestimmung und den Inhalt der Grundrechte (BVerfG, Beschluss vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - BVerfGE 128, 282 Rn. 52; BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 Rn. 31) und des einfachen Gesetzesrechts herangezogen werden. 17 Insbesondere die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen und der sich hieraus ergebende Sinn und Zweck der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben sprechen mit erheblichem Gewicht dafür, dass eine bereits ausgeübte Teilzeitbeschäftigung der fraglichen Kostenübernahme für eine andere Erwerbstätigkeit nicht entgegensteht. Die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz wurde erstmals durch Art. 1 Nr. 17 Buchst. c des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 (BGBl. I S. 1394 <1398>) als § 31 Abs. 3a des Schwerbehindertengesetzes eingeführt. Aussagekräftige Hinweise zur Arbeitsassistenz lassen sich den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien, insbesondere den konkreten Erläuterungen zu dieser Bestimmung nicht entnehmen. Dies gilt ebenso angesichts der im Sommer 2001 erfolgten Übernahme der Regelungen in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch. Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht mit Recht die allgemeine Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter herangezogen. Danach sollte mit den Regelungen des Gesetzes dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Vor dem Hintergrund einer vom Gesetzgeber festgestellten seit Jahren bestehenden überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen sollte die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben verbessert und ihre Arbeitslosigkeit schnellstmöglich abgebaut werden (BT-Drs. 14/3372 S. 15). Dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen kam und kommt damit im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zwar eine wesentliche Bedeutung zu. Das bedeutet aber nicht, dass drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit zugleich eine notwendige Bedingung für das Eingreifen dieser Regelungen im Allgemeinen und speziell der Vorschriften des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. wäre. Dies ergibt sich schon aus dem ebenfalls verfolgten Ziel der Verbesserung der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen, dem nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung, sondern während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit Rechnung getragen werden soll. Nichtbehinderten Menschen steht es frei zu entscheiden, wie sie ihre Arbeitskraft einsetzen. Namentlich können sie nach eigenem Gutdünken darüber befinden, welchen Beruf sie ergreifen wollen, ob sie diesem ihre Arbeitskraft vollumfänglich widmen oder sie anteilig auf mehrere Erwerbstätigkeiten aufteilen. Für schwerbehinderte Menschen kann daher nichts anderes gelten. 18 Insoweit ist auch zu beachten, dass der Aspekt der Chancengleichheit für beruflich schon etablierte schwerbehinderte Menschen bereits Ausdruck in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 21 Abs. 2 des Schwerbeschädigtengesetzes von 1961, der Vorläufernorm zu § 102 Abs. 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 SGB IX n.F., gefunden hat, in der für die seinerzeit so bezeichneten Schwerbeschädigten die Notwendigkeit des Arbeitsplatzwechsels aus Gründen des beruflichen Aufstiegs thematisiert wurde (BT-Drs. 1256/03 S. 7, 14). Auch dieser gesetzeshistorische Hintergrund weist darauf hin, dass die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz auch der Chancengleichheit solcher schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt dient, die aktuell nicht von schon eingetretener oder drohender Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Gesetz die beruflichen Belange bereits erwerbstätiger schwerbehinderter Menschen aus dem Blick verloren hätte. 19 Jedenfalls aus der Gesamtschau der aufgezeigten Gesichtspunkte folgt, dass die ""Notwendigkeit"" einer Arbeitsassistenz nicht unter Hinweis auf eine bereits bestehende andere Erwerbstätigkeit verneint werden kann. Mithin kann die erstrebte Kostenübernahme nicht schon mit der Begründung versagt werden, der Kläger sei bereits als Beamter beschäftigt und damit hinreichend in das Arbeitsleben integriert. 20 b) Der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz scheitert auch nicht daran, dass ein schwerbehinderter Mensch den Beschäftigungsumfang seiner bereits bestehenden Tätigkeit freiwillig reduziert hat, um einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, für die er eine Arbeitsassistenz benötigt. Die gesetzliche Regelung stellt ausschließlich darauf ab, ob eine Arbeitsassistenz notwendig ist. Bezugspunkt hierfür ist die von dem schwerbehinderten Menschen konkret ausgeübte oder angestrebte Erwerbstätigkeit. Die gesetzlichen Regelungen bieten keinen Anhalt dafür, die Notwendigkeit der Arbeitsassistenz deshalb zu verneinen, weil ihre Inanspruchnahme durch Aufnahme oder Fortführung einer anderen, den Fähigkeiten und Kenntnissen des Schwerbehinderten gleichfalls entsprechenden Erwerbstätigkeit vermeidbar gewesen wäre. Eine andere Sichtweise führte unter nicht hinreichender Beachtung des Gebots der Chancengleichheit sowie des allgemein bekannten Umstands, dass in der modernen Arbeitswelt ein freiwilliger Wechsel des Arbeitsplatzes oder des ausgeübten Berufs im Laufe eines Erwerbslebens (aus den unterschiedlichsten Gründen) durchaus üblich ist, dazu, einem schwerbehinderten Menschen, der auf einem seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz ohne Inanspruchnahme einer Arbeitsassistenz erwerbstätig ist, den freiwilligen Wechsel auf einen gleichfalls seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz generell zu verwehren, wenn er hierfür auf die Inanspruchnahme einer Arbeitsassistenz angewiesen ist. Konsequenterweise wäre dann auch bei erster Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch einen schwerbehinderten Menschen, für die er auf eine Arbeitsassistenz angewiesen ist, zu prüfen, ob er nicht auf eine Tätigkeit ohne Arbeitsassistenz verwiesen werden kann, wofür allerdings eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich ist. 21 c) Eine auf die Fälle der Arbeitslosigkeit begrenzte Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit im Sinne von § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. ist auch nicht mit Blick darauf geboten, dass das Integrationsamt insoweit die ihm aus der Ausgleichsabgabe im Sinne von § 77 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 160 Abs. 1 SGB IX n.F. zur Verfügung stehenden Mitteln einzusetzen hat. 22 Diese Mittel sind begrenzt und müssen nicht nur für die Kosten der Arbeitsassistenz, sondern auch noch für andere Aufgaben des Integrationsamtes verwendet werden. Hierdurch unterscheidet sich die Bewirtschaftung dieser Mittel aber nicht grundlegend von der Bewirtschaftung anderer Finanzmittel. Die Finanzierung aus der Ausgleichsabgabe rechtfertigt es daher nicht, eine Fallgruppe, hier die der teilzeitbeschäftigten schwerbehinderten Menschen, die einer anderen bzw. (neben einer Teilzeitbeschäftigung) weiteren Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, generell von der Unterstützung durch Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz auszunehmen. Die Verwendung der Mittel aus der Ausgleichsabgabe entbindet nicht von der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Kosten einer Arbeitsassistenz. 23 3. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer ""notwendigen Arbeitsassistenz"" im Übrigen erfüllt sind. Das ist nicht der Fall, wenn die Unterstützungshandlungen über das hinausgehen, was unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile geboten ist. Dies bedarf im Falle der Kostenübernahme zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit einer substantiierten Prüfung. Denn im Unterschied zu einer abhängigen Beschäftigung sind die beruflichen Aufgaben eines Selbstständigen nicht arbeitsvertraglich festgelegt, weshalb es schwieriger sein mag zu unterscheiden, was noch als bloße Unterstützungshandlung (Assistenz) zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder schon als Haupttätigkeit des Selbstständigen anzusehen ist, zu deren anderweitigen Wahrnehmung üblicherweise abhängig Beschäftigte eingesetzt werden. Das Oberverwaltungsgericht wird daher insbesondere näher aufzuklären und festzustellen haben, für welche Tätigkeiten, in welcher Art und in welchem (zeitlichen) Umfang der Kläger im Rahmen seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit eines Ausgleichs seiner behinderungsbedingten Nachteile bedarf." bverwg_2018-14,14.03.2018,"Pressemitteilung Nr. 14/2018 vom 14.03.2018 EN Siedlungsmülldeponie in Stralendorf ist der Landeshauptstadt Schwerin zuzuordnen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine weit überwiegend von einer kreisfreien Stadt genutzte, in einer Nachbargemeinde liegende Siedlungsmülldeponie nach dem Vermögenszuordnungsgesetz der kreisfreien Stadt zuzuordnen ist und nicht der Gemeinde, in deren Gebiet die Deponie liegt. Gestritten wurde um die Zuordnung von Flächen einer ehemaligen Mülldeponie in der Gemeinde Stralendorf, einer Nachbargemeinde der kreisfreien Stadt Schwerin. Die Deponie wurde 1978 in Betrieb genommen, 1995 stillgelegt und anschließend von der Landeshauptstadt Schwerin saniert. Mit Bescheid vom 1. April 2014 wurden die Deponiegrundstücke der Landeshauptstadt Schwerin zugeordnet. Dagegen hat diese Klage erhoben und vorgetragen, wegen der Ablagerung von Sonderabfällen handele es sich um eine Sondermülldeponie, die dem Land zuzuordnen sei. Das Verwaltungsgericht hat den Zuordnungsbescheid aufgehoben und ausgeführt, zuordnungsberechtigt sei die Gemeinde Stralendorf. Die Revision der Gemeinde hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das angegriffene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Für die Zuordnung ist nicht in erster Linie auf die Belegenheit der Deponiegrundstücke abzustellen. Entscheidend ist nach dem Einigungsvertrag, welcher Verwaltungsträger bei Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach dem Grundgesetz für die mit den Grundstücken wahrgenommene Aufgabe zuständig war. Welche Aufgabe wahrgenommen wurde, richtet sich nach der Zweckbestimmung der Grundstücke zum Stichtag des 1. Oktober 1989. Damals - und bis 1994 - waren sie der geordneten Deponie von Siedlungsabfällen gewidmet. Nach den Genehmigungsunterlagen war die Ablagerung von Schadstoffen und wassergefährdenden Stoffen unzulässig. Soweit dennoch Sondermüll abgelagert wurde, geschah dies rechtswidrig oder aufgrund einzelner Genehmigungen, die die Widmung nicht erweiterten. Die geordnete Deponie von Siedlungsmüll fiel in der DDR seit 1985 in die Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise. Für überörtliche Deponien blieb es bis zum 3. Oktober 1990 bei dieser Zuständigkeit. Sie hielt sich im Rahmen des Grundgesetzes, das eine Übertragung überörtlicher Selbstverwaltungsaufgaben auf die Kreise zulässt. Die Deponie Stralendorf diente der überörtlichen, zentralen Ablagerung von Abfällen aus der Stadt und dem Stadtkreis Schwerin sowie den zum Kreis Schwerin-Land gehörenden Gemeinden. Dient ein Vermögenswert der Erfüllung gleicher Aufgaben mehrerer Verwaltungsträger, ist er jedenfalls bei deutlichem Überwiegen des Nutzungsanteils eines beteiligten Verwaltungsträgers diesem zuzuordnen. Nach den damaligen Einwohnerzahlen überwog die Nutzung der Siedlungsmülldeponie durch den Stadtkreis (heute: kreisfreie Stadt) Schwerin (rd. 130 000 Ew.) mit rund 80 % bei Weitem die Nutzung durch den Kreis Schwerin-Land (rd. 34 000 Ew.). BVerwG 10 C 3.17 - Urteil vom 14. März 2018 Vorinstanz: VG Greifswald, 6 A 419/14 - Urteil vom 19. November 2015 -","Urteil vom 14.03.2018 - BVerwG 10 C 3.17ECLI:DE:BVerwG:2018:140318U10C3.17.0 EN Vermögenszuordnung einer überörtlichen Siedlungsmülldeponie Leitsätze: 1. Das öffentliche Interesse an einer Vermögenszuordnung von Amts wegen ist als unbestimmter Rechtsbegriff in seiner Auslegung und Anwendung gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen; § 1 Abs. 6 VZOG eröffnet insoweit keinen Beurteilungsspielraum der Zuordnungsbehörde. 2. Für die Bestimmung des nach dem Grundgesetz für die Aufgabenerfüllung zuständigen Verwaltungsträgers gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2 EV ist bei mehreren in Betracht kommenden Zuordnungsberechtigten vorrangig auf die Funktionsnachfolge in die Wahrnehmung der zum Stichtag mit dem Vermögenswert erfüllten Aufgabe und nicht auf dessen Belegenheit abzustellen. 3. Dient ein Vermögenswert der Erfüllung gleicher Aufgaben verschiedener Verwaltungsträger, ist er jedenfalls bei deutlichem Überwiegen der Aufgabenwahrnehmung eines der Verwaltungsträger grundsätzlich diesem zuzuordnen. Eine Realteilung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die zuzuordnenden Anteile rechtlich selbständig sind. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 EV Art. 21 Abs. 1 und 2 VwGO § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 und 2, § 139 Abs. 3 Satz 4 VZOG § 1 Abs. 1 und 6, § 11 Abs. 3 KrW-/AbfG § 41 Abs. 1 Satz 1 AbfAlG M-V § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 und 3 GöV DDR § 43 Abs. 3, § 57 Abs. 4 Satz 2, § 69 Abs. 3 Satz 2 KomVerf DDR § 2 Abs. 2, § 72 Abs. 1 Satz 1 und 4 Instanzenzug VG Greifswald - 19.11.2015 - AZ: VG 6 A 419/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 14.03.2018 - 10 C 3.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:140318U10C3.17.0] Urteil BVerwG 10 C 3.17 VG Greifswald - 19.11.2015 - AZ: VG 6 A 419/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2018 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19. November 2015 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten aus beiden Rechtszügen und diejenigen der Beigeladenen zu 3 aus dem Revisionsverfahren. Andere Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Vermögenszuordnung von neun Flurstücken der Flur ... der Gemarkung S. (Flurstücke a, b, c, d, e, f, g, h und i) und von Miteigentumsanteilen von je 1/10 und 8/10 an sechs weiteren Flurstücken derselben Flur (Flurstücke j, k, l, m, n und o). Sämtliche Flurstücke mit insgesamt 143 558 m2 liegen im Gebiet der Beigeladenen zu 3 und gehörten zu einer Mülldeponie, die am 1. April 1978 in Betrieb genommen, am 30. April 1995 stillgelegt und anschließend von der Klägerin saniert wurde. 2 Im Grundbuch waren die Vermögenswerte am 1. Oktober 1989 und über den 3. Oktober 1990 hinaus als Eigentum des Volkes eingetragen. Rechtsträger der Miteigentumsanteile von 1/10 und des Flurstücks a war die LPG (T) L., S. Rechtsträger der Miteigentumsanteile von 8/10 und der übrigen Flurstücke war der kreisgeleitete VEB Sch. 1991 beantragte die Klägerin dessen Umwandlung in eine GmbH. 3 Mit Bescheid vom 1. April 2014 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) fest, die verfahrensgegenständlichen Flurstücke und Miteigentumsanteile seien in das Eigentum der Klägerin übergegangen. An ihrer Zuordnung bestehe ein öffentliches Interesse, da abfallrechtliche Überwachungs- und Sanierungsaufgaben erfüllt werden müssten und das Grundbuch zu berichtigen sei. Die Zuordnungsberechtigung der Klägerin ergebe sich aus ihrer Entsorgungspflicht für Siedlungsmüll. Nach der Errichtungs-, Genehmigungs- und Betreiberdokumentation sei trotz der Ablagerung geringer Mengen belasteter Stoffe von einer Hausmülldeponie auszugehen. 4 Mit ihrer Anfechtungsklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Deponie sei als Sondermülldeponie einzuordnen. Seit Betriebsbeginn seien dort unter der Leitung des Rates des Bezirks, der für planerische und lenkende Entscheidungen zuständig gewesen sei, jeweils mit Genehmigungen auch gefährliche Sonderabfälle aus dem Einzugsbereich abgelagert worden. Unabhängig davon müssten die Vermögenswerte der Beigeladenen zu 3 als Belegenheitsgemeinde zugeordnet werden. Die Beklagte hat geltend gemacht, für die Einordnung der Deponie sei der Umfang der Betriebsgenehmigung maßgeblich. Die Beigeladenen zu 1 bis 4 haben das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten unterstützt, ohne eigene Anträge zu stellen. Die Beigeladene zu 5 hat sich vor dem Verwaltungsgericht nicht geäußert. 5 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zwar habe die Zuordnung von Amts wegen vorgenommen werden dürfen, weil sie Verwaltungsvermögen betreffe und die Annahme eines öffentlichen Interesses an der Zuordnung sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums der Beklagten halte. Zuordnungsberechtigt sei jedoch nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene zu 3. Nach Art. 21 Abs. 2 EV seien die Flurstücke dem Verwaltungsträger zuzuordnen, der zum 3. Oktober 1990 nach dem Grundgesetz für die mit der Deponie wahrgenommene Verwaltungsaufgabe zuständig gewesen sei. Die Abfallbeseitigung in den Gemeinden habe gemäß Art. 28 Abs. 2 GG grundsätzlich zu den gemeindlichen Aufgaben gehört. Eine Zuständigkeit der Kreise ergebe sich zu den maßgeblichen Stichtagen weder aus dem Grundgesetz noch aus grundgesetzkonformen einfach-gesetzlichen Vorschriften. Auch eine Zuständigkeit des Landes scheide aus, weil es sich bei der Deponie nicht um eine Sondermülldeponie gehandelt habe. Maßgebend für die Einordnung sei die bestimmungsgemäße Nutzung, die sich auf die Ablagerung von Siedlungsmüll beschränke. Dass im Einzelfall mit Genehmigung der zuständigen Stellen auch Sonderabfälle abgelagert worden seien, lasse die Widmung der Deponie unverändert. Unter den für die Zuordnung in Frage kommenden Gemeinden sei nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene zu 3 zuordnungsberechtigt. Dies ergebe sich aus der Belegenheit der Flurstücke in ihrem Hoheitsgebiet. Bei Immobiliarvermögen sei für die Zuordnung in erster Linie das territoriale Moment maßgebend, da die Aufgabenwahrnehmung durch Gebietskörperschaften auf deren Hoheitsgebiet begrenzt sei. Nur für die öffentliche Restitution sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf das Belegenheitskriterium, sondern auf die Funktionsnachfolge abzustellen. 6 Die Beigeladene zu 3 macht mit ihrer Revision geltend, für die Zuordnung nach Art. 21 Abs. 2 EV sei nicht in erster Linie die Belegenheit, sondern die Funktionsnachfolge maßgeblich. Gemeindliche Aufgaben müssten zwar im eigenen Hoheitsgebiet wurzeln, aber nicht zwingend ausschließlich dort erfüllt werden. Die Zuständigkeit für die mit der Deponie wahrgenommene Aufgabe habe bei der Klägerin gelegen, weil die dort abzulagernden Abfälle ganz überwiegend aus deren Gebiet stammten. Eine Zuordnung an die Beigeladene zu 3 widerspreche auch dem Zweck des Art. 21 Abs. 2 EV, eine aufgabenangemessene Ausstattung der Verwaltungsträger zu gewährleisten. 7 Die Beigeladene zu 3 beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19. November 2015 zu ändern und die Klage abzuweisen. 8 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie hält die Revision mangels materieller Beschwer der Beigeladenen zu 3 schon für unzulässig. Jedenfalls erweise sich das angegriffene Urteil im Ergebnis als richtig. Zuordnungsberechtigt sei der Beigeladene zu 1, weil eine Sondermülldeponie vorliege. Über die abfallrechtliche Einordnung habe das Verwaltungsgericht nicht entscheiden dürfen, ohne den seinerzeit geladenen, jedoch nicht erschienenen Zeugen erneut zu laden und anzuhören. Falls von einer Siedlungsmülldeponie ausgegangen werde, müsse sie dem Beigeladenen zu 2 zugeordnet werden. Zum 1. Oktober 1989 seien die Kreise für die geordnete Deponie von Siedlungsabfällen zuständig gewesen. Späteren Rechtsänderungen komme keine Rückwirkung zu. 10 Die Beklagte schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 3 an. Die Beigeladenen zu 1, 2, 4 und 5 haben keine Anträge gestellt. Der Beigeladene zu 1 verteidigt das angegriffene Urteil. Die Beigeladenen zu 2 und 4 unterstützen das Revisionsvorbringen der Beigeladenen zu 3. Die Beigeladene zu 4 meint, das Kriterium der Belegenheit dürfe nur zur Ergänzung des Zuordnungskriteriums der Funktionsnachfolge herangezogen werden, wenn mehrere Funktionsnachfolger als Zuordnungsberechtigte in Betracht kämen. II 11 Die Revision ist zulässig und begründet. 12 1. Die Beigeladene zu 3 ist revisionsbefugt, weil sie durch das angegriffene Urteil materiell beschwert wird. Sie kann geltend machen, durch dessen mögliche Rechtskraftwirkung präjudiziell und unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt zu werden. Dazu genügt, dass sich die Rechtskraft des Urteils nach § 121 Nr. 1 i.V.m. § 63 Nr. 3 VwGO auf die Beigeladene zu 3 erstreckt und deren Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer Rechte in einem nachfolgenden Verfahren beschränken würde (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 16. September 1981 - 8 C 1.81 - BVerwGE 64, 67 <69>, vom 12. März 1987 - 3 C 2.86 - BVerwGE 77, 102 <106> und vom 18. April 1997 - 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289 ; Beschluss vom 24. August 2016 - 9 B 54.15 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 108 LS 2 und Rn. 7). Die Rechtskraftwirkung eines stattgebenden Anfechtungsurteils erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die zu dessen Auslegung unerlässlichen tragenden Urteilserwägungen (BVerwG, Urteil vom 7. August 2008 - 7 C 7.08 - BVerwGE 131, 346 Rn. 18; Beschluss vom 24. August 2016 - 9 B 54.15 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 108 LS 2 und Rn. 7). Die Bindungswirkung des angegriffenen Urteils würde sich danach jedenfalls auf das Verneinen einer Zuordnungsberechtigung der Klägerin gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2 des Einigungsvertrages (EV) erstrecken. Schon dies würde, unabhängig von einer Bindung auch an die weitergehende Annahme einer Zuordnungsberechtigung der Beigeladenen zu 3, deren Rechtsverteidigung in einem nachfolgenden Zuordnungsverfahren beschränken. Sie könnte sich dort nicht mehr auf eine Zuordnungsberechtigung der Klägerin berufen und müsste deshalb gegebenenfalls hinnehmen, durch eine Zuordnung der Deponie und die daraus folgenden Überwachungs- und Sanierungspflichten in ihrem Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) beeinträchtigt zu werden. 13 2. Das angegriffene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Dies ergibt sich mangels entsprechender Verfahrensrügen allerdings nicht schon aus der Überschreitung der Frist für das Absetzen des Urteils (vgl. § 117 Abs. 4 Satz 2, § 138 Nr. 6 VwGO). Das vorinstanzliche Urteil geht aber zu Unrecht von einem Beurteilungsspielraum bei der Feststellung des öffentlichen Interesses an einer Vermögenszuordnung von Amts wegen aus (§ 1 Abs. 6 Vermögenszuordnungsgesetz - VZOG). Darüber hinaus stützt es seine Annahme, die Deponie sei nicht der Klägerin, sondern der Beigeladenen zu 3 zuzuordnen, auf eine unzutreffende Anwendung des Art. 21 Abs. 1 und 2 EV. Das Urteil trifft auch im Ergebnis nicht zu. Auf der Grundlage der revisionsrechtlich bindenden verwaltungsgerichtlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) erweist sich der angefochtene Zuordnungsbescheid als rechtmäßig. Dies führt zur Klageabweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 113 Abs. 1 VwGO). 14 a) Die Zuordnung durfte nach § 1 Abs. 1 und 6 VZOG i.V.m. Art. 21 EV von Amts wegen vorgenommen werden. Zum Stichtag des 1. Oktober 1989 handelte es sich bei den verfahrensgegenständlichen Flurstücken und Miteigentumsanteilen um volkseigenes Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV, weil sie unmittelbar der öffentlichen Aufgabe der Abfallbeseitigung dienten. Bis zum Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 sind diese Vermögenswerte nicht durch Privatisierung der Rechtsträger aus dem Verwaltungsvermögen ausgeschieden. Der VEB Sch. zählte nach den insoweit nicht gerügten, revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) zu den kreisgeleiteten volkseigenen Betrieben. Er unterlag daher nach § 1 Abs. 5 Spiegelstrich 3 Treuhandgesetz (TreuhG) nicht der gesetzlichen Umwandlung gemäß § 11 Abs. 1 TreuhG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 3 C 13.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17 S. 35 <36>). Maßnahmen zur gewillkürten Umwandlung des Betriebs wurden erst nach dem 3. Oktober 1990 getroffen. Die LPG (T) L. wurde nach den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz bis zum 3. Oktober 1990 ebenfalls nicht in ein Privatrechtssubjekt umgewandelt. 15 b) Nach § 1 Abs. 6 VZOG erfolgt die Zuordnung von Amts wegen nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses. Das angegriffene Urteil geht zu Unrecht von einem Beurteilungsspielraum bei der Anwendung des Tatbestandsmerkmals des öffentlichen Interesses an der Zuordnung aus, bejaht dessen Vorliegen im Ergebnis jedoch zu Recht. Die Auslegung und Anwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen. Wegen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) käme die Annahme eines Beurteilungsspielraums nur in Betracht, wenn sich dessen Einräumung ausdrücklich aus dem Gesetz ergäbe oder hinreichend deutlich durch Auslegung zu ermitteln wäre (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <21 f.>; Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2011 - 1 BvR 1932/08 - NVwZ 2012, 694 Rn. 23 f.). Beides ist hier nicht der Fall. Der entstehungsgeschichtlich belegte Zweck des § 1 Abs. 6 VZOG, eine Klärung der Eigentumsverhältnisse zur aufgabenangemessenen Ausstattung der Verwaltungsträger auch und gerade bei fehlendem Interesse des Zuordnungsberechtigten zu gewährleisten (vgl. die Begründung des Entwurfs des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 28. April 1992, BT-Drs. 12/2480, S. 91 unter VIII. 1.b), spricht gegen die Eröffnung eines Beurteilungsspielraums der Verwaltung. Aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung ergibt sich nichts anderes. Die Freistellung der Zuordnungsbehörden von Einzelweisungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VZOG begrenzt nur die Weisungsbefugnisse höherer Verwaltungsbehörden, ohne die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Entscheidung einzuschränken. 16 Die Anforderungen an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Zuordnung ergeben sich aus dem eben dargestellten Regelungszweck des § 1 Abs. 6 VZOG. Danach ist nur erforderlich, dass die Eigentumsverhältnisse zur aufgabenangemessenen Ausstattung der Verwaltungsträger nach dem Beitritt geklärt werden müssen. Dazu bedarf es keiner Gefahr im polizeirechtlichen Sinne. Vielmehr genügt, dass mehrere Prätendenten um die Zuordnung streiten oder der potenziell Zuordnungsberechtigte eine Zuordnung ablehnt (vgl. BT-Drs. 12/2480 S. 91 unter VIII. 1.b). 17 c) Zur Bestimmung des Zuordnungsberechtigten gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2 EV stellt das angegriffene Urteil zutreffend darauf ab, welcher Verwaltungsträger zum maßgeblichen Stichtag nach dem Grundgesetz für die mit den Vermögenswerten wahrgenommene Verwaltungsaufgabe zuständig war. Die Aufgabe der Abfallbeseitigung fiel für die hier in Betracht kommenden Abfallarten des Siedlungs- und des nicht radioaktiven Sondermülls mangels anderweitiger verfassungsrechtlicher Regelung sowohl am 1. Oktober 1989 als auch am 3. Oktober 1990 nach Art. 83 GG in die Verwaltungskompetenz der Länder. 18 Welcher Verwaltungsträger innerhalb des Landes nach dem Grundgesetz für die Abfallbeseitigung zuständig war, richtet sich mangels näherer verfassungsrechtlicher Regelung nach dem damaligen grundgesetzkonformen einfachen Recht. Danach fiel die Beseitigung von Sonderabfällen, die später gesetzlich in § 41 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705) definiert wurden, in die Zuständigkeit des Landes. Die Beseitigung von Siedlungsmüll und von hausmüllähnlichen, nicht zum Sonderabfall zählenden Gewerbeabfällen stellte dagegen eine kommunale Aufgabe dar (stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 3 C 13.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17 S. 35 <38 f.> und vom 11. November 1999 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <63 f.>). 19 Das Verwaltungsgericht ist revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass mit den verfahrensgegenständlichen Vermögenswerten nicht die Aufgabe der Sonderabfallbeseitigung, sondern die kommunale Aufgabe der Beseitigung von Siedlungsabfällen wahrgenommen wurde. Für die Abgrenzung ist wegen des normativen Gehalts jeder Aufgabenzuweisung die widmungsgleiche Zweckbestimmung der Deponie und nicht deren faktische, möglicherweise rechtswidrige und allenfalls geduldete Nutzung maßgeblich. Deshalb genügt es zur Änderung der Zweckbestimmung einer Siedlungsmülldeponie nicht, dass dort in Einzelfällen mit Wissen und Wollen der zuständigen Behörde Sonderabfälle abgelagert werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 2006 - 3 C 23.05 - BVerwGE 126, 7 Rn. 19; Beschluss vom 24. Juni 2015 - 3 B 28.15 - juris Rn. 5 f.). 20 Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz waren die verfahrensgegenständlichen Deponiegrundstücke zu den Stichtagen des Art. 21 Abs. 1 und 2 EV nicht zur Ablagerung von Sonderabfällen, sondern zur Ablagerung von Siedlungsmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen bestimmt. Die von der Vorinstanz gewürdigten Planungs- und Genehmigungsunterlagen sahen die Ablagerung von Siedlungsmüll, insbesondere von Haus- und Sperrmüll sowie Straßenkehricht, und - in deutlich geringerem Umfang - von deponiefähigen nicht-toxischen festen Industrieabfällen vor, die sich als hausmüllähnliche Gewerbeabfälle umschreiben lassen. Die Ablagerung von flüssigen Abfällen und Schadstoffen wurde bereits in der Dokumentation zur Investvorentscheidung vom 30. Januar 1976 ausgeschlossen. Die wasserrechtliche Zustimmung vom 21. September 1976 wurde unter der Auflage erteilt, nur Siedlungsmüll und keine Wasserschadstoffe abzulagern. Vom Rat des Bezirkes erteilte Einzelfallgenehmigungen zur Ablagerung von Sonderabfällen durchbrachen diese Beschränkungen, ohne die Zweckbestimmung der Deponie zu ändern. Vielmehr enthielten sie regelmäßig Auflagen, die eine Ablagerung von Schadstoffen oder eine Gesundheitsgefährdung durch das Einbringen asbesthaltiger Abfälle ausschließen sollten. 21 An diese Tatsachenfeststellungen zur Zweckbestimmung der Deponiegrundstücke ist die revisionsrechtliche Beurteilung gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden. Dabei kann offen bleiben, innerhalb welcher Frist die Klägerin eine Gegenrüge hätte erheben können. Ihre Einwände gegen die verwaltungsgerichtliche Sachaufklärung genügen jedenfalls nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung von Verfahrensfehlern im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie bezeichnen weder eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) noch einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder einen als Verfahrensfehler einzuordnenden Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO). 22 Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin zur Häufigkeit und zum Umfang der Ablagerung von Sondermüll ausweislich des Tatbestands und der Gründe des angegriffenen Urteils zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Der Rechtsauffassung der Klägerin zu folgen, war es nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO nicht verpflichtet. Seines Erachtens kam es für die abfallrechtliche Einordnung allein auf die widmungsgleiche Zweckbestimmung der Deponie und nicht auf deren tatsächliche Nutzung oder auf Durchbrechungen der Zweckbestimmung aufgrund von Einzelfallgenehmigungen an. Weshalb sich ihm auf der Grundlage dieser materiell-rechtlichen Rechtsauffassung auch ohne Vertagungs- und förmlichen Beweisantrag der Klägerin eine erneute Ladung des von dieser benannten Zeugen hätte aufdrängen müssen, ist nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin hat nur darauf verwiesen, dass der Rat des Bezirks, der die Ablagerung von Sonderabfällen jeweils im Einzelfall und unter Auflagen genehmigte, auch für planende und lenkende Entscheidungen zuständig war. Sie hat aber nicht unter Beweis gestellt, dass er eine über Einzelfallgenehmigungen hinausgehende generelle, planende und lenkende Entscheidung zur Umwidmung der Deponie getroffen hätte. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, die widmungsgleiche Zweckbestimmung der Grundstücke zur Siedlungsmülldeponie sei nicht geändert worden, war daher denklogisch nicht ausgeschlossen. 23 d) Das angegriffene Urteil hat jedoch zu Unrecht angenommen, für die zu den Stichtagen des Art. 21 Abs. 1 und 2 EV mit den Vermögenswerten erfüllte Aufgabe des Betriebs der Siedlungsmülldeponie seien nach dem Grundgesetz die Gemeinden - und nicht die Kreise - zuständig gewesen. 24 Zum 1. Oktober 1989 (Art. 21 Abs. 1 EV) waren nach § 43 Abs. 3 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der DDR - GöV DDR - vom 4. Juli 1985 (GBl. DDR I S. 213) die Räte der Kreise für die Müll- und Fäkalienabfuhr in ihrem jeweiligen Territorium sowie in Zusammenarbeit mit den Räten der Städte und Gemeinden für eine geordnete Mülldeponie verantwortlich. In Stadtkreisen - also auch dem Stadtkreis Sch. - oblag die Verwertung und Beseitigung von Siedlungsmüll nach § 57 Abs. 4 Satz 2 GöV DDR dem Rat der Stadt, der insoweit (Stadt-) Kreisaufgaben wahrnahm. Die Abfallbeseitigungszuständigkeit der Räte der kreisangehörigen Städte und Gemeinden beschränkte sich nach § 69 Abs. 3 Satz 2 GÖV DDR auf die Straßenreinigung und die ""Mitwirkung bei der Organisierung"" der geordneten Mülldeponie und Fäkalienabfuhr. Der Deponiebetrieb selbst zählte nicht zu den gemeindlichen Aufgaben. 25 Diese Zuordnungsrechtslage blieb bis zum 3. Oktober 1990 (Art. 21 Abs. 2 EV) unverändert. Zwar begründete § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR - Kommunalverfassung DDR (KomVerf DDR) vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 255) eine Zuständigkeit der Gemeinden für die örtliche Abfallbeseitigung. Der Betrieb überörtlicher Abfalldeponien, der die Leistungsfähigkeit der einzelnen kreisangehörigen Städte und Gemeinden überstieg, fiel jedoch gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 und 4 KomVerf DDR nach wie vor in die Zuständigkeit der Kreise. Um eine solche überörtliche Deponie handelte es sich hier. Nach den Planungs- und Genehmigungsunterlagen war die Deponie zur Ablagerung von Abfällen aus einem Einzugsbereich bestimmt, der sich aus der Stadt und dem Stadtkreis Sch. sowie den zum Kreis Sch. Land zählenden Gemeinden einschließlich der Stadt C. zusammensetzte. Sie diente der einheitlichen Versorgung der Einwohner dieses Einzugsbereichs und sollte Probleme beheben, die sich aus dem Betrieb dezentraler ""ungeordneter"" Deponien an ungeeigneten Standorten ergaben (vgl. Ziffern 1.2, 1.5 und 2., S. 1 f. und 14 f., der Dokumentation zur Investvorentscheidung vom 30. Januar 1976). Auf dieser Planung beruhte die Standortgenehmigung vom 3. April 1977. Auch die Betreiberanzeige vom 12. Oktober 1983 bestätigt die bestimmungsgemäße überörtliche Nutzung. 26 Selbst wenn es sich um eine örtliche Deponie gehandelt hätte, ergäbe sich zuordnungsrechtlich kein anderes Ergebnis. § 2 Abs. 2 KomVerf DDR blieb mangels vollständiger Umsetzung eine ""lex imperfecta"". Der Betrieb der Deponie wurde nach den vorinstanzlichen Feststellungen bis zur Hochzonung der Aufgabe der örtlichen Abfallbeseitigung auf die Kreisebene im Sommer 1992 (vgl. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 und 3 Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz für Mecklenburg-Vorpommern - AbfAlG M-V - vom 4. August 1992, GVBl. S. 450) nicht auf die Ebene der Gemeinden zurückverlagert. Betreiber blieb vielmehr der kreisgeleitete VEB Sch. 27 Die Kreiszuständigkeit für überörtliche Deponien gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 und 4 KomVerf DDR war mit der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes vereinbar. Art. 28 Abs. 2 GG steht der gesetzlichen Übertragung überörtlicher Selbstverwaltungsaufgaben auf die Kreise nicht entgegen. 28 e) Für die Bestimmung der konkreten nach dem Grundgesetz zuständigen Gebietskörperschaft ist bei mehreren potenziellen Zuordnungsberechtigten nach Art. 21 Abs. 2 EV nicht in erster Linie auf die Belegenheit des Vermögenswertes abzustellen, sondern auf die Aufgaben- oder Funktionsnachfolge. Gegenteiliges ergibt sich weder aus dem von der Vorinstanz herangezogenen Vergleich von öffentlicher Restitution und Vermögenszuordnung noch aus der Begrenzung der Hoheitsgewalt von Gebietskörperschaften auf das jeweils eigene Territorium. 29 aa) Die öffentliche Restitution dient der Wiedergutmachung eines Vermögensverlustes und soll den Vermögenswert derjenigen Gebietskörperschaft zur Verfügung stellen, die mit dem Geschädigten identisch oder dessen Funktions- oder Aufgabennachfolger ist (vgl. § 11 Abs. 3 VZOG). Führen diese Kriterien zu einer eindeutigen Bestimmung des Berechtigten, ist der Vermögenswert diesem zurückzuübertragen, gleich ob er im Territorium des Berechtigten oder in einer anderen Gebietskörperschaft belegen ist (BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 3 C 46.06 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 61 Rn. 14 und vom 25. Februar 2010 - 3 C 18.09 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 36 LS 2 und Rn. 14 ff., unter Abgrenzung vom Beschluss vom 16. November 2004 - 3 B 41.04 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 31). Führt dagegen die Anwendung der genannten Kriterien - etwa nach einer kommunalen Neugliederung - nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, kann das Kriterium der Belegenheit des Vermögenswertes als Hilfskriterium zur Bestimmung des Restitutionsberechtigten herangezogen werden. Es rechtfertigt jedoch keine Restitution an einen anderen als den - oder einen der - Funktionsnachfolger (BVerwG, Urteile vom 15. Juli 1999 - 3 C 12.98 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 23 S. 4 f. und vom 25. Februar 2010 - 3 C 18.09 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 36 LS 2 und Rn. 14 ff., in Abgrenzung zum Beschluss vom 16. November 2004 - 3 B 41.04 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 31). 30 Die Zuordnung von Verwaltungsvermögen dient nicht der Wiedergutmachung, sondern der aufgabenangemessenen Ausstattung der Verwaltungsträger. Für sie ist daher erst recht das Kriterium der Funktionsnachfolge maßgeblich. Dabei kommt es nicht auf die Rechtsnachfolge nach dem Betreiber, sondern auf die Zuständigkeitsnachfolge in die mit dem Vermögenswert wahrgenommene Aufgabe an. 31 bb) Der Hinweis, die kommunale Aufgabenwahrnehmung sei regelmäßig auf das Gebiet der Kommune beschränkt, rechtfertigt ebenfalls keinen Vorrang des Belegenheitskriteriums. Er stellt nicht die Zulässigkeit extraterritorialer kommunaler Aufgabenwahrnehmung in Abrede (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2005 - 3 C 31.03 - BVerwGE 122, 350 <354 f.> zur Fernwasserversorgung) und schließt deshalb auch eine Restitution oder Zuordnung an eine andere als die Belegenheitskörperschaft nicht aus. Vielmehr trägt er der Aufgabenorientierung der öffentlichen Restitution und - erst recht - der Zuordnung von Verwaltungsvermögen Rechnung. Er verweist lediglich darauf, dass örtliche Aufgaben einen spezifischen Bezug zum Gebiet der jeweiligen Kommune haben müssen, weshalb die Gemeinde einen in ihrem Gebiet belegenen Vermögenswert im Rahmen ihrer Gebietshoheit ohne Weiteres zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben verwenden kann. Die Verwendung außerhalb des Gemeindegebiets belegener Vermögenswerte ist damit aber nicht ausgeschlossen. 32 f) Kommen - wie hier - mehrere Funktionsnachfolger als Zuordnungsberechtigte in Betracht, weil mit dem Vermögenswert zum maßgeblichen Stichtag zugleich Verwaltungsaufgaben verschiedener Verwaltungsträger wahrgenommen wurden, ist das in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV für die Zuordnung an Bund oder Länder geregelte Kriterium überwiegender Zweckbestimmung entsprechend anzuwenden, sofern nicht ausnahmsweise eine Realteilung möglich ist (BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1995 - 7 B 418.95 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 7 S. 12 <13 f.>; vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 19.02 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 48 S. 36 <38>; zur Zuordnung von Finanzvermögen vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2001 - 3 C 31.00 - BVerwGE 115, 97 <100 f.>). Danach ist hier die Klägerin zuordnungsberechtigt, weil eine Realteilung ausscheidet und die verfahrensgegenständlichen Vermögenswerte zum 3. Oktober 1990 ganz überwiegend - nämlich zu rund 80 % - der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dienten. 33 Eine Realteilung setzt voraus, dass die zuzuordnenden Anteile rechtlich selbständig sind (vgl. § 1a Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 2a Satz 1 VZOG; dazu BVerwG, Urteil vom 19. November 1998 - 3 C 28.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 18 S. 40 <42 f.>; Beschluss vom 12. Dezember 1995 - 7 B 350.95 - [insoweit in Buchholz 114 § 1a VZOG Nr. 3 und 428.2 § 1a VZOG Nr. 3 nicht abgedruckt] juris Rn. 2). Daran fehlt es hier wegen der gemeinsamen, nicht nach Flurstücken getrennten Beschickung der Deponie durch die angeschlossenen Gebietskörperschaften. 34 In solchen Fällen konkurrierender Aufgabenwahrnehmung entspricht eine Zuordnung nach der überwiegenden Zweckbestimmung nicht nur dem systematischen Zusammenhang von Art. 21 Abs. 1 und 2 EV, sondern auch dem Regelungszweck aufgabenangemessener Ausstattung des Verwaltungsträgers. Dazu muss sichergestellt sein, dass dieser ungehindert auf den für die Aufgabenerfüllung benötigten Vermögenswert zugreifen und zur Aufgabenwahrnehmung über ihn verfügen kann. Bei einer anteiligen Zuordnung wäre dies nicht gewährleistet, weil sie eine zivilrechtliche Bruchteilsgemeinschaft begründen würde, ohne dass die gemeinsame oder parallele Nutzung des Vermögenswertes für die jeweilige Aufgabenerfüllung öffentlich-rechtlich gesichert wäre. Bei kommunalem Verwaltungsvermögen trägt die Zuordnung nach dem Kriterium der überwiegenden Zweckbestimmung überdies dem Selbstverwaltungsrecht gemäß Art. 28 Abs. 2 GG besser Rechnung als eine anteilige Zuordnung. Sie zwingt den bisherigen Mitnutzern keine Bruchteilsgemeinschaft auf, sondern überlässt es ihnen, Abreden zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung oder zur anteiligen Nutzung des Vermögenswertes zu treffen. 35 Der Grundsatz der Zuordnung von Verwaltungsvermögen nach der überwiegenden Zweckbestimmung gilt nicht nur, wenn die jeweiligen Funktionsnachfolger verschiedene Aufgaben erfüllen, sondern auch bei paralleler Wahrnehmung gleicher Aufgaben verschiedener Verwaltungsträger. In diesen Fällen ist der Vermögenswert jedenfalls bei deutlichem Überwiegen der Aufgabenwahrnehmung eines der Verwaltungsträger diesem zuzuordnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 3 C 13.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17 S. 35 <39 a.E.>). 36 Wie sich aus den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz ergibt, war die Deponie bereits nach der Dokumentation zur Investvorentscheidung vom 30. Januar 1976 ganz überwiegend zur Ablagerung von Abfällen aus dem Gebiet der Stadt und des Stadtkreises Sch. - also des Funktionsvorgängers der Klägerin - bestimmt. Das ergibt sich aus dem Verhältnis der Einwohnerzahlen, die der Berechnung des voraussichtlichen Deponiebedarfs der einzelnen Körperschaften zugrunde gelegt wurden. Für die Stadt Sch. ging die Dokumentation zum Investvorbescheid von 130 000 Einwohnern aus, für den Kreis Sch. Land einschließlich der Stadt C. von (26 500 + 5 000 =) 31 500 Einwohnern. Nach den in die Revisionsverhandlung eingeführten, dort mit den Beteiligten erörterten Daten des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern hatten sich die betreffenden Nutzungsanteile bis zum 3. Oktober 1990 nur unwesentlich verändert. An diesem Tag zählte die kreisfreie Stadt Sch. 127 815 Einwohner, der Kreis Sch. Land einschließlich der kreisangehörigen Stadt C. 33 997 Einwohner (Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern, Statistische Berichte, Unterreihe A. IS, Bevölkerungsstand der Kreise und Gemeinden des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Sch. 1990). Zum maßgeblichen Stichtag des Art. 21 Abs. 2 EV diente die Deponie danach zu rund 80 % der Entsorgung von Abfällen aus dem Gebiet der Klägerin und nur zu rund 20 % der Aufgabenerfüllung des Kreises Sch. Land, der einer der Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu 2 war. Auf Verschiebungen der Bevölkerungszahlen und der Nutzungsanteile, die sich nach dem Stichtag durch Abwanderungen aus dem Gebiet der Klägerin und vor allem aus der kommunalen Neugliederung im Zuge der Bildung größerer Landkreise ergeben haben, kommt es für die Zuordnung nach Art. 21 Abs. 2 EV nicht an. 37 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG; wegen des Gegenstandswertes wird auf Satz 2 dieser Vorschrift hingewiesen." bverwg_2018-15,27.03.2018,"Pressemitteilung Nr. 15/2018 vom 27.03.2018 EN Eilantrag zur Verhinderung der Abschiebung eines islamistischen Gefährders nach Tunesien ohne Erfolg Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Eilantrag eines islamistischen Gefährders zur Verhinderung seiner Abschiebung nach Tunesien abgelehnt. Der Antragsteller, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste erstmals 2003 und dann erneut 2015 nach Deutschland ein. Aufgrund eines Auslieferungsersuchens der tunesischen Behörden, in dem ihm u.a. die Beteiligung an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis mit mehreren Toten im März 2015 zur Last gelegt wurde, wurde er festgenommen. Am 1. August 2017 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien wegen (drohender) terroristischer Aktivitäten zugunsten des „Islamischen Staates“ (IS) an. Mit Beschluss vom 19. September 2017 (BVerwG 1 VR 8.17) hat der erkennende Senat einen hiergegen gerichteten Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, es bestehe ein beachtliches Risiko, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begehe. Die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes erfolgte mit der Maßgabe, dass der Antragsteller erst nach Erlangung einer Zusicherung einer tunesischen Regierungsstelle abgeschoben werden darf, wonach im Falle der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer Überprüfung der Strafe mit Aussicht auf Herabsetzung der Strafdauer gewährt wird. Am 21. Dezember 2017 hat der Generalstaatsanwalt von Tunesien eine Erklärung zum strafrechtlichen Sanktionensystem in Tunesien, zur Umwandlung von Todesstrafen in lebenslange Freiheitsstrafen und zur Möglichkeit der Verkürzung von Freiheitsstrafen durch Begnadigung abgegeben. Der Antragsteller soll nunmehr nach Tunesien abgeschoben werden. Hiergegen wendet er sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach Einholung mehrerer Auskünfte des Auswärtigen Amtes hat der Senat die Gefährdungslage nunmehr dahin bewertet, dass dem Vollzug der Abschiebungsanordnung keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegenstehen und es daher keiner förmlichen Zusicherung bedarf. Zwar kann nach den aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes nicht ausgeschlossen werden, dass dem Antragsteller in Tunesien die Verhängung der Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht. Dem Antragsteller droht indes aufgrund des in Tunesien seit Jahren bestehenden Moratoriums, dessen Einhaltung die tunesischen Behörden betont haben, nicht die Vollstreckung der Todesstrafe. Weiter ergibt sich aus einer der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, dass jede Todesstrafe durch Ausübung des Gnadenrechts des Staatspräsidenten in eine lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Für eine lebenslange Freiheitsstrafe bestehen gesetzliche Regeln, wonach der Verurteilte zu gegebener Zeit eine Überprüfung seiner Strafe mit der Aussicht auf Entlassung bewirken kann (Art. 353, 354 der tunesischen Strafprozessordnung). Damit droht dem Antragsteller keine Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden menschenrechtswidrigen Behandlung durch lebenslange Inhaftierung ohne gesetzlich normierte Regeln über eine vorzeitige Wiedererlangung der Freiheit. BVerwG 1 VR 1.18 - Beschluss vom 26. März 2018","Bundesverwaltungsgericht Beschl. v. 26.03.2018, Az.: BVerwG 1 VR 1.18 Abschiebungsschutz für einen tunesischen islamistischen Gefährder bei drohender Verhängung der Todesstrafe im HeimatlandAmtlicher LeitsatzDie drohende Verhängung einer Todesstrafe begründet kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, wenn die Todesstrafe im Zielstaat der Abschiebung stets in eine lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt wird und der Verurteilte eine Überprüfung der Strafe mit Aussicht auf Herabsetzung der Haftdauer bewirken kann. In der Verwaltungsstreitsachehat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichtsam 26. März 2018durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß unddie Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolphbeschlossen: Tenor: 1.Der Beschluss des Senats vom 19. September 2017 (1 VR 8.17) wird wie folgt geändert: ""Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners vom 1. August 2017 anzuordnen, wird abgelehnt."" 2.Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die dem Antragsgegner eine Abschiebung nach Tunesien auf der Grundlage der Verbalnote des Tunesischen Justizministeriums vom 21. Dezember 2017 untersagt, wird abgelehnt. 3.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.4.Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.GründeI1Der Antragsteller, ein 1980 geborener tunesischer Staatsangehöriger, begehrt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung Abschiebungsschutz.2Er reiste erstmals 2003 zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein. Bevor er 2008 ohne Abschluss exmatrikuliert wurde, heiratete er 2005 eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe wurde 2009 geschieden, nachdem ihn seine Ehefrau mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte. 2010 wurde dem Antragsteller eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Im April 2013 wurde er von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Im Februar 2015 wurde der Antragsteller beim illegalen Grenzübertritt in Griechenland angetroffen. Im Juli 2015 wurde er unter dem Namen K. Nk. als angeblich syrischer Flüchtling in Ungarn registriert. Am 13. August 2015 reiste er unter dem Namen K. Vd. als Flüchtling von Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 15. August 2016 wurde er mit auf den Namen K. Fk. ausgestellten Dokumenten in Frankfurt am Main aufgrund eines Auslieferungsersuchens der tunesischen Strafverfolgungsbehörde festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, in Tunesien an der Planung und Umsetzung von terroristischen Anschlägen, so an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis am 18. März 2015 und an einem Angriff auf die tunesische Stadt Ben Guerdane, beteiligt gewesen zu sein. Am 4. November 2016 wurde er aus der Auslieferungshaft entlassen, da die tunesischen Behörden die dem deutschtunesischen Auslieferungsvertrag entsprechenden Unterlagen nicht fristgerecht übersandt hatten. Nach zwischenzeitlichen Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden wurde der Antragsteller am 1. Februar 2017 im Rahmen einer Antiterror-Razzia unter anderem wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Untersuchungshaft genommen. Mit Bescheid vom 9. März 2017 wies ihn die Stadt Frankfurt am Main gestützt auf § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung nach Tunesien an. Einen hiergegen gerichteten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ab. Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Zeitgleich mit dem Eilrechtsschutzantrag gegen die Ausweisungsverfügung stellte der Antragsteller, als er sich bereits zur Abschiebung am Flughafen befand, einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 24. März 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als offensichtlich unbegründet ab. Den hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. April 2017 mit der Maßgabe ab, dass die tunesische Regierung näher benannte Zusicherungen abgibt. In einer Verbalnote vom 11. Juli 2017 versicherte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Tunesischen Republik unter anderem, dass sich die tunesischen Behörden im Rahmen ihrer Verbundenheit mit den demokratischen Werten zur Wahrung der in der neuen tunesischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechte und Grundfreiheiten verpflichten, und betonte, dass Tunesien ungeachtet der in Strafgesetzen angeordneten Todesstrafe diese auf der Grundlage eines Moratoriums nicht vollstrecke. Auf einen weiteren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hin hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Antragsgegner die Abschiebung auf der Basis der Verbalnote vom 11. Juli 2017 untersagt. 3Mit Verfügung vom 1. August 2017 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport auf der Grundlage des § 58a AufenthG die Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien wegen dessen terroristischer Aktivitäten zugunsten des ""Islamischen Staates"" (IS) an. Mit Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - hat der erkennende Senat einen hiergegen gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Er ist auf der Grundlage einer Vielzahl von Erkenntnismitteln davon ausgegangen, dass ein beachtliches Risiko besteht, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begeht (vgl. Beschluss vom 19. September 2017 Rn. 22-38). Die Ablehnung des Rechtsschutzantrags erfolgte mit der Maßgabe, dass zusätzlich zu der Verbalnote vom 11. Juli 2017 eine tunesische Regierungsstelle zusichert, dass im Falle der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer Überprüfung der Strafe mit der Aussicht auf Umwandlung oder Herabsetzung der Haftdauer gewährt wird. Nach Eingang einer Zusicherung des Generalstaatsanwalts (Leiter der Strafverfolgungsbehörden) beim tunesischen Justizministerium vom 21. Dezember 2017 soll der Antragsteller nunmehr nach Tunesien abgeschoben werden. 4Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem neuerlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 3. Januar 2018 mit der Begründung, die Zusicherung vom 21. Dezember 2017 genüge nicht den von dem Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19. September 2017 aufgestellten Anforderungen. Der Senat hat mit Verfügungen vom 25. Januar 2018, 12. Februar 2018 und 14. März 2018 ergänzende Auskünfte des Auswärtigen Amtes eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 3., 16., 23. und 25. Januar 2018, 11. und 16. Februar 2018, 14. und 26. März 2018 (nebst Anlagen) verwiesen.II5Der Senat nimmt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem Antragsgegner eine Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien zu untersagen, mit Blick auf die in diesem Verfahren (über den Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht) abgegebene Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern vom 12. Januar 2018 (Bl. 57 ff. der Gerichtsakte) und die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 (Bl. 225 ff. der Gerichtsakte), vom 7. März 2018 (Bl. 409 ff. der Gerichtsakte) sowie vom 20. März 2018 (Bl. 556 ff. der Gerichtsakte) zum Anlass, nach § 80 Abs. 7 VwGO seinen Beschluss vom 19. September 2017 zu ändern und von einer Maßgabe abzusehen (1.). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, weil es auf das Vorliegen einer förmlichen Zusicherung, die der aufgehobenen Maßgabe entspricht, nicht mehr ankommt und sich der Antragsteller auch in der Sache nicht auf ein Abschiebungsverbot berufen kann (2.). 61. Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Gegenstand dieses Abänderungsverfahrens ist die Prüfung, ob eine zuvor im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffene gerichtliche Entscheidung über die Bestätigung oder Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts ganz oder teilweise geändert oder aufgehoben werden soll. Dabei geht es nicht um die ursprüngliche Richtigkeit der im vorangegangenen Verfahren getroffenen Entscheidung, sondern um den Fortbestand der im Aussetzungsverfahren getroffenen Eilentscheidung. Prüfungsmaßstab ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die aufschiebende Wirkung geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2016 - 4 VR 13.16 - BauR 2016, 1770 Rn. 6 m.w.N.). Es ist grundsätzlich nur über die Aufrechterhaltung des verfügenden Teils der ursprünglichen Aussetzungsentscheidung zu befinden (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 190 f.). Während § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die besonderen Voraussetzungen für die Statthaftigkeit eines Abänderungsantrags eines Beteiligten bestimmt, regelt § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO die Aufhebungs- und Änderungskompetenz von Amts wegen. Die Abänderung von Amts wegen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts der Hauptsache, das nach den gleichen Grundsätzen auszuüben ist, wie sie für das Verfahren bezüglich der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgebend sind. Gemessen hieran war der Senat zur Abänderung seines Beschlusses vom 19. September 2017 befugt. 7Der Senat ist auf der Grundlage der eingeholten Auskünfte und Erklärungen tunesischer Stellen nunmehr davon überzeugt, dass dem Vollzug der Abschiebungsanordnung keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegenstehen. Auf die Zusicherung der Möglichkeit einer Überprüfung einer (etwaigen) lebenslangen Freiheitsstrafe mit der Aussicht auf Umwandlung und Herabsetzung der Haftdauer kann daher verzichtet werden. Diese Auskünfte und Erklärungen sind im Rahmen der Prüfung, ob an dem Erfordernis einer förmlichen Zusicherung in dem Beschluss vom 19. September 2017 festzuhalten ist, unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie den Anforderungen an die in jenem Beschluss geforderte Zusicherung entsprechen; entscheidend ist, ob sich der Antragsteller auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot berufen kann, weil ihm in Tunesien eine gegen Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstoßende Behandlung droht. Dies ist nicht der Fall, so dass auch die Maßgabe in dem Beschluss vom 19. September 2017 aufzuheben ist. Der Antragsteller ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.8a) Der Senat sieht allerdings weiterhin eine beachtliche Wahrscheinlichkeit (""real risk""), dass dem Antragsteller die Verhängung der Todesstrafe, die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe droht.9aa) Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 und dem dieser beigefügten Schreiben des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018 werden dem Antragsteller folgende Taten zur Last gelegt:10(1) Dem Fahndungsersuchen der tunesischen Strafverfolgungsbehörden vom 11. Juli 2016 liegt der Haftbefehl Nr. 1240/36 vom 3. Juni 2016 zugrunde. Dem Ersuchen zufolge soll der Antragsteller Planer und Organisator des Anschlags auf das Bardo-Museum und des Versuchs, die Stadt Ben Guerdane zu erobern, gewesen sein. Hierfür sieht das Gesetz Nr. 25 aus dem Jahr 2015 eine Freiheitsstrafe von maximal 20 Jahren vor (vgl. Ziffer 1 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018).11Mit Entscheidung vom 21. Juni 2017 hat der tunesische Ermittlungsrichter die diesbezüglichen Ermittlungen abgeschlossen, die begangenen Handlungen als Verbrechen bewertet und die Sache an die Anklagekammer überwiesen. Nach dieser Entscheidung kann gemäß Art. 72 des tunesischen Strafgesetzbuchs (CP) die Todesstrafe verhängt werden, die jedoch aufgrund eines Moratoriums nicht angewendet wird (vgl. Ziffer 3 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018).12(2) Dem Auslieferungs- und Festnahmeersuchen von 2016, dem der internationale Haftbefehl vom 5. September 2016 - Az: 36/1240 - zugrunde liegt, ist eine Anklageschrift des stellvertretenden Staatsanwalts bei der Juristischen Abteilung für Terrorismusbekämpfung beim erstinstanzlichen Gericht in Tunis beigefügt, wonach dem Antragsteller unter anderem Tötungsdelikte, gemeingefährliche Delikte, Gewaltdelikte, illegaler Bombenbau, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Planung von Terrorakten vorgeworfen werden. Das Auslieferungsersuchen war ursprünglich darauf gestützt, dass der Antragsteller im Jahr 2013 Tunesien in Richtung Syrien verlassen und sich dort dem IS-Terrornetzwerk angeschlossen habe. Zudem habe er den Messenger-Dienst Telegram genutzt, um Sympathisanten des Terrornetzwerks ""IS"" anzuwerben und potentielle terroristische IS-Anhänger nach Syrien zu schleusen. Die Tatvorwürfe wurden später dahingehend ergänzt, der Antragsteller habe einem verdeckten Ermittler (""W."") den Plan anvertraut, einen Sprengstoffanschlag auf eine Kaserne in El-Gorjani oder auf einen Stützpunkt der tunesischen Nationalgarde in El-Aouina zu verüben, und sich gegenüber dem verdeckten Ermittler bereit erklärt, einen Bombenexperten zu beherbergen sowie Mord- und Bombenanschläge in Tunis zu verüben. Die Strafbarkeit ergebe sich aus dem Antiterrorismusgesetz vom 7. August 2015 (LAT), dem tunesischen Strafgesetzbuch sowie dem Waffengesetz. Wegen dieser Delikte drohe eine Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren (vgl. Ziffer 2 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018).13(3) Dem Fahndungsersuchen vom 25. Januar 2018 zufolge, dem der Haftbefehl vom 3. November 2017 - Az: 2379/12 - zugrunde liegt, soll der Antragsteller unter anderem im Jahr 2015 Personen dabei behilflich gewesen sein, nach Syrien zu reisen, um sich der Terrororganisation ""Islamischer Staat"" anzuschließen. Dem Antragsteller werden in diesem Zusammenhang insbesondere Aufruf zur Begehung terroristischer Straftaten und Zugehörigkeit zu einer Terrororganisation, Störung der öffentlichen Ordnung, des Friedens oder der internationalen Sicherheit in Tunesien oder im Ausland und Verwendung des Terrorismus als Mittel zur Erreichung seiner Ziele zur Last gelegt. Rechtliche Grundlage sind Art. 32 CP und verschiedene Bestimmungen des Antiterrorismusgesetzes. Wegen dieser Taten drohe eine ""lebenslange Freiheitsstrafe von maximal 20 Jahren"" (vgl. Ziffer 4 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018).14(4) Ferner ergibt sich aus einer Auskunft der Justizkommission zu Tunis vom 23. August 2016, dass gegen den Antragsteller vier Haftbefehle vorliegen, wonach er unter anderem im Fokus von Ermittlungen der Anti-Terror-Einheit der Polizei und der regionalen Abteilung für Terrorismusbekämpfung stand. Die betreffenden Straftaten ermöglichten die Verhängung einer Freiheitsstrafe von höchstens zwölf Jahren (vgl. Ziffer 5 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018).15bb) Unter Würdigung der unter aa) (1) bis (4) näher bezeichneten Strafverfolgungsmaßnahmen sieht der Senat weiterhin eine beachtliche Wahrscheinlichkeit (""real risk""), dass gegen den Antragsteller die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird. Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass die in Ziffer 2. d) des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018 genannten Art. 90 und 91 LAT Verjährungsvorschriften betreffen und nicht den Strafrahmen bezeichnen und daher die angegebene Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu 30 Jahren) nicht zutreffen kann. Da die dem Antragsteller unter Ziffer 2. c) des aufgeführten Schreibens zur Last gelegten Taten unter anderem auch Tötungsdelikte und Gewaltdelikte umfassen, ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass ihm insoweit die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe droht. Denn Art. 14 LAT sieht bereits bei dem Versuch der Tötung eines Menschen die Todesstrafe und bei Gewalttätigkeiten eine lebenslange Freiheitsstrafe vor (vgl. Anlage 4 der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 sowie Ziffer 3 des Schreibens des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018). Vor dem Hintergrund des in Tunesien praktizierten Moratoriums (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 17) mündet auch eine verhängte Todesstrafe aufgrund der Umwandlung anlässlich einer Begnadigung in eine lebenslange (oder zeitige) Freiheitsstrafe ein (vgl. dazu unten b)).16b) Die drohende Verhängung der Todesstrafe begründet im Fall des Antragstellers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Dem Antragsteller droht weder die Vollstreckung der Todesstrafe (aa) noch die faktische lebenslange Inhaftierung ohne Überprüfungsmöglichkeit infolge der Nichtvollstreckung der Todesstrafe (bb).17aa) Es steht nicht zu befürchten, dass eine gegen den Antragsteller etwaig verhängte Todesstrafe vollstreckt würde. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des in Tunesien seit Jahren bestehenden Moratoriums und der Ausführungen in der Verbalnote des tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 fest (vgl. Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - Rn. 48 ff.; siehe auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 und vom 20. März 2018 ). 18bb) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegt auch insoweit nicht vor, als dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet ist, die nicht vollstreckte Todesstrafe, die faktisch wie eine lebenslange Freiheitsstrafe wirkt, mit der Aussicht auf Entlassung überprüfen zu lassen. 19Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verbietet die Europäische Menschenrechtskonvention grundsätzlich nicht, einen erwachsenen Straftäter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Ebenso wenig verstößt es gegen die Konvention, wenn ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter seine Strafe bis zu seinem Lebensende verbüßen muss. Gegen Art. 3 EMRK kann indes eine de jure und de facto nicht reduzierbare lebenslange Freiheitsstrafe verstoßen (EGMR , Urteil vom 12. Februar 2008 - Nr. 21906/04, Kafkaris/Zypern - Rn. 97). Reduzierbar in diesem Sinne ist eine lebenslange Freiheitsstrafe dann, wenn sie überprüft werden kann und eine Aussicht auf Entlassung für den Gefangenen besteht (EGMR , Urteil vom 9. Juli 2013 - Nr. 66069/09, 130/10 und 3896/10, Vinter u.a./U.K. - Rn. 110 ff.). Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte des Weiteren festgestellt hat, kann ein Gefangener nur in Haft gehalten werden, solange es legitime Strafgründe für die Inhaftierung gibt, die Bestrafung, Abschreckung, Schutz der Öffentlichkeit und Resozialisierung einschließen (EGMR , Urteile vom 26. April 2016 - Nr. 10511/10, Murray/Niederlande - Rn. 100 und vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08, Hutchinson/U.K. - Rn. 42). Die Überprüfung, die erforderlich ist, damit eine lebenslange Freiheitsstrafe reduzierbar ist, soll den innerstaatlichen Behörden erlauben zu erwägen, ob eine Änderung des Gefangenen und ein Fortschritt in Richtung seiner Resozialisierung von solcher Bedeutung sind, dass die weitere Inhaftierung nicht länger durch legitime Strafgründe gerechtfertigt ist (EGMR, Urteil vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 115; EGMR , Urteil vom 26. April 2016 - Nr. 10511/10, Murray/Niederlande - Rn. 100). Außerdem haben zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte ein Recht darauf, schon bei Strafantritt zu wissen, was sie tun müssen, um für eine Entlassung in Betracht gezogen zu werden, und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist (EGMR, Urteile vom 20. Mai 2014 - Nr. 73593/10, László Magyar/Ungarn - Rn. 53 und vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 115; EGMR , Urteil vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08, Hutchinson/U.K. - Rn. 44). Es bedarf mithin objektiver und vorher bestimmter Kriterien, unter welchen Voraussetzungen eine Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht kommt. 20Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob es im Falle der (isolierten) Verhängung einer Todesstrafe rechtlich geboten ist, diese (nicht vollstreckte) Todesstrafe wie eine lebenslange Freiheitsstrafe zu behandeln, und daher die eben dargestellten Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anzuwenden sind. Der Gerichtshof hat sich bisher zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäußert. In der Rechtssache Kaboulov/Ukraine (Urteil vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04 - Rn. 99 ff.) hat er seine rechtliche Prüfung bei einer aufgrund eines Moratoriums nicht vollstreckten Todesstrafe indes nicht auch darauf erstreckt, ob die (faktisch) als lebenslange Freiheitsstrafe anzusehende Strafe konventionskonform ist. Selbst wenn man die nicht vollstreckte Todesstrafe wie eine lebenslange Freiheitsstrafe behandeln würde und wie bei einer solchen die Möglichkeit der Überprüfung der Strafe und Aussicht auf Entlassung voraussetzen müsste, stünde dies hier der Abschiebung nicht entgegen. Der Antragsteller hat nämlich auch für den Fall der Verhängung der Todesstrafe im Ergebnis eine hinreichende, dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 3 EMRK angestrebten Schutzniveaus genügende Gewähr, dass er eine Überprüfung seiner Strafe bewirken kann. 21Dies folgt aus dem in den Art. 353 und 354 der tunesischen Strafprozessordnung (CPP) verankerten Recht auf eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung in Kombination mit dem in den Art. 371 und 372 CPP statuierten Begnadigungsrecht des Staatspräsidenten.22Der Senat verkennt nicht, dass - im Falle einer verhängten Todesstrafe - sich eine hinreichende Überprüfungsmöglichkeit nicht allein aus den Art. 353 und 354 CPP ergibt. Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:Art. 353Jedem, der zu einer oder mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden ist und durch sein Verhalten in der Haft seine Änderung unter Beweis gestellt hat oder dessen Entlassung als im Interesse der Gemeinschaft beurteilt wurde, kann die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung eingeräumt werden.Art. 354Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung kann nur verurteilten Personen gewährt werden, die bereits einen Bruchteil der Strafe oder die Gesamtstrafe verbüßt haben, gleich oder größer als1) nach Verbüßung der Hälfte der Strafdauer für die Erstverurteilten. Die Dauer der von der verurteilten Person verbüßten Strafe darf jedoch nicht weniger als drei Monate betragen;2) nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafdauer für verurteilte Personen mit Vorstrafen. Die Dauer der von der verurteilten Person verbüßten Strafe darf jedoch nicht weniger als sechs Monate betragen. ""Die Bewährungszeit beträgt fünfzehn Jahre für diejenigen, die zu lebenslanger Haft verurteilt werden.""(Geändert durch Artikel 3 des Gesetzes Nr. 89-23 vom 27. Februar 1989).23Nach diesen Bestimmungen kann ein in Tunesien zu einer Freiheitsstrafe Verurteilter (auf entsprechenden Antrag des Häftlings oder seines Bevollmächtigten hin) auf Bewährung freigelassen werden, wenn dieser durch sein Verhalten in der Haft seine Änderung unter Beweis gestellt hat (""gute Führung"") oder die Entlassung im Interesse des Gemeinwohls liegt.24Sie genügen den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an die Überprüfbarkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Es bestehen objektive und vorher bestimmte Kriterien, die der Betroffene bereits bei Verhängung der Freiheitsstrafe kennt. Diese Kriterien knüpfen unter anderem auch an eine erfolgte Resozialisierung an. Die Art. 353, 354 CPP gelten gemäß Art. 4 LAT auch für Personen, die auf der Grundlage des Antiterrorismusgesetzes vom 7. August 2015 verurteilt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 S. 2 f.< Bl. 225 ff. der Gerichtsakte> und Schreiben des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018, Anlage 1 der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 ). Das Auswärtige Amt hat zudem mitgeteilt, dass von dieser Möglichkeit der Strafrestaussetzung in der Praxis auch Gebrauch gemacht wird. Damit besteht auch de facto für nach dem Antiterrorismusgesetz vom 7. August 2015 verurteilte Personen die Möglichkeit, einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung zu stellen und die Freiheit wiederzuerlangen.25Ausweislich des Wortlauts der Art. 353 und 354 CPP und der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 (S. 2) finden diese Vorschriften jedoch nur auf Personen Anwendung, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Im Falle einer verhängten Todesstrafe - wie sie für den Antragsteller im Raum steht - sind diese Normen nicht unmittelbar anwendbar. Die Strafaussetzungsvorschriften kommen dem Antragsteller aber nach der Überzeugung des Senats in der Sache deshalb zugute, weil Todesstrafen im Wege der Begnadigung (Art. 371 f. CPP) früher oder später in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 S. 2). Die Todesstrafe wird durch einen formellen Gnadenakt, der durch den Präsidenten der Republik Tunesien ausgeübt wird, in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Dies gilt nach der Auskunftslage für jede verhängte Todesstrafe. Jedes Todesurteil wird zwingend und automatisch dem tunesischen Justizministerium übermittelt, das nach Anhörung der Gnadenkommission dem Staatspräsidenten einen Bericht zur Ausübung seines Gnadenrechts zuleitet. Durch den Gnadenakt wird die Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2018, Bl. 556 f. Gerichtsakte). Nach der Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe finden die Art. 353 und 354 CPP Anwendung und eröffnen die bereits für ausreichend befundene Überprüfungsmöglichkeit. 26Art. 372 CPP räumt dem tunesischen Staatspräsidenten auf der Grundlage des Berichts des Staatssekretärs für Justiz nach Anhörung der Gnadenkommission das Recht zur Begnadigung ein. Dieses Recht bezieht sich nach Art. 371 CPP sowohl auf die Umwandlung einer Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe als auch auf die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung. Für die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung besteht das Begnadigungsrecht neben und ergänzend zu den Vorschriften der Art. 353 und 354 CPP.27Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 (S. 4), die sich auf Erkenntnisse der Deutschen Stiftung für Internationale rechtliche Zusammenarbeit stützt, wurden im Zeitraum von September 2014 bis Juli 2015 im Wege der Begnadigung in folgendem Umfang die Reststrafe von Gefangenen zur Bewährung ausgesetzt:ZeitraumAnträge gestelltAbgelehnte AnträgeGenehmigte Anträge16.09. -30.10.201420812Nov. 201419163Dez. 2014972Jan. 201514410Feb. 2015211011März 2015330April 201526818Mai 201529323Juni 201531823Juli 20151551028Zudem wurden nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 (S. 4), die sich auf eine offizielle Mitteilung des tunesischen Justizministeriums stützt, in jüngerer Zeit folgende Fälle präsidentieller Begnadigungen bekannt:13.01.2017: 3 706 Gefangene20.03.2017: 1 433 Gefangene14.01.2018: 1 389 Gefangene29Die letztgenannte Zahl wird durch Presseberichte bestätigt, wonach Präsident Beji Caid Essebsi am 14. Januar 2018 bei 1 389 Häftlingen per Gnadenerlass die Haftstrafen reduzierte beziehungsweise bei 459 Personen einen vollständigen Straferlass unterzeichnete (https://www.maghreb-post.de/gesellschaft/tunsien-feierlichkeiten-in-erinnerung-an-jasmine-revolution/).30Des Weiteren bezieht sich die Begnadigungspraxis auch auf die Umwandlung von Todesstrafen in lebenslange Freiheitsstrafen. Aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 (S. 2) geht hervor, dass als Folge des Moratoriums Begnadigungen auch bei Verurteilungen zum Tode nicht nur möglich sind, sondern der ""gängigen Rechtspraxis"" entsprechen, und zwar auch im Falle von aufgrund terroristischer Delikte verurteilten Straftätern (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 S. 3). Nach den Erläuterungen des ""Chef du Cabinet"" des tunesischen Justizministers besteht in Tunesien Konsens darüber, dass in der Praxis Todesurteile durch Gnadenentscheidungen des Staatspräsidenten als lebenslange oder gar zeitige Freiheitsstrafen behandelt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018 S. 2).31Das tunesische Justizministerium hat in seinem Schreiben vom 1. März 2018 (S. 1, Anlage 1 der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2018) über Gespräche unter anderem mit Vertretern des deutschen Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ausgeführt, dass im Jahr 2012 insgesamt 122 Todesurteile in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt worden sind. Unter den Begünstigten befanden sich auch wegen terroristischer Straftaten Verurteilte. Wie dargelegt finden auf diesen Personenkreis sowohl die Vorschriften über die vorzeitige Haftentlassung nach den Art. 353 f. CPP Anwendung als auch die vorzeitige Haftentlassung im Wege der Begnadigung gemäß Art. 371 f. CPP. An der Richtigkeit der diesbezüglichen Auskunft des Auswärtigen Amtes hegt der Senat keine Zweifel. Der Antragsteller macht insoweit unter Vorlage eines Ausschnitts aus der Zeitschrift ""Leaders"" vom 10. Mai 2013 (vgl. Anlage A 13 des Schriftsatzes des Antragstellers vom 11. Februar 2018 ) zwar geltend, dass die meisten der 122 begnadigten Personen nicht wegen terroristischer Straftaten, sondern in Verschwörungsfällen gegen die Staatssicherheit zum Tode verurteilt worden seien. Dies vermag nach Überzeugung des Senats die Auskunft des Auswärtigen Amtes aber nicht zu entkräften. Denn die in Art. 14 ff. LAT aufgeführten terroristischen Straftaten umfassen auch Delikte gegen die innere und äußere Staatssicherheit. (z.B. Verursachung von Schäden am Sitz einer diplomatischen, konsularischen oder internationalen Organisation; Schädigung lebenswichtiger Ressourcen, Infrastruktur, Verkehrs- und Kommunikationseinrichtungen, vgl. Art. 14 LAT).32Dass bislang keine Begnadigungen von Häftlingen erfolgt sind, die wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorismus nach dem neuen Antiterrorismusgesetz zum Tode verurteilt wurden, steht der Annahme einer künftigen Anwendung der generellen Rechtspraxis der Begnadigung mit der Folge der Umwandlung von Todesstrafen in lebenslange Freiheitsstrafen auch in Bezug auf diesen Personenkreis nicht entgegen. Dies ist nach Auffassung des Senats darauf zurückzuführen, dass die entsprechenden Verurteilungen neueren Datums sind und es für Begnadigungen nur wenige Jahre nach Einführung des Antiterrorismusgesetzes ersichtlich noch zu früh ist. Da dieses Gesetz erst seit dem 7. August 2015 in Kraft ist und bei einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ein Antrag auf Strafaussetzung gemäß den Art. 353 und 354 CPP frühestens nach 15 Jahren Haft gestellt werden kann, können noch keine Präzedenzfälle zu diesem Gesetz vorliegen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 S. 4; Schreiben des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018 S. 1). Darüber hinaus entspricht es wie dargelegt Art. 4 LAT i.V.m. Art. 371 f. CPP, dass das Begnadigungsrecht des Staatspräsidenten für nach dem Antiterrorismusgesetz verurteilte Straftäter gilt (vgl. Schreiben des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018 S. 1).33Soweit in dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 (S. 12) ausgeführt wird, dass von dem Begnadigungsrecht Personen ausgenommen seien, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden sind, wird dies in den jüngsten Auskünften des Auswärtigen Amtes aktualisierend korrigiert. Dem Lagebericht habe eine Äußerung aus dem politischen Raum zugrunde gelegen, die den tunesischen Staatspräsidenten aber nicht binden könne (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 S. 3; vgl. auch Schreiben des tunesischen Justizministeriums vom 1. März 2018 S. 1).34Diese Auskunftslage widerspricht nicht den in mehreren von dem Antragsteller vorgelegten Zeitungsartikeln (u.a. Zeitschrift ""Die Araber"" vom 12. Dezember 2017, ""AL-Ittihad"" vom 12. Dezember 2017 und ""assabah"" vom 9. Dezember 2017; Anlagen zu den Schriftsätzen vom 11. Februar 2018 und 26. März 2018) enthaltenen Meldungen, wonach ein Berater des tunesischen Staatspräsidenten oder auch dessen Staatssekretär geäußert haben sollen, dass einem terroristischen Straftäter keine Amnestie gewährt werden könne, wobei in einem Fall auch der Name des Antragstellers erwähnt worden sein soll. Zum einen schließt eine Amnestie, die auch schon vor einer Verurteilung ergehen kann, nicht eine individuell ergehende präsidentielle Gnadenentscheidung nach einer strafgerichtlichen Verurteilung und Verbüßung eines nennenswerten Teiles der Strafe aus. Zum anderen kann auch eine von einem Dritten geäußerte Auffassung den Staatspräsidenten nicht binden und eine von diesem geübte Rechtspraxis infrage stellen. Schließlich können die Aussagen auch dahin ausgelegt werden, dass derzeit keine Amnestie für terroristische Straftäter in Betracht komme und auch der Antragsteller hierzu gerechnet werde. Das sagt noch nichts darüber aus, dass eine Gnadenentscheidung nach Verstreichen eines Zeitraums möglich ist, der der 15-jährigen ""Bewährungszeit"" (im Sinne von Mindestverbüßungsdauer) nach Art. 354 CPP entspricht. Der Senat folgt auch in Ansehung anders lautender oder auslegbarer Pressemeldungen der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2018, wonach ""jede verhängte Todesstrafe"" durch Gnadenakt des Staatspräsidenten in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt wird (Antwort auf Frage 2). Das Auswärtige Amt kann über seine Botschaft in Tunesien die Rechtslage und deren tatsächliche Umsetzung kompetent beurteilen, der Senat hat das Auswärtige Amt auf Widersprüche hingewiesen, wie sie sich aus seinem von dem Antragsteller angeführten Lagebericht vom 16. Januar 2017 und Äußerungen tunesischer Stellen (u.a. des Leiters der Abteilung für Strafrecht und Internationale Zusammenarbeit im tunesischen Justizministerium N. nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2018 S. 3) ergeben. Das Auswärtige Amt hat mit seiner Auskunft vom 20. März 2018 dazu klar Stellung bezogen und ausgesagt, dass jede verhängte Todesstrafe in eine lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Der Senat hat keinen durchgreifenden Anlass, an dieser eindeutigen Aussage zu zweifeln.35Auch die mit Schriftsatz des Antragstellers vom 14. März 2018 vorgelegten Zeitungsartikel vom 19. Oktober 2013, 13. Januar 2015 und 11. Dezember 2016 (Bl. 532 ff. der Gerichtsakte) sowie die mit Schriftsatz vom 26. März 2018 eingereichten Zeitungsartikel (Bl. 575 ff. der Gerichtsakte) stehen der Anwendung der generellen Rechtspraxis auf die Begnadigung von Häftlingen, die wegen terroristischer Straftaten zum Tode verurteilt wurden, nicht entgegen. Teilweise beziehen sich diese Presseartikel auf Personen, die (noch) nicht verurteilt worden sind (z.B. Untersuchungsgefangene), oder auf ein Absehen von Verfolgung insgesamt. Dass sich in den Jahren 2013, 2015 und 2016 unter den begnadigten Personen keine wegen terroristischer Taten verurteilten Gefangenen befanden, sagt zudem nichts darüber aus, ob in den kommenden Jahren solche Begnadigungen - als Einzelakt oder im Rahmen einer Amnestie - bezüglich Personen ausgesprochen werden, die nach strafgerichtlicher Verurteilung einen nennenswerten Teil der Strafe verbüßt haben. Zudem folgt aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. März 2018 (Bl. 556 der Gerichtsakte), dass jede verhängte Todesstrafe durch einen formellen Gnadenakt des Präsidenten in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt wird, mithin also auch solche Todesstrafen, die gegen terroristische Straftäter verhängt werden. Dem widerstreitet auch nicht die dem tunesischen Staatspräsidenten in den Presseartikeln vom 9. und 11. Dezember 2016 zugeschriebene Aussage, ""er verweigere kategorisch die Gnade für tunesische Terroristen, die in den Reihen der Terrororganisationen wie 'Al Qaida' und 'Daesh' kämpf[t]en""; das von diesem abgelehnte ""Gesetz der Reue"" bezieht sich zudem nicht auf bereits verurteilte Personen, wenn betont wird, dass ""man diese Verbrecher vor die Gerichte/Justiz stellen muss"". Diese Aussage widerstreitet nicht der Praxis der Umwandlung einer verhängten Todesstrafe in eine der Strafaussetzung gemäß den Art. 353 und 354 CPP zugängliche lebenslange Freiheitsstrafe. Diese Praxis liegt in der Logik des von dem tunesischen Staat seit dem Jahr 1991 beachteten Moratoriums betreffend die Vollstreckung der Todesstrafe.36Ebenso wenig streitet gegen die hier vorgenommene Bewertung der Erkenntnislage durch den Senat, dass das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 7. Februar 2018 Folgendes ausgeführt hat (S. 3 zu Frage II.1.): ""Das präsidentielle Begnadigungsrecht (Art. 371 ff. CPP) findet nach den vorgenannten Vorschriften auch auf Personen Anwendung, die nach dem Antiterrorismusgesetz verurteilt wurden. Allerdings wurde Justizminister J. im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Reform dieses Rechts zuletzt im Januar 2017 zitiert, dass man weiterhin an der Nichtbegnadigung von Terroristen festhalten werde (s.a. entsprechender Hinweis im Asyllagebericht der Botschaft). Dies war allerdings eine politische Äußerung, die den Präsidenten nicht präjudizieren kann. In der Vergangenheit hat es laut Auskunft von Herrn N. Begnadigungen von aufgrund terroristischer Taten verurteilten Straftätern in Tunesien gegeben. Herr N. betonte ferner ausdrücklich, dass in keiner Weise vorherzubestimmen sei, wie über ein Begnadigungsersuchen in vielen Jahren entschieden werde. Der Wegfall des Gefühls der terroristischen Bedrohung könne sicherlich dazu beitragen, dies eher ins Auge zu fassen."" Dies bedeutet entgegen der persönlichen Einschätzung des Leiters der Abteilung für Strafrecht und Internationale Zusammenarbeit im tunesischen Justizministerium N. nicht, dass auch eine Umwandlung einer Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe dauerhaft ausgeschlossen oder ungewiss sei. Die Strafaussetzung einer umgewandelten Todesstrafe ist dann aber nicht nur nach den Regeln des Gnadenrechts möglich, sondern rechtlich vorherbestimmt durch die Art. 353 f. CPP.37Auf dieser Erkenntnisbasis erfüllt auch der - bei zum Tode Verurteilten - zunächst erforderliche Gnadenakt des Präsidenten die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an die Überprüfbarkeit einer (hier nach erwartbarer Umwandlung einer etwa verhängten Todesstrafe) lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits betont, dass eine Begnadigung nicht von vornherein untauglich ist, um dem Verurteilten eine Chance auf Wiedererlangung der Freiheit einzuräumen (EGMR, Urteil vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 137). Vielmehr hat er unter Berufung auf die Doktrin des Beurteilungsspielraums (""margin of appreciation"") darauf verwiesen, dass es nicht seine Aufgabe sei vorzuschreiben, in welcher Form die Überprüfung stattzufinden habe (EGMR, Urteil vom 9. Juli 2013 - Nr. 66069/09, 130/10 und 3896/10, Vinter u.a./U.K. - Rn. 120). Erforderlich ist aber, dass vorhersehbar ist, unter welchen Voraussetzungen von diesem Gnadenrecht Gebrauch gemacht wird beziehungsweise werden kann. Es bedarf objektiver und vorher bestimmter Kriterien (s.o.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Werden alle Todesurteile - wie es in Tunesien der Fall ist - in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt, ist für den Betroffenen bereits bei der Verurteilung absehbar, dass sein Todesurteil, dessen Vollstreckung er wegen des Moratoriums von Anbeginn nicht zu befürchten hat, - früher oder später - auch formell in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt werden wird und er danach die Möglichkeit der Bewährung unter den vorgesehenen Bedingungen (Art. 353 und 354 CPP) hat. Dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgestellten Grundsatz, wonach ein zu lebenslanger Haft verurteilter Gefangener ein Recht hat, von Anfang an zu wissen, was er tun muss, um für eine Entlassung in Betracht gezogen zu werden und unter welchen Bedingungen diese erfolgen kann, einschließlich der Frage, wann eine Überprüfung stattfindet oder beantragt werden kann (EGMR, Urteil vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 115; EGMR , Urteil vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08, Hutchinson/U.K. - Rn. 44), wird hier Rechnung getragen. Wie sich aus dem tunesischen Begnadigungsrecht ergibt, kann der Staatspräsident, nachdem ihm das Justizministerium einen Bericht zur Ausübung seines Gnadenrechts zugeleitet hat, jederzeit die Begnadigung aussprechen. Hieraus folgt, dass es dem Verurteilten freisteht, jederzeit eine Überprüfung seiner Haft zu beantragen. Zudem ergibt sich aus Art. 354 CPP, dass die ""Bewährungszeit"" (im Sinne von Mindestverbüßungsdauer) für Personen, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, 15 Jahre beträgt. Diese Regelung bietet einen Anhaltspunkt auch für die Ausübung des Begnadigungsrechts. Wie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entnehmen ist, entspricht eine solche Vorgehensweise dem geforderten Überprüfungsmechanismus. Der Gerichtshof führt aus, dass es ihm nicht zustehe, darüber zu spekulieren, wie effektiv ein solches System, das ein Mindestmaß an Regulierung aufweist, in der Praxis generell funktionieren mag (EGMR , Urteil vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08 - Hutchinson/U.K. - Rn. 69):""Turning to the facts of the present case, the Court does not consider that the concern expressed in Vinter regarding indeterminacy, and the repercussions of this for a whole life prisoner (Vinter and Others, cited above, § 122) can be said to arise for the applicant at present. As is stated in section 30 of the 1997 Act, the Secretary of State may order release 'at any time'. It follows, as the Government have confirmed, that it is open to the applicant to trigger, at any time, a review of his detention by the Secretary of State. It is not for the Court to speculate as to how efficiently such a system, which has minimum regulation, might generally operate in practice. It is the individual situation of the applicant that is the focus of these proceedings, and he has not suggested that he is prevented or deterred from applying to the Secretary of State at any time to be considered for release. Before concluding, though, the Court refers once again as it did in the Vinter case to the relevant comparative and international materials that show 'clear support for the institution of a dedicated mechanism guaranteeing a review no later than twenty-five years after the imposition of a life sentence, with further periodic reviews thereafter' (Vinter and Others, cited above, § 120; see more recently and in the same sense Murray, cited above, § 99).""38Bei dieser besonderen Ausgangslage ist hier auch hinzunehmen, dass es - soweit ersichtlich - an normierten Vorgaben fehlt, in welcher Art und Weise von dem Begnadigungsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Die über eine lange Zeit gebildete Praxis bietet eine hinreichend verlässliche Gewähr für die Umwandlung in eine lebenslange Freiheitsstrafe. Eine absolute Sicherheit ist nicht zu fordern, weil es eine solche nicht geben kann. Selbst wenn das Begnadigungsverfahren eine dezidierte rechtliche Ausgestaltung erfahren hätte, wäre nicht sicher auszuschließen, dass die entsprechenden Regelungen zukünftig geändert werden. Ebenso wenig wie mit der Abschaffung des Moratoriums zu rechnen ist, ist auch nicht davon auszugehen, dass die über lange Jahre geübte Begnadigungspraxis geändert wird. Hierfür gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.39Dem steht das Vorbringen des Antragstellers nicht entgegen, demzufolge die Vorschriften der Art. 353 f. CPP bisher in der Praxis noch nicht angewendet wurden, sondern Strafumwandlungen oder -erlasse immer durch Gnadenentscheidungen des Präsidenten erfolgten. Denn ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter hat Anspruch auf Überprüfung der Haftfortdauer nach jenen Vorschriften. Wenn seinem Anliegen in der Praxis jeweils durch Begnadigung Rechnung getragen wird, stellt das die praktische Wirksamkeit der gesetzlichen Regelungen der tunesischen Strafprozessordnung nicht infrage.40Auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (in Auslieferungsfällen bei drohender Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe) verlangt, dass in dem Rechtssystem des ausländischen Staates jedenfalls eine praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit bestehen muss. Verfahrensrechtliche Einzelheiten, mit denen diese praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit in Deutschland gestärkt und gesichert wird, müssen dafür nicht erfüllt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 2010 - 2 BvR 2299/09 - BVerfGK 16, 491 = juris Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2259/04 - BVerfGE 113, 154 = juris Rn. 31). Maßgeblich ist nur, dass in einem anderen Rechtssystem jedenfalls eine praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht. Dabei kommt es auf die Gesamtbeurteilung der Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrens an. Es besteht auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Begnadigung in einem justizförmigen Verfahren, sofern das Begnadigungsrecht eine praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit eröffnet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2259/04 - BVerfGE 113, 154 = juris Rn. 38). Diesen Anforderungen genügen die Art. 353 und 354 CPP und die Art. 371 und 372 CPP in ihrer konkreten Anwendung und ihrem Zusammenwirken. Die Möglichkeit der Begnadigung und der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung sichern dem Antragsteller auch im Falle einer Verhängung der Todesstrafe die praktische Chance auf Wiedererlangung seiner Freiheit. 41c) Die dem Antragsteller neben der Verhängung einer (nicht vollstreckten und später in eine Freiheitsstrafe umgewandelten) Todesstrafe drohende Verhängung einer originär lebenslangen oder zeitigen Freiheitsstrafe vermag nach dem Vorstehenden ebenfalls ein Abschiebungsverbot nicht zu begründen.42Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verbietet die Europäische Menschenrechtskonvention es grundsätzlich nicht, einen erwachsenen Straftäter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Auch verstößt es nicht gegen die Konvention, wenn ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter seine Strafe bis zu seinem Lebensende verbüßen muss. Erforderlich ist jedoch, dass die Möglichkeit besteht, dass die Strafe überprüft wird. Insoweit kann auf die Ausführungen unter b) verwiesen werden.432. Der Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner eine Abschiebung zu untersagen, hat keinen Erfolg. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache unter anderem eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sogenannte Sicherungsanordnung). 44Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Hierbei kommt es nach der Aufhebung der Maßgabe in dem Beschluss vom 19. September 2017 (dazu 1.) nicht (mehr) darauf an, ob die von dem tunesischen Justizministerium unter dem 21. Dezember 2017 abgegebene Zusicherung die in dem Beschluss des Senats vom 19. September 2017 aufgestellten Anforderungen im Hinblick auf eine hinreichend verlässliche Garantie erfüllt, dass im Falle der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer Überprüfung der Strafe mit Aussicht auf Umwandlung oder Herabsetzung der Haftdauer gewährt wird.45Aus den zu 1. dargelegten Gründen steht dem Antragsteller auch sonst kein Anordnungsanspruch zur Seite, dem Antragsgegner seine Abschiebung nach Tunesien zu untersagen.463. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts gründet auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Prof. Dr. BerlitDr. FleußDr. RudolphHinweis:Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet." bverwg_2018-16,27.03.2018,"Pressemitteilung Nr. 16/2018 vom 27.03.2018 EN Bundesverwaltungsgericht bestätigt Bremer Abschiebungsanordnung gegen einen algerischen Gefährder Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klage eines radikal-islamistischen Gefährders gegen eine Abschiebungsanordnung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen abgewiesen. Der Senator hatte im März 2017 die Abschiebung des seit 2003 mit Unterbrechungen in Deutschland lebenden algerischen Staatsangehörigen gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) angeordnet. Nachdem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg hatte, wurde er im Januar 2018 nach Einholung einer Zusage des Leiters der algerischen Polizei nach Algerien abgeschoben. Dort sitzt er inzwischen in Haft. Das bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die Anordnung heute auch im Klageverfahren als rechtmäßig bestätigt. Nach der im Jahr 2005 eingeführten Regelung des § 58a AufenthG kann ein Ausländer zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung abgeschoben werden. Für die hierfür erforderliche, auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose bedarf es einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann. Diese Voraussetzungen sieht der Senat im Fall des Algeriers auch nach neuerlicher Überprüfung auf der Grundlage einer Gesamtschau vielfältiger Anhaltspunkte und Indizien als erfüllt an. Der Kläger gehörte seit längerem der radikal-islamistischen Szene in Deutschland an, sympathisierte offen mit der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ und hatte Gewalttaten unter Einsatz von Waffen angekündigt. Abschiebungsverbote stehen der Anordnung nicht entgegen. Insoweit hatte der Senat die Abschiebung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von der Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abhängig gemacht, dass dem Kläger in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 EMRK). Mit Blick auf den in Algerien eingeleiteten und inzwischen weiter verfestigten Reformprozess und die Zusage des Leiters der algerischen Polizei ist der Senat nunmehr in der Hauptsache zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohte. Dies galt auch für den Fall einer nicht auszuschließenden Inhaftierung wegen des bei Abschiebung bestehenden Terrorismusverdachts. BVerwG 1 A 5.17 - Urteil vom 27. März 2018","Urteil vom 27.03.2018 - BVerwG 1 A 5.17ECLI:DE:BVerwG:2018:270318U1A5.17.0 EN Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder Leitsätze: 1. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer vollzogenen Abschiebungsanordnung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung (wie BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - juris Rn. 14). 2. Ob einem radikal-islamistischen Gefährder im Abschiebezielstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, hängt sowohl von der Menschenrechtslage in diesem Staat als auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die das Risikopotential erhöhen oder verringern können. 3. Die Gefahrenprognose im Rahmen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots kann sich durch Erklärungen von Vertretern des Zielstaats bis zur Abschiebung soweit ändern, dass kein reales Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung (mehr) besteht (wie BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 2.17 - juris Rn. 51). Rechtsquellen GG Art. 2, 6, 8 AufenthG §§ 11, 58a, 60, 72 EMRK Art. 3 BremVwVfG § 28 GRC Art. 41, 47, 48 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.03.2018 - 1 A 5.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270318U1A5.17.0] Urteil BVerwG 1 A 5.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 16. März 2017 (Ziffer 1) wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung. 2 Der Kläger, ein 1980 geborener algerischer Staatsangehöriger, reiste erstmals 2003 in das Bundesgebiet ein und betrieb unter falscher Identität ein Asylverfahren. Nach erfolglosem Abschluss konnte er wegen fehlender Heimreisedokumente nicht abgeschoben werden. Anlässlich der Geburt eines Sohnes, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, offenbarte er der Ausländerbehörde seine wahre Identität und erhielt 2007 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, die mehrfach verlängert wurde. Nach seiner Überstellung aus Frankreich im Oktober 2015 war sein Aufenthalt geduldet. Seit Mai 2016 ist der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen nach islamischem Ritus verheiratet. Im Februar 2017 wurde eine gemeinsame Tochter geboren, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 3 Der Kläger ist im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, vor allem wegen Laden- und Taschendiebstahls. 2011 wurde er wegen Kindesentziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er seinen Sohn nicht wie vereinbart zur Kindesmutter gebracht und sich mit ihm von Dezember 2009 bis November 2010 in Algerien aufgehalten hatte. Ein weiteres Strafverfahren wegen Kindesentziehung, dem ein Aufenthalt des Klägers mit seinem Sohn in Algerien von September 2012 bis Dezember 2013 zugrunde lag, wurde eingestellt. Inzwischen steht das Sorgerecht für den Sohn allein der Kindesmutter zu, die dem Kläger jeglichen Kontakt verbietet. In Frankreich wurde der Kläger 2015 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und als Nebenfolge ein lebenslanges Einreiseverbot verhängt. Nach den Urteilsgründen bedrohte er am 13. Januar 2015 - eine Woche nach dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins ""Charlie Hebdo"" in Paris - im Abschiebegewahrsam eine Amtsperson und eine Ärztin mit dem Tode. Zugleich rechtfertigte er den Anschlag auf das Satiremagazin, bezeichnete sich selbst als Terrorist und drohte mit einem eigenen Anschlag. Nach zehn Monaten Haft wurde er im Oktober 2015 nach Deutschland abgeschoben. In Spanien wurde er elfmal wegen ""Raubstraftaten"" festgenommen und gegen ihn 2013 ein fünfjähriges Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen. In der Schweiz wurde gegen ihn 2015 nach einer Verurteilung wegen Diebstahls, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte ein dreijähriges Einreiseverbot verfügt. 4 Mit Verfügung vom 16. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers nach Algerien an (Ziffer 1 ). Gleichzeitig wurde ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet (Ziffer 2). Die Abschiebungsanordnung wurde mit der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines terroristischen Anschlags begründet. Der Kläger bewege sich in einem radikal-islamistischen Umfeld und sympathisiere offen mit dem ""Islamischen Staat"" (""IS"") und dessen Zielen. Sein Verhalten deute auf eine gewaltbereite Haltung und - seit seiner Rückkehr aus Frankreich - auf eine zunehmende Radikalisierung hin, durch die er in dem Willen bestärkt werden könnte, aufgrund seiner salafistischen Orientierung und seiner pro-jihadistischen Gesinnung Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Durchsetzung radikal-islamistischer Ziele einzusetzen. Die Beklagte stützte diese Einschätzung vor allem auf das der französischen Verurteilung zugrunde liegende Verhalten des Klägers, seine öffentlich geäußerte Akzeptanz für den ""IS"" und dessen Ziele sowie den Inhalt seiner ""Posts"" im sozialen Netzwerk Facebook. Angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr überwiege bei der Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass mit der Geburt der Tochter eine nach Art. 6 GG schützenswerte familiäre Beziehung entstanden sei, das Interesse an einer Ausreise das private Interesse am Verbleib. Die Verfügung wurde dem Kläger am 21. März 2017 ausgehändigt; am gleichen Tag wurde er zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen. 5 Am 21. April 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Er hält § 58a AufenthG für verfassungswidrig. Unabhängig davon sei die Abschiebungsanordnung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die Beklagte habe - sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht - zu Unrecht von einer Anhörung abgesehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG lägen nicht vor. Die Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat führe zu einer unzulässigen Absenkung der Gefahrenschwelle. Zudem beruhe die Gefahrenprognose auf einer unrichtigen und unzureichenden Tatsachengrundlage. Er sei gegen den Terror des ""IS"" und die Tötung von Menschen. Die ihm in Frankreich vorgeworfenen Äußerungen habe er nicht gemacht. Er bestreite auch, sich in der Bahn mit Videos des ""IS"" gebrüstet zu haben. Auch sei er nicht Anführer einer Gruppe von Algeriern in der Rahmah-Moschee in Bremen, die sich von den anderen Gläubigen separiere und mit dem ""IS"" sympathisiere, und habe dort keinen Drohbrief abgelegt. Nach den Feststellungen des Bremer Verfassungsschutzes ergebe die Auswertung seines Facebook-Profils, dass er aufgrund der auch westlichen Inhalte nicht als jihadistischer Kämpfer anzusehen sei. Er bestreite, auf Facebook für den Krieg, die Verstümmelungen und das Abschlachten von Menschen geworben zu haben. Er verfolge seit Jahren, was vom ""IS"" verbreitet werde, weil er verstehen wolle, was Menschen dazu bringe, sich dieser Organisation anzuschließen. Er trauere um seinen in Syrien verstorbenen Bruder und seine dort verschollene Schwester und mache sich deshalb Vorwürfe. Nach einer schwierigen Zeit des Drogen- und Medikamentenmissbrauchs habe er 2015 endlich zu sich gefunden und eine Familie gegründet. Wäre er ein potentieller ""IS""-Kämpfer, hätte er sich nicht für eine Lebenspartnerin entschieden, die aus einer ""supermodernen"" Familie stamme und als Einzige eine Kopfbedeckung trage. Er habe regelmäßig das Islamische Kulturzentrum Bremen e.V. (IKB) besucht, weil es für ihn gut erreichbar sei und dort nicht nur in türkischer Sprache gepredigt werde. Er bestreite nicht, eine extreme Auslegung des Islam zu glauben und zu praktizieren, sei aber nicht gewaltbereit. Gegenüber der Mutter seines Sohnes habe er keine Todesdrohung ausgesprochen. Auch habe er seinen Sohn nicht entführt; die Kindesmutter sei mit den Aufenthalten in Algerien einverstanden gewesen. Aufgrund eines beim Amtsgericht anhängigen Strafverfahrens hätte er nicht ohne dessen Zustimmung abgeschoben werden dürfen. Die Abwägung der betroffenen Interessen sei mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK und die weitreichenden Folgen für ihn und seine Familie ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Außerdem bestehe ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, da er befürchten müsse, wegen des vermeintlichen Terrorismusverdachts in Algerien gefoltert zu werden. Die vor seiner Abschiebung eingeholten Erklärungen algerischer Regierungsstellen stellten keine verlässliche Zusicherung zur Ausräumung eines Abschiebungsverbots dar. Dies zeige sich daran, dass er wenige Tage nach seiner Abschiebung in Algerien festgenommen und zunächst an einem unbekannten Ort festgehalten worden sei. Inzwischen befinde er sich in einem Gefängnis weiterhin in Haft. Sowohl zur Frage des Erfordernisses einer Anhörung nach Unionsrecht als auch zur Frage der Vereinbarkeit einer Abschiebung ohne vorherige Befristung mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG bedürfe es eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). 6 Der Kläger beantragt, die Abschiebungsanordnung in der Verfügung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 16. März 2017 aufzuheben. 7 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Sie verteidigt die angegriffene Verfügung. Einer Zusicherung habe es nicht bedurft, da aufgrund neuerer Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes islamistischen Gefährdern bei Abschiebung nach Algerien keine unmenschliche Behandlung drohe. Dessen ungeachtet sei mit einer solchen Behandlung hier jedenfalls aufgrund der vorgelegten Äußerungen algerischer Stellen nicht zu rechnen. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und teilt die Auffassung der Beklagten. 10 Mit Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - hat der Senat einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Maßgabe abgelehnt, dass der Kläger erst nach Erlangung einer Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle abgeschoben werden darf, wonach ihm in Algerien keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (Art. 3 EMRK). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - nicht zur Entscheidung angenommen, hat aber in den Gründen gefordert, dass die einzuholende Zusicherung mit spezifischen Garantien verbunden sein müsse. Mit Beschluss vom 13. November 2017 - 1 VR 13.17 - hat der Senat der Beklagten zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Kläger auf der Grundlage der bis dahin eingegangenen Verbalnoten des algerischen Außenministeriums abzuschieben. Nach Vorlage eines Schreibens des Generaldirektors der beim algerischen Innenministerium angesiedelten ""Direction Générale de la Sûreté Nationale"" (DGSN), Generalmajor A. H., in dem dieser in seiner Funktion als Leiter der algerischen Polizei gegenüber dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums zugesagt hat, persönlich für die ordnungsgemäße Behandlung des Klägers Sorge zu tragen, hat der Senat mit Beschluss vom 3. Januar 2018 - 1 VR 16.17 - einen Antrag auf Erlass einer weiteren einstweiligen Anordnung abgelehnt. Daraufhin ist der Kläger am 10. Januar 2018 nach Algerien abgeschoben worden. Dort wurde er nach der Ankunft einer Befragung durch die Polizei unterzogen. Wenige Tage später wurde er an seinem Wohnsitz festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. 11 Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in Algerien (Stand Februar 2018) erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht. 12 Hinsichtlich des im angegriffenen Bescheid angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 27. März 2018 - 1 A 2.18 - an das Verwaltungsgericht Bremen verwiesen. 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. II 14 Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Senators für Inneres vom 16. März 2017 ist zulässig, aber unbegründet. 15 1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66, 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 12). 16 2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Beklagten vom 16. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 17 Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollzug der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat einer Abschiebung auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.). 18 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. 19 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass ihn die Ausführungen des Senats und des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Norm nicht überzeugten, gibt keine Veranlassung für eine andere Beurteilung. 20 2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der im Bundesgebiet zuletzt lediglich geduldete und damit kraft Gesetzes ausreisepflichtige Kläger vor Erlass der Abschiebungsanordnung möglicherweise nicht hinreichend angehört worden ist. 21 a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BremVwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2003 (Brem.GBl. S. 219) anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, etwa wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). 22 Es kann offenbleiben, ob hier vor der Übergabe der Abschiebungsanordnung eine hinreichende Anhörung durch die für deren Erlass zuständige Behörde stattgefunden hat oder diese in der Folgezeit nachgeholt worden ist; denn jedenfalls durfte auf eine Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war. § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen ""Vorwarnung"" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil vom Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst möglich, wenn die Abschiebungsanordnung bereits ergangen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG). Besondere, atypische Umstände, die hier vor Erlass der Abschiebungsanordnung eine umfassende Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor, zumal der Kläger in der Vergangenheit ein nicht unerhebliches Maß an Mobilität hat erkennen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 13 und vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). 23 Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte das ihr nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG zustehende Absehensermessen fehlerfrei betätigt. Dem steht nicht entgegen, dass sie im angegriffenen Bescheid § 28 Abs. 2 Nr. 5 BremVwVfG zitiert. Dieser im Gesetz ausdrücklich aufgeführte Fall einer nicht gebotenen Anhörung (""insbesondere wenn"") ist hier nicht einschlägig, weil eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG keine Maßnahme allein der Verwaltungsvollstreckung im Sinne dieser Regelung ist (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 16). Der weiteren Begründung ist indes zu entnehmen, dass die Beklagte mit Blick auf die vom Kläger ausgehende Gefahr von einer Anhörung abgesehen hat. Damit ist sie der Sache nach vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG ausgegangen und hat von dem ihr für diesen Fall eingeräumten Absehensermessen Gebrauch gemacht. Dass sie diese Tatbestandsalternative einer kraft Gesetzes nicht gebotenen Anhörung in ihrer Verfügung nicht ausdrücklich erwähnt hat, ist für die Ermessensausübung unschädlich. 24 b) Das Vorgehen der Behörde ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts, wie sie vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) zu beachten sind, vereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 18 ff.). Es kann daher offenbleiben, ob diese Richtlinie auf Rückkehrverfahren, die - wie hier - nicht zu migrationsbedingten Zwecken, sondern zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bei einer terroristischen Gefahr durchgeführt werden, überhaupt Anwendung findet (vgl. zu der Problematik BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6). 25 Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2336], Mukarubega - Rn. 40 - 45; BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 19). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebenda, Rn. 45). 26 Weitergehende Anforderungen ergeben sich entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der von ihm in diesem Zusammenhang angeregten EuGH-Vorlage (Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage I.) auch nicht aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Soweit er sich auf das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 GRC beruft, das nach Art. 41 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GRC insbesondere das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, ist in der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 41 GRC eindeutig ergibt, dass sich dieser nicht an die Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 44 m.w.N.). Ein schrankenloser Anspruch auf Anhörung vor Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine nationale Ausländerbehörde ergibt sich auch nicht aus Art. 47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) und Art. 48 GRC (Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte), ohne dass sich in diesem Zusammenhang eine dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegende entscheidungserhebliche Zweifelsfrage des Unionsrechts stellt. 27 Damit bedurfte es hier auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird u.a. bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 21). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet. Dessen ungeachtet traf die Aufenthaltsbeendigung den Kläger nicht völlig überraschend. Denn sein Aufenthalt im Bundesgebiet war seit seiner Abschiebung aus Frankreich im Oktober 2015 nur geduldet. Auch die Geburt der Tochter hat an diesem Status nichts geändert. Im Übrigen verbleibt jedem Betroffenen das Recht auf rechtliches Gehör im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Rechtsbehelfe. 28 2.3 Die Verfügung ist - wie der Senat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat - auch materiell rechtmäßig. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus. 29 a) Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 21). 30 Der Begriff der ""terroristischen Gefahr"" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 22). 31 Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr bei der ersten Alternative des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im ""politischen/ideologischen Kampf"" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 23). 32 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 24). 33 Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 25). 34 Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 26; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 45). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten ""Jihad"" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). 35 Für diese ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 27). 36 Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 28). 37 Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 29; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). 38 b) In Anwendung dieser Grundsätze ging vom Kläger im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG aus, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Klägers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. 39 Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 31. Mai 2017 ausgeführt hat, gehörte der Kläger vor seiner Verhaftung der radikal-islamischen Szene in Deutschland an. Er räumt selbst ein, dass er mit seiner extremen islamischen Glaubensausrichtung, die sich am Salafismus bzw. Wahhabismus Saudi-Arabiens bzw. anderer radikal-sunnitischer Gruppierungen orientiert, am Rande der Gesellschaft stehe (Schriftsatz vom 18. April 2017). Im August 2016 wurde er vom Landeskriminalamt Bremen wegen seiner radikal-religiösen Einstellung und der familiären Vorgeschichte als ""relevante Person Funktionstyp 'Akteur'"" eingestuft (Polizeivermerk vom 9. September 2016 ). Nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden pflegte er als regelmäßiger Besucher des Islamischen Kulturzentrums Bremen e.V. (IKB) Kontakt mit Personen, die einer besonders radikalen Strömung des Salafismus angehören und aus deren Kreis schon mehrere Personen nach Syrien ausgereist sind, um sich dem bewaffneten Kampf auf Seiten des ""IS"" anzuschließen (Polizeivermerk vom 23. Februar 2017 S. 1 ; Personagramm Stand 10. März 2017 S. 7, 9 und 11 ). Ein jüngerer Bruder des Klägers (E. E. alias P. E.), der ebenfalls das IKB besuchte (Polizeivermerk vom 23. Juni 2016 S. 6 ), ist nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2015 nach Syrien gereist und hat sich Ende November 2015 im Irak als Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt (vgl. Ermittlungsakte/Abschnitt Bruder E.). Mit diesem Bruder stand der Kläger in engem Kontakt. Er hatte ihn in Deutschland in seine Wohnung aufgenommen (Polizeivermerk vom 23. Juni 2016 S. 8 ), ging mit ihm zum Gebet (Polizeivermerk vom 23. Juni 2016 S. 7 ) und erhielt von ihm vor dem Selbstmordattentat eine Abschiedsnachricht (polizeiliche Vernehmung D. V. vom 25. April 2016 ). Nach Angaben des Klägers soll auch eine Schwester - von Algerien aus - nach Syrien gereist sein und sich für den ""Islamischen Staat"" in die Luft gesprengt haben (Polizeivermerk vom 28. April 2016 ). 40 Auch der Kläger sympathisiert - entgegen seiner Einlassung im vorliegenden Verfahren - mit der terroristischen Vereinigung ""Islamischer Staat"" und deren Märtyrerideologie. Am 14. September 2016 zeigte er in einem Zug der Bahn auf der Fahrt von B. nach O. einem Bekannten mit seinem Smartphone Videos von Exekutionen und Verstümmelungen und betonte dabei, stolz auf die Taten des ""IS"" zu sein. Der Einwand des Klägers, er könne sich an diesen Vorfall nicht erinnern, der ausgewerteten Bahnvideoaufzeichnung sei nur zu entnehmen, dass er zusammen mit einer anderen Person auf sein Handy schaue und sich amüsiere, übergeht die Angaben des unbeteiligten Augenzeugen V. P. D., der vom Kläger wegen seiner Äußerungen ein Foto machte (Ausländerakte Bl. 800), sich noch am gleichen Tag an die Polizei wandte und dort den Vorfall schilderte (vgl. Polizeivermerke vom 14. September 2016 und vom 4. November 2016 ). Soweit der Kläger geltend macht, ihm vorgeworfene Äußerungen seien zudem vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, vernachlässigt dies, dass es nicht um deren strafrechtliche Würdigung geht, stellt den Tatsachenkern der Vorgänge nicht in Abrede und steht einer Berücksichtigung des Vorfalls im Rahmen der zu treffenden Prognose, ob vom Kläger ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht, auch sonst nicht entgegen. 41 Für eine beachtliche Radikalisierung des Klägers spricht auch sein auffälliges Verhalten in der von ihm regelmäßig besuchten Rahmah-Moschee in Bremen. Nach Angaben anderer Moscheebesucher war er Anführer einer Gruppe algerisch-stämmiger Männer, die mit ihren radikal-islamistischen Ansichten in der Moschee für Unruhe sorgten. Zwar konnte einem im Januar 2017 nach einem Streit wegen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Schuhschrank der Moschee aufgefundenen und möglicherweise von einem Mitglied dieser Gruppe verfassten arabischsprachigen Schreiben (Ermittlungsakte/Abschnitt Bedrohung Rahmah-Moschee Bl. 6) nach amtlicher Übersetzung und Auswertung durch einen Islamwissenschaftler (Ermittlungsakte/Abschnitt Bedrohung Rahmah-Moschee Bl. 70 und 82) weder die vom Anzeigeerstatter angenommene Todesdrohung und Ankündigung eines eigenen Sterbens für den ""IS"" (Ausländerakte Bl. 808) noch eine andere Sinnhaftigkeit entnommen werden. Den Aussagen der wegen dieses Schreibens bei der Polizei erschienenen und von dieser vernommenen Moscheebesucher ist aber zu entnehmen, dass sich die Gruppe um den Kläger in der Moschee von den anderen Muslimen abkapselte und diese als ""Ungläubige"" bezeichnete, sich offen zum ""IS"" bekannte und das Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt für gerechtfertigt hielt, weil ""Ungläubige"" getötet worden seien (vgl. polizeiliche Zeugenvernehmungen D. U. vom 12. Januar 2017 , V. E-D. vom 12. Januar 2017 , V. F. vom 12. Januar 2017 und M. D. D. vom 23. Januar 2017 ). Zwei der Zeugen gaben zudem an, dass der Kläger in der Moschee stolz mit dem Attentat seines Bruders prahle (vgl. polizeiliche Zeugenvernehmung D. U. vom 12. Januar 2017 und V. F. vom 12. Januar 2017 ). Soweit der Zeuge E. D. meinte, der Kläger habe in der Moschee nie über seinen Bruder geredet, ergibt sich hieraus kein Widerspruch, zumal er - im Gegensatz zu den beiden anderen Zeugen - nicht aus Algerien, sondern aus Ghana stammt und bei seiner Vernehmung angegeben hat, dass er kein ""algerisch"" spreche (vgl. polizeiliche Zeugenvernehmung V. E.-D. vom 12. Januar 2017 ). Dass es sich bei einem der den Kläger belastenden Zeugen (D. U.) um den ""Trauzeugen"" des Klägers handelt, ändert nichts an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner von anderen Zeugen bestätigten Angaben. Dass der Kläger den ""Märtyrertod"" seines Bruders guthieß, zeigt sich auch daran, dass er seinem kleinen Sohn eine Abschiedsnachricht des Bruders mit dem Hinweis vorspielte, dass der Onkel nach Syrien gegangen sei, um für den ""Islamischen Staat"" zu kämpfen und zu sterben (polizeiliche Vernehmung der früheren Lebensgefährtin D. V. vom 25. April 2016 ). 42 Die Auswertung des Facebookprofils des Klägers durch das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen belegt ebenfalls nicht nur eine als solche nicht erhebliche, weil keine hinreichende Gefährlichkeit indizierende salafistische Orientierung (vgl. Auswertung vom 12. August 2016 ); auch sie offenbart vielmehr jihadistische Inhalte und eine (fortbestehende) Sympathie des Klägers für den ""IS"". Danach veröffentlichte der Kläger nicht nur 2014 u.a. die ""IS-Hymne"" (Screenshot-Zusammenstellung vom 10. März 2017 ), eine Nasheed-Sammlung des ""IS"" (Auswertung vom 13. Januar 2017 S. 3 ) und ein Propagandavideo des ""IS"" (Screenshot-Zusammenstellung vom 10. März 2017 ). Er rief noch im Juni 2016 zur Befreiung eines inhaftierten jihadistischen Predigers auf und postete im November 2016 ein - von ihm inzwischen wieder gelöschtes - Propagandavideo des ""IS"" (Screenshot-Zusammenstellung vom 10. März 2017 ). Soweit das Landesamt für Verfassungsschutz noch in seinen Auswertungen vom 25. April 2016 (Ermittlungsakte/Abschnitt Facebook 1) und vom 12. August 2016 (Ausländerakte Bl. 820) davon ausgegangen war, dass sich keine Indizien für eine jihadistische Gesinnung des Klägers ergäben, revidierte es diese Einschätzung aufgrund neuerer Erkenntnisse in seinen Stellungnahmen vom 13. Januar 2017 (Ermittlungsakte/Abschnitt Abschiebehaft) und 9. März 2017 (Ausländerakte Bl. 764). Danach ergab die Auswertung des Facebookprofils durch einen Islamwissenschaftler teilweise jihadistische Inhalte (Stellungnahme vom 13. Januar 2017, Ermittlungsakte/Abschnitt Abschiebehaft). Dafür spricht auch die Mitgliedschaft des Klägers in der arabischen Facebookgruppe ""Die heutigen Murjiiten sind der Grund dafür, dass sich der Sieg hinauszögert"", einer Gruppe mit klar pro-jihadistischer Haltung (Ausländerakte Bl. 764). Sympathisierte der Kläger noch 2016 offen mit dem ""IS"" und postete er jihadistische Inhalte, spricht dies für eine entsprechende Identifikation und ist hiervon ohne glaubhafte Distanzierung auch weiterhin auszugehen. 43 Angesichts der von den Sicherheitsbehörden gesammelten Erkenntnisse ist das generelle Bestreiten der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe im gerichtlichen Verfahren als bloße Schutzbehauptung zu werten. Gleiches gilt für das pauschale Vorbringen des Klägers, er sei gegen den Terror des ""IS"", verfolge dessen Veröffentlichungen nur, weil er verstehen wolle, was Menschen dazu bringe, sich dem ""IS"" anzuschließen, trauere um seine Geschwister und habe nach dem Tod seines Bruders nur umso mehr erfahren wollen, um was es gehe. Dem widersprechen nicht zuletzt Art und Umfang der zum ""IS"" im Facebookprofil gespeicherten Inhalte. Diese Einlassung erklärt im Übrigen nicht die von den Sicherheitsbehörden dokumentierten Sympathiebekundungen für den ""IS"" und dessen Märtyrerideologie. Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Einlassung spricht auch der Umstand, dass der Kläger bei einer polizeilichen Gefährderansprache am 23. Juni 2016 versuchte, die Beziehung zu seinem Bruder herunterzuspielen und nicht mehr preiszugeben, als den Behörden bereits bekannt war (Vermerk vom 23. Juni 2016 S. 7 f. ). Dass sich an der vom Kläger seit 2014 zum Ausdruck gebrachten Identifizierung mit dem ""IS"" und dessen Zielen inzwischen etwas geändert haben könnte, ist nicht zu erkennen. Eine rein verbale Distanzierung im gerichtlichen Verfahren ohne konkrete Anhaltspunkte für eine ernsthafte Änderung der inneren Einstellung genügt hierfür nicht. 44 Aus der Biographie des Klägers ergibt sich zudem nicht nur eine erhebliche Radikalisierung und Glorifizierung des ""IS"" und dessen Märtyrerideologie, sondern auch eine gewaltbereite Grundhaltung. Der Kläger fiel seit seiner ersten Einreise nach Deutschland im Jahr 2003 nicht nur im Bundesgebiet, sondern auch in Frankreich, Spanien und in der Schweiz immer wieder durch Straftaten auf, die sich auch gegen die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit und die Staatsgewalt richteten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere seine Verurteilung durch das Strafgericht in Paris vom 15. Januar 2015 hervorzuheben. Nach den Urteilsgründen bedrohte der Kläger am 13. Januar 2015 - eine Woche nach dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins ""Charlie Hebdo"" - eine französische Amtsperson im Abschiebegewahrsam mit dem Tode, indem er auf provozierende Art die Geräusche einer Maschinenpistole nachahmte. Außerdem drohte er einer Ärztin, die ihn untersuchen sollte, wegen ihres vermeintlich jüdischen Aussehens mit dem Tode: ""Du hast blaue Augen, du bist Jüdin, genau, du bist Jüdin, Hitler ist mit seiner Arbeit noch nicht fertig, ich werde dein Gesicht wiedererkennen, und ich werde kommen, um dich zu töten, du wirst sterben, du wirst sterben"". 45 Zugleich rechtfertigte er den Anschlag auf das Satiremagazin, bezeichnete sich selbst als Terrorist und drohte mit einem eigenen Anschlag: ""Die Brüder Kouachi und Coulibaly hatten recht. Sie sind gütig. Ich bin ein Terrorist Allah Ahkbar"". ""Ich unterstütze die Brüder Kouachi und Coulibaly dabei, die Polizei zu töten, sie sind nicht alleine. Es gibt viele von ihnen jetzt in Frankreich, das ist Algerien. Frankreich heute, das bin ich, ich werde eine Bombe auf die Champs-Elysées werfen"". 46 Der Senat hatte schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch in Ansehung des Vorbringens des Klägers zu dem Verfahren keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils zu den Äußerungen, die der Verurteilung zugrunde liegen, zutreffend sind; insbesondere die Dauer der mündlichen Verhandlung, der Umfang der Beweisaufnahme und das Verhalten der Pflichtverteidigung stehen dieser Einschätzung nicht entgegen, zumal der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, er habe nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass er nur mit seiner Zustimmung verurteilt werden könne, in Anwesenheit seines Rechtsanwalts erklärt, im Rahmen der Sitzung verurteilt werden zu wollen. In der Sache zeigen diese Äußerungen - ungeachtet des vom Kläger erhobenen Vorwurfs, die französische Justiz habe nach den Anschlägen von Paris überhastet und unangemessen vom Straftatbestand der Verherrlichung des Terrorismus Gebrauch gemacht - nicht nur eine innere Nähe des Klägers zum Terrorismus. Ihnen ist auch zu entnehmen, dass der Kläger aufgrund seiner radikal-islamistischen Einstellung nicht nur die westliche Lebensweise grundsätzlich ablehnt und ein nach islamistischen Vorgaben geprägtes Zusammenleben anstrebt, sondern auch bereit ist, zur Erreichung dieses Ziels einen Anschlag zu begehen. Soweit der Kläger die gegen ihn in Frankreich erhobenen Vorwürfe bestreitet, hat der Senat dies bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als Schutzbehauptung gewertet, der schon in Frankreich im Strafverfahren nicht geglaubt worden ist. Der Hinweis auf die nach dem Anschlag vom 7. Januar 2015 angespannte Atmosphäre in Frankreich und/oder ein mögliches angeschlagenes subjektives Befinden des Klägers bzw. die geltend gemachten Übergriffe von Polizisten mag zudem gewisse verbale Entgleisungen allgemeiner Art oder sonstige Aggressionen erklären. Stoßrichtung und Inhalt seiner Äußerungen erklärt er aber gerade nicht und rechtfertigt auch nicht ihre Einordnung als bloßen Verbalradikalismus, der keine Anknüpfung an eine gefestigte innere Haltung hat oder dem erkennbar keine Taten folgen werden. 47 Dass das der französischen Verurteilung zugrunde liegende Verhalten Ausdruck einer zunehmenden Radikalisierung des Klägers ist und von seiner radikal-islamistischen Einstellung eine Bedrohung ausgeht, bestätigen auch Äußerungen im familiengerichtlichen Verfahren wegen der Gewährung eines Umgangsrechts mit seinem Sohn. Danach äußerte der Kläger gegenüber der Dolmetscherin, dass er alles tun werde, um für seinen Glauben zu kämpfen, und es hierfür auch legitim sei, eine Waffe in die Hand zu nehmen (vgl. Vermerk des Richters am Amtsgericht Dr. X. ). Vom Familienrichter bei der gerichtlichen Anhörung am 28. April 2016 auf seine Radikalisierung angesprochen, gab der Kläger keine Auskunft, sondern erwiderte lächelnd, er habe nur das Beste für seine Familie im Sinn (vgl. Polizeivermerk vom 28. April 2016 ). In die gleiche Richtung deutet auch seine Mitgliedschaft in einer arabischen Facebookgruppe mit klar pro-jihadistischer Haltung (vgl. Stellungnahme des Landesamts für Verfassungsschutz Bremen vom 9. März 2017 ). 48 Dem ist in der Gesamtschau nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung zu entnehmen. Vielmehr sympathisiert der Kläger offen mit dem ""IS"" und dessen Märtyrerideologie. Dies ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen, ohne dass es der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers (schriftsätzlich) angeregten ergänzenden Beiziehung der Akten des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz, des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) bedarf. Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen der Sicherheitsbehörden sind hinreichend aussagekräftig für eine Bewertung des Gefährdungspotentials. Dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass und welche weitergehenden entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den beizuziehenden Akten ergeben könnten. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Verfügung einen in der Rahmah-Moschee aufgefundenen und angeblich vom Kläger stammenden ""Drohbrief"" herangezogen hat, hat der Senat schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren klargestellt, dass diesem Schriftstück nach amtlicher Übersetzung und Auswertung durch einen Islamwissenschaftler weder der vom damaligen Anzeigeerstatter zugeschriebene Inhalt noch eine andere Sinnhaftigkeit entnommen werden kann. Aus diesem Schriftstück hat der Senat daher keine - für den Kläger nachteiligen oder vorteilhaften - Schlussfolgerungen gezogen; folglich kommt es auch auf die Umstände seines Auffindens nicht an. Die vom Senat herangezogenen Veröffentlichungen im Facebookprofil des Klägers sind durch bei den Akten befindliche ""Screenshots"" belegt. Die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beispielhaft angeführte Mitgliedschaft in einer arabischen Facebookgruppe mit klar pro-jihadistischer Haltung hat der Kläger innerhalb der ihm nach § 87b VwGO gesetzten Frist nicht substantiiert bestritten, sondern nur allgemein darauf hingewiesen, dass das Bremer Landesamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das GTAZ mit der Sache befasst gewesen seien und Unterlagen beigetragen hätten, die aber zum Teil (z.B. die Mitgliedschaft in der Facebookgruppe) nur indirekt wiedergegeben würden. Auch insoweit hat der Kläger nicht dargelegt, dass und welche weitergehenden entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den beizuziehenden Akten ergeben könnten. Im Übrigen bestätigt die Mitgliedschaft in einer Gruppe mit klar pro-jihadistischer Haltung das aus einer Vielzahl weiterer Erkenntnisse gewonnene Gefährdungspotential des Klägers, ohne dass diesem Umstand zur Überzeugung des Senats bei der Gefahrenbewertung eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. 49 Das Risiko eines terroristischen Anschlags durch den Kläger ist auch nicht durch dessen Zusammenleben mit seiner ihm seit Mai 2016 nach islamischem Ritus angetrauten Lebensgefährtin und die Geburt einer gemeinsamen Tochter im Februar 2017 entscheidungserheblich verringert. Dagegen spricht, dass keine Anhaltspunkte für eine glaubhafte Deradikalisierung des Klägers und Distanzierung vom ""IS"" und dessen Märtyrerideologie erkennbar sind. Der Kläger bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe pauschal und ohne erkennbare Änderung seiner inneren Einstellung. Selbst der Tod zweier Geschwister hat bei ihm keinerlei Sinneswandel herbeigeführt, sondern seine innere Einstellung eher bestärkt. Dies zeigt sich daran, dass er eine von seinem Bruder vor dessen Selbstmordattentat gesendete Abschiedsnachricht seinem - aus der Beziehung mit einer früheren Lebensgefährtin stammenden - kleinen Sohn vorgespielt hat und Dritten gegenüber bekundet hat, dass er auf seinen Bruder wegen des Selbstmordattentats ""stolz"" sei. In die gleiche Richtung deutet auch seine Äußerung gegenüber der Polizei, seine Schwester habe sich ""als Märtyrerin für den IS geopfert"" (Polizeivermerk vom 21. Februar 2017 ). Dies zeigt die tiefe, familiäre Bindungen überlagernde Verwurzelung des Klägers mit dem ""IS"" und dessen Märtyrerideologie. Die vom Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner jetzigen Lebensgefährtin steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Soweit sie den Kläger, mit dem sie seit Mai 2016 bis zu dessen Inhaftierung zusammenlebte, als einen der westlichen Lebensweise zugewandten Muslim charakterisiert, der kein radikaler Islamist sei, sondern nur verstehen wolle, was Menschen dazu bringen könne, sich so zu radikalisieren, widerspricht diese Einschätzung nicht nur den von den Sicherheitsbehörden - auch für den Zeitraum des Zusammenlebens - ermittelten Tatsachen, sondern auch der vom Kläger selbst eingeräumten extremen islamischen Glaubensausrichtung (Schriftsatz vom 18. April 2017). Dass die Familie der Lebensgefährtin sich ausweislich dieser Versicherung als ""übermodern"" bezeichnet, was nicht zu einem radikalen ""IS""-Kämpfer passe, wird in der Aussagekraft dadurch zumindest relativiert, dass die Lebensgefährtin des Klägers angibt, seit ca. zwei Jahren eine Kopfbedeckung zu tragen. 50 Dass sich an der vom Kläger ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat aus sonstigen Umständen bis zu seiner Abschiebung nach Algerien im Januar 2018 etwas geändert hat, ist nicht erkennbar. Die mehrmonatige Inhaftierung in Deutschland und der hierdurch unterbrochene Kontakt zu Angehörigen der radikal-islamistischen Szene reichen hierfür nicht. Vielmehr spricht alles dafür, dass vom Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung angesichts seiner extremen Radikalisierung in Verbindung mit seiner gewaltbereiten Grundhaltung weiterhin ein beachtliches Risiko ausging, dass er bei einem Verbleib in Deutschland mit einer jihadistischen Gewalttat ein Fanal setzt, mit dem seine Verachtung der säkularen Welt europäischer Prägung zum Ausdruck kommt. Dieses Risiko kann sich ohne großen Vorbereitungsaufwand jederzeit realisieren. Dass es bislang noch nicht zu einer derartigen Tat gekommen ist und den Sicherheitsbehörden keine Hinweise für einen konkreten Anschlagsplan des Klägers vorliegen, mindert das Risiko nicht. 51 Der Senat hat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darauf hingewiesen, dass er zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen kann, ohne auf das vom Kläger angesprochene, vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Dies bestätigen die Angaben der Vertreter der Beklagten und des LKA Bremen in der mündlichen Verhandlung zur Funktion und Handhabung von RADAR-iTE. Danach handelt es sich hierbei lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt. Des Weiteren haben sie ausgeführt, dass dieses Instrument für die angegriffene Abschiebungsanordnung nicht relevant gewesen sei. Das LKA Bremen habe im Fall des Klägers erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung eine Risikobewertung auf der Grundlage von RADAR-iTE durchgeführt. Diese habe ausschließlich der Qualitätssicherung des vom BKA zur Priorisierung der Intensität und der Reihenfolge polizeilicher Maßnahmen neu entwickelten Prognoseinstruments gedient, das anhand einer unabhängig von RADAR-iTE positiv bewerteten Gefahrenprognose habe validiert werden sollen. Dabei seien keine Tatsachen verwendet worden, die sich nicht bei den Gerichtsakten befänden. Im Ergebnis habe RADAR-iTE beim Kläger zu einem hohen Punktwert (16 Punkte) geführt, was einem hohen Risiko (höchste Kategorie) entspreche. Dieses Ergebnis sei der obersten Landesbehörde erst nach der Abschiebung des Klägers anlässlich der Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung bekannt geworden. Bei dieser Sachlage bestand kein Anlass, dem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung der einschlägigen Akten des LKA Bremen nachzugehen. Es ist weder ersichtlich noch geltend gemacht worden, inwiefern die Beiziehung dieser Akten geeignet sein könnte, zu einer für den Kläger günstigeren Gefährdungsprognose zu führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). 52 c) Die Abschiebungsanordnung steht - bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG - auch materiell im Einklang mit dem Unionsrecht. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger schon wegen der von ihm ausgehenden Gefahr einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem Weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​377] - Rn. 70). Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestands die vom EuGH (ebenda Rn. 50 und 57) verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von der Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 35). 53 d) Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat. In diesem Zusammenhang bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie 2008/115/EG auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames ""Rückkehr-Handbuch"" , das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist). Diese Frage ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die - bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG - vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob eine Abschiebung rechtswidrig ist, wenn zuvor nicht eine Befristung eines mit der Rückkehrentscheidung einher gehenden Einreiseverbots nach Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt ist. Im vorliegenden Verfahren geht es weder um die Rechtmäßigkeit der hier von der Beklagten zusammen mit der Abschiebungsanordnung getroffenen Entscheidung zur Anordnung eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots noch um die Rechtmäßigkeit der Abschiebung des Klägers. Streitgegenständlich ist - nach Abtrennung und Verweisung - nur (noch) die Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des hier von der Beklagten zusammen mit der Abschiebungsanordnung angeordneten (unbefristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen. Denn das Einreiseverbot soll zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: ""gehen ... einher""), stellt aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung dar, für die vorliegend eine andere Behörde zuständig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 3 f.) und die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 36). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie Anhaltspunkte für einen ""Rechtswidrigkeitszusammenhang"" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen. Damit bedarf es auch insoweit nicht des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH (Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage II.). 54 e) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung durch die oberste Landesbehörde war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.> und Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 96 und 132). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG vor, hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen kommt hingegen nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht, was hier nicht der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 39). 55 Vorliegend hat die oberste Landesbehörde ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr wirksam zu begegnen. Dies ist unter den hier gegebenen Umständen und angesichts der an anderer Stelle festgestellten Bereitschaft des Klägers zur Begehung eines mit einfachsten Mitteln jederzeit realisierbaren Terroranschlags in Deutschland und der allenfalls begrenzten Wirksamkeit auch aufwändigerer Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 40). 56 Die Abschiebungsanordnung ist angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch nicht unverhältnismäßig. Die oberste Landesbehörde hat bei ihrer Entscheidung die privaten Interessen des Klägers berücksichtigt. Sie hat insbesondere gewürdigt, dass er sich - mit Unterbrechungen - seit 2003 im Bundesgebiet aufhielt und hier mit einer ihm nach islamischem Ritus angetrauten deutschen Staatsangehörigen und der gemeinsamen - Ende Februar 2017 geborenen - Tochter zusammenlebte. Dass sich die Beklagte dennoch für eine Aufenthaltsbeendigung entschieden hat, ist - wie der Senat bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat - angesichts der vom Kläger ausgehenden besonderen Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Aus den sich hieraus ergebenden verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben folgt kein uneingeschränkter Anspruch eines Ausländers auf Aufenthalt im Bundesgebiet. Stehen seinem (weiteren) Aufenthalt - wie hier - öffentliche Belange entgegen, bedarf es einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls und die familiären Belange in angemessener Weise und mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 2013 - 10 B 14.13 - Buchholz 402.242 § 30 AufenthG Nr. 7 Rn. 4 f. m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). 57 Dem Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung eine (Re-)Integration in die Lebensverhältnisse seines Heimatstaats möglich und zumutbar. Er ist - entgegen eigener Einschätzung - kein faktischer Inländer. Er ist in Algerien aufgewachsen und hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. Er spricht die Sprache seines Heimatlandes und hat seine Bindungen dorthin nie abgebrochen, was sich schon daraus ergibt, dass er sich in den letzten Jahren - ausweislich der in zwei Strafverfahren wegen Kindesentführung erlangten und vom Kläger in diesem Punkt nicht bestrittenen Erkenntnisse - zweimal für einen längeren Zeitraum (Dezember 2009 bis November 2010 und September 2012 bis Dezember 2013) mit seinem Sohn in Algerien aufgehalten hat. In Deutschland verfügte er zuletzt über kein rechtlich gesichertes Aufenthaltsrecht. In Bezug auf seinen Sohn fehlt es an einer gelebten familiären Gemeinschaft. Die familiären Bindungen des Klägers an seine im Februar 2017 - kurz vor seiner Inhaftierung - geborene Tochter hat die Beklagte mit dem ihnen zukommenden Gewicht in ihre Erwägungen eingestellt. Dabei hat sie insbesondere die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und die möglichen Folgen einer Trennung der Familie für das Kindeswohl berücksichtigt. Dass sie den familiären Belangen dennoch nicht den Vorzug gegeben hat, führt angesichts der vom Kläger ausgehenden besonderen Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung, zumal die Abschiebungsanordnung nicht zwingend zu einem lebenslangen Wiedereinreiseverbot führt. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Beklagten zusammen mit der Abschiebungsanordnung angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot - formell und materiell - rechtmäßig ist (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 m.w.N.) und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn bei einer nachhaltigen Verhaltensänderung des Klägers besteht nach § 11 Abs. 4 und 5 AufenthG jedenfalls die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Verkürzung eines - aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes - mit der Abschiebung entstandenen Einreise- und Aufenthaltsverbots. 58 f) Ob das Amtsgericht Bremen der Abschiebung des Klägers zugestimmt hat, ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung unerheblich. § 72 Abs. 4 AufenthG enthält nur ein gesetzliches Beteiligungserfordernis der Staatsanwaltschaft. Dieses dient zudem allein der Wahrung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses und begründet kein subjektives Recht des Ausländers (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 11.15 - Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 4 Rn. 24). 59 g) Die Abschiebungsanordnung ist schließlich auch nicht wegen eines Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers nach Algerien im Januar 2018 kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Abschiebung in den beabsichtigten Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). 60 Für eine Verfolgung des Klägers wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG lagen bei Abschiebung keine Anhaltspunkte vor. Ein vom Kläger 2003 gestellter Asylantrag hatte keinen Erfolg und war offensichtlich nur mit dem Ziel gestellt worden, sich einen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verschaffen. Selbst eine Bestrafung wegen terroristischer Betätigung würde keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG darstellen. Dem Kläger drohte bei Abschiebung auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG und/oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Da er sich in den letzten Jahren mehrfach auch für längere Zeiträume unbehelligt in Algerien aufhielt und bei Abschiebung keine Anhaltspunkte für eine dort begangene Straftat oder ein sonstiges Fehlverhalten mit Bezug zu Algerien vorlagen, kommt als Anknüpfungspunkt für staatliche Maßnahmen vor allem der gegen ihn in Deutschland erhobene Terrorismusverdacht in Betracht, dem die algerischen Sicherheitsbehörden schon deshalb nachgehen dürften, weil zwei seiner Geschwister in Syrien bzw. im Irak für den ""IS"" Selbstmordattentate begangen haben sollen und sich die Ermittlungen der algerischen Strafverfolgungs- und Polizeibehörden nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (AA) bei mutmaßlichen oder tatsächlichen Anhängern terroristischer Gruppen regelmäßig auch auf das familiäre Umfeld erstrecken (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 17). Hieraus ergab sich für den Kläger indes bei Abschiebung weder die Gefahr der Todesstrafe (aa) noch die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung in Algerien (bb). 61 aa) Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Februar 2017 und seinem ergänzenden Ad-hoc-Bericht vom 25. Juli 2017 stellt das algerische Strafgesetzbuch zwar u.a. die Komplizenschaft mit den Anführern einer aufständischen Bewegung unter Todesstrafe (Lagebericht und Ad-hoc-Bericht des AA, jeweils S. 16). Diese wird allerdings seit 1993 nicht mehr vollstreckt (Lagebericht und Ad-hoc-Bericht des AA, jeweils S. 22). Dessen ungeachtet drohte dem Kläger bei Abschiebung nach algerischem Recht auch nicht die Verhängung der Todesstrafe. Die von ihm ausgehende Gefahr, auf der die Abschiebungsanordnung beruht, bezieht sich auf Deutschland und erreicht nach deutschem Recht schon nicht die Schwelle der Strafbarkeit. Hinsichtlich des algerischen Strafrechts ist nicht ansatzweise erkennbar, dass der Kläger bei Abschiebung einer algerischen aufständischen Bewegung angehörte oder konkret der Komplizenschaft verdächtigt wurde. Rechtsgrundlage für die Verfolgung fundamentalistisch motivierter Straftaten ist im Übrigen seit 1992 die Anti-Terrorismus-Verordnung vom 30. Oktober 1992 (""Décret législatif relatif à la lutte contre la subversion et le terrorisme""). Danach wird die Gründung einer terroristischen oder subversiven Vereinigung mit lebenslanger Freiheitsstrafe und die Mitgliedschaft mit zehn bis zwanzig Jahren Freiheitsentzug bestraft (Lagebericht des AA S. 16 und Ad-hoc-Bericht des AA S. 16 f.). Nach der dem Senat in einem anderen Verfahren erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. März 2017 wird nach Art. 87 bis 6. (Nouveau) des algerischen Strafgesetzbuches auch die Zugehörigkeit eines algerischen Staatsangehörigen zu einer terroristischen Vereinigung im Ausland mit zehn bis zwanzig Jahren Freiheitsstrafe bestraft, selbst wenn die Aktivitäten der Vereinigung nicht auf Algerien abzielen. Salafismus ist nach dieser Auskunft aber kein Straftatbestand, es sei denn, die Mitgliedschaft ist mit terroristischen oder kriminellen Aktivitäten verbunden. Eine Ergänzung des Strafgesetzbuches von 2016 definiert das Strafmaß für die Rekrutierung für eine terroristische Vereinigung mit fünf bis zehn Jahren Haft oder Geldstrafe (Auskunft des AA vom 1. März 2017). Für eine drohende Verurteilung des Klägers nach einem dieser Tatbestände fehlten bei Abschiebung jegliche Anhaltspunkte, zumal das algerische Außenministerium anlässlich seiner Zustimmung zur Rückführung des Klägers mit Verbalnote vom 30. Juli 2017 ausdrücklich bestätigte, dass der Kläger in Algerien auf justizieller Ebene unbekannt und gegen ihn kein Strafverfahren anhängig sei. 62 bb) Dem Kläger drohte bei Abschiebung auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung in Algerien. Ob einem radikal-islamistischen Gefährder im Abschiebezielstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, hängt sowohl von der Menschenrechtslage in diesem Staat als auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die das Risikopotential erhöhen oder verringern können. 63 Nach der vom Senat in einem anderen Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 1. März 2017 ist bei einer Abschiebung nach Algerien nach der Ankunft generell mit einer Befragung durch die algerische Polizei zu rechnen. Da die Abschiebung hier wegen der Gefahr der Begehung einer terroristischen Tat in Deutschland erfolgte, der Kläger sich in den vergangenen Jahren mehrfach, auch für längere Zeit in Algerien aufhielt und zwei seiner Geschwister für den ""IS"" Selbstmordattentate begangen haben sollen, war im Zeitpunkt der Abschiebung nicht auszuschließen, dass er in diesem Zusammenhang zur Abklärung der von ihm ausgehenden Terrorismusgefahr - anders als der Kläger im Verfahren 1 A 2.17 - für einen längeren Zeitraum festgehalten würde. Auch für den Fall einer präventiven Inhaftierung wegen Terrorismusverdachts bestand zur Überzeugung des Senats unter den hier gegebenen Umständen für den Kläger bei Abschiebung aber keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. Der Senat schließt dies aus dem in Algerien in den letzten Jahren eingeleiteten und - gegenüber den Erkenntnissen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - inzwischen weiter verfestigten Reformprozess in Verbindung mit einem Schreiben des Generaldirektors der beim algerischen Innenministerium angesiedelten ""Direction Générale de la Sûreté Nationale"" (DGSN), das im Zuge der vor der Abschiebung des Klägers zwischen Deutschland und Algerien stattgefundenen Verhandlungen übermittelt worden ist. 64 Der Beachtlichkeit dieses Schreibens bei der individuellen Risikoprognose für den Kläger steht nicht entgegen, dass es sich hierbei nicht um eine zwischen Ministerien und Botschaften ausgetauschte ""Verbalnote"", sondern ""nur"" um eine Erklärung eines algerischen Behördenleiters gegenüber einem deutschen Behördenleiter handelt, der Text der Erklärung des Leiters der algerischen Polizei vom Entwurf eines Schreibens des deutschen Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums abweicht und nicht ausdrücklich auf die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - geforderten spezifischen Garantien in bestimmten Situationen eingeht. Welche Schlussfolgerungen bei der Risikobewertung aus einer derartigen Erklärung zu ziehen sind und ob und in welchem Umfang eine dem Abschiebezielstaat zuzurechnende Erklärung die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie Art. 3 EMRK verringert und mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu vereinbaren ist, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dabei sind insbesondere die Verhältnisse im Abschiebezielstaat, der konkrete Inhalt der Erklärung und die Umstände ihrer Abgabe zu berücksichtigen. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. Juli 2017 auf der Grundlage der seinerzeitigen Erkenntnisse zur Menschenrechtslage in Algerien davon ausgegangen, dass es im Fall des Klägers nicht ausreichend wäre, wenn die vom Senat im Beschluss vom 31. Mai 2017 geforderte Zusicherung einer algerischen Regierungsstelle nur einen gänzlich allgemeinen Inhalt hätte. Vielmehr sei es von Verfassungs wegen erforderlich, sie mit spezifischen Garantien zu verbinden, die eine Überprüfung der (eventuellen) Haftbedingungen des Klägers im Falle seiner Inhaftierung und insbesondere den ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten erlaube; dies müsse sich auf eine Inhaftierung sowohl durch die Polizei als auch durch den Geheimdienst beziehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 50). Diesen Anforderungen entspricht die Erklärung des Leiters der algerischen Generaldirektion für Nationale Sicherheit u.a. insoweit nicht, als sie im Falle einer Inhaftierung des Klägers keine ausdrückliche anwaltliche Überprüfungsmöglichkeit der Haftbedingungen beinhaltet. Das hat aber nicht zur Folge, dass das Schreiben bei der Risikoprognose nicht mitberücksichtigt werden darf. Dem steht die Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG) nicht entgegen, weil sie nur für Sachentscheidungen gilt. Daran fehlt es hier, da das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung angenommen hat und sich die Ausführungen zu den verfassungsrechtlich gebotenen Garantien nur in der Begründung dieser Entscheidung finden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - BVerfGE 92, 91 <107>). Im Übrigen ist den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. Juli 2017 nicht zu entnehmen, dass mögliche Bedenken bei der gebotenen Gesamtschau nur durch die von ihm beschriebenen spezifischen Garantien ausgeräumt werden können. Dies gilt umso mehr als es im vorliegenden Hauptsacheverfahren einer aktualisierten Risikoprognose auf der Grundlage der bei Abschiebung vorliegenden Erkenntnisse bedarf. 65 Aufgrund der Erklärung des Leiters der algerischen Polizei in Verbindung mit dem in Algerien inzwischen fortgeführten Reformprozess zur Achtung der in internationalen Abkommen eingegangenen Verpflichtungen und im nationalen Recht garantierten Rechte und Grundfreiheiten und dem der Erklärung vorausgegangenen intensiven Austausch auf diplomatischer und politischer Ebene drohte dem Kläger zur Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Abschiebung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung im Falle einer Inhaftierung. Algerien ist zahlreichen internationalen Menschenrechtskonventionen beigetreten, u.a. dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Auch die algerische Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (vgl. Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 20 f.). Die in Algerien eingeleitete Neustrukturierung der Sicherheitsdienste schreitet voran. Der algerische Sicherheitsdienst ""DRS"" (""Département du Renseignement et de la Sécurité""), dem in der Vergangenheit Folter gegenüber Terrorismusverdächtigen vorgeworfen wurde, ist Anfang 2016 aufgelöst worden; an seine Stelle ist die ""DSS"" (""Direction des services de sécurité"") getreten, die unmittelbar dem Präsidenten berichtet (Amnesty International Report 2016/17 Algeria S. 63, Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 7, US Department of State - Algeria - Human Rights Report 2016 S. 4). Zwar verfügen die Sicherheitskräfte aufgrund der weiterhin gültigen Anti-Terrorismus-Verordnung von 1992 über umfangreiche Befugnisse. So haben sie danach die Möglichkeit, verdächtige Personen bis zu 12 Tagen festzuhalten (nach den allgemeinen Gesetzen ist diese Frist auf 48 Stunden begrenzt), ohne sie einem Richter oder Staatsanwalt vorführen zu müssen (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 17). Insgesamt betont die Regierung jedoch verstärkt die Beachtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte (im Sinne der ""nationalen Versöhnung"" von Präsident Bouteflika), so wurde im Juli 2017 eine Menschenrechtsstelle bei der algerischen Polizei DGSN eingerichtet. Auch versichern algerische Behörden bei Abschiebungs- und Auslieferungsfragen stets mündlich, dass internationale rechtliche Standards eingehalten würden und ist hierzu bisher nichts Gegenteiliges bekannt geworden (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 20 f.). Für die Bewertung der Menschenrechtslage besonders aufschlussreich waren in der Vergangenheit die Bewertungen der ""Staatlichen Konsultativkommission zu Menschenrechtsfragen"", die in ihren Berichten heikle Menschenrechtsfragen aber häufig ""umschiffte""; sie wurde inzwischen als ein Ergebnis der Verfassungsreform durch den ""Nationalen Menschenrechtsrat"" ersetzt, der seine Unabhängigkeit und Kompetenz allerdings noch unter Beweis stellen muss (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 9). Andererseits erlaubt die algerische Regierung den UN-Sonderberichterstattern zu Themen wie Folter und andere Misshandlungen, Antiterrormaßnahmen und Verschwindenlassen sowie internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Amnesty International weiterhin nicht die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen vor Ort (vgl. Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 9, Amnesty International Report 2016/2017 Algeria S. 63) und behaupten nichtstaatliche Organisationen und lokale Menschenrechtsaktivisten, dass es in Algerien zur Erlangung von Geständnissen ""manchmal"" weiterhin zu Übergriffen bis hin zur Folter komme und Straffreiheit ein Problem sei (US Department of State - Algeria - Human Rights Report 2016 S. 3). Dies zeigt, dass der Erfolg der Bemühungen in Algerien um eine Verbesserung der Menschenrechtslage schwer einschätzbar ist, weshalb einige Gerichte in der Europäischen Union in der Vergangenheit zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Terrorismusverdächtige in Algerien (weiterhin) mit menschenrechtswidriger Behandlung rechnen müssen (vgl. die Zusammenstellung in der ""Final Answer"" des European Asylum Support Office vom 16. August 2017 zur Rückkehrgefährdung von Algeriern bei Terrorismusverdacht). Nach den Erkenntnissen des US Department of State sind in jüngster Vergangenheit aber offenbar nur zwei konkrete Vorfälle bekannt geworden, denen von Seiten des Staates nachgegangen wurde bzw. wird: Im Mai 2016 wurden zwei Polizeibeamte nach ihrer Verhaftung im Mai 2015 wegen Vergewaltigung einer Frau in der Haft zu sieben bzw. 15 Jahren Gefängnis verurteilt; in einem weiteren Verfahren wegen des Übergriffs von Polizeibeamten auf eine Frau in einer örtlichen Polizeiwache hat die Familie des Opfers beim örtlichen Gericht Beschwerde eingereicht (US Department of State - Algeria - Human Rights Report 2016 S. 3). Konkrete Schilderungen von weiteren Übergriffen im staatlichen Gewahrsam aus neuerer Zeit sind den vom Senat beigezogenen Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes gab es bis 2015 - vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus - ernstzunehmende Hinweise darauf, dass es im Gewahrsam von Polizei und Militärgeheimdienst nach wie vor zu Übergriffen bis hin zu Folter und beim Militärgeheimdienst auch zu - mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen möglicherweise gefahrträchtigeren - Fällen von geheimer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt in nichtregulären Gefängnissen gekommen ist (Lagebericht des AA vom 13. Februar 2017 S. 20). Seitdem sind aber keine neuen Fälle (mehr) bekannt geworden (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 7 und 21), obwohl nationale Menschenrechtsgruppen - etwa die ""Ligue Algérienne pour la Défense des Droits de l'Homme (LADDH)"", die ""Ligue Algérienne des Droits de l'Homme (LADH)"" und das lokale Amnesty International-Büro - in Algerien operieren und ihre Ergebnisse publizieren können (Länderinformationsblatt Algerien des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl , Stand 17. Mai 2017 S. 12 f.), auch wenn sie sich immer noch nicht offiziell registrieren lassen konnten (Human Rights Watch, World Report 2018 Algeria S. 24). Auch Amnesty International berichtet inzwischen nicht mehr von menschenrechtswidrigen Praktiken in der Haft und - nach Auflösung des DRS - auch nicht mehr von der Inhaftierung terrorismusverdächtiger Personen in nicht dem Justizministerium unterstehenden - inoffiziellen - Haftanstalten (Amnesty International Report 2016/2017 Algeria und Amnesty International Report 2016 Algerien; anders noch Amnesty International Report 2015 Algerien). Die Regierung erlaubt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und lokalen Menschenrechtsbeobachtern den Besuch regulärer Gefängnisse und Haftanstalten; insbesondere das IKRK hat inzwischen zahlreiche Gefängnisse und Haftanstalten besucht und dabei insbesondere vulnerable Gefangene in den Blick genommen (US Department of State - Algeria - Human Rights Report 2016 S. 4 f., Länderinformationsblatt Algerien des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl , Stand 17. Mai 2017 S. 18). Der IKRK-Delegierte hält engen Kontakt mit algerischen Ministerien und Behörden und beurteilt die Zusammenarbeit mit der Regierung als grundsätzlich positiv (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 22). 66 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bemühungen um eine Verbesserung der Menschenrechtslage in Algerien die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung - auch bei Terrorismusbezug - inzwischen erheblich verringert haben. Dem steht nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte noch in einer Entscheidung vom 1. Februar 2018 (Nr. 9373/15, M.A./Frankreich) zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Abschiebung eines in Frankreich wegen terroristischer Aktivitäten verurteilten algerischen Staatsangehörigen gegen Art. 3 EMRK verstieß. Denn diese Entscheidung bezieht sich auf eine im Februar 2015 vollzogene Abschiebung (Rn. 22) und die seinerzeitige Lage in Algerien vor Auflösung des ""DRS"" (Rn. 30 ff. und 54). Zudem berücksichtigt sie das besondere Profil des Beschwerdeführers, der nach eigenen Angaben schon in Algerien auf Seiten der Islamisten gegen den Staat gekämpft haben will und deshalb in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden sei (Rn. 5 und 17) und der in Frankreich wegen schwerer Straftaten - Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zwecks Vorbereitung terroristischer Handlungen zwischen 1999 und 2004 in Frankreich, Algerien, Marokko, Spanien, der Türkei, Georgien und Syrien - zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden war, von der die algerischen Behörden Kenntnis hatten (Rn. 9, 55 und 58). Ungeachtet der Frage der Vergleichbarkeit mit dem persönlichen Profil des Klägers haben sich jedenfalls die Verhältnisse in Algerien seit Anfang 2015 bis zur Abschiebung des Klägers Anfang 2018 infolge der - vorstehend dargelegten - normativen Verstärkung des Menschenrechtsschutzes und der durchgeführten Reformen erheblich verbessert und stabilisiert. 67 Zudem wurde im Fall des Klägers vor seiner Abschiebung unter Einbeziehung nicht nur des algerischen Außen-, sondern auch des Justiz- und des Innenministeriums - auf diplomatischer und politischer Ebene - intensiv erörtert, ob sichergestellt ist bzw. wie sichergestellt werden kann, dass dem Kläger in Algerien keine menschenrechtswidrige Behandlung droht. In diesem Zusammenhang hat Algerien nicht nur auf die allgemeine Rechtslage und die Kontrollfunktion seiner Gerichte verwiesen (vgl. Verbalnote vom 30. Juli 2017), sondern wurde auch ein Schreiben des Leiters der beim algerischen Innenministerium angesiedelten DGSN überreicht, in dem dieser nochmals bestätigte, dass der Kläger nach dem Strafregister keine restriktiven Maßnahmen zu erwarten habe, und jener in seiner Funktion als Leiter der algerischen Polizei gegenüber dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums zusagte, im Fall des Klägers ""persönlich"" für eine Wahrung seiner Rechte und Grundfreiheiten - insbesondere jener gemäß Art. 132 der algerischen Verfassung sowie im Rahmen des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte - Sorge zu tragen. Diese dem algerischen Staat zuzurechnende verbindliche Zusage erstreckte sich unter Berücksichtigung der vorangegangenen zwischenstaatlichen Verhandlungen, dem erkennbaren Interesse Algeriens an einer nachhaltigen Intensivierung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Deutschland, den bislang positiven Erfahrungen im Auslieferungs- und Abschiebungsverkehr mit Algerien und angesichts des hohen Rangs des Erklärungsgebers nicht nur auf die (übliche) Befragung nach einer Abschiebung durch die algerische Polizei, sondern auch auf eine (nach dem Vorstehenden nicht auszuschließende) Festnahme des Klägers durch die Polizei oder den Geheimdienst. Soweit der Kläger in seinem letzten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darauf hingewiesen hat, dass Generalmajor H. auch schon zu Zeiten im Amt gewesen sei, in denen über Folter und andere unmenschliche Behandlung durch Polizei und Geheimdienste berichtet worden sei, nahm dies der Zusage im Zeitpunkt der Abschiebung nicht ihre Belastbarkeit, zumal die Neustrukturierung in Algerien unter dessen Verantwortung vorangetrieben worden ist. 68 Die Berücksichtigung der Zusage steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts. Beide Gerichte anerkennen Zusicherungen unter bestimmten Voraussetzungen als ein geeignetes Instrument zur einzelfallbezogenen Ausräumung der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Abschiebezielstaat (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09, Othmann/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2013, 487 Rn. 193 - 204; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 47 f.). Soweit der EGMR in seinem Urteil vom 15. Mai 2012 (Nr. 33809/08, Labsi/Slowakei - Rn. 121 ff.) die dem damaligen Beschwerdeführer drohende Gefahr in Algerien in den Jahren 2008 bis 2012 dahin beurteilte, dass Art. 3 EMRK der vollzogenen Abschiebung entgegenstand und die Einhaltung der erteilten Zusicherungen aufgrund eines fehlenden Monitoring-Systems nicht überprüft werden konnte, haben sich die Verhältnisse in Algerien hinsichtlich der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung seitdem - wie vorstehend dargelegt - ersichtlich geändert. Auch wenn nach Einschätzung der U.K. Special Immigration Appeals Commission in ihrem Urteil vom 18. April 2016 (SC/39/2005 u.a. - Rn. 121) allein die Auflösung des Geheimdienstes ""DRS"" am Fortbestand der Foltergefahr noch nichts geändert hat, ist die Neustrukturierung der Sicherheitsdienste inzwischen weiter vorangeschritten und sind in der Zeit nach Auflösung des ""DRS"" keine Übergriffe gegen Personen in Gewahrsam oder Fälle irregulärer Haft (mehr) bekannt geworden (Ad-hoc-Bericht des AA vom 25. Juli 2017 S. 7 und 21). Zudem findet seit einiger Zeit vor allem über das IKRK in regulären Gefängnissen und Haftanstalten ein ""Independent Monitoring"" statt (US Department of State - Algeria - Human Rights Report 2016 S. 4 f.). Im Übrigen lag hier - anders als in dem vom EGMR im Februar 2018 entschiedenen Fall - eine verbindliche Zusage des Leiters der algerischen Polizei vor. Vor diesem Hintergrund bestand im Fall des Klägers bei Abschiebung kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Er musste in Algerien zwar mit einer Befragung durch die Polizei und möglicherweise auch mit einer Inhaftierung wegen Terrorismusverdachts rechnen. Dabei drohte ihm unter den hier gegebenen Umständen aber schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. 69 Nach der Abschiebung eingetretene oder bekannt gewordene Umstände stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zutrifft, dass dieser nach seiner Rückführung und einer allgemeinen Befragung durch die Polizei zwar zunächst freigelassen, wenige Tage später aber zu Hause (wohl) vom Militärgeheimdienst festgenommen, zunächst (zwischen dem 18. und dem 26. Januar 2018) an einem ""unbekannten"" Ort festgehalten wurde und ein Rechtsanwalt erst nach 24 Tagen Zugang zum Kläger erhalten habe. Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten befindet sich der Kläger jedenfalls inzwischen in einem regulären Gefängnis und hat Kontakt mit einem algerischen Anwalt. Ungeachtet des Umstands, dass die vom Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geforderte Zusicherung nicht den Verzicht auf eine Inhaftierung, sondern nur das Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung aufgrund der seinerzeit vorliegenden Erkenntnisse betraf, lagen mit dem behaupteten vorübergehenden Festhalten an einem unbekannten Ort und dem behaupteten verzögerten Zugang eines Rechtsanwalts mit Blick auf Art. 3 EMRK zwar in der ersten Phase der Haft gefahrerhöhende Umstände vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat aber - auch auf Nachfrage - nicht geltend gemacht, dass der Kläger in dieser Zeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK erlitten hat. Zudem beruht die zwischenzeitliche Inhaftierung möglicherweise auf neuen, vom Kläger erst nach seiner Abschiebung geschaffenen Umständen. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht bestätigte nach einem Gespräch des Bundespolizeipräsidenten mit Generalmajor H. lediglich, dass sich der Kläger aufgrund ""neuer Erkenntnisse"" in Algerien wegen des Vorwurfs terroristischer Betätigung in Haft befinde. Nach Auskunft des Generalmajors stehen ihm die zugesicherten rechtsstaatlichen Garantien aber weiterhin zu. In diesem Zusammenhang wurden von Generalmajor H. explizit das Recht des Klägers auf Zugang zu einem mandatierten algerischen Anwalt, auf Besuche durch die Familie und die Einhaltung der in der EMRK verbrieften Menschenrechte genannt. Auch hierzu hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine gegenteiligen Erkenntnisse, obwohl er über die Familie des Klägers mit diesem (mittelbar) im Kontakt steht. Soweit er bemängelt, dass ihm als (in Algerien nicht zugelassenem) ausländischem Anwalt kein Zugang zum Kläger ermöglicht werde, stellt dies für den Kläger weder eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung dar noch erhöht es - angesichts des inzwischen eröffneten Zugangs zu einem algerischen Anwalt - das Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung in der Haft. Da es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung primär auf den Zeitpunkt der Abschiebung ankommt, bedarf es unter den gegebenen Umständen auch keiner weiteren Klärung, aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen der Kläger in Algerien festgehalten wurde und wird. Dies enthebt die Beklagte und die Bundesrepublik aber nicht von der Verpflichtung, beim Leiter der algerischen Polizei auch weiterhin in geeigneter Weise an die Einhaltung der abgegebenen Zusage zu erinnern. 70 Das grundsätzliche Abstellen auf den Zeitpunkt der Abschiebung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR. Danach bedarf es angesichts der Bedeutung von Art. 3 EMRK und des irreversiblen Charakters eines Schadens, sollte es zur Verwirklichung des Risikos von Folter bzw. Misshandlung kommen, einer aufmerksamen Kontrolle durch die nationalen Behörden und einer unabhängigen und rigorosen Prüfung des unter Art. 3 EMRK erhobenen Vorbringens durch die nationalen Gerichte (EGMR, Urteil vom 22. September 2009 - Nr. 64780/09, H.R./Frankreich - NLMR 5/2011 S. 285 <287>). Dabei ist bei einer vollzogenen Abschiebung zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Abschiebung ein beachtliches Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestand. Dies ist in erster Linie auf der Grundlage der Tatsachen zu beurteilen, die dem abschiebenden Staat im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, auch wenn sich der EGMR die Berücksichtigung nachträglich bekannt werdender Informationen zur Bestätigung oder Widerlegung dieser Einschätzung vorbehält (EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15 - Rn. 105 m.w.N.). Auf dieser Rechtsprechung beruht auch das Urteil des EGMR vom 1. Februar 2018 (Nr. 9373/15 - Rn. 52). In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof hinsichtlich der Verhältnisse in Algerien ausschließlich Erkenntnisquellen herangezogen, die sich auf den Zeitpunkt der seinerzeitigen Abschiebung (Anfang 2015) bezogen (Rn. 30 ff. und 54), und hat im Ergebnis einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bejaht, ohne der Frage nachzugehen, ob der im Zeitpunkt der Entscheidung fast drei Jahre in Algerien inhaftierte Beschwerdeführer dort tatsächlich eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung erlitten hat (vgl. Rn. 48 des Urteils und Rn. 39 des Sondervotums). 71 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-17,28.03.2018,"Pressemitteilung Nr. 17/2018 vom 28.03.2018 EN Bundesverwaltungsgericht bestätigt Bremer Abschiebungsanordnung gegen einen russischen Gefährder Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Klage eines radikal-islamistischen Gefährders gegen eine Abschiebungsanordnung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen abgewiesen. Der 19-jährige Kläger ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stammt aus deren Teilrepublik Dagestan und ist im Alter von drei Jahren nach Deutschland eingereist. Seit April 2012 befand er sich im Besitz befristeter Aufenthaltserlaubnisse. Im März 2017 hatte der Senator die Abschiebung des Klägers gemäß 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) angeordnet. Nach Ablehnung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz durch das bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht (Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - BVerwG 1 VR 3.17) und Zurückweisung einer hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht wurde der Kläger im September 2017 nach Moskau abgeschoben. Eine Beschwerde des Klägers beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hatte letztlich keinen Erfolg. Mit dem nun ergangenen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht die Anordnung als rechtmäßig bestätigt. Nach der im Jahr 2005 eingeführten Regelung des § 58a AufenthG kann ein Ausländer zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung abgeschoben werden. Für die hierfür erforderliche, auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose bedarf es einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann. Diese Voraussetzungen sieht der Senat im Fall des Klägers auch nach neuerlicher Überprüfung auf der Grundlage einer Gesamtschau vielfältiger Anhaltspunkte und Indizien als erfüllt an. Der Kläger gehörte seit längerem der radikal-islamistischen Szene in Deutschland an und sympathisierte offen mit der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“. Äußerungen - auch des Klägers - in verschiedenen Chats ließen auf seine Bereitschaft zur Teilnahme an einem terroristischen Anschlag schließen. Auf seinem Smartphone war u.a. ein Video mit einer Anleitung zum Bau einer Splitterbombe gefunden worden. Bei einer derartigen Gefahrenlage war die Abschiebungsanordnung auch unter Berücksichtigung der damit für den Kläger als gerade volljährig gewordenen faktischen Inländer verbundenen Schwierigkeiten verhältnismäßig, auch wenn er kein Russisch spricht. Abschiebungsverbote stehen der Anordnung nicht entgegen. Der Senat hat an seiner im vorläufigen Rechtsschutzverfahren getroffenen Einschätzung festgehalten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation im Zeitpunkt der Abschiebung jedenfalls dann keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Art. 3 EMRK) gedroht hat, wenn er - wie geschehen - nicht in den Nordkaukasus abgeschoben wird. Es war ihm möglich und zumutbar, außerhalb seiner Herkunftsregion Aufenthalt zu nehmen und sich eine Lebensgrundlage aufzubauen. BVerwG 1 A 4.17 - Urteil vom 27. März 2018","Urteil vom 27.03.2018 - BVerwG 1 A 4.17ECLI:DE:BVerwG:2018:270318U1A4.17.0 EN Urteil BVerwG 1 A 4.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen eine auf § 58a AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung. 2 Der Kläger wurde im ... in der Russischen Föderation (Dagestan) geboren. Er reiste 2002 mit weiteren Familienmitgliedern nach Deutschland ein und stellte gemeinsam mit diesen unter falschem Namen erfolglos Asylanträge. Nach Ablehnung des ersten Asylantrags konnte er mehrere Jahre lang wegen fehlender Heimreisedokumente nicht abgeschoben werden. Im April 2012 wurde dem Kläger - nach Richtigstellung der Personalien der Familie - erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zuletzt bis März 2018 verlängert worden ist. 3 Im Jahr 2014 erließ die zuständige Ausländerbehörde gegen den Kläger ein Ausreiseverbot, nachdem zutage getreten war, dass er eine Ausreise nach Syrien geplant hatte. 4 Mit Verfügung vom 13. März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Beklagten - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation an. Die Abschiebungsanordnung wurde mit der Gefahr begründet, dass der Kläger einen terroristischen Anschlag verüben oder an einem solchen mitwirken werde. Er habe sich seit 2014 zunehmend islamistisch radikalisiert und sympathisiere mit der terroristischen Vereinigung ""Islamischer Staat"" (""IS""). In einem ""Chat"" habe er sich zur Beteiligung an einem Anschlag bereit erklärt. Bei der Auswertung seines Smartphones sei u.a. ein Video mit einer Schritt-für-Schritt Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln gefunden worden. Daraus und aus weiteren Einzelheiten, auf die im Rahmen der Entscheidungsgründe eingegangen wird, ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von ihm eine terroristische Gefahr ausgehe. Vor diesem Hintergrund überwiege bei der Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland, des erlangten Hauptschulabschlusses, der sozialen Bindungen an seine Familie und seine religiös angetraute Ehefrau das Interesse an einer Ausreise das private Interesse am Verbleib. Die Verfügung wurde dem Kläger am 14. März 2017 ausgehändigt; am gleichen Tag wurde er zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen. Während seiner Inhaftierung trennten sich der Kläger und seine Partnerin. 5 Am 24. März 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Er hält § 58a AufenthG für verfassungswidrig. Unabhängig davon sei die Abschiebungsanordnung formell und materiell rechtswidrig. Sie sei unter Verstoß gegen § 28 BremVwVfG ohne vorherige Anhörung ergangen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG lägen nicht vor. Die Auslegung der Vorschrift durch den Senat führe zu einer unzulässigen Absenkung der Gefahrenschwelle. Die Gefahrenprognose beruhe auf einer unrichtigen und unzureichenden Tatsachengrundlage und sei insbesondere nicht hinreichend sachverständig erfolgt. Sie beruhe zudem auf Angaben des Klägers, die in einem Strafprozess wegen Verletzung seiner Verteidigungsrechte nicht verwertbar wären. Ein Zusammenhang zwischen den beim Kläger gefundenen Videos und Fotos und einem erwartbaren Verhalten des Klägers sei nicht herzustellen. Seine Äußerungen zeigten, dass er selbst noch auf der Suche nach der eigenen Weltsicht und Motiven für das eigene Handeln sei. Es fehle auch an einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Klägers. Die Abschiebungsanordnung sei ferner unvereinbar mit Art. 8 EMRK. Der Kläger sei in Deutschland integriert, seine Familie lebe hier, und er spreche kein Russisch. Schließlich bestehe ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, weil zu erwarten sei, dass der Kläger in der Russischen Föderation einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt sei. Er befürchte, inhaftiert und gefoltert sowie zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Die russischen Stellen könnten die Gründe für seine Abschiebung unschwer den Medien entnehmen. Eine vom Kläger eingeholte Auskunft einer russischen Nichtregierungsorganisation vom 19. August 2017 bestätige seine Befürchtungen. Er könne sich in der Russischen Föderation jedenfalls nicht ohne erhebliche Gefährdung registrieren lassen. Den für die Registrierung erforderlichen Inlandspass könne er nur in Dagestan beantragen. Sowohl zur Frage des Erfordernisses einer Anhörung nach Unionsrecht als auch zur Frage der Vereinbarkeit einer Abschiebung ohne vorherige Befristung mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG bedürfe es eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). 6 Der Kläger beantragt, die Verfügung des Senators für Inneres der Freien Hansestadt Bremen vom 13. März 2017 aufzuheben. 7 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Sie verteidigt die angegriffene Verfügung. In Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen führt sie vorsorglich aus, dass die Ermessensentscheidung auch dann zu Lasten des Klägers ausgehe, wenn er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache und in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans nicht über familiäre Kontakte verfügen sollte. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an. 10 Mit Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - hat der Senat einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - nicht zur Entscheidung angenommen. Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine auf Antrag des Klägers am 31. Juli 2017 erlassene vorläufige Untersagung der Abschiebung am 29. August 2017 wieder aufgehoben hatte, wurde der Kläger am 4. September 2017 nach P. (Russische Föderation) abgeschoben. Mit Entscheidung vom 7. November 2017 (Nr. 54646/17) hat der EGMR die Beschwerde des Klägers in der Hauptsache hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Art. 3 EMRK als unzulässig, weil offensichtlich unbegründet, zurückgewiesen. 11 Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Februar 2018) erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht. 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Senators (VV), die Ausländerakte des Klägers (AA), die Akten des 62. Kommissariats der Polizei Bremen (6 Bände P1 bis P6, und ein Hefter, Polizei K 62), die beigezogenen Akten verschiedener familiengerichtlicher Verfahren (Amtsgericht Bremen 71 F 172/17 SO, 71 F 212/17 EAUB, 71 F 211/17 EASO, 71 F 134/17 EAUB, 71 F 591/17 UB) sowie die beigezogene Strafakte (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. I und II sowie Beweismittelordner). II 13 Die in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Substantiierung erhobene Besetzungsrüge greift nicht durch. Die aus dem Rubrum ersichtliche Besetzung des Senats entspricht seinem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2018. 14 Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist zulässig, aber unbegründet. 15 1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66, 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 12). 16 2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Senators für Inneres vom 13. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 17 Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollzug der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.). 18 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. 19 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). In seiner Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz, auf die insoweit verwiesen wird (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 9 ff.), hat sich der Senat mit den gegen die Verfassungsmäßigkeit erhobenen Einwänden des Klägers auseinandergesetzt. Diese Beurteilung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden. Der weitere Verlauf des Klageverfahrens und der mündlichen Verhandlung gibt keine Veranlassung, davon abzuweichen. 20 2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung möglicherweise nicht hinreichend angehört worden ist. 21 a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 BremVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, etwa wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). 22 Es kann offenbleiben, ob hier vor der Übergabe der Abschiebungsanordnung eine hinreichende Anhörung durch die für deren Erlass zuständige Behörde stattgefunden hat oder diese in der Folgezeit nachgeholt worden ist; denn jedenfalls durfte auf eine Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig war. § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen ""Vorwarnung"" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil vom Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst möglich, wenn die Abschiebungsanordnung bereits ergangen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG). Besondere, atypische Umstände, die hier vor Erlass der Abschiebungsanordnung eine umfassende vorherige Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). 23 b) Das Vorgehen der Behörde ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts, wie sie vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) zu beachten sind, vereinbar. Es kann daher offenbleiben, ob diese Richtlinie auf Rückkehrverfahren, die - wie hier - nicht zu migrationsbedingten Zwecken, sondern zum Schutz der öffentlichen Sicherheit bei einer terroristischen Gefahr gegen eine zuvor legal aufhältige Person durchgeführt werden, überhaupt Anwendung findet (vgl. zu der Problematik BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6). 24 Die Richtlinie 2008/115/EG selbst enthält nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2336], Mukarubega - Rn. 40 - 45; BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 19). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebenda, Rn. 45). 25 Weitergehende Anforderungen ergeben sich entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der von ihr in diesem Zusammenhang angeregten EuGH-Vorlage (Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage I.) auch nicht aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Soweit sie sich auf das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 GRC beruft, das nach Art. 41 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GRC insbesondere das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, ist in der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 41 GRC eindeutig ergibt, dass sich dieser nicht an die Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet (EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 - Rn. 44 m.w.N.). Ein schrankenloser Anspruch auf Anhörung vor Erlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine nationale Ausländerbehörde ergibt sich auch nicht aus Art. 47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) und Art. 48 GRC (Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte), ohne dass sich in diesem Zusammenhang eine dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegende entscheidungserhebliche Zweifelsfrage stellt. 26 Danach bedurfte es hier auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird u.a. bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet. Angesichts des überragenden Gewichts der Gründe, die in einem solchen Fall für ein Absehen von der Anhörung sprechen, liegt darin auch im Falle eines - wie hier - bis dahin legalen Aufenthalts kein unverhältnismäßiger Eingriff in das unionsrechtlich gewährleistete Anhörungsrecht, zumal dem Betroffenen das Recht auf rechtliches Gehör im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden gerichtlichen Rechtsbehelfe verbleibt. 27 2.3 Die Verfügung ist - wie der Senat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat - auch materiell rechtmäßig. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger bei Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus. 28 a) Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 21). 29 Der Begriff der ""terroristischen Gefahr"" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 22). 30 Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im ""politischen/ideologischen Kampf"" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 23). 31 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 24). 32 Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 25). 33 Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 26; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 45). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten ""Jihad"" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). 34 Für diese ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 27). 35 Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 28). 36 Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 29; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). 37 b) In Anwendung dieser Grundsätze ging vom Kläger im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG aus, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Klägers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen würde, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen. Dieser Einschätzung liegt folgender Sachverhalt zugrunde (dazu aa) bis dd)): 38 aa) Der Kläger hat sich bereits seit dem Alter von 15 Jahren islamistisch radikalisiert. Ende 2014 war er häufiger Besucher des - inzwischen verbotenen - Kultur- und Familienvereins in B., der die ""F. Moschee"" betrieb und sich durch eine stark extremistische Auslegung des Islam auszeichnete. Die F. Moschee besuchte er, obwohl ihm in einer anderen Moschee mit der Begründung davon abgeraten worden war, dass er sonst ""in zwei Wochen in Syrien"" landen werde (P1 Bl. 35). Nach dem Freitagsgebet am 5. Dezember 2014 erfolgten dort Durchsuchungen aufgrund vereinsrechtlicher Verbotsmaßnahmen. Der anwesende Kläger wurde dabei polizeilich erfasst (AA Bl. 185). Bei anschließenden Internetrecherchen wurde ein mit großer Wahrscheinlichkeit dem Kläger zuzuordnendes ask.fm-Profil eines ""C. J."" aufgefunden, das die Flagge des sogenannten Islamischen Staates zeigte und weitere salafistische Inhalte aufwies. Der Nutzer gab an, dass es sein Ziel sei, ""die höchste Stufe im Paradies zu bekommen"", die nach jihadistischer Vorstellung den Märtyrern vorbehalten ist, und bezeichnete Kritiker des ""IS"" als ""Medien-Opfer"" (AA Bl. 179 ff., 186). Am 4. Dezember 2014 hatte der Kläger sich als Facebook-Nutzer ""C. Aus F."" nach Möglichkeiten erkundigt, wie er als Minderjähriger allein über die Türkei nach Syrien ausreisen könne. Drei seiner Freunde seien kürzlich ausgereist; außerdem halte sich seine ältere Schwester seit einem Monat in Raqqa/Syrien auf und stehe über Skype mit ihm in regelmäßigem Kontakt. Als Grund für seine Ausreiseabsicht gab er familiäre Probleme an, insbesondere die ablehnende Haltung seiner Eltern gegenüber seiner strenggläubigen Sicht. Kurze Zeit später traf sich der Kläger mit einem Bekannten, der schon einmal Richtung Syrien ausgereist, aber wieder zurückgekehrt war und der sich bereit erklärt habe, ihm ein Flugticket zu besorgen sowie ein Formular, das ihm die Ausreise ohne seine Eltern ermögliche (AA Bl. 184 ff.). Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzte die Ausreiseabsicht als glaubhaft ein und hielt fest, die Internetauftritte des Klägers und die Abkehr von seinem Bruder, der den ""IS"" ablehne, ließen eine Sympathie mit dem ""IS"" vermuten (AA Bl. 187). Aufgrund der für den 12. Dezember 2014 konkret geplanten Ausreise wurde die Wohnung des Klägers und seiner Eltern durchsucht; dabei wurden sein Reisepass, ein Laptop und ein Smartphone sichergestellt (P1 Bl. 31). Auf dem Smartphone wurden u.a. Videos mit Syrien- und ""IS""-Bezug (u.a. Kriegsszenen, Bombenattentate, ""IS""-Flagge) sowie sogenannte Nasheeds (Musik mit islamisch-religiösem Inhalt, P1 Bl. 67) gefunden. 39 Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 untersagte die Stadt Bremen dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland (AA Bl. 189). Bei seiner polizeilichen Befragung hatte der Kläger auf die Frage, warum so viele Menschen nach Syrien gehen, angegeben: ""Um Shahid zu werden. Also ein Märtyrer. Man kommt sofort ins Paradies. Allah zeigt dann deren Häuser, sie kriegen nicht zwei, sondern 70 Frauen. Und wenn die Eltern des Gläubigen im Leben zu viele Sünden begangen haben und in der Hölle landen, können die Märtyrer sie aus der Hölle befreien. Das steht so im Koran."" Ein Märtyrer sei für ihn ""einer, der keine Muslime tötet."" Er habe eigentlich nicht nach Syrien gehen, sondern im Internet nur damit angeben wollen. Seine Schwester wohne in O. und nicht in Syrien; er habe nicht mal die Pässe seiner Eltern (P1 Bl. 39). Sein Bekannter habe ihm auch gesagt, dass er sich noch gedulden und erstmal seine Religion lernen solle und dass ""man für den Jihad auch eine Elternerlaubnis braucht"". Er habe sich umentschieden und wolle das nun wegen seiner Eltern und seiner Zukunftspläne nicht (P1 Bl. 41). Im Februar 2015 stellten seine Lehrer im Gespräch mit einem Mitarbeiter des Beratungsnetzwerks ""k."", der den Kläger regelmäßig betreute, fest, dieser sei ernsthaft gefährdet, nach Syrien auszureisen und sich dort den Kämpfern des ""IS"" anzuschließen. Er werde derzeit falsch beschult und wolle nach Syrien, ""um dort seine Ruhe zu haben"". 40 Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es nicht der Beiziehung der Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für Verfassungsschutz, um der Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, dass er eine Ausreise nach Syrien seinerzeit allem Anschein nach ernsthaft beabsichtigt hat. Hiervon ist allein aufgrund der geschilderten äußeren Umstände, die der Kläger nicht bestritten hat und die aktenkundig belegt sind, auszugehen. Die Vorbereitungen waren danach so weit gediehen, dass das Vorhaben - ungeachtet der ""aufgebauschten"", unzutreffenden Angaben über den Aufenthaltsort der Schwester - nicht mehr als eine reine Internet-Prahlerei eingestuft werden kann. Dies hat der Kläger letztlich auch selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er habe sich ""umentschieden"". An dieser Sachverhaltswürdigung hält der Senat fest, ohne dass darin - wie der Kläger meint - eine ""eklektizistische Heranziehung einzelner als Tatsachen angenommener Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz"" liegt. 41 bb) Ab Juli 2015 war der Kläger wegen eines angespannten Verhältnisses zu seinen Eltern vorübergehend freiwillig durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht (P1 Bl. 71). Kurz nach Rückkehr in sein Elternhaus teilte seine Mutter der Polizei mit, ihr älterer Sohn, der ""Wahhabit"" sei, übe einen starken Einfluss auf den Kläger aus. Der Kläger trage seither lange Gewänder, suche regelmäßig eine Moschee in Hamburg auf und beteilige sich dort an den Koranverteilungsständen (P1 Bl. 77). Nach einem Vermerk einer Lehrerin des Klägers berichtete dieser im November 2015, dass er vor zwei Monaten in Köln ein Mädchen in einer Moschee geheiratet habe. Sie trage Burka; er kenne sie aus dem Internet und werde sie in einem Jahr nach Bremen holen. Er werde ihr erlauben zu arbeiten, und sie dürfe auch an Sportveranstaltungen nur mit Mädchen teilnehmen. Nach deutschen Gesetzen werde er nicht heiraten, da ihm dies seine Religion verbiete. Er vermeide alle deutschen Gesetze, soweit dies einigermaßen möglich sei. Er würde lieber in einem islamischen Land wohnen. Ein Schüler, der im Fach Kunst zum Thema ""Karikatur"" das ""Kopftuchtragen"" karikieren wollte, habe der Lehrerin nach Schulschluss gesagt, er traue sich nicht, wenn der Kläger in der Klasse sei. Er wolle nicht enden wie bei ""Charlie Hebdo"" (AA Bl. 242). Der Polizei gelangte zur Kenntnis, dass der Kläger das von den Sicherheitsbehörden überwachte Islamische Kulturzentrum ... (...) aufsuchte (AA Bl. 236, 260) und sich zudem im August 2015 an mehreren Infoständen der Koranverteilungsaktion ""Siegel der Propheten"" (SdP) in Hamburg beteiligt hatte, die der salafistischen Szene um Pierre Vogel und Sven Lau zuzurechnen sei. Unter den Facebook-Freunden des Klägers befänden sich viele SdP-Anhänger, die der salafistischen Szene angehörten (VV Bl. 34, AA Bl. 236). Der Kläger nahm Arabisch-Unterricht bei einem T. H., der der salafistischen Szene zuzurechnen ist und Kontakte zu Personen pflegte, die nach Syrien ausgereist waren oder dies versucht hatten. Inwieweit der Kläger auch Kontakt zur ""IS""-Szene pflegte, war der Polizei seinerzeit nicht bekannt (AA Bl. 260). 42 Am 14. April 2016 fand an der Wohnanschrift des Klägers im Beisein seiner Mutter und seines Erziehungsbeistandes eine Gefährderansprache statt, nachdem er zuvor nur noch mit langem Gewand und Bart zur Schule gekommen war und dort mehrmals behauptet hatte, mit dem Leben abgeschlossen und vor dem Tod keine Angst zu haben (AA Bl. 258, VV Bl. 57). Ein Antrag auf Aufhebung der Ausreiseuntersagung wurde mit Bescheid vom 28. Juni 2016 abgelehnt (AA Bl. 269). 43 Im November 2016 schrieb der Kläger über einen Instagram-Account einen nach Syrien ausgereisten 19-Jährigen an, von dessen Ausreise er wusste (P1 Bl. 92). Im Dezember 2016 wurde der Kläger zum Zweck einer Befragung und Gefährderansprache von der Polizei aufgesucht (Polizei K 62 Bl. 75). 44 cc) Im Januar 2017 wurde dem Landeskriminalamt (LKA) Bremen ein Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz nebst einem 30-seitigen Chatverlauf (P2 Bl. 10 ff. = Strafverfahren 508 Js 9347/17 Hauptakte Bd. I Bl. 112 ff.) übermittelt, nach dem sich ein ""M. M."" aus E. - nach gescheiterter Ausreise zum ""IS"" - gegenüber einem unbekannten Chatpartner gedanklich mit der Umsetzung eines Anschlagsvorhabens in Deutschland mittels eines Sprengstoffgürtels oder einer Schusswaffe auseinandersetzte (""Vllt. Mache ich hier eine Operation"") und dafür Unterstützung suchte. Er gab an, bereits mit zwei weiteren ""Brüdern"" in Kontakt zu stehen, darunter dem Kläger. Weiter bat er um Unterstützung seines Vorhabens und erkundigte sich bei jenem nach Möglichkeiten zur Herstellung eines Sprengstoffgürtels. Als Anschlagsort hatte M. das E. in Q. ins Auge gefasst, da es ""[d]er meist besuchteste Ort Europas"" sei und sich dort viele ""kuffar"" aufhielten. 45 Auf einer sogenannten Fake-News-Seite wurde ein - vom Kläger eingestellter - Eintrag über einen ""K. C."" gefunden, der angeblich nach Syrien ausgereist sei und zum Jihad aufruft (P2 Bl. 44 f., 173 ff.). 46 Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Klägers und seiner Eltern wurden diverse mobile Endgeräte und Speicherkarten sichergestellt und der Kläger befragt (Polizei Bremen K 62 P 2 Bl. 48 ff., 53 ff.). Er gab u.a. an, ""der E.er"" habe ihm über seinen Account erzählt, dass er eine Operation in Deutschland machen wolle, und ihn gefragt, ob er mitmachen wolle. Er habe dann Ja gesagt. Warum, wisse er selber nicht ganz genau. Aber dann habe der andere gesagt, dass er alle Zivilisten, auch Frauen und Kinder töten wolle, was er - der Kläger - nicht gut gefunden habe. Er habe dies aber nicht gesagt, sondern sei bei ""ja"" geblieben. Er wisse aber nicht, was genau geplant sei. Erst sei von ""Gürtelbombe"", dann von ""Pistole"" und dann von beidem die Rede gewesen. Er - der Kläger - wolle eigentlich keinen Anschlag in Deutschland begehen, sondern eine Ausbildung machen. Der ""IS"" übertreibe zwar, er finde diesen aber besser als die Ex-Nusra. Was Anis Amri gemacht habe, sei nicht gut. Es seien alles unschuldige Menschen auf dem Weihnachtsmarkt gewesen. Die Aufrufe zu Attentaten missbillige er auch beim ""IS"". Auf die Frage, wann ein Mensch einen anderen töten dürfe, antwortete er: ""Wenn der einen mit einem Messer angreift oder so. Oder wenn die Muslime bekämpft werden. Oder einen Soldaten, der einen Krieg gegen die Muslime führt. Alle unschuldigen Menschen sind raus. Man darf nur die töten, die mit Messer oder Waffe gegen die Muslime kämpfen. Oder hier in Deutschland: wenn ein Nichtmoslem einen Moslem tötet und andere Muslime sehen das, dann dürfen sie den auch töten. Das sagt der Koran. So wie Rache."" 47 Auf die Frage, warum er denn so einer Operation zustimme: ""Ich wusste ja nicht, was er machen will. Gegen Zivilisten will ich ja nicht. Hätte ja auch sein können, dass es zum Beispiel gegen ein Justizgebäude geht, wo Muslime gefangen sind. Da hätte ich dann anders drüber gedacht. Oder ein Soldatenstützpunkt. Da hätte ich auch anders drüber nachgedacht."" Vom Kläger handschriftlich ergänzt: ""Anders nachgedacht drüber hätte ich es, aber es nie getan."" ""Polizei nicht. Aber für den IS wäre eine Polizeistation schon okay."" 48 Sein Glaube sage, dass ein Anschlag auf einen Soldatenstützpunkt okay wäre. Aber sein Herz tue dabei weh. 49 Auf die Frage, ob er bereit wäre, sich selbst zu opfern, gab der Kläger an: ""Das will ich nicht. Das habe ich dem aus E. aus gesagt. Das will ich gar nicht. Den Gelehrten, denen ich glaube, sagen alle, dass der Selbstmord nicht mit den Gesetzen Allahs vereinbar ist. Also kann ich zum Beispiel nie einen Anschlag mit Sprengstoffgürtel machen, weil das ja Selbstmord wäre. Das habe ich ihm auch gesagt. Da wollte ich dann nämlich nicht mitmachen. Aber da kam er mit seinem Scheinargument, dass man dann bei der Operation sowieso noch erschossen wird."" Vom Kläger handschriftlich geändert: ""vorstellen soll, was passiert, wenn man nicht erschossen wird, weil das Ziel ist, zu sterben."" 50 Auf die Frage nach der Art der Operation: ""Ich habe ihn erstmal gefragt, wo er das machen will. Da meinte er, auf alle. Das fand ich dann ja nicht gut. Also einfach laufen und schießen und erschossen werden. Auf keinen Fall Selbstmord. Ich weiß aber ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit. Ich habe Angst ins Höllenfeuer zu kommen. Deswegen weiß ich auch nicht, warum ich ja gesagt habe. Vielleicht weil ich früher unbedingt nach Syrien wollte, um dort eine Waffe zu tragen. (...)"" 51 Abschließend gab er an: ""Also gut finde ich Anschläge nicht. Ich stimme vielleicht am Anfang zu, bin mir aber sicher, dass ich am Ende nicht mitmache. Kurz vorm Ende würde ich dann sagen, dass ich nicht mitmache. Er meinte zu mir, dass wenn ich austrete, dass ich dann ein Heuchler bin. Meine Religion erlaubt es, aber ich finde es nicht gut und würde es nie mitmachen. Für mich ist ja Deutschland kein Land, was die Muslime angreift. So wie die Nazis halt. Deswegen würde ich hier keinen Anschlag machen."" 52 Er habe seinem Gesprächspartner dann noch seinen Namen zur Kontrolle geschickt. Die wüssten ja über viele Muslime in der Welt Bescheid und könnten das prüfen. Jetzt bereue er das. Er habe nicht gewusst, dass es so weit komme, und alles für ein Spiel gehalten. Seinen Namen habe er nur gegeben, um zu erfahren, was der ""IS"" über ihn wisse. Er habe bei der ganzen Sache eigentlich nur den Exfreund seiner Freundin an den E.er vermitteln wollen, um ihn loszuwerden. Von ihm gehe keine Gefahr aus. Er habe bei der Operation ja auch gar nicht mitmachen wollen, sondern eher daran gedacht, dass es Spaß machen könne, mit einer Waffe rumzulaufen und zu schießen, also nicht auf Menschen, sondern zum Beispiel als Sport auf Zielscheiben. Er wolle aber gar keine Menschen töten. Die Fake-News betreffend seine Ausreise nach Syrien habe er selbst erstellt, so als Scherz. Das sei nur von jemand anderem kopiert gewesen (P2 Bl. 58). 53 Im Nachgang der Befragung brach der Kläger plötzlich zusammen und berichtete dem ihn begleitenden Polizeibeamten von Depressionen und Suizidgedanken: ""Ich habe seit drei bis vier Jahren Depressionen und Selbstmordgedanken. Meine Eltern haben mich früher geschlagen und es geht mir schon lange sehr schlecht. Ich habe diese Kontakte in das radikale Milieu mit der Religion und diesen Anschlagsplanungen nur, weil ich eigentlich einfach sterben will und nicht mehr hier sein möchte. Es geht bei diesen Kreisen viel um das Leben nach dem Tod und den Tod und deswegen beschäftige ich mich damit. Einfach weil ich sterben will. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Letztes Jahr wollte ich mich eigentlich schon vor einen Zug werfen und hatte einen Abschiedsbrief fertig geschrieben. Ich habe dann aber kurz vorher abgebrochen, weil ich nach Allahs Gesetzen ja ins Höllenfeuer komme, wenn ich Selbstmord begehe. Ich will unbedingt sterben und deswegen suche ich immer den Kontakt zu solchen radikalen Leuten. Die Religion ist da eigentlich gar nicht so im Vordergrund. Ich will einfach ins Paradies kommen und nicht im Höllenfeuer landen. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich kann mit niemandem darüber sprechen. Ich hatte erst heute, ca. zwei Stunden bevor sie bei mir zuhause waren, Selbstmordgedanken. Ich denke sehr viel darüber nach und will einfach weg hier. Ich weiß einfach nicht weiter. Deswegen habe ich zu dem Plan des Anschlags in Deutschland auch 'Ja' gesagt. Ich will unbedingt sterben, aber darf nach meinem Glauben nicht durch Selbstmord sterben."" (P2 Bl. 64). 54 Der Kläger wurde sodann zunächst nach § 16 PsychKG, anschließend gemäß § 1631b BGB zwecks Erstellung eines Gutachtens zur Fremd- und Eigengefährdung im Klinikum B. untergebracht, wo er sich vom 14. Januar bis 2. März 2017 aufhielt (AA Bl. 428). Bei der Aufnahmeuntersuchung ist aufgrund einer psychiatrischen Untersuchung des Klägers als vorläufige Diagnose festgehalten ""schwere depressive Episode mit suizidalen Gedanken""; der Kläger könne sich vorstellen, im Rahmen eines Attentats zu sterben (P2 Bl. 69 f.). Dem anordnenden Richter gegenüber erklärte er bei seiner Anhörung: Er könne sich niemals vorstellen, Selbstmord zu begehen, auch keinen Selbstmordanschlag. Das verbiete ihm der Islam. Die Kontaktperson aus E. habe ihm gegenüber geäußert, er wolle sich mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft sprengen und dabei auch Zivilisten mit in den Tod reißen. Er, der Kläger, habe ihn dann gefragt, ob er Beweise dafür habe, dass das nach islamischem Recht erlaubt sei, die Beweise habe dieser ihm aber nicht nennen können. Der Mann aus E. wolle jedenfalls einen Anschlag durchführen, wobei es geeignete Ziele überall in Europa gebe. Die Gelehrten des sogenannten ""Islamischen Staates"", die Selbstmordanschläge billigten oder dazu aufriefen, seien selbsternannte Gelehrte. Die richtigen Gelehrten, nach denen er sich richte, die vor mehreren hundert Jahren gelebt hätten, und die heutigen richtigen Gelehrten (etwa der Großmufti von Saudi-Arabien) würden den Suizid verbieten, auch Selbstmordanschläge, bei denen ""Ungläubige"" getötet würden. Jeder, der sich umbringe, komme ins Höllenfeuer. Daran glaube er, deshalb würde er sich nicht umbringen. Es sei von Anfang an nicht ernst gemeint gewesen, sich an Anschlägen zu beteiligen. Man dürfe Ungläubige nicht töten. Etwas anderes könne gelten, wenn zum Beispiel jemand ein Land besetze, dann dürfe man sich wehren (Polizei K 62 Bl. 73 f.). 55 Bei der Auswertung des sichergestellten Smartphones des Klägers wurden insgesamt ca. 42 000 Bilddateien mit Enthauptungsszenen und anderen Gewaltdarstellungen, Anschlagsszenarien, ""IS""-Propagandamaterial, Abbildungen und Bedienungsanweisungen von Kurzwaffen etc. aufgefunden (Polizei K 62 am Ende; P3 Bilder). Eine Vielzahl der ca. 1 000 Videodateien enthielten Bezüge zum sogenannten Islamischen Staat (religiöse Lehrvideos, Märtyrerverherrlichungen, Propagandavideos des ""IS"", militärische Ausbildung von Kindern für den ""IS"") sowie brutale Gewalt- bzw. Folterdarstellungen oder entstellte Leichname (P2 Bl. 129). Ein Video, auf das zuletzt am 28. Dezember 2016 zugegriffen worden war, enthielt eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Herstellung einer Splitterbombe mit einfachsten Mitteln. Eine weitere Videosequenz zeigte einen Kurzfilm, in dem eine vermummte Person erklärt, wie ein Mensch mit einem einfachen Messer zu töten ist (P3 Videodateien). Aufgrund dieser Funde wurde gegen den Kläger ein Strafverfahren gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingeleitet (Staatsanwaltschaft Bremen 508 Js 9347/17). 56 Weiter wurde ein Chatverlauf gefunden, in dem der Kläger einem ""C.U."" bestätigt, er wolle mitmachen und habe mit einem ""C.W."" (M. aus E., vgl. P2 Bl. 130) bereits über eine ""Op"" gesprochen. Dieser habe ihm gesagt, dass die ""Op von höchste abteilung von Dawla kommt"", dass ""wir nen wagen brauchen"", und dass ""jeder für die glock 2 monition bekommt"". Auf Nachfrage des Chatpartners, ob er schon mal mit anderen Brüdern über eine Operation nachgedacht habe, erklärte der Kläger, er habe drei oder vier gefragt, einer überlege, die anderen wollten nicht und seien ""Weicheier"". Auf die Frage des Chatpartners, ob sie schon konkretere Planungen hätten, antwortete der Kläger: ""Von C. W. nicjt • Er meinte wenn du der bist dass du es iwie planst • Er weiss nicht mal weöche stadt"". Sein Chatpartner erwiderte, dies sei ein Missverständnis, er könne ""von hier aus nichts planen"", sondern sei nur um Rat gefragt worden. Der Kläger gab nunmehr an, er kenne sich in Bremen gut aus, wisse, wo die Polizeistationen, Justiz oder viele Menschen seien. Es gebe ""hier auch kurdendemo usw"". Schlussendlich erklärte er: ""Ich plane dann mit C. W. • Aber woher das geld fpr sacjen kaufen • Und woher die sachen zum bomben bauen? • Und woher die GLOCK?"" (Akte Polizei K 62, nicht nummeriert). 57 Nach einer Gefährderansprache am 13. Januar 2017 ging die Polizei von der Einschätzung aus, zum jetzigen Zeitpunkt bestehe keine unmittelbar bevorstehende Gefährdungslage, der Sachverhalt sei jedoch ernst zu nehmen (siehe auch VV Bl. 70: ""hohe Gefahr, jedoch keine unmittelbare konkrete Gefahr""). Der Kläger stehe grundsätzlich für die Durchführung von Attentaten zur Verfügung. Er habe jedoch keinen eigenen Plan zur Durchsetzung, mithin keinen Tatentschluss. Es seien keine Vorbereitungshandlungen festgestellt worden. Hinweise auf direkte Kontakte zur terroristischen Organisation ""Islamischer Staat"" lägen derzeit nicht vor (P2 Bl. 60). 58 In seiner Beschuldigtenvernehmung im Strafverfahren am 7. Februar 2017 erklärte der Kläger, dass er wisse, um welches Video mit einer Bombenbauanleitung es gehe. Er habe sich dieses nur zum Teil angeschaut. Dieses und weitere Videos habe er aus einer Telegram-Chatgruppe, in welcher Werbung für den ""Islamischen Staat"" gemacht werde, heruntergeladen, um sie teilweise später anzuschauen. Zu dem Chatverkehr erläuterte er die dort erwähnten Personen. Er habe ein paar Leute gefragt, ob sie mitmachen wollen, einen aus Br. und einen aus S., den er nicht persönlich kenne und der gleich abgelehnt habe (P2 Bl. 130, 136). 59 Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 16. Februar 2017 u.a. aus: Der Kläger habe noch zum Aufnahmezeitpunkt im Klinikum konkrete Suizidgedanken benannt, die er eigenen Angaben zufolge bereits längere Zeit und wiederholt gehabt habe; von Anschlagsgedanken zumindest auf nicht-zivile Ziele habe er sich nicht ausreichend distanzieren können. Die verbale Einstellungsänderung könne aufgrund des kurzen Klinikaufenthalts kaum das Resultat einer intensiven therapeutischen Einflussnahme sein. Ob wegen der salafistisch-religiösen Einstellung eine konkrete Fremdgefährdung bestehe, könne er - der Sachverständige - nicht differenziert beurteilen. Allerdings sei der Salafismus identitätsstiftend und fördere das Zusammengehörigkeitsgefühl. Der Kläger verfüge über eine beeinträchtigte Empathie. Durch die Kontakte zur radikal-islamistischen Szene habe er sich wohl deutlich aufgewertet. Eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht möglich. Die Reife des - leicht beeinflussbaren - Klägers entspreche ohne Zweifel dem Stand eines Jugendlichen und nicht dem eines Erwachsenen. 60 Zusammenfassend kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, es bestehe derzeit weiterhin die Gefahr bzw. ein ""mittleres Risiko"", dass der Kläger gravierende gewalttätige Handlungen unter Einschluss einer Eigen- und Fremdgefährdung bis hin zur Tötung begehe. Diese Gefährdung sei jedoch nicht als akut einzuschätzen (d.h. innerhalb von Stunden oder Tagen). Um mittel- und langfristig eine Gefahr für das Wohl des Betroffenen auszuschließen, sei ein Aufenthalt von zumindest einem halben Jahr in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung erforderlich, der nach Eintritt der Volljährigkeit allerdings seine Zustimmung voraussetze. 61 dd) Die Bedenken des Klägers gegen die Verwertung dieses Gutachtens im Rahmen der Gefahrenprognose greifen nicht durch. Dass das Gutachten in einem anderen Kontext und mit einer anderen Zielrichtung erstellt worden ist, steht der - nur ergänzenden und inhaltlich wertenden - Heranziehung im Rahmen der vorliegend anzustellenden Gefahrenprognose nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 22. Mai 2017 nicht entgegen (Gerichtsakte - GA - 1 VR 3.17 Bl. 319). Der Gutachter räumt ein, dass die Manuale HCR 20 und SAVRY, nach denen die Prognosebeurteilung vorgenommen worden ist, für Personen entwickelt worden sind, die bereits durch gewalttätige Straftaten in Erscheinung getreten sind. Auch wenn daher keine 1:1-Übersetzung vorgenommen werden könne, seien die Kriterien dieser Prognoseinventare in einer gesamtkontextuellen Bewertung dennoch zweckmäßig anzuwenden. Grundsätzlich würden zum Teil auch bei Personen, die noch keine strafrechtlich relevanten Taten begangen hätten, die in den genannten Prognosemanualen angeführten Kriterien überprüft. Er habe die Prognoseinventare als orientierende Leitlinie genutzt und sei sich dabei deren eingeschränkter Anwendbarkeit bewusst gewesen. Elemente der Begutachtung könnten daher durchaus für die vorliegende Fragestellung Verwendung finden. Jedenfalls beruht das Ergebnis des Gutachtens auf einer umfassenden Auswertung des dem Gutachter zur Verfügung gestellten Aktenmaterials, aus dem der Gutachter Schlüsse zieht, die auch unabhängig von den dem Senat im Einzelnen nicht bekannten Prognosemanualen nachvollziehbar erscheinen und im Einklang mit der ordnungsrechtlichen Gefahrenbewertung stehen, wie sie auch nach dem Akteninhalt im Übrigen veranlasst ist. Die Einschränkung des Sachverständigen, er könne nicht differenziert beurteilen, ob aus Gründen salafistischer Einstellungen eine Fremdgefährdung bestehe, da er Kinder- und Jugendpsychiater und kein Islamforscher sei (GA 1 VR 3.17 Bl. 320), begründet ebenfalls keine grundsätzlichen Zweifel an der nur ergänzenden, die Prognose im Übrigen stützenden Heranziehung dieses Gutachtens. 62 Entgegen der Auffassung des Klägers (GA 1 VR 3.17 Bl. 365) begründet die Übermittlung des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten an den Sachverständigen durch die Beklagte zwecks Stellungnahme zu der dort angeführten Kritik an seinem Gutachten jedenfalls im Ergebnis kein Verbot, diese im gerichtlichen Verfahren zu verwerten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Fehlen einer Entbindung des Gutachters von der Schweigepflicht seitens des Klägers - dessen sich der Gutachter im Übrigen bewusst war - den von diesem gegebenen, lediglich abstrakten und die zugrunde gelegten Prognosemaßstäbe betreffenden Antworten entgegenstehen könnte. Auch sonst begegnet die Verwertung der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters ebenso wie die Verwertung des Gutachtens als solches, das bereits von der Beklagten für die angefochtene Anordnung herangezogen und ausgewertet worden war, ohne dass dies beanstandet worden wäre, und auf das vom vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst Bezug genommen worden ist, im vorliegenden Verfahren mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) nach Vorlage der entsprechenden Akten jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 411a ZPO ). Zu einer näheren Auseinandersetzung mit den Prognosemanualen sieht der Senat auch weiterhin keinen Anlass, zumal er das Gutachten nur wie eine in die Gefahrenprognose einfließende Stellungnahme und nicht wie ein echtes Sachverständigengutachten, dessen es hier nicht bedarf (siehe unten), verwertet. 63 Unerheblich ist, ob die - z.T. vorstehend wiedergegebenen - mündlichen Angaben, die der Kläger bei verschiedenen Befragungen u.a. durch die Polizei gemacht hat, in einem Strafverfahren verwertbar wären, was er weiterhin bezweifelt. Die im Klageverfahren aufrecht erhaltenen und vertieften Rügen des Klägers betreffen insoweit spezifisch strafprozessuale Garantien (z.B. die Eröffnung vor einer Vernehmung, welche Tat einem Beschuldigten zur Last gelegt wird <§ 136 Abs. 1 Satz 1 StPO>, Belehrung über das Schweigerecht, das Recht, vor der Vernehmung einen Verteidiger zu befragen <§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO> oder die Notwendigkeit der Zuziehung eines Pflichtverteidigers; jugendspezifische Modifikationen solcher Belehrungen gemäß § 70a JGG), die im vorliegenden gefahrenabwehrrechtlichen Zusammenhang nicht einschlägig sind, weshalb ihre - unterstellte - Missachtung in diesem Zusammenhang kein Verwertungsverbot begründen könnte. Darin liegt keine ""Umgehung"" strafprozessualer Garantien. Dass die Befragungen elementaren rechtsstaatlichen Anforderungen, zu denen etwa das Folterverbot zählt, oder Grundsätzen rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung nicht genügt haben könnten, woraus ggf. auch im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext ein - verfassungsunmittelbares - Verwertungsverbot erwachsen könnte, ist anhand der Einwände des Klägers und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Polizei vom 12. Mai 2017 (Verwaltungsvorgang = VV Bl. 447) nicht erkennbar. 64 ee) Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Bewertung, dass von dem Kläger ein beachtliches Risiko ausgeht, dass er einen terroristischen Anschlag, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen, begeht oder sich an einem solchen beteiligt. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist er der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen und pflegt Kontakte mit Personen aus diesem Umfeld. Er sympathisiert mit der terroristischen Vereinigung ""Islamischer Staat"" sowie deren Märtyrerideologie und billigt die Anwendung von Gewalt bis hin zur Tötung von Menschen unter bestimmten, selbstdefinierten Voraussetzungen. Die von ihm gemachten Einschränkungen (keine Zivilisten/unschuldige Menschen) schließen zum einen terroristische Anschläge, etwa auf Soldatenstützpunkte oder Justizgebäude, nicht aus. Zum anderen sind sie nicht glaubhaft, weil der Kläger in dem erwähnten Chat mit der ""C. U."" genannten Person auch geäußert hat, er wisse, wo sich in B. ""viele Menschen"" oder eine ""Kurdendemo"" befänden. Auch der M. wollte nach Angaben des Klägers einen Anschlag auf Zivilisten planen; hierzu erklärte sich der Kläger ohne Einschränkungen bereit. Warum er in diesem Zusammenhang nicht widersprach, wenn er dies eigenen Angaben zufolge nicht billigte, konnte er nicht erklären. Die Schädigung auch und vor allem von Zivilisten entspricht im Übrigen dem typischen Bild der in den letzten Jahren in Europa verübten, dem ""IS"" zugerechneten Terroranschläge. Dies ist auch dem Kläger bekannt, auf dessen Smartphone u.a. Bildmaterial zu dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz aufgefunden worden ist. 65 Ohne Erfolg wendet der Kläger gegen die Würdigung der verschiedenen Chats ein, der Senat habe bestimmte Widersprüche übersehen (Schriftsatz vom 9. Februar 2018, S. 3 f.). Dieser Annahme liegen vielmehr Missverständnisse des Klägers zum Akteninhalt und zum Senatsbeschluss zum vorläufigen Rechtsschutz zugrunde. Soweit M. M. nach polizeilichen Erkenntnissen davon ausgegangen ist, dass sein Chatpartner nach Syrien ausgereist sei (vgl. Strafanzeige vom 8. Februar 2017, Strafakte Hauptakte Bd. I, Bl. 3 ff.), betrifft dies den Chat mit einem unbekannten Partner, also nicht dem Kläger (Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 40). Die Angaben des Klägers in seiner Beschuldigtenvernehmung am 7. Februar 2017 (P2 Bl. 136) deuten dabei darauf hin, dass es sich bei diesem Unbekannten um die ""C. U."" genannte Person handelt, mit der der Kläger seinerseits später gechattet hat. Auch wird in Rn. 40 des zitierten Beschlusses keineswegs ausgeführt, der Kläger habe gegenüber M. M. aus E. angegeben, eine ""Operation in Deutschland zu planen"". Soweit die Aussagen und Angaben des Klägers im Übrigen von Ambivalenzen durchsetzt sind, unterliegen auch diese der gerichtlichen Beweiswürdigung. 66 Die Hinwendung des Klägers zu einer gewaltbejahenden, jihadistischen Ausrichtung des Salafismus kommt schließlich in der von ihm ins Internet gestellten Fake-News zum Ausdruck, in der er offen zum Jihad aufruft: ""Wenn ihr schon nicht auswandert und kämpft, dann macht es hier. Allah gibt euch die Möglichkeit, den Jihad auch hier zu führen"". Sie wird weiter bestätigt durch die Menge und insbesondere den Inhalt des auf seinem Smartphone aufgefundenen ""IS""-Propagandamaterials. Inwieweit er dieses bereits angesehen hat, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass er im Wesentlichen wusste, was er dort herunterlud, und die Dateien irgendwann auch ansehen wollte. Der Einwand, kriminologisch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum medialer Gewalt und deren Anwendung in der außervirtuellen Realität, mag für allgemeine Gewalthandlungen dem überwiegenden Forschungsstand entsprechen, der aber nicht auf ideologisch motivierte Gewalthandlungen bezogen ist. Dies führt daher ebenso wenig zu einer günstigeren Prognose wie der Umstand, dass nicht alles, was der Kläger im Internet gepostet hat, eine Entsprechung in der Realität hat. Denn die im Verhalten des Klägers jedenfalls nicht nur punktuell oder vorübergehend zum Ausdruck kommende gewaltbejahende Haltung ist vorliegend nur ein Element im Rahmen einer vom Senat vorgenommenen umfassenden Persönlichkeitsbewertung. 67 Der Kläger hat sich auch nicht nur passiv abwartend verhalten oder auf Anstöße Dritter lediglich positiv reagiert. Er hatte vielmehr eigenen Angaben zufolge bereits mehrere andere Personen gefragt, ob sie sich an einem Anschlag beteiligen würden. Nicht zuletzt das Herunterladen einer konkreten Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bau einer Splitterbombe mit einfachen Mitteln dokumentiert, dass der Kläger ernsthaft mit dem Gedanken eines Anschlags spielte. Dies bestätigte er in dem aus der Abschiebehaft heraus gegebenen Interview, in dem er angesprochen auf das Bombenbau-Video erklärte, dieses aus Interesse heruntergeladen zu haben. Auch im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung zur Anordnung von Untersuchungshaft hat der Kläger eine intensive Befassung mit diesem Video und ein ohne Anschlagspläne nicht hinreichend erklärliches, ausgeprägtes Interesse an den Verwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen von Bomben erkennen lassen (Strafverfahren 508 Js 9347/17, Hauptakte Bd. II, Bl. 244). 68 Die Einschätzung, dass ein Terroranschlag unter Beteiligung des Klägers in überschaubarer Zukunft im Zeitpunkt seiner Abschiebung hinreichend wahrscheinlich war, wird auch durch die von ihm selbst gegenüber verschiedenen Adressaten (Schule, Polizei) geäußerten Suizidgedanken bestätigt. Seine spätere Distanzierung hiervon rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie Ausdruck der vielfältigen Stimmungs- und Meinungsschwankungen des Klägers und im Übrigen nicht glaubhaft ist. In einem Vermerk der Polizei ist festgehalten, dass der Kläger ""in der damaligen Situation seine Depression und Suizidgedanken sehr eindringlich und überzeugend darstellte. Zu Beginn sackte er vor KOK B. zu Boden und schilderte in Folge über einen längeren Zeitraum immer wieder unter Tränen gegenüber der Polizei sowie dem Sozialpsychiatrischen Dienst seine Suizidgedanken"". Noch im Gespräch mit dem Sachverständigen Anfang 2017 hat sich der Kläger von Suizidgedanken nicht eindeutig distanziert, sondern diese letztlich bestätigt. So hat der Kläger ausweislich des Gutachtens von Dr. K. angegeben: ""Die Selbstmordgedanken seien erst nach der Razzia gekommen, das sei so gewesen wie nach der ersten Razzia vor etwa drei Jahren. Sonst habe er niemals Selbstmordgedanken gehabt. Er habe auch niemals ein Attentat machen wollen. Das Ziel des Sterbens sei doch lediglich, ins Paradies zu kommen, das wolle er."" Der Sachverständige geht von einer zum Zeitpunkt der stationären Einweisung akuten suizidalen Gefährdung aus. Bezogen auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung erkannte er weiterhin die - lediglich nicht (mehr) akute - Gefahr, dass der Betroffene sich selber tötet oder erheblichen Schaden zufügt oder aber in diesem Zusammenhang auch andere tötet oder diesen erheblichen Schaden zufügt (VV Bl. 183). Dies erscheint auch angesichts des vergleichsweise kurzen Klinikaufenthalts und der vom Kläger selbst geschilderten, bereits wiederholt aufgetretenen Suizidgedanken für den Senat nachvollziehbar. 69 Zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung - etwa durch eine vom Kläger angeregte Vernehmung der beiden bei seinem Zusammenbruch anwesenden Polizeibeamten - hatte der Senat in diesem Zusammenhang angesichts des hinreichend stimmigen Bildes keinen Anlass. Einen förmlichen Beweisantrag hat der Kläger im Übrigen hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. 70 Gegen eine vom Kläger ausgehende Gefahr eines Terroranschlags spricht auch nicht, dass er immer wieder betont hat, ein Selbstmord sei mit seinem Glauben nicht zu vereinbaren. Selbst wenn man die Glaubensüberzeugung als verfestigte annimmt, hindert dies nicht die Begehung eines Anschlags, bei dem er in Kauf nimmt, selbst getötet zu werden (""Also einfach laufen und schießen und erschossen werden"", s.o.). 71 Bei der Gefährdungseinschätzung ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger als naiv, leicht beeinflussbar und seine Meinungen rasch ändernd beschrieben wird, was durch zahlreiche seiner Äußerungen bestätigt wird. Soweit er durch seine bei Anhörungen und Vernehmungen und in den in der Haft verfassten Briefen getätigten Aussagen den Eindruck vermittelt hat, einem ""friedlichen"" Zweig des Salafismus zuzuneigen, wonach ein Selbstmordanschlag verboten sei, und denjenigen ""Gelehrten"" zu vertrauen, die dies ablehnen, handelt es sich erkennbar auch um verfahrensangepassten Vortrag. Überdies weist es nicht auf eine hinreichend gefestigte Meinungs- und Einstellungsänderung, weil an anderer Stelle angegeben wird, er sei ein ""Suchender"" und wisse ""ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit"" (AG Bremen 71 F 134/17 EAUB Bl. 57, 58). Er oszillierte zwischen einer gemäßigten und einer klar jihadistischen Ausrichtung seiner religiösen Vorstellungen jedenfalls verbal hin und her und hat auch für letztere deutliche Sympathien gezeigt. Zu den nicht hinreichend stabilen und zudem verfahrensangepassten Äußerungen rechnet auch seine zuletzt erfolgte Distanzierung von jihadistischen Vorstellungen. So bezeichnete er nunmehr C. Y. und weitere distanzierend als ""Hassprediger, die zum IS aufrufen. Die radikalisierten lernen ALLE von den"" (VV Bl. 353). Dabei ließ er aber unerwähnt, dass er laut einem Chat mit seiner Partnerin von Dezember 2016 die ""gleiche aqidah"" (Glaubensüberzeugung, Fundament) wie C. Y. hat und zu diesem auch persönlich Kontakt hatte (P6 Chatverlauf U. G.). 72 Angesichts seiner von vielen Beobachtern - darunter auch seiner Mutter - beschriebenen Leichtgläubigkeit und Beeinflussbarkeit brauchte es nach der Einschätzung des Senats selbst dann, wenn der Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung von der Begehung eines Terroranschlags noch nicht überzeugt gewesen sein sollte, nur eines geringen Anstoßes durch ""Freunde"" bzw. ""IS""-Kontakte, um ihn zu einem solchen Schritt zu bewegen. Dazu konnte etwa ausreichen, dass ihn jemand davon überzeugte, Deutschland sei ein Land, das die Muslime ""angreift"". Von eben dieser Ideologie gehen seiner Meinung nach die ""Hassprediger, die zum IS aufrufen"", aus, und er hat in einem handschriftlichen Brief eingeräumt, diesen bis vor kurzem auch gefolgt zu sein. Erst drei Wochen zuvor habe er sich von diesen Leuten abgewandt und sich von dieser Ideologie distanziert. Gründe für diesen plötzlichen Sinneswandel hat er jedoch nicht benannt. Auch Dr. K. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass ein Mangel an tiefgreifender Einsicht bestehe und die vorgegebenen Einsichten eher oberflächlicher Natur seien. Dessen Einschätzung, die gezeigte plötzliche Reue und Einsicht könne kaum die Folge eines reflektierten Prozesses in dieser Kürze der Zeit sein, sondern dürfte lediglich unter dem Eindruck der eingeleiteten Maßnahmen entstanden sein und sei insofern nicht als ausreichend tiefgreifend und stabil anzusehen (Gutachten S. 48), ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und wird durch die beigezogenen Verwaltungsvorgänge bestätigt. 73 Der Kläger konnte einer weiteren Einflussnahme durch Internetkontakte und schnell als Freunde betrachtete Bekannte aus der salafistischen Szene etwa in dem von ihm frequentierten Islamischen Kulturzentrum ... (...) aus seiner Persönlichkeit heraus, aufgrund familiärer Einbindung oder Betreuung durch die Jugendhilfe im Zeitpunkt seiner Abschiebung auch nichts (Hinreichendes) entgegensetzen (siehe auch Gutachten S. 49). Wie ein Polizeibeamter festgestellt hat und sich auch aus seinen zur Akte gelangten handschriftlichen Schreiben ergibt, kreiste sein ganzes Denken praktisch ausschließlich um den Islam und die Frage, was die Religion ihm gebietet. Trotz mehrerer Gefährderansprachen und einer ihm zur Seite gestellten Erziehungsbeistandschaft hat er sich von der radikalen islamistischen Szene nicht lösen können. Noch nach Erlass der angefochtenen Verfügung suchte er aus der Abschiebehaft heraus Kontakt zu einer der Personen, die er zwecks Teilnahme an einem Attentat angefragt hatte, sowie zu dem M. aus E., der nach Angaben des LKA D. eine psychische Erkrankung/Schizophrenie aufweisen soll. Letzterer sowie zwei weitere Personen, die zwecks Ausreise nach Syrien in die Türkei gereist und dort festgenommen worden waren, hätten nach Einschätzung des Klägers ihre Ansichten nunmehr geändert und seien nicht mehr radikal. Dem M. vertraue er jetzt (P2 Bl. 220). Schließlich hat der Kläger weiterhin Kontakt zu seinem Freund und Arabisch-Lehrer T. H. unterhalten, der - u.a. als Besucher des ... - der salafistischen Szene in B. zuzurechnen ist (vgl. AA Bl. 260) und ihn in der Abschiebehaft besuchen wollte (GA 1 VR 3.17 Bl. 360, 379 ff.). Dies bekräftigt die bei Abschiebung gerechtfertigte Prognose, dass der Kläger auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, sich aus der radikal-salafistischen Szene zu lösen, und dass er aufgrund seiner bereits tiefen Verstrickung in diese und seinen absolut überzeugten religiösen Ansichten zeitnah wieder an einen Punkt gelangen kann und wird, an welchem er terroristischen Handlungen zuneigt (s.a. P2 Bl. 226). 74 Für eine weiter fortschreitende Empfänglichkeit für radikales Gedankengut und eine dieses umsetzende Gewaltbereitschaft spricht auch, dass der Kläger in den radikal-salafistischen Kreisen eine Aufwertung und ein Gefühl des Dazugehörens erfahren hat, die ihm im sonstigen Leben angesichts weitgehenden schulischen Versagens und den daraus resultierenden Konflikten mit seinen Eltern nicht zuteil geworden sind. Zahlreiche Einschätzungen etwa von Lehr- und Betreuungspersonen, Polizeibeamten sowie des Pflegepersonals im Klinikum wiesen auf eine schwierige Zukunftsperspektive hin. So hat etwa ein Polizeibeamter seine Eindrücke dahin geschildert, dass sich die Interessen des Klägers ganz auf den Islam fokussierten: ""Der Betroffene wirkte sehr schlicht und naiv. Er weist keine seinem Alter entsprechende Intelligenz auf. Sein Wissen dreht sich nur über den Islam. Dadurch wird das Allgemeinwissen komplett in den Hintergrund gedrängt. Viele ihm gestellte Fragen konnte der Betroffene nicht beantworten oder er gab eine Antwort, die keinen Sinn ergab"" (AA Bl. 259). Ebenso wenig konnte darauf vertraut werden, dass eine stabile Beziehung zu seiner Freundin/islamisch angetrauten Ehefrau im Ernstfall geeignet sein könnte, ihn von der Begehung eines Terroranschlags abzuhalten. Diese bewegt sich in den gleichen islamistischen Kreisen wie der Kläger. Ihr früherer Lebensgefährte soll ihr geraten haben, den Kläger in der Haftanstalt mit einem Bombengürtel zu besuchen. Mit diesem früheren Lebensgefährten U. C. hat auch der Kläger Kontakte gepflegt. Er ist eine der Personen, die der Kläger für die Beteiligung an einem Anschlag angefragt hat (""S""), und auch in einem Chat mit seiner Freundin tauschten beide sich umfangreich über U. C. und dessen Ausreisepläne aus (Kläger: ""Er lösst dich vllt hier - Und geht mit mir"" ). Unabhängig davon war die Beziehung des Klägers zu seiner Partnerin nach dem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Juni 2017 (S. 13) aber noch vor seiner Abschiebung beendet und kam schon deshalb als mögliches ""Korrektiv"" nicht mehr in Betracht. 75 Aus den vorstehend genannten Gründen hält der Senat es - bezogen auf den Zeitpunkt der Abschiebung - tatsachengestützt für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger in überschaubarer Zukunft einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begehen würde, bei dem auch Unbeteiligte ums Leben kämen. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation konnte sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dieser gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. Der Senat verkennt nicht, dass auch andere Deutungen der festgestellten Tatsachen und Äußerungen nicht ausgeschlossen sind. Die für einen in überschaubarer Zukunft drohenden Terroranschlag sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte und Gründe waren aber mindestens ebenso gewichtig wie die möglicherweise für eine gegenteilige Prognose sprechenden Gründe. Dies reicht nach den oben dargelegten Maßstäben für das im Rahmen von § 58a AufenthG erforderliche, aber auch ausreichende beachtliche Risiko aus. 76 ff) Der Senat hat bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes darauf hingewiesen, dass er zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen kann, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Dies bestätigen die Angaben der Vertreter der Beklagten und des LKA Bremen in der mündlichen Verhandlung zur Funktion und Handhabung von RADAR-iTE. Danach handelt es sich hierbei lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt. 77 Der Vertreter des LKA Bremen hat auf Nachfrage weiter ausgeführt, das Bundeskriminalamt (BKA) habe RADAR-iTE auf den Kläger angewandt und das Ergebnis dem LKA Bremen am 7. Februar 2017 übermittelt. Das LKA Bremen habe sich sodann einen eigenen Eindruck verschafft und eine Gefährdungsbewertung erstellt. Alle der RADAR-iTE-Anwendung und der Gefährdungsbewertung des LKA zugrunde gelegten Tatsachen seien dem Senator für Inneres zur Verfügung gestellt worden und Bestandteil der dem Senat vorliegenden Akten. Im Ergebnis habe RADAR-iTE beim Kläger zu einem Punktwert von 5 geführt, der für sich allein ein ""moderates Risiko"" bedeute. Der eher geringe Punktwert ergebe sich vor allem daraus, dass hier kein Fall vorliege, in dem der Betroffene bereits unmittelbar physische Gewalt angewandt habe. Zusätzlich seien beim Kläger jedoch zwei ""rote Flaggen"" festgestellt worden, nämlich die ""behördliche oder gerichtliche Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung"" sowie Suizidalität bzw. ""psychiatrische Erkrankungsvermutung"". Der Punktwert 5 in Verbindung mit den beiden ""roten Flaggen"" bedeute im Ergebnis ein ""auffälliges Risiko"", d.h. die erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland. Dabei seien auch die hohe Beeinflussbarkeit des Klägers, sein verminderter ""Überlebensinstinkt"", und die Tatsache berücksichtigt worden, dass die Familie keinen ausreichenden ""Schutzraum"" dargestellt habe. Das BKA habe die RADAR-iTE-Anwendung als Verschlusssache eingestuft, weshalb diese nicht Bestandteil der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgänge (sondern aus diesen ausgeheftet worden) sei. 78 Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers, das Prognoseinstrument RADAR-iTE in das Verfahren einzubeziehen und auf den Kläger anwenden zu lassen, war vor diesem Hintergrund schon deshalb abzulehnen, weil er durch die vorstehenden Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überholt war. Auch dem Antrag, die so gewonnenen Erkenntnisse im Kontext des aktuellen Forschungsstandes von einem Sachverständigen bewerten zu lassen, brauchte der Senat nicht nachzukommen, weil er nicht auf eine dem Beweis zugängliche Tatsache gerichtet war. Bei beiden Begehren handelte es sich zudem insgesamt um einen Beweisermittlungsantrag. 79 Ebenso wenig war dem Antrag zu entsprechen, die Verwaltungsvorgänge des LKA Bremen und des BKA betreffend die RADAR-iTE-Anwendung auf den Kläger beizuziehen. Es ist weder plausibel dargelegt noch ersichtlich, inwiefern die Beiziehung dieser Akten geeignet sein könnte, zu einer für den Kläger günstigeren Gefährlichkeitsbewertung zu führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 42). Zum einen spricht angesichts der dargelegten Erläuterungen des Vertreters des LKA Bremen nichts dafür, dass diese Vorgänge weitere, bisher im vorliegenden Verfahren nicht aktenkundige Basistatsachen enthalten, die in die Gefahrenprognose einzustellen wären. Zum anderen ist das Ergebnis der RADAR-iTE-Anwendung, es bestehe ein ""auffälliges Risiko"", mit dem Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Prognose auch nicht erkennbar unvereinbar. 80 Anders als der Kläger meint, bedarf es für diese - auf einer breiten Tatsachengrundlage beruhende - Gesamtschau auch nicht der Einholung eines konkret auf die Gefahreneinschätzung im Sinne des § 58a AufenthG bezogenen, ""psychowissenschaftlichen"" Sachverständigengutachtens. Dem Beweisantrag, ""zum Beweis der Tatsache, dass die von dem Kläger getätigten Äußerungen betreffend terroristische Anschläge jugendtypischem Geltungsbedürfnis entsprungen sind und nicht auf einer tatsächlichen Bereitschaft zu einem terroristischen Anschlag beruhen, dem Kläger das Betreten des Bundesgebiets zu ermöglichen und ihn durch einen im Bereich Jihadismus und Jugendkultur kompetenten Sachverständigen begutachten zu lassen,"" war daher schon wegen eigener hinreichender Sachkunde des Gerichts nicht nachzugehen. Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung hat der Gesetzgeber vor dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG die vorherige Einholung eines Gutachtens nicht vorgesehen. Ein solches ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich. Mit einer Abschiebungsanordnung steht zwar ebenfalls ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in Rede, die Auswirkungen einer langfristigen Freiheitsentziehung auf die selbstbestimmte Lebensführung des Betroffenen sind im Vergleich dazu aber noch gewichtiger. Bei Ausweisungen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Behörde bzw. das Gericht die Gefahrenprognose aus eigener Kompetenz treffen können, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. September 2015 - 1 B 39.15 - Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 3 Rn. 12). Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG häufig noch keine Straftat begangen bzw. in einem Strafverfahren rechtskräftig nachgewiesen wurde, keinen Anlass, insoweit von anderen Grundsätzen auszugehen. Danach ist der Senat vorliegend zu einer eigenständigen Gefahreneinschätzung berufen. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist hier zuletzt mit forensisch-psychiatrischer Stellungnahme zur Frage der Haftfähigkeit vom 4. Mai 2017 (AA Bl. 593 ff.) verneint worden. Der Gutachter Dr. K. hatte eine definierte psychiatrische Störung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ebenfalls nicht erkennen können, wenngleich ihm eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung nicht möglich war. 81 Der Senat musste den Kläger vor der Entscheidung über die vorliegende Klage auch nicht deshalb sachverständig begutachten lassen, weil sich die Prognosegrundlagen in der Zeit nach dem Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - wie der Kläger meint - ""entscheidend verändert"" haben könnten. Eine solche Veränderung ist bis zu der Anfang September 2017 erfolgten Abschiebung als dem für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Eventuellen Veränderungen nach diesem Zeitpunkt ist in einem Verfahren nach § 11 AufenthG Rechnung zu tragen. 82 Es bestand keine Veranlassung zu der vom Kläger angeregten Beiziehung der ""vollständigen Akten"" aller Sicherheitsbehörden, deren Einschätzungen und Stellungnahmen dieser Prognose unter anderem zugrunde liegen. Sowohl die Beklagte als auch der Senat haben die Gefahrenprognose auf Mitteilungen anderer Behörden lediglich insoweit gestützt, als diese sich aus den Akten schlüssig ergaben und dem Kläger somit eine Stellungnahme möglich war. Der Kläger teilt nicht mit, an welchen ergebnisrelevanten Einschätzungen anderer Behörden konkrete Zweifel bestünden, die gerade durch Beiziehung weiterer dort vermuteter Unterlagen behoben werden könnten. Der Senat sieht sich jedenfalls nicht gehalten, gewissermaßen ins Blaue hinein bei einer Vielzahl weiterer Bundes- und Landesbehörden das Vorhandensein etwaig einschlägiger, bisher nicht aktenkundiger Unterlagen zu erfragen. Dies ist insbesondere nicht erforderlich, um zu ermitteln, ""auf welcher Grundlage die Chatpartner und indirekten Kontakte des Klägers tatsächlich als dem zugehörig betrachtet werden können"". Für die Gefahrenprognose ist ausreichend, dass der Chatteilnehmer M. M. aus E. selbst behauptet hat, Verbindungen zum ""Islamischen Staat"" zu haben und nachweislich zumindest versucht hat, solche aufzunehmen. Das ergibt sich aber hinreichend aus dessen eigenen Angaben im Chatverlauf, wonach er ""nach Syrien oder Iraq"" wollte und deshalb eine Verfügung mit räumlicher Geltungsbeschränkung seines Personalausweises auf das Inland erhalten hat, sowie aus der Äußerung, dass sein Plan ""der beste in der Geschichte von dawla sei""; Dawla werde in die Geschichte eingehen. Auch der Kläger selbst hat angegeben, M. habe ihm gesagt, dass die ""Op von höchste abteilung von Dawla kommt"". Hinsichtlich des weiteren Chatpartners Abdul Aziz Al Shami hat der Kläger eigenen Angaben zufolge selbst angenommen, dass dieser dem ""IS"" angehört und ein ""Kämpfer"" war (Beschuldigtenvernehmung des Klägers vom 7. Februar 2017, S. 2 = Akte P5 Bl. 63; Strafakte Bd. II S. 243). Von weitergehenden Nachweisen für eine tatsächliche Zugehörigkeit des M. oder des C. U. zum ""IS"" ist die hier zu treffende Risikoeinschätzung nicht abhängig. 83 Abzulehnen war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beizuziehen und Einsicht insbesondere in den darin enthaltenen 30-seitigen Chat aus dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei zu gewähren. Entgegen der Annahme des Klägers befindet sich dieser Chat einschließlich des - hier ungeschwärzten - Übersendungsschreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das LKA Bremen und LKA NRW vollständig in der beigezogenen Strafakte (Hauptakte Bd. I, Bl. 111 ff.). Soweit in der Begründung des Antrags die Vermutung angedeutet wurde, es könne sich bei dem Chatpartner um einen ""agent provocateur"" handeln, wurden Anknüpfungstatsachen für diese (spekulative) Andeutung nicht benannt. 84 Eine persönliche Anhörung des - in die Russische Föderation abgeschobenen - Klägers durch den Senat war schließlich ebenfalls nicht geboten. Die Gefahrenprognose beruht auf einer umfassenden Tatsachengrundlage, die der Senat aus den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen, der Strafakte, den Akten des familiengerichtlichen Verfahrens und dem Gefahrermittlungsvorgang der Polizei gewonnen hat. In diesem umfangreichen Aktenmaterial ist auch der Kläger in vielfacher Weise zu Wort gekommen und zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt worden. Im Verfahren über die Abschiebehaft wurde er durch die dafür zuständigen Richter mehrfach persönlich angehört. Im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie erneut im Klageverfahren vor dem Senat hatte er Gelegenheit, sich über seine Prozessbevollmächtigte schriftlich zu äußern. All dies hat der Senat zur Kenntnis genommen und verwertet; eine weitere Amtsermittlung durch persönliche Anhörung des Klägers, für die dieser nach Erteilung einer Betretenserlaubnis kurzfristig zurück nach Deutschland geholt werden müsste, drängte sich nicht auf. 85 Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich hier kein Anspruch auf persönliches Erscheinen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren, in denen sich ein Kläger gegen seine Abschiebung wendet, bereits nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <125>; EGMR , Urteil vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 35 ff., EZAR 939 Nr. 1 = InfAuslR 2001, 109 ; ebenso EGMR, Urteile vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28 und vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48). Zwar kann sich der Kläger hinsichtlich seiner Rechte aus Art. 3 und 8 EMRK auf das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK berufen; diesem ist aber mit den vorliegend vor dem Bundesverwaltungsgericht eröffneten Rechtsbehelfen (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung und Klage), die das Recht auf Gehör mittels anwaltlicher Vertretung gewährleisten und zu einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung führen, Genüge getan. Einen Anspruch auf persönliche Anhörung vor der nationalen Beschwerdeinstanz in einer mündlichen Verhandlung hat der EGMR aus Art. 13 EMRK hingegen bisher nicht abgeleitet (vgl. Meyer-Ladewig/Renger, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 13). 86 c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger schon wegen der von ihm ausgehenden Gefahr einer terroristischen Gewalt nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des EuGH entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem Weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-554/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​377] - Rn. 70). Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestandes die vom EuGH (ebenda Rn. 50, 57) verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von einer Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 35). 87 Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass die Ausländerbehörde es nach Durchführung der Abschiebung mit Verfügung vom 1. Dezember 2017 abgelehnt hat, das Aufenthalts- und Einreiseverbot zu befristen, was bei Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie und daraus folgender Unionsrechtswidrigkeit des in § 11 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots als Anordnung eines unbefristeten Einreiseverbots durch die Behörde ausgelegt werden könnte (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 71 f.); diese Verfügung dürfte mit der zunächst gescheiterten, im März 2018 aber wiederholten Bekanntgabe an die Prozessbevollmächtigte des Klägers inzwischen auch wirksam geworden sein. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames ""Rückkehr-Handbuch"" , das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist). Diese Frage ist vorliegend aber nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die - bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG - von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob eine Abschiebung rechtswidrig ist, wenn zuvor nicht eine Befristung eines mit der Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots nach Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt ist. Im vorliegenden Verfahren geht es weder um die Rechtmäßigkeit der hier von der Ausländerbehörde erst nach der Abschiebung getroffenen Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots noch um die Rechtmäßigkeit der Abschiebung des Klägers. Streitgegenständlich ist nur die Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte oder - wie hier - im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung zunächst unterbliebene behördliche Entscheidung zur Anordnung bzw. Dauer eines Einreiseverbots würde nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen. Denn das Einreiseverbot soll zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: ""gehen ... einher""), stellt aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung dar, für die vorliegend eine andere Behörde zuständig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 3 f.), und die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 36). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie Anhaltspunkte für einen ""Rechtswidrigkeitszusammenhang"" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen. Damit bedarf es auch insoweit nicht des von der Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH (vgl. Schriftsatz vom 27. März 2018, Frage II.). 88 d) Der Erlass einer Abschiebungsanordnung durch die oberste Landesbehörde war im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58a AufenthG vor, hat die oberste Landesbehörde zu prüfen, ob sie eine Abschiebungsanordnung erlässt oder ggf. anderweitige Maßnahmen durch die Ausländerbehörde - etwa der Erlass einer sofort vollziehbaren Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung - oder Maßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts ausreichen (Entschließungsermessen); ein Auswahlermessen kommt hingegen nur bei mehreren möglichen Zielstaaten in Betracht, was hier nicht der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 Rn. 39). 89 Vorliegend hat die oberste Landesbehörde ihr Entschließungsermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, dass andere im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung oder sonstige gefahrenabwehrrechtliche Möglichkeiten nicht ausreichen, um der besonderen vom Kläger ausgehenden Gefahr zu begegnen. Mildere, zur Gefahrenabwehr gleich geeignete Mittel waren nicht verfügbar. Eine stationäre, geschlossene Jugendhilfemaßnahme von zumindest einem halben Jahr, die der Sachverständige Dr. K. als die am besten geeignete Maßnahme bezeichnet hat, um das Wohl des Klägers und der Allgemeinheit zu sichern, scheiterte an der seit Volljährigkeit erforderlichen Zustimmung des Klägers, die dieser ungeachtet seiner Bereitschaft, an anderweitigen Maßnahmen mitzuwirken, gerade nicht erteilt hatte. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Kläger diese Entscheidung vor seiner Abschiebung glaubhaft revidiert hätte. Auf die Frage, ob ausreichende Bemühungen entfaltet worden sind, einen entsprechenden Platz für den Kläger zu finden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Die Unterbringung in einer offenen Jugendhilfeeinrichtung ist zu einer effektiven Abwehr der in Deutschland drohenden Anschlagsgefahren demgegenüber nicht gleich geeignet wie eine Abschiebung in die Russische Föderation. Gleiches gilt umso mehr für ambulante Maßnahmen der Betreuung, etwa durch die ""k."", die schon in der Vergangenheit eine fortschreitende Radikalisierung des Klägers nicht verhindern konnten. 90 Polizeirechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr hat die Beklagte ermessensfehlerfrei als nicht hinreichend effektiv angesehen. Auf wiederholte Gefährderansprachen hat der Kläger nicht reagiert. Die vom Amtsgericht Bremen durch Beschlüsse vom 17. Januar 2017 (nicht umgesetzt aufgrund der Unterbringung des Klägers) und vom 27. Februar 2017 auf Antrag der Polizei jeweils für einen Monat getroffenen Anordnungen längerfristiger verdeckter Observation nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 BremPolG (P2 Bl. 100 und 139) sind nicht gleichermaßen geeignet wie eine Abschiebung, eine Realisierung der vom Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr in Deutschland zu verhindern. Nichts anderes gilt für denkbare andere polizeirechtliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel, eine Überwachung der Internetkommunikation oder gar die dem Kläger durch Verfügung vom 24. Februar 2017 auferlegte Meldepflicht (vgl. P2 Bl. 146). 91 Die Abschiebungsanordnung erweist sich angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags auch im Übrigen als verhältnismäßig und mit Art. 8 EMRK vereinbar. Die oberste Landesbehörde hat bei ihrer Entscheidung gewürdigt, dass sich der im Zeitpunkt seiner Abschiebung ...-jährige Kläger seit fünfzehn Jahren (2002) im Bundesgebiet aufhielt, hier den Hauptschulabschluss erlangt hat, bis zu seiner Verhaftung weiter die Schule besuchte und über soziale Bindungen an Eltern und Geschwister verfügt, in deren Haushalt er lebte, sowie an Freunde und die nach religiösem Ritus angetraute deutsche Ehefrau, die in einem getrennten Haushalt lebte. Dabei ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass diese Ehe jedoch nicht dem Schutz des Art. 6 GG unterfällt (zur fehlenden aufenthaltsrechtlichen Anerkennung vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 16). Unabhängig davon war diese Beziehung nach den Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 11. Juni 2017 noch vor seiner Abschiebung beendet und konnte einer Abschiebung schon deshalb nicht mehr entgegenstehen. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen zudem im Klageverfahren sinngemäß dahin ergänzt, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Klägers am Verbleib in Deutschland auch dann überwiege, wenn der Kläger kein Russisch spreche und in den für eine Rückkehr in Frage kommenden Regionen seines Herkunftslandes nicht über familiäre Verbindungen verfüge. 92 Diese Ermessenserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 und 2 VwGO). Insbesondere war die Aufenthaltsbeendigung unter den hier gegebenen Umständen auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Zwar stellt die Abschiebung einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Familien- und Privatleben dar (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - Rn. 61 ff.). Dieser ist aber gesetzlich vorgesehen, verfolgt mit der Abwehr terroristischer Gefahren für die Bevölkerung in Deutschland ein legitimes Ziel von höchstem Rang und erweist sich vor diesem Hintergrund auch als in einer demokratischen Gesellschaft erforderlich. 93 Hierbei war dem Kläger der langjährige Aufenthalt in Deutschland, wo er seine gesamte Schulausbildung erworben hat, zugute zu halten, wie auch seine Bindung an die in Deutschland legal aufhältigen Eltern und Geschwister, die russische Staatsangehörige sind. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern zunächst erfolglos unter falschem Namen Asylverfahren betrieben hat und erst - nachdem eine Abschiebung wegen Passlosigkeit jahrelang nicht möglich war - seit dem Jahr 2012 (nach Richtigstellung der Personalien) über einen legalen Aufenthalt verfügte, der bis zu seiner Abschiebung in befristeten Aufenthaltserlaubnissen bestand. Demgegenüber verfügte er außerhalb Dagestans - soweit im Zeitpunkt der Abschiebung bekannt - über keine familiären Bindungen in seinem Herkunftsland Russische Föderation, das ihm weitgehend unbekannt gewesen sein dürfte. Der Senat geht im Klageverfahren zudem zugunsten des Klägers davon aus, dass er nicht über Grundkenntnisse der russischen Sprache verfügt (anders noch Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 77). Der Kläger hat angegeben, außer Deutsch nur die in Dagestan gebräuchliche und in seiner Familie allein verwendete Sprache Kumykisch zu sprechen. Dies ist ihm ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nicht zu widerlegen. Da sich die Aufenthaltsbeendigung - wie im Folgenden ausgeführt wird - auch dann als verhältnismäßig erweist, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht über Russischkenntnisse verfügte, waren die Beweisanträge des Klägers, zum Beweis fehlender Grundkenntnisse der russischen Sprache drei namentlich benannte Zeugen zu vernehmen, als für die Entscheidung unerheblich abzulehnen. 94 Da der Kläger im Zeitpunkt der Abschiebung nicht in seine Heimatrepublik Dagestan zurückkehren konnte (siehe dazu unten e) aa)), musste davon ausgegangen werden, dass die Integration in die russischen Lebensverhältnisse ihm angesichts der fehlenden Sprachkenntnisse, fehlenden familiären Rückhalts und seiner Unerfahrenheit erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Mit Blick auf die von ihm ausgehende überaus schwerwiegende Gefahr eines terroristischen Anschlags lagen hier aber überragend wichtige Gründe vor, die eine Abschiebung gleichwohl rechtfertigten. Das gilt selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Radikalisierung und die der Abschiebungsanordnung zugrunde gelegten Tatsachen noch in die Zeit seiner Minderjährigkeit fallen. Der EGMR hat anerkannt, dass schwere Gewalttätigkeiten eine Ausweisung auch dann rechtfertigen können, wenn sie von einem Minderjährigen begangen worden sind (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - Nr. 1638/03 - Rn. 84 f.). Dies ist auf Fälle übertragbar, in denen eine Begehung - noch schwerer wiegender - terroristischer Gewalttaten droht. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abschiebungsanordnung schon dann erfüllt sind, wenn ein beachtliches Risiko für einen terroristischen Anschlag besteht, ohne dass die künftige Entwicklung sicher prognostiziert werden kann, führt hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem anderen Ergebnis. 95 Auch ohne die Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte sowie ohne Russischkenntnisse, die die Integration in die russischen Lebensverhältnisse zweifellos erleichtern würden, war es dem volljährigen und arbeitsfähigen Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung zuzumuten, sich in der Russischen Föderation eine Existenz aufzubauen. Daran ändert der Umstand nichts, dass er von seiner Persönlichkeitsentwicklung und Reife noch einem Jugendlichen entsprochen haben mag. Dies bedeutete nicht, dass ihm ein Leben ohne familiäre Unterstützung und anfangs ohne Kenntnisse der russischen Sprache unter Berücksichtigung der hier bestehenden hohen Zumutbarkeitsschwelle nicht möglich sein würde. Vielmehr war davon auszugehen, dass sich der Kläger Sprachkenntnisse, die für das tägliche Leben und einfache (Hilfs-)Arbeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen, vor Ort rasch aneignen kann. Unabhängig davon hat das Klagevorbringen nach der Abschiebung, wonach der Kläger in Nordwestrussland bei einem entfernteren Bekannten seiner Eltern aufgenommen wurde, aber auch erwiesen, dass er entgegen früherer Behauptung in der Russischen Föderation außerhalb Dagestans durchaus über Kontakte und Hilfestellung verfügt. 96 Bei der Frage der Zumutbarkeit auch größerer Integrationserschwernisse in der Russischen Föderation kann schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die einzige Maßnahme der Jugendhilfe - eine solche stationärer Art -, die mit Aussicht auf Erfolg erzieherisch auf ihn hätte einwirken können, abgelehnt hat. Weiter berücksichtigt der Senat, dass die Ausländerbehörde des Beklagten vor der Abschiebung Maßnahmen getroffen hat, die dem Kläger die erste Orientierung in P. erleichtern sollten (vgl. die Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 18. August 2017 im Verfahren Nr. 54646/17 vor dem EGMR sowie Schreiben des Migrationsamts vom 26. Juli 2017). Ihm wurden die Kontaktdaten von Hilfsorganisationen mitgeteilt; er wurde auch über mögliche ärztliche Versorgung an den P.er Flughäfen und Verkehrsverbindungen in die Innenstadt sowie Unterkunftsmöglichkeiten informiert. Zudem wurde er vor der Ankunft in P. mit einem Handgeld in Höhe von 300 € versorgt, um nicht mittellos zu sein. Vor diesem Hintergrund und angesichts der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags führen die gewichtigen privaten und familiären Belange hier nicht zur Unverhältnismäßigkeit der verfügten Aufenthaltsbeendigung und ihres Vollzugs. 97 Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach der deutschen Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Einzelnen noch offen ist - zunächst mit einer grundsätzlich unbefristeten Fernhaltung vom Bundesgebiet verbunden sein soll (vgl. § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AufenthG). Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Ausländerbehörde nach erfolgter Abschiebung des Klägers angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn auch der Adressat einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG kann jedenfalls eine nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung eines aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes entstandenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 AufenthG erreichen, wenn er glaubhaft darlegen kann, dass von ihm aufgrund nachhaltiger Veränderungen seines Verhaltens keine Gefahr mehr ausgeht. Eine spätere Wiedereinreise in das Bundesgebiet ist mithin - zumindest besuchsweise - nicht ausgeschlossen, auch wenn der Kläger dafür eines neuen Aufenthaltstitels bedürfte. 98 Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Abschiebung von Terrorverdächtigen das internationale Ansehen Deutschlands schädigen würde. Die Auswirkungen derartiger Abschiebungsanordnungen auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sind in § 58a AufenthG mit berücksichtigt. Es ist nicht Aufgabe der rechtsanwendenden Behörden oder Gerichte, die damit vom Gesetzgeber vorgenommene Bewertung zu korrigieren. Dass § 58a AufenthG oder seine Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall gegen bindendes Völkerrecht verstoßen könnte (GA 1 VR 3.17 , Bl. 270 ff.), vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. 99 e) Die Abschiebungsanordnung ist nicht wegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers in die Russische Föderation im September 2017 kein solches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Abschiebung in den beabsichtigten Zielstaat ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). 100 Vorliegend sprach im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers einiges dafür, dass hinsichtlich Dagestan bzw. der nordkaukasischen Teilrepubliken der Russischen Föderation die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben waren (aa). Das hinderte jedoch nicht die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in andere Teile der Russischen Föderation, in denen dem Kläger eine zumutbare interne Niederlassungsmöglichkeit zur Verfügung stand (bb). Dies zugrunde gelegt bedurfte es keiner Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen (cc). Es lag auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen Suizidgefahr vor (dd). 101 aa) Der Senat sieht zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger angesichts des anzunehmenden Bekanntwerdens der Gründe seiner Abschiebung in der Russischen Föderation (dazu (1)) bei einer Rückkehr nach Dagestan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch die dortigen Sicherheitsbehörden einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt worden wäre (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, dazu (2)). 102 (1) Im Zeitpunkt der Abschiebung war davon auszugehen, dass die Gründe und Hintergründe der beabsichtigten Abschiebung des Klägers (Gefahr eines radikal-islamistisch motivierten Terroranschlags, salafistisch-religiöse Einstellung mit grundsätzlicher Billigung der Aktionen des sogenannten ""Islamischen Staates"") den russischen staatlichen Stellen aller Voraussicht nach bekannt werden würden. Dies war vor allem aufgrund der öffentlichen Berichterstattung in den Medien bzw. im Internet unter Nennung zur Identifizierung hinreichender Daten (K. C. aus B., geboren im ... in Dagestan) anzunehmen. Hinzu kam im vorliegenden Fall das im russischen Pass eingetragene, zwischenzeitlich aufgehobene Ausreiseverbot, das gegen den Kläger im Dezember 2014 angeordnet worden war und die Aufmerksamkeit der russischen Behörden zusätzlich auf sich zu ziehen drohte. Unabhängig davon ergibt sich aus einem Schreiben des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg an die JVA B. vom 31. Juli 2017, das diesem die beabsichtigte Abschiebung des Klägers und die Gründe dafür aufgrund einer DPA-Nachricht (""Bundesgericht billigt Abschiebung von Islamisten nach Russland"") bekannt gewesen ist. 103 (2) Unter Berücksichtigung dieses anzunehmenden Bekanntwerdens der Abschiebegründe bestand im Zeitpunkt der Abschiebung die tatsächliche Gefahr, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan durch die dortigen Sicherheitsbehörden der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, Art. 4 GRC ausgesetzt würde (vgl. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). 104 (a) Dabei geht der Senat für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung weiterhin von folgender Lagebeurteilung aus: Teile des Nordkaukasus und insbesondere Dagestan sind nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen der regionale Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 13). 105 Der ""IS"" wird in der Russischen Föderation und speziell im Nordkaukasus in den letzten Jahren zunehmend als echte Bedrohung wahrgenommen, auf die seitens der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden vor allem im Nordkaukasus mit großer Härte reagiert wird: In diesem Landesteil gehen die Behörden gegen tatsächliche oder mutmaßliche Islamisten mit teils gewaltsamer Repression vor. Es kommt zu Razzien in Moscheen, Festnahmen, Zerstörung von Wohnhäusern angeblicher Islamisten, Misshandlungen, Entführungen und Fällen von ""Verschwindenlassen"" sowie ""außergerichtlichen"" Tötungen. Im Nordkaukasus wenden die lokalen Polizeibehörden sowie die nationalen Sicherheitsbehörden auch Folter an (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 40; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 6 und 7; zu den o.g. Maßnahmen siehe auch Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, 15. Januar 2016, http://www.ecoi.net/local_link/323719/463296_de.html (Zugriff am 28. September 2016). Salafisten werden von Angehörigen des Militärs und der Geheimdienste verdächtigt, den bewaffneten Aufstand zu unterstützen oder daran beteiligt zu sein, und nicht selten entführt und in der Folge getötet (Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen, a.a.O.). Aktionen von Sicherheitskräften nehmen auch die Familienangehörigen von bewaffneten Untergrundkämpfern ins Visier. Menschenrechtsorganisationen beklagten ein Klima der Straflosigkeit für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 13 - 15). Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden - ihrer Straflosigkeit gewiss - missbrauchten ihre Macht, um im ""Krieg gegen den Terror"" Erfolgsquoten zu liefern oder gar um Geld von den Angehörigen der Verhafteten zu erpressen (Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Dagestan: Korruption bei der Polizei, 12. Oktober 2016). 106 Salafistische Organisationen bzw. Muslime, die religiösem Extremismus nahe stehen oder unter ausländischem Einfluss stehen sollen, werden in Dagestan als Wahhabiten bezeichnet und teilweise pauschal mit Terroristen gleichgesetzt (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 1 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 52, 65). Sie müssen in Tschetschenien und Dagestan bereits ohne Hinzutreten weiterer Handlungen oder konkreter Verdächtigungen befürchten, von den Sicherheitsbehörden als ""Extremisten"" verhaftet zu werden. Auch das Tragen langer Bärte oder salafistischer Kleidung kann bereits zu Verhaftungen und Misshandlungen führen (Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 15). 107 (b) Ausgehend von dieser Erkenntnislage sprach bezogen auf den Abschiebezeitpunkt einiges dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Dagestan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung durch die lokalen oder föderalen Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt würde, selbst wenn er sich dort einer salafistischen Betätigung, soweit diese die Grenzen der geschützten Religionsfreiheit überschreitet, enthält (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 90 f.). 108 bb) Dem Kläger standen im Zeitpunkt seiner Abschiebung auf der Grundlage der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisse jedoch Alternativen für eine Niederlassung in sonstigen Bereichen der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepubliken des Nordkaukasus (etwa in der Umgebung des Abschiebeziels P.) zur Verfügung. Hinsichtlich dieser Bereiche lagen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vor. Sie erfüllen hier zugleich die Voraussetzungen des internen Schutzes im Sinne von § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Daher stand dem Kläger auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter zu, ohne dass entschieden werden muss, ob dieses Abschiebungsverbot ohnehin wegen der vom Kläger ausgehenden Gefahren ausgeschlossen wäre (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG). 109 (1) Nach der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnislage drohte dem Kläger außerhalb des Nordkaukasus wegen der Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er unter Berücksichtigung der ihm zugeschriebenen Terrorgefahr durch Sicherheitsbehörden oder Strafverfolgungsorgane der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt oder zwangsweise nach Dagestan zurückverbracht wird. Etwaige erst nach Rückkehr in die Russische Föderation entfaltete Aktivitäten, die den Verdacht begründen könnten, er neige dem gewaltbereiten Jihadismus zu oder plane oder unterstütze Terroranschläge, können kein Abschiebungshindernis begründen und waren außer Betracht zu lassen. 110 Der Senat verkennt nicht, dass aus Sicht der russischen Behörden auch außerhalb des Nordkaukasus die Gefahr von Terroranschlägen besteht. Radikale islamistische Netzwerke aus dem Nordkaukasus und Dagestan verfügen über Zellen in ganz Russland - von Moskau, St. Petersburg bis nach Sibirien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 3 und 15). Der russische Staat geht auch im übrigen Staatsgebiet konsequent gegen islamistische Terroristen vor. Erst im Juli 2016 wurde in der Russischen Föderation mit dem Ziel der effektiveren Bekämpfung des Terrorismus und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit das Strafrecht deutlich verschärft, worauf der Kläger hingewiesen hat (www.icnl.org/research/library/files/Russia/Yarovaya.pdf, GA 1 VR 3.17 Bl. 264). Zuvor ist im November 2013 in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit dem die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreicht werden sollte und das darauf abzielte, die ""harte Form"" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 34; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 4 f.). Von einer entsprechenden Praxis außerhalb des Nordkaukasus wird demgegenüber bisher nicht berichtet; auch belegt diese Gesetzeslage ebenso wenig wie die Verschärfung des Strafrechts eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung von Terrorverdächtigen. 111 Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht, Stand: Juni 2017, S. 20 f.) ist der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen aus Angst vor Terroranschlägen erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichteten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Solange die Konflikte im Nordkaukasus nicht endgültig gelöst sind, ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Das gilt insbesondere für Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagieren bzw. denen ein derartiges Engagement unterstellt wird, oder die - wie hier - im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. 112 Selbst wenn diese besondere Aufmerksamkeit auch Dagestanern entgegengebracht werden sollte, rechtfertigte die Zugehörigkeit zu einer solchen Risikogruppe ebenfalls noch nicht die Annahme, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dies entspricht im Wesentlichen der in der fallbezogen erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 wiedergegebenen Einschätzung von Mitarbeitern der russischen Nichtregierungsorganisation ""Komitee zur Verhinderung von Folter"": Danach habe der Kläger im Falle seiner Abschiebung in die Russische Föderation mit einer Befragung und Überwachung zu rechnen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017 zu Frage 1a). Es erscheine jedoch nahezu ausgeschlossen, dass er ""präventiv"" gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt würde. Der Zuverlässigkeit dieser Auskunft steht nicht entgegen, dass der Leiter dieser Organisation nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats ist (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - NVwZ 2017, 1531 Rn. 96). Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 bestätigt, dass das ""Komitee zur Verhinderung von Folter"" eine allseits geachtete Organisation sei, deren Expertise auch in die Lageberichte des Auswärtigen Amtes einfließe. 113 Die vom Kläger eingeholte, im Verfahren vor dem EGMR vorgelegte Auskunft von U. I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial vom 19. August 2017 insbesondere zu Frage 3) gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Darin heißt es, eine aus Deutschland abgeschobene Person werde zweifellos unter sozialer Kontrolle stehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie verfolgt und gefoltert werde, sei erheblich und noch um ein Vielfaches höher, wenn sie mit dem Stigma, einen terroristischen Anschlag beabsichtigt zu haben, abgeschoben würde. Der Senat misst der gegenteiligen Einschätzung des ""Komitees zur Verhinderung von Folter"" weiterhin die größere Bedeutung bei. Zum einen kann sich die Auskunft von Frau I. nicht erkennbar auf konkrete Referenzfälle stützen (vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 7. November 2017 - 54646/17, X./Germany - Rn. 33). Mit der des Klägers vergleichbare Fallgestaltungen werden auch in den von ihr beigefügten Berichten der Nichtregierungsorganisationen Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee nicht benannt (""Chechens in Russia"", Moscow 2014; ""Counter-terrorism in the North Caucasus: a human rights perspective. 2014-first half of 2016""; Moscow 2016, sowie ""On the situation of Chechen Republic and Republic of Ingushetia residents in the Russian penal system, September 2011 to August 2014"", September 2014, Moscow). Zum anderen wird die im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gewonnene Gefahrenbewertung des Senats nunmehr bestätigt durch die aktualisierte Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das sich in seiner Stellungnahme vom 10. August 2017 der Bewertung des ""Komitees zur Verhinderung von Folter"" angeschlossen und an seiner früheren abweichenden, pauschalen Stellungnahme vom 17. Mai 2017 nicht mehr festgehalten hat. Danach werden Personen, die sich in der Russischen Föderation nicht islamistisch betätigt haben oder dort aufgefallen sind, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit misshandelt. Zum Beleg verweist das Bundesamt auf Erkenntnisse der österreichischen Staatendokumentation vom 29. Juni 2017. Danach konnten keine Informationen mit Hinweisen darauf gefunden werden, dass Personen, die im Ausland wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation ""IS"" strafgerichtlich verurteilt wurden und eine Haftstrafe bereits verbüßt haben, in der Russischen Föderation abseits einer eigentlichen Strafverfolgung Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation an BVwG, Russische Föderation - Menschenrechtsverletzungen von im Ausland verurteilten Personen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vom 29. Juni 2017). 114 Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. Juli 2014 (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, S. 3 f.) nicht abzuleiten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK zuwiderlaufende Behandlung drohen würde. Zwar wird dort von Angaben der Nichtregierungsorganisation Memorial (U. I.) berichtet, wonach Familienangehörige von Terrorismusverdächtigen aus Dagestan auch in anderen Regionen in Russland von staatlichen Behörden verfolgt und schikaniert werden und dem ständigen Risiko einer willkürlichen Strafverfolgung ohne Begründung ausgesetzt sind. Auch werde von einer Reihe dokumentierter Fälle berichtet, in denen ganze Familien in Moskau, St. Petersburg und weiteren russischen Städten Opfer von gewaltsamem ""Verschwindenlassen"" geworden seien. Dies sei vor allem in den Fällen geschehen, in welchen die Behörden der nordkaukasischen Republiken Interesse daran hatten, Maßnahmen gegen Familienangehörige zu ergreifen. ""Wahhabiten"" und ihre Familienmitglieder würden in ganz Russland verfolgt. Der Modus Operandi der Behörden des Nordkaukasus finde mittlerweile auch im übrigen Russland Anwendung. Seit 2009 sei die Zahl der Verhaftungen und Entführungen von Personen aus dem Nordkaukasus in ganz Russland gestiegen. Rund 20 Prozent der dokumentierten Entführungen fänden mittlerweile außerhalb des Nordkaukasus statt. 115 Diesen Ausführungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass der russische Staat auch einer im europäischen Ausland entfalteten islamistisch-jihadistischen Betätigung - insbesondere Planung/Vorbereitung eines Terroranschlags in Deutschland - in der Russischen Föderation mit derart drastischen Maßnahmen begegnen würde. Ein vergleichbares Interesse der russischen Behörden, gegen eine Person wie den Kläger menschenrechtswidrig vorzugehen, ist in einem solchen Fall mangels Referenzfällen nicht belegbar und kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Denn spezifisch russische Interessen hat der Kläger bisher nicht verletzt. 116 Der Senat hat es daher im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung auch nicht für beachtlich wahrscheinlich erachtet, dass in der Russischen Föderation gegen den Kläger ein Strafverfahren eingeleitet oder er in Polizeigewahrsam genommen würde. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass nach russischem Strafrecht für Auslandstaten russischer Staatsbürger das Personalitätsprinzip gilt, rechtfertigt dieser Hinweis auf die Rechtslage für sich allein noch nicht den Schluss auf eine entsprechende Praxis. Auch die Erklärung des russischen Generalstaatsanwalts von November 2015, wonach 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden, wovon laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) 1 000 Personen betroffen seien (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 27), lässt nicht hinreichend auf eine Betroffenheit auch des Klägers schließen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich der Fokus der russischen Strafverfolgungsbehörden auch auf Personen richten würde, die nicht aus Syrien, Irak oder der Türkei, sondern aus dem westeuropäischen Ausland zurückkehren. 117 Berichte über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10) beziehen sich zumeist auf den Nordkaukasus. Gegen Tschetschenen (bzw. Personen aus dem Nordkaukasus), die sich in Moskau oder anderen Bereichen der Russischen Föderation niedergelassen haben, kommen Strafverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen heute kaum noch vor (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 85 f.). Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren zwar vor, insbesondere gegen junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus, jedoch nicht in systematischer Weise (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 6; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 82). 118 Die vorstehend dargelegte Gefahreneinschätzung wird schließlich ex post dadurch bestätigt, dass es dem Kläger gelungen ist, unbehelligt in die Russische Föderation einzureisen und bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland Aufenthalt zu nehmen. Der Senat ist davon ausgegangen, dass den russischen Staatsbehörden die Gründe für die Abschiebung des Klägers bekannt waren (s.o.); zudem ist er mit seinem russischen Reisepass, aus dem das von Deutschland zeitweise verfügte Ausreiseverbot hervorging und der bei einer Einreise vorzulegen ist, abgeschoben worden. Daraus kann nur geschlossen werden, dass seitens der russischen Sicherheitsbehörden kein Interesse bestand, gegen den Kläger ein Strafverfahren einzuleiten oder ihn in Polizeihaft zu nehmen. Auch wenn es für die hier vorzunehmende Prognose auf den Zeitpunkt der Abschiebung ankommt, können Vorkommnisse nach der Abschiebung als - wie hier - bestätigendes Indiz für die Richtigkeit der gerichtlichen Prognose ergänzend herangezogen werden (EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - InfAuslR 2018, 11 ff. Rn. 14). Dass sich der Kläger an seinem Aufenthaltsort nicht angemeldet hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. 119 Das Risiko, dass die Behörden in Dagestan, soweit sie von der Abschiebung des Klägers erfahren, den Kläger außerhalb Dagestans aufsuchen und dort misshandeln oder nach Dagestan verbringen würden, hält der Senat ebenfalls für gering. Das Auswärtige Amt führt in seinem aktuellen Lagebericht zwar aus, die regionalen Strafverfolgungsbehörden könnten Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlten sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem ""langen Arm"" des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen seien, seien etwa auch in Moskau präsent (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 15 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 24; Memorial Human Rights Center/Civic Assistance Committee, Chechens in Russia, 2014, S. 7). Bei Umzügen in eine andere Region der Russischen Föderation informiert das FMS-Büro, bei dem die Registrierung erfolgt, das FMS-Büro am Ort der ursprünglichen Registrierung (siehe auch U. I. , Auskunft vom 19. August 2017, zu Frage 5 und 6). Ob diese Information durch die Behörden des ursprünglichen Wohnorts in irgendeiner Weise aktiv verwendet wird, ist aber eine andere Frage. Dies hängt davon ab, wie wichtig die Person für die dortigen Behörden war/ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 68). Ausgehend davon ist eher unwahrscheinlich, dass dagestanische Strafverfolgungsbehörden aufgrund der gegen den Kläger in Deutschland erhobenen Vorwürfe Anlass sehen werden, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten oder gegen ihn in irgendeiner Weise extralegal vorzugehen, wenn er - der Dagestan schon im Kleinkindalter verlassen hat - nicht in Kontakt zu Dagestan tritt und insbesondere andernorts seinen Wohnsitz nimmt. Gründe dafür ergeben sich auch nicht aus der Auskunft von Frau I. (Civic Assistance Committee, Human Rights Center Memorial) vom 19. August 2017. Der Kläger hat weder in Dagestan auf der Seite der Aufständischen gekämpft noch ist er in Syrien gewesen. Durch Vorlage seines im Juli 2013 ausgestellten russischen Reisepasses (AA Bl. 169) kann er dies ab diesem Zeitpunkt sogar belegen; aus dem temporären Ausreiseverbot ergibt sich nichts anderes. 120 Hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr drohte, gegen seinen Willen durch russische föderale Stellen nach Dagestan zurückverbracht zu werden, waren den ausgewerteten Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe von rückgeführten Tschetschenen berichtet, die etwa vom russischen Geheimdienst nach Ankunft am Flughafen Moskau festgenommen und nach Tschetschenien gebracht oder nach Rückkehr aus dem westeuropäischen Ausland verhaftet und gefoltert worden seien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13. Mai 2016, S. 22), werden die jeweiligen Hintergründe nicht mitgeteilt. Schlüsse für den hier zu entscheidenden Fall waren daraus mithin nicht zu ziehen, zumal der Kläger bei seiner Einreise dieses Schicksal nicht erlitten hat. 121 (2) Der Kläger hat auch nicht infolge einer Einziehung zum Wehrdienst mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten. 122 (a) Es ist bereits nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger in absehbarer Zeit nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation zum Wehrdienst eingezogen wird. 123 Männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 27 Jahren unterliegen in der Russischen Föderation der einjährigen Wehrpflicht (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Juni 2017, S. 10). Darunter fällt grundsätzlich auch der ...-jährige Kläger. Die reale Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden, wird durch die mit seiner Person verbundenen Sicherheitsbedenken jedoch deutlich vermindert. 124 Die allgemeine Wehrpflicht besteht in der gesamten Russischen Föderation. Grundsätzlich wird einem 18- bis 28-jährigen Mann in der Russischen Föderation ein Musterungsbescheid zugestellt, um ihn für den Wehrdienst in den Streitkräften zu mustern. Eine Einberufung in die Streitkräfte ist damit jedoch nicht zwingend verbunden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 2). Junge Männer aus dem Nordkaukasus, insbesondere aus Tschetschenien, wurden in zurückliegenden Jahren über längere Zeit praktisch nicht zum Wehrdienst eingezogen. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass man nicht ""potenzielle Terroristen und Untergrundkämpfer"" an der Waffe ausbilden wolle. Nordkaukasier könnten einen radikalen Islam in der Armee verbreiten; sie seien besonders undiszipliniert und würden eine ""Dedowschtschina"" auf ethnischer Grundlage betreiben (vgl. O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 19 f.). Etwa nach dem Beginn des russischen militärischen Vorgehens gegen die Ukraine im Frühjahr 2014 änderten sich die Rahmenbedingungen aber. So wurden im Herbst 2014 wieder Rekruten aus dem Nordkaukasus einberufen (Dagestan: ca. 2 000, Tschetschenien: ca. 500, vgl. O., ebenda, S. 20, sowie Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Bremen vom 13. November 2015). Bei den tschetschenischen Rekruten soll es sich dabei überwiegend um Freiwillige mit abgeschlossenem Hochschulstudium gehandelt haben, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstrebten (vgl. Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung etc., 12. November 2014). In Dagestan wurden im Frühling 2016 1 800 junge Männer eingezogen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Trotzdem seien mehr als 2 000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollten (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1. Juni 2016, S. 50). Als ein Grund für die Änderung der Einberufungspraxis wird Personalnot bei den Streitkräften benannt, der mit einer Erhöhung der Einberufungsquote und auch durch den Rückgriff auf Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus begegnet werden sollte. Die kritische Personallage habe Sicherheitsbedenken gegenüber Rekruten aus dem Nordkaukasus zurücktreten lassen. Persönliche Garantien von Mitgliedern der jeweiligen Administrationen und Familienangehörigen sollen nun die wahrgenommenen Risiken eindämmen (vgl. Pester, Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, SWP-Studie, November 2013, S. 24, 26; Klein/Pester, Russlands Streitkräfte: Auf Modernisierungskurs, SWP-Aktuell, Dezember 2013, S. 4). 125 Trotz der zunehmenden Personalengpässe und der geänderten Einberufungspraxis in den russischen Streitkräften hält der Senat eine Einberufung des Klägers zum Wehrdienst nicht für wahrscheinlich. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei ihm Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst, Ausschlussgründe oder ein Recht auf Verschiebung/Aufschub des Militärdienstes gegeben sind (vgl. dazu O., Wien, Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 12 ff.). Angesichts der anzunehmenden Bekanntheit der Abschiebungsgründe und der Befragung und Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst FSB oder die Polizei, mit der nach Abschiebung in die Russische Föderation zu rechnen war, spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass eine Einberufung des Klägers wegen des damit verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos unterbleiben wird. Dass Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus aktuell nicht mehr pauschal als Sicherheitsrisiko betrachtet werden, steht dem nicht entgegen, weil vom Kläger individuell die Gefahr eines islamistisch motivierten terroristischen Anschlags ausgeht. Es ist nicht nahe liegend, dass die für die Einberufung zuständigen Behörden in der Russischen Föderation das Risiko eingehen werden, eine solche Person an der Waffe auszubilden. Die Frage nach persönlichen Garantien stellt sich bei einem derart evidenten Sicherheitsrisiko schon nicht mehr; im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, wer für den Kläger außerhalb des Nordkaukasus bürgen könnte. 126 (b) Unabhängig davon liegen nach der aktuellen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe (mehr) dafür vor, dass Wehrdienstleistenden in der Russischen Föderation eine Art. 3 EMRK verletzende Behandlung droht, indem sie dem System der sogenannten Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige, ausgesetzt werden. Nach aktueller Auskunftslage ist dies zwar weiterhin nicht auszuschließen, aber nicht mehr beachtlich wahrscheinlich. 127 Anders als das Verwaltungsgericht Bremen (Urteil vom 18. November 2016 - 3 K 1982/09.A - juris Rn. 52 ff.) hält der Senat unter zusätzlicher Einbeziehung des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes (Ad-hoc-Bericht Stand: Juni 2017) trotz der weiterhin problematischen Menschenrechtslage in den Streitkräften aktuell nicht mehr die Feststellung für gerechtfertigt, dass einem Wehrpflichtigen eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") droht. Bereits im Lagebericht von Anfang 2016 hatte das Auswärtige Amt berichtet, die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur ""Humanisierung"" und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes seien im Berichtszeitraum weiter umgesetzt worden. Diese Maßnahmen umfassten u.a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone seien ebenfalls eingeführt worden. Offizielle Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation habe es zuletzt nicht gegeben. Die Nichtregierungsorganisationen ""Komitee der Soldatenmütter"" und ""Armee.Bürger.Recht"" hätten jedoch von Soldaten berichtet, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die Nichtregierungsorganisationen gewendet hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige komme, jedoch nicht mehr im Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die ""Dedowschtschina"", aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen sollte, sei noch nicht vollständig abgeschlossen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Januar 2016, S. 14 f.). Im aktuellen Lagebericht, der eine im Übrigen unveränderte Einschätzung enthält, wird nunmehr ergänzend berichtet, Staatspräsident Putin habe im Jahr 2015 ein Dekret erlassen, das die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert habe und seitdem ausdrücklich die Bekämpfung der ""Dedowschtschina"" sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte umfasse. Insgesamt seien zunehmend einzelne Verbesserungen zu erkennen, weil - teilweise auf Initiative der Soldatenmütter - vor drei bis vier Jahren ein Beschwerderecht für Soldaten eingeführt worden sei, seit kurzem jeder Soldat ein Gehaltskonto haben müsse, um Korruption und Erpressung durch Vorgesetzte zu verhindern, und sich die soziale Lage durch den Neubau von Kasernen und die damit einhergehende Abnahme der Überbelegung verbessert habe. Dadurch seien auch die Misshandlungen jüngerer durch ältere Soldaten zurückgegangen (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 10 f.). 128 Die darin zum Ausdruck kommende graduelle Verbesserung der Situation der Wehrdienstpflichtigen in den russischen Streitkräften wird bestätigt durch die vom Senat fallbezogen eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29. Mai 2017 (zu Frage 3a). Darin wird ergänzend ausgeführt, das Ministerium der Verteidigung der Russischen Föderation veröffentliche zwar keine genauen Zahlen zu Misshandlungen innerhalb der Streitkräfte. Zahlreiche Indikatoren wiesen jedoch darauf hin, dass diese Art von Dienstvergehen in den Streitkräften zurückgehe. Seit Beginn der Reform der Streitkräfte im Jahr 2008, insbesondere jedoch unter dem derzeitigen Minister für Verteidigung Sergei Schoigu, liege das Hauptaugenmerk der militärischen und politischen Leitung der Streitkräfte auf der Steigerung der Attraktivität der Streitkräfte. Das Maßnahmenpaket umfasse z.B. eine Erhöhung der Besoldung, den Wohnungsbau für Soldatenfamilien und medizinische Versorgung von Soldaten und deren Angehöriger. Der Aufrechterhaltung der Disziplin werde ein höherer Stellenwert als in den Jahren zuvor eingeräumt, wozu auch die konsequente Ahndung von Dienstvergehen wie z.B. Misshandlung gehöre. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass die islamistische Radikalisierung des Klägers die allgemein nicht mehr den Grad einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit erreichende Gefahr, Opfer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK während eines Wehrdienstes zu werden, in relevanter Weise erhöhen würde (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29. Mai 2017, zu Frage 3a). 129 Es besteht auch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Rahmen eines Wehrdienstes gegen seinen Willen nach Dagestan zurückkehren müsste. Allerdings führt O. aus, dass Wehrpflichtige, die keine Bestechungsgelder leisten könnten oder wollten, riskierten, in die Krisengebiete des östlichen Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan) oder aber in einen Truppenteil geschickt zu werden, in denen eine harte ""Dedowschtschina"" herrsche (Gutachten vom 2. Februar 2015 für VG Berlin, S. 21). Da die vom Auswärtigen Amt berichteten graduellen Verbesserungen der Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften in den letzten beiden Jahren in diesem bereits Anfang 2015 erstellten Gutachten jedoch noch nicht berücksichtigt sein konnten, ist bereits fraglich, inwieweit diese Aussage noch zutrifft. Im Ergebnis bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, im Nordkaukasus zum Einsatz zu kommen, jedenfalls aus den Gründen nicht, aus denen schon seine Einberufung nicht beachtlich wahrscheinlich ist (s.o.). 130 (3) Die weiteren Voraussetzungen für eine interne Ausweichmöglichkeit in die Gebiete der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus liegen vor. 131 Nach der Rechtsprechung des EGMR zur Berücksichtigung internen Schutzes muss die abzuschiebende Person in der Lage sein, in das betroffene Gebiet zu reisen, Zutritt zu diesem zu erhalten und sich dort niederzulassen. Außerdem dürfen die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen (vgl. EGMR, Urteile vom 11. Januar 2007 - Nr. 1948/04, Salah Sheekh/Niederlande - Rn. 141 ff., vom 28. Juni 2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 278 ff. und vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - Rn. 65; siehe auch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG sowie Art. 8 Richtlinie 2011/95/EU zum subsidiären internationalen Schutz). 132 Diese Voraussetzungen sind hier auch unter Berücksichtigung der individuellen Merkmale des Klägers gegeben. Der Kläger sollte unter Berücksichtigung der Gründe des Senatsbeschlusses vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - nach P., also nicht in den Nordkaukasus, abgeschoben werden; so ist es auch geschehen. Nach der vorliegenden Erkenntnislage war es dem Kläger bei Abschiebung grundsätzlich möglich und zumutbar, in der Russischen Föderation etwa in der weiteren, ländlicheren Umgebung von P. legal Wohnsitz zu nehmen und insbesondere registriert zu werden. 133 Entgegen seiner Annahme ist der Kläger nicht gezwungen, sich für die zu einer Registrierung erforderliche Ausstellung eines Inlandspasses nach Dagestan an seinen letzten Wohnort zu begeben. Sowohl Inlands- wie Auslandspässe können in der Russischen Föderation in jedem FMS-Büro beantragt und abgeholt werden. Beantragt eine Person den Pass beispielsweise in Moskau, erscheint das FMS-Büro Moskau als ausstellende Behörde, ohne dass es darauf ankommt, wo die Person mit ihrem Wohnsitz registriert ist (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 66). Der gegenteiligen Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25. Juli 2014, S. 8, 10) folgt der Senat auch weiterhin nicht. Denn seine Annahme, dass eine Beantragung und Ausstellung des Inlandspasses auch außerhalb des letzten Wohnortes möglich ist, wird durch eine im Klageverfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amts vom 21. Februar 2018 bestätigt. Das Auswärtige Amt teilt darin mit, dass ein russischer Staatsangehöriger nach der Passverordnung der Russischen Föderation vom 8. Juli 1997 einen Inlandspass auch außerhalb der Region seines letzten Wohnorts beantragen könne; lediglich die Bearbeitungszeit verlängere sich dann von sonst 10 auf 30 Tage. Durchgreifende Gründe, an der Verlässlichkeit dieser Auskunft zu zweifeln, sind nicht ersichtlich. 134 Mit seinem Einwand, er könne einen neuen Inlandspass nicht zumutbar beantragen, weil er dazu - um sich auszuweisen - seinen Reisepass mit dem daraus noch ersichtlichen, vormaligen deutschen Ausreiseverbot vorlegen müsse, kann der Kläger nicht durchdringen. Der Senat hat vorstehend an seiner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Einschätzung festgehalten, dass dem Kläger in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK garantierten Rechte droht. Dabei ist er davon ausgegangen, dass den russischen staatlichen Stellen die Gründe und Hintergründe einer Abschiebung des Klägers voraussichtlich bekannt werden, und dass insbesondere auch der russische Pass im Zuge der Abschiebung den russischen Einreisebehörden wird vorgelegt werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger dessen Vorlage auch bei der Meldebehörde zumutbar. 135 Auch Personen aus dem Nordkaukasus ist es möglich, in der übrigen Russischen Föderation eine Wohnung zu finden, auch wenn sie dabei auf größere Schwierigkeiten stoßen werden als ethnische Russen. Zwar haben Kaukasier größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, einen Vermieter zu finden (vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). In Moskau ist es besonders schwierig, eine Unterkunft zu finden, weil freie Wohnungen selten und die Mieten hoch sind. Die schon allgemein bestehenden Schwierigkeiten sind für Tschetschenen/Kaukasier infolge ihres allgemein schlechten Ansehens noch größer (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Letzten Endes gelingt es aber auch Tschetschenen immer, eine Bleibe zu finden, weil es keine obdachlosen Tschetschenen etwa in Moskau gibt; üblicherweise gelingt dies mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten (Danish Immigration Service, a.a.O., S. 84). Dem Kläger dürfte dies zumindest außerhalb von P. auch ohne Freunde oder Verwandte möglich sein, zumal nicht alle Vermieter nur an ethnische Russen vermieten. 136 Die Registrierung ist jedenfalls nach einem Aufenthalt von drei Monaten obligatorisch. Bei Abschiebung war davon auszugehen, dass sie dem Kläger auch möglich sein würde. Auch wenn es Fälle von geforderten Bestechungsgeldern oder Diskriminierungen durch Behördenvertreter gibt, ist letzten Endes jeder in der Lage, eine Registrierung zu erhalten, auch ohne ein Bestechungsgeld zu zahlen. Bei fehlender Bereitschaft zur Zahlung eines Bestechungsgeldes dauert die Registrierung nur länger, ungefähr drei Wochen, sie wird am Ende aber vorgenommen. Seitens einer tschetschenischen sozialen und kulturellen Vereinigung wird berichtet, die Registrierung sei deutlich einfacher geworden als noch vor zwei Jahren. Das FMS habe ein Service-Center in Moskau eingerichtet, bei dem man alle notwendigen Informationen erhalte und die geforderten Dokumente (etwa eine Kopie des Inlandspasses) einreichen und die Registrierungsunterlagen ausfüllen könne. Es sei nicht mehr notwendig, zur Polizei oder zur Hausverwaltung zu gehen, und das administrative Verfahren sei vereinfacht worden, einschließlich der Möglichkeit, es elektronisch durchzuführen. Das Verfahren sei nunmehr in ein paar Tagen abschließend durchzuführen (zu Vorstehendem: Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 75 f.). Der Annahme im Zeitpunkt der Abschiebung, dass dem Kläger eine Registrierung und damit die Begründung eines legalen Aufenthalts in der russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus möglich sein würde, steht auch nicht die Aussage des Auswärtiges Amtes entgegen, wonach der legale Zuzug von Tschetschenen an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert werde (Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand: Juni 2017, S. 21). Ungeachtet dessen, dass die dort erwähnten Zuzugserschwernisse nicht überall, sondern nur ""an vielen Orten"" bestehen sollen, hat der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Auswärtigen Amtes erläutert, dass diese Aussage im Lagebericht explizit nur Tschetschenen betreffe. Zudem sei sie zeitlich überholt; der künftige Lagebericht für das Jahr 2018 werde diese Einschränkung nicht mehr enthalten. Angesichts dieser Erläuterungen drängte sich dem Senat eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht auf. 137 Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, zum Beweis der Tatsache, dass einer Registrierung des Klägers in Russland auch Rechtsvorschriften entgegenstehen, eine weitere erklärende Auskunft des Auswärtigen Amtes einzuholen, brauchte der Senat ebenfalls nicht nachzugehen. Zum einen war dieser Antrag gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückzuweisen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der ihm nach § 87b Abs. 1 und 2 Nr. 1 VwGO bis zum 9. Februar 2018 gesetzten Frist (vgl. gerichtliche Verfügung vom 5. Dezember 2017, Nr. 1a) gestellt hat. Obwohl die o.g. Aussage des Auswärtigen Amtes bereits wortgleich im vorangegangenen Lagebericht vom 24. Januar 2017 (Stand: Dezember 2016) enthalten war, den der Senat dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde gelegt hat, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre hierauf gestützten Zweifel an der Möglichkeit einer Registrierung und den diesbezüglichen Beweisantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Dies ist nicht genügend entschuldigt worden, und die Einholung einer weiteren schriftlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes hätte die Erledigung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögert, weil die mündliche Verhandlung hätte vertagt werden müssen. Der Kläger ist in der Verfügung vom 5. Dezember 2017 auch über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden (§ 87b Abs. 3 VwGO). Zum anderen ist die Beweisfrage angesichts der im Lagebericht ausdrücklich auf Tschetschenen beschränkten Aussage und der nach Rücksprache im Auswärtigen Amt erfolgten Bestätigung dieser Beschränkung durch den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter des Auswärtigen Amtes bereits beantwortet. 138 Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Registrierung könne ihm mit Blick auf ihm drohende Gefahren als terrorverdächtigen Islamisten sowie eine drohende Einziehung zum Wehrdienst nicht zugemutet werden. Da ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte, war ihm die Registrierung zur Ermöglichung der damit verbundenen existenzsichernden Vorteile (etwa einer legalen Arbeitsstelle) im Zeitpunkt der Abschiebung auch zumutbar. Nachteile wie auch eventuelle Gefahrerhöhungen, die nunmehr damit verbunden sein können, dass der Kläger nach eigenem Vortrag inzwischen seit mehreren Monaten ohne Registrierung in der Russischen Föderation lebt, können schon deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, weil sie auf einem erst nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gezeigten (eigenverantwortlichen) Verhalten des Klägers beruhen. 139 Daran anknüpfend geht der Senat davon aus, dass der Kläger auch außerhalb Dagestans seinen Lebensunterhalt auf einem einfachen Niveau sichern kann. Dazu ist erforderlich, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Voraussetzungen das wirtschaftliche Existenzminimum, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch staatliche oder sonstige Hilfen, erlangen kann und nicht der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 - juris Rn. 21). Dies ist vorliegend anzunehmen. Zwar wird die Arbeitsuche für einen Kaukasier, der in einem anderen Gebiet der Russischen Föderation dauerhaft Aufenthalt nehmen will, als schwierig bezeichnet (vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83). Auch hat der Kläger keine Berufsausbildung und verfügte - soweit im Abschiebezeitpunkt feststellbar - nicht über Verwandte oder Bekannte außerhalb Dagestans. Diese Annahme hat sich allerdings insoweit als nicht vollständig zutreffend erwiesen, als er nunmehr bei entfernten Bekannten seiner Eltern in Nordwestrussland aufgenommen worden ist. Zudem ist er ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, der über einen in Deutschland erworbenen Hauptschulabschluss verfügt und sich grundlegende Russischkenntnisse (nachdem er bereits Deutsch und Kumykisch spricht, in der Schule Englisch gelernt und privat Arabisch-Unterricht genommen hat) vor Ort schnell wird aneignen können. Ihm sind außer kriminellen Tätigkeiten alle Arbeiten zumutbar, auch solche, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11). Eine solche Tätigkeit wird er nach entsprechend ausdauernder Arbeitsuche finden können. Dass der Kläger nach dem Gutachten des Dr. K. noch nicht wie ein Erwachsener wirkt und ihm nach Beobachtungen von Pflegern in der B.er Klinik ""jegliche Alltagspraxis"" fehle, rechtfertigte bei seiner Abschiebung keine andere Prognose. 140 cc) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen war die Abschiebungsanordnung auch ohne eine Zusicherung menschenrechtskonformer Behandlung seitens russischer Regierungsstellen mit Art. 3 EMRK vereinbar. Der mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017 im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes vom Kläger eingereichte Entwurf einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes führt auch weiterhin nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Verbalnote ließ keinen Rückschluss darauf zu, dass eine Zusicherung nach der Beurteilung des Auswärtigen Amtes erforderlich sei, um einer abschiebungserheblichen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu begegnen. Sie war vielmehr vorsorglich für den Fall vorgesehen, dass sich eine Zusicherung nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes als erforderlich erweisen sollte. Dies war jedoch nicht der Fall (vgl. den Beschluss des Senats vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5). Daher bedurfte es auch nicht der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Eilverfahren beantragten Beiziehung der Dokumentation zum ""deutsch-russischen Dialog zu Migration und Rückkehr"" am 21. Juni 2017 in Berlin. 141 dd) Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis lag nicht deshalb vor, weil im Zeitpunkt der Abschiebung konkret zu befürchten gewesen wäre, dass sich der Kläger nach einer Abschiebung in die Russische Föderation dort das Leben nehmen könnte. Die sich aus der Aktenlage und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ergebende Persönlichkeitsbewertung deutet nicht auf eine Bereitschaft oder Neigung des Klägers, seinem Leben unabhängig von einem Terroranschlag ein Ende zu setzen. Die Äußerungen zu einer ""Todessehnsucht"" stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wunsch des Klägers, ins Paradies zu kommen, und der entsprechenden Märtyrerideologie des sogenannten ""Islamischen Staates"". Soweit er bei seinem Zusammenbruch nach seiner Aussage bei der Polizei beteuert hat, die Religion stehe bei seinen Suizidgedanken nicht im Vordergrund, er wolle einfach sterben, ist dies nicht glaubhaft. Ein - damit allein in Betracht zu ziehender - Terroranschlag, bei dem er sein Leben bewusst und gezielt aufs Spiel setzt, begründete mangels relevanter psychiatrischer Störungen oder Beeinträchtigungen des Klägers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. 142 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-18,29.03.2018,"Pressemitteilung Nr. 18/2018 vom 29.03.2018 EN Pfandleiher müssen Überschüsse aus der Pfandversteigerung an den Staat abführen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass gewerbliche Pfandleiher verpflichtet sind, nicht rechtzeitig vom Verpfänder abgeholte Überschüsse aus der Pfandverwertung an den Staat abzuführen. Als Überschuss aus der Pfandverwertung wird der Teil des Versteigerungserlöses bezeichnet, der über die Kreditsumme und die dem Pfandleiher zustehenden Zinsen und Gebühren hinausgeht. Zivilrechtlich steht dieser Überschuss dem Verpfänder zu. Die aufgrund der Gewerbeordnung erlassene Pfandleiherverordnung sah bis Mai 2016 vor, dass der Pfandleiher nicht an den Verpfänder ausgezahlte Pfandüberschüsse zwei Jahre nach dem Jahr der Pfandverwertung an den Staat abführen musste. Die abgeführten Pfandüberschüsse verfielen dem jeweiligen Landesfiskus. Seit Mai 2016 beträgt die Frist für die Ablieferung und den Verfall drei Jahre. Die Klägerin, ein gewerbliches Pfandleihunternehmen, verweigert seit 2009 die Ablieferung der Pfandüberschüsse, weil sie die Abführungspflicht und die Verfallsregelung für verfassungswidrig hält. Ihre Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls erfolglos. Die angegriffene Abführungspflicht und die sie ergänzende Verfallsregelung sind verfassungskonform. Sie schränken die Berufsausübungsfreiheit der gewerblichen Pfandleiher verhältnismäßig ein. Die Ablieferungspflicht soll jegliches Interesse des Pfandleihers an der Erzielung eines hohen Pfandüberschusses ausschließen, damit dieser ein dem Pfandwert angemessenes Darlehen gewährt. Das dient dem Schutz des Verpfänders, der sich typischerweise in einer finanziellen Notlage befindet. Gleichzeitig schützt die Regelung die Allgemeinheit, indem sie Marktverzerrungen wegen des Ungleichgewichts der Verhandlungsmacht der Vertragspartner vermeidet. Beide Ziele können nicht ebenso effektiv durch weniger belastende Mittel erreicht werden. Der Pfandleiher wird durch die Ablieferungspflicht auch nicht unangemessen belastet. Sollte seine Eigentumsfreiheit betroffen sein, wird diese jedenfalls nicht verletzt, sondern verhältnismäßig beschränkt. Auch der Eingriff in das Eigentum des Verpfänders am Pfandüberschuss ist verfassungskonform. Zwar geht dieses Eigentum mit dem Verfall an den Fiskus unter. Der Gesetzgeber durfte aber den Schutz vor unterwertigen Kreditvergaben höher gewichten als das Recht des Verpfänders, einen etwaigen Überschuss auch nach mehr als drei Jahren noch einfordern zu können. Eine zeitlich unbegrenzte, aufwändige staatliche Verwahrung der Mehrerlöse zugunsten des Verpfänders musste der Gesetzgeber nicht vorsehen. Ebenso wenig musste er die Ablieferungspflicht mit anschließendem Verfall auch auf kommunale Pfandleihhäuser oder auf Banken erstrecken. Kommunale Pfandleihhäuser sind nicht gewinnorientiert, sondern gemeinnützig tätig. Banken dürfen nur nachweislich kreditwürdigen Personen Darlehen gewähren, die typischerweise weniger schutzbedürftig sind als die Kunden gewerblicher Pfandleiher. Fußnote: § 34 Abs. 2 und Abs. 3 Gewerbeordnung: (2)1 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zum Schutze der Allgemeinheit und der Verpfänder Vorschriften erlassen über den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen bei der Ausübung der in Absatz 1 genannten Gewerbe, insbesondere über (...) 2. die Annahme, Aufbewahrung und Verwertung des Pfandgegenstandes, die Art und Höhe der Vergütung für die Hingabe des Darlehens und über die Ablieferung des sich bei der Verwertung des Pfandes ergebenden Pfandüberschusses, (...)2 Es kann ferner bestimmen, dass diese Vorschriften ganz oder teilweise auch auf nichtgewerblich betriebene Pfandleihanstalten Anwendung finden. (3) Sind nach Ablauf des Jahres, in dem das Pfand verwertet worden ist, drei Jahre verstrichen, so verfällt der Erlös zugunsten des Fiskus des Landes, in dem die Verpfändung erfolgt ist, wenn nicht ein Empfangsberechtigter sein Recht angemeldet hat. § 5 Abs. 1 Pfandleiherverordnung: (1)1 Der Pfandleiher darf das Pfand nur annehmen, wenn er mit dem Verpfänder vereinbart, dass (...) 2. er berechtigt ist, drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem das Pfand verwertet worden ist, den Teil des Erlöses, der ihm nicht zu seiner Befriedigung gebührt und nicht an den Verpfänder ausgezahlt worden ist, an die zuständige Behörde abzuführen (...), und dass damit dieser Teil des Erlöses verfällt. § 11 Abs. 1 Pfandleiherverordnung: (1)1 Der Pfandleiher hat Überschüsse, über die Vereinbarungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 abgeschlossen sind, spätestens einen Monat nach Ablauf der in § 5 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Frist an die zuständige Behörde abzuführen; die zuständige Behörde kann auf Antrag des Pfandleihers die in Satz 1 genannte Frist von einem Monat aus wichtigem Grund verlängern.2 Die abgeführten Überschüsse verfallen dem Fiskus des Landes, in dem die Verpfändung erfolgt ist. BVerwG 8 C 9.17 - Urteil vom 28. März 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 4 A 1661/14 - Urteil vom 17. Februar 2017 - VG Gelsenkirchen, 7 K 2736/12 - Urteil vom 04. Juli 2014 -","Urteil vom 28.03.2018 - BVerwG 8 C 9.17ECLI:DE:BVerwG:2018:280318U8C9.17.0 EN Ablieferungspflicht des Pfandleihers für Pfandüberschüsse ist verfassungsgemäß Leitsätze: 1. Die Pflicht des Pfandleihers zur Abführung von Pfandüberschüssen an den Staat greift in verhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit ein. 2. Der mit der Abführung verbundene Verfall der Pfandüberschüsse an den Fiskus ist mit dem Grundrecht des Verpfänders auf Eigentum vereinbar. Rechtsquellen BGB §§ 741 ff., §§ 749, 758, 951, 1247 GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 GewO § 34 Abs. 2 und 3 HGB § 469 Abs. 3 PfandlV § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 10, 11 Abs. 1 Instanzenzug VG Gelsenkirchen - 04.07.2014 - AZ: VG 7 K 2736/12 OVG Münster - 17.02.2017 - AZ: OVG 4 A 1661/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2018 - 8 C 9.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:280318U8C9.17.0] Urteil BVerwG 8 C 9.17 VG Gelsenkirchen - 04.07.2014 - AZ: VG 7 K 2736/12 OVG Münster - 17.02.2017 - AZ: OVG 4 A 1661/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2018 durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt einen gewerblichen Pfandleihbetrieb. Sie wendet sich gegen Regelungen in der Gewerbeordnung (GewO) und der Pfandleiherverordnung (PfandlV), die sie zur Abführung von Überschüssen aus der Verwertung von Pfandgegenständen an die Beklagte verpflichten. 2 Bis einschließlich des Abrechnungsjahres 2008 führte die Klägerin regelmäßig die bei ihr angefallenen, über den ihr gebührenden Darlehensbetrag samt Zinsen und Kosten hinausgehenden und vom Verpfänder nicht abgeholten Mehrerlöse aus der Versteigerung von Pfandgegenständen für das jeweils zwei Jahre zurückliegende Kalenderjahr an die Beklagte ab. Diese leitete die vereinnahmten Mehrerlöse an die Landeskasse weiter. Ab dem Abrechnungsjahr 2009 behielt die Klägerin die Überschüsse ein und machte geltend, die der Abführung zugrunde liegenden Bestimmungen seien verfassungswidrig. Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Abführungspflicht für Pfandüberschüsse nicht unterliege, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV in der seit dem 7. Mai 2016 geltenden Fassung zur Abführung von Überschüssen aus der Pfandverwertung an die Beklagte verpflichtet, gleich ob die zugrunde liegenden Pfandvereinbarungen vor oder nach der Rechtsänderung geschlossen worden seien. Mangels einer Übergangsregelung sei für die Berufungsentscheidung die jeweilige Neufassung maßgeblich. Die Klägerin werde durch die Rechtsänderung wegen der Verlängerung der Ablieferungsfrist nicht schlechter gestellt. 3 Die Vorschriften in § 11 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV über die Ablieferung von Versteigerungsmehrerlösen beruhten auf der verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage des § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und des zum 21. März 2016 neu gefassten Absatz 3 der Gewerbeordnung. Sie verletzten weder das Eigentumsgrundrecht des Verpfänders noch das Grundrecht des Pfandleihers auf Berufsfreiheit und Gleichbehandlung. Die Regelungen bezweckten, dessen Interesse an der Erzielung von Pfandüberschüssen zu beseitigen und ihn dadurch zur Auszahlung möglichst hoher Darlehen an den Verpfänder zu veranlassen. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Der Verfall berühre die Pfandleiher nicht in ihrem Grundrecht auf Eigentum. Es sei auch nicht gleichheitswidrig, dass kommunale Pfandhäuser keiner Ablieferungspflicht unterlägen, da sie gemeinnützige Ziele verfolgten. 4 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die angegriffenen Regelungen über die Abführung und den Verfall von Pfandüberschüssen verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit. Als milderes Mittel komme eine zwingende und unabdingbare Ausgestaltung der zivilrechtlichen Benachrichtigungspflicht über das Ergebnis der Pfandversteigerung in Betracht. Der Gesetzgeber habe die von ihm unterstellten Gefahren für Verpfänder nicht hinreichend ermittelt. Die angegriffenen Regelungen seien angesichts der Selbstregulierung des Marktes konkurrierender Pfandleiher, der gewerberechtlichen Untersagungsbefugnisse und des straf- und zivilrechtlichen Schutzes der Interessen des Verpfänders nicht erforderlich. In Wahrheit verfolge der Gesetzgeber mit ihnen in verfassungswidriger Weise fiskalische Zwecke. Die Abführungspflicht und der Verfall von Mehrerlösen verletzten das Eigentumsgrundrecht von Pfandleihern und Verpfändern. Weil der Herausgabeanspruch des Verpfänders nicht in allen Fällen bereits mit dem Eintritt des Verfalls verjähre, könnten Pfandleiher Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sein. Auch ihr durch Vermischung von Versteigerungserlösen entstandenes Miteigentumsrecht werde entwertet. Die Regelungen dienten schließlich nicht dem Schutz des Verpfänders, weil sie ihm seine Chance auf Herausgabe des Pfandüberschusses endgültig entzögen. Sie seien gleichheitswidrig, weil die ebenfalls auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichteten kommunalen Leihhäuser und Geschäftsbanken keiner Ablieferungspflicht unterlägen. 5 Für den Verfall von Versteigerungsüberschüssen aus Pfandleihverträgen, die vor Inkrafttreten der Neufassung des § 34 Abs. 3 GewO zum 21. März 2016 abgeschlossen worden seien, fehle es mangels Rückwirkung der Norm an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. 6 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 4. Juli 2014 zu ändern und festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die seit dem Kalenderjahr 2009 angefallenen Pfandüberschüsse auf der Grundlage der § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 11 Abs. 1 PfandlV bzw. § 34 Abs. 3 GewO an die Beklagte abzuführen, auch soweit Verträge mit Vereinbarungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV in der bis zum 6. Mai 2016 geltenden Fassung geschlossen worden sind. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das Berufungsurteil. Die Ablieferungspflicht und der Verfall der Pfandüberschüsse dienten nicht fiskalischen Interessen, sondern dem Schutz der Verpfänder vor der Auskehr zu niedriger Darlehen. Sie berührten lediglich die eigentumsrechtlich nicht geschützte Chance des Pfandleihers, nicht abgeholte Pfandüberschüsse zu erwerben. Herausgabeansprüche des Verpfänders seien mit Ablauf der dreijährigen Ablieferungspflicht bereits verjährt. 9 Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Revision zurückzuweisen. 10 Auch er hält die angegriffenen Regelungen für verfassungsgemäß. Ein etwaiger Eingriff in das Eigentumsrecht des Pfandleihers sei ebenso wie der Eingriff in dessen Berufsfreiheit durch den Schutz der Interessen des Verpfänders gerechtfertigt. Gleiches gelte für den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Pfandleiher. Es sei nicht gleichheitswidrig, dass die nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gemeinnützigen kommunalen Pfandleihhäuser und die zu grundlegend anderen Konditionen tätigen Banken keiner Ablieferungspflicht unterlägen. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen der Beklagten und des Beigeladenen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Die verfallenden Mehrerlöse flössen dem Fiskus lediglich als Nebenfolge der Verfallsregelung zu, die dem Schutz des Verpfänders vor niedriger Beleihung des Pfandes diene. Weder eine zwingende Benachrichtigungspflicht noch gewerberechtliche Kontrollen könnten diesen Schutz in gleicher Weise verwirklichen. Strafrechtliche Mittel stellten als ultima ratio staatlichen Handelns die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelungen nicht in Frage. Die Berufsausübungsfreiheit der Pfandleiher werde in angemessener Weise eingeschränkt, da ihr Gewerbe über Zinsen und Gebühren gewinnbringend betrieben werden könne. II 12 Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt kein revisibles Recht. 13 1. Die Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Klägerin ist an einem gegenwärtigen, feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zur Beklagten beteiligt, das ihre Verpflichtung zur Ablieferung der seit 2009 bei ihr angefallenen Pfandüberschüsse zum Gegenstand hat. Ihr berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung ergibt sich aus der Bußgeldbewehrung der Ablieferungspflicht nach § 12a Nr. 8 der Verordnung über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher (Pfandleiherverordnung - PfandlV - vom 1. Juni 1976, BGBl. I S. 1334, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 28. April 2016, BGBl. I S. 1046 <1056>). Da die Beklagte keinen Bescheid zur Durchsetzung der Ablieferungspflicht erlassen hat, steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage das Subsidiaritätserfordernis des § 43 Abs. 2 VwGO nicht entgegen. Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich bereits aus der Möglichkeit, dass die von ihr angegriffenen Regelungen sie in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. 14 2. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet, weil die begehrte Feststellung nicht getroffen werden kann. Die Klägerin unterliegt auch für die streitgegenständlichen, ab dem Kalenderjahr 2009 bei ihr angefallenen Pfandüberschüsse der Ablieferungspflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV. Diese Regelungen sind mit Verfassungsrecht vereinbar. 15 a) Das Berufungsgericht hat zutreffend die Pfandleiherverordnung sowie den ihr zugrunde liegenden § 34 der Gewerbeordnung (GewO, Neufassung vom 22. Februar 1999, BGBl. I S. 202, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Oktober 2017, BGBl. I S. 3562) jeweils in der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Neufassung als für seine Entscheidung maßgeblich angesehen. Eine Übergangsregelung für bereits abgeschlossene Pfandleihvereinbarungen oder für bereits entstandene, noch nicht abgelieferte Pfandüberschüsse besteht weder für die zum 21. März 2016 in Kraft getretene Neufassung des § 34 Abs. 3 GewO noch für die mit Wirkung vom 7. Mai 2016 geänderte Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV. 16 b) Die Ablieferungspflicht für Pfandüberschüsse verletzt Pfandleiher nicht in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie schränkt deren Berufsausübungsfreiheit in verhältnismäßiger Weise ein. 17 aa) Die Regelung über die Ablieferungspflicht in § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV hat in § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewO eine hinreichende gesetzliche Grundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese Vorschrift ermächtigt ausdrücklich zum Erlass einer Verordnung über die Ablieferung des Pfandüberschusses, der sich bei der Verwertung des Pfandes ergibt. Sie ist hinreichend bestimmt, weil sie zur Eingrenzung ihres Bezugsgegenstandes die Regelung in § 1247 BGB voraussetzt. Danach ist der Pfandüberschuss der Teil des Versteigerungserlöses, der nicht dem Pfandgläubiger zu seiner Befriedigung gebührt und deshalb an Stelle des versteigerten Pfandes dem Verpfänder zusteht. Die Pfandleiherverordnung konkretisiert in ihrer aktuellen Fassung den abzuliefernden Pfandüberschuss als denjenigen Teil des Erlöses aus der Versteigerung von Pfandgegenständen, der nicht zur Abdeckung des gewährten Darlehensbetrages einschließlich dessen Verzinsung und der Vergütung für die Kosten des Geschäftsbetriebes und die notwendigen Kosten der Verwertung des Pfandgegenstandes (§ 10 PfandlV) dem Pfandleiher gebührt, und den der Pfandleiher auch nicht zulässigerweise seiner Befriedigung wegen Mindererlösen aus früheren Vereinbarungen desselben Verpfänders verwendet (vgl. § 11 Abs. 2 PfandlV). 18 Die Regelungen der Verordnung über die Ablieferungspflicht sind an der gesetzlichen Zweckbestimmung in § 34 Abs. 2 Satz 1 GewO, dem Schutz der Verpfänder und der Allgemeinheit, ausgerichtet. Sie zielen darauf, dass Pfandleiher im Interesse des Verpfänders bei der Beleihung von Pfandgegenständen Darlehen in einer möglichst wertangemessenen Höhe auskehren, weil sie wegen ihrer Ablieferungspflicht kein Interesse an der Erzielung eines Mehrerlöses haben können (vgl. die Begründung zu § 11 der 1960 erlassenen Pfandleiherverordnung, BR-Drs. 402/60 S. 8). Damit dient die Regelung gleichzeitig dem in § 34 Abs. 2 Satz 1 GewO genannten Schutz der Allgemeinheit, weil sie das Vertrauen in ein interessenausgewogenes System der Pfandleihe stärkt. 19 bb) Die Ablieferungspflicht greift als Berufsausübungsregelung in das Grundrecht der Pfandleiher aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dass sie in ihren Wirkungen einer Berufswahlregelung nahe käme, macht auch die Klägerin nicht geltend. Eine Berufsausübungsregelung kann durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, soweit Eingriffszweck und -intensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Über die Maßnahmen, die der Gesetzgeber im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will, hat vornehmlich er selbst auf Grundlage seiner wirtschafts- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 53 f.; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - BVerwGE 157, 126 Rn. 35, jeweils m.w.N.). 20 Diesen Anforderungen genügt die auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewO in § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV getroffene Regelung. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines wirtschafts- und sozialpolitischen Regelungsermessens wegen der typischen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Verpfänder von gewerblichen Pfandleihern von ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit ausgehen. Besonderen Pflichten zur Ermittlung der tatsächlichen Annahmen für sein Regelungskonzept unterlag er dabei nicht. Aus dem Grundgesetz folgt keine gegenüber den Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit verselbständigte Sachaufklärungspflicht des Gesetzgebers. Ausnahmen hat die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung lediglich in besonderen Fällen anerkannt, in denen durch Parlamentsgesetz stark tatsachengeprägte Entscheidungen getroffen wurden, die sonst typischerweise der Exekutive überlassen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 273 ff. m.w.N.). Hier durften der Gesetzgeber und auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung auch der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass sich Verpfänder, die unter Hingabe eines Gegenstandes aus ihrem Lebensumfeld ein kurzfristiges Darlehen eines gewerblichen Pfandleihbetriebs zu den hierfür zugelassenen Konditionen in Anspruch nehmen, mangels günstigerer Finanzierungsalternativen regelmäßig in einer finanziellen Zwangslage befinden. Die in der Pfandleiherverordnung geregelte Ablieferungspflicht für Pfandüberschüsse dient vor diesem Hintergrund dem legitimen Gemeinwohlziel, Pfandleiher im Interesse des Verpfänders zur Gewährung möglichst hoher, dem Wert des hingegebenen Pfandgegenstandes angemessener Darlehen zu veranlassen. Infolge der Abführung kann der Pfandleiher über den ihm zivilrechtlich nicht gebührenden Teil des Versteigerungserlöses selbst dann nicht verfügen, wenn der Verpfänder seinen Anspruch auf Auszahlung dieses Teils des Erlöses (§ 1247 Satz 2 i.V.m. § 749 BGB) oder - bei bargeldloser Abwicklung - auf Wertersatz dafür (§ 1247 Satz 2 i.V.m. §§ 951, 812 ff. BGB) nicht geltend macht. Dies verstärkt sein Interesse an einer wertangemessenen Beleihung des Pfandes, weil er einen Geschäftsgewinn ausschließlich aus der nach § 10 PfandlV zulässigen Verzinsung der Darlehenssumme ziehen kann. 21 Die Pflicht zur Abführung von Pfandüberschüssen an den Staat ist eine zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels geeignete Maßnahme, weil sie den von ihr gewünschten Erfolg möglichst hoher Darlehensgewährungen fördert. Sie ist erforderlich, weil kein milderes Mittel ersichtlich ist, das hierfür in gleicher Weise geeignet wäre. Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung oder einer auf ihr beruhenden Verordnungsregelung kann nur verneint werden, wenn in jeder Hinsicht und eindeutig feststeht, dass eine Regelungsalternative weniger in Grundrechte eingreifen und gleichwohl den angestrebten Zweck mindestens ebenso wirksam erreichen würde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Februar 2002 - 2 BvR 305/93 u.a. - BVerfGE 105, 17 <36> und vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 8/07 - BVerfGE 126, 331 <362>). Keiner der von der Klägerin genannten alternativen Regelungsansätze kann in gleich effektiver Weise wie die Verpflichtung zur Ablieferung aller anfallenden Pfandüberschüsse an den Staat jedes Interesse an deren Erzielung ausschließen und so erreichen, dass Verpfändern ein möglichst hohes Darlehen gewährt wird. Gewerberechtliche Eingriffsmaßnahmen kämen ebenso wie die strafrechtliche Verfolgung oder die zivilgerichtliche Kontrolle eines Missbrauchs der Verhandlungsmacht von Pfandleihern nur im Einzelfall und in Reaktion auf bereits verwirklichte Rechtsverstöße in Betracht. Sie wären daher nicht ebenso wirksam wie eine präventive Regelung, die den typischerweise unterlegenen Vertragspartner schützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 1 BvR 1842/11 u.a. - BVerfGE 134, 204 Rn. 70). Der Gesetzgeber musste sich auch nicht darauf verweisen lassen, die bereits in § 1241 BGB normierte Pflicht des Pfandleihers zur Benachrichtigung des Verpfänders über das Ergebnis der Pfandversteigerung als ausdrücklich unabdingbare Regelung auszugestalten. Auch dies wäre kein gleich wirksames Mittel, da selbst bei einer ausnahmslosen Benachrichtigung aller Verpfänder über den bei der Versteigerung angefallenen Erlös nicht sichergestellt wäre, dass alle Mehrerlöse abgeholt würden und das Interesse von Pfandleihern an der Erzielung von Mehrerlösen gänzlich entfiele. Auf eine von der Klägerin geltend gemachte Selbstregulierung des Pfandleihmarktes mussten der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber ebenfalls nicht vertrauen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <36>), sondern durften die zur dauerhaften und sicheren Erreichung ihres Regelungsziels gebotenen Regelungen erlassen. Dass ein Interesse von Pfandleihern an der Verfügung über erzielte Mehrerlöse nicht gänzlich durch die Wettbewerbssituation auf dem Pfandleihmarkt ausgeschlossen wird, zeigt außerdem bereits der Vortrag der Klägerin, mithilfe solcher Mehrerlöse Verluste aus Kursschwankungen etwa des Goldpreises ausgleichen zu wollen. 22 Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit von Pfandleihern ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Schwere des Eingriffs ist dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe angemessen. Der Schutz des Interesses des gegenüber dem Pfandleiher typischerweise unterlegenen Verpfänders, für die Hingabe eines Gegenstandes als Pfand ein möglichst hohes Darlehen zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einem interessenausgewogenen Pfandleihsystem wiegen schwerer als das Interesse des Pfandleihers daran, bei Nichtabholung des Versteigerungsmehrerlöses und ggf. zivilrechtlicher Verjährung eines Herausgabeanspruchs des Verpfänders über den Pfandüberschuss verfügen zu können. Die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt Pfandleihern keinen Schutz der Aussicht auf Gewinnerzielung. Das wirtschaftliche Risiko der Einträglichkeit ihrer beruflichen Betätigung tragen sie selbst. 23 Gegen die Verhältnismäßigkeit der Ablieferungspflicht kann auch nicht eingewendet werden, dass sie den Pfandleiher letztlich auf Kosten des Verpfänders zur Vereinbarung einer höheren Vergütung veranlasse, um die nicht nach § 11 Abs. 2 PfandlV ausgleichsfähigen Mindererlöse aus anderen Vereinbarungen zu refinanzieren. Ob eine Abwälzung von Mindererlösen auf Verpfänder über die Höhe der Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. der Anlage zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 PfandlV zulässig wäre, ist selbst für grundsätzlich freie Vergütungsvereinbarungen bei einer Darlehenshöhe von mehr als 300 € zweifelhaft. Für unter diesem Betrag liegende Darlehensvereinbarungen ist sie wegen der in der genannten Anlage aufgeführten gestaffelten Vergütungsfestbeträge ausgeschlossen. Soweit die Vergütung frei vereinbart werden kann, begrenzt § 10 Abs. 1 Satz 1 PfandlV sie auf Kosten, die sich aus der vertragsgemäßen Behandlung der verpfändeten Sache ""einschließlich der Aufbewahrung, der Versicherung und der Schätzung des Wertes des Pfandes"" ergeben, und schließt davon in Absatz 2 der Regelung bestimmte Versicherungsprämien und die Kosten eines Wertgutachtens aus. Dass vergütungsfähige Kosten nach § 10 Abs. 1 und 2 PfandlV einen Bezug zur organisatorischen Aufrechterhaltung des vertragsgemäßen Pfandleihbetriebes haben müssen, lässt es nicht zu, als Kosten dieses Betriebes auch reine wirtschaftliche Verluste aus dem Ergebnis von Pfandversteigerungen zu verstehen. Zur Abdeckung solcher Mindererlöse stehen dem Pfandleiher vielmehr seine Zinseinkünfte nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV zur Verfügung. Unabhängig hiervon ist die kaufmännische Entscheidung des Pfandleihers über die Höhe der Vergütung innerhalb des durch die Pfandleiherverordnung abgesteckten Rahmens ebenso wenig dem Gesetz- bzw. dem Verordnungsgeber zuzurechnen wie seine Entscheidung über die Höhe des jeweils gewährten Darlehens. Der Pfandleiher hat es insoweit selbst in der Hand, Konditionen zu vereinbaren, die Mindererlöse möglichst ausschließen. Eine Inkonsistenz der Regelungen über die Ablieferungspflicht ergibt sich daraus nicht. 24 Schließlich wird die Verhältnismäßigkeit der Ablieferungspflicht nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetz- oder der Verordnungsgeber das Ziel des Schutzes von Verpfändern und der Allgemeinheit lediglich vorgeschoben, in Wahrheit aber fiskalische Ziele verfolgt hätte. Vielmehr sind die durch die Ablieferung von Pfandüberschüssen und ihren nachfolgenden Verfall (dazu sogleich unter e) entstehenden Einkünfte des Staates lediglich eine Nebenfolge des legitimen, auf den Schutz des typischerweise schwächeren Vertragspartners ausgerichteten Regelungskonzepts. Für den von der Klägerin unterstellten Etikettenschwindel einer maßgeblich oder ausschließlich fiskalisch motivierten Regelung ist nichts ersichtlich. 25 c) Da mit der Ablieferung von Pfandüberschüssen an die zuständige Behörde noch keine Eigentumszuordnung verbunden ist, berührt sie weder das Eigentumsgrundrecht des Pfandleihers aus Art. 14 Abs. 1 GG noch dasjenige des Verpfänders. 26 d) Zur Ablieferung von Pfandüberschüssen verpflichtete gewerbliche Pfandleiher werden auch nicht in verfassungswidriger Weise ungleich gegenüber kommunalen Pfandleihhäusern oder gegenüber Geschäftsbanken behandelt. 27 Dass der Verordnungsgeber die Ablieferungspflicht nicht auf nichtgewerblich betriebene, insbesondere kommunale Pfandleihanstalten erstreckt hat, obwohl § 34 Abs. 2 Satz 2 GewO dafür eine Ermächtigungsgrundlage enthält, verletzt nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die fehlende Einbeziehung kommunaler Pfandhäuser in die Ablieferungspflicht beruht auf einem Sachgrund, der ihre unterschiedliche Behandlung gegenüber gewerblichen Pfandleihern rechtfertigt. Nach den für das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden, von der Klägerin ungerügten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts verfolgten die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung betriebenen kommunalen Pfandhäuser in Augsburg und in Mannheim gemeinnützige Ziele. Die Vergabe von Darlehen und die Verwendung der erzielten Mittel der Leihämter waren an die Zwecke der jeweiligen Satzung gebunden. Das städtische Leihamt Mannheim unterstützte danach die Tätigkeit des Sozialhilfeträgers. Das Leihamt Augsburg ist zum 1. Januar 2018 geschlossen worden. Die Bindung der gesamten Tätigkeit kommunaler Pfandhäuser einschließlich der Verwendung erzielter Erlöse an die gemeinnützigen Ziele der Satzung vermindert eine Gefährdung der Interessen des Verpfänders, denen die Ablieferungspflicht für gewerblich erzielte Pfandüberschüsse begegnen will, und rechtfertigt die Freistellung solcher Pfandhäuser von dieser Pflicht. Der Verordnungsgeber hat darüber hinaus auch wegen der intensiveren staatlichen Aufsichtsmöglichkeiten über kommunale Pfandhäuser von deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Pfandleiherverordnung oder von der Schaffung einer gesonderten Verordnung für ihre Tätigkeit abgesehen (vgl. dazu BR-Drs. 402/60, Begründung S. 2). 28 Gewerbliche Pfandleiher werden gegenüber Geschäftsbanken, deren Pfandüberschüsse aus der Versteigerung von beweglichen Pfandgegenständen ebenfalls nicht an den Fiskus abzuliefern sind, wegen der typischerweise verschiedenen Konditionen und Kundenkreise nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Banken dürfen Darlehen erst nach Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden gewähren (§ 18a Kreditwesengesetz). Verpfänder, die einer Bonitätsprüfung standhalten, bedürfen in geringerem Maße eines gewerberechtlichen Schutzes als Kunden gewerblicher Pfandleihbetriebe, die regelmäßig nicht über Finanzierungsalternativen verfügen und sich deshalb in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Auf die typischen Merkmale eines gewerblichen Pfandleihverhältnisses, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen - etwa die vereinfachte Abwicklung, kurze Laufzeiten und die fehlende Bonitätsprüfung -, hat die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls selbst hingewiesen. Soweit sie die fehlende Ablieferungspflicht von Banken für herrenlos gewordene Einlagenguthaben beanstandet, besteht keine vergleichbare Sachlage. Die theoretische Möglichkeit, dass ein Bankguthaben ausnahmsweise keiner bestimmten Person mehr zuzuordnen ist, kann sich nicht auf die Konditionen des Abschlusses eines Bankvertrages auswirken und zu einer Gefährdung der Interessen des Bankkunden führen. 29 e) Die von der Klägerin angegriffene Ablieferungspflicht ist auch nicht etwa verfassungswidrig, weil der Verfall abgelieferter Pfandüberschüsse zugunsten des Fiskus gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV seinerseits verfassungswidrig wäre. Diese Regelung verletzt weder Art. 80 Abs. 1 GG noch die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots oder Grundrechte des Pfandleihers oder des Verpfänders. 30 aa) Sie beruht auf einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügenden gesetzlichen Grundlage. Mit der ausdrücklichen Erwähnung des Verfalls nicht abgeholter Pfandüberschüsse in § 34 Abs. 3 GewO, dort ungenau als ""Erlös"" aus der Pfandverwertung bezeichnet, hat der Gesetzgeber die gesetzliche Ermächtigung für die Vorschriften in der Pfandleiherverordnung über den Verfall außer Zweifel gestellt. Er wollte keine Änderung der Rechtslage, sondern lediglich eine Klarstellung der seines Erachtens ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die bereits bestehende Verfallsregelung in der Verordnung einschließlich der dort vorgesehenen Reihenfolge von Abführung und Verfall vornehmen, nachdem die Tragfähigkeit der mittelbaren Ermächtigungsgrundlage für den Verfall von Pfandüberschüssen in § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewO im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren in Zweifel gezogen worden war (vgl. BR-Drs. 359/15 S. 26 und BT-Drs. 18/7584 S. 150). Die mit der Gesetzesänderung vorgenommene Verlängerung der Verfallsfrist von zwei auf drei Jahre hat der Verordnungsgeber anschließend ohne sonstige Änderungen seines Regelungskonzepts in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV für die Abführung und den Verfall von Pfandüberschüssen nachvollzogen. 31 Die Neufassungen des § 34 Abs. 3 GewO und des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV erfassen alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgelieferten Pfandüberschüsse und damit gerade keine abgeschlossenen Altfälle. Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (""echte Rückwirkung"") ist mit ihnen nicht verbunden, sondern allenfalls eine tatbestandliche Rückanknüpfung (""unechte Rückwirkung"", vgl. BVerfG, zuletzt Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - NJW 2018, 1379 Rn. 133 ff. sowie Kammerbeschluss vom 30. September 2015 - 2 BvR 1066/10 - juris Rn. 61 ff. m.w.N.) für bereits entstandene, aber noch nicht abgelieferte Pfandüberschüsse. Die Pflicht zu ihrer künftigen Ablieferung und ihr damit verbundener Verfall greifen nicht nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen Sachverhalt ein, sondern betreffen Rechte der Pfandleiher und Verpfänder erst für die Zukunft. Ein Vertrauen auf die vorherige Rechtslage (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 a.a.O. Rn. 140) wird durch die Neufassungen beider Vorschriften schon deshalb nicht enttäuscht, weil diese die mit der Ablieferung und dem Verfall verbundene Belastung um ein Jahr hinausschiebt und damit vermindert. 32 bb) Ob der Verfall abgelieferter Pfandüberschüsse in den Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum des Pfandleihers aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreift, ist zweifelhaft. Sofern er den Erlös aus der Pfandversteigerung mit anderen Bargeldbeständen vermischt hat, statt den jeweiligen Mehrerlös für jeden Verpfänder getrennt aufzubewahren, konnte er kein Alleineigentum, sondern nach § 948 Abs. 1, § 947 BGB allenfalls Miteigentum an dem vermischten Bargeldbestand erlangen (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 212/09 - NJW 2010, 3578 Rn. 13). In der durch eine Vermischung entstandenen Miteigentümergemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) hat der Verpfänder als Miteigentümer gegen den Pfandleiher als Besitzer des Gesamtkassenbestandes einen nach § 758 BGB unverjährbaren Auseinandersetzungsanspruch (§ 749 BGB). Dies spricht dagegen, dass der Pfandleiher selbst eine nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsposition an dem Mehrerlös erwirbt. Einem Auseinandersetzungsverlangen des Verpfänders hat er analog § 469 Abs. 3 HGB durch einseitige Aussonderung des diesem zustehenden Betrages nachzukommen (vgl. Füller, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 948 Rn. 7; Gehrlein, NJW 2010, 3543 m.w.N.). Bei bargeldloser Aufbewahrung des erzielten Mehrerlöses wäre der Pfandleiher wegen des sachenrechtlichen Eigentumsverlusts des Verpfänders dessen Wertersatzanspruch nach § 951 i.V.m. §§ 812, 818 Abs. 2 BGB ausgesetzt, der innerhalb von drei Jahren verjährt (dazu Wiegand, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 951 Rn. 27). Der mit der Ablieferung verbundene Verfall in Höhe dieses Anspruchs beträfe ihn lediglich in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützten Vermögen als solchem. 33 Selbst wenn jedoch der Verfall in das Grundrecht des Pfandleihers auf Eigentum eingriffe, wäre ein solcher Eingriff aus den gleichen Gründen wie die Einschränkung seiner Berufsfreiheit als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gerechtfertigt. Die eigentumsrechtliche Zuordnung abgeführter Pfandüberschüsse durch ihren Verfall an den Fiskus stellt sicher, dass der Pfandleiher niemals über diesen Teil des erzielten Pfanderlöses verfügen kann. Sie flankiert das Regelungskonzept der Abführungspflicht, eine Einbeziehung künftiger Mehrerlöse in die wirtschaftliche Kalkulation des Pfandleihers zu verhindern und ihm dadurch einen Anreiz zur Gewährung möglichst hoher Darlehen zu bieten. Sofern der Pfandleiher ein Eigentumsrecht an dem Pfandüberschuss erlangt hätte, wäre es gegenüber den vom Gesetz- und Verordnungsgeber geschützten Interessen des Verpfänders und der Allgemeinheit nachrangig. Bereits die zivilrechtliche Regelung über das Eigentum am Pfandverwertungserlös in § 1247 BGB verdeutlicht, dass sich der Pfandleiher ausschließlich den ihm gebührenden Anteil des Erlöses aneignen darf. Den darüber hinausgehenden Mehrerlös hat er deshalb wie ein Treuhänder für den Verpfänder aufzubewahren. Dieser kann seinen Anspruch hierauf bei einer Aufbewahrung als Bargeldbestand zeitlich unbegrenzt geltend machen (§ 758 BGB). Mangels zivilrechtlicher Zuweisung des Mehrerlöses an den Pfandleiher kann dieser deshalb nicht damit rechnen, künftig selbst darüber verfügen zu können. 34 cc) Die Verfallsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV erweist sich auch nicht wegen einer Verletzung des Eigentumsrechts des Verpfänders als nichtig und gegenüber der Klägerin unanwendbar. Allerdings greift die Regelung trotz der Verlängerung der Frist für den mit der Ablieferung einsetzenden Verfall auf drei Jahre (§ 34 Abs. 3 GewO, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV) zumindest dann in den Schutzbereich seiner Eigentumsfreiheit ein, wenn ihm die Verwirklichung seines unverjährbaren Auseinandersetzungsanspruchs als Miteigentümer eines Barbestandes genommen wird. Es kann dahinstehen, ob bereits die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV abgeschlossene vertragliche Vereinbarung über die Abführung und den Verfall des Mehrerlöses nach drei Jahren eine Verletzung des Eigentumsrechts des Verpfänders ausschließt. Denn der Eingriff ist jedenfalls verfassungsrechtlich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gerechtfertigt. Mit der Fortschreibung der bereits landesrechtlich langjährig bestehenden Verfallsregelung zugunsten des Fiskus verfolgte der Verordnungsgeber unter anderem das Ziel einer Rechts- und Verwaltungsvereinfachung (vgl. BR-Drs. 402/60, Begründung S. 3, 8). Sie dient nicht zuletzt dem legitimen staatlichen Interesse an einer überschaubaren Verwaltung abgelieferter Pfandüberschüsse. Eine zeitlich unbegrenzte staatliche Aufbewahrung abgelieferter Pfandüberschüsse zugunsten des Verpfänders und seiner Rechtsnachfolger wäre, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, mit einem übermäßigen Verwaltungsaufwand verbunden. Die Verfallsregelung ist zu dessen Vermeidung geeignet, erforderlich und angemessen, weil der Verpfänder in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) drei Jahre Gelegenheit hatte, seine Ansprüche gegenüber dem Pfandleiher geltend zu machen. Zusätzlich dient auch der Verfall dem Schutz des Verpfänders und der Allgemeinheit, weil er dem Interesse des Verpfänders an einer wertangemessen hohen Darlehensgewährung ergänzend dadurch Rechnung trägt, dass Pfandüberschüsse durch Eigentumszuordnung an den Fiskus einer Verfügungsbefugnis Dritter endgültig entzogen werden. 35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, weil er sich durch einen eigenen Antrag am Kostenrisiko beteiligt hat." bverwg_2018-19,10.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 19/2018 vom 10.04.2018 EN Sanierungssatzung „Entwicklungsbereich südliche Innenstadt-Erweiterung - ESIE"" der Stadt Köln unwirksam Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Satzung der Stadt Köln über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets „Entwicklungsbereich südliche Innenstadt-Erweiterung - ESIE - in Köln-Bayenthal, Raderberg, Zollstock und Sülz"" an Ermittlungsfehlern leidet und unwirksam ist. Die im Jahr 2013 vom Rat der Stadt Köln beschlossene Satzung legt ein etwa 100 ha großes Gebiet südlich der Kölner Innenstadt als Sanierungsgebiet fest. Nach der Begründung der Satzung soll u.a. der Innere Grüngürtel der Stadt bis zur Uferpromenade des Rheins fortgeführt werden, was den Abriss oder den Rückbau vorhandener Bauwerke und die Verlagerung oder Entschädigung dort ansässiger gewerblicher Nutzungen erforderlich macht. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) hat die Satzung im Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt. Sie sei u.a. deshalb in erheblicher Weise abwägungsfehlerhaft, weil sie wegen des Fehlens einer Kosten- und Finanzierungsübersicht hinsichtlich der finanziellen Erreichbarkeit des Sanierungsziels auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt beruhe. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Normenkontrollurteil im Ergebnis bestätigt. Die gebotene zügige Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme erfordert, dass sich die Gemeinde im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses Klarheit darüber verschafft, ob sie die Sanierungsmaßnahme in absehbarer Zeit finanzieren kann. Eine Kosten- und Finanzierungsübersicht i.S.v. § 149 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist hierfür zwar ein denkbares und naheliegendes Mittel, jedoch - anders, als das OVG meinte - keine zwingende Voraussetzung. Denn auch überschlägige Ermittlungen können ausreichen, sofern sich auf ihrer Grundlage die finanzielle Durchführbarkeit der Maßnahme nachvollziehbar prognostizieren lässt. Diesen Anforderungen genügt die Sanierungssatzung der Stadt Köln nicht. Das hat das OVG im Ergebnis zu Recht angenommen. BVerwG 4 CN 2.17 - Urteil vom 10. April 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 7 D 66/14.NE - Urteil vom 12. November 2015 - BVerwG 4 CN 3.17 - Urteil vom 10. April 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 7 D 67/14.NE - Urteil vom 12. November 2015 - BVerwG 4 CN 4.17 - Urteil vom 10. April 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 7 D 70/14.NE - Urteil vom 12. November 2015 - BVerwG 4 CN 5.17 - Urteil vom 10. April 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 7 D 76/14.NE - Urteil vom 12. November 2015 -","Urteil vom 10.04.2018 - BVerwG 4 CN 2.17ECLI:DE:BVerwG:2018:100418U4CN2.17.0 EN Leitsatz: Eine förmliche Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne von § 149 BauGB ist keine zwingende Voraussetzung für eine abwägungsfehlerfreie Beschlussfassung über eine Sanierungssatzung. Auch überschlägige Ermittlungen zu den Kosten der Gesamtmaßnahme und den in Betracht kommenden Finanzierungsmöglichkeiten können ausreichen, um den Anforderungen des sanierungsrechtlichen Abwägungsgebots zu genügen, sofern sich auf ihrer Grundlage die finanzielle Durchführbarkeit der Maßnahme nachvollziehbar prognostizieren lässt. Rechtsquellen BauGB § 1 Abs. 4, § 136 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3, § 140, § 141 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, §§ 146, 149 StBauFG § 38 Abs. 1 Satz 1 ROG § 6 Abs. 2 Instanzenzug OVG Münster - 12.11.2015 - AZ: OVG 7 D 66/14.NE Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 10.04.2018 - 4 CN 2.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:100418U4CN2.17.0] Urteil BVerwG 4 CN 2.17 OVG Münster - 12.11.2015 - AZ: OVG 7 D 66/14.NE In den Normenkontrollsachen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann für Recht erkannt: Die Revisionen der Antragsgegnerin gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. November 2015 werden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Sanierungssatzung. 2 Die angegriffene Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets ""Entwicklungsbereich südliche Innenstadt-Erweiterung - ESIE - in Köln-Bayenthal, Raderberg, Zollstock und Sülz"" legt ein ca. 100 ha großes Gebiet südlich der Kölner Innenstadt als Sanierungsgebiet fest. Mit der Sanierung möchte die Antragsgegnerin Substanz- und Funktionsmängel beseitigen, Innenentwicklung betreiben durch Wohnungsneubau insbesondere auf ehemaligen Brauereiflächen und durch Freistellung und Baureifmachung des vormaligen Güterbahnhofs Bonntor und des bisherigen städtischen Großmarktgeländes sowie den Inneren Grüngürtel bis zur Uferpromenade des Rheins in einer mittleren Breite von 150 m fortführen. 3 Die Antragsteller sind Eigentümer, Erbbauberechtigte oder Mieter von Grundstücken im Sanierungsgebiet. 4 Auf die Normenkontrollanträge der Antragsteller hat das Oberverwaltungsgericht die Unwirksamkeit der Sanierungssatzung festgestellt. Zwar sei der Erlass einer Satzung grundsätzlich in Betracht gekommen, weil städtebauliche Missstände vorgelegen hätten und die Anwendung des Sanierungsrechts nicht durch andere Instrumente des Städtebaurechts ausgeschlossen gewesen sei. Die Satzung sei aber aus zwei Gründen abwägungsfehlerhaft: zum einen, weil eine erforderliche Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht vorgelegen habe und deshalb die Erreichbarkeit des Sanierungsziels in tatsächlicher Hinsicht auf der Grundlage eines unzureichend ermittelten Sachverhalts in der Abwägung fehlerhaft beurteilt worden sei; zum anderen, weil sich die Antragsgegnerin hinsichtlich der rechtlichen Umsetzbarkeit des Sanierungsziels entgegen den Anforderungen des Zügigkeitsgebots nicht mit dem Erfordernis einer Änderung bestehender Raumordnungsziele auseinandergesetzt habe. 5 Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen macht die Antragsgegnerin geltend, dass sie im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses weder verpflichtet gewesen sei, zur Frage der Finanzierbarkeit des Sanierungsziels eine Kosten- und Finanzierungsübersicht vorzulegen, noch sich mit dem Erfordernis einer Änderung bestehender Raumordnungsziele habe auseinandersetzen müssen. II 6 Die zulässigen Revisionen sind unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die verfahrensgegenständliche Satzung in beachtlicher Weise abwägungsfehlerhaft und in vollem Umfang unwirksam ist. 7 1. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Sanierungssatzung abwägungsfehlerhaft sei, weil sie hinsichtlich der Erreichbarkeit des Sanierungsziels auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt beruhe, steht im Ergebnis mit Bundesrecht im Einklang. 8 a) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht aus der gesetzlich geforderten zügigen Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen das Erfordernis abgeleitet, dass sich die Gemeinde im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses Klarheit darüber verschaffen muss, ob sie die Sanierungsmaßnahme in absehbarer Zeit finanzieren kann. 9 Im Recht der städtebaulichen Sanierung (§§ 136 ff. BauGB) bringt der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, dass städtebauliche Sanierungsmaßnahmen nur in Betracht kommen, wenn ihre zügige Durchführung gewährleistet ist. Nach § 136 Abs. 1 BauGB werden städtebauliche Sanierungsmaßnahmen in Stadt und Land, deren einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegen, nach den Vorschriften der §§ 136 ff. BauGB vorbereitet und durchgeführt. § 141 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt, dass die Gemeinde diejenigen vorbereitenden Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen hat, die erforderlich sind, um unter anderem Beurteilungsunterlagen über die Durchführbarkeit der Sanierung im Allgemeinen zu gewinnen; hiervon kann nach § 141 Abs. 2 BauGB nur abgesehen werden, wenn hinreichende Beurteilungsunterlagen bereits vorliegen. Die Gemeinde kann gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch Beschluss ein Gebiet förmlich als Sanierungsgebiet festlegen; sie darf eine solche Satzung nur erlassen, wenn die einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung der Sanierung im öffentlichen Interesse liegt (BVerwG, Urteil vom 4. März 1999 - 4 C 8.98 - Buchholz 406.11 § 142 BauGB Nr. 5). Bei dem Beschluss ist gemäß § 142 Abs. 3 Satz 3 BauGB auch die Frist festzulegen, innerhalb derer die Sanierung durchgeführt werden soll; diese Frist soll 15 Jahre nicht überschreiten. Auch in § 149 Abs. 4 Satz 2 BauGB ist das ""Erfordernis, die städtebauliche Sanierungsmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums durchzuführen"", ausdrücklich hervorgehoben. 10 Mit dem Zügigkeitserfordernis beugt der Gesetzgeber vermeidbaren Verzögerungen vor, die dadurch eintreten können, dass Gemeinden die Sanierung ohne schlüssiges Konzept oder sonst unsachgemäß betreiben. Der Gesetzgeber will, aber auch - gerade auch vor dem Hintergrund der von einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet ausgehenden grundrechtsbeschränkenden Wirkungen (vgl. dazu OVG Koblenz, Urteil vom 10. April 2000 - 1 C 10293/99 - BauR 2000, 1911 und Schmitz, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 3. Aufl. 2018, § 144 Rn. 1) - sicherstellen, dass bei der Durchführung der Sanierung ein gewisser zeitlicher Rahmen gewahrt bleibt. Sanierungsmaßnahmen, deren Realisierung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, sind rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2003 - 4 CN 2.02 - Buchholz 406.11 § 136 BauGB Nr. 6 = juris Rn. 19 m.w.N.). 11 Das Erfordernis einer zügigen Durchführung der Sanierung als Voraussetzung für den Erlass der Sanierungssatzung unterliegt dem Abwägungsgebot des § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB (BVerwG, Beschluss vom 10. November 1998 - 4 BN 38.98 - Buchholz 406.11 § 136 BauGB Nr. 4 und Urteil vom 4. März 1999 - 4 C 8.98 - Buchholz 406.11 § 142 BauGB Nr. 5). Auch wenn die Sanierungsplanung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Regelfall noch wenig konkret sein wird, stellt § 141 Abs. 1 Satz 1 BauGB sicher, dass Beurteilungsunterlagen jedenfalls über ""die Durchführbarkeit der Sanierung im Allgemeinen"" vorhanden sind. Darauf bezieht sich auch die Abwägung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets durch Satzung (zutreffend OVG Koblenz, Urteil vom 24. April 1991 - 10 C 11555/90 - juris Rn. 21). 12 Als nicht oder nicht zügig durchführbar können sich städtebauliche Sanierungsmaßnahmen nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus finanziellen Gründen erweisen (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - 4 BN 56.00 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 10 S. 16 f. ). Eine ausreichende Finanzierung ist deshalb bodenrechtliche Voraussetzung für die Anwendung des Sanierungsrechts (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, Vorbem. zu §§ 136 - 164b BauGB Rn. 28). Schon im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen nach § 141 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Gemeinde - wie dargestellt - grundsätzlich verpflichtet, die Kosten der Gesamtmaßnahme zumindest überschlägig zu ermitteln und die Finanzierungsmöglichkeiten zu erkunden (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - a.a.O.). Ohne Darlegungen hierzu kann die Gemeinde grundsätzlich nicht belastbar begründen, warum die einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführbarkeit der Sanierungsmaßnahmen im Sinne von § 136 Abs. 1 BauGB im öffentlichen Interesse liegen und deshalb die von der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets ausgehenden grundrechtsbeschränkenden Wirkungen zumutbar sein können. Das gilt insbesondere dann, wenn ein abwägungsfehlerfreier Satzungsbeschluss auch von Willensentscheidungen der Gemeinde abhängen kann, hinsichtlich derer sich ein Gericht nicht an die Stelle der Gemeinde setzen darf (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 2.15 - ZfBR 2017, 151 Rn. 26), etwa darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Haushaltsmittel für Zwecke der Sanierung eingesetzt werden müssen und sollen. Kostengesichtspunkte spielen auch nicht nur dann eine Rolle, wenn sie geeignet sind, die zügige Durchführung der Sanierung innerhalb eines absehbaren Zeitraums konkret in Frage zu stellen. Vielmehr sind Ermittlungen immer schon dann geboten, wenn die Finanzierbarkeit der Sanierung nicht auf der Hand liegt. 13 b) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht allerdings gefordert, dass der Nachweis einer zügigen Durchführbarkeit der Sanierung stets oder jedenfalls im Regelfall durch eine bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Sanierungssatzung vorliegende Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne von § 149 BauGB zu führen ist. Eine förmliche Kosten- und Finanzierungsübersicht ist ein zwar denkbares und unter Umständen auch naheliegendes Mittel, mit dessen Hilfe sich die Gemeinde Klarheit darüber verschaffen kann, ob sie die Sanierungsmaßnahme in absehbarer Zeit finanzieren kann. Sie ist aber - anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - keine zwingende Voraussetzung für einen abwägungsfehlerfreien Satzungsbeschluss. Auch überschlägige Ermittlungen zu den Kosten der Gesamtmaßnahme und den in Betracht kommenden Finanzierungsmöglichkeiten können ausreichen, um den Anforderungen des sanierungsrechtlichen Abwägungsgebots zu genügen, sofern sich auf ihrer Grundlage die finanzielle Durchführbarkeit der Maßnahme nachvollziehbar prognostizieren lässt. 14 Die Forderung des Oberverwaltungsgerichts, dass eine Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne des § 149 BauGB stets oder jedenfalls im Regelfall im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorliegen muss, ist eine Anforderung an das Rechtsetzungsverfahren, die einer gesetzlichen Anordnung bedürfte. Daran fehlt es. § 142 BauGB macht den Satzungsbeschluss nicht vom Vorliegen einer Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne von § 149 BauGB abhängig. Die Kosten- und Finanzierungsübersicht ist nach § 142 BauGB weder Bestandteil der Sanierungssatzung, noch teilt sie deren rechtliches Schicksal (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - 4 BN 56.00 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 10 S. 17 ). 15 Auch § 149 BauGB enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine Kosten- und Finanzierungsübersicht als Rechtmäßigkeitsanforderung für die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets durch Satzung angesehen hätte. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Kosten- und Finanzierungsübersicht ""nach dem Stand der Planung"" aufzustellen; auf die Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts, in dem die Kosten- und Finanzierungsübersicht vorliegen muss, hat der Gesetzgeber verzichtet. Auch die Gesetzessystematik spricht dagegen, die Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne von § 149 BauGB als zwingende Rechtmäßigkeitsanforderung für den Satzungsbeschluss zu verstehen. Die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets durch Satzung (§ 142 BauGB) ist eine Aufgabe der Gemeinde im Rahmen der Vorbereitung der Sanierung (§ 140 Nr. 2 BauGB). Demgegenüber widmen sich die §§ 146 ff. BauGB der Durchführung der Sanierung innerhalb des bereits förmlich festgelegten Sanierungsgebiets; nach § 146 Abs. 1 BauGB sind hiervon die Ordnungsmaßnahmen (§ 147 BauGB) und die Baumaßnahmen (§ 148 BauGB) umfasst; erst im Anschluss hieran formuliert § 149 BauGB die Pflicht der Gemeinde, nach dem Stand der Planung eine Kosten- und Finanzierungsübersicht aufzustellen. Die Kosten- und Finanzierungsübersicht ist damit systematisch der Durchführung der Sanierung zugeordnet. Eine Rechtmäßigkeitsanforderung an den vorbereitenden Verfahrensschritt der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets lässt sich hieraus nicht herleiten. 16 Die Gesetzeshistorie bestätigt dieses Ergebnis. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz - StBauFG) vom 27. Juli 1971 (BGBl. I S. 1125) - der Vorgängervorschrift von § 149 BauGB - war die Aufstellung einer ""Kosten- und Finanzierungsübersicht für die Durchführung der Sanierung"" ausdrücklich dem Zeitraum ""nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets und nach der Aufstellung des Entwurfs des Bebauungsplans"" vorbehalten. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 6. Juli 1979 (BGBl. I S. 949) wurde die Vorgabe ""nach der Aufstellung des Entwurfs des Bebauungsplans"" durch die Formulierung ""nach dem Stand der Planung"" ersetzt. An der Bestimmung ""nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets"" wurde aber festgehalten. In § 149 BauGB 1987 hat der Gesetzgeber auch auf diese zeitliche Eingrenzung verzichtet. Die verbliebene Formulierung ""nach dem Stand der Planung"" betont den Planungscharakter der Kosten- und Finanzierungsübersicht (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - 4 BN 56.00 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 10 S. 16: Instrument der gemeindlichen Finanzplanung ; vgl. auch Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 149 Rn. 22) und vermeidet eine starre zeitliche Festlegung. Damit ist die Aufstellung einer Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 BauGB vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets nicht mehr ausgeschlossen. Dafür, dass der Gesetzgeber die Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 BauGB in Abkehr von den Vorgängervorschriften nunmehr aber zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Satzungsbeschluss machen wollte, fehlt indes ein Anhaltspunkt. 17 Hiergegen spricht auch, dass die Kosten- und Finanzierungsübersicht gemäß § 149 Abs. 4 Satz 1 BauGB mit Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde auf den Zeitraum der mehrjährigen Finanzplanung der Gemeinde beschränkt werden kann. Macht die Gemeinde von dieser Möglichkeit Gebrauch, ist die Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 BauGB kein geeignetes Instrument für den Nachweis der finanziellen Realisierbarkeit der Gesamtmaßnahme. Das sieht offensichtlich auch der Gesetzgeber so, da er sich in § 149 Abs. 4 Satz 2 BauGB zu der Klarstellung veranlasst sieht, dass das Erfordernis, die städtebauliche Sanierungsmaßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraums durchzuführen, in diesem Fall unberührt bleibt. 18 Auch die verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen des § 149 BauGB erhellen, dass die förmliche Kosten- und Finanzierungsübersicht auf die Durchführung der Sanierung zugeschnitten ist. Die Übersicht ist nach § 149 Abs. 1 Satz 2 BauGB mit den Kosten- und Finanzierungsvorstellungen anderer Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Sanierung berührt wird, abzustimmen und der höheren Verwaltungsbehörde vorzulegen. Nach § 149 Abs. 2 Satz 1 BauGB hat die Gemeinde in der Kostenübersicht die Kosten der Gesamtmaßnahme darzustellen, die ihr voraussichtlich entstehen; die Kosten anderer Träger öffentlicher Belange für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sanierung sollen nach § 149 Abs. 2 Satz 2 BauGB nachrichtlich angegeben werden. Entsprechendes verlangt § 149 Abs. 3 Satz 1 BauGB hinsichtlich der Vorstellungen der Gemeinde über die Deckung der Kosten der Gesamtmaßnahme; auch insoweit sollen die Finanzierungs- und Fördermittel auf anderer gesetzlicher Grundlage sowie die Finanzierungsvorstellungen anderer Träger öffentlicher Belange nach § 149 Abs. 3 Satz 2 BauGB nachrichtlich angegeben werden. Diese vergleichsweise hohen Anforderungen an die Erstellung einer förmlichen Kosten- und Finanzierungsübersicht sind im Zeitpunkt der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets wegen des im Regelfall noch wenig konkretisierten Stands der Sanierungsplanung schwer zu erfüllen. Ohne ausdrücklichen Anhalt im Gesetz ist nicht davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen eine dieser Pflichten nach dem Willen des Gesetzgebers die Unwirksamkeit der Sanierungssatzung zur Folge haben soll. 19 Das Vorliegen einer Kosten- und Finanzierungsübersicht im Sinne von § 149 BauGB im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hat der Senat auch in seiner bisherigen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2001 - 4 BN 56.00 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 10 S. 16 f.) nicht gefordert, sondern lediglich verlangt, dass die Kosten der Gesamtmaßnahme schon im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen überschlägig zu ermitteln sind. Soweit im Übrigen vertreten wird, dass eine Sanierungssatzung gegen das Gebot gerechter Abwägung verstoße, wenn der Beschlussfassung des Gemeinderats keine Kosten- und Finanzierungsübersicht zugrunde liege (z.B. OVG Koblenz, Urteile vom 24. April 1991 - 10 C 11555/90 - juris Rn. 21 und vom 10. April 2000 - 1 C 10293/99 - BauR 2000, 1911), wird überwiegend eine ""vorläufige"" (OVG Koblenz, Urteil vom 24. April 1991 a.a.O.) oder ""grobe"" (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 149 Rn. 16) Kosten- und Finanzierungsübersicht als ausreichend erachtet. 20 Die Antragsgegnerin fordert deshalb zu Recht, dass die Aussicht auf die Finanzierbarkeit und damit Durchführbarkeit der Sanierungsmaßnahme von der formellen Kosten- und Finanzierungsübersicht nach § 149 BauGB zu unterscheiden ist. Auch ohne eine den verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen des § 149 BauGB genügende Kosten- und Finanzierungsübersicht kann eine Gemeinde belastbar begründen, warum die geplanten Sanierungsmaßnahmen im Sinne des § 136 Abs. 1 BauGB zügig durchführbar sind und deshalb im öffentlichen Interesse liegen. Überschlägige Ermittlungen der Gemeinde reichen hierfür aus, sofern sich auf ihrer Grundlage die finanzielle Durchführbarkeit der Maßnahme nachvollziehbar prognostizieren lässt. 21 c) Indes wird die Sanierungssatzung der Antragsgegnerin auch diesen Anforderungen nicht gerecht, weil nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts selbst überschlägige Ermittlungen der Antragsgegnerin nicht erkennbar sind, auf deren Grundlage sich die finanzielle Durchführbarkeit der Sanierungsmaßnahme im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nachvollziehbar hätte prognostizieren lassen. 22 Das Oberverwaltungsgericht entnimmt der Beschlussvorlage der Antragsgegnerin zum Satzungsbeschluss die Aussage, dass aufgrund des damaligen Bearbeitungsstandes weder Ordnungsmaßnahmen noch Baumaßnahmen hinreichend genau kalkulierbar seien. Lediglich die Kosten für ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren würden konkret benannt. Hinsichtlich der Finanzierung der Gesamtmaßnahme werde angeführt, dass wesentliche Ziele und Inhalte der Sanierungssatzung die ""Inwertsetzung"" ungeordneter Flächen und deren Baureifmachung seien. Soweit der hieraus resultierende Mehrwert nicht ausreiche, seien im Rahmen eines noch zu erstellenden Handlungskonzepts und einer Kosten- und Finanzierungsübersicht entsprechende Anträge bei Bewilligungsbehörden vorzulegen. 23 Diese Erwägungen genügen den Anforderungen an eine zumindest überschlägige Ermittlung der Finanzierbarkeit der städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen nicht. Eine geordnete Darstellung der in den Aufgabenbereich der Gemeinde fallenden Ausgaben und eine entsprechende Zusammenstellung aller Finanzierungsmittel war - wie das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - nicht von vornherein entbehrlich, weil angesichts des Inhalts des Nutzungskonzepts und des Maßnahmenplans der Antragsgegnerin erhebliche Summen für den Ankauf oder die Enteignung des B-Centers und des Gebäudes Gustav-Heinemann-Ufer ... in Rechnung zu stellen waren. Beide Objekte sollten nach dem Sanierungskonzept im Zuge der Fortführung des Inneren Grüngürtels als (öffentliche) Grünfläche überplant werden, der Gebäudebestand sollte abgerissen oder zurückgebaut werden. Zur Verwirklichung dieses öffentlichen Zwecks muss sich die Antragsgegnerin als Vorhabenträgerin von den jeweiligen Grundeigentümern das aus der Eigentümerposition (§ 903 Satz 1 BGB) fließende Nutzungsrecht verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 4 CN 5.08 - BVerwGE 134, 355 Rn. 22). Die hierfür aufzuwendenden finanziellen Mittel sind nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts ""erheblich"". 24 Diese Aufwendungen waren - etwa auf der Grundlage eines überschlägigen Wertgutachtens - auch im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Sanierungssatzung kalkulierbar. Gleiches gilt für die Ermittlung des ""Mehrwerts"", den sich die Antragsgegnerin aus der ""Inwertsetzung"" ungeordneter Flächen und deren Baureifmachung für höherwertige Nutzungen erwartet. Auch insoweit wäre eine wenigstens überschlägige Ermittlung der zu erwartenden Erträge aus der Differenz zwischen den voraussichtlichen Beschaffungskosten für die betreffenden Grundstücke und dem zu erwartenden Verkehrswert nach Überplanung möglich gewesen. Ohne diese Ermittlungen lässt sich nicht prognostizieren, ob die Annahme in der Begründung der Beschlussvorlage ""aufgeht"", dass der aus der ""Inwertsetzung"" und Baureifmachung bisher ungeordneter Flächen resultierende ""Mehrwert"" einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Gesamtmaßnahme darstellt. Die in der Beschlussvorlage enthaltene Absichtserklärung, für Maßnahmen, die Fördergegenstände der Städtebauförderung oder anderer staatlicher Förderprogramme sind, bei Nachweis der Unrentierlichkeit den Bewilligungsbehörden entsprechende Förderanträge vorzulegen, gibt hierüber ebenfalls keine brauchbaren Aufschlüsse. Auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen war deshalb für die politischen Entscheidungsträger der Antragsgegnerin nicht absehbar, ob die Gesamtmaßnahme finanzierbar ist, oder ob die Sanierung den Einsatz eigener Haushaltsmittel der Antragsgegnerin erfordert. 25 d) Die fehlenden überschlägigen Ermittlungen der Antragsgegnerin zur finanziellen Durchführbarkeit der Sanierung haben die Gesamtunwirksamkeit der Sanierungssatzung zur Folge. 26 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass der Abwägungsfehler im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich und auch nicht nachträglich unbeachtlich geworden ist, ist mit Revisionsrügen nicht angegriffen. 27 Die Gesamtunwirksamkeit der Sanierungssatzung hat das Oberverwaltungsgericht damit begründet, dass die Satzung ""aus zumindest zwei jeweils erheblichen Gründen abwägungsfehlerhaft"" sei. Der Senat versteht die vorinstanzliche Entscheidung so, dass nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts jeder der beiden angenommenen erheblichen Abwägungsfehler für sich genommen die Gesamtunwirksamkeit der Sanierungssatzung zur Folge hat. Die Unwirksamkeit der Sanierungssatzung steht mithin bereits wegen der fehlenden Ermittlungen der Antragsgegnerin zur Finanzierbarkeit der Sanierung fest. 28 2. Für die Zurückweisung der Revisionen kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob die Abwägung auch deswegen fehlerhaft ist, weil sich die Antragsgegnerin - entgegen der Forderung des Oberverwaltungsgerichts - nicht mit dem Erfordernis einer Änderung bestehender Raumordnungsziele auseinandergesetzt hat. 29 Der Senat weist in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit die Anforderungen an die Abwägung überspannt hat. Richtig ist zwar, dass das Zügigkeitsgebot nach § 136 Abs. 1 BauGB im Rahmen der sanierungsrechtlichen Abwägung (§ 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB) auch eine Auseinandersetzung mit den Zielen der Raumordnung erfordert, soweit diese den Sanierungszielen entgegenstehen. Die Forderung, die Antragsgegnerin hätte sich auch mit der Frage befassen müssen, ob der zuständige Regionalrat zu einer Änderung der fraglichen Zielfestlegung bereit sei, lässt sich jedoch auf Bundesrecht nicht stützen. 30 a) Im Einklang mit Bundesrecht steht die Forderung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Antragsgegnerin gehalten war, sich mit entgegenstehenden Zielen der Raumordnung auseinanderzusetzen. 31 Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die zeichnerische Darstellung des einschlägigen Regionalplans für den östlichen Bereich des Sanierungsgebiets, in dem auch das Grundstück Gustav-Heinemann-Ufer ... und das B-Center liegen, weitgehend einen allgemeinen Siedlungsbereich vorsehe, und dass es sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls um ein Ziel der Raumordnung und Landesplanung handele. Diese Darstellung beinhalte die Aussage, dass das Gebiet vorrangig Siedlungsfunktionen erfülle oder erfüllen solle. Mit diesem Aussagegehalt sei die Konzeption eines durchgehenden Grünzugs in der vorgesehenen Breite nicht vereinbar. An diese Auslegung des Regionalplans ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). 32 Ausgehend hiervon hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass es, wenn - wie hier - die Verkaufsbereitschaft der Eigentümer von im Plangebiet gelegenen Grundstücken fehle, des Erlasses eines Bebauungsplans als planerische Grundlage für Enteignungsmaßnahmen bedürfe, was wiederum voraussetze, dass entgegenstehende Ziele des Regionalplans (§ 1 Abs. 4 BauGB) geändert oder - so ist zu ergänzen - im Wege eines Zielabweichungsverfahrens nach § 6 Abs. 2 ROG überwunden werden. Dass sich die Antragsgegnerin dieser Zusammenhänge nicht bewusst gewesen wäre, hat das Oberverwaltungsgericht indes nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. 33 b) Beanstandet hat das Oberverwaltungsgericht, das Anhaltspunkte dafür fehlten, dass sich die Antragsgegnerin mit der Frage befasst hätte, ob der zuständige Regionalrat zu einer Änderung der fraglichen Zielfestlegung bereit sei. 34 Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts fordert das Zügigkeitsgebot für den Fall fehlender Verkaufsbereitschaft eine verlässliche Abschätzung, welcher zeitliche und verfahrenstechnische Aufwand für die Durchsetzung des Sanierungskonzepts gegen den Willen der jeweiligen Eigentümer in Rechnung zu stellen ist. Dafür sei eine Prognose erforderlich, innerhalb welcher Zeiträume ein Bebauungsplanverfahren einschließlich eines nachfolgenden Enteignungsverfahrens unter Berücksichtigung der Dauer gerichtlichen Rechtsschutzes hätte stattfinden können. In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Erlass eines Bebauungsplans zunächst die Änderung bestehender Ziele der Raumordnung vorausgesetzt hätte. Die Aufstellung eines solchen Zeitplans verlangt das Abwägungsgebot aber jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - etwaige raumordnerische Hindernisse bei Durchführung der Sanierung grundsätzlich überwindbar erscheinen. 35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-2,25.01.2018,"Pressemitteilung Nr. 2/2018 vom 25.01.2018 EN Höhe der Vergütung für Tagesmütter und -väter Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der vom Jugendhilfeträger festgesetzte Betrag für die Anerkennung der Förderungsleistung an eine Tagespflegeperson i.H.v. 2,70 € je Kind und Stunde im konkreten Fall gerichtlich nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin ist Tagesmutter und vereinbarte Anfang September 2014 mit den Eltern eines seinerzeit etwa 20 Monate alten Kindes, dass sie dieses im Kindergartenjahr 2014/2015 wöchentlich von Montag bis Freitag jeweils von 8:00 bis 12:00 Uhr betreue. Im Anschluss daran bewilligte das Jugendamt der beklagten Stadt den Eltern eine Tagespflege im Umfang von bis zu 20 Stunden wöchentlich. Hierfür gewährte es der Klägerin u.a. monatlich 226,80 € zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung. Dabei legte das Jugendamt in Anwendung der von dem Rat der beklagten Stadt erlassenen einschlägigen Richtlinie für jeden Monat eine durchschnittliche Anzahl von 21 Betreuungstagen zugrunde und brachte je Betreuungsstunde pauschal 2,70 € in Ansatz. Mit der Begründung, der pauschale Stundensatz sei zu niedrig bemessen, hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die beklagte Stadt verurteilt, ihren Antrag neu zu bescheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Nach § 23 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII) ist der Tagespflegeperson eine laufende Geldleistung zu gewähren, deren Höhe in der Regel von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt wird. Die Geldleistung besteht unter anderem aus einem Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung. Bei der Festlegung der Höhe dieses Betrags ist dem Jugendhilfeträger nach dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Jugendhilfeträger haben abschließend zu entscheiden, wie sie den Anerkennungsbetrag bemessen. Diese Entscheidung ist nur eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen. Danach ist der von der Beklagten festgelegte Betrag nicht zu beanstanden. Insbesondere erweist er sich nicht als willkürlich. Er orientiert sich nach den Feststellungen der Vorinstanz an den damals geltenden Tariflöhnen der in Kindertageseinrichtungen beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher bzw. Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. Zwar hält er zu dieser Vergütung einen gewissen Abstand ein. Die Beklagte hat bei der Festsetzung des Pauschalbetrages aber zulässigerweise berücksichtigt, dass Tagespflegepersonen üblicherweise nicht über ähnlich qualifizierende Berufsabschlüsse verfügen wie die in Kindertageseinrichtungen tätigen Personen. Nicht zu entscheiden ist, ob auch ein Anerkennungsbetrag in anderer Höhe  von dem Beurteilungsspielraum gedeckt wäre. BVerwG 5 C 18.16 - Urteil vom 25. Januar 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 12 A 599/15 - Urteil vom 30. August 2016 - VG Düsseldorf, 19 K 6510/14 - Urteil vom 20. Januar 2015 -","Urteil vom 25.01.2018 - BVerwG 5 C 18.16ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U5C18.16.0 EN leistungsgerechter Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung von Tagesmüttern und -vätern Leitsatz: Träger der öffentlichen Jugendhilfe verfügen bei der leistungsgerechten Ausgestaltung des Betrages zur Anerkennung der Förderungsleistung von Tagespflegepersonen über einen der gerichtlichen Kontrolle nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum. Rechtsquellen SGB VIII § 23 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4, Abs. 2a Satz 1, 2 und 3, § 24 Abs. 2 Instanzenzug VG Düsseldorf - 20.01.2015 - AZ: VG 19 K 6520/14 OVG Münster - 30.08.2016 - AZ: OVG 12 A 599/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2018 - 5 C 18.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U5C18.16.0] Urteil BVerwG 5 C 18.16 VG Düsseldorf - 20.01.2015 - AZ: VG 19 K 6520/14 OVG Münster - 30.08.2016 - AZ: OVG 12 A 599/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Höhe des leistungsgerechten Betrages zur Anerkennung der Förderungsleistung im Rahmen einer Kindertagespflege. 2 Die Klägerin, die als Tagesmutter im Gebiet der Beklagten arbeitet, vereinbarte Anfang September 2014 mit den Eltern eines seinerzeit etwa 20 Monate alten Kindes, dass sie dieses im Kindergartenjahr 2014/2015 wöchentlich von Montag bis Freitag jeweils von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr betreue. Im Anschluss daran bewilligte das Jugendamt der Beklagten den Eltern eine Tagespflege im Umfang von bis zu 20 Stunden wöchentlich. Zudem gewährte es der Klägerin zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung in Anwendung der vom Stadtrat erlassenen Förderrichtlinien monatlich 226,80 €. 3 Mit der Begründung, der nach den Förderrichtlinien zugrunde gelegte pauschale Stundensatz von 2,70 € sei zu niedrig bemessen, hat die Klägerin Klage auf Neubescheidung ihres Antrages erhoben. Das Verwaltungsgericht ist dem im Ergebnis gefolgt und hat der Klage stattgeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei dem ""Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung"" der Tagespflegeperson handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe mit der Folge, dass er nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die Beklagte habe ausgehend von den im Bescheid in Bezug genommenen Förderrichtlinien und den von ihr übersandten Materialien, auf deren Grundlage die Förderrichtlinien vom Stadtrat beschlossen worden seien, von ihrem Beurteilungsspielraum in sachgerechter Weise Gebrauch gemacht. Die anderslautenden Ausführungen der Klägerin und des Verwaltungsgerichts missachteten weitgehend den Beurteilungsspielraum der Beklagten, im Wesentlichen weil sie (unzutreffend) diesen einschränkende rechtliche Vorgaben annähmen. 5 Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 23 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 2a SGB VIII. Der Begriff des Anerkennungsbetrages erkläre sich aus der Historie. Er stelle nicht nur ein Dankeschön dar, sondern sei eine Vergütung. Er sei nur dann leistungsgerecht ausgestaltet, wenn er der Marktleistung entspreche und die Existenzsicherung ermögliche. Das sei bei dem von der Beklagten festgelegten Betrag nicht der Fall. Insbesondere die Staffelung in Fünf-Stunden-Schritten in der Vergütungsregelung der Beklagten sei nicht leistungsgerecht. Sie führe aus den im Einzelnen dargelegten Gründen dazu, dass eine Person einen niedrigeren Stundensatz erhalte, je mehr Stunden sie arbeite. 6 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Position der Klägerin. II 8 Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht nicht verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer monatlichen Geldleistung zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung als Tagespflegeperson unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). 9 Das Bescheidungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368), - SGB VIII -. Danach umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII - soweit hier von Interesse - die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 1 SGB VIII), welche einen Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson nach Maßgabe des § 23 Abs. 2a SGB VIII einschließt (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII). Die Anspruchsberechtigung der Klägerin und das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach sind zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Ihr Streit konzentriert sich vielmehr auf die Höhe des Anerkennungsbetrages. Deren Festlegung obliegt gemäß § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII in der Regel den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ihnen hierbei ein Beurteilungsspielraum zusteht (1.). Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen hat es im Ergebnis zu Recht dahin erkannt, dass die Beklagte diesen Spielraum rechtsfehlerfrei ausgefüllt hat (2.). 10 1. Der Begriff des ""Betrages zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung"" im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung und leistungsgerechter Ausgestaltung die Träger der öffentlichen Jugendhilfe über einen Beurteilungsspielraum verfügen. Demzufolge haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe abschließend zu entscheiden, wie sie den Anerkennungsbetrag berechnen und welche Höhe er hat. 11 Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt zwar grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt aber die Einräumung eines Beurteilungsspielraums durch den Gesetzgeber nicht aus. Ein solcher Ausnahmefall setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass der jeweiligen Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, der Verwaltung das abschließende Urteil über das Vorliegen der durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu übertragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1993 - 3 C 38.91 - BVerwGE 94, 307 <309> m.w.N.). Dementsprechend muss sich ein Beurteilungsspielraum ausdrücklich aus dem Gesetz ablesen lassen oder durch Auslegung - insbesondere entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie - hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Die damit verbundene Freistellung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. November 1985 - 5 C 29.82 - BVerwGE 72, 195 <199>, vom 27. April 2017 - 9 C 5.16 - BVerwGE 158, 387 Rn. 29 f. und vom 16. November 2017 - 9 C 17.16 - HFR 2018, 167 Rn. 24; BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 ff.>). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. § 23 SGB VIII enthält zwar keine ausdrückliche Beurteilungsermächtigung zugunsten der Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das Bestehen des Beurteilungsspielraums ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus der Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut (a), Entstehungsgeschichte (b) sowie deren Sinn und Zweck (c). 12 a) Schon im Wortlaut des § 23 SGB VIII finden sich mehrere aussagekräftige Hinweise für einen der gerichtlichen Kontrollbefugnis entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. 13 Das Recht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, über die Leistungshöhe abschließend zu befinden, ist bereits in der Bezeichnung der Leistung als ""Betrag zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung"" angelegt. Diese Wendung bringt zum Ausdruck, dass es sich bei dem Betrag um die Vergütung bzw. das Entgelt für die Tätigkeit der Tagespflegeperson handelt. Denn die ausdrückliche Bindung des Betrages an die erbrachte Leistung (""ihrer Förderungsleistung""), die in § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII durch das Merkmal der ""Leistungsgerechtigkeit"" und in den nach § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII einzustellenden Aspekten (""zeitliche[r] Umfang der Leistung und die Anzahl sowie der Förderbedarf der betreuten Kinder"") aufgegriffen und bekräftigt wird, ist für eine Vergütung bzw. ein Entgelt typisch. Dies deckt sich auch mit der Gesetzesbegründung, in der von ""Honorierung/Entlohnung der Tagespflegepersonen"" bzw. von deren ""Vergütung"" die Rede ist (BT-Drs. 16/9299 S. 2, 14 und 15). Zudem entspricht der Entgeltcharakter der allgemeinen Zielsetzung des § 23 SGB VIII. Die Vorschrift soll ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/9299 S. 2 und 14) die Attraktivität der Kindertagespflege mit Blick auf deren Bedeutung beim Ausbau der Kindertagesbetreuung steigern und diese als gleichrangiges alternatives Förderungsangebot neben den Tageseinrichtungen etablieren. Dem wird in besonderem Maße durch die Zahlung einer finanziellen Vergütung Rechnung getragen. Allerdings impliziert die Bezeichnung als ""Betrag zur Anerkennung"" zugleich, dass der Anerkennungsbetrag noch nicht auf eine Vollvergütung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gerichtet ist, sondern dahinter zurückbleiben darf. Damit wird ein Spielraum eröffnet, weil es in der Regel mehrere leistungsgerechte Beträge unterhalb einer vollumfänglichen Vergütung gibt, deren Entgeltcharakter nicht in Zweifel steht. 14 Einen weiteren Anknüpfungspunkt im Gesetzeswortlaut für die Einräumung eines Beurteilungsspielraums bildet der in § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII verwendete Begriff ""ausgestalten"". Dessen Begriffsinhalt wird herkömmlich mit ""planend gestalten"", ""eine bestimmte Gestalt oder Form geben"", ""in bestimmter Weise ausformen"" oder ""zu etwas erweitern oder ausbauen"" umschrieben. Allen Tätigkeiten ist gemeinsam, dass sie ohne eine gewisse Gestaltungsfreiheit nicht möglich sind. 15 In dieselbe Richtung weist schließlich die Verwendung des Begriffs ""berücksichtigen"" in § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII. Er bedeutet dem Wortsinn nach, dass ein bestimmter Umstand oder Sachverhalt bei der Entscheidungsfindung einzubeziehen und mit dem ihm zukommenden Gewicht in Ansatz zu bringen ist. Er beschreibt mithin in erster Linie eine bestimmte Vorgehensweise, besagt zugleich aber auch, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht vorgegeben wird. 16 b) Der durch den Wortlaut nahegelegte Befund wird durch die Gesetzesmaterialien unterstrichen. 17 Dort wird zum einen im Rahmen der § 23 SGB VIII vorangestellten allgemeinen Erläuterungen ausdrücklich erklärt, dass den Ländern bzw. den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in Bezug auf die Höhe des Betrages, mit dem die Förderungsleistung der Tagespflegeperson entgolten werde, ein eigener Gestaltungsspielraum belassen werden müsse (BT-Drs. 16/9299 S. 14). Zum anderen wird bei der konkreten Erläuterung zu § 23 Abs. 2a SGB VIII ausgeführt, dass durch die Änderung des § 23 SGB VIII auf Bundesebene für die Höhe des Anerkennungsbetrages eine klarere Vorgabe erfolgen, aber die Gestaltungsfreiheit der Länder und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe weitgehend erhalten bleiben solle (BT-Drs. 16/9299 S. 15). 18 c) Schließlich streitet der aus den Gesetzesmaterialien klar und eindeutig erkennbare Zweck der Bestimmung, die Kindertagespflege (erst) mittelfristig als eine anerkannte und damit angemessen vergütete Vollzeittätigkeit zu profilieren (BT-Drs. 16/9299 S. 10 und 14), mit erheblichem Gewicht für einen Beurteilungsspielraum der Träger der öffentlichen Jugendhilfe. 19 Es ist in erster Linie Sache der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu entscheiden, auf welche Art und Weise sie vorgehen wollen, um dieses sozialpolitische Ziel umzusetzen. Diese Entscheidung enthält auch gestaltende Elemente. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe müssen insbesondere darüber befinden, wie schnell sie innerhalb des vorgegebenen zeitlichen Korridors (""mittelfristig"") dafür sorgen wollen, dass Tagesmütter und -väter ab einem gewissen Umfang ein auskömmliches Einkommen durch die Ausübung ihrer Tätigkeit erwirtschaften können. Ob diese dazu bereits zeitnah zum Inkrafttreten der Änderung des § 23 SGB VIII in die Lage versetzt werden sollen oder ob ihnen dies durch eine zeitlich gestaffelte schrittweise Anhebung des Anerkennungsbetrages ermöglicht werden soll, hängt maßgeblich von der politischen Schwerpunktsetzung der jeweiligen Gebietskörperschaft in ihrer Funktion als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab. Denn diese können im Rahmen ihrer haushaltsrechtlichen Möglichkeiten nicht alle ihnen obliegenden Aufgaben zeitgleich und mit gleicher Intensität bearbeiten, sondern sind gehalten, die Aufgaben unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Interessen untereinander zu gewichten und nach Wichtigkeit und Dringlichkeit in eine Prioritätenliste einzufügen. Hierbei haben die Gebietskörperschaften durch das materielle Recht nicht unmittelbar determinierte Bewertungen anzustellen und Entscheidungen zu treffen, deren Ergebnis nicht allein durch die Kategorien als richtig oder falsch erfasst werden können. Die Entscheidung über die Höhe des Anerkennungsbetrages ist mithin in erster Linie politisch geprägt und geht damit auch für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe über einen reinen Rechtsanwendungsvorgang hinaus. Das stellt zugleich einen hinreichend gewichtigen Grund für die Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte dar. 20 2. Die Höhe des gegenüber der Klägerin festgesetzten Anerkennungsbetrages von monatlich 226,80 € ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. 21 Die gerichtliche Kontrolle der Höhe des Anerkennungsbetrages ist auf das auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannte Prüfprogramm beschränkt. Demzufolge haben die Verwaltungsgerichte zu prüfen, ob die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bestimmung der Leistungshöhe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen haben, von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen können, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt haben (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 24, vom 20. Oktober 2016 - 2 A 2.16 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 31 Rn. 15 und vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 15, jeweils m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 BvR 3151/07 - DVBl 2010, 250 Rn. 59). Die Gerichte haben hingegen nicht zu kontrollieren, ob nicht auch die Festsetzung eines Betrages in anderer Höhe möglich und von dem Beurteilungsspielraum gedeckt wäre. Weist die Entscheidung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe keinen der aufgeführten Rechtsfehler auf, ist der von ihnen festgelegte Betrag vielmehr hinzunehmen. So ist es hier. 22 Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass die Beklagte in Ausfüllung des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums in ihren ab dem 1. August 2014 geltenden Richtlinien über die Förderung in Tagespflege und über die Festsetzung der Höhe der Geldleistung für Tagespflegepersonen nach § 23 Abs. 2 und 2a SGB VIII - Richtlinien - zulässigerweise abstrakt-generelle Vorgaben für die Bemessung des leistungsgerechten Anerkennungsbetrages im Einzelfall aufgestellt hat. Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass Anhaltspunkte für eine hierbei erfolgte Verletzung von Verfahrensvorschriften oder das Zugrundelegen eines unvollständigen oder unrichtigen Sachverhaltes nicht erkennbar sind. Auch die weiteren rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums (a und b) wurden von der Beklagten - entgegen der Ansicht der Klägerin - eingehalten. 23 a) Die Beklagte hat bei dem Erlass der vorgenannten Richtlinien als der im streitbefangenen Zeitraum für die Ausübung des Beurteilungsspielraums maßgeblichen Handlung den rechtlich zutreffenden Inhalt des Begriffs des Anerkennungsbetrages zugrunde gelegt (aa). Gleiches gilt für den Begriff der Leistungsgerechtigkeit (bb). Mit der Festsetzung des Anerkennungsbetrages gegenüber der Klägerin hat sie die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen und Bewertungen im konkreten Fall nachvollzogen. 24 aa) Der in den Richtlinien festgelegte Stundensatz für die Förderungsleistung je Kind von 2,70 € beruht auf der Annahme, dass der Anerkennungsbetrag im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII - wie dargelegt - Entgeltcharakter hat. Das folgt aus der Begründung der Beschlussvorlage zur Sitzung des Stadtrates vom 30. Juni 2014 (Drucks.-Nr. VO/0341/14 vom 6. Juni 2014), in der die streitgegenständlichen Richtlinien verabschiedet worden sind, sowie der ihr zugrunde liegenden internen Stellungnahme der Fachdienststelle vom 7. September 2012 (Az: 202.1002). 25 In der Begründung der Beschlussvorlage wird ausdrücklich von einer ""Vergütung"" der Tagespflegeperson gesprochen (Drucks.-Nr. VO/0341/14 vom 6. Juni 2014 S. 2 und 3). Damit hat die Beklagte die Diktion der Beschlussvorlagen der vorangegangenen Jahre aufgegriffen und beibehalten, in denen unter anderem explizit ausgeführt wurde, dass mit ""der Novellierung des SGB VIII durch das Kinderförderungsgesetz [...] für die Tätigkeit der Tagespflegeperson eine leistungsgerechte Vergütung als Anerkennung der Förderungsleistung in § 23 Abs. 2a SGB VIII festgeschrieben [wurde]"" (Drucks.-Nr. VO/0100/13 S. 2) bzw. darauf hingewiesen wurde, dass das ""in der Richtlinie festgelegte Verfahren [...] eine Vergütung für die geleisteten [...] Betreuungsstunden"" vorsehe (Drucks.-Nr. VO/0718/12 S. 2). Die den Richtlinien zugrunde liegenden Verwaltungsvorgänge bekräftigen diesen Befund. So werden insbesondere in der internen Stellungnahme der Fachdienststelle vom 7. September 2012 (Az: 202.1002) die Begriffe ""Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung"" und ""Vergütung"" gleichfalls synonym verwandt. Auch diese Stellungnahme und die darin vertretene Rechtsauffassung hat sich die Beklagte mit ihrer Beschlussfassung zu eigen gemacht. 26 bb) Darüber hinaus beruht der pauschale Stundensatz auf einem richtigen Verständnis des Begriffs der Leistungsgerechtigkeit im Sinne von § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII. 27 (1) Leistungsgerechtigkeit im Sinne der genannten Vorschrift bedeutet, dass Tagespflegepersonen für den Wert ihrer Leistung entsprechend zu vergüten sind, auch wenn diese Vergütung - wie bereits erwähnt - hinter einer Vollvergütung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zurückbleiben darf. 28 Davon ausgehend ist bei der Ausgestaltung des Anerkennungsbetrages zunächst der gesetzlich geregelte Förderungsauftrag in den Blick zu nehmen, der die für die Wertigkeit maßgeblichen Tätigkeiten von Tagesmüttern und -vätern im Einzelnen skizziert. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII obliegt ihnen die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes. Der Förderungsauftrag bezieht sich dabei auf dessen soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung und schließt gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich nach § 22 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII zudem am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen. Dieser Aufgabenbereich muss sich in der Leistungshöhe widerspiegeln. 29 Außerdem muss die Höhe des Anerkennungsbetrages die in § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII aufgezählten Parameter berücksichtigen, d.h. den zeitlichen Umfang der Leistung und die Anzahl sowie den Förderbedarf der betreuten Kinder hinreichend abbilden. Des Weiteren muss die Höhe des Anerkennungsbetrages der Qualifikation von Tagespflegepersonen angemessen Rechnung tragen. Das folgt bereits aus der binnensystematischen Betrachtung des § 23 SGB VIII. Denn nach dessen Absatz 1 setzt die Gewährung des Anerkennungsbetrages die Geeignetheit der Tagespflegeperson voraus. Sie ist gemäß § 23 Abs. 3 SGB VIII zu bejahen, wenn sich die Tagespflegeperson durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnet und über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege verfügt, die sie in qualifizierten Lehrgängen erworben oder in anderer Weise nachgewiesen hat. Dass das Gesetz die beschriebene Qualifikation der Tagespflegeperson ausdrücklich fordert, spricht dafür, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sie auch bei der Ausgestaltung des Anerkennungsbetrages in Rechnung zu stellen haben. Die Gesetzesmaterialien und die daraus ermittelte allgemeine Zielsetzung des § 23 SGB VIII bekräftigen diesen Befund (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 2, 14 und 15). 30 (2) Die Beklagte ist von dem dargelegten Begriffsverständnis ausgegangen. 31 Die Begründung der Beschlussvorlage dokumentiert nachvollziehbar und ausreichend, dass der pauschale Stundensatz die erbrachte Leistung zum Gegenstand hat. Zum einen wird die Ausgestaltung des Anerkennungsbetrages unter dem Gliederungspunkt ""Förderaufwand"" mit der Ausgestaltung des Förderaufwandes gleichgesetzt (Drucks.-Nr. VO/0341/14 vom 6. Juni 2014 S. 2). Zum anderen wird der Anerkennungsbetrag unter dem Gliederungspunkt ""Gewährung der Geldleistung"" mit der Erziehungsleistung verknüpft (Drucks.-Nr. VO/0341/14 vom 6. Juni 2014 S. 3). In Übereinstimmung damit wird in Ziffer 3.1 Abs. 1 der Richtlinien festgehalten, dass eine Anerkennung für die Erziehungsleistung gezahlt werde. Des Weiteren wird in der Begründung der Beschlussvorlage die Vorschrift des § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII unter dem Gliederungspunkt ""Förderaufwand"" zitiert und wörtlich referiert. Die dort dargelegten Überlegungen, dass ein ""Stundensatz [...] je betreutem Kind"" zu zahlen sei und besonderen Betreuungsbedarfen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder im Rahmen einer Einzelfallentscheidung Rechnung getragen werden solle (Drucks.-Nr. VO/0341/14 vom 6. Juni 2014 S. 2 f.), werden in Ziffer 3.1 Abs. 1 und 3 Satz 1 der Richtlinien verwirklicht. Im Übrigen orientiert sich der in Ziffer 3.1 Abs. 2 der Richtlinien festgelegte pauschale Stundensatz nach den für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausweislich der internen Stellungnahme der Fachdienststelle vom 7. September 2012 (Az: 202.1002) an der üblichen Qualifikation von Tagesmüttern und -vätern. Denn er knüpft zwar im Ausgangspunkt an die damals geltenden Tariflöhne des in Kindertageseinrichtungen tätigen Fachpersonals an, hält aber zu diesen in jeder Entgeltstufe einen Abstand ein, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Tagespflegepersonen bei einer typisierenden Betrachtung im Vergleich zu jenen Personen regelmäßig nicht über eine abgeschlossene (staatlich geregelte) Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher bzw. Kinderpflegerin oder Kinderpfleger verfügen. 32 b) Die in den Richtlinien der Beklagten vorgegebene Berechnungsmethode zur Ermittlung der Höhe des Anerkennungsbetrages beruht nicht auf sachfremden und damit gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Überlegungen. 33 Eine Rechtsanwendung verletzt das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 5 B 39.16 - juris Rn. 7; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Januar 2008 - 2 BvR 2307/07 - juris Rn. 5 und vom 30. April 2015 - 1 BvR 2274/12 - ZTR 2015, 539 Rn. 12, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier. 34 Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Höhe der Geldleistung nach den Richtlinien der Beklagten grundsätzlich nach dem im Bewilligungsbescheid anerkannten Förderumfang, also der im Einzelfall bewilligten Höchstzahl (""bis zu"") an Betreuungsstunden je Woche ermittelt (Ziffer 2 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Richtlinien) und dabei für jeden Monat generell eine Anzahl von 21 Betreuungstagen zugrunde gelegt wird (Ziffer 2.1 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinien). Die damit verbundene Pauschalierung ist den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen des ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraums prinzipiell erlaubt. Das ergibt sich schon mit hinreichender Deutlichkeit aus der systematischen Gegenüberstellung von § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII und § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII. Während in § 23 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB VIII der Nachweis der zu erstattenden Aufwendungen für die dort aufgeführte Alterssicherung, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung ausdrücklich verlangt wird, fehlt eine entsprechende Anordnung für die Förderungsleistung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die im Abrechnungszeitraum geleisteten Betreuungsstunden nicht im Einzelnen nachgewiesen werden müssen. Demzufolge ist es auch zulässig, den Förderumfang mittels pauschalierter Durchschnittswerte zu bestimmen. Diese Vorgehensweise dient insbesondere der Verwaltungsvereinfachung und -ökonomie, indem die Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Abrechnung der Leistungen der Tagespflegepersonen von aufwändigen Ermittlungen entlastet werden. Bei Anerkennungsbeträgen handelt es sich um eine jener Massenerscheinungen, die ein typisierendes und pauschalierendes Vorgehen auch der Verwaltung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 - BVerfGE 78, 214 <227>). Zugleich vermindert sich dadurch der Dokumentationsaufwand für die Tagespflegepersonen. Denn sie werden von der Notwendigkeit befreit, sich zum Nachweis des Förderumfangs gegebenenfalls jede Betreuungsstunde durch die Eltern schriftlich abzeichnen zu lassen. 35 Weiterhin ist es nicht sachfremd, dass sich der in Ziffer 3.1 Abs. 2 der Richtlinien für die Förderleistung je Betreuungsstunde und je Kind festgelegte Satz von 2,70 € an den damals geltenden Tariflöhnen staatlich ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher bzw. Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger orientiert. Denn die Tätigkeit von Tagesmüttern und -vätern, die fremde Kinder in ihrem Haushalt, im Haushalt des Personensorgeberechtigten oder in anderen geeigneten Räumen betreuen und fördern und die Tätigkeit der genannten Personengruppen, die diese Leistungen in Kindertageseinrichtungen erbringen, sind vergleichbar. Zudem trägt die Anlehnung an die tarifliche Vergütung des in Kindertageseinrichtungen tätigen Fachpersonals in besonderer Weise der allgemeinen Zielsetzung des § 23 SGB VIII Rechnung, die Kindertagespflege als gleichrangiges alternatives Förderungsangebot neben den Tageseinrichtungen zu profilieren. Es ist überdies weder sachfremd noch willkürlich, für Tagespflegepersonen einen Stundensatz je Kind unterhalb der tariflichen Vergütung festzulegen. Die dahinterstehende Überlegung der Beklagten, dass ein Abstand zu dieser Vergütung einzuhalten ist, weil Tagesmütter und -väter üblicherweise nicht über ähnlich qualifizierte Berufsabschlüsse verfügen wie die in Kindertageseinrichtungen tätigen Personen, ist nicht als außerhalb des sachlich Vertretbaren zu bewerten und damit nicht schlechthin unhaltbar. Die Beklagte durfte sich auch aus Gründen der Praktikabilität bei der Vielzahl der zu regelnden Einzelfälle an dem nach den ihr vorliegenden Erfahrungen typischen Erscheinungsbild orientieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2016 - 5 C 57.15 - NJW 2017, 1491 Rn. 36 m.w.N.). Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass sie einen einheitlichen Stundensatz je Kind für alle Tagespflegepersonen festgelegt hat. Die damit im Einzelfall verbundene Benachteiligung von Tagesmüttern und -vätern, die ausnahmsweise einen ähnlich qualifizierten Berufsabschluss wie die in Kindertageseinrichtungen tätigen Personen besitzen, aber ebenfalls nur auf der Grundlage des gegenüber der tariflichen Vergütung abgesenkten Stundensatzes entlohnt werden, hält sich im Rahmen der zulässigen Typisierung und Pauschalierung. Es ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht erkennbar, dass die Anzahl dieser Fälle mehr als nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Tagespflegepersonen betrifft oder der Verstoß gegen den Gleichheitssatz besonders schwer wiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2016 - 5 C 57.15 - NJW 2017, 1491 Rn. 36 m.w.N.). Zudem war es mit Blick auf die Vielzahl der zu regelnden Einzelfälle schwierig eine Berechnungsmethode zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Tagespflegepersonen mit sich bringt. 36 Aus ähnlichen Gründen erweist sich der festgelegte Satz je Betreuungsstunde und je Kind von 2,70 € auch nicht mit Blick darauf als rechtsfehlerhaft, dass sich die in Ziffer 3.1 Abs. 4 der Richtlinien tabellarisch aufgeführten monatlichen Festbeträge für die Anerkennung der Förderungsleistung jeweils auf einen zeitlichen Korridor von fünf Stunden erstrecken. Die Klägerin ist der Auffassung, die Staffelung in Fünf-Stunden-Schritten führe zu einer willkürlichen Differenzierung, weil danach Tagespflegepersonen, die ein von ihnen in Tagespflege genommenes Kind tatsächlich im Umfang der in der Tabelle aufgeführten und im Einzelfall bewilligten Höchstzahl an Wochenstunden betreuten, auf der Basis von 2,70 € je Stunde entlohnt würden, während Tagespflegepersonen, die diesen Zeitrahmen nicht voll ausschöpften, rechnerisch betrachtet einen höheren als den festgelegten Stundensatz von 2,70 € erhielten, da auch deren Vergütung - wie dargelegt - nach Ziffer 2 Abs. 5 Satz 1 und 3 der Richtlinien auf der Grundlage der im Einzelfall bewilligten Höchststundenzahl berechnet werde. Dem ist nicht zu folgen. Die auch in der Staffelung zum Ausdruck kommende Pauschalierung ist nicht zu beanstanden. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts beschränken sich die Fälle, in denen die tatsächlich erbrachte wöchentliche Anzahl an Betreuungsstunden hinter der bewilligten Höchststundenzahl zurückbleibt, vielmehr auf wenige - vernachlässigenswerte - Ausnahmen. 37 Soweit sich die Klägerin gegen das sogenannte Zuzahlungsverbot wendet, ist dies für die hier allein streitige Bemessung des Anerkennungsbetrages ohne Bedeutung. 38 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2018-21,12.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 21/2018 vom 12.04.2018 EN Flughafenentgelte: EuGH soll Reichweite der Genehmigung der Flughafenentgelte durch die unabhängige Aufsichtsbehörde klären Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der EU-Richtlinie 2009/12/EG vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte vorgelegt. Im Ausgangsverfahren hatte das beklagte Land Berlin - Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt - auf Antrag des beigeladenen Flughafenbetreibers mit Bescheid vom 13. Oktober 2014 eine Änderung der Entgeltordnung für den Flughafen Berlin - Tegel genehmigt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die hiergegen gerichtete Klage eines Luftverkehrsunternehmens mit Urteil vom 22. Juni 2016 als unzulässig abgewiesen. Das Luftverkehrsunternehmen könne nicht geltend machen, durch Erteilung der Genehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein; deshalb fehle ihm die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Die Umsetzung der Flughafenentgelte-Richtlinie in § 19b LuftVG habe insoweit an der bisherigen, höchstrichterlich bestätigten Rechtslage nichts geändert. Die Genehmigung der Entgeltordnung habe nach wie vor keine privatrechtsgestaltende Wirkung. Die Regelungen zu den Flughafenentgelten in § 19b LuftVG seien auch nicht dazu bestimmt, die Interessen der Flughafennutzer zu schützen. Die auf privatrechtlicher Grundlage gezahlten Entgelte unterlägen einer ausreichenden zivilgerichtlichen Kontrolle am Maßstab des § 315 BGB. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Hinblick auf ein Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 2017 (C-489/15) zu Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt: 1. Ist eine nationale Vorschrift, die vorsieht, dass die vom Flughafenleitungsorgan beschlossene Flughafenentgeltregelung der unabhängigen Aufsichtsbehörde zur Billigung vorzulegen ist, ohne dem Flughafenleitungsorgan und dem Flughafennutzer zu verbieten, andere als die von der Aufsichtsbehörde gebilligten Entgelte festzusetzen, mit der Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (ABl. L 70 S 11), insbesondere deren Art. 3, Art. 6 Abs. 3 bis 5 sowie Art. 11 Abs. 1 und 7, zu vereinbaren? 2. Ist eine Auslegung des nationalen Rechts mit der genannten Richtlinie vereinbar, wonach es einem Flughafennutzer verwehrt ist, die Billigung der Entgeltordnung durch die unabhängige Aufsichtsbehörde anzufechten, er aber gegen das Flughafenleitungsorgan Klage erheben und dort geltend machen kann, dass das in der Entgeltordnung festgelegte Entgelt nicht der Billigkeit entspreche? BVerwG 3 C 20.16 - Beschluss vom 12. April 2018 Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, 6 A 3.15 - Urteil vom 22. Juni 2016 -","Zur Klärung unionsrechtlicher Vorfragen in Bezug auf die Frage, ob Flughafennutzer die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) zur Anfechtung der Genehmigung der Entgeltordnung für Flughafenentgelte besitzen, wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (ABl. L 70 S. 11) zur Vorabentscheidung vorgelegt:1. Ist eine nationale Vorschrift, die vorsieht, dass die vom Flughafenleitungsorgan beschlossene Flughafenentgeltregelung der unabhängigen Aufsichtsbehörde zur Billigung vorzulegen ist, ohne dem Flughafenleitungsorgan und dem Flughafennutzer zu verbieten, andere als die von der Aufsichtsbehörde gebilligten Entgelte festzusetzen, mit der Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (ABl. L 70 S. 11), insbesondere deren Art. 3, Art. 6 Abs. 3 bis 5 sowie Art. 11 Abs. 1 und 7, zu vereinbaren?2. Ist eine Auslegung des nationalen Rechts mit der genannten Richtlinie vereinbar, wonach es einem Flughafennutzer verwehrt ist, die Billigung der Entgeltordnung durch die unabhängige Aufsichtsbehörde anzufechten, er aber gegen das Flughafenleitungsorgan Klage erheben und dort geltend machen kann, dass das in der Entgeltordnung festgelegte Entgelt nicht der Billigkeit entspreche? Gründe IDie Klägerin, ein Luftfahrtunternehmen, wendet sich als Flughafennutzer gegen die Genehmigung einer neuen Entgeltordnung für den von der Beigeladenen betriebenen Flughafen Berlin-Tegel.Die Beigeladene (Flughafenleitungsorgan) beantragte am 25. Juni 2014 bei dem beklagten Land Berlin (Träger der unabhängigen Aufsichtsbehörde), mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 die von ihr beschlossene Neuregelung der Entgelte für die Nutzung der Einrichtungen und Dienstleistungen des Flughafens zu genehmigen, die ausschließlich vom Flughafenleitungsorgan bereitgestellt werden und mit Landung, Start, Beleuchtung und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie mit der Abfertigung von Fluggästen und Fracht in Zusammenhang stehen (Flughafenentgelte). Mit Bescheid vom 13. Oktober 2014 erteilte der Beklagte die beantragte Genehmigung; die Entgeltordnung entspreche formell und materiell den Anforderungen von § 19b des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG).Die Klägerin hat Anfechtungsklage gegen das Land Berlin erhoben, mit der sie die Aufhebung der Genehmigung begehrt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage mit Urteil vom 22. Juni 2016 - OVG 6 A 3.15 [ECLI:DE:OVGBEBB:2016:0622.OVG6A3.15.0A] - juris) abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, denn der Klägerin fehle die nach § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche Klagebefugnis. Sie könne nicht geltend machen, durch die Erteilung der Genehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Genehmigung der Entgeltordnung habe weder privatrechtsgestaltende Wirkung für das zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende Zivilrechtsverhältnis (1.) noch sei § 19b LuftVG drittschützend zugunsten der Klägerin (2.). Etwas anderes ergebe sich weder aus nationalem Verfassungsrecht (3.) noch aus der Richtlinie 2009/12/EG (4).1. Der rechtliche Entstehungsgrund für die Flughafenentgelte sei nicht die Genehmigung, sondern die Nutzung des Flughafens. Die Genehmigung der Entgeltordnung berechtige die Beigeladene, die neue Regelung gegenüber den Flughafennutzern geltend zu machen. Eine weitere rechtlich selbständige Wirkung habe die Genehmigung nicht; im Verhältnis zur Klägerin sei sie ein rein tatsächlicher Vorgang. Das Entgelt werde, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Juli 1977 - VII C 72.74 (ZLW 1978, 49) für die Vorgängerregelung in § 43 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) anerkannt habe, durch die Genehmigung nicht rechtlich bindend mitgestaltet. Auch unter § 19b LuftVG beschränke sich die öffentlich-rechtliche Wirkung auf das Verhältnis der unabhängigen Aufsichtsbehörde zum Flughafenleitungsorgan als Genehmigungsempfänger. Damit decke sich die Auffassung der Zivilgerichte, dass das Fehlen der behördlichen Genehmigung ohne Einfluss auf die privatrechtliche Wirksamkeit des zwischen dem Flughafennutzer und dem Flughafenleitungsorgan vereinbarten Entgelts sei. Diese in Bezug auf die alte Rechtslage nicht in Zweifel gezogene Einschätzung werde durch die Neuregelung in § 19b LuftVG nicht in Frage gestellt. Für eine Änderungsabsicht des Gesetzgebers sei nichts ersichtlich. In anderen regulierten Bereichen werde eine privatrechtsgestaltende Wirkung klar kenntlich gemacht (vgl. z.B. § 37 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes und § 23 Abs. 2 des Postgesetzes ).2. Drittschützend zugunsten der Klägerin als Flughafennutzer sei § 19b LuftVG nicht. Die Regelung der Genehmigungsvoraussetzungen in Absatz 1 Satz 3 enthalte keinen Hinweis auf einen zu schützenden individualisierten Personenkreis. Auch soweit gemäß § 19b Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 LuftVG ""allen Flugplatznutzern in gleicher Weise Zugang"" zu gewähren sei und nach Nummer 4 ""den Flugplatznutzern nicht ohne sachlichen Grund Entgelte in unterschiedlicher Höhe auferlegt"" werden dürften, ziele dies darauf ab, mit hoheitlichen Mitteln einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb zu schützen. Einer Verfälschung des Wettbewerbs solle auch die Vorgabe entgegenwirken, dass die Entgelte nach diskriminierungsfreien Kriterien zu regeln seien. Das Transparenzerfordernis solle sicherstellen, dass die Flughafennutzer erkennen könnten, welche Entgelte für welche Leistungen erhoben würden; es solle sie aber nicht zur Anfechtung der Genehmigung berechtigen. Ebenso wenig hätten die Genehmigungsvoraussetzungen des § 19b Abs. 3 Nr. 3 LuftVG individuelle Interessen einzelner Flugplatznutzer im Blick; sie dienten dem kollektiven Interesse aller Nutzer an einem diskriminierungsfreien und transparenten Zugang und dem Schutz des Wettbewerbs. Gleiches gelte für das Veröffentlichungsgebot des § 19b Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 LuftVG und die Vorschriften über das Konsultationsverfahren in § 19b Abs. 3 Nr. 5 bis 7 LuftVG.3. Das nationale Verfassungsrecht mache keine abweichende Auslegung von § 19b LuftVG notwendig. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte hätten die Flughafenentgelte bislang trotz der nach § 43 und § 43a LuftVZO erforderlichen staatlichen Genehmigung einer zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterlegen; daran ändere § 19b LuftVG nichts. Diese Überprüfung genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen.4. Die Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (ABl. L 70 S. 11) - im Folgenden: Richtlinie - gebiete keine andere Einschätzung. Das in Art. 6 Abs. 3 vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren bezwecke, die mit der Richtlinie beabsichtigte Sicherung nichtdiskriminierender und transparenter Entgelte einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen, wolle aber nicht einzelnen Flughafennutzern individuelle Rechte gewähren. Das zeige auch Art. 6 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen gestatte, die Absätze 3 und 4 nicht anzuwenden. Dass die Entscheidungen der unabhängigen Aufsichtsbehörde gemäß Art. 11 Abs. 7 Satz 4 der Richtlinie verbindlich seien, diene der Transparenz und der Sicherung nichtdiskriminierender Entgeltregelungen. Selbst wenn Art. 11 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 der Richtlinie Flughafennutzern auch im Anwendungsbereich des Absatzes 5 Buchst. a ein Anhörungsrecht gewähren sollte, könne dieses Beteiligungserfordernis den Nachweis eines im Klagewege durchsetzbaren materiellen Rechts auf Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht ersetzen.Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin.IIDas Verfahren ist auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den im Beschlusstenor aufgeführten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (ABl. L 70 S. 11), insbesondere von deren Art. 3, Art. 6 Abs. 3 bis 5 und Art. 11 Abs. 1 und 7. Von der Auslegung der Richtlinie hängt es ab, ob die Klägerin als Flughafennutzer gemäß § 42 Abs. 2 VwGO befugt ist, die behördliche Genehmigung der vom Flughafenleitungsorgan beschlossenen Entgeltordnung durch eine Anfechtungsklage im Verwaltungsrechtsweg anzugreifen.A. Nationaler RechtsrahmenFür die rechtliche Beurteilung der Revision kommt es insbesondere auf die nachfolgend in der maßgeblichen Fassung aufgeführten Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes vom 8. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3546), des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) und des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) an:§ 42 VwGO (Anfechtungs- und Verpflichtungsklage)(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.19b LuftVG (Entgeltordnung)(1) 1Der Unternehmer eines Verkehrsflughafens oder Verkehrslandeplatzes trifft eine Regelung über die zu entrichtenden Entgelte für die Nutzung der Einrichtungen und Dienstleistungen, die mit der Beleuchtung, dem Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie mit der Abfertigung von Fluggästen und Fracht in Zusammenhang stehen (Entgeltordnung). 2Die Entgeltordnung ist der Genehmigungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. 3Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Entgelte in der Entgeltordnung nach geeigneten, objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien geregelt sind. 4Insbesondere ist zu gewährleisten, dass1. die zu entgeltenden Dienstleistungen und Infrastrukturen klar bestimmt sind,2. die Berechnung der Entgelte kostenbezogen erfolgt und im Voraus festgelegt ist,3. allen Flugplatznutzern in gleicher Weise Zugang zu den Dienstleistungen und Infrastrukturen des Verkehrsflughafens oder Verkehrslandeplatzes gewährt wird,4. den Flugplatznutzern nicht ohne sachlichen Grund Entgelte in unterschiedlicher Höhe auferlegt werden.5Eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen ist für Verkehrsflughäfen und -landeplätze zulässig; die hierfür herangezogenen Kriterien müssen geeignet, objektiv und transparent sein. 6In der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen ist eine Differenzierung der Entgelte nach Lärmschutzgesichtspunkten vorzunehmen; daneben soll eine Differenzierung nach Schadstoffemissionen erfolgen.(2) Absatz 1 gilt nicht für ... (hier nicht einschlägig)(3) Unbeschadet des Absatzes 1 gilt für die Genehmigung der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen, die jährlich mehr als fünf Millionen Fluggastbewegungen aufweisen, Folgendes:1. Der Unternehmer eines Verkehrsflughafens legt den Flughafennutzern spätestens sechs Monate vor dem beabsichtigten Inkrafttreten der Entgeltordnung einen Entwurf mit einer Begründung zum Zwecke der Einigung vor. 2Gleiches gilt für Änderungen der Entgeltordnung. 3Die Frist nach Satz 1 gilt nicht, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die gegenüber den Flughafennutzern darzulegen sind.2. Der Antrag auf Genehmigung ist bis spätestens fünf Monate vor dem Inkrafttreten der beabsichtigten Entgeltordnung bei der Genehmigungsbehörde zu stellen. 2Er ist zu begründen. 3Auf abweichende Ansichten der Flughafennutzer ist einzugehen. 4Die in den Nummern 6 und 7 aufgeführten Informationen sind beizufügen.3. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn zwischen der Höhe der vom Unternehmer des Verkehrsflughafens festgelegten Entgelte und der Höhe der voraussichtlich tatsächlichen Kosten ein angemessenes Verhältnis besteht und die Orientierung an einer effizienten Leistungserstellung erkennbar ist. 2Die Genehmigungsbehörde kann von der Prüfung nach Satz 1 absehen, wenn von dem Unternehmer des Verkehrsflughafens eine schriftliche Einigung mit den Flughafennutzern über die Entgeltordnung vorgelegt wird und kein Verstoß gegen das Beihilfenrecht vorliegt.4. Die Entscheidung der Genehmigungsbehörde soll innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags auf Genehmigung der Entgeltordnung ergehen. 2Die Genehmigungsentscheidung ist grundsätzlich spätestens zwei Monate vor ihrem Inkrafttreten in den Nachrichten für Luftfahrer zu veröffentlichen.5. Der Unternehmer des Verkehrsflughafens führt mindestens einmal im Jahr eine Konsultation mit den Flughafennutzern bezüglich der Entgeltordnung durch. 2Der Termin ist den Flughafennutzern spätestens einen Monat im Voraus bekannt zu geben. 3Die Flughafennutzer können zur Konsultation ihre Verbände hinzuziehen oder Vertreter benennen.6. Der Unternehmer des Verkehrsflughafens hat den Flughafennutzern rechtzeitig vor dem Konsultationstermin folgende Unterlagen und Informationen vorzulegen:a) ein Verzeichnis der verschiedenen Dienstleistungen und Infrastrukturen, die im Gegenzug für das erhobene Flughafenentgelt bereitgestellt werden;b) die für die Festsetzung der Flughafenentgelte verwendete Methode;c) die Gesamtkostenstruktur hinsichtlich der Einrichtungen und Dienstleistungen, auf die sich die Flughafenentgelte beziehen. 2Diese sollte erkennen lassen, dass sich der Unternehmer eines Verkehrsflughafens an einer effizienten Leistungserstellung orientiert hat;d) die Erlöse der verschiedenen Entgelte und Gesamtkosten der damit finanzierten Dienstleistungen;e) jegliche Finanzierung von Einrichtungen und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand, auf die sich die Flughafenentgelte beziehen;f) die voraussichtliche Entwicklung der Entgelte und des Verkehrsaufkommens am Verkehrsflughafen sowie beabsichtigte Investitionen;g) die tatsächliche Nutzung der Infrastruktur und der Gerätschaften des Verkehrsflughafens in einem bestimmten Zeitraum sowieh) das absehbare Ergebnis geplanter größerer Investitionen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Flughafenkapazität. 2Als Investitionen kommen hierbei nur solche in Betracht, die dem unmittelbaren Ausbau des Verkehrsflughafens als verkehrliche Einrichtung dienen. 3Vorfinanzierungen sollen nur berücksichtigt werden, wenn Flughafennutzer von verbesserten oder kostengünstigeren Leistungen profitieren, die entsprechenden Entgeltanteile ausschließlich für die Finanzierung der geplanten Infrastrukturvorhaben verwendet werden und sie zeitlich begrenzt erhoben werden.7. Die Flughafennutzer haben dem Unternehmer eines Verkehrsflughafens rechtzeitig vor dem Konsultationstermin insbesondere folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:a) voraussichtliches Verkehrsaufkommen,b) voraussichtliche Zusammensetzung und beabsichtigter Einsatz ihrer Flotte,c) geplante Ausweitung ihrer Tätigkeit auf dem betreffenden Flughafen undd) Anforderungen an den betreffenden Flughafen.8. Die im Rahmen der Konsultation übermittelten oder erhaltenen Informationen sind als vertraulich oder wirtschaftlich schutzwürdig anzusehen und zu behandeln. 2Im Fall von börsennotierten Unternehmen sind insbesondere börsenrechtliche Vorgaben zu beachten. 3Bei der Übermittlung der Informationen an Verbände und benannte Vertreter stellen die Flughafennutzer sicher, dass die Vertraulichkeit gewahrt wird.9. Dem Unternehmer eines Verkehrsflughafens ist freigestellt, ob und inwieweit er Erlöse und Kosten aus den sonstigen kommerziellen Tätigkeiten des Flughafens bei der Festlegung der Entgelte berücksichtigt.(4) Ein Flughafenunternehmen nach Absatz 3, das in einem Ballungsgebiet mehr als einen Verkehrsflughafen betreibt, kann mit Zustimmung der Genehmigungsbehörde eine für alle Verkehrsflughäfen geltende Entgeltordnung erlassen.(5) 1Um einen reibungslosen und effizienten Betrieb auf einem Flughafen sicherzustellen, können die Unternehmer von Verkehrsflughäfen nach Absatz 3 und die Flughafennutzer Leistungsvereinbarungen bezüglich der Qualität der am Flughafen zu erbringenden Dienstleistungen abschließen. 2Dabei sind die Entgeltordnung sowie Art und Umfang der Dienstleistungen, auf die die Flughafennutzer im Gegenzug für die Zahlung von Flughafenentgelten Anrecht haben, zu berücksichtigen.(6) ...§ 19b LuftVG wurde durch Artikel 1 Nr. 4 des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 8. Mai 2012 (BGBl. I S. 1032) neu gefasst; er löst die Vorgängerregelung in § 43a der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) vom 19. Juni 1964 (BGBl. I S. 370) ab, die bis zum 1. Februar 2002 inhaltsgleich in § 43 LuftVZO enthalten war.§ 43 und § 43a LuftVZO lauteten wie folgt:(1) Vor Betriebsaufnahme hat das Flughafenunternehmen bei Verkehrsflughäfen Regelungen der Entgelte für das Starten, Landen und Abstellen von Luftfahrzeugen sowie für die Benutzung von Fluggasteinrichtungen der Genehmigungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen.(2) ...Der Maßstab für die zivilgerichtliche Überprüfung der durch das Flughafenleitungsorgan festgelegten Flughafenentgelte ergibt sich aus § 315 BGB.§ 315 BGB (Bestimmung der Leistung durch eine Partei):(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.(3) 1Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. 2Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.B. Maßgebliche Rechtsfragen des Ausgangsverfahrens und Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen1. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage, dass sie klagebefugt ist; nach dieser Bestimmung ist, soweit - wie hier - gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens als möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93).Nach dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) darf einem Betroffenen gerichtlicher Rechtsschutz nicht gänzlich versagt bleiben. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangt für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, dass dem Einzelnen im Hinblick auf die Wahrung oder Durchsetzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle zuteil wird. Dazu gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann und genügend Entscheidungsbefugnisse besitzt, um eine Rechtsverletzung abzuwenden oder erfolgte Rechtsverletzungen zu beheben (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 [ECLI:DE:BVerfG:1999:rs19991027.1bvr038590 - BVerfGE 101, 106 <122 f.> m.w.N.). Entsprechendes ergibt sich für zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Er verlangt eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes durch den Richter (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345>).2. Die Klagebefugnis für ihre Anfechtungsklage besäße die Klägerin nach deutschem Recht zum einen dann, wenn die nach § 19b Abs. 1 Satz 2 LuftVG erforderliche (Vorab-)Genehmigung der von der Beigeladenen als Flughafenleitungsorgan beschlossenen Entgeltordnung durch den Beklagten eine privatrechtsgestaltende Wirkung hätte, die Vereinbarung abweichender Entgelte also ausgeschlossen wäre. Mit dem Genehmigungserfordernis hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/12/EG eröffnet; danach kann ein Mitgliedstaat entscheiden, die Absätze 3 und 4 in Bezug auf Änderungen der Höhe oder der Struktur der Flughafenentgelte an denjenigen Flughäfen nicht anzuwenden, für welche die nationalen Rechtsvorschriften ein obligatorisches Verfahren vorsehen, nach dem Flughafenentgelte oder deren maximale Höhe von der unabhängigen Aufsichtsbehörde festgelegt oder gebilligt werden.a) Die Nutzung der von der Entgeltordnung erfassten Einrichtungen und Dienstleistungen des Flughafens Berlin-Tegel durch die Flughafennutzer erfolgt - wie auch sonst an in Deutschland gelegenen Flughäfen - auf zivilrechtlicher Grundlage. Der Entgeltanspruch des Flughafenleitungsorgans gegen einen Flughafennutzer ergibt sich aus dem zivilrechtlichen Vertragsverhältnis, das zwischen ihnen mit der faktischen Nutzung des Flughafens durch Start oder Landung der Flugzeuge zustande kommt. In diesem Rechtsverhältnis zwischen Flughafenleitungsorgan und Flughafennutzer sind die Entgeltordnungen rechtlich als einseitig vom Flughafenleitungsorgan festgesetzte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einzuordnen (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1977 - VII C 72.74 - ZLW 1978, 49, juris Rn. 18 f.; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - BGHZ 174, 48 <51> m.w.N.). An diesem zivilrechtlichen ""Grundverhältnis"" für die Flughafennutzung hat sich nach übereinstimmender Auffassung durch die Neuregelung des § 19b LuftVG nichts geändert (vgl. u.a. VGH München, Beschluss vom 19. Mai 2014 - 8 A 13.40059 [ECLI:DE:BAYVGH:2014:0519.8A13.40059.0A - NVwZ-RR 2014, 623, juris Rn. 5; Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 19b LuftVG Rn. 30; Rathgeb/Schiwek, in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, § 19b LuftVG Rn. 15; Hobe/Fremuth, NVwZ 2017, 183 <183>).b) Hat eine Genehmigung privatrechtsgestaltende Wirkung, können die betroffenen Vertragspartner geltend machen, in ihrem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein, was ihre Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) begründet. Die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst die Vertragsfreiheit und damit das Recht, den Inhalt vertraglicher Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln. Auf dieses Grundrecht können sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen des Privatrechts berufen (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C8.14.0] - BVerwGE 152, 355 Rn. 12 ff. m.w.N.).Eine Genehmigung hat privatrechtsgeltende Wirkung, wenn das in der Entgeltordnung durch eine der Vertragsparteien bestimmte und durch die Aufsichtsbehörde genehmigte Entgelt für die Vertragsparteien verbindlich vorgegeben und ihnen beim Abschluss von Nutzungsverträgen ein Abweichen hiervon verwehrt ist. Im Bereich der Regulierung von Post- und Telekommunikationsentgelten ist dies teilweise der Fall. So bestimmt § 23 Abs. 1 PostG, dass der Lizenznehmer verpflichtet ist, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen. § 23 Abs. 2 Satz 1 PostG sieht vor, dass Verträge über Dienstleistungen, die andere als die vereinbarten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam sind, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG sind die Verträge unwirksam, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehlt, obwohl das Entgelt nach § 19 (PostG) genehmigungsbedürftig ist. Vergleichbare Regelungen enthält das Telekommunikationsgesetz. Nach § 37 Abs. 1 TKG darf ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, keine anderen als die von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelte verlangen. Nach § 37 Abs. 2 TKG werden Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Ausgehend davon hat das Bundesverwaltungsgericht den Eingriff in die Privatautonomie und die privatrechtsgestaltende Wirkung der betreffenden Genehmigungen jeweils darin gesehen, dass an die Stelle eines von den Vertragsparteien vereinbarten Entgelts ein hoheitlich festgelegtes Entgelt tritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 12 und 20).c) Vergleichbare Regelungen enthält § 19b LuftVG nicht. Auch in der Gesetzesbegründung finden sich keine Hinweise darauf, dass der Normgeber dem Genehmigungserfordernis des § 19b Abs. 1 Satz 2 LuftVG eine privatrechtsgestaltende Wirkung im obigen Sinne beilegen wollte (vgl. BT-Drs. 17/8098 S. 1, 11 und 15). Solche Hinweise wären zu erwarten. Dem Gesetzgeber waren neben den Regelungen im Post- und Telekommunikationsbereich auch die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht zu § 43 und § 43a LuftVZO bekannt. So hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Fehlen der staatlichen Genehmigung die privatrechtliche Verbindlichkeit der Entgeltregelung für den Flughafennutzer nicht beeinträchtigt und der Genehmigung nach § 43 Abs. 1 LuftVZO keine unmittelbare preisrechtliche Wirkung zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1977 - III ZR 27/76 - ZLW 1979, 140, juris Rn. 60 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden, dass eine gemäß § 43 LuftVZO dem Flughafenunternehmer (= Flughafenleitungsorgan) für die Erhöhung der Entgelte erteilte Genehmigung allein das Rechtsverhältnis zum Genehmigungsempfänger betrifft und den Luftfahrtunternehmer, der den Flughafen zum Landen und Abstellen seiner Luftfahrzeuge benutzt (= Flughafennutzer) nicht in seinen eigenen Rechten verletzen kann, weshalb dem Flughafennutzer die Klagebefugnis fehle (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1977 - VII C 72.74 - ZLW 1978, 49, juris Rn. 16 ff.).Dies spricht dafür, dass Flughafennutzern und Flughafenleitungsorgan auch unter Geltung des § 19b LuftVG die Möglichkeit offen bleiben sollte, die Flughafenentgelte abweichend von den genehmigten Tarifen zu bestimmen. Hinzu kommt, dass mit einer privatrechtsgestaltenden Wirkung der Genehmigung der Flughafenentgelte und der daraus für die Flughafennutzer folgenden Klagebefugnis eine grundlegende Veränderung des bisherigen Rechtsschutzsystems verbunden wäre. Der Rechtsschutz für die Flughafennutzer würde vom Zivil- in den Verwaltungsrechtsweg verlagert. Das wirft Folgefragen auf, die bei der Neufassung des § 19b LuftVG nicht in den Blick genommen wurden. Im Übrigen hat der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren in Abstimmung mit dem für den Gesetzentwurf zuständigen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgetragen, dass sich das Ministerium in den Besprechungen mit den Bundesländern und Fachverbänden stets dahin positioniert habe, dass sich die Rechtswirkung der Genehmigung der Entgeltordnung - wie bisher - ausschließlich auf den Flughafenbetreiber beschränken solle. Der Gesetzgeber habe eine solche privatrechtsgestaltende Wirkung bewusst nicht angeordnet.d) Diese auf das nationale Recht abstellenden Erwägungen könnten jedoch nicht durchgreifen, wenn die Richtlinie 2009/12/EG gebieten würde, dem Flughafenleitungsorgan und den Flughafennutzern - abgesehen von den in Art. 10 der Richtlinie aufgeführten Fällen einer Differenzierung von Dienstleistungen - zu verwehren, für eine Nutzung der in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie genannten Einrichtungen und Dienstleistungen des Flughafens andere als die von der unabhängigen Aufsichtsbehörde nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie gebilligten Entgelte zu vereinbaren. Das hätte zur Folge, dass die behördliche Genehmigung nach § 19b LuftVG aus Gründen des Unionsrechts auch in dieser Hinsicht verbindlich wäre. Der behördlichen Genehmigung der vom Flughafenleitungsorgan bestimmten Entgeltregelung käme damit eine privatrechtsgestaltende Wirkung im Sinne des nationalen Rechts zu; hierdurch würde zugleich die Klagebefugnis der Flughafennutzer im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO begründet.Für eine solche strikte Bindung an die von der unabhängigen Aufsichtsbehörde gebilligten Flughafenentgelte könnte sprechen, dass Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Nichtanwendung der Absätze 3 und 4 nicht nur eröffnet, wenn die Flughafenentgelte durch die unabhängige Aufsichtsbehörde (vorab) gebilligt, sondern auch dann, wenn die Entgelte von der Aufsichtsbehörde selbst festgelegt wurden. Im letzteren Fall erscheint es aber eher fernliegend, dass eine Abweichung von den behördlich festgelegten Entgelten möglich sein soll; dasselbe müsste dann wohl auch für die erste Fallgruppe gelten. In beiden Fällen trifft die unabhängige Aufsichtsbehörde nach Art. 11 Abs. 7 Satz 1 der Richtlinie eine Entscheidung darüber, ob die Entgelthöhe begründet ist. Zudem bestimmt Art. 11 Abs. 7 Satz 4 der Richtlinie, dass die Entscheidungen der unabhängigen Aufsichtsbehörde verbindlich sind, unbeschadet einer parlamentarischen oder gerichtlichen Überprüfung entsprechend den einschlägigen Regelungen der Mitgliedstaaten.Da es zur Klärung der unionsrechtlichen Wirkungen der Billigung von Flughafenentgelten durch die unabhängige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie einer Auslegung der Richtlinie 2009/12/EG bedarf und das Auslegungsergebnis nicht klar ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335] - CILFIT, Slg. 1982, 3415), wird zu der im Tenor unter 1. aufgeführten Frage eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV eingeholt.3. Unabhängig hiervon bestünde die Befugnis eines Flughafennutzers zur Anfechtung einer solchen Genehmigung nach § 42 Abs. 2 VwGO, wenn § 19b LuftVG drittschützend zugunsten der Flughafennutzer wäre. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der entsprechenden Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidet (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 11 und vom 3. August 2000 - 3 C 30.99 - BVerwGE 111, 354 <357> m.w.N.). Aus dem im Wege der Auslegung zu ermittelnden Schutzzweck der Norm muss sich ergeben, dass die Norm unmittelbar (auch) den rechtlichen Interessen dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, dessen Rechte berührt (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <99>).a) Wie gezeigt hat das Bundesverwaltungsgericht unter der Geltung von § 43 LuftVZO - und damit vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2009/12/EG - die Befugnis von Flughafennutzern verneint, gegen die behördliche Genehmigung der vom Flughafenbetreiber festgelegten Flughafenentgelte im Verwaltungsrechtsweg vorzugehen; die Rechtsstellung des Flughafennutzers werde durch die Genehmigung nicht berührt (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1977 - VII C 72.74 - ZLW 1978, 49, juris Rn. 18 f.). Schon zuvor hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass Entgelte für das Starten und Landen von Flugzeugen, die auf der Grundlage einer nach § 43 LuftVZO behördlich genehmigten Entgeltordnung erhoben werden, vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sind, da ihnen ein privatrechtlicher Vertrag über die Benutzung des Flughafens zugrunde liege. Die Entgeltordnungen seien allgemeine Geschäftsbedingungen des Flughafenbetreibers, die der zivilgerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterlägen. Die behördliche Genehmigung der einseitig festgelegten Entgeltregelung schließe die Überprüfung durch die Zivilgerichte nicht aus (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1972 - KZR 1/72 - DVBl 1974, 558). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in zwei weiteren Urteilen bestätigt und dahin ergänzt, dass das Fehlen der staatlichen Genehmigung die privatrechtliche Wirksamkeit einer Entgeltordnung nicht beeinträchtige (BGH, Urteile vom 24. November 1977 - III ZR 27/76 - ZLW 1979, 140 und vom 23. Januar 1997 - III ZR 27/96 - NZV 1997, 223).Aus den bereits im Zusammenhang mit der Frage einer privatrechtsgestaltenden Wirkung der behördlichen Entgeltgenehmigung angeführten Gründen spricht auch in Bezug auf einen aus § 19b LuftVG herzuleitenden Drittschutz Einiges dafür, dass der deutsche Gesetzgeber eine Änderung des bisherigen Rechtsschutzsystems nicht beabsichtigt hat, dass - mit anderen Worten - § 19b LuftVG den Flughafennutzern weiterhin keine subjektiven Rechte verleiht.b) Auch insoweit könnte die Richtlinie 2009/12/EG, etwa das Diskriminierungsverbot des Art. 3, gebieten, der Klägerin die Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung der Genehmigung zuzuerkennen.aa) Das wäre - um der Klägerin als Flughafennutzerin den von Verfassungs wegen gebotenen Rechtsschutz nicht zu versagen - der Fall, wenn eine Überprüfung der Entgeltordnung durch die Zivilgerichte am Maßstab von § 315 BGB nicht den Anforderungen der Richtlinie entsprechen sollte. Eine unionsrechtrechtlich bedingte Beschränkung der zivilgerichtlichen Kontrolle genehmigter Entgelte hätte für Flughafennutzer, bliebe ihnen wegen fehlender Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) auch der Weg zu den Verwaltungsgerichten versperrt, zur Folge, dass sie keinerlei Rechtsschutz gegen die Festsetzung der Flughafenentgelte durch das Flughafenleitungsorgan in Anspruch nehmen könnten. Das wäre mit nationalem Verfassungsrecht nicht vereinbar. Angesichts des grundsätzlich gebotenen umfassenden Rechtsschutzes durch staatliche Gerichte ist es von Verfassungs wegen im Grundsatz nicht zulässig, bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsgerichtliche als auch eine zivilgerichtliche Kontrolle der materiellen Entgelte zugunsten derjenigen zu versagen, die diese Entgelte zu entrichten haben (BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98 [ECLI:DE:BVerfG:1999:rk19991228.1bvr220398] - DVBl 2000, 556). Daran gemessen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, den Flughafennutzern die von ihnen im Verwaltungsrechtsweg angestrebte Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Flughafenentgelte mit der Begründung zu versagen, es fehle insoweit an einem subjektiv-öffentlichen Recht, wenn auch die Zivilgerichte keine materielle Rechtmäßigkeitskontrolle vornähmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <104 f.> zu Entgelten im Telekommunikationsrecht sowie vom 21. Dezember 1995 - 3 C 34.94 - BVerwGE 100, 230 <236> zur Klagebefugnis eines Privatpatienten zur Anfechtung der Genehmigung einer Pflegesatzvereinbarung). Dementsprechend müsste ein durch Unionsrecht bedingter Ausfall zivilgerichtlicher Kontrolle im Wege einer verfassungskonformen Auslegung von § 19b LuftVG zur Zuerkennung der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO führen.Mit Blick auf das zu eisenbahnrechtlichen Stornierungsentgelten ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2017 - C-489/15 [ECLI:EU:C:2017:834] - (NVwZ 2018, 51) kann - trotz deutlicher Unterschiede der dort geltenden unionsrechtlichen Regelungen zu den Vorgaben der Flughafenentgelte-Richtlinie - nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die zivilgerichtliche Überprüfung von Entgeltordnungen zu Flughafenentgelten am Maßstab von § 315 BGB im Einklang mit der Richtlinie 2009/12/EG steht.Der Gerichtshof hat in diesem Urteil entschieden, dass die Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75 S. 29) in der durch die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung, insbesondere deren Art. 4 Abs. 5 und deren Art. 30 Abs. 1, 3, 5 und 6, dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach die Wegeentgelte im Eisenbahnverkehr von den ordentlichen Gerichten im Einzelfall auf Billigkeit überprüft und gegebenenfalls unabhängig von der in Art. 30 der Richtlinie 2001/14/EG in der durch die Richtlinie 2004/49/EG geänderten Fassung vorgesehenen Überwachung durch die Regulierungsstelle abgeändert werden können. Der Gerichtshof hat seine Entscheidung unter anderem darauf gestützt, dass eine auf den Einzelfall abstellende Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB im Widerspruch zu dem in der Richtlinie 2001/14/EG niedergelegten Diskriminierungsverbot stehe (a.a.O. Rn. 70). Die zivilgerichtliche Rechtsprechung wende im Rahmen von § 315 BGB materielle, die Äquivalenz der Leistungen betreffende Kriterien an, die in den Bestimmungen der Richtlinie 2001/14/EG nicht vorgesehen seien (a.a.O. Rn. 72). Es bestünden praktisch unüberwindbare Schwierigkeiten, die zivilgerichtlichen Einzelfallentscheidungen in ein nicht diskriminierendes System zu integrieren (a.a.O Rn. 88). Unter anderem ergebe sich zumindest bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung eine Ungleichbehandlung der Nutzer der Eisenbahninfrastruktur, je nach dem, ob das Eisenbahnunternehmen ein Zivilgericht angerufen habe oder nicht, und je nach dem Inhalt der gerichtlichen Entscheidung; dies verstoße offenkundig gegen das in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14/EG niedergelegte Diskriminierungsverbot (a.a.O. Rn.89). Darüber hinaus griffen die Zivilgerichte in die den Infrastrukturbetreibern nach der Richtlinie 2001/14/EG zustehenden Spielräume (a.a.O. Rn. 77 ff.) und in die der Regulierungsstelle durch Art. 30 dieser Richtlinie zuerkannte ausschließliche Zuständigkeit zur Überprüfung der Entgelte und zur Durchsetzung der Vorgaben der Richtlinie ein (a.a.O. Rn. 84 ff.).Ein Diskriminierungsverbot enthält auch Art. 3 der Richtlinie 2009/12/EG. Nach dessen Satz 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Flughafenentgelte im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht keine Diskriminierung zwischen Flughafennutzern beinhalten. Dies steht nach Satz 2 der Regelung einer Differenzierung der Flughafenentgelte bei Belangen von öffentlichem und allgemeinem Interesse, einschließlich des Umweltschutzes, jedoch nicht entgegen. Die für diese Diskriminierung herangezogenen Kriterien müssen nach Satz 3 geeignet, objektiv und transparent sein. Es stellt sich daher die Frage, ob die dargelegten Erwägungen des Gerichtshofs auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/12/EG und damit die Flughafenentgelte übertragbar sind und eine zivilgerichtliche Überprüfung der vom Flughafenleitungsorgan festgelegten und von der unabhängigen Aufsichtsbehörde gebilligten Flughafenentgelte am Maßstab des § 315 BGB ausschließen.Diese zivilgerichtliche Billigkeitsprüfung richtet sich nach folgenden Grundsätzen: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. dazu zusammenfassend BGH, [Vorlage-]Beschluss vom 7. Juni 2016 - KZR 12/15 [ECLI:DE:BGH:2016:070616BKZR12.15.0] - WM 2016, 2047, juris Rn. 18 f.) gebietet der Maßstab der Billigkeit in § 315 BGB eine Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks und der Bedeutung der Leistung, für die der Preis einen angemessenen Gegenwert darstellen soll. In diese Abwägung können weitere Gesichtspunkte - wie etwaige spezialgesetzliche Vorgaben - einfließen. Der ""billige Preis"" entspricht dabei weder theoretisch noch praktisch einem bestimmten Betrag; dem Inhaber des Bestimmungsrechts - hier dem Flughafenleitungsorgan - verbleibt vielmehr ein Spielraum, der nach sachlichen Kriterien auszufüllen ist. Welche Kriterien das im Einzelnen sind, legt § 315 BGB selbst nicht fest. Die Vorschrift ist daher offen für die Heranziehung von Preisbemessungsfaktoren, die sich aus für das betroffene Vertragsverhältnis geltenden spezialgesetzlichen Vorschriften ergeben. So hat der Bundesgerichtshof für Verträge über die Nutzung von Strom- und Gasnetzen entschieden, dass sich der Netzbetreiber bei der Ausübung seines Ermessens bei der Preisfestsetzung an den energiewirtschaftlichen Zielen einer möglichst preisgünstigen und umweltverträglichen leistungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit und darüber hinaus der Gewährleistung effektiven Wettbewerbs orientieren muss (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04 - BGHZ 164, 336 <341>; zur Konkretisierung des Billigkeitsmaßstabs durch die eisenbahnrechtlichen Entgeltbemessungsgrundsätze: BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - KZR 18/10 - NVwZ 2012, 189, juris Rn. 17 m.w.N.). Innerhalb der Bandbreite stehen dem Bestimmungsberechtigten regelmäßig mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bei der zivilgerichtlichen Überprüfung geht es darum, ob sich die von ihm getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden. Damit dient die Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - BGHZ 174, 48 Rn. 19 ff. m.w.N.); sie fördert zugleich die Durchsetzung der unionsrechtlichen Entgeltgrundsätze. Im Falle überhöhter Entgelte führt die zivilgerichtliche Überprüfung gemäß § 315 Abs. 3 BGB zu einer gerichtlichen Neufestsetzung auf den noch billigem Ermessen entsprechenden Betrag mit Wirkung ex tunc; dabei hat das Zivilgericht die Grundsätze der Entgeltbestimmung nach der Richtlinie zu beachten (vgl. BGH, [Vorlage-]Beschluss vom 7. Juni 2016 - KZR 12/15 - WM 2016, 2047, juris Rn. 43). Einer gerichtlichen Neufestsetzung der Entgelte kommt zwar zunächst nur eine Wirkung inter partes zu. Doch sei davon auszugehen, dass andere Nutzer, die sich in einer vergleichbaren Lage wie der erfolgreiche Kläger befänden, nach Kenntnis von der zivilgerichtlichen Neufestsetzung der Entgelte ebenso Klage erheben würden, so dass es insgesamt zu einer diskriminierungsfreien Angleichung der Entgelte komme.bb) Eine Befugnis der Klägerin als Flughafennutzerin zur Anfechtung der Genehmigung kommt unabhängig hiervon im Hinblick auf die den Flughafennutzern mit der Richtlinie 2009/12/EG zuerkannten Rechte und Befugnisse in Betracht.Die Richtlinie spricht den Flughafennutzern den Status einer ""betroffenen Partei"" zu (Art. 11 Abs. 7 Satz 1 a.E. der Richtlinie 2009/12/EG). Flughafenleitungsorgan und Flughafennutzer sollen wann immer möglich eine einvernehmliche Gestaltung der Flughafenentgelte vornehmen (Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2009/12/EG). Die grundlegende Bedeutung der Flughafenentgelte für die Flughafennutzer und ihr ""legitimes Interesse"" an einer angemessenen Entgeltordnung sind in der Richtlinie ausdrücklich hervorgehoben (Nr. 13 und 15 der Erwägungsgründe der Richtlinie 2009/12/EG). Die Entgeltordnung muss transparent und nichtdiskriminierend ausgestaltet sein (Art. 3 sowie Erwägungsgründe Nr. 4 und 11 der Richtlinie 2009/12/EG).Durch die benannten Kriterien für die Ausgestaltung der Entgeltordnung könnte die Richtlinie nach ihrem normativen Programm auch den Interessen der Flughafennutzer zu dienen bestimmt sein. Dies gilt nicht zuletzt, um eine Diskriminierung zwischen einzelnen Flughafennutzern zu verhindern (vgl. BT-Drs. 17/8098 S. 11 sowie Hobe/Fremuth, NVwZ 2017, 183 <187>). Den Flughafennutzern sind hierzu umfangreiche Verfahrensrechte zugesprochen, die neben Informations-, Konsultations- und Anhörungsrechten insbesondere auch die Befugnis zur Herbeiführung einer Prüfungs- und Genehmigungsentscheidung durch die Aufsichtsbehörde umfassen.Auch insoweit bedarf es einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union." bverwg_2018-23,19.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 23/2018 vom 19.04.2018 EN Aberkennung der Beamtenpension nach ausländischem Strafurteil Tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils sind im sachgleichen Disziplinarverfahren grundsätzlich auch dann bindend, wenn es sich um ein Urteil eines ausländischen Strafgerichts handelt. Ausnahmen bestehen - wie bei deutschen Strafurteilen - dann, wenn die Feststellungen offenkundig unrichtig sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Beklagte - ein Ruhestandsbeamter - wendet sich gegen die Aberkennung des Ruhegehalts. Er war von einem slowakischen Gericht rechtskräftig wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Das Strafurteil wurde zunächst in der Slowakischen Republik und sodann im Bundesgebiet vollstreckt. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Ruhestandsbeamten zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Den tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen ausländischen Strafurteils kommt im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, grundsätzlich Bindungswirkung zu. Das Disziplinargericht hat aber dann den Sachverhalt selbst zu ermitteln, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts offenkundig unrichtig sind, etwa weil sie unter Verletzung rechtsstaatlicher Mindeststandards zustande gekommen sind. Dies folgt aus der Auslegung der einschlägigen Vorschrift - hier § 57 Abs. 1 Bundesdisziplinargesetz - unter Beachtung der Verfahrensgarantien, die das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und das Unionsrecht vorgeben (insbesondere Gesetzesvorbehalt, rechtliches Gehör, faires Verfahren). Dabei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Verfahrensgarantien eines EU-Mitgliedstaates rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen. Im konkreten Fall erweisen sich die tatsächlichen Feststellungen im slowakischen Strafurteil nicht als offenkundig unrichtig. Zentrale Erfordernisse des fairen Verfahrens - etwa Dolmetscherleistungen, genügende Sachverhaltsaufklärung, auch durch medizinische Sachverständige zur Klärung der Schuldfähigkeit, und das Recht, die Belastungszeugen vor dem Strafgericht zu befragen - hat das slowakische Strafgericht beachtet. BVerwG 2 C 59.16 - Urteil vom 19. April 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, DB 13 S 1634/15 - Urteil vom 15. Dezember 2015 - VG Freiburg i.Br., DB 8 K 1252/12 - Urteil vom 22. März 2013 -","Urteil vom 19.04.2018 - BVerwG 2 C 59.16ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U2C59.16.0 EN Bindungswirkung der Tatsachenfeststellungen eines ausländischen Strafurteils im Disziplinarverfahren Leitsatz: § 57 Abs. 1 BDG erfasst grundsätzlich auch ausländische rechtskräftige Strafurteile. Die Bindungswirkung entfällt auch hier nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind. Dies kann dann der Fall sein, wenn im Strafverfahren rechtsstaatliche Mindeststandards nicht eingehalten worden sind. Verfassungs-, Unions- und Konventionsrecht stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Rechtsquellen BDG §§ 13, 14, 23, 57 Abs. 1, § 60 Abs. 2, § 65 Abs. 1, §§ 69, 70 VwGO §§ 137, 144 StGB § 176a GRC Art. 50 SDÜ Art. 54 EMRK Art. 6 Instanzenzug VG Freiburg - 22.03.2013 - AZ: VG DB 8 K 1252/12 VGH Mannheim - 15.12.2015 - AZ: VGH DB 13 S 1634/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 2 C 59.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U2C59.16.0] Urteil BVerwG 2 C 59.16 VG Freiburg - 22.03.2013 - AZ: VG DB 8 K 1252/12 VGH Mannheim - 15.12.2015 - AZ: VGH DB 13 S 1634/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Gegenstand des Verfahrens ist die disziplinarrechtliche Ahndung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, der durch ein ausländisches Strafgericht abgeurteilt worden ist. 2 Der 1951 geborene Beklagte stand bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand im Jahr 2000 im Dienst der Klägerin und wurde bei der D. verwendet. 3 Mit im Jahr 2006 rechtskräftig gewordenem Urteil eines slowakischen Bezirksgerichts wurde der Beklagte wegen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Jahr 1999 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Strafurteil wurde zunächst in der Slowakischen Republik und sodann im Bundesgebiet vollstreckt. 4 Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere mit der Begründung zurückgewiesen, dass das rechtskräftige Strafurteil eines ausländischen Strafgerichts, das im Bundesgebiet zu einem Strafklageverbrauch führe, im Disziplinarverfahren grundsätzlich Bindungswirkung entfalte. Es könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Strafnormen und Prozessschutzregeln eines EU-Mitgliedstaates rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügten. Das hier zugrundeliegende ausländische Strafurteil sei weder offenkundig unrichtig noch unter Verletzung rechtsstaatlicher Mindeststandards zustande gekommen. 5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Beklagte, die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2015 und des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. März 2013 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen. 6 Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO und § 70 Abs. 2 BDG). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 69 BDG). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass auch die tatsächlichen Feststellungen rechtskräftiger Strafurteile ausländischer Gerichte im Disziplinarverfahren Bindungswirkung i.S.v. § 57 Abs. 1 BDG auslösen, sofern diese Feststellungen nicht offenkundig unrichtig und in dem Strafverfahren rechtsstaatliche Mindeststandards eingehalten worden sind, ist nicht zu beanstanden. Das noch während des aktiven Dienstes im Jahr 1999 begangene außerdienstliche Dienstvergehen ist nach Maßgabe von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I S. 675 - BBG a.F.) disziplinarwürdig. Die Bemessungsentscheidung führt nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 BDG dazu, dass dem mittlerweile in den Ruhestand versetzten Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 und § 12 BDG). 8 § 57 Abs. 1 BDG erfasst grundsätzlich auch ausländische rechtskräftige Strafurteile (1.). § 57 Abs. 1 BDG steht in dieser Auslegung im Einklang mit Verfassungs-, Unions- und Konventionsrecht (2.). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Grundsätze bei der Anwendung von § 57 Abs. 1 BDG im Fall des Klägers, insbesondere bei der Entscheidung über eine etwaige Lösung von den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils, in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise beachtet (3.). 9 1. Die in § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG angeordnete Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen erstreckt sich auch auf Strafurteile ausländischer Gerichte. 10 a) Dem Wortlaut von § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG lässt sich eine Beschränkung der Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen auf deutsche Strafurteile nicht entnehmen. Anders als in § 41 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG und § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG hat der Gesetzgeber in § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG die Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen nicht auf rechtskräftige Strafurteile eines deutschen Gerichts beschränkt. Vielmehr hat er diese Bindungswirkung allein von den tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf-, Bußgeld- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren abhängig gemacht. Dem Wortlaut nach erfasst § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG danach ausländische Strafurteile ebenso wie solche deutscher Gerichte. 11 b) Historisch und entstehungsgeschichtlich wird die Frage, ob es sich bei einem Urteil i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG um das Urteil eines deutschen Gerichts handeln muss, nicht thematisiert. Schon der Vorgängernorm von § 57 Abs. 1 BDG, dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden § 18 Abs. 1 BDO (BGBl. 1967 I S. 750), lässt sich zur Frage der Herkunft des Strafurteils nichts entnehmen. Zur Begründung der im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht mehr diskutierten Neufassung von § 57 BDG heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 18. August 2000 (BR-Drs. 467/00, S. 124) nur: ""Die Vorschrift erhält bezüglich der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen bestimmter gerichtlicher Entscheidungen für das gerichtliche Disziplinarverfahren eine entsprechende Regelung zu der für das behördliche Disziplinarverfahren geltenden Regelung des § 21. Wie § 18 BDO sieht § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG für das Verwaltungsgericht die Möglichkeit vor, sich von den Feststellungen zu lösen. Deren Voraussetzungen werden nunmehr jedoch im Gesetz präzise gefasst, um vor allem dem betroffenen Beamten im Hinblick auf die vorausgegangene Entscheidung die notwendige Rechtssicherheit zu vermitteln."" 12 c) Aus Gründen der Systematik sind die tatsächlichen Feststellungen deutscher wie ausländischer Strafurteile von der Bindungswirkung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG als erfasst zu betrachten. Dafür spricht der bereits gezogene Vergleich zu den abweichenden Formulierungen in § 41 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG und § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG. § 57 BDG erstreckt die disziplinaren Folgen eines Strafurteils - anders als die vorgenannten Bestimmungen - auch nicht automatisch auf das gerichtliche Disziplinarverfahren, sondern hat (wenn überhaupt) eine Disziplinarmaßnahme zur Folge, deren Schwere vom Einzelfall abhängt. Die Bindung an ein Strafurteil nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG kann nur dann Grundlage für eine Disziplinarmaßnahme sein, wenn das Disziplinargericht keine erneute Prüfung nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG beschließt, weil die strafgerichtlichen Feststellungen nicht offenkundig unrichtig sind. An einem solchen Korrektiv fehlt es in den Fällen der § 41 BBG, § 24 BeamtStG und § 59 BeamtVG. 13 Dies bestätigt auch die Zusammenschau von § 57 Abs. 1 BDG und § 14 BDG. Während das Disziplinargericht nach § 57 Abs. 1 BDG an die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil gebunden ist, betrifft die - für den betreffenden Beamten stets vorteilhafte - Bindung der Disziplinarbehörden nach § 14 BDG die Rechtsfolgen, die aus den tatsächlichen Feststellungen im Strafverfahren gezogen wurden und im Disziplinarverfahren noch zu ziehen sind. Auch die aus § 14 BDG folgende Bindung hinsichtlich der Rechtsfolgen der Tat besteht unabhängig davon, ob es sich um ein deutsches oder ein ausländisches Straf- oder Bußgeldverfahren handelt (BVerwG, Urteil vom 1. September 1981 - 1 D 90.80 - BVerwGE 73, 252 <256> zum inhaltsgleichen § 14 BDO). 14 d) Zweck der grundsätzlichen Bindung an die tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils im Disziplinarverfahren ist es in erster Linie, zu verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden (stRspr, etwa BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 13). Damit dient sie der Rechtssicherheit, gewährleistet Vertrauensschutz und vermeidet divergierende Feststellungen zu demselben Sachverhalt. Dieselben Ziele werden auch bei einer Bindungswirkung von Strafurteilen ausländischer Gerichte erreicht. 15 Ein weiterer Zweck von § 57 Abs. 1 BDG besteht darin, im Disziplinarverfahren der erhöhten Richtigkeitsgewähr der Ergebnisse des Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - NVwZ-RR 2015, 50 Rn. 10 und vom 18. September 2017 - 2 B 14.17 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 10 Rn. 8). Dies gilt ohne Unterschied gleichermaßen für deutsche wie für ausländische Strafprozesse, solange diese rechtsstaatliche Mindeststandards einhalten und die in den Strafurteilen getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht offenkundig unrichtig sind. Mögliche justizielle Defizite erfordern es nicht, die Bindung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG generell auf Urteile deutscher Gerichte zu beschränken, sondern sind im Einzelfall nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG zu korrigieren. Im Hinblick auf Strafurteile eines Gerichts eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen (s. auch unten, 2.b). Soweit im Einzelfall Verfahrensgarantien verletzt sein sollten, kann dies der beschriebenen Korrektur nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG unterfallen. 16 Der dagegen erhobene Einwand, dass es im Einzelfall kaum möglich sei, die rechtsstaatlichen Standards ausländischer Strafverfahren in Theorie und Praxis hinreichend zu überprüfen und ihre Vergleichbarkeit mit den Standards deutscher Strafverfahren verlässlich zu bewerten (vgl. z.B. zu § 23 BDG, Gansen in: ders., Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand Juli 2017, § 23 BDG, Rn. 11), ist im Hinblick auf vergleichbare Prüfprogramme der Verwaltungsgerichte etwa in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren sachlich unbegründet. Die Wahrung auch der besonderen rechtsstaatlichen Mindeststandards im ausländischen Strafverfahren lässt sich anhand der einschlägigen ausländischen Normen und der ausländischen Strafakten regelmäßig im Bundesgebiet überprüfen. Zudem ist dies mit weniger Unsicherheiten behaftet, als sämtliche erheblichen Tatumstände vom Bundesgebiet aus im Ausland aufzuklären. 17 2. Das einfach-rechtlich festgestellte Auslegungsergebnis zur Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen von deutschen wie ausländischen Strafurteilen im Disziplinarverfahren gemäß § 57 Abs. 1 BDG steht mit Verfassungs- (a), Unions- (b) und Konventionsrecht (c) in Einklang. 18 a) Verfassungsrecht gebietet es nicht, § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG verfassungskonform einschränkend auszulegen. Das Grundgesetz enthält kein Verbot, die tatsächlichen Feststellungen ausländischer Urteile im Disziplinarverfahren grundsätzlich als bindend anzuerkennen. Weder der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes noch verfassungsrechtliche Prozessgarantien erfordern ein solches Verbot. 19 § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG genügt dem Vorbehalt des Gesetzes. Die Norm ist eine der Wesentlichkeitslehre entsprechende gesetzliche Grundlage für die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen von Urteilen auch ausländischer Strafgerichte. Der vereinzelt gegen die disziplinare Bindungswirkung ausländischer Urteile erhobene Einwand, der Gesetzgeber müsse diese noch (näher) regeln (vgl. Weiß, in: GKÖD, Bd. I Beamtenrecht, Teil 5c, Stand 4/2018, Yt § 34 WDO Rn. 19), ist verfassungsrechtlich nicht begründet. Der Vorbehalt des Gesetzes und die Wesentlichkeitslehre betreffen zwar nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich zu regeln ist, sondern auch die Frage, wie genau diese Regelungen im Einzelnen sein müssen (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 54 m.w.N.). Dies lässt sich nur mit Blick auf den Sachbereich und die Eigenart des Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1694/13 u.a. - NVwZ 2017, 1111 Rn. 182 m.w.N.). § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG wird diesen Anforderungen aber gerecht. Die Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen auch ausländischer Urteile ist für die betroffenen Normanwender und für die Normunterworfenen - wie das Ergebnis der einfach-rechtlichen Auslegung zeigt (vgl. oben unter 1.) - hinreichend erkennbar. 20 § 57 Abs. 1 BDG steht des Weiteren im Einklang mit den allgemeinen verfassungsrechtlichen Prozessgarantien. Denn nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG hat das Disziplinargericht die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Offenkundig unrichtig i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG sind Feststellungen insbesondere dann, wenn das daran gebundene Disziplinargericht sehenden Auges auf der Grundlage eines aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müsste, etwa weil die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind (BVerwG, Beschluss vom 7. November 2014 - 2 B 45.14 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 91 Rn.13 m.w.N.; Urteil vom 29. November 2000 - 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> und Beschluss vom 28. September 2011 - 2 WD 18.10 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 33 ). 21 Tatsächliche Feststellungen in Urteilen, die in ausländischen Strafverfahren ergangen sind, sind danach nicht generell aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbar. Entscheidend kommt es vielmehr insbesondere darauf an, ob dem ausländischen Strafurteil eine genügende richterliche Sachaufklärung vorausgegangen ist. Dafür ist wesentlich, dass der Streitgegenstand wenigstens einmal in einem mit rechtsstaatlichen Garantien ausgestatteten gerichtlichen Verfahren zur Prüfung gestellt worden ist, gleich wo dieses Strafverfahren stattgefunden hat, ob im Bundesgebiet oder im Ausland (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 1975 - 4 C 15.73 - BVerwGE 48, 271 <277> bzgl. der Voraussetzungen einer materiellen Bindungswirkung). 22 Des Weiteren muss dem Beamten im ausländischen Strafverfahren rechtliches Gehör gewährt worden sein. Soweit der Beamte in zurechenbarer Weise davon abgesehen hat, sich im ausländischen Strafverfahren Gehör zu verschaffen, obwohl er hinreichend Gelegenheit dazu hatte, ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör ""ausgeschöpft"" oder verbraucht. Soweit der Beamte keine Möglichkeit hatte, sich im ausländischen Strafverfahren Gehör zu verschaffen, muss das Disziplinargericht dem Beklagten rechtliches Gehör zur Sache gewähren. Und soweit unklar ist, ob der Beamte in zurechenbarer Weise davon abgesehen hat, sich im ausländischen Strafverfahren Gehör zu verschaffen, muss das Disziplinargericht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG aufklären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2011 - 2 WD 18.10 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 5 S. 12 ) und dem Beamten hierzu rechtliches Gehör gewähren. Ferner muss das ausländische Strafurteil in einem Verfahren ergangen sein, das dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch des Beamten, d.h. dem Zugang zu einem gerichtlichen Verfahren, gerecht geworden ist. 23 b) Die in § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG verankerte Bindung an die tatsächlichen Feststellungen ausländischer Strafurteile im gerichtlichen Disziplinarverfahren ist unionsrechtskonform. Dem unionsrechtlichen Strafklageverbrauch nach Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) vom 19. Juni 1990 (BGBl. II 1993, S. 1013) und Art. 50 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) vom 12. Dezember 2007 (ABl. EU Nr. C 303, 1) kommen in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Die Bindungswirkung entspricht indes den unionsrechtlichen Grundsätzen des ""gegenseitigen Vertrauens"" und der ""gegenseitigen Anerkennung"". 24 Gemäß Art. 50 GRC darf niemand wegen einer Straftat, deretwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden. Nach Art. 54 SDÜ darf derjenige, der durch eine Vertragspartei des Übereinkommens rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Aus Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC ergibt sich indes nicht, dass ein ausländisches Strafurteil disziplinarrechtlich an die Stelle eines entsprechenden deutschen Strafurteils tritt. Insbesondere folgt aus Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRC nicht, dass die in einem ausländischen Strafurteil getroffenen Tatsachenfeststellungen in einem zusätzlich zulässigen Disziplinarverfahren wegen derselben Sache bindend sein müssen (Weiß, in: GKÖD, Bd. II DiszR, Teil 4, Stand 4/2018, M § 23 BDG Rn. 22, M § 57 BDG Rn. 8). 25 Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens ist in den Art. 2 und 3 EUV sowie Art. 67 Abs. 1 und 82 Abs. 1 AEUV normiert. Als Rechtssatz verlangt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von jedem Mitgliedstaat, dass dieser, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass die anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, Urteile vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU - NJW 2016, 1709 Rn. 78, 82 und vom 10. November 2016 - C-452/16 PPU - juris Rn. 25 f.). 26 Der Grundsatz gegenseitiger Anerkennung ausländischer Strafurteile wird vom Gerichtshof der Union als primärrechtlich festgeschriebenes Rechtsprinzip aus Art. 67 Abs. 3 und Art. 82 Abs. 1 AEUV hergeleitet. Gemäß Art. 67 Abs. 3 AEUV wirkt die Union auch durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen darauf hin, ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Nach Art. 82 Abs. 1 AEUV beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union gerade auch auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen. Der Gerichtshof der Union stützt den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zudem auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 30. Mai 2013 - C-168/13 PPU - EuGRZ 2013, 417 Rn. 50, vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU - NJW 2016, 1709 Rn. 77 und vom 1. Juni 2016 - C-241/15 - NJW 2017, 49 Rn. 33). 27 Die Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung schreiben zwar unionsrechtlich eine disziplinarrechtliche Bindung i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG an die tatsächlichen Feststellungen rechtskräftiger Urteile der Strafgerichte anderer Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich vor. Insoweit fehlt es bezüglich des Disziplinarrechts an einer sekundärrechtlichen Regelung im Unionsrecht. Sie stehen einer solchen Bindungswirkung aber nicht nur nicht entgegen, sondern legen sie im Gegenteil grundsätzlich und vorbehaltlich der Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards nahe. 28 c) Schließlich ist die Bindungswirkung an die tatsächlichen Feststellungen ausländischer Strafurteile im deutschen Disziplinarverfahren nach § 57 Abs. 1 BDG mit Konventionsrecht (Art. 6 EMRK) vereinbar. 29 Aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgt ein allgemeiner Justizgewährungsanspruch, ein Recht auf faires Verfahren, das ein Recht auf Gehör einschließt, sowie die Gewährleistung des gesetzlichen Richters. Darüber hinaus gewährt Art. 6 Abs. 3 Buchst. a EMRK dem Angeklagten in einem Strafverfahren das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Umfangreiche schriftliche Übersetzungen sind dafür grundsätzlich nicht nötig (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Dezember 1989 - 9783/82 - EGMR-E 4, 450 Rn. 79 - 81). Der Anspruch nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a EMRK beinhaltet grundsätzlich die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für den Angeklagten verständlichen Sprache. Dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - 3 StR 262/14 - NStZ 2014, 725 <726> und Urteil vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 457/14 - NStZ 2017, 63). Weiter gewährt Art. 6 Abs. 3 Buchst. e EMRK dem Angeklagten das Recht, unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. Dies gilt nicht nur bezüglich mündlicher Erklärungen, sondern bezieht sich auf alles, was Gegenstand des Verfahrens ist, soweit Übersetzungen für die Verteidigung in einem fairen Verfahren nötig sind. Insbesondere muss der Angeklagte in die Lage versetzt werden, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verstehen und dem Gericht seine Sicht des Sachverhalts darzustellen (vgl. EGMR, Urteil vom 19. Dezember 1989 - 9783/82 - EGMR-E 4, 450 Rn. 74). 30 Die Übersetzungs- und Sprachmittlerrechte eines im ausländischen Strafprozess angeklagten deutschen Beamten werden durch § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG ebenso wenig berührt wie sein Zugang zum Strafgericht, sein Anspruch auf ein faires Verfahren und sein Gehörsrecht. 31 Des Weiteren hat der Angeklagte im Strafprozess gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK das Recht, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten. Zum Recht, Zeugen zu befragen, gehört auch, dies in Anwesenheit der Richter zu tun, die über die Sache entscheiden. Änderungen des Spruchkörpers erfordern grundsätzlich eine erneute Zeugenbefragung (EGMR, Urteil vom 10. Februar 2005 - 10075/02 - StV 2005, 475 Rn. 38). Letzteres gebietet auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit, der ein wichtiger Teil der Garantie eines fairen Verfahrens ist, weil der unmittelbare Eindruck des Richters von einem Zeugen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von besonderer Bedeutung ist (Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 152 m.w.N.). Auch eine Beschränkung der Möglichkeit des Angeklagten zur Zeugenbefragung ist mit Art. 6 EMRK nur vereinbar, wenn sie aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, das Verfahren insgesamt fair war und dabei die Rechte der Verteidigung berücksichtigt wurden (Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 158 m.w.N.). Auch diese Rechte des Angeklagten werden durch die hier streitgegenständliche Norm des Disziplinarrechts - § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG - abstrakt weder eingeschränkt oder auch nur berührt. 32 3. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, im Fall des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen slowakischen Strafurteils von der Lösungsmöglichkeit nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG keinen Gebrauch zu machen, ist nicht zu beanstanden. Denn diese Feststellungen sind nicht unter Verletzung rechtsstaatlichen Mindeststandards zustande gekommen. Insbesondere ist der Verwaltungsgerichtshof im gerichtlichen Disziplinarverfahren seiner diesbezüglichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung gerecht geworden. Ebenso wenig sind die strafgerichtlichen Feststellungen aus anderen Gründen offenkundig unrichtig. Dies ergibt sich aus folgenden für den Fall des Beklagten maßgeblichen einzelfallbezogenen Erwägungen, denen der Senat nicht den Charakter einer abstrakt gezogenen Untergrenze rechtsstaatlicher Mindeststandards beimisst. 33 a) Im Strafverfahren des Klägers, in dem das rechtskräftig gewordene Urteil des slowakischen Bezirksgerichts ergangen ist, sind die rechtsstaatlichen Mindestanforderungen eingehalten worden. Substanzielle Anhaltspunkte dafür, dass dem Urteil zugrundeliegende tatsächliche Feststellungen offenkundig unrichtig sind, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte hat im slowakischen Strafverfahren hinreichend Gelegenheit gehabt, sich zur Sache zu äußern (Gehörsrecht). Seine Äußerungen sind dort zur Kenntnis genommen und berücksichtigt worden, wie sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum slowakischen Strafverfahren und insbesondere aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Bezirksgerichts vom 24. Oktober 2005 ergibt. Der Beklagte hat im Übrigen auch im disziplinargerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht davon abgesehen, sich zu äußern und in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs erklärt, dass er sich zwar äußern wolle, aber nicht zu den abgeurteilten Taten, auf die sich die bindenden tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts beziehen. 34 Gegen das Urteil des slowakischen Bezirksgerichts hat dem Beklagten effektiver Rechtsschutz zur Verfügung gestanden. Dies zeigt sich u.a. daran, dass er vor dem Kreisgericht dagegen ein erfolgreiches und ein weiteres, dann erfolgloses, Rechtsmittelverfahren geführt hat. Der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Bezirksgerichts im späteren Disziplinarverfahren steht auch nicht entgegen, dass sie dem Beklagten nicht erkennbar gewesen wäre. Die Erkennbarkeit der Aufspaltung des Rechtswegs und der Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung muss (nur) gewährleisten, dass ein Beamter geschützt wird, der nicht um die Tragweite der Vorentscheidung auch für ein Disziplinarverfahren weiß, sie für rechtswidrig, aber weniger bedeutend hält und deswegen akzeptiert (BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - BVerwGE 155, 35 Rn. 24 f.). 35 Der Beklagte hat das erste Urteil des Bezirksgerichts gerade nicht akzeptiert, sondern er hat den dagegen gegebenen Rechtsweg ausgeschöpft. Die Bedeutung des Strafurteils für das Disziplinarverfahren ist vor allem aber auch von vornherein erkennbar gewesen. Ein Beamter muss wegen der vielfältigen gesetzlichen Anknüpfungen an Entscheidungen im Strafverfahren (vgl. §§ 14, 21 Abs. 2, §§ 22, 36, 57, 71 Abs. 1 Nr. 8, § 71 Abs. 2 und § 72 Abs. 1 BDG) wissen, dass diese Auswirkungen auf die disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen haben können und er sich deshalb schon im Strafverfahren angemessen verteidigen muss, um Nachteile im Disziplinarverfahren zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - BVerwGE 155, 35 Rn. 25). Er kann auch nicht davon ausgehen, dass ausländische Strafverfahren disziplinarrechtlich unbedeutend sind. Dies gilt generell, aber jedenfalls bei auch im Ausland begangenen Straftaten, die im Bundesgebiet als Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) oder als Qualifikationstaten (§ 12 Abs. 3 Var. 1 StGB) geahndet werden, wie sie Gegenstand des Disziplinarverfahrens gegen den Beklagten sind (hier im deutschen Recht nach § 176a StGB - schwerer sexueller Missbrauch von Kindern). 36 Das rechtskräftig gewordene Strafurteil des Bezirksgerichts genügt des Weiteren den Anforderungen, die an ein faires Strafverfahren (Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4 GG) zu stellen sind. Dies gilt zunächst für die vom Beklagten aufgeworfene Frage rechtzeitiger und ausreichender Übersetzungen und Dolmetscherleistungen im slowakischen Strafverfahren (Art. 6 Abs. 3 Buchst. e EMRK). Der Beklagte hat gegenüber dem Kreisgericht zwar angegeben, dass er erst aus der erhobenen Klage, die in die deutsche Sprache übersetzt war, erfahren hat, was ihm zur Last gelegt wird (Kreisgericht, Beschluss vom 14. Juni 2005, S. 2 der Übersetzung, S. 513 <514> der Strafakte). Das Kreisgericht hat diese Angabe des Beklagten aber nachvollziehbar und folgerichtig deshalb als ""irreführend"" beurteilt, weil ihm schon bei der ersten Vernehmung ein Beschluss über die Beschuldigtenerhebung übersetzt worden war und der Angeklagte damals erklärt hatte: ""Die Tat, die mir zur Last gelegt wird und die mir übersetzt wurde, habe ich verstanden."" (Kreisgericht Z., Beschluss vom 14. Juni 2005, S. 6 der Übersetzung, S. 513 <518> der Strafakte). 37 Die vom Beklagten im Disziplinarverfahren darüber hinaus geltend gemachten Übersetzungsmängel betrafen im Übrigen nicht seine Unterrichtung über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, sondern die Übersetzung des von Dr. O. erstatteten Gutachtens in der Hauptverhandlung und ein Explorationsgespräch des Sachverständigen Dr. O. mit ihm. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Berufungsurteil ist im Strafverfahren des Beklagten bei Erhebung der Klage zum Gericht ein Dolmetscher bestellt worden. Des Weiteren ist dem Beklagten und seinem Verteidiger jedenfalls im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vom 21. März 2005 auch der Inhalt der Gutachten bekannt gewesen, weil die Gutachter Dres. A. und O. in dieser Hauptverhandlung vernommen worden sind und dabei auch auf Fragen des Beklagten und seines Verteidigers geantwortet haben. Der Beklagte hat danach im zweiten Berufungsverfahren beim Kreisgericht auch nicht eine fehlende Übersetzung der Gutachten geltend gemacht, sondern sich zum Teil selbst auf die Gutachten berufen. Am Ende der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht vom 24. Oktober 2005 haben der Beklagte und sein Verteidiger auch keine weiteren Anträge zur Beweisführung gestellt und insbesondere auch keine Mängel der Übersetzung der bereits ins Verfahren eingeführten Gutachten geltend gemacht (Protokoll der Hauptverhandlung des Bezirksgerichts R. vom 24. Oktober 2005, S. 197 ff. der VGH-Akte). 38 Auch bei der Einholung der medizinischen Sachverständigengutachten im slowakischen Strafverfahren lassen sich Verstöße gegen Grundsätze des fairen Verfahrens nicht erkennen. Das Bezirksgericht hat im Strafverfahren gegen den Beklagten Sachverständigenbeweis erhoben. Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs besteht kein Grund, warum das Bezirksgericht danach noch verpflichtet gewesen sein könnte, weitere Gutachten einzuholen oder das Gutachten von Dr. O. nachbessern zu lassen. 39 Dies gilt gerade auch hinsichtlich der vom Beklagten gerügten Dauer seines Explorationsgesprächs mit Dr. O. und der Übersetzung durch die zum Explorationsgespräch hinzugezogene Dolmetscherin. Denn das Bezirksgericht hat festgestellt, dass die im Strafverfahren bestellten Sachverständigen genug Zeit gehabt haben, verantwortlich die Untersuchung des Angeklagten durchzuführen und die vom Ermittler gestellten Fragen zu beantworten (Urteil des Bezirksgerichts vom 13. April 2005, S. 21 der Übersetzung, S. 446 <466> der Gerichtsakte zum Strafverfahren 1 T 8/05). Dies entspricht der Angabe des Sachverständigen Dr. O., der ausgeführt hat, dass auch in Ansehung des Verlaufs des Gesprächs mit dem Beklagten sich dessen ""Persönlichkeit relativ zuverlässig charakterisieren"" lasse (Übersetzung des Sachverständigengutachtens 33/2004, S. 257 der VGH-Akte). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sind laut Angaben der Gutachter in der Hauptverhandlung des Bezirksgerichts vom 21. März 2005 die Angaben des Beklagten für die Erstellung der Gutachten ausreichend und weitere Untersuchungen sowie ein weiterer Zeitaufwand nicht veranlasst gewesen. 40 Eine weitergehende Exploration des Beklagten ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs schon mangels Kooperationsbereitschaft des Beklagten unmöglich gewesen und nicht etwa, weil sich die Gutachter nicht genügend Zeit genommen hätten. Der Sachverständige Dr. O. hat ausgeführt, dass der Beklagte auf viele Fragen, die seine Person, seine frühere Ehe, die Scheidungsgründe, sein Sexualverhalten und seine Tat betrafen, nicht geantwortet habe. Der Beklagte habe sich weitgehend geweigert, Informationen über sich und sein Leben zu geben und er habe über die Straftaten nichts gesagt. Auch in der strafgerichtlichen Berufungsverhandlung hat der Beklagte keine Angaben zu den Tatvorwürfen gemacht. 41 Mängel der Übersetzungstätigkeit der Dolmetscherin beim Explorationsgespräch von Dr. O. mit dem Beklagten sind ebenfalls nicht erkennbar. Nachvollziehbar bezweifelt der Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Beklagtenvortrag im disziplinaren Berufungsverfahren. Denn der Beklagte hat die angebliche Inkompetenz der Dolmetscherin weder im slowakischen Strafverfahren noch bislang im Disziplinarverfahren geltend gemacht. Zudem hat der Sachverständige Dr. O. in seinem Gutachten keine verbalen Verständigungsmängel erwähnt und auch anhand der im Gutachten wiedergegebenen Angaben des Beklagten sind keine sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten ersichtlich. Die im Gutachten des Sachverständigen Dr. O. dokumentierten Angaben des Beklagten decken sich zudem weitgehend mit denen im Gutachten der Sachverständigen S. und A., für deren Gutachten der Beklagte in deutscher Sprache befragt worden ist. 42 Auch das durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK garantierte Konventionsrecht des Angeklagten, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken wie sie für Belastungszeugen gelten, ist im vorliegenden slowakische Strafverfahren gewahrt worden. Der Beklagte hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung des Bezirksgerichts selbst Fragen an die Belastungszeugen stellen können und am Ende der Verhandlung keine Ergänzung der durchgeführten Zeugenvernehmungen mehr beantragt. 43 Die Zeugenbefragungen in der mündlichen Verhandlung des Bezirksgerichts vom 24. Oktober 2005 haben auch vor den Richtern stattgefunden, die später an dem Strafurteil mitgewirkt haben. Zwar haben die befragten Zeugen zum Teil auf Aussagen verwiesen, die sie in einer früheren Verhandlung des Bezirksgerichts gemacht hatten. Diese frühere Verhandlung hatte das Bezirksgericht aber in derselben Besetzung geführt. Dass die frühere Verhandlung zunächst zu einem ersten Urteil des Bezirksgerichts (vom 13. April 2005) geführt hatte, das zwischenzeitlich (durch Entscheidung vom 14. Juni 2005) vom Kreisgericht aufgehoben worden war, ist im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren unerheblich. Der Sinn und Zweck des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Rechts, Zeugen vor den Richtern zu befragen, die an dem Urteil mitwirken, ist im Fall des Beklagten erfüllt. Im Strafverfahren des Beklagten ist dies gewährleistet gewesen, denn das Kreisgericht hatte die Sache nach Aufhebung des Urteils vom 13. April 2005 an das Bezirksgerichts zurückverwiesen bei dem dieselben Richter damit befasst waren wie im aufgehobenen Urteil vom 13. April 2005. Zudem haben der Beklagte und sein Verteidiger die Möglichkeit gehabt, die Zeugen auch zum Inhalt von deren früheren Aussagen zu befragen. Am Ende der Verhandlung haben sie schließlich auch keine ergänzende Vernehmung mehr beantragt. Die vom Beklagten vor 1999 begangenen Straftaten, die Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, gehörten nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zum notwendigen Umfang der Zurückverweisung, weil das Kreisgericht im strafrechtlichen Rechtsmittelverfahren die diesbezüglichen Feststellungen des Bezirksgerichts unbeanstandet gelassen hat. 44 In dieser Situation die Aussagen von (Opfer-)Zeugen nicht erneut komplett zu wiederholen, entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach Rechtsmittelgerichte grundsätzlich nicht verpflichtet sind, Zeugen erneut zu vernehmen (vgl. Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017 , Art. 6 Rn. 243 und Paeffgen, ZStW 2006, 275 <293 Fn. 57>, jeweils unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 18. Mai 2004 - 56651/00 - Destrehem vs. Frankreich, n.v.). Die Entscheidung über einen (weiteren) Zeugenbeweis ist Sache des nationalen Gerichts, dessen Ermessen insoweit auch durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. d EMRK nicht beschränkt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - C-189/02 P u.a.- Slg. 2005, I-5425 Rn. 69 f. m.w.N.). Ist schon ein Rechtsmittelgericht nicht nach Art. 6 EMRK verpflichtet, (Opfer-)Zeugen erneut zu Sachverhalten zu vernehmen, zu denen sie bereits erstinstanzlich ausgesagt haben, sondern hat es diesbezüglich Ermessen, muss dies im Strafverfahren gegen den Beklagten erst recht auch für das als erstinstanzliches Tatsachengericht tätig gewordene Bezirksgericht gelten, das in identischer Besetzung bereits einen eigenen Eindruck von den Zeugen und deren Aussagen gewonnen hatte, auf die die Zeugen in der erneuten Verhandlung (nach Zurückverweisung) lediglich Bezug nahmen, ohne sich umfassend zu wiederholen. 45 b) Macht ein Verfahrensbeteiligter - hier der Beklagte - eine offenkundige Unrichtigkeit bindender Feststellungen i.S.v. § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG geltend, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach dieser Norm zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substanziiert ist. Pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit ergeben kann (BVerwG, Beschlüsse vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Buchholz 235, 1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 6 und vom 30. August 2017 - 2 B 34.17 - NVwZ-RR 2018, 239 Rn. 15). Der Beklagte hat zwar zu bestimmten Aspekten des slowakischen Strafverfahrens vorgetragen, die seiner Meinung nach offenkundig gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstießen. Der Verwaltungsgerichtshof ist diesem Vorbringen aber - wie ausgeführt - hinreichend nachgegangen. 46 Ist das Disziplinargericht an Feststellungen aus einem ausländischen Strafurteil gebunden, muss es insbesondere auch Ermittlungen zum Inhalt des Protokolls der Hauptverhandlung vor dem ausländischen Strafgericht und zum Inhalt des ausländischen Strafprozessrechts anstellen (BVerwG, Beschluss vom 28. September 2011 - 2 WD 18.10 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 5 S. 19 ). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dementsprechend mit dem Protokoll der Hauptverhandlung des Bezirksgerichts befasst und auch Ermittlungen zum slowakischen Strafprozessrecht angestellt, soweit dies durch die Rüge des Beklagten hinsichtlich der Zeugenvernehmungen in der Verhandlung vom 24. Oktober 2005 veranlasst gewesen ist. Im Ergebnis hat er keinen offenkundigen Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften festgestellt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 47 4. Der Beklagte hat durch den sexuellen Missbrauch von Kindern gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 54 Satz 3 BBG a.F.). Durch die Straftat hat der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Dieses ist disziplinarwürdig i.S.v. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F., weil es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. 48 Bei der disziplinarrechtlichen Ahndung von Dienstvergehen hat der Senat die bisherige Kategorie der ""Richtschnur"" oder der ""Regeleinstufung"" (vgl. dazu noch BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 18) aufgegeben. Er geht davon aus, dass sich die Disziplinarmaßnahme am gesetzlich bestimmten Strafrahmen zu orientieren hat. Der Senat hat dies zunächst in Fällen der disziplinaren Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften ausgesprochen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 31 f.) und sodann zu innerdienstlich begangenen Zugriffsdelikten (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 19). Dies ist nunmehr der generelle Ansatz der Rechtsprechung des Senats. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. 49 Ausgehend vom Strafrahmen §§ 176 und 176a StGB reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme hier bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, d.h. bis zur Aberkennung des Ruhegehalts nach § 12 BDG. Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 BDG führt zur Aberkennung des Ruhegehalts, weil der Beklagte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). 50 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. 51 Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 78 BDG i.V.m. Nr. 11 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG)." bverwg_2018-24,19.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 24/2018 vom 19.04.2018 EN Subsidiär schutzberechtigte Ausländer können nicht zusätzlich auf ein nationales Abschiebungsverbot klagen Einem Ausländer, dem bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, fehlt auch nach der Aussetzung des Familiennachzuges für diesen Personenkreis das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf die zusätzliche Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gerichtete Klage. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute auf eine von den Klägern im Dezember 2017 erhobene Sprungrevision entschieden. Die Kläger, eine Mutter und ihr Sohn, sind eritreische Staatsangehörige. Der Ehemann der Klägerin war vom Nationaldienst in Eritrea desertiert. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte den Klägern subsidiären Schutz zu. Im Übrigen lehnte es ihre Asylanträge ab. Von Feststellungen zu Abschiebungsverboten sah es ab. Das Verwaltungsgericht hat die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gerichtete Klage abgewiesen. Zwar habe der Klägerin im Zeitpunkt des Verlassens ihres Heimatlandes jederzeit die außergerichtliche und willkürliche Inhaftierung durch den eritreischen Staat gedroht, die ihr auch im Falle einer Rückkehr nach Eritrea drohe. Eine solche Inhaftierung knüpfe indes nicht an einen Verfolgungsgrund an, insbesondere nicht an eine ihr zugeschriebene politische Überzeugung oder an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots bezüglich Eritreas festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Sprungrevision zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die von ihm zur Verfolgungslage und -motivation festgestellten Tatsachen für das Bundesverwaltungsgericht bindend ohne Verstoß gegen Bundesrecht dahin bewertet, dass die drohenden Maßnahmen nicht an einen Verfolgungsgrund anknüpfen. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist unter anderem die Würdigung der Vorinstanz, es sei unter Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der eritreische Staat sämtlichen Deserteuren und Verweigerern des Nationaldienstes sowie deren Familienangehörigen ohne weitere Anhaltspunkte eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibe und sie deswegen zu bestrafen suche. Die ihr als Ehefrau eines Deserteurs drohende Inhaftierung erfolgt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, etwa der Familie eines Deserteurs. Soweit die Klägerin hilfsweise die Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik begehrt, in Bezug auf ihre Person ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention festzustellen, fehlt der Klage das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Eine entsprechende Feststellung könnte ihre Rechtsstellung im Hinblick auf die bestandskräftige Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht verbessern, weil sie ihr keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil verschaffte. Die zusätzliche Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes eröffnete insbesondere ihrem Ehemann nicht die Möglichkeit eines Familiennachzuges. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG, der derzeit den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erteilt worden ist, grundsätzlich ausschließt, sperrt im Ergebnis auch den Familiennachzug zu Inhabern einer im Einzelfall etwa zusätzlich zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. BVerwG 1 C 29.17 - Urteil vom 19. April 2018 Vorinstanz: VG Berlin, 28 K 166.17 A - Urteil vom 01. September 2017 -","Urteil vom 19.04.2018 - BVerwG 1 C 29.17ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C29.17.0 EN keine zusätzliche Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes zugunsten eines subsidiär Schutzberechtigten Leitsatz: § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG hindert in aller Regel die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für das mit dem Ziel der Ermöglichung eines Familiennachzuges verfolgte Begehren eines subsidiär schutzberechtigten Ausländers, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, zusätzlich die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. Rechtsquellen AsylG § 3 Abs. 1 und 4, § 3a Abs. 1 und 3, § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b, Nr. 5, Abs. 2, § 26 Abs. 2 und 5 Satz 1 AufenthG § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Satz 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e, § 60 Abs. 1, 5 und 8 Satz 1 und 3, § 104 Abs. 13 Satz 1, 2 und 3 EMRK Art. 3 VwGO § 134 Abs. 4, § 137 Abs. 2, § 173 Satz 1 ZPO § 557 Abs. 3 Satz 2 AEUV Art. 267 Richtlinie 2011/95/EU Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 9 Abs. 1 und 3, Art. 10 Abs. 1 Buchst. d und e, Abs. 2 Instanzenzug VG Berlin - 01.09.2017 - AZ: VG 28 K 166.17 A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 29.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C29.17.0] Urteil BVerwG 1 C 29.17 VG Berlin - 01.09.2017 - AZ: VG 28 K 166.17 A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Dr. Fleuß sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. September 2017 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Kläger sind eritreische Staatsangehörige, Volkszugehörige der Tigrinya und christlich-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Die Klägerin ist die Mutter des im Dezember 2015 im Bundesgebiet geborenen Klägers. Sie begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Klägerin zudem hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz. 2 Im Januar 2015 schloss die Klägerin die Ehe mit einem Landsmann, der ihren Angaben zufolge im April 2015 aus dem eritreischen Nationalen Dienst desertiert und in den Sudan geflüchtet war. Sie reiste im September 2015 auf dem Landwege in das Bundesgebiet ein. Ende Februar 2016 beantragte sie für sich und den Kläger die Anerkennung als Asylberechtigte. Mit Bescheid vom 23. August 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu. Im Übrigen lehnte es den Asylantrag ab. Von Feststellungen zu nationalen Abschiebungsverboten sah es ab. 3 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin sei kein Flüchtling. Ihr drohe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen eines Verfolgungsgrundes. Im Falle ihrer Rückkehr habe sie zwar eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu besorgen, da ihr aufgrund ihrer illegalen Ausreise und der damit einhergehenden Entziehung vom Nationalen Dienst wie auch als Familienangehörige eines Deserteurs mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Haftstrafe und später die Einberufung in den Nationalen Dienst drohe. Eine Bestrafung erfolge indes nicht wegen eines Verfolgungsgrundes. Dies gelte sowohl in Bezug auf eine Bestrafung wegen Desertion beziehungsweise Dienstverweigerung als auch in Kombination der Dienstentziehung mit der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland. Die Verfolgungshandlungen knüpften nicht an eine von den eritreischen Behörden zugeschriebene politische Gegnerschaft oder an ein anderes flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal an. Auch der im Dezember 2015 in Berlin geborene Kläger sei kein Flüchtling. Soweit die Kläger hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten begehren, das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots bezüglich Eritreas festzustellen, sei die Klage jedenfalls unbegründet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe in ermessensfehlerfreier Weise von der Möglichkeit des § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG Gebrauch gemacht. Die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hätte auch nicht zur Folge, dass die Kläger von der vorübergehenden Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberechtigte auszunehmen wären. 4 Mit ihrer Sprungrevision rügen die Kläger eine Verletzung von Bundesrecht. In Bezug auf die von ihnen erstrebte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verstoße die Würdigung der Vorinstanz, der eritreische Staat unterstelle nicht allen Personen, welche illegal ausreisten, sich dem Nationalen Dienst entzögen und/oder deren Familienangehörige aus dem Nationalen Dienst desertierten, eine gegnerische politische Einstellung, gegen § 3 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 AsylG. Das angefochtene Urteil verstoße zudem gegen § 3 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 AsylG, da das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass mit der Anknüpfung an die Familienzugehörigkeit ein weiterer Verfolgungsgrund, nämlich derjenige der ""Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe"" vorliege. Auch in Bezug auf den Kläger beruhe das Urteil auf einem Verstoß gegen die §§ 3 ff. AsylG. Die Ablehnung eines Anspruchs der Klägerin auf Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea verletze sowohl § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als auch § 31 Abs. 3 i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO und § 40 VwVfG. Die Klägerin verfüge diesbezüglich über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Eine entsprechende Feststellung hätte zur Folge, dass ihr Ehemann nicht von dem Familiennachzug ausgeschlossen wäre. 5 Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts. II 6 Die Sprungrevision der Kläger hat keinen Erfolg. Die Abweisung der auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), hilfsweise auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich der Klägerin (2.) gerichteten Klage beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 7 Maßgeblich sind das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780), - AsylG - sowie das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. März 2018 (BGBl. I S. 342). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Aufenthaltsgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). 8 1. Die Maßstäbe, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugrunde gelegt hat (a), und die Anwendung dieser Maßstäbe im vorliegenden Einzelfall (b) sind revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. 9 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Die Sprungrevision kann nach § 134 Abs. 4 VwGO nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden, weshalb tatrichterliche Würdigungen in diesem Verfahren nur auf die Einhaltung der dem materiellen Recht zuzuordnenden allgemeinen Beweiswürdigungsgrundsätze und - gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO - auf solche Verfahrensmängel zu überprüfen sind, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten sind und die ein Revisionsurteil in der Sache ausschließen. 10 a) Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. 11 Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953), - EMRK - keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung, ABl. L 337 S. 9) - RL 2011/95/EU - umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 Rn. 22). 12 § 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob dieser tatsächlich die flüchtlingsschutzrelevanten Merkmale aufweist, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden. 13 Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen. Ob die Verfolgung ""wegen"" eines Verfolgungsgrundes erfolgt, mithin entweder die Verfolgungshandlung oder das Fehlen von Schutz vor Verfolgung oder beide auf einen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe zurückgehen, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86, 2 BvR 962/86 - BVerfGE 76, 143 <157, 166 f.>). Diese Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in Bezug auf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG, an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - BVerwGE 133, 55 Rn. 22 und Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 - juris Rn. 17). Für die ""Verknüpfung"" reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Gerade mit Blick auf nicht selten komplexe und multikausale Sachverhalte ist nicht zu verlangen, dass ein bestimmter Verfolgungsgrund die zentrale Motivation oder die alleinige Ursache einer Verfolgungsmaßnahme ist. Indes genügt eine lediglich entfernte, hypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund den Anforderungen des § 3a Abs. 3 AsylG nicht (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2018, § 3a AsylG Rn. 37 ff.). 14 Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") drohen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 19 und Beschluss vom 15. August 2017 - 1 B 120.17 - juris Rn. 8). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab bedingt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer ""qualifizierenden"" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 m.w.N.). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 19 Rn. 37). 15 Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. Dörig, Asylum Qualification Directive 2011/95/EU, Art. 4 Rn. 30, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016). Liegen beim Ausländer frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht vor erneuter Verfolgung im Falle der Rückkehr in sein Heimatland vor, so kommt ihm die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zugute. Die den früheren Handlungen oder Bedrohungen zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-175/08 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2010:​105], Abdullah u.a./Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2010, 505 Rn. 94). Fehlt es an einer entsprechenden Verknüpfung, so greift die Beweiserleichterung nicht ein. Die widerlegliche Vermutung entlastet den Vorverfolgten von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Sie ist widerlegt, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Diese Beurteilung unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 23). 16 Von diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung erkennbar ausgegangen. 17 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass danach weder der Klägerin (aa) noch dem Kläger (bb) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. 18 aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach Eritrea mit einer Verfolgungshandlung in Gestalt einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu rechnen habe, dass aber weder die drohende Inhaftierung (1) noch eine etwaige Einziehung zum Nationalen Dienst (2) wegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3b AsylG erfolgten (UA S. 18 bis 21). 19 (1) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Klägerin im Fall ihrer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer illegalen Ausreise im dienstpflichtigen Alter und wegen der Desertion ihres Ehemannes die Vollstreckung einer gegen sie von den Behörden außergerichtlich verhängten Haftstrafe unter unmenschlichen Haftbedingungen droht. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Gerichts, dass in der drohenden Strafvollstreckung unter unmenschlichen Haftbedingungen eine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG zu sehen ist. 20 Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die der Klägerin drohende Haft werde nicht wegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne von § 3b AsylG verhängt, sondern um die Verletzung der nationalen Dienstpflicht durch die Klägerin zu sanktionieren (UA S. 20 und 11 bis 16) und - soweit es ihren dienstflüchtigen Ehemann betrifft - diesen durch die drohende Inhaftierung seiner Ehefrau zur Rückkehr nach Eritrea zu veranlassen (UA S. 17). 21 (a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, der Klägerin drohe die Gefahr der Inhaftierung nicht wegen einer ihr zugeschriebenen oppositionellen politischen Überzeugung im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Ein Ausländer wird wegen einer politischen Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil der Ausländer eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Dabei genügt es, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG). 22 Die politische Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 - BVerwGE 77, 258 <265 f.> m.w.N.). Hiervon kann insbesondere auszugehen sein, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher - nichtpolitischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter ""Politmalus"") (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 - BVerfGE 80, 315 <338> und Kammerbeschluss vom 4. Dezember 2012 - 2 BvR 2954/09 - NVwZ 2013, 500). Demgegenüber liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme allein der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht unter anderem für Sanktionen entschieden, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (BVerwG, Urteile vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54 S. 191 f., vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 - BVerwGE 81, 41 <44> - betreffend die Wehrdienstentziehung durch einen eritreischen Volkszugehörigen - und vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 S. 63). Solche Maßnahmen begründen nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen seiner politischen Überzeugung - oder auch eines sonstigen asylerheblichen Merkmals - treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1995 - 9 C 3.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 180 S. 63 f. und vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 24 sowie Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - NVwZ 2017, 1204 Rn. 14). Indizien hierfür können ein unverhältnismäßiges Ausmaß der Sanktionen oder deren diskriminierender Charakter sein. 23 Das Verwaltungsgericht nimmt im Ansatz zutreffend im Rahmen der Bildung seiner Überzeugung hinsichtlich der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund einer zugeschriebenen politischen Überzeugung zunächst eine qualifizierende Gesamtbetrachtung und Würdigung sämtlicher eingeführter Erkenntnisse vor. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, dass es zur Begründung seiner Entscheidungsfindung unter anderem darauf abgestellt hat, dass die in Eritrea derzeit für die Desertion verhängten Haftstrafen hinter den gesetzlichen Höchststrafen zurückblieben (UA S. 12), die Bedingungen im Strafvollzug für Deserteure und andere Strafgefangene gleich hart seien (UA S. 13), die Flucht vor dem Nationalen Dienst in Eritrea zu einem Massenphänomen geworden sei (UA S. 13 f.) und die Entwicklung und Förderung der eritreischen Volkswirtschaft unter Einschluss ihrer staatsnahen Unternehmen die Sicherung einer ausreichenden Zahl von Dienstleistenden erforderlich machten (UA S. 14 f.). Für das Gericht zeigt auch die Deserteuren im Ausland eröffnete Möglichkeit, sich durch Zahlung einer ""Diaspora-Steuer"" vor Bestrafung zu schützen, dass der eritreische Staat aus ökonomischen Interessen auf seinen Strafanspruch verzichte und einer möglicherweise hinter der Desertion stehenden politischen Überzeugung keine entscheidende Bedeutung beimesse (UA S. 15); dies gelte unabhängig von der Fähigkeit, Bereitschaft oder Zumutbarkeit der Zahlung dieser Abgabe im konkreten Fall. Soweit der Klägerin Inhaftierung auch wegen der Desertion ihres Ehemannes droht, würdigt das Verwaltungsgericht diese Gefahr ohne Verstoß gegen Bundesrecht dahin, dass die Inhaftierung nicht an eine der Klägerin zugeschriebene politische Überzeugung anknüpfe, sondern das Ziel verfolge, den Aufenthaltsort ihres Ehemannes in Erfahrung zu bringen oder diesen zur Rückkehr zu bewegen (UA S. 17). 24 Bei seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung ist das Verwaltungsgericht ohne Verstoß gegen revisibles Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin nicht auf die Beweiserleichterung einer Vorverfolgung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU stützen kann (UA S. 6 ff.). Denn es sieht schon für eine ihr im Zeitpunkt der Ausreise bereits drohende Inhaftierung oder Einziehung zum Nationalen Dienst keine Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG. 25 Auf der Grundlage der tatrichterlichen, zumindest vertretbaren Würdigung der Verfolgungslage ist kein Raum für eine Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zu der von der Revision aufgeworfenen Vorlagefrage, ob Art. 10, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Buchst. e i.V.m. Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU der Auslegung einer nationalen Rechtsnorm entgegenstehe, nach welcher der Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung nicht vorliegen solle, wenn abstrakt die Möglichkeit bestehe, gegenüber dem eritreischen Staat eine ""Diaspora-Steuer"" zu entrichten und eine Reueerklärung zu unterzeichnen, die Abgabe der Reueerklärung und die Zahlung der Steuer im konkreten Fall aber unzumutbar sind und der betroffenen Person bei einer Rückkehr nach Eritrea auch keine Sicherheit gewährleisten würden. Das Verwaltungsgericht ist gerade nicht davon ausgegangen, der Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung liege bereits dann nicht vor, wenn abstrakt die Möglichkeit bestehe, den Diaspora-Status zu erlangen. Dabei ist es im Rahmen einer Gesamtwürdigung der eingeführten Erkenntnisse, darunter auch denen betreffend den Diaspora-Status, zu der Überzeugung gelangt, dass den für die Zuschreibung einer gegnerischen politischen Überzeugung sprechenden Umständen kein größeres Gewicht als den gegen eine solche Zuschreibung sprechenden Umständen zukommt (UA S. 12) und ""die Flucht vom Nationaldienst ohne Hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalles noch nicht für die Annahme eines politischen Verfolgungsgrundes"" genüge (UA S. 16); erst dann hat es im Einklang insbesondere mit Art. 4 Abs. 3 Buchst. b und c RL 2011/95/EU das individuelle Verfolgungsschicksal der Klägerin gewürdigt (UA S. 17). Ungeachtet dessen liegt es auf der Hand und stellt keine unionsrechtliche Zweifelsfrage dar, dass Art. 10 RL 2011/95/EU nicht hindert, die allgemeine Praxis der Diaspora-Steuer und Reueerklärung bei der Würdigung mitzuberücksichtigen, ob drohende Verfolgungsmaßnahmen an den Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung anknüpfen. Ob es auch der Klägerin möglich und zumutbar ist, auf diese Weise einer Bestrafung zu entgehen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn zu beurteilen ist hier lediglich die Gerichtetheit der - vom Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellten - drohenden Verfolgungshandlung. Diese hängt ersichtlich nicht davon ab, ob es dem Betroffenen möglich ist, schon die Verfolgungshandlung abzuwenden, sondern betrifft eine gänzlich andere Frage. Entsprechendes gilt für eine ""Bestrafung"" der Klägerin wegen ihrer illegalen Ausreise und der nachfolgenden Asylantragstellung. 26 An der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geht auch die Rüge der Revision vorbei, für die gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderliche Verknüpfung von Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründen reiche auch ein Zusammenhang im Sinne einer nicht unmaßgeblichen Mitverursachung der Verfolgungshandlung durch einen von mehreren Verfolgungsgründen aus. Denn das Verwaltungsgericht ist gerade nicht zu der Annahme gelangt, dass der Staat Eritrea allen Deserteuren und Dienstverweigerern sowie deren Familienangehörigen ohne weitere Anhaltspunkte eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibe und somit von einer politischen Gerichtetheit einer außergerichtlichen und willkürlichen Inhaftierung von Familienangehörigen auszugehen sei. Ebenso wenig geht es davon aus, dass die der Klägerin drohende Verfolgung zumindest auch auf ihrer ""politischen Überzeugung"" beruhe (UA S. 11 und 16). 27 Ohne Erfolg bleibt die Revision auch insoweit, als sie sich gegen die Würdigung der von dem Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen wendet. An diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt, insbesondere gegen gesetzliche Beweisregeln, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, oder gar die Grenze einer objektiv willkürfreien Würdigung überschreitet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20). 28 (b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision zudem gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die der Klägerin drohende Verfolgung knüpfe auch nicht an den Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG an. 29 Eine Gruppe gilt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 7. November 2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​720], Minister voor Immigratie en Asiel/X und Y sowie Z/Minister voor Immigratie en Asiel - NVwZ 2014, 132 Rn. 45 und vom 25. Januar 2018 - C-473/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​36], F/Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal - Rn. 30) müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein. 30 Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass der Verfolgungsgrund der ""bestimmten sozialen Gruppe"" nicht vorliegt (UA S. 11 und 20). Eine solche bestimmte soziale Gruppe begründet hier weder die Familie eines Deserteurs noch die Gesamtheit der Familien der eritreischen Deserteure noch die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs. 31 Nicht zu vertiefen ist, innerhalb welcher Grenzen eine Familie dem Grunde nach eine ""bestimmte soziale Gruppe"" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG beziehungsweise des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU verkörpert. Denn auf der Grundlage der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden verwaltungsgerichtlichen Feststellungen ist die Würdigung der Vorinstanz, es sei nicht ersichtlich, dass die eritreische Gesellschaft Personen mit einem solchen Hintergrund als andersartig betrachte (UA S. 20), im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die sinngemäße Annahme des Verwaltungsgerichts, die Gruppe der Familienangehörigen des Ehemannes der Klägerin habe in Eritrea keine deutlich abgrenzte Identität beziehungsweise ihr werde von dem eritreischen Staat keine solche deutlich abgegrenzte Identität zugeschrieben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werde (vgl. UA S. 20). Die von der Revision unter Hinweis auf Erwägungsgrund 36 der Richtlinie 2011/95/EU in Bezug genommene Vermutung, dass dem Mitglied der Familie eines politisch Verfolgten selbst politische Verfolgung drohe (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 27. April 1982 - 9 C 239.80 - BVerwGE 65, 244 <249 f.> und vom 2. Juli 1985 - 9 C 35.84 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 34 S. 102 f.), vermag das gewonnene Ergebnis nicht infrage zu stellen. Diese Vermutung geht von der Annahme aus, der Bezugsperson, hier dem Ehemann der Klägerin, drohe selbst Verfolgung wegen eines Verfolgungsgrundes. Für eine solche Übertragung einer Verfolgung auf Familienangehörige fehlt es hier schon an entsprechenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu einer etwaigen flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung des Ehemannes der Klägerin wegen eines Verfolgungsgrundes. Aus diesem Grund gibt die von der Revision als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob Art. 10, insbesondere Art. 10 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 10 Abs. 2 RL 2011/95/EU der Auslegung einer nationalen Rechtsnorm widerspricht, wonach der Verfolgungsgrund der bestimmten sozialen Gruppe nicht einschlägig sein soll, wenn dem Angehörigen einer (Kern-)Familie Verfolgungshandlungen gerade wegen des Verhaltens eines anderen Angehörigen der (Kern-)Familie drohen, keinen Anlass zu einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union. Denn Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU ist in Verbindung mit der oben aufgeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend eindeutig zu entnehmen, dass eine bestimmte soziale Gruppe in diesem Sinne nicht vorliegt, wenn die betroffene Gruppe nicht in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat beziehungsweise nicht von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. 32 Ob die Gesamtheit der Familien eritreischer Deserteure einen gemeinsamen Hintergrund im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG aufweist, der nicht verändert werden kann, oder ein Merkmal, das so bedeutsam für die Identität ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf dieses zu verzichten, ist nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls fehlt es auch insoweit aus den vorstehenden Gründen an der Voraussetzung des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht erkennen lassen, dass eine solche Gruppe von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird und daher in Eritrea eine deutlich abgegrenzte Identität hat. 33 Die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs ist zu inhomogen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG anzunehmen, da es bereits an dem Gemeinhaben eines unveränderlichen gemeinsamen Hintergrundes oder eines die Identität prägenden Merkmals fehlt. Im Übrigen kann auch insoweit nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG ausgegangen werden. 34 Eine Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für das Bestehen einer bestimmten sozialen Gruppe besteht hier nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat keine an diesen Verfolgungsgrund anknüpfende Vorverfolgung festgestellt. 35 (2) Gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AsylG verstößt ferner nicht die Würdigung des Verwaltungsgerichts, eine der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr etwaig drohende Einziehung zum eritreischen Nationalen Dienst knüpfe ersichtlich nicht an einen Verfolgungsgrund an (UA S. 6 f. und 21). 36 Es mag auf sich beruhen, ob die Einziehung zum eritreischen Nationalen Dienst als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG zu qualifizieren ist - das Verwaltungsgericht hat, ohne insoweit selbst weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen, angenommen, aufgrund der Bedingungen, denen die Dienstleistenden ausgesetzt seien, ""dürfte"" die Einziehung zum Nationalen Dienst als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zu bewerten sein (UA S. 6) - und ob der Klägerin eine solche im Falle ihrer Rückkehr tatsächlich drohte (vgl. UA S. 18). Denn die Würdigung des Verwaltungsgerichts, eine ihr nach Rückkehr drohende Einziehung knüpfe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b AsylG an, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Sind - wie von dem Verwaltungsgericht bindend festgestellt - praktisch sämtliche erwachsenen eritreischen Staatsbürger gleichermaßen ohne Ansehung ihrer Persönlichkeitsmerkmale betroffen (UA S. 6 f.), so fehlt es insbesondere an Anhaltspunkten, dass etwaige unmenschliche Behandlungen während des Nationalen Dienstes an eine der Klägerin zugeschriebene gegnerische politische Überzeugung anknüpfen. Aus denselben Erwägungen kann im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der Dienstverpflichteten im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG von der eritreischen Gesellschaft als andersartig betrachtet würde und daher eine deutlich abgegrenzte Identität besäße. 37 (3) Keinen im Revisionsverfahren beachtlichen Bedenken begegnet des Weiteren die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin vor ihrer Ausreise erlittene Genitalverstümmelung vermöge eine Vermutung für eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung nicht zu begründen (UA S. 17). 38 Eine Genitalverstümmelung kann als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG auch in Anknüpfung an die Zugehörigkeit der betroffenen Frau oder des betroffenen Mädchens zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 4 AsylG erfolgen, wonach eine Gruppe insbesondere auch als eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gilt, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Vorliegend fehlt es indes an einem ernsthaften Hinweis darauf, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea tatsächlich Gefahr liefe, eine geschlechtsspezifische Verfolgung zu erleiden. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist hier von dem Verwaltungsgericht als widerlegt angesehen worden, da stichhaltige Gründe der Annahme einer Wiederholungsträchtigkeit der von der Klägerin bereits erlittenen Genitalverstümmelung widerstreiten. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Eine andere Gefahr der geschlechtsspezifischen Verfolgung hat die Klägerin nicht vorgetragen. 39 bb) Des Weiteren verstößt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Klage auch hinsichtlich des Antrages des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen, nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 40 Der im Jahr 2015 im Bundesgebiet geborene Kläger hat eine Vorverfolgung nicht erlitten. Auf der Grundlage der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden verwaltungsgerichtlichen Würdigung der festgestellten Tatsachen muss er auch im Falle seiner Einreise nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen wegen eines Verfolgungsgrundes besorgen. Anhaltspunkte dafür, dass der eritreische Staat ihm eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibt und/oder dass mit Blick auf seine Stellung als Familienangehöriger eines Deserteurs und einer unerlaubt ausgereisten Dienstpflichtigen das Vorliegen der Voraussetzungen des Verfolgungsgrundes des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG anzunehmen sind, bestehen nach dem Vorstehenden nicht. 41 Einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe des § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG steht bereits entgegen, dass dem minderjährigen ledigen Kind entsprechend § 26 Abs. 2 AsylG auf Antrag die Flüchtlingseigenschaft nur dann zuzuerkennen ist, wenn dem ausländischen Elternteil die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde und diese Zuerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Wie unter aa) ausgeführt, war der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. 42 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das angefochtene Urteil beruhe hinsichtlich der Abweisung der auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea gerichteten Klage der Klägerin auf einem Verstoß gegen § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und gegen § 31 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO und § 40 VwVfG. Insoweit ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Denn § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG hindert in aller Regel und so auch hier die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für das mit dem Ziel der Ermöglichung eines Familiennachzuges verfolgte Begehren eines subsidiär schutzberechtigten Ausländers, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, zusätzlich die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. 43 Das Rechtsschutzinteresse fehlt einer von dem vermeintlichen Inhaber des behaupteten Anspruchs erhobenen Klage nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.>). Von dem Fehlen des Rechtsschutzinteresses ist dabei auszugehen, wenn der angestrebte Rechtsschutz die Rechtsstellung des Rechtsschutzsuchenden nicht zu verbessern, das heißt, ihm selbst bei Erfolg keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil zu vermitteln vermag (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1963 - 7 B 95.63 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 25 S. 43 und vom 28. August 1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <91>). In einem solchen Fall wäre es eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte, wenn über den Rechtsbehelf sachlich entschieden werden müsste. Dies zu verhindern, ist der Zweck der Sachurteilsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 1998 - 9 C 1.97 - BVerwGE 106, 339 <340 f.> und vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 32 f.). So verhält es sich hier. 44 Der asylgerichtliche Prüfungsrahmen in einem Asylerstantragsverfahren erfasst als eigenständige Streitgegenstände grundsätzlich die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes (in diesem Sinne zu § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a.F. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13) und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 15; zum Verhältnis von § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG a.F. und § 60 Abs. 5 AufenthG BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und 13, vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 17 und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146,12 Rn. 11). Die Rangfolge und Stufung fußt auf der Grundentscheidung, dass Schutz vor Gefahren im Herkunftsstaat vorrangig auf derjenigen Stufe zu gewähren ist, die den umfassendsten Schutz vermittelt (Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand Februar 2018, § 31 AsylG Rn. 24). 45 Die Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind gleichrangig und, sofern beide Streitgegenstände weiter verfolgt werden sollen, kumulativ zu beantragen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung subsidiären Schutzes stehen im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegehren. Zwischen dem Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und dem Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht schon wegen des hohen Ranges der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter kein verdrängendes Spezialitätsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 36 und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 Rn. 24). Allerdings gebührt der Prüfung des subsidiären Schutzes Vorrang vor der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbotes des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und 13) mit der Folge, dass für den Fall, dass dem Ausländer - wie hier der Klägerin - subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in der Regel die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausscheidet. 46 Ein tatsächlicher oder rechtlicher Vorteil aus der Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erwächst der Klägerin auch nicht im Hinblick auf einen damit verbundenen Regelanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, auf dessen Grundlage sie ihrem Ehemann einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzuges nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e i.V.m. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vermitteln könnte. Es ist schon zweifelhaft, ob neben einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG Raum für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG oder insoweit von einem atypischen, zur Versagung einer Aufenthaltserlaubnis berechtigenden oder gar verpflichtenden Fall auszugehen ist. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG schlösse jedenfalls die Erteilung einer solchen abgeleiteten Aufenthaltserlaubnis an den Ehemann der Klägerin aus. Nach dieser Vorschrift wird bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Familiennachzuges zu Personen, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erteilt worden ist, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2018, der Familiennachzug zu diesen Personen nicht gewährt. 47 Bereits nach dem Wortlaut des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG ist es für den Ausschluss des Familiennachzuges unerheblich, ob der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG überdies nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufenthaltsberechtigt ist. § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG knüpft die Sperrwirkung allein an die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG an. Eine Beschränkung dahingehend, dass die Bezugsperson ""nur"" oder ""ausschließlich"" eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG besitzen darf, ist dem Wortlaut der Übergangsvorschrift nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte hierfür liefert auch die binnensystematische Auslegung des § 104 Abs. 13 AufenthG nicht. Auch die Sätze 2 und 3 der Norm enthalten keinerlei Andeutung, dass von der Übergangsbestimmung Familienangehörige solcher Personen nicht erfasst sein sollten, die neben der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, die Personen mit subsidiärer Schutzberechtigung ohne Wahlrecht bezüglich der Rechtsgrundlage zu erteilen ist, nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG anspruchsberechtigt sind. Das Ergebnis der grammatischen und systematischen Auslegung wird durch Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG unterstrichen. Mit der Regelung verfolgte der Gesetzgeber das Interesse, die staatlichen und gesellschaftlichen Aufnahme- und Integrationssysteme vor einer temporären Überforderung zu schützen (BT-Drs. 18/7538 S. 1) und den mit der Aufnahme und Integration der Zuwanderer ausgelasteten Kommunen Zeit und Planungssicherheit zu geben, um die mit der Integration der bleibeberechtigten Ausländer verbundenen besonderen Herausforderungen zu meistern (BT-Drs. 19/595 S. 4). Diese gesetzgeberische Zielsetzung würde konterkariert, wenn der Zuzug subsidiär schutzberechtigten Personen ermöglicht würde, die zugleich auch gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK schutzberechtigt sind. Möglichen Zweifeln an der Vereinbarkeit des § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG mit höherrangigem Recht ist schon deswegen nicht nachzugehen, weil sie sich allein aufgrund und Reichweite der Beschränkung des Familiennachzuges auswirkten und kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes begründeten. 48 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG." bverwg_2018-25,19.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 25/2018 vom 19.04.2018 EN Kleinkind kann deutsche Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung verlieren Ein Kleinkind verliert eine kraft Abstammung durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit, wenn der deutsche „Scheinvater“, der die Vaterschaft zunächst anerkannt hatte, diese erfolgreich anficht, sofern es dadurch nicht staatenlos wird. Die Regelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes und des Bürgerlichen Rechts, aus denen dieser Verlust nach allgemeiner Rechtsüberzeugung abgeleitet wird, stehen bei verfassungskonformer Auslegung im Einklang mit dem Grundgesetz. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die 2004 in Deutschland geborene Klägerin begehrt die Feststellung, deutsche Staatsangehörige zu sein. Ihre Mutter ist serbische Staatsangehörige; sie besaß zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin keinen Aufenthaltstitel, sondern wurde seit 1994 fortlaufend geduldet. Vor der Geburt hatte ein deutscher Staatsangehöriger mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft der Klägerin anerkannt. Infolgedessen hatte die Klägerin mit der Geburt aufgrund der Abstammung von einem deutschen Vater die deutsche Staatsangehörigkeit erworben (§ 4 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG). Auf eine vom rechtlichen Vater kurz nach der Geburt erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage entschied das Familiengericht im November 2005 auf Grund eines Abstammungsgutachtens, dass die Klägerin nicht dessen Tochter sei. Einen im Jahr 2014 gestellten Antrag der Klägerin, festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige ist, lehnte der beklagte Landkreis ab. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen bestätigt. Die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin ist infolge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Geburt entfallen, weil damit feststeht, dass sie nicht von einem deutschen Staatsangehörigen abstammt (§ 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB). Der hierdurch herbeigeführte Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verstößt nicht gegen Art. 16 Abs. 1 GG. Er stellt keine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit dar, weil er auf diskriminierungsfreien Regelungen beruht und die Klägerin in einem Alter getroffen hat, in dem Kinder noch kein Bewusstsein über ihre Staatsangehörigkeit entwickelt haben. Der Verlust findet in § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1, § 1592 Nr. 2 BGB eine hinreichende gesetzliche Grundlage (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG), die dem Zitiergebot des Grundgesetzes nicht unterfällt. Die Verlustregelung lässt sich im Wege der verfassungskonformen Auslegung um eine verfassungsrechtlich erforderliche, seinerzeit aber noch nicht vorhandene Altersgrenze sowie um eine Ausnahme für den Fall der Staatenlosigkeit ergänzen. Die Klägerin war im maßgeblichen Zeitpunkt der Vaterschaftsanfechtung noch im (frühen) Kleinkindalter und ist auch nicht staatenlos geworden. Auf die Vaterschaftsanfechtung des „Scheinvaters“ ist nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 6/10) übertragbar, mit der das Gericht die eingriffsintensiveren Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft durch Behörden für nichtig erklärt hat. Gegen den mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit hier verbundenen Verlust der Unionsbürgerschaft bestehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken. BVerwG 1 C 1.17 - Urteil vom 19. April 2018 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 13 LC 21/15 - Urteil vom 07. Juli 2016 - VG Oldenburg, 11 A 2497/14 - Urteil vom 11. Februar 2015 -","Urteil vom 19.04.2018 - BVerwG 1 C 1.17ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C1.17.0 EN Staatsangehörigkeitsverlust durch Vaterschaftsanfechtung Leitsätze: 1. Wird auf die Vaterschaftsanfechtungsklage eines deutschen ""Scheinvaters"" festgestellt, dass dieser nicht der Vater des Kindes ist, verliert das Kind regelmäßig rückwirkend die durch Abstammung von ihm vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit. 2. Dieser Verlust stellt keine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit dar (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und beruht - wie von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt - auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (§ 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB). 3. Verfassungsrechtlich gebotenen Begrenzungen eines solchen Staatsangehörigkeitsverlusts kann, soweit erforderlich, hinreichend durch verfassungskonforme Auslegung Rechnung getragen werden; ihre Nichtberücksichtigung im Gesetz führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der Verlustfolge in materiell-verfassungsrechtlich unproblematischen Fällen. 4. Die unionsrechtlichen Anforderungen an einen mit dem Verlust der nationalen Staatsangehörigkeit einhergehenden Verlust der Unionsbürgerschaft sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt. Sie werden bei dem Staatsangehörigkeitsverlust infolge Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" gewahrt. Rechtsquellen GG Art. 16 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Satz 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 StAG § 4 Abs. 1, §§ 17, 30 BGB §§ 1592, 1597a, 1599, 1600 AufenthG § 25 Abs. 5, §§ 60a, 85a BVerfGG § 31 GRC Art. 7 AEUV Art. 20 EGV Art. 234 EMRK Art. 8 EuStAngÜbk Art. 4 Buchst. b und c, Art. 7 Abs. 1 Instanzenzug VG Oldenburg - 11.02.2015 - AZ: VG 11 A 2497/14 OVG Lüneburg - 07.07.2016 - AZ: OVG 13 LC 21/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.04.2018 - 1 C 1.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:190418U1C1.17.0] Urteil BVerwG 1 C 1.17 VG Oldenburg - 11.02.2015 - AZ: VG 11 A 2497/14 OVG Lüneburg - 07.07.2016 - AZ: OVG 13 LC 21/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist. 2 Sie wurde im März 2004 in Deutschland geboren. Ihre Mutter, eine serbische Staatsangehörige, hielt sich seit 1994 auf der Grundlage ausländerrechtlicher Duldungen im Bundesgebiet auf. Im Dezember 2013 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. 3 Bereits vor der Geburt der Klägerin hatte der deutsche Staatsangehörige H. K. mit Zustimmung der Kindesmutter die Vaterschaft anerkannt. Nachdem bei der Beklagten Zweifel an der (biologischen) Vaterschaft aufgekommen waren, erklärte H. K. im Juni 2004 gegenüber der Ausländerbehörde, dass er nicht der leibliche Vater der Klägerin sei. Auf eine von ihm erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage entschied das Amtsgericht - Familiengericht - W. nach Einholung eines Abstammungsgutachtens mit Urteil vom 3. November 2005 - 6 F 304/04 Kl -, dass die Klägerin nicht seine Tochter ist. Die Entscheidung ist seit dem 8. Dezember 2005 rechtskräftig. Bereits im März 2005 hatte ein serbisch-montenegrinischer (heute serbischer) Staatsangehöriger die Vaterschaft hinsichtlich der Klägerin anerkannt. 4 Im März 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten, gemäß § 30 StAG festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige ist. Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt. Die zunächst durch Abstammung von einem deutschen Vater im Rechtssinne erworbene deutsche Staatsangehörigkeit sei mit der Vaterschaftsanfechtung rückwirkend wieder entfallen. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen. 5 Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 7. Juli 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die durch Geburt zunächst erworbene deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin sei mit der rechtskräftigen negativen Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1599 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt wieder entfallen. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verstoße nicht gegen Art. 16 Abs. 1 GG. Es handele sich nicht um eine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG), denn der Verlust habe weder eine Diskriminierungswirkung noch habe die zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr und neun Monate alte Klägerin die Staatsangehörigkeit in einem Alter verloren, in dem Kinder normalerweise bereits ein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und ein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt hätten. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen zulässigen Verlust der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG seien erfüllt. Er finde seine Grundlage in § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB in der 2005 geltenden Fassung. Diese Regelungen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" eine hinreichend bestimmte Schranke im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. § 4 Abs. 1 StAG enthalte insoweit nicht nur eine Rechtsgrundlage für den Erwerb der Staatsangehörigkeit, sondern zugleich auch eine Verlustgrundlage. Abweichende Ausführungen in dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Behördenanfechtung der Vaterschaft bezögen sich auf einen völlig anderen Anwendungsfall des § 4 Abs. 1 StAG und seien daher nicht übertragbar. Trotz gewisser Einwirkungen der Ausländerbehörde auf den ""Scheinvater"" handele es sich hier auch nicht um eine ""verkappte"" Behördenanfechtung. Vielmehr habe die durch den Scheinvater erklärte Anfechtung auf dessen freiem Willensentschluss beruht. Die Klägerin sei auch nicht staatenlos geworden, weil sie durch Geburt von ihrer Mutter die serbische Staatsangehörigkeit erworben habe. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor, weil dieses bereits nicht anwendbar sei. Auch Unionsrecht sei hier nicht deshalb verletzt, weil die Klägerin mit der deutschen Staatsangehörigkeit zugleich die Unionsbürgerschaft verloren habe. Der unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt, denn die Klägerin habe die Unionsbürgerschaft nicht einmal zwei Jahre lang besessen und in diesem geringen Alter noch kein Vertrauen auf deren Bestand bilden können. Da die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts nicht zweifelhaft sei, bedürfe es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. 6 Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin vor allem eine Verletzung von Art. 16 Abs. 1 GG. Es liege eine unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit vor. Das Berufungsgericht habe bei der Definition der ""Entziehung"" Maßstäbe zugrunde gelegt, die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abwichen; insbesondere habe es unzutreffend auf das Erreichen eines bestimmten Alters abgestellt. Entscheidend sei die fehlende bzw. unzumutbare Beeinflussbarkeit des Fortfalls der deutschen Staatsangehörigkeit im familiengerichtlichen Verfahren. Die Annahme eines Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit verstoße auch gegen den Gesetzesvorbehalt (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie gegen das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handele es sich bei dem Staatsangehörigkeitsgesetz, das zahlreichen Änderungen unterworfen gewesen sei, nicht um eine vorkonstitutionelle Regelung. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung strenge Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt gestellt und auch das Zitiergebot für einschlägig gehalten, obwohl im deutschen Recht bereits von 1938 bis 1961 eine behördliche Vaterschaftsanfechtung vorgesehen gewesen sei. Die Revision sei auch mit der Verfahrensrüge begründet, weil das Berufungsgericht es unter Verletzung von § 138 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unterlassen habe, den Rechtsstreit zur Klärung der aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. 7 Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt. II 9 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung hat, dass sie deutsche Staatsangehörige ist. Sie hat die mit der Geburt kraft Abstammung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit infolge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung rückwirkend wieder verloren. 10 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeitsbehörde (§ 30 Abs. 1 Satz 1 StAG). Dieses verfolgt sie in statthafter Weise mit der Verpflichtungsklage (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 12-14). 11 Maßgeblich für die Prüfung des Anspruchs auf behördliche Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist die gegenwärtige Sach- und Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 9 Rn. 9) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2218). Für den Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes ist allerdings aus Gründen des materiellen Rechts auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts der jeweiligen Voraussetzungen abzustellen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 1 C 30.16 - NJW 2018, 881 Rn. 11). Das gilt auch für einen Wegfall der Eigenschaft als rechtlicher Vater und dessen zeitliche (Rück-)Wirkung, die sich nach den im Zeitpunkt der Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils, mit dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wurde, geltenden Rechtsvorschriften des bürgerlichen Rechts richten. 12 Die Klage ist nicht begründet, weil die Klägerin nicht deutsche Staatsangehörige ist. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit zwar bei Geburt durch Abstammung von einem deutschen Vater im Rechtssinne zunächst erworben. Infolge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung ist die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin jedoch rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Geburt wieder entfallen (1.). Dieser Staatsangehörigkeitsverlust steht im Einklang mit dem Grundgesetz; er verletzt insbesondere nicht Art. 16 Abs. 1 GG oder Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (2.). Dem damit verbundenen Verlust der Unionsbürgerschaft stehen auch keine unionsrechtlichen Regelungen entgegen (3.). Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch (4.). 13 1. Die Klägerin hat bei ihrer Geburt im Jahr 2004 die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG in der damals geltenden Fassung zunächst kraft Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen erworben. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StAG). 14 Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte die Mutter der Klägerin ihr die deutsche Staatsangehörigkeit nicht vermitteln. Ein Erwerb kraft Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG kam nicht in Betracht, weil die Mutter nicht deutsche, sondern (ausschließlich) serbische Staatsangehörige war. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung für einen Erwerb durch Geburt im Inland (ius soli) lagen mangels Aufenthaltstitels der Mutter nicht vor. Für den (mutmaßlichen) biologischen Vater der Klägerin gilt nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts im Ergebnis das Gleiche. Inwieweit dieser die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG erfüllt und mithin als Vater im Rechtssinne anzusehen ist, kann daher dahinstehen. 15 Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit aber aufgrund Abstammung von einem deutschen Vater im Rechtssinne erworben, weil der deutsche Staatsangehörige H. K. bereits vor ihrer Geburt mit Zustimmung der Kindesmutter nach § 1594 ff. BGB die Vaterschaft anerkannt hatte und deshalb als ihr Vater im Rechtssinne anzusehen war (§ 1592 Nr. 2 BGB). Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Wirksamkeit dieser Vaterschaftsanerkennung nicht entgegensteht, dass H. K. sie in sicherer Kenntnis abgegeben hat, nicht der biologische Vater zu sein. Die Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung setzt nicht voraus, dass der Anerkennende tatsächlich der leibliche Vater des anerkannten Kindes ist oder dies zumindest glaubt (siehe auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. August 2006 - 2 M 228/06 - juris Rn. 18 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 6. März 2008 - 7 A 11276/07 - AuAS 2008, 194; Kau, in: Hailbronner u.a. , Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 4 Rn. 25). Nach der hier maßgeblichen Rechtslage im Jahr 2004 konnte eine Vaterschaftsanerkennung vielmehr ""aus beliebigen Gründen"" erfolgen (so BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 45 = juris Rn. 48). 16 Unerheblich ist, dass der Gesetzgeber dies jüngst geändert und durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. S. 2780) mit Wirkung vom 29. Juli 2017 ein Verbot missbräuchlicher Anerkennung der Vaterschaft (§ 1597a BGB neu) in das BGB eingefügt hat. Bei Verdacht einer solchen hat nunmehr die beurkundende Behörde die Beurkundung auszusetzen und die Ausländerbehörde zu informieren, die sodann gemäß § 85a AufenthG n.F. prüft und - unter Berücksichtigung der in § 85a Abs. 2 AufenthG aufgestellten Vermutungsregelungen - abschließend entscheidet, ob die Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist. Denn diese Neuregelungen messen sich keine Rückwirkung bei und haben mithin vorliegend als noch nicht maßgeblich außer Betracht zu bleiben. Unabhängig davon zielen sie nicht darauf, einen Unwirksamkeitsgrund für erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu schaffen, sondern darauf, bei Missbrauch dieses Instruments zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken schon im Vorfeld zu verhindern, dass es zu einer Vaterschaftsanerkennung kommt. 17 Geklärt ist ferner, dass die nach § 1592 Nr. 2 BGB entstandene rechtliche Vaterschaft bis zu ihrer erfolgreichen Anfechtung eine rechtlich vollwertige und nicht bloß ""scheinbare"" Vaterschaft auch dann ist, wenn der Anerkennende nicht der Erzeuger des Kindes ist. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 Rn. 12; Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 24 = juris Rn. 27). 18 Die Klägerin hat jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit durch das auf die Vaterschaftsanfechtung des H. K. ergangene, rechtskräftig gewordene Feststellungsurteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - W. nach § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1, § 1592 Nr. 2 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Geburt wieder verloren. Durch dieses Urteil ist rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin nicht von H. K. abstammt (§ 1599 Abs. 1 BGB), womit seine nach § 1592 Nr. 2 BGB bestehende Vaterschaft im Rechtssinne mit Wirkung für und gegen alle (§ 640h ZPO a.F.) entfallen ist. Dass der Wegfall der Vaterstellung auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurückwirkt, entspricht einer allgemeinen Rechtsüberzeugung und ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 - NJW 2012, 852 Rn. 17; Beschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 56/16 - NJW 2017, 1954 Rn. 14; ebenso bereits Urteil vom 3. November 1971 - IV ZR 86/70 - BGHZ 57, 229 = juris Rn. 13 für die frühere Ehelichkeitsanfechtung; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017 § 1599 Rn. 51; Budzikiewicz, in: Jauernig, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 2015, Anm. zu §§ 1599-1600c Rn. 17). 19 Im Zusammenwirken damit wird die in § 4 Abs. 1 StAG (und zuvor in § 4 Abs. 1 RuStAG) enthaltene Regelung zum Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit seit jeher dahin verstanden, dass sie diesen Erwerb - soweit er allein vom Vater abgeleitet wird - unter den Vorbehalt stellt, dass die Vaterschaft (bzw. früher: die Ehelichkeit des Kindes) nicht erfolgreich angefochten wird. Mit Rechtskraft eines familiengerichtlichen Urteils, wonach die Vaterschaft nicht besteht, entfallen rückwirkend auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG für den Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vom Vater; einfachrechtlich gilt dieser Erwerb als nicht erfolgt. Auch diese Annahme, wonach das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass der Staatsangehörigkeitserwerb mit erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung rückwirkend entfällt, entspricht einer allgemeinen, hergebrachten Rechtsüberzeugung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 Rn. 21 unter Hinweis u.a. auf VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10419/85 - NJW 1986, 676 <677>; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 - juris Rn. 17 f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 20. September 2002 - 4 Bs 238/02 - NordÖR 2003, 213 <214>; VG Berlin, Urteil vom 27. Februar 2003 - 29 A 237.02 - juris Rn. 44; OVG Magdeburg, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 - InfAuslR 2006, 56 <57>; siehe auch Marx, in: GK-StAR, Stand Dezember 2014, § 4 StAG Rn. 176). 20 2. Dieser Staatsangehörigkeitsverlust steht im Einklang mit dem Grundgesetz; er verletzt insbesondere nicht Art. 16 Abs. 1 GG oder Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. 21 a) Art. 16 Abs. 1 GG enthält Vorkehrungen gegen einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Er unterscheidet dabei zwischen einer - absolut unzulässigen - Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem unter bestimmten Voraussetzungen zulässigen - sonstigen - Verlust (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG). Der aus § 4 Abs. 1 StAG in Verbindung mit § 1599 BGB folgende rückwirkende Wegfall des Staatsangehörigkeitserwerbs nach einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung durch den die Staatsangehörigkeit vermittelnden rechtlichen Vater (""Scheinvater"") greift zwar in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG ein (unten aa). Er verletzt diese Vorschrift aber nicht, weil darin keine nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit liegt (unten bb), sondern ein hier gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG zulässiger Verlust (unten cc). 22 aa) Der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Ein solcher Eingriff liegt auch vor, wenn - wie hier - infolge erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung eine Voraussetzung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit rückwirkend entfällt. Verfassungsrechtlich ist die durch § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB vermittelte Staatsangehörigkeit eine rechtlich vollwertige Staatsangehörigkeit, die nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 1 GG vor Verlust geschützt ist (s.o.). Daran ändert der Umstand nichts, dass die deutsche Staatsangehörigkeit infolge des auf die Vaterschaftsanfechtung ergangenen rechtskräftigen Feststellungsurteils mit ex-tunc-Wirkung entfällt, rückblickend betrachtet also als nie erworben erscheint. Zwar ging die frühere Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass aufgrund dieser Regelungstechnik ein vor Art. 16 Abs. 1 GG rechtfertigungsbedürftiger Verlust nicht vorlag, weil eine Staatsangehörigkeit, die bei ex-post-Betrachtung nicht erworben wurde, nicht verloren gehen könne. Danach griff Art. 16 Abs. 1 GG zwar auch für eine aufgrund Vaterschaftsanerkennung erworbene Staatsangehörigkeit ein, soweit es um anderweitige Aberkennungen ging. Gegen den rückwirkenden Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen konnte das Grundrecht aber nicht schützen (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 17. Juli 2001 - 13 S 221/01 - AuAS 2001, 256 <257>; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 - NVwZ-RR 2005, 212 <213>; dazu auch Marx, in: GK-StAR, Stand Dezember, 2014 § 4 StAG Rn. 176 und 178; offenlassend BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <220>). 23 Dieser Betrachtungsweise ist das Bundesverfassungsgericht (erstmals) im Urteil des Zweiten Senats zur Rücknahme erschlichener Einbürgerungen vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - (BVerfGE 116, 24 <46> = juris Rn. 54) entgegengetreten, um zu verhindern, dass der Schutz des Grundrechts gegenüber jeder gesetzlichen Regelung, die eine Wegnahme der Staatsangehörigkeit mit Wirkung ex-tunc vorsieht oder ermöglicht, leer läuft. Das Grundrecht könnte dann selbst gegen Maßnahmen nicht mehr schützen, die im Kern seiner historischen Schutzrichtung liegen. In der Folge hat das Bundesverfassungsgericht auch für den konkreten Fall eines rückwirkenden Wegfalls gesetzlicher Erwerbsvoraussetzungen entschieden, dass hierin ein Verlust im verfassungsrechtlichen Sinne zu sehen ist. Die gesetzgeberische Regelungstechnik einer Rückwirkung auf den Erwerbszeitpunkt macht die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft bzw. Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 Rn. 15, Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater""; Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 24 = juris Rn. 27, Vaterschaftsanfechtung durch Behörden). 24 bb) Der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin verletzt nicht Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf. Mit dem Entziehungsverbot trat der Parlamentarische Rat missbräuchlichen Aberkennungen der Staatsangehörigkeit entgegen, wie sie von den nationalsozialistischen und kommunistischen Diktaturen vorgenommen waren bzw. wurden. Beeinträchtigungen des Staatsangehörigkeitsstatus durch Aufspaltung in Zugehörigkeitsverhältnisse besserer und minderer Güte und Wegnahmen der Staatsangehörigkeit nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien der Würdigkeit raubten der Staatsangehörigkeit ihre Bedeutung als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit und verkehrten sie damit in ein Mittel der Ausgrenzung statt der Integration. Dem sollte für die Zukunft vorgebeugt werden. Ausgehend von diesem historischen Hintergrund und erkennbaren Zweck des Entziehungsverbots betrachtet das Bundesverfassungsgericht als Entziehung ""jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt"" (grundlegend BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <44> = juris Rn. 49 f.). Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liege insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <44> = juris Rn. 49 f., ebenso Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 28 = juris Rn. 31). 25 Es kann im Ergebnis offenbleiben, ob eine zumutbare Beeinflussungsmöglichkeit im vorliegenden Fall bestanden hat. Die Klägerin selbst konnte den infolge der Vaterschaftsanfechtung eintretenden Verlust ihrer Staatsangehörigkeit nicht beeinflussen. Zwar kommt in Betracht, Kindern die Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen, und kann unter besonderen Umständen bereits ein Einfluss auf den Erwerbsvorgang als Einfluss auch auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten sein (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 31 ff. = juris Rn. 34 ff.). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (vgl. näher BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 43 ff. = juris Rn. 46 ff.). Hierfür spricht vorliegend nach Lage der Akten zwar sehr viel; der Senat ist jedoch an die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts gebunden (§ 137 Abs. 1 VwGO) und kann nicht selbst zusätzliche (nicht erkennbar unstreitige) Tatsachen feststellen. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, der (vormalige) rechtliche Vater habe die Vaterschaft in sicherer Kenntnis anerkannt, nicht der biologische Vater zu sein. Fest steht auch, dass die Mutter der Klägerin bei der Vaterschaftsanerkennung einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dies allein reicht für die Annahme einer rechtsmissbräuchlich auf die Umgehung des Aufenthaltsrechts zielenden Vaterschaftsanerkennung aber nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 48 ff. = juris Rn. 51 ff.; siehe nunmehr auch die Vermutungsregelungen in § 85a Abs. 2 AufenthG). Allerdings kann in der streitgegenständlichen Fallkonstellation der Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" dieser den Staatsangehörigkeitsverlust unmittelbar beeinflussen, indem er auf die Anfechtung der Vaterschaft verzichtet. Neben der Frage, ob dessen Entscheidung dem Kind staatsangehörigkeitsrechtlich auch dann zuzurechnen wäre, wenn der anfechtende Elternteil nicht (allein) personensorgeberechtigt ist, bedürfte der Prüfung, ob es für einen ""Scheinvater"" unzumutbar ist, im Interesse der Staatsangehörigkeit des Kindes auf die Vaterschaftsanfechtung - und damit auf die Beseitigung seiner Unterhaltspflicht - zu verzichten. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Anerkennung der Vaterschaft vorausgegangen ist, die - was vorliegend nicht abschließend beurteilt werden kann - nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts erfolgte. 26 Ob der Staatsangehörigkeitsverlust der Klägerin durch Entscheidungen ihrer Eltern in zumutbarer Weise beeinflusst werden konnte, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Senat erachtet diese Frage mit dem Berufungsgericht und dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - (NJW 2007, 425) in der vorliegenden Fallkonstellation für nicht entscheidungserheblich. 27 Das Bundesverfassungsgericht hat für den - auch hier streitgegenständlichen - Fall eines kraft Gesetzes eintretenden Staatsangehörigkeitsverlusts infolge einer Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" nicht darauf abgestellt, ob der Verlust durch das Kind oder eine ihm zuzurechnende Entscheidung seiner Eltern beeinflusst werden kann. Denn die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit wird durch einen Staatsangehörigkeitsverlust infolge einer derartigen Vaterschaftsanfechtung jedenfalls dann nicht beeinträchtigt, wenn sich das betroffene Kind in einem Alter befindet, in dem Kinder üblicherweise ein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und Vertrauen auf deren Bestand noch nicht entwickelt haben. Den Aspekt der Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus aller Staatsangehörigen sah das Bundesverfassungsgericht deshalb gewahrt, weil die herkömmlichen familienrechtlichen Vorschriften über die Vaterschaftsanfechtung allgemeiner Natur, insbesondere in ihrem Anwendungsbereich rein biologisch determiniert, frei von irgendeinem diskriminierenden Gehalt und nicht auf eine zielgerichtete Beseitigung der Staatsangehörigkeit bezogen sind. Die Verbindung, die das Staatsangehörigkeitsrecht zu diesen Regelungen mittelbar herstellt, indem es, seinerseits diskriminierungsfrei, den Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an die deutsche Staatsangehörigkeit mindestens eines Elternteils knüpft, läuft daher dem Sinn und Zweck des Entziehungsverbots nicht zuwider. Auch die gebotene Verlässlichkeit ist jedenfalls dann nicht beeinträchtigt, wenn der Staatsangehörige in einem Alter von dem Verlust betroffen wird, in dem Kinder normalerweise noch kein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt haben. 28 Dies steht auch im Einklang mit dem kurz zuvor ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - (BVerfGE 116, 24 <44> = juris Rn. 49 f.); jedenfalls hat die - an die Senatsrechtsprechung gebundene - Kammer in dieser Entscheidung offensichtlich keinen Widerspruch gesehen. Die Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 BVerfGG schließt es nicht aus, die auf die Beeinflussbarkeit abstellende konkretisierende Definition des Entziehungsbegriffes in den Senatsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 (- 2 BvR 669/04 -) und vom 17. Dezember 2013 (- 2 BvL 6/10 -) in der vorliegenden Fallkonstellation zu modifizieren und eine Entziehung aus anderen Gründen zu verneinen. Nach dieser Vorschrift binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Die Reichweite der Bindungswirkung abstrakter verfassungsrechtlicher Obersätze kann aber nur in Verbindung mit der verfassungsrechtlichen Bewertung des konkret entschiedenen Sachverhalts bestimmt werden. § 31 Abs. 1 BVerfGG setzt daher unausgesprochen voraus, dass der Fall, welcher der Bindungswirkung auslösenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegt, und der Fall, welcher vom Fachgericht als Adressat der Bindungswirkung zu entscheiden ist, ein hohes Maß an Deckungsgleichheit aufweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1999 - 6 C 9.98 - BVerwGE 108, 355 <359 ff.>; Beschluss vom 15. März 2005 - 6 B 5.05 - juris Rn. 7 m.w.N.), es sich um einen bloßen Wiederholungs- oder Parallelfall handelt (BVerfG, Urteil vom 22. November 2001 - 2 BvE 6/99 - BVerfGE 104, 151 <197 f.>). Daran fehlt es hier. Denn vorliegend geht es weder um die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung noch um einen Staatsangehörigkeitsverlust aufgrund einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung. 29 Bei der hier streitgegenständlichen Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" nicht maßgeblich auf eine zumutbare Beeinflussungsmöglichkeit durch das Kind oder seine Eltern abzustellen, gründet in für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentlichen Unterschieden zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung sowie zur Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung, die ein zusätzliches Abstellen auf eine ""Beeinflussbarkeit"" hier sachwidrig machen. Beim rückwirkenden Wegfall einer allgemein anerkannten Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund der allgemein anerkannten, unstreitig sachlich begründeten und seit jeher vorgesehenen Möglichkeit nachträglicher Beseitigung einer rechtlichen Vaterschaft durch den ""Scheinvater"" ist der Zweck des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG, vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts zu schützen (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 36 = juris Rn. 39), von vornherein nicht beeinträchtigt. Anders als bei der vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Vaterschaftsanfechtung durch Behörden wird der kraft Gesetzes eintretende Staatsangehörigkeitsverlust vorliegend allein durch eine private Entscheidung ausgelöst und ist von daher der freien Verfügung des Staates entzogen. Aus diesem Grund liegt in der Übernahme des vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 24. Mai 2006 entwickelten Entziehungsbegriffs im Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - (BVerfGE 135, 48 Rn. 28 = juris Rn. 31) auch keine Abkehr von der zur Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" getroffenen Kammerentscheidung. Davon ausgehend kann in dieser Konstellation allenfalls noch die Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus beeinträchtigt sein. Auch das ist aber jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich ein Betroffener bei Rechtskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft in einem Alter befindet, in dem Kinder üblicherweise noch kein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt haben. So liegt der Fall hier, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine zwei Jahre alt war. 30 Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeutet dies nicht, dass Kleinkinder vom Grundrechtsschutz des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausgeschlossen wären. Diese - auch in der Literatur (vgl. Silagi, StAZ 2007, 133) vereinzelt geäußerte - Kritik beruht auf einem Missverständnis der entscheidungstragenden Ausführungen des Kammerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - (NVwZ 2007, 425). Darin hat das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG als eröffnet gesehen und das Nichtvorliegen einer unzulässigen Entziehung nicht allein mit dem geringen Alter des betroffenen Kindes begründet, sondern kumulativ auch darauf abgestellt, dass der Staatsangehörigkeitsverlust bei der Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" auf nichtdiskriminierenden Regelungen beruht (s.o.). Vor willkürlicher Aberkennung der Staatsangehörigkeit sind damit - unbestritten - auch Kleinkinder geschützt; ebenso können sie sich im Grundsatz auf Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. 31 cc) Der Staatsangehörigkeitsverlust der Klägerin ist auch mit Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Nach dieser Vorschrift darf der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. Diese Voraussetzungen sind bei dem Wegfall der Staatsangehörigkeit infolge einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" erfüllt, sofern der Verlust den Betroffenen - wie hier - im Kleinkindalter trifft und dieser nicht staatenlos wird. 32 (1) § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1, § 1592 Nr. 2, § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB stellen eine hinreichende gesetzliche Grundlage für den Staatsangehörigkeitsverlust bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" dar. Diese genügt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG und ist hinreichend bestimmt. 33 Der Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG soll Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen sicherstellen. Diese sind durch ein mit § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB, ergänzt durch zwei unbestrittene ""ungeschriebene Rechtsregeln"", verbundenes Abhängigbleiben eines nur über den Vater erfolgten Staatsangehörigkeitserwerbs von einem Fortbestehen der rechtlichen Vatereigenschaft im Regelfall nicht gefährdet. Es ist aufgrund ständiger Rechtsprechung vorhersehbar und auch für nicht juristisch Vorgebildete einsichtig, dass ein Staatsangehörigkeitserwerb nach dem Vater im Rechtssinne davon abhängt, dass die Vaterschaft nicht erfolgreich angefochten wird. Wird der Staatsangehörigkeitserwerb nach § 4 Abs. 1 StAG an die Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen geknüpft, so ergibt sich daraus der Sache nach zugleich ein Verlustgrund, wenn eine zunächst rechtlich vorhandene Abstammung später mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt wegfällt und damit eine Erwerbsvoraussetzung rückwirkend beseitigt wird. Dieser ""Automatismus"" ist in § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB selbst angelegt, wenngleich dabei zwar ungeschriebene, aber unumstrittene Rechtsregeln - die zivilrechtliche Rückwirkung des Vaterschaftsanfechtungsurteils sowie das rückwirkende Entfallen der staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 79 = juris Rn. 82) - mitgedacht werden müssen. Darin liegt eine hinreichende gesetzliche Grundlage für den Staatsangehörigkeitsverlust als - nicht behördlicherseits ausgelöste und bezweckte - gesetzliche Nebenfolge einer herkömmlichen, privatautonomen Vaterschaftsanfechtung durch den bisherigen Vater im Rechtssinne. 34 Dem steht nicht entgegen, dass § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich als Verlustvorschrift gefasst und in der Aufzählung der Verlustgründe in § 17 Abs. 1 StAG nicht enthalten ist, sondern sich der Verlust nur implizit aus dem rückwirkenden Wegfall einer maßgeblichen Erwerbsvoraussetzung ergibt. Bei der impliziten Verlustregelung ist es selbst nach der aktuellen, hier noch nicht maßgeblichen Fassung des § 17 Abs. 2 und 3 StAG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158) geblieben, weil auch diese einen anderweitig gesetzlich vorgesehenen Verlust voraussetzt, ohne ihn selbst zu regeln. Dies belegt nachträglich auch für den hier maßgeblichen Zeitpunkt vor Inkrafttreten dieser Regelungen, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass es sich bei den in § 17 Abs. 1 StAG ausdrücklich benannten Verlustgründen um keine abschließende Aufzählung handelt, sondern ""Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten"", daneben möglich sind und bleiben. Hiervon ist auch das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Rücknahme erschlichener Einbürgerungen ausgegangen, soweit die die Entscheidung tragenden Richter § 48 VwVfG als hinreichende Rechtsgrundlage für eine solche Entscheidung angesehen haben (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <51 ff.>). 35 Bei der - hier streitgegenständlichen - Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater entspricht es einer jahrzehntelangen Rechtspraxis und allgemeiner Rechtsüberzeugung, dass die Rechtskraft eines das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils eine Voraussetzung für den Staatsangehörigkeitserwerb rückwirkend beseitigt und somit ein Staatsangehörigkeitserwerb aus der ex-post-Betrachtung nicht stattgefunden hat. Einfachrechtlich ist der Wegfall der Staatsangehörigkeit also seit jeher nicht als Verlust konstruiert, sondern als rückwirkender ""Nichterwerb"". Dies erklärt, warum der Gesetzgeber diesen bis heute nicht in den zusammenfassenden Katalog der Verlustgründe nach § 17 Abs. 1 StAG aufgenommen hat (so auch BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2014 - 10 B 2.14 - juris Rn. 10). Die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2006, wonach eine solche gesetzliche Konstruktion verfassungsrechtlich nicht zur Folge haben kann, dass ein durch sie bewirktes Entfallen der Staatsangehörigkeit einer Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG entgeht, dass also - verfassungsrechtlich betrachtet - auch hier ein Verlust vorliegt, begründete für den einfachen Gesetzgeber keinen Zwang, die Konstruktion als rückwirkender Wegfall des Erwerbs als solche aufzugeben (a.A. etwa Oberhäuser, in: Hofmann , Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 17 StAG Rn. 23). 36 Keine andere Beurteilung rechtfertigen die weitergehenden Bestimmtheitsanforderungen an die erforderliche Verlustgrundlage, die das Bundesverfassungsgericht im Falle einer gerade auf die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes zielenden, staatlich veranlassten Vaterschaftsanfechtung stellt (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 78 ff. = juris Rn. 81 ff.). Diese weitergehenden Anforderungen folgen aus der größeren Eingriffsintensität einer behördlichen Anfechtung der Vaterschaft, die in die privaten Familienrechtsverhältnisse staatlicherseits eingreift, um die Staatsangehörigkeit des Kindes zielgerichtet zu beseitigen. Auf diesen Unterschied hat zu Recht bereits das Verwaltungsgericht in der hier zugrunde liegenden erstinstanzlichen Entscheidung hingewiesen (VG Oldenburg, Urteil vom 11. Februar 2015 - 11 A 2497/14 - UA S. 6 f.). Diesen Unterschied vernachlässigt die Auffassung, die in den familienrechtlichen Regelungen über die Vaterschaftsanfechtung durch an der Familie im weiten Sinne beteiligte Privatpersonen eine gesetzliche Regelung über einen möglichen Verlust der Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes sucht und vermisst (so OVG Schleswig, Beschluss vom 11. Mai 2016 - 4 O 12/16 - juris Rn. 14). Mangels verfassungsrechtlich vergleichbarer Problemstellung und Schutzbedarfe besteht auch insoweit keine Bindung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - (BVerfGE 135, 48). 37 Eine Anwendung der im Beschluss vom 17. Dezember 2013 entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätze zur Behördenanfechtung ist vorliegend auch nicht deshalb geboten, weil es sich um eine ""verkappte Behördenanfechtung"" handelte. Das Berufungsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass die Vaterschaftsanfechtung ungeachtet der Einwirkungen der Ausländerbehörde des Beklagten auf den (zeitweiligen) rechtlichen Vater auf dessen freiem Willensentschluss beruhte. 38 (2) § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1, § 1592 Nr. 2 BGB verfehlen auch nicht deshalb schon insgesamt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte und verhältnismäßige gesetzliche Verlustgrundlage im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie keine Altersgrenze (oder anderweitige zeitliche Befristung) für den Verlust vorsehen. Die Verlustgrundlage ist in Fällen, die dazu Anlass geben, einer verfassungskonformen - einschränkenden - Auslegung dahin zugänglich, dass ein Staatsangehörigkeitsverlust nicht eintritt, wenn das betroffene Kind ein ""relativ frühes Kindesalter"" überschritten hat. Vorliegend liegt ein solcher Fall jedenfalls nicht vor. 39 Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit infolge gerichtlicher Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft ist verhältnismäßig, wenn ihm zeitliche Grenzen gesetzt sind. Er verfolgt mit der Durchsetzung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Abstammungsprinzips und der Einheit der Rechtsordnung einen legitimen Zweck, der der Sache nach auch völkerrechtlich anerkannt ist. Denn nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997 (BGBl. 2004 II, 579 - EuStAngÜbk) darf ein Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht den Verlust der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes oder auf seine Veranlassung u.a. dann vorsehen, wenn während der Minderjährigkeit eines Kindes festgestellt wird, dass die durch innerstaatliches Recht bestimmten Voraussetzungen, die zum Erwerb der Staatsangehörigkeit geführt haben, nicht mehr erfüllt sind. 40 Wegen der erheblichen Belastungswirkung des kraft Gesetzes eintretenden Staatsangehörigkeitsverlusts, die - auch bei einer privatautonom veranlassten Vaterschaftsanfechtung - mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer des Innehabens der deutschen Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenze zu setzen (vgl. näher BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 82 ff. = juris Rn. 85 ff.). Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 696/04 - BVerfGE 116, 24 <60>, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 86 = juris Rn. 89). Um diesem Postulat Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Das gilt insbesondere auch bei der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Diese Regelungen waren aber zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin - und auch bei Rechtskraft der Feststellung des Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit - noch nicht in Kraft und finden daher hier unmittelbar noch keine Anwendung. 41 Eine solche gesetzliche Festlegung einer Altersgrenze ist unbestritten sinnvoll und der Rechtsklarheit dienlich. Dies zwingt in der vorliegenden Fallkonstellation aber nicht zu dem Schluss, dass ihr Fehlen zur Verfassungswidrigkeit der Verlustgrundlage als solcher führt. Wie die in der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalte zeigen, betreffen Vaterschaftsanfechtungen in aller Regel Kinder in ihren ersten Lebensjahren. So liegt der Fall auch hier, denn die Klägerin war bei Rechtskraft des Urteils über das Nichtbestehen der Vaterschaft noch keine zwei Jahre alt. Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit bestehen gegen einen Staatsangehörigkeitsverlust in einem solchen Alter keine Bedenken. Ein derart kleines Kind hat regelmäßig noch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand seiner Staatsangehörigkeit entwickelt, dem in der Abwägung gegenüber der Durchsetzung des Abstammungsprinzips ein höheres Gewicht zukommen könnte. Es hat die deutsche Staatsangehörigkeit zudem nur über einen an staatsangehörigkeitsrechtlichen Maßstäben gemessen relativ kurzen Zeitraum besessen. Das Fehlen einer gesetzlich exakt bestimmten Altersgrenze, ab der ein Staatsangehörigkeitsverlust durch die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft nicht mehr eintritt, führt auch nicht zu einer Rechtsunsicherheit oder zu einem Bestimmtheitsdefizit bei betroffenen Kindern, die sich zweifellos noch diesseits einer - verfassungsrechtlich wo auch immer anzusiedelnden - Altersgrenze befinden. Das Bundesverfassungsgericht führt daher überzeugend aus, es gebe keinen Verfassungsgrundsatz, nach dem die Anwendung gesetzlicher Regelungen auch in materiell-verfassungsrechtlich eindeutig unproblematischen Fällen allein deshalb ausgeschlossen wäre oder gesetzliche Regelungen allein deshalb insgesamt verfassungswidrig wären, weil eine verfassungsrechtliche Grenze, die die Anwendung in besonderen Einzelfällen ausschließen kann, nicht durch die Regelungen selbst ausdrücklich bestimmt ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425; vgl. auch Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <59>). Dem schließt sich der Senat an. 42 Es liegt danach auch kein Bestimmtheitsmangel vor, der die zum Wegfall der Staatsangehörigkeit führenden gesetzlichen Vorschriften insgesamt verfassungswidrig und einer verfassungskonform begrenzenden Auslegung im Bedarfsfall unzugänglich machte. Die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft (§§ 1599 ff. BGB, §§ 640 ff. ZPO a.F.) und zu den Voraussetzungen des Geburtserwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) weisen weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Zweck eine besondere Unbestimmtheit auf. Die Frage, welche verfassungsrechtlichen Grenzen Art. 16 Abs. 1 GG in Fällen erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes setzt, stellt sich ernsthaft nur in dem - ausweislich der vorliegenden Rechtsprechung atypischen - Fall, in dem die Anfechtung ungeachtet der Zweijahresfrist des § 1600b Abs. 1 BGB jenseits eines relativ frühen Kindesalters erfolgt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 = juris Rn. 28). Diese ""Randunbestimmtheit"" kann auch für die noch nicht vom zeitlichen Anwendungsbereich der § 17 Abs. 2 und 3 StAG erfassten Fälle bei Bedarf ohne Übergriff in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers im Wege verfassungskonformer Auslegung ausgeräumt werden, d.h. indem der zuständige Richter in Grenzfällen die von der Verfassung gezogene Grenze selbst festlegt. Damit ist die Verfassungskonformität der geltenden Vorschriften und ihrer Anwendung im - hier gegebenen - typischen Fall jedenfalls nicht in Frage gestellt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 = juris Rn. 29). 43 (3) Aus vergleichbaren Gründen steht der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Verlustgrundlage (§ 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB) nicht entgegen, dass diese keine Ausnahme für den Fall ansonsten eintretender Staatenlosigkeit vorsieht. 44 Gegen den Willen des Betroffenen darf ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur eintreten, wenn dieser dadurch nicht staatenlos wird (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG). Es spricht wenig dafür, dass bei der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft auf Betreiben des rechtlichen Vaters Staatenlosigkeit entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Regelung generell hingenommen werden sollte. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht für den Fall der Rücknahme einer durch Täuschung erlangten Einbürgerung eine Ausnahme zugelassen (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <45 ff.> = juris Rn. 52 ff.). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 75 = juris Rn. 78). Ob eine Inkaufnahme von Staatenlosigkeit bei Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft zumindest in Fällen rechtlich missbilligten Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (etwa: Vaterschaftsanerkennung allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken nach Inkrafttreten von §§ 1597a BGB, 85a AufenthG) danach verfassungs- und völkerrechtlich zulässig wäre, bedarf hier aber keiner Vertiefung. 45 Im konkreten Fall wirkt sich diese Einschränkung schon deshalb nicht aus, weil die Klägerin durch den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht staatenlos geworden ist. Sie hat nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts durch Geburt - abgeleitet von ihrer Mutter - die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro erworben, die nach Auflösung der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro zur serbischen Staatsangehörigkeit geworden ist. 46 Auch in diesem Punkt führt die fehlende Vorkehrung der Verlustgrundlage für den Fall drohender Staatenlosigkeit nicht zur generellen Verfassungswidrigkeit der Verlustfolge. § 4 Abs. 1 StAG ist in seiner ""Verlustdimension"" bei Bedarf einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich, dass der rückwirkende Fortfall des den Staatsangehörigkeitserwerb vermittelnden Vaters im Rechtssinne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aus Gründen vorrangigen Verfassungsrechts dann nicht beseitigt, wenn der Betroffene dadurch staatenlos würde. Dies liegt in der Konsequenz der Ausführungen des Kammerbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - (NJW 2007, 425) zur Altersgrenze bei der Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"", wenngleich dort die Vereinbarkeit des Verlusts mit Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG mangels Rüge nicht geprüft worden ist. Dass demgegenüber der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungswidrigkeit der Behördenanfechtung der Vaterschaft auch auf das Fehlen gesetzlicher Vorkehrungen für den Fall der Staatenlosigkeit gestützt und betont hat, der Wortlaut biete keinen Anhaltspunkt für eine verfassungskonforme Auslegung (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 72 = juris Rn. 75), zwingt hier nicht zu einer anderen Entscheidung. Die dortigen Ausführungen beziehen sich ausdrücklich auf die vormals in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB geregelte Behördenanfechtung, sind auf den Wegfall der Staatsangehörigkeit infolge einer - verfassungsrechtlich als solche unbedenklichen - Vaterschaftsanfechtung durch den ""Scheinvater"" nicht übertragbar und entfalten auch keine Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG (s.o.). Das gilt auch, soweit sie der Sache nach ersichtlich dahin zu verstehen sind, dass auch in § 4 Abs. 1 StAG ein Anknüpfungspunkt für eine verfassungskonforme Auslegung fehle. 47 In der Sache besteht für die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung in der vorliegenden Fallkonstellation auch ein größerer Spielraum, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nicht unmittelbar durch eine staatliche Entscheidung veranlasst und bezweckt ist, sondern bloße gesetzliche Folge einer privatautonom erhobenen, auf andere Rechtsfolgen zielenden Klage, so dass an die Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlage weniger strenge Anforderungen gestellt werden können. Im Übrigen ist die verfassungsrechtliche Grenze der Staatenlosigkeit, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG statuiert, derart eindeutig, dass sie ohne wesentliche Einbußen an Rechtssicherheit und ohne Eingriff in einen gesetzgeberischen Konkretisierungsspielraum einer unmittelbaren Anwendung zugänglich ist. Darüber hinaus handelt es sich auch hier - wie bei der ausnahmsweisen Betroffenheit älterer Kinder - um atypische ""Randfälle"", deren Nichtberücksichtigung im Gesetz keine hinreichende Veranlassung gibt, die Verlustfolge - auch im materiell-verfassungsrechtlich unproblematischen Fall - für insgesamt verfassungswidrig zu halten. Denn im Regelfall dürfte wegen einer zusätzlichen, durch Abstammung von der Mutter erworbenen ausländischen Staatsangehörigkeit keine Staatenlosigkeit eintreten. 48 b) Die gesetzliche Grundlage für den Staatsangehörigkeitsverlust verletzt nicht das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG). Sie unterfällt - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - schon nicht dem Anwendungsbereich dieser Regelung. 49 Das Zitiergebot verlangt, dass ein Gesetz, welches ein Grundrecht einschränkt, das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennt. Gesetze, die einen Verlust der Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG vorsehen oder ermöglichen, müssen das Zitiergebot grundsätzlich beachten. Das soll nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für Gesetze gelten, die - wie hier - einen rückwirkenden Fortfall schon des Staatsangehörigkeitserwerbs bewirken (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 78 = juris Rn. 81). 50 Das Zitiergebot findet aber keine Anwendung auf vorkonstitutionelle Gesetze sowie auf nachkonstitutionelle Gesetze, die bereits geltende Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a. - BVerfGE 129, 208 <237> = juris Rn. 179). Dabei kommt es - anders als die Klägerin meint - nicht auf das Gesetz (hier: das Staatsangehörigkeitsgesetz) als Ganzes an, sondern darauf, ob die konkrete Grundrechtsbeschränkung (hier: die konkrete Verlustregelung) im Wesentlichen bereits im vorkonstitutionellen Recht vorgesehen gewesen war. 51 Davon ausgehend handelt es sich bei § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB um ein nachkonstitutionelles Gesetz, das lediglich eine vorkonstitutionell begründete Grundrechtsbeschränkung fortschreibt bzw. mit geringen Abweichungen wiederholt. Ungeachtet abweichender Ausgestaltungen der Vorläuferregelungen im Einzelnen und abweichender Begrifflichkeiten gab es schon vor Erlass des Grundgesetzes Regelungen zur rückwirkenden Beseitigung der den Staatsangehörigkeitserwerb vermittelnden Vaterstellung auf eine (Ehelichkeitsanfechtungs-)Klage des Vaters im Rechtssinne (damals: Ehemann der Mutter) und ließ dies auch bereits nach § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG 1913 den - bei ehelichen Kindern seinerzeit nur über den Vater möglichen - Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt entfallen. Die heutige Regelung in § 4 Abs. 1 StAG, § 1599 BGB setzt dies in der Sache fort und enthält - bei Abweichungen in Einzelheiten - nichts qualitativ anderes. 52 Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht bei dieser Betrachtung auch die in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB geregelte Behördenanfechtung als vorkonstitutionell hätte einstufen müssen. Sie stützt diese Annahme darauf, dass § 1595a BGB in der Fassung des Gesetzes über die Änderung und Ergänzung familienrechtlicher Vorschriften und über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 12. April 1938 (RGBl. I 1938 S. 380) bereits ein - das Anfechtungsrecht des Ehemannes subsidiär ergänzendes - Recht des Staatsanwalts vorgesehen hat, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten, wenn ""er dies im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes für geboten erachtet"". Nach einer 1943 erfolgten Änderung war die Anfechtung durch den Staatsanwalt darüber hinaus auch ""im Interesse der Nachkommenschaft des Kindes"" möglich (vgl. Verordnung über die Angleichung familienrechtlicher Vorschriften, RGBl. I 1943 S. 80). Diese Regelung sollte ausweislich der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass dem nationalsozialistischen Staat die Letztentscheidungskompetenz über die ""Sippenzugehörigkeit"" und vor allem über die ""rassische Einordnung"" eines Kindes zukam. Bei der Bedeutung, die der Rassen- und Sippenzugehörigkeit eines Menschen nach nationalsozialistischer Auffassung zukomme, müsse das Interesse an einer möglichst frühzeitigen und endgültigen Festlegung des Familienstandes hinter das öffentliche Interesse an einer Klarstellung der wirklichen Abstammung zurücktreten (vgl. dazu Löhnig, Die Justiz als Gesetzgeber. Zur Anwendung nationalsozialistischen Rechts in der Nachkriegszeit, 2010, S. 12; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 1974 - 1 BvL 14/73 - BVerfGE 38, 241 = juris Rn. 4). Von diesem staatsanwaltlichen Ehelichkeitsanfechtungsrecht, das bis 1962 fortgalt, wurde auch noch nach 1945 zur ""Herstellung abstammungsmäßiger Ordnung"" und ""Klärung des Personenstands des Kindes"" Gebrauch gemacht (Löhnig, a.a.O. S. 22 ff.). 53 Demgegenüber stellt sich die im Jahr 2008 geschaffene, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Regelung zur Behördenanfechtung der Vaterschaft schon deshalb als neuer, ausschließlich nachkonstitutioneller Grundrechtseingriff dar, weil sie - inhaltlich wie zeitlich - in keinem Zusammenhang zu dem im Nationalsozialismus geschaffenen Anfechtungsrecht des Staatsanwalts stand. Sie bezweckte, eine missbräuchliche Umgehung des Aufenthaltsrechts durch Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, und war dementsprechend in ihren Anwendungsvoraussetzungen auf Fälle zugeschnitten, in denen durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden. Dabei ging es gerade darum, durch die Vaterschaftsanfechtung die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu beseitigen. 54 3. Dem mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einhergehenden Verlust der Unionsbürgerschaft der Klägerin stehen keine unionsrechtlichen Regelungen entgegen. Ein Verlust der Unionsbürgerschaft tritt hier deshalb ein, weil diese nach Art. 9 Satz 2 EUV, Art. 20 Abs. 1 AEUV an die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats geknüpft ist, der Klägerin nach dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aber nur die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats - Serbiens - verblieben ist. 55 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) fällt die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit nach dem Völkerrecht in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Juli 1992 - C-369/90 [ECLI:​EU:​C:​1992:​295], Micheletti u.a. - Rn. 10 und vom 2. März 2010 - C-135/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​104], Rottmann - Rn. 39). Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit haben die Mitgliedstaaten aber das Unionsrecht zu beachten. Diese Ausübung unterliegt - soweit sie die von der Rechtsordnung der Union verliehenen und geschützten Rechte berührt - der gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf das Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - Rn. 45 und 48). Die Sachverhalte, in denen der Gerichtshof bisher eine Kontrolle am Maßstab des Unionsrechts vorgenommen hat, wiesen allerdings - anders als der vorliegende Fall - regelmäßig einen innerhalb der Union in irgendeiner Weise grenzüberschreitenden Bezug auf. Ungeachtet dessen unterstellt der Senat zu Gunsten der Klägerin, dass der unionsrechtliche Vorbehalt vorliegend allein deshalb zu beachten ist, weil der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei ihr auch zum Verlust der Unionsbürgerschaft führt und insoweit die von der Rechtsordnung der Union verliehenen und geschützten Rechte berührt. 56 Im Urteil ""Rottmann"" (ebd.) hat der EuGH die unionsrechtlichen Grenzen für den mit einem Verlust der Staatsangehörigkeit verbundenen Verlust des Unionsbürgerstatus grundlegend bestimmt und hinreichend geklärt. Die dort entwickelten Maßstäbe für den Fall der Rücknahme einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung lassen sich auf den Fall eines kraft Gesetzes eintretenden Verlusts aufgrund Vaterschaftsanfechtung sinngemäß übertragen, ohne dass es eines weiteren Vorabentscheidungsersuchens bedarf. 57 b) Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eines unter das Unionsrecht fallenden Staatsangehörigkeitsverlusts beurteilt sich nach dieser Entscheidung danach, ob der Verlust einem im Allgemeininteresse liegenden, legitimen Grund entspricht. Dabei können einschlägige völkerrechtliche Verträge, die den im nationalen Recht vorgesehenen Staatsangehörigkeitsverlust ausdrücklich für zulässig erklären, als Indiz für das Bestehen eines legitimen staatlichen Interesses herangezogen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - Rn. 51 ff.). 58 Nach diesem Maßstab ist von einem legitimen staatlichen Interesse auszugehen, Kinder nicht weiter als eigene Staatsangehörige betrachten zu müssen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass sie eine Voraussetzung für den Geburtserwerb der Staatsangehörigkeit nicht (mehr) erfüllen, etwa weil eine dafür erforderliche Verwandtschaftsbeziehung später mit Rückwirkung auf den Geburtszeitpunkt wegfällt. Die damit bezweckte effektive Durchsetzung des Abstammungsprinzips und der Einheit der Rechtsordnung ist ein legitimes Ziel. Dass der Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit durch ein Belassen der Staatsangehörigkeit hier (jedenfalls ohne weitere Feststellungen zu den Motiven der Vaterschaftsanerkennung) nicht berührt ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch das einschlägige Völkervertragsrecht spiegelt ein legitimes Interesse der Staaten wider, in einer solchen Situation einen Staatsangehörigkeitsverlust kraft Gesetzes in ihrer Rechtsordnung vorzusehen. So steht dieser Verlust im Einklang mit dem auf Europaratsebene beschlossenen und seit dem 1. September 2005 für Deutschland in Kraft getretenen Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997 (BGBl. 2004 II S. 579 - EuStAngÜbk). Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f EuStAngÜbk darf ein Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht den Verlust der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes oder auf seine Veranlassung u.a. vorsehen bei ""Feststellung während der Minderjährigkeit eines Kindes, dass die durch innerstaatliches Recht bestimmten Voraussetzungen, die zum Erwerb der Staatsangehörigkeit geführt haben, nicht mehr erfüllt sind"". Dies gilt lediglich dann nicht, wenn der Betreffende dadurch staatenlos würde (Art. 7 Abs. 3 EuStAngÜbk). 59 Diesen Anforderungen entspricht der sich aus § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB als Folge einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung nach allgemeiner Rechtsüberzeugung ergebende Staatsangehörigkeitsverlust. Dass dieser Verlust bei Staatenlosigkeit nicht eintritt, gewährleistet in der deutschen Rechtsordnung der insoweit unmittelbar anwendbare Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG; ungeachtet dessen wird die Klägerin im konkreten Fall nicht staatenlos. 60 Angesichts der - jedenfalls auf Europaratsebene bestehenden - völkerrechtlichen Übereinkunft, in der vorliegenden Situation ein legitimes Interesse an einem kraft Gesetzes vorgesehenen Staatsangehörigkeitsverlust zu sehen, steht dieser auch im Einklang mit dem in Art. 15 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217A (III) vom 10. Dezember 1948) und Art. 4 Buchst. c EuStAngÜbk niedergelegten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz, wonach niemandem seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen werden darf. Art. 4 Buchst. b EuStAngÜbk, wonach Staatenlosigkeit zu vermeiden ist, ist ebenfalls Rechnung getragen. Das Übereinkommen zur Verminderung von Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (BGBl. 1977 II S. 598) enthält rechtliche Grenzen für einen Staatsangehörigkeitsverlust nur für den - hier nicht vorliegenden - Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos würde. 61 c) Der mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verbundene Verlust der Unionsbürgerschaft genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache ""Rottmann"" muss das nationale Gericht bei der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung prüfen, ob die ""in Rede stehende Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt"" (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - Rn. 55). Da der Staatsangehörigkeitsverlust im vorliegenden Fall einer rückwirkenden Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft kraft Gesetzes eintritt, was Art. 7 Abs. 1 Buchst. f EuStAngÜbk völkerrechtlich ausdrücklich für zulässig erklärt, kann aus dieser Formulierung nicht darauf geschlossen werden, dass der Verlust nur durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte - behördliche oder richterliche - Einzelfallentscheidung eintreten dürfe. Bei einem kraft Gesetzes eintretenden Verlust ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung vielmehr auf das Gesetz selbst zu beziehen. 62 Gemessen daran ist der durch § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 BGB vorgesehene Staatsangehörigkeitsverlust bei rückwirkender Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft auf eine Vaterschaftsanfechtung des ""Scheinvaters"" in allen bei verfassungskonformer Auslegung erfassten Fällen verhältnismäßig. Keiner Entscheidung bedarf, ob und inwieweit die durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. f EuStAngÜbk völkerrechtlich gezogene Altersgrenze der Volljährigkeit im unionsrechtlichen Kontext aus Gründen der Verhältnismäßigkeit weiter abzusenken ist. Denn nach der deutschen Rechtsordnung tritt ein Staatsangehörigkeitsverlust in diesen Fällen unmittelbar kraft Verfassungsrechts nicht ein, wenn sich der Betroffene bereits ""jenseits eines relativ frühen Kindesalters"" befindet; dies gewährleistet auf abstrakter Ebene die Verhältnismäßigkeit. Im Fall der Klägerin, die der Verlust im Alter von weniger als zwei Jahren getroffen hat, ist diese Altersgrenze zudem keinesfalls überschritten. Auch unionsrechtlich ist hier zu berücksichtigen, dass sich derart kleine Kinder noch nicht auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit verlassen und eingerichtet haben und dass bei ihnen zudem auch die absolute Zeitdauer des Besitzes der Staatsangehörigkeit naturgemäß sehr gering ist. Bei solcher Sachlage begegnet es generell keinen unionsrechtlichen Bedenken, dass die deutsche Rechtsordnung das Gewicht ihres Interesses am Erhalt der Unionsbürgerschaft dem staatlichen Interesse an einer effektiven Durchsetzung des Abstammungsprinzips unterordnet. Das gilt auch, wenn sie dadurch - wie dann regelmäßig auch die jeweilige Mutter - das Aufenthaltsrecht im Gebiet der Union verlieren. 63 Ein anderes Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt sich insoweit auch nicht aus Art. 7 Grundrechte-Charta (GRC), Art. 8 EMRK. Zwar kann die willkürliche Entziehung der Staatsangehörigkeit wegen der Auswirkungen auf das Privatleben des Betroffenen unter Umständen eine Frage nach Art. 8 EMRK aufwerfen und sind dabei etwaige aufenthaltsrechtliche Folgen einer solchen Entziehung mit zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Juni 2016 - Nr. 76136/12, Ramadan/Malta - NVwZ 2018, 387). Eine willkürliche Entziehung liegt hier jedoch wie ausgeführt nicht vor. Mit einem Staatsangehörigkeitsverlust ist nach der deutschen Rechtsordnung auch nicht automatisch eine Aufenthaltsbeendigung verbunden. Diese wäre vielmehr Gegenstand weiterer aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen, gegen die gesondert vorgegangen werden kann. Das Aufenthaltsrecht gewährleistet dabei die angemessene Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens (vgl. etwa §§ 60a, 25 Abs. 5 AufenthG). Ein Recht auf eine bestimmte Art der Aufenthaltsgenehmigung garantieren Art. 8 EMRK, Art. 7 GRC jedenfalls nicht (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Juni 2016 - Nr. 76136/12 - NVwZ 2018, 387 Rn. 91). Gegen die Klägerin und ihre Mutter selbst sind im Übrigen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nie ergriffen worden; sie verfügen inzwischen beide über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. 64 Weitere Erwägungen, die im vorliegenden Zusammenhang in eine - spezifisch unionsrechtliche - Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einzustellen wären, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Klägerin im vorliegenden Zusammenhang keine weitergehenden Vorteile daraus herleiten, dass ihr keine Täuschung oder ein anderes Fehlverhalten vorzuhalten ist. Soweit der EuGH ausgeführt hat, es sei insbesondere zu prüfen, ob der Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes (Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 - Rn. 56), betrifft dies den speziellen Fall der Rücknahme einer durch Täuschung erlangten Einbürgerung und ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Denn der völkerrechtlich ermöglichte Staatsangehörigkeitsverlust infolge einer nachträglichen Korrektur der familienrechtlichen Abstammungsverhältnisse durch die an dem Familienverhältnis Beteiligten dient einer effektiven Durchsetzung des Abstammungsprinzips und setzt daher - anders als die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung - ein solches Fehlverhalten von vornherein nicht voraus. 65 4. Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Klägerin rügt eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO, weil das Berufungsgericht dem EuGH nicht die - im Einzelnen ausformulierte - Frage zur Vereinbarkeit des Verlusts der Unionsbürgerschaft mit Unionsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt habe. Mit dieser Rüge kann sie schon deshalb nicht durchdringen, weil das Berufungsgericht nicht letztinstanzlich tätig geworden ist und deshalb nicht zur Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV verpflichtet war (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 6 B 27.09 - NVwZ 2010, 525 Rn. 13). Zwar hat es die Revision nicht zugelassen; diese Entscheidung war jedoch mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbar, die auch erfolgreich eingelegt worden ist. Im Übrigen liegen die geltend gemachten Zweifel an der richtigen Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Unionsrechts über die Unionsbürgerschaft nach den vorstehenden Ausführungen nicht vor. 66 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-28,27.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 28/2018 vom 27.04.2018 EN Aufgabe des Eigentums an einem Hund ist nicht möglich Ein verwilderter Hund ohne feststellbaren Besitzer unterliegt dem Fundrecht. Er ist nicht als herrenlos zu behandeln, weil die Aufgabe des Eigentums durch Besitzaufgabe (Dereliktion, § 959 BGB) gegen das Verbot verstößt, ein in menschlicher Obhut gehaltenes Tier auszusetzen, um sich seiner zu entledigen (§ 3 Nr. 3 TierSchG). Eine Gemeinde, die einen solchen Hund an sich nimmt und in einem Tierheim unterbringt, erfüllt damit eine eigene Aufgabe als Fundbehörde und kann von einer anderen Behörde nicht den Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin ist eine Gemeinde, auf deren Gebiet ein verwilderter Hund aufgefunden wurde. Das Landratsamt, das Tierschutzbehörde ist, lehnte es ab, den Hund unterzubringen. Darauf kündigte die Klägerin an, das Tier selbst unterzubringen und die Kosten dem beklagten Landkreis in Rechnung zu stellen. Dieser lehnte es nachfolgend ab, der Klägerin ihre Aufwendungen für den Transport und die Unterbringung des Hundes zu ersetzen, weil es sich um ein Fundtier gehandelt habe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Aufwendungsersatzanspruch der Gemeinde auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag verneint, da sie als Fundbehörde selbst für die Inobhutnahme des Hundes zuständig gewesen sei. Da das Eigentum an einem Tier wegen des tierschutzrechtlichen Aussetzungsverbots nicht wirksam aufgegeben werden könne, sei der Hund als Fundtier zu behandeln. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Möglichkeit der Aufgabe des Eigentums an dem Hund verneint und ihn damit als Fundtier behandelt. Indem die Gemeinde den Hund an sich genommen und untergebracht hat, hat sie eine eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen, deren Aufwendungen sie selbst zu tragen habe. BVerwG 3 C 24.16 - Urteil vom 26. April 2018 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 549/15 - Urteil vom 21. September 2016 - VG Dresden, 6 K 994/12 - Urteil vom 29. Mai 2015 -","Urteil vom 26.04.2018 - BVerwG 3 C 24.16ECLI:DE:BVerwG:2018:260418U3C24.16.0 EN Leitsätze: 1. Die Dereliktion eines Tieres, die gegen das tierschutzrechtliche Aussetzungsverbot (§ 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG) verstößt, ist nichtig (§ 134 BGB). 2. Von einer Fundsache ist auszugehen, wenn Eigentum an einer besitzlosen Sache nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das gilt entsprechend für Fundtiere (§ 90a BGB). 3. Nimmt eine Behörde eine eigene Aufgabe wahr, so kommt ein Aufwendungsersatzanspruch aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gegen einen anderen Verwaltungsträger grundsätzlich jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn dessen Zuständigkeit der eigenen Aufgabe nicht vorgeht. Rechtsquellen BGB §§ 90a, 134, 677 ff., 959, 965 ff. TierSchG § 2 Nr. 1, § 3 Satz 1 Nr. 3 Instanzenzug VG Dresden - 29.05.2015 - AZ: VG 6 K 994/12 OVG Bautzen - 21.09.2016 - AZ: OVG 3 A 549/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.04.2018 - 3 C 24.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:260418U3C24.16.0] Urteil BVerwG 3 C 24.16 VG Dresden - 29.05.2015 - AZ: VG 6 K 994/12 OVG Bautzen - 21.09.2016 - AZ: OVG 3 A 549/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die klagende Gemeinde begehrt von dem beklagten Landkreis den Ersatz von Kosten für Transport und Unterbringung eines Hundes. 2 Der Hund war von einem Bauern bei seiner Scheune im Gemeindegebiet der Klägerin entdeckt worden. Er war abgemagert, machte einen verwilderten Eindruck und war nicht vermisst gemeldet. Die Klägerin veranlasste am Folgetag den Transport in ein Tierheim und die dortige Unterbringung. Eine Anfrage bei dem Beklagten, ob er die Einweisung des Hundes veranlasse, war zuvor abschlägig beantwortet worden. Die Klägerin hatte dazu erklärt, die Einweisung vorzunehmen und die Rechnung an den Beklagten zu schicken. Nach Erhalt der Rechnungen für den Transport und die Unterbringung in Höhe von 384 € reichte sie diese weiter und forderte den Beklagten auf, ihr die Kosten zu erstatten. Das lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, es handele sich um ein Fundtier, zu dessen Entgegennahme und Unterbringung die Klägerin selbst verpflichtet sei. 3 Mit ihrer darauf erhobenen Leistungsklage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Einschreiten habe nicht nur dem Schutz der Anwohner, sondern auch der Erfüllung einer Aufgabe des Beklagten gedient. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin mit der Unterbringung des Hundes eine eigene Pflicht als Fundbehörde erfüllt habe. Da sich nicht eindeutig feststellen lasse, dass es sich um ein herrenloses Tier gehandelt habe, sei von einem Fundtier auszugehen. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin habe keine Aufgabe des Beklagten wahrgenommen, weil sie selbst für die Inobhutnahme von Fundtieren zuständig sei. Bei dem Hund handele es sich um ein Fundtier. Ein Tier, das im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehalten werde, dürfe nicht ausgesetzt werden. Eine Eigentumsaufgabe entgegen diesem Verbot sei nichtig. Der Frage, ob das auch gegenüber einem Eigentümer im benachbarten Polen oder Tschechien gelte, müsse nicht nachgegangen werden. Dafür, dass der Hund aus einem dieser Länder stamme, gebe es keine Anhaltspunkte. Ein Grenzübertritt sei nicht beobachtet worden und der Hund verfüge auch über keine Merkmale, die darauf schließen ließen. 4 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, sie habe eine Aufgabe des Veterinäramtes des Beklagten wahrgenommen, der verpflichtet sei, das Tierschutzgesetz zu vollziehen. Es habe jedenfalls der Verdacht bestanden, dass der Hund ausgesetzt worden sei, wodurch seine Zuständigkeit begründet worden sei. Das habe der Beklagte in einem früheren Schreiben selbst so gesehen. Die Gemeinsame Empfehlung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und des Sächsischen Städte- und Gemeindetags zähle ausgesetzte Tiere zu den herrenlosen Tieren. Vorliegend handele es sich um ein herrenloses Tier, weil klare Anzeichen dafür sprächen, insbesondere das Fehlen einer Steuermarke. Auch wenn es keine wildlebende Hundepopulation in Deutschland gebe, könnten einzelne Tiere wild leben und Nachkommen haben. Hinsichtlich der Frage, ob eine Eigentumsaufgabe wirksam sei, sei zu bedenken, dass das Tierschutzgesetz sie nicht ausdrücklich verbiete. Jedenfalls stehe das Tierschutzgesetz einer Dereliktion nicht entgegen, wenn das Tier bereits entlaufen sei. Auch an Nachkommen herrenloser Tiere sei zu denken. Es liege auf der Hand, dass der Hund aus Polen oder Tschechien verbracht worden sei oder die Grenze überschritten habe. Für Maßnahmen nach den unionsrechtlichen Bestimmungen über die Verbringung von Heimtieren sei der Beklagte ebenfalls zuständig. Als Gemeinde sei sie nach ihrer Finanzausstattung das schwächste Glied der öffentlichen Verwaltung und verfüge nicht über die gebotenen personellen und logistischen Mittel. 5 Der Beklagte tritt der Revision entgegen und macht geltend, sie sei mangels ordnungsgemäßer Begründung bereits unzulässig. Im Übrigen sei die Revision unbegründet. Zutreffend sei das Oberverwaltungsgericht mit der überwiegenden Meinung der Literatur davon ausgegangen, dass eine Dereliktion durch Aussetzen oder Zurücklassen eines Tieres unwirksam sei. Hilfsweise lasse sich - wie das Verwaltungsgericht Dresden ausgeführt habe - nicht feststellen, dass eine Dereliktion erfolgt sei. Selbst wenn der Hund herrenlos gewesen sei, sei die Klägerin als allgemeine Ordnungs- und Polizeibehörde für die Unterbringung des Hundes verantwortlich gewesen. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. II 7 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. 8 1. Die Revision ist zwar zulässig. Insbesondere genügt ihre Begründung den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, wozu sie mindestens einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm angeben muss. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Aus ihr muss hervorgehen, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203> m.w.N.). Dem wird der Schriftsatz der Klägerin vom 28. November 2016 noch gerecht. Er zeigt hinreichend auf, weshalb sie an der Richtigkeit der die Entscheidung tragenden Annahme zweifelt, eine Dereliktion (§ 959 BGB) eines Haustiers sei nicht möglich. Er setzt dem Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts Aspekte entgegen, die für eine andere Auslegung sprechen könnten. Auch im Lichte der Begründung des Oberverwaltungsgerichts war eine weiter vertiefte Auseinandersetzung nicht geboten. 9 2. Die Revision ist aber nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht im Ergebnis in Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Zutreffend geht es davon aus, dass der Hund als Fundsache zu betrachten ist (a) und die Klägerin eine eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat (b). Das schließt jedoch nicht aus, dass es daneben Aufgabe des Beklagten gewesen sein könnte, den Hund nach tierschutzrechtlichen Bestimmungen in Obhut zu nehmen (c). Das Urteil erweist sich ungeachtet dessen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da die Klägerin eine originär eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat, kommt ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Beklagten nicht in Betracht (d). 10 a) Das Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 965 ff. BGB) gilt für Tiere entsprechend. Tiere sind zwar keine Sachen, die für Sachen geltenden Vorschriften sind aber entsprechend anzuwenden (§ 90a BGB). Auch der historische Gesetzgeber hatte sich mit der Anwendung des Fundrechts auf Tiere befasst, diese bejaht und für sie eine besondere Regelung des Finderlohns getroffen (§ 971 Abs. 1 Satz 2 BGB; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Protokolle S. 3811 f.). Das Fundrecht ist in erster Linie darauf gerichtet, dem Eigentümer oder der sonst zum Besitz berechtigten Person die verlorene Sache (§ 965 BGB) zurückzugeben. Nur wenn dies nicht möglich ist, ordnet es das Eigentumsverhältnis neu. Verloren ist eine Sache, wenn sie besitzlos, aber nicht herrenlos ist. Auf die Gründe des Besitzverlusts, insbesondere eines unfreiwilligen, kommt es nicht an (vgl. z.B. Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 965 Rn. 1 m.w.N.). 11 Das Oberverwaltungsgericht hat stillschweigend angenommen, dass der Hund besitzlos war. Das ist nicht zu beanstanden. Nach seinen Feststellungen machte er einen verwilderten Eindruck und war abgemagert. Dass er Anstalten machte, zu einem Besitzer zurückzukehren (animus revertendi), ist nicht festgestellt. Anhaltspunkte dafür, der Hund könnte gleichwohl nicht besitzlos gewesen sein, bestehen danach nicht. 12 Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Hund nicht herrenlos war, also einen Eigentümer hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Hund einer wildlebenden Hundepopulation entstammen könnte, hat es nicht festgestellt. Auch die Klägerin geht im Übrigen davon aus, dass es in Deutschland wildlebende Hundepopulationen nicht gibt. Ist daher zugrunde zu legen, dass der Hund nicht von vornherein herrenlos war, so hätte er nur durch Aufgabe des Eigentums (Dereliktion) herrenlos werden können (§ 959 BGB). 13 Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Dereliktion eines Hundes, die gegen das tierschutzrechtliche Aussetzungsverbot (§ 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG) verstößt, gemäß § 134 BGB nichtig ist (vgl. auch OVG Greifswald, Urteil vom 30. Januar 2013 - 3 L 93/09 [ECLI:​DE:​OVGMV:​2013:​0130.3L93.09.0A] - NordÖR 2013, 525 <526>; a.A. VGH Kassel, Beschluss vom 23. November 2017 - 2 A 890/16 [ECLI:​DE:​VGHHE:​2017:​1123.2A890.16.00] - NJW 2018, 964 Rn. 21). 14 Das Tierschutzgesetz verbietet, ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen (§ 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG). Die Vorschrift geht auf das Tierschutzgesetz in seiner ursprünglichen Fassung zurück, wonach verboten war, ein eigenes Haustier auszusetzen, um sich des Tieres zu entledigen (§ 2 Nr. 5 TierSchG vom 24. November 1933, RGBl. I S. 987). Nachfolgend wurden das Verbot hinsichtlich seiner Adressaten neu ausgerichtet und erweitert, die geschützten Tiere ebenso wie die Handlungsformen konkretisiert (§ 3 Nr. 3 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972, BGBl. I S. 1277) und durch eine Ergänzung sichergestellt, dass nicht nur die Absicht der (endgültigen) Entledigung, sondern auch das Ziel einer nur vorübergehenden Pflichtverletzung erfasst wird (Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998, BGBl. I S. 1094; BT-Drs. 13/7015 S. 16). Im Kern blieb das Verbot unverändert. 15 Ein Eigentümer darf folglich ein in seiner Obhut befindliches Tier nicht aussetzen, um sich seiner zu entledigen. Das bedeutet in objektiver Hinsicht, er darf das Tier nicht ohne neue Obhut aus seiner Obhut entlassen und es damit auf Gedeih und Verderb sich selbst überlassen. Mit der Dereliktion ist eine Aussetzung des Tieres verbunden. Der Tatbestand des § 959 BGB setzt neben der Absicht, auf das Eigentum und damit auf die damit einhergehenden Rechte und Pflichten zu verzichten, die Aufgabe des Besitzes voraus. Wird nicht zugleich ein neues Besitzverhältnis begründet, so geht mit der Besitzaufgabe objektiv eine Aussetzung einher, weil die tatsächliche Gewalt über das Tier Voraussetzung der Obhut ist. Zugleich ist nicht zweifelhaft, dass mit der Dereliktion eines Tieres in aller Regel auch die Absicht verbunden ist, sich des Tieres zu entledigen, sich also seinen Verpflichtungen zu entziehen, womit die Voraussetzungen des Aussetzungsverbots erfüllt sind. 16 Als einseitiges Rechtsgeschäft (Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 959 Rn. 1 m.w.N.) ist die Dereliktion unter diesen Voraussetzungen gemäß § 134 BGB nichtig. § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG ist ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Zwar richtet sich die Verbotsnorm in erster Linie gegen die in der Besitzaufgabe liegende Aussetzung. Die Besitzaufgabe ist aber notwendige Voraussetzung auch der Eigentumsaufgabe. Aus dem Aussetzungsverbot des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG ergibt sich nicht, dass die Dereliktion gleichwohl wirksam ist. Die Ge- und Verbote des Tierschutzgesetzes knüpfen zwar nicht unmittelbar an das Eigentum an. Sie greifen darüber hinaus und richten sich insbesondere an Tierhalter und Betreuer. Der Eigentümer ist jedoch der geborene Halter seines Tieres. Das Eigentum ist regelmäßig Ausgangspunkt für die Begründung von Halter- oder Betreuerverhältnissen und der mit ihnen einhergehenden besonderen tierschutzrechtlichen Pflichten. Wird etwa ein trächtiges Tier ausgesetzt, so ist das sich an den Jungtieren fortsetzende Eigentum (§ 953 BGB) Anknüpfungspunkt der tierschutzrechtlichen Verantwortung für diese Tiere. Es besteht kein Grund dafür, den Eigentümer in irgendeiner Weise aus seiner Verantwortung zu entlassen (vgl. Oechsler, in: MüKo, 7. Aufl. 2017, § 959 Rn. 6). Die Nichtigkeit einer Dereliktion führt in aller Regel dazu, dass die Anwendbarkeit des Fundrechts ohne weiteres zu bejahen ist. Auch wenn das Fundrecht primär auf den Schutz des Interesses des Eigentümers und nicht des Tieres angelegt ist, entfaltet es praktisch tierschützende Wirkung. Das ist dem Gesetzgeber bewusst. In Beantwortung parlamentarischer Anfragen hat die Bundesregierung auf die Rechtslage und den bisherigen Stand der Rechtsprechung mit ihren Wirkungen hingewiesen (BT-Drs. 18/6620 S. 5 f., BT-Drs. 18/11890 S. 10 ff.). Der Aufforderung des Bundesrats, im Zuge der Änderung des Tierschutzgesetzes eindeutige gesetzliche Regelungen für die Betreuung und Unterbringung von verlorenen oder entlaufenen sowie ausgesetzten, zurückgelassenen oder anderweitig herrenlosen Tieren einzuführen (BR-Drs. 408/11 ), ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Angesichts dessen ist es folgerichtig, einer Dereliktion, die gegen das Aussetzungsverbot des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG verstößt, die Wirksamkeit zu versagen und so auch mittels des Fundrechts das Wohlbefinden der Tiere zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG), was gleichgerichtet Sinn und Zweck des Aussetzungsverbots ist. 17 Fälle einer wirksamen Dereliktion von in menschlicher Obhut befindlichen Tieren bleiben zwar in eher theoretischen Einzelfällen denkbar, weil nicht stets die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG gegeben sein müssen. Diese Einzelfälle haben in vorliegendem Zusammenhang aber keine Bedeutung. Die entfernte Möglichkeit einer wirksamen Dereliktion erlaubt nicht, ein aufgefundenes Tier nicht als Fundtier zu betrachten. Fundrecht bliebe vorliegend selbst dann anwendbar, hätte das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht ausgeschlossen, dass der Hund auch aus dem nahe gelegenen Polen oder Tschechien gekommen sein könnte. In diesem Fall wäre zwar nicht ohne weiteres auszuschließen, dass der Hund nach dortigem Recht herrenlos war. Der mit dem Grenzübertritt verbundene Statutenwechsel (Art. 43 EGBGB) ließe diesen Rechtsbestand unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2010 - II ZR 286/07 - NJW-RR 2010, 983 Rn. 21). Auch dann wäre der Hund aber als Fundtier zu behandeln, weil sich allein aufgrund dieser weiteren Möglichkeit Eigentum nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen ließe. 18 Das Fundrecht zielt darauf, der Gefahr eines dauerhaften Verlustes von Sachen zu begegnen, und schützt so das Eigentum. Entsprechend haben die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Fundbehörden eine polizeirechtliche Ausrichtung. Das gebietet, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Fundsache ausreichen zu lassen. Dem entspricht der in einer Fundsituation typischerweise bestehende Beweisnotstand. Die Eigentumsvermutung des Besitzes (§ 1006 BGB) greift nicht und auch sonst fehlt es regelmäßig an Anhaltspunkten, auf deren Grundlage sich Eigentum belastbar feststellen ließe. Sollen Sinn und Zweck des Fundrechts nicht unterlaufen werden, ist dem beweisrechtlich Rechnung zu tragen. Es bedarf daher keines Eigentumsnachweises (vgl. VGH Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1955 - BA 66/55 - DVBl 1956, 628 <629>). Vielmehr ist von einer Fundsache schon dann auszugehen, wenn Eigentum an einer besitzlosen Sache nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das gilt entsprechend für Fundtiere. 19 b) Indem die Klägerin den Hund in ein Tierheim transportieren und dort unterbringen ließ, hat sie fundrechtlich Verantwortung übernommen und eine eigene Aufgabe als Fundbehörde erfüllt. 20 Den Finder einer verlorenen Sache trifft eine Anzeige- und Verwahrungspflicht (§§ 965, 966 BGB). Damit soll gewährleistet werden, dass eine verlorene Sache alsbald unversehrt zurückgegeben werden kann. Die nach Landesrecht zuständige Fundbehörde - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die Klägerin - hat die Pflichtaufgabe, die Rückgabe zu vermitteln und nach Maßgabe des Gesetzes zu gewährleisten. Deshalb ist sie verpflichtet eine Fundsache, die vom Finder abgeliefert wird, entgegenzunehmen und zu verwahren. Zugleich hat sie die Befugnis, ""im Interesse der öffentlichen Ordnung beziehungsweise zum Schutze des Eigentums"" anzuordnen, dass der Fund an sie abgeliefert wird (§ 967 BGB; Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Motive, S. 379; vgl. auch Kohler-Gehrig, Die Fundbehörde, VBlBW 1995, 377). Entsprechend dieser Konzeption sind die Aufgaben der Fundbehörden hoheitlicher Natur (vgl. RG, Beschluss vom 5. Januar 1906, Hanseatische Gerichtszeitung 1906 Nr. 154; VGH Bremen, Urteil vom 13. Dezember 1955 - BA 66/55 - DVBl 1956, 628 m.w.N.) und waren ursprünglich den Polizeibehörden zugewiesen (RGBl. 1896, 195 <361 ff.>). Aus diesem Grund ist es den Ländern überlassen, das öffentlich-rechtliche Fundrecht weiter zu regeln (Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. III, Motive, S. 377 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20 <30 f.>). Der Freistaat Sachsen hat allerdings gesetzliche Regelungen nicht erlassen (vgl. Huttner/Schmidt, Fundrecht in der kommunalen Praxis, 3. Aufl. 2018, Anhang 1.14). An einer Verwahrungspflicht der Fundbehörde vermag das jedoch nichts zu ändern; sie ist in § 967 BGB vorausgesetzt. 21 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich eine Verwahrungspflicht der Klägerin zwar weder daraus, dass der Hund bei ihr abgeliefert worden wäre, noch aus einer entsprechenden Anordnung. Indem sie jedoch einen Dritten mit dem Abtransport des Hundes beauftragt hat, ist sie Besitzerin des Hundes geworden (§ 868 BGB) und hat den Hund im Sinne des Fundrechts an sich genommen (§ 965 Abs. 1 BGB). Sie hat damit entsprechend § 966 BGB als Fundbehörde eine eigene Pflicht zur Verwahrung des Hundes begründet. Das verpflichtete sie zu einer den tierschutzrechtlichen Vorgaben entsprechenden Unterbringung und Versorgung (vgl. Gursky/Wiegand, in: Staudinger, BGB , § 966 Rn. 1 m.w.N.). 22 c) Entgegen der nicht weiter ausgeführten Annahme des Oberverwaltungsgerichts scheidet damit nicht aus, dass es (auch) Aufgabe des Beklagten gewesen sein könnte, den Hund aufgrund seiner tierschutzrechtlichen Zuständigkeit in Obhut zu nehmen. 23 Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, ob der Hund seinem Eigentümer abhandengekommen war oder ob er ausgesetzt wurde. Mit den Ausführungen zur Dereliktion geht es davon aus, dass eine Aussetzung naheliegt und jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Dem kann auch nicht etwa mit einer Vermutung der Rechtstreue entgegengetreten werden (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 16. Dezember 2013 - 4 K 29/13 [ECLI:​DE:​VGSTUTT:​2013:​1216.4K29.13.0A] - RdL 2014, 337 <338>). Bezogen auf die Frage, ob ein aufgefundenes Tier ausgesetzt oder ungewollt abhandengekommen ist, lässt sich eine Aussetzung nicht mit einem Schluss vom ""Sollen"" auf das ""Sein"" verneinen. Eine tatsächliche Grundlage für eine solche Annahme ist nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte nicht zweifelhaft sein, dass ein nicht unerheblicher Teil der aufgefundenen Haustiere, namentlich der Katzen und Hunde, ausgesetzt wurde (vgl. Ort/Reckewell, in: Kluge, TierSchG, 1. Aufl. 2002, § 3 Rn. 41). 24 Legt man dies zugrunde, so wäre es Sache des Beklagten als zuständige untere Tierschutzbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 2 Abs. 1 SächsAGTierSchG) gewesen, der Frage der Aussetzung des Hundes und damit der Gewährleistung einer seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechenden angemessenen Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung nachzugehen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Die zuständige Tierschutzbehörde trifft die zur Beseitigung festgestellter oder die zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Tierschutzgesetz notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Insbesondere kann sie die zur Erfüllung der Anforderungen der Grundsätze der Tierhaltung des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG) und beispielsweise dem Halter das Tier bei einer erheblichen Vernachlässigung der genannten Grundsätze fortnehmen und kostenpflichtig anderweitig pfleglich unterbringen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG). Auch wenn das Tierschutzgesetz die zuständige Behörde nur zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt (BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 - BVerwGE 141, 311 Rn. 18 ff.), war der Beklagte nicht schon deshalb seiner Pflichten enthoben. Zwar kannte er weder den Halter noch einen Betreuer oder einen zur Betreuung Verpflichteten, an den er eine Anordnung hätte richten können. Das hinderte ihn aber nicht, im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 6 SächsPolG den Hund in Obhut zu nehmen. Dass die Inobhutnahme jenseits des Zuständigkeitsstreits zwischen den Beteiligten geboten war, ist nicht ernstlich zweifelhaft. 25 d) Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Selbst wenn die Inobhutnahme auch eine Aufgabe des Beklagten gewesen ist, hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen, da sie eine originär eigene Aufgabe als Fundbehörde wahrgenommen hat. 26 Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB) sind im öffentlichen Recht vorbehaltlich abschließender Sonderregelungen grundsätzlich entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 - BVerwGE 80, 170 und vom 28. Oktober 1999 - 7 A 1.98 - BVerwGE 110, 9 <12>; Beschlüsse vom 28. März 2003 - 6 B 22.03 - Buchholz 442.066 § 53 TKG Nr. 2 S. 10 und vom 22. Februar 2018 - 9 B 6.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​220218B9B6.17.0] - juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 70/03 - NVwZ 2004, 373 <374>). Hieraus kann sich entsprechend §§ 683, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, etwa wenn ein privater Geschäftsführer eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung gehört. Die Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht geht weit zurück (vgl. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977, S. 14 ff.; BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429 <436>; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1975 - 6 C 163.73 - BVerwGE 48, 279 <285>), ist allerdings grundsätzlicher Kritik ausgesetzt (vgl. z.B. Schoch, Die Verwaltung 2005, 91 ff. m.w.N.). Diese knüpft unter anderem daran an, dass die Aufgabenwahrnehmung durch Dritte die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung in Frage stellt. Das ist besonders dort bedeutsam, wo es nicht um Maßnahmen der Leistungsverwaltung, sondern um solche der Eingriffsverwaltung geht, wozu Maßnahmen der Tierschutzbehörden prinzipiell gehören. Zugleich geht mit der Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag die Gefahr einher, dass der Instanzen- und Rechtsweg unterlaufen wird und im Wege der Selbsthilfe Aufgaben wahrgenommen werden, auf deren Erfüllung kein Anspruch besteht. Vor diesem Hintergrund bedarf die Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs besonderer Rechtfertigung. Im Falle zwingend hoheitlich wahrzunehmender Aufgaben genügt nicht schon, dass die Aufgabenwahrnehmung im wirklichen oder mutmaßlichen Willen der zuständigen Behörde erfolgt (§ 683 BGB). Vielmehr muss für die Aufgabenwahrnehmung durch den Dritten ein besonderes öffentliches Interesse gegeben sein (§ 679 BGB). 27 Für ein solches öffentliches Interesse reicht es nicht aus, dass die Wahrnehmung der Aufgabe abstrakt-generell im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist ein öffentliches Interesse daran, dass gerade in der gegebenen konkreten Situation die Aufgabe von einem Dritten wahrgenommen wird. Dies bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es gilt, dass die gesetzliche Aufgabenzuweisung grundsätzlich zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen ist, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso geht es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen steht, im Hinblick auf das ""ob"" und ""wie"" einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Diese Hürden sind aber nicht unüberwindlich. Als gegenläufige Interessen sind die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ebenso zu berücksichtigen, wie das Verhalten des Aufgabenträgers. Hieraus kann sich eine (Not-)Lage ergeben, die die Maßnahme als unaufschiebbar erscheinen lässt und es rechtfertigt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 - BVerwGE 80, 170 <173 ff.>; BGH, Urteil vom 13. November 2003 - III ZR 368/02 - NVwZ 2004, 764 <765>). 28 Die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist grundsätzlich ebenso im Verhältnis verschiedener Träger öffentlicher Verwaltung zueinander anerkannt. Allerdings bedarf die Rechtfertigung eines Aufwendungsersatzanspruchs zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung einer zusätzlichen Betrachtung. In derartigen Fällen geht es typischerweise um negative Kompetenzkonflikte, bei denen ausschließliche Zuständigkeiten oder vorrangige beziehungsweise subsidiäre Zuständigkeiten im Raume stehen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1991 - 7 C 1.91 - Buchholz 442.08 § 38 BBahnG Nr. 3 S. 8; OVG Münster, Urteil vom 12. September 2013 - 20 A 433/11 - DVBl 2014, 49 <51 f.>; RG, Urteil vom 19. März 1934 - IV 385/33 - RGZ 144, 173). Schließlich kann es um die Wahrnehmung von Aufgaben gehen, für die unter verschiedenen Blickwinkeln eine mehrfache, je eigenständige Zuständigkeit in Betracht kommt (vgl. Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977, S. 18 f.). 29 Die Klägerin macht nicht geltend, ausschließlich ein Geschäft des Beklagten geführt zu haben. Sie beruft sich vielmehr auf ein ""auch fremdes Geschäft"". Das ist als Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag anerkannt (BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 2018 - 9 B 6.17 - juris Rn. 8 m.w.N.), wenngleich im Einzelnen umstritten (vgl. Bergmann, in: Staudinger, BGB , Vorbem. zu § 677 ff. Rn. 139 ff.). Nicht zweifelhaft ist hier, dass die Klägerin mit dem Willen handelte, (auch) ein Geschäft des Beklagten zu führen (§ 677 BGB), nachdem sie vorab angekündigt hatte, ihm die Rechnungen weiterzureichen. Handelt es sich jedoch um eine Aufgabe, die unter verschiedenen Blickwinkeln auf der Grundlage unterschiedlicher, je eigenständiger Zuständigkeiten wahrgenommen werden kann, so vermag die Wahrnehmung einer solchen originär eigenen Aufgabe auch mit Blick auf die Anerkennung des auch fremden Geschäfts einen Aufwendungsersatzanspruch gegenüber einem anderen Verwaltungsträger im öffentlichen Recht grundsätzlich jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn dessen Zuständigkeit der originär eigenen Aufgabe nicht vorgeht. So verhält es sich hier. 30 Wie ausgeführt steht der fundrechtlichen Zuständigkeit der Klägerin eine Zuständigkeit des Beklagten als Tierschutzbehörde gegenüber. Mit ihrem Vorbringen, ihr Einschreiten habe nicht nur dem Schutz der Anwohner gedient, führt die Klägerin jenseits des Fundrechts zu einer weiteren, im Kontext des Auffindens des Hundes denkbaren Zuständigkeit, ihrer Zuständigkeit als Ortspolizeibehörde (§ 64 Abs. 1 Nr. 4, § 68 Abs. 2, § 70 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG). Die Klägerin ist allgemein, jenseits spezieller Zuständigkeiten berufen, Gefahren zu begegnen, wie sie etwa von freilaufenden Hunden - hier nach Aktenlage ein Tier in der Größe eines Schäferhundes - ausgehen können (§ 3 ff. SächsPolG). Soweit die Klägerin ferner auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Verbringung von Heimtieren verweist, erfassen diese zwar auch Hunde. Um eine Verbringung geht es vorliegend allerdings nicht. Entsprechend führt der Hinweis allenfalls zum Tierseuchenrecht, das - gäbe es hierfür entsprechende Anhaltspunkte - wiederum in die Zuständigkeit des Beklagten fiele (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SächsAGTierGesG). 31 Diese sich gegebenenfalls überlagernden Zuständigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Wahrnehmung originär in der Verantwortung der jeweils zuständigen Behörden liegt. Sie stehen ohne inneren Zusammenhang gleichrangig nebeneinander und sind unabhängig voneinander in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen. Entsprechend sind sie nicht darauf angelegt, im Interesse eines Ausgleichs zueinander in Beziehung gesetzt zu werden und bieten hierfür auch keinen Maßstab. Ist eine Mehrfachzuständigkeit in Betracht zu ziehen, auf deren Grundlage sich mit der Aufgabenwahrnehmung durch eine Behörde zugleich die Aufgabe einer anderen erledigt, so hat es jedenfalls grundsätzlich dabei zu bleiben, dass derjenige, der eine eigene Aufgabe wahrnimmt, selbst die mit ihr verbundenen Kosten trägt. Neben der Möglichkeit, etwa über aufsichtführende Stellen ein Tätigwerden einer anderen zuständigen Stelle zu bewirken, ist in diesen Fällen ein Ausgleich der Aufwendungen nicht geboten. Jenseits der von den Ländern zu gewährleistenden Finanzausstattung der Kommunen würde ein - wie auch immer zu bestimmender - Anspruch auf Ersatz eines Anteils von Aufwendungen zu einer Vielzahl unterschiedlich gerichteter Forderungen führen. Das wäre nicht sachgerecht. 32 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-29,30.04.2018,"Pressemitteilung Nr. 29/2018 vom 30.04.2018 EN BND muss Presseauskunft nur über Anzahl laufender Strafverfahren wegen Geheimnisverrats geben Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Bundesnachrichtendienst (BND) in einem Eilverfahren verpflichtet, einem Journalisten Auskunft darüber zu erteilen, wie viele laufende Strafverfahren nach Anklageerhebung gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen dem Bundesnachrichtendienst bekannt sind. Die weitergehenden Anträge hat es abgelehnt. Nachdem entsprechende Auskunftsbegehren beim BND keinen Erfolg hatten, hat der Antragsteller, ein Zeitungsredakteur, beim - insoweit erstinstanzlich zuständigen - Bundesverwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat die Verpflichtung des BND begehrt, ihm Auskunft darüber zu erteilen, 1. wie viele laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind, 2. wie viele und welche laufenden Anklagen gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind, 3. welche Staatsanwaltschaften jeweils für die unter 1 und 2 genannten Verfahren zuständig sind und welche Aktenzeichen die jeweiligen Verfahren haben. Das Eilverfahren hat nur teilweise Erfolg gehabt. Zwar hat der Antragsteller für alle Auskunftsanträge den Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Dafür reicht es aus, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwarts­bezug der Berichterstattung vorliegen. Einen Anordnungsanspruch hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur hinsichtlich des Antrags Nr. 2 für glaubhaft erachtet. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) hergeleitete Auskunftsanspruch gegen den BND durch die strafprozessrechtlichen Auskunftsregelungen gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht nicht verdrängt wird. Aufgrund des presserechtlichen Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Soweit der Antrag Nr. 2 auf Auskunft darauf zielt, wie viele Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) und der §§ 94 ff. StGB ab Anklageerhebung, d.h. in den Stadien vom strafrechtlichen Zwischen- bis zum Hauptverfahren der Antragsgegnerin bekannt sind, hat das Bundesverwaltungsgericht keine berechtigten schutzwürdigen Interessen öffentlicher Stellen oder Privater erkennen können, die das Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen. Denn es ist offenkundig, dass Nachrichtendienste immer befürchten müssen, Mitarbeiter könnten ihnen anvertraute Dienstgeheimnisse verletzen, Staatsgeheimnisse verraten oder gar einer geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht nachgehen. Solche Vorkommnisse sind Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und erscheinen für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bundesnachrichtendienstes in den Augen anderer Nachrichtendienste so weit herabzusetzen, dass eine Kooperation gefährdet erschiene. Allein die Offenbarung statistischer Angaben über die Zahl von Strafverfahren bietet keinen tauglichen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen oder betroffene Mitarbeiter zu enttarnen. Strafverfolgungsinteressen werden auch nicht beeinträchtigt, da die betroffenen Mitarbeiter durch die Anklageschrift von dem gegen sie geführten Strafverfahren wissen. Für alle übrigen Fragestellungen hat das Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren nicht aufklärbare Unsicherheiten gesehen, aus denen sich möglicherweise berechtigte und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des BND und seiner Mitarbeiter ergeben. Denn bei der Offenlegung von Angaben zu Ermittlungsverfahren vor Anklageerhebung könnte der Untersuchungszweck auch bereits durch die Angabe rein statistischer Zahlen gefährdet werden. Dies gilt aber insbesondere hinsichtlich der über rein statistische Angaben hinausgehenden Fragestellungen des Antragstellers. Die von dem Bundesverwaltungsgericht zu treffende Abwägung ist wegen des Gewichts der möglicherweise im Raum stehenden öffentlichen Belange des Geheimnisschutzes sowie berechtigter schutzwürdiger Interessen betroffener Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes an der Vertraulichkeit zulasten des Antragstellers ausgefallen. BVerwG 6 VR 1.18 - Beschluss vom 11. April 2018","1. Die behördliche Vorbefassung, die auch bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen zu fordern ist, umfasst als Voraussetzung zur Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich nur die Antragstellung bei der Behörde als solche.2. Wartet der Antragsteller nicht die für die behördliche Prüfung und Bearbeitung angemessene Zeitspanne ab, bevor er sich an das Verwaltungsgericht wendet, ist sein Eilantrag grundsätzlich nicht unzulässig. Er trägt lediglich das Kostenrisiko für eine vorschnelle und, wenn die Behörde das Auskunftsbegehren alsbald erfüllt, im Ergebnis unnötige Befassung des Verwaltungsgerichts. Gründe IDer Antragsteller, Redakteur der Zeitung ""Der Tagesspiegel"", begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Auskünfte vom Bundesnachrichtendienst (BND).Anknüpfend an die Berichterstattung über ein Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen bat der Antragsteller die Behörde am 30. Januar 2018 um Auskunft, wie viele und welche laufenden Ermittlungsverfahren und Anklagen gegen (ggf. frühere) BND-Mitarbeiter wegen Weitergabe von (ggf. dienstlichen) Geheimnissen dem BND bekannt seien. Darauf teilte die Antragsgegnerin tags darauf mit, dass der Bundesnachrichtendienst sich zu laufenden Gerichtsverfahren und zu Personalangelegenheiten nicht öffentlich äußere.Der Antragsteller ergänzte seine Anfrage am gleichen Tag und bat um Benennung der zuständigen Staatsanwaltschaften sowie der Aktenzeichen der Verfahren. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin am 9. Februar 2018 mit, dass keine Auskunft erteilt werde. Aus der Beantwortung könnten sich Einblicke in die Personalstruktur des Bundesnachrichtendienstes ergeben und zudem ließen die Antworten eine Bewertung des möglichen Einflusses entsprechender Umstände auf die Leistungsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes zu.Bereits am 31. Januar 2018 hatte der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen,1. wie viele laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind,2. wie viele und welche laufenden Anklagen gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind,3. welche Staatsanwaltschaften jeweils für die unter 1 und 2 genannten Verfahren zuständig sind und welche Aktenzeichen die jeweiligen Verfahren haben.Der Antragsteller macht geltend, die pauschale Auskunftsverweigerung verletze die Pressefreiheit. Für die zahlenmäßigen Angaben über mögliche Rechtsverstöße von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes bestehe kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse, denn begehrt würden weder Personaldaten noch Auskünfte zu den konkret vorliegenden Vorfällen. Der Antragsteller wolle das von den Medien intensiv beachtete Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten zum Anlass für eine vertiefte Berichterstattung über das laufende Verfahren sowie Lecks im Bundesnachrichtendienst nehmen. Dafür könne er nicht sämtliche Staatsanwaltschaften der Bundesrepublik abtelefonieren.Die Antragsgegnerin beantragt,die Anträge abzulehnen.Sie hält die Anträge für unzulässig, da die Staatsanwaltschaften die richtigen Adressaten des Auskunftsbegehrens seien. Angesichts der strafprozessrechtlichen Regelungen in §§ 474 ff. StPO über Akteneinsicht und Auskunfterteilung verbleibe kein Raum für den unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Auskunftsanspruch gegen den Bundesnachrichtendienst. Die Anträge seien zudem mangels Verwendung präziser Rechtsbegriffe zu unbestimmt. Des Weiteren habe der Antragsteller vorschnell gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen. Schließlich seien die Anträge jedenfalls unbegründet, da der Offenbarung der Informationen sowohl Strafverfolgungsinteressen der Staatsanwaltschaft als auch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Bundesnachrichtendienstes und seiner Mitarbeiter entgegenstünden. Die Brisanz der begehrten Informationen betreffe auch den operativen Bereich, denn sie ließen Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Dienstes zu. Die Offenbarung der begehrten Auskünfte sei geeignet, das Ansehen des Bundesnachrichtendienstes irreparabel zu beschädigen. Ausländische Nachrichtendienste könnten möglicherweise die Zusammenarbeit einschränken. Schlussendlich sei auch kein gesteigertes öffentliches Interesse an der Berichterstattung zu erkennen.IIDie Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in tatsächlichem Zusammenhang stehen und deshalb gemäß § 44 VwGO zusammen verfolgt werden können, haben nur in geringem Umfang Erfolg.1. Die Anträge sind zulässig; insbesondere sind sie hinreichend bestimmt. Auch ohne Verwendung präziser straf(prozess)rechtlicher Fachtermini ist im hier vorliegenden Kontext klar erkennbar, welche Informationen der Antragsteller begehrt. Die Antragsgegnerin legt überzogene Anforderungen zugrunde, wenn sie die Nennung einzelner Straftatbestände sowie die Angabe des strafprozessualen Verfahrensstands als notwendig erachtet. Nach interessengerechtem Verständnis aus der Perspektive des Empfängerhorizonts zielen die Anfragen auf gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes gerichtete Strafverfahren in den Stadien vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren bis hin zum Hauptverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) und der §§ 94 ff. StGB.Das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch hinsichtlich des Antrags Nr. 3, obwohl der Antragsteller dem Bundesnachrichtendienst diese Frage erst an dem Tag gestellt hat, an dem er die einstweilige Anordnung beantragt hat. Zwar wendet die Antragsgegnerin zutreffend ein, dass ihr mit dieser Vorgehensweise keine ausreichende Gelegenheit zur behördlichen Prüfung des Auskunftsbegehrens gegeben worden sei. Das hat jedoch in dem hier vorliegenden Fall nicht zur Konsequenz, dass der Antrag nach § 123 VwGO unzulässig wäre. Denn die behördliche Vorbefassung, die auch bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen zu fordern ist (BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 66.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:160316U6C66.14.0] - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 21; Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:261017B6VR1.17.0] - NVwZ 2018, 414 Rn. 9), umfasst als Voraussetzung, um gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, grundsätzlich nur die Antragstellung bei der Behörde als solche. Wartet der Antragsteller - wie hier - nicht die für die behördliche Prüfung und Bearbeitung angemessene Zeitspanne ab, bevor er sich an das Verwaltungsgericht wendet, und erfüllt die Behörde sein Auskunftsbegehren alsbald während des gerichtlichen Verfahrens, trägt er im Falle übereinstimmender Erledigung die Kosten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 6 VR 3.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:200318B6VR3.17.0] - Rn. 21). Das Prozessrecht knüpft, wenn die Behörde befasst worden ist, an eine voreilige Inanspruchnahme gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes nicht die - von der dann ergehenden behördlichen Entscheidung unabhängige - Sanktion der Unzulässigkeit des Antrags. Vielmehr macht die in § 156 VwGO getroffene Kostenregelung für den Fall des sofortigen Anerkenntnisses deutlich, dass der Antragsteller lediglich das Kostenrisiko für eine vorschnelle und im Ergebnis unnötige Befassung des Verwaltungsgerichts trägt.2. Der Antragsteller hat für alle Anträge einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Zwar zielen die Auskunftsbegehren nicht auf eine nur vorläufige Maßnahme, sondern die im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte Auskunftserteilung nimmt die Hauptsache vorweg. Dennoch dürfen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in presserechtlichen Auskunftsverfahren mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Erforderlich und zugleich ausreichend ist es, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 [ECLI:DE:BVerfG:2014:rk20140908.1bvr002314] - NJW 2014, 3711 Rn. 29 f.; BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 - NVwZ 2018, 414 Rn. 13). Demnach darf ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist (BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:220915B6VR2.15.0] - NVwZ 2016, 945 Rn. 22).Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Antragstellers. Anlass für seine Auskunftsbegehren ist ein laufendes Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes vor dem Amtsgericht Tiergarten, über das erst kürzlich in den Medien berichtet worden ist. Damit ist sowohl ein fortdauernder Gegenwartsbezug der vom Antragsteller beabsichtigten Berichterstattung als auch ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Thematik auch im Hinblick auf vergleichbare Strafverfahren glaubhaft. Der gegenteiligen Auffassung der Antragsgegnerin vermag der beschließende Senat nicht zu folgen. Denn es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Der Komplexität und Zweckfülle von Rechercheprozessen würde es mit Blick auf die Pressefreiheit nicht gerecht, wenn das Gewicht eines geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer durch eine Behörde oder ein Gericht vorgenommene Relevanzprüfung abhängig gemacht würde (BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 23).3. Der Antragsteller hat nur insoweit einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), als er Auskunft darüber verlangt, wie viele laufende Strafverfahren ab Anklageerhebung gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen der Weitergabe von Geheimnissen (Geheimnisverrat) dem BND bekannt sind. Im Übrigen sind seine Anträge unbegründet.a) Das Grundrecht der Pressefreiheit verleiht Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden können (BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:160316U6C65.14.0] - BVerwGE 154, 222 Rn. 13 ff. m.w.N. und vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U7C24.15.0] - Buchholz 404 IFG Nr. 25 Rn. 62 ff.). Diese Voraussetzungen treffen auf gegenüber dem Bundesnachrichtendienst geltend gemachte Auskunftsansprüche zu, da der in § 4 Abs. 1 PresseG BE landesrechtlich normierte Auskunftsanspruch der Presse gegenüber dieser Behörde nicht anwendbar ist (BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 11).Dagegen wendet die Antragsgegnerin ein, der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitete Auskunftsanspruch der Presse bestehe nur dort, wo nicht bereits der Gesetzgeber entsprechende Regelungen geschaffen habe. Das sei jedoch im Hinblick auf Auskünfte in Strafverfahren mit den abschließenden Vorschriften der §§ 474 ff. StPO geschehen. Deshalb seien die Auskunftsbegehren nicht an den Bundesnachrichtendienst, sondern an die Staatsanwaltschaften zu richten. Dem folgt der beschließende Senat nicht. Zwar muss auf den richterrechtlich geschaffenen, unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnden Auskunftsanspruch der Presse gegen Behörden nur dann zurückgegriffen werden, wenn der zuständige Gesetzgeber untätig geblieben ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29). Aber es beurteilt sich mit Blick auf das jeweilige Rechtsverhältnis, ob gesetzliche Regelungen vorhanden sind, die den unmittelbaren Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG überflüssig machen. Da in dem Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin keine gesetzlichen Regelungen bestehen, kann das gegen den Bundesnachrichtendienst gerichtete Auskunftsbegehren nur nach dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch beurteilt werden. Ebenso wenig ist von Belang, dass für einen an eine Staatsanwaltschaft gerichteten Auskunftsantrag zu einem Strafverfahren in jenem Rechtsverhältnis gesetzliche Regelungen u.a. in Form des presserechtlichen Auskunftsanspruchs in den Landespressegesetzen vorgesehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1988 - 3 C 65.85 - NJW 1989, 412 <413>).Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Auskunftsanspruchs können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall, wobei allerdings eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen; aus Art. 10 EMRK ergibt sich insoweit nichts anderes (BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 16 ff.).b) Soweit Antrag Nr. 2 auf Auskunft darüber zielt, wie viele Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB) und der §§ 94 ff. StGB ab Anklageerhebung, d.h. in den Stadien vom strafrechtlichen Zwischen- bis zum Hauptverfahren der Antragsgegnerin bekannt sind, ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Insoweit vermag der beschließende Senat keine berechtigten schutzwürdigen Interessen öffentlicher Stellen oder Privater zu erkennen, die das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gespeiste Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen könnten.Der Vortrag der Antragsgegnerin lässt nicht erkennen, dass die Herausgabe dieser rein statistischen Information die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes gefährden oder betroffene Mitarbeiter dem Risiko der Enttarnung aussetzen könnte. Es ist offenkundig und liegt im Wesen der Materie, dass Nachrichtendienste immer befürchten müssen, Mitarbeiter könnten ihnen anvertraute Dienstgeheimnisse verletzen, Staatsgeheimnisse verraten oder gar einer geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht nachgehen. Solche Vorkommnisse sind Schicksal nahezu jeden Nachrichtendienstes und erscheinen für sich allein nicht geeignet, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Bundesnachrichtendienstes in den Augen anderer Nachrichtendienste so weit herabzusetzen, dass eine Kooperation gefährdet erschiene. Ebenso offenkundig ist, dass Nachrichtendienste bemüht sind, Schwachstellen bei anderen Nachrichtendiensten aufzudecken und auszunutzen. Die Auskunft über die bloße Zahl anhängiger Strafverfahren wegen Offenbarung von Dienstgeheimnissen, Landesverrat etc. erscheint jedoch nicht geeignet, derartige Bemühungen zu fördern. Denn anders als bei einer Aufschlüsselung möglicher Delikte nach dem Tätigkeitsfeld des Mitarbeiters und Art der Tatbegehung bietet allein die Offenbarung der aggregierten Zahl von Strafverfahren keinen tauglichen Ansatz, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 20) oder betroffene Mitarbeiter zu enttarnen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Offenbarung der Zahl von Strafverfahren im Stadium des Zwischen- und Hauptverfahrens öffentliche Strafverfolgungsinteressen beeinträchtigen könnte, da die betroffenen Mitarbeiter durch die Anklageschrift bereits Kenntnis von einem gegen sie geführten Strafverfahren haben.c) Demgegenüber hat der Antragsteller hinsichtlich aller anderen Fragestellungen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen vermocht. Insoweit verbleibt eine im Eilverfahren nicht aufklärbare Unsicherheit hinsichtlich tatsächlicher Umstände, aus denen sich möglicherweise berechtigte schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Bundesnachrichtendienstes und seiner Mitarbeiter ergeben, die das Auskunftsinteresse des Antragstellers überwiegen könnten.Der beschließende Senat vermag derzeit nicht mit der notwendigen Sicherheit auszuschließen, dass insbesondere aus einer in regelmäßigen Zeitabständen wiederholten Abfrage der Zahl anhängiger Ermittlungsverfahren (Strafverfahren vor Anklageerhebung) sowie eines dadurch eventuell zutage tretenden Trends Rückschlüsse gezogen werden könnten, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen zuwiderlaufen. Das gilt im Hinblick zum einen auf fremde Nachrichtendienste und zum anderen auf tatverdächtige Mitarbeiter, die sich durch die Offenbarung einerseits in Sicherheit wiegen oder andererseits den Untersuchungszweck durch Verdunkelungshandlungen gefährden oder sich drohender Strafverfolgung entziehen könnten.Noch stärker wiegen diese Bedenken hinsichtlich der über rein statistische Angaben hinausgehenden Fragestellungen des Antragstellers (""welche laufenden Anklagen"", ""welche Staatsanwaltschaften"", ""welche Aktenzeichen""), die auf Angaben zu konkreten Strafverfahren gerichtet sind. Insoweit macht die Antragsgegnerin nachvollziehbar geltend, dass diese Anfragen auf eine konkrete und verdichtete Informationserteilung abzielen, die Ansätze bieten könnte, um Schwachstellen in der Sicherheitsarchitektur des Bundesnachrichtendienstes auszumachen, die wiederum von anderen Nachrichtendiensten ausgenutzt werden könnten. Hinzu tritt das Interesse des Bundesnachrichtendienstes an der Geheimhaltung der Identität seiner Mitarbeiter, das seine Rechtfertigung sowohl in dem Schutz der behördlichen Aufgabenerfüllung als auch der erhöhten Fürsorgepflicht des Bundesnachrichtendienstes für seine Mitarbeiter finden kann. Der Schutz der Identität der Mitarbeiter erscheint bei Offenbarung der vom Antragsteller verlangten konkret verfahrensbezogenen Informationen in deutlich erhöhtem Maße gefährdet.Da diese Fragen in tatsächlicher Hinsicht der Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten sind, fällt die im Rahmen des § 123 VwGO zu treffende Abwägung wegen des Gewichts der möglicherweise im Raum stehenden öffentlichen Belange des Geheimnisschutzes sowie berechtigter schutzwürdiger Interessen betroffener Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes an der Vertraulichkeit zulasten des Antragstellers aus.4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG." bverwg_2018-3,25.01.2018,"Pressemitteilung Nr. 3/2018 vom 25.01.2018 EN Ausländerbehörden sind für die Aufhebung eines vom Bundesamt angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die zwischen Bund und Ländern streitige Frage, welche Behörde für die nachträgliche Aufhebung eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach § 11 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gegen einen Ausländer verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots sachlich zuständig ist, zugunsten einer Zuständigkeit der Ausländerbehörden entschieden. Der Entscheidung lag der Fall eines albanischen Staatsangehörigen zugrunde, dessen Asylantrag im April 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Gleichzeitig hatte das Bundesamt ein zehnmonatiges Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG ab dem Tag der Ausreise angeordnet. Nachdem der Kläger mit einem deutschen Mann eine Lebenspartnerschaft begründet hatte, beantragte er sowohl beim Bundesamt als auch bei der Ausländerbehörde die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Beide Behörden lehnten eine Entscheidung wegen Unzuständigkeit ab. Eine vom Kläger gegen das Land Berlin erhobene Untätigkeitsklage wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung ab, das Bundesamt und nicht die Ausländerbehörde müsse über die Aufhebung entscheiden. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat auf die Sprungrevision des Klägers die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und das Land Berlin verpflichtet, nach § 11 Abs. 7 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 4 AufenthG über den Aufhebungsantrag des Klägers in der Sache zu entscheiden. Das Urteil schafft über den entschiedenen Fall hinaus dahingehend Rechtsklarheit, dass Aufhebungs- und Abänderungsbegehren bei Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 Abs. 7 AufenthG ausschließlich an die Ausländerbehörden zu richten sind. Deren sachliche Zuständigkeit folgt maßgeblich aus Sinn und Zweck des § 11 Abs. 7 AufenthG und den Gesetzesmaterialien zu der im Jahr 2015 geschaffenen Norm. Eine Beteiligung des Bundesamtes an der Entscheidung der Ausländerbehörden sieht § 72 AufenthG nicht vor. BVerwG 1 C 7.17 - Urteil vom 25. Januar 2018 Vorinstanz: VG Berlin, 11 K 462.16 - Urteil vom 14. Februar 2017 -","Urteil vom 25.01.2018 - BVerwG 1 C 7.17ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U1C7.17.0 EN Zuständigkeit der Ausländerbehörden für nachträgliche Aufhebung einer Entscheidung nach § 11 Abs. 7 AufenthG Leitsatz: Für die Aufhebung eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 11 Abs. 7 AufenthG angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots sind die Ausländerbehörden zuständig. Rechtsquellen AufenthG § 11 Abs. 1, 2, 4 und 7, § 71 Abs. 1, § 72 Abs. 3, § 75 Nr. 12 AsylG § 83c VwGO § 134 Abs. 1 Instanzenzug VG Berlin - 14.02.2017 - AZ: VG 11 K 462.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2018 - 1 C 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U1C7.17.0] Urteil BVerwG 1 C 7.17 VG Berlin - 14.02.2017 - AZ: VG 11 K 462.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Februar 2017 geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung, hilfsweise Verkürzung des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 15. April 2016 angeordneten und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 6 des Bescheids), unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Kläger und Beklagter tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gründe I 1 Der Kläger, ein albanischer Staatsangehöriger, begehrt die Aufhebung eines gegen ihn vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots. 2 Er reiste 2015 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 15. April 2016 die Anträge des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab. Weiter entschied es, dass dem Kläger kein Anspruch auf subsidiären Schutz zusteht und keine Abschiebungsverbote vorliegen. Er wurde aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen, und ihm wurde die zwangsweise Abschiebung nach Albanien angedroht. Gleichzeitig ordnete das Bundesamt ein zehnmonatiges Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG ab dem Tag der Ausreise an (Ziffer 6) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG für den Fall der Abschiebung des Klägers auf 30 Monate (Ziffer 7). 3 Da der Kläger inzwischen mit einem deutschen Mann eine Lebenspartnerschaft begründet hatte, beantragte er im Mai 2016 beim Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Wahrung dieser lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft. Zugleich beantragte er sowohl beim Bundesamt als auch beim Beklagten die Aufhebung des vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots. Beide Behörden lehnten eine Entscheidung über den Aufhebungsantrag wegen Unzuständigkeit ab. Der Beklagte erteilte dem Kläger fortlaufend Duldungen, die letzte befristet bis zum 31. März 2020. 4 Die vom Kläger gegen den Beklagten erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 14. Februar 2017 mit der Begründung ab, dass nicht die Ausländerbehörde, sondern das Bundesamt über die Aufhebung entscheiden müsse. Dessen Zuständigkeit ergebe sich aus § 75 Nr. 12 AufenthG. Diese Sonderregelung gehe der allgemeinen Zuständigkeitsregelung für die Ausländerbehörden in § 71 Abs. 1 AufenthG vor und begründe die Zuständigkeit des Bundesamts auch für Folgeentscheidungen zu dem von ihm verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG. Denn § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erkläre § 11 Abs. 4 AufenthG für entsprechend anwendbar, welcher die nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung regele. Dem stehe der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille, es für Aufhebungs- und Verkürzungsentscheidungen bei der allgemeinen Zuständigkeit der Ausländerbehörden zu belassen, nicht entgegen, da dieser Wille im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden habe. 5 Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Er ist der Auffassung, die Zuständigkeit des Bundesamts beziehe sich schon nach dem Wortlaut des § 75 Nr. 12 AufenthG nur auf die erstmalige Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG. Selbst wenn der Wortlaut unterschiedliche Auslegungen zulasse, rechtfertige dies nicht ein Abweichen vom eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der die Ausländerbehörden als zuständig ansehe. 6 Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Er bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend beruft er sich darauf, dass in § 72 AufenthG eine gesetzliche Beteiligungsregelung zugunsten des Bundesamts fehle, was dafür spreche, dass das Gesetz von dessen Zuständigkeit auch für Aufhebungs- und Befristungsentscheidungen ausgehe und nicht von einer solchen der Ausländerbehörden. Bei der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei zu bewerten, ob eine solche Entscheidung asylrechtlich geboten sei. Hierfür sei das Bundesamt die sachnähere Behörde. 7 Das beigeladene Bundesamt und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließen sich der Argumentation des Klägers an. II 8 Die (Sprung)Revision des Klägers ist zulässig (1.) und hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, über das Begehren des Klägers auf Aufhebung des gegen ihn vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots in der Sache zu entscheiden (2.). Die gegenteilige Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Der Kläger hat allerdings nur einen Bescheidungsanspruch, keinen Aufhebungsanspruch. Soweit er mit der Revision seinen Aufhebungsanspruch weiterverfolgt, war diese zurückzuweisen (3.). 9 1. Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Es handelt sich bei dem auf § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 AufenthG gestützten und gegen die Ausländerbehörde gerichteten Aufhebungsbegehren um eine ausländerrechtliche Streitigkeit, für die die Sprungrevision - anders als bei asylrechtlichen Streitigkeiten bis zum 29. Juli 2017 (BGBl. I 2780) - auch schon bei ihrer Einlegung im März 2017 statthaft war. Aus § 83c AsylG ergibt sich nichts Abweichendes, da die Vorschrift das gegen die Ausländerbehörde gerichtete Verpflichtungsbegehren nicht erfasst. 10 2. Der Beklagte ist verpflichtet, über das Begehren des Klägers auf Aufhebung des gegen ihn verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu entscheiden. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 71 Abs. 1 AufenthG. 11 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei ausländerrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 16.14 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 22 Rn. 14). Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsänderungen, die nach der Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Tatsachengericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71). Maßgeblich ist hiernach das Aufenthaltsgesetz - AufenthG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter bei der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618). 12 Nach § 71 Abs. 1 AufenthG sind die Ausländerbehörden für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen zuständig, sofern keine gesetzliche Sonderzuständigkeit besteht. Das Begehren des Klägers auf Aufhebung des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots bestimmt sich nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG, er erstrebt also eine Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz im Sinne von § 71 Abs. 1 AufenthG. 13 Eine Sonderzuständigkeit des Bundesamts für die begehrte Aufhebungsentscheidung besteht nicht. Sie ergibt sich nicht aus § 75 Nr. 12 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist das Bundesamt u.a. zuständig für ""die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG"". Diese Sonderzuständigkeit erfasst nur die erstmalige ""Anordnung und Befristung"" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG, nicht jedoch dessen nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG. 14 Dafür spricht schon der Wortlaut des § 75 Nr. 12 AufenthG, der die Zuständigkeit des Bundesamts nur für die ""Anordnung und Befristung"" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG begründet, nicht auch für Änderungen dieser Verfügungen. Allerdings lässt der Wortlaut auch eine andere Auslegung zu, weil er pauschal auf § 11 Abs. 7 AufenthG verweist. Dieser ordnet in § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die entsprechende Anwendung der Absätze 1 bis 5 an. Damit erfasst er auch § 11 Abs. 4 AufenthG, der die Rechtsgrundlage für die nachträgliche Aufhebung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots darstellt sowie für die Verkürzung der hierfür festgesetzten Frist. 15 Auch eine systematische Auslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar wird mangels abweichender Gesichtspunkte in aller Regel die Behörde zur Abänderung von Verfügungen zuständig bleiben, die sie originär getroffen hat, insbesondere für deren Rücknahme und Widerruf. Zwingend ist dies jedoch nicht, zumal die nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG die ursprüngliche Befristung weder zurücknimmt oder widerruft, sondern eine eigenständige, tatbestandlich an die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG gebundene neue Entscheidung trifft. 16 Eine Begrenzung der Bundesamtszuständigkeit auf die Erstentscheidung entspricht der allgemeinen Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt und den Ausländerbehörden. Das Asylverfahren und damit die Zuständigkeit des Bundesamts endet grundsätzlich mit der bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag und die damit verbundenen Nebenentscheidungen. Der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet und - nach Abschiebung oder freiwilliger Ausreise - eine erneute Wiedereinreise richten sich dann nach dem Aufenthaltsgesetz. Verbleibt ein Ausländer nach Abschluss seines Asylverfahrens in Deutschland, sind für weitere aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörden zuständig. Dies gilt auch für Entscheidungen über ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG, soweit die sachliche Zuständigkeit nicht ausnahmsweise einer anderen Behörde zugewiesen ist. Eine solche Ausnahmeregelung enthalten § 11 Abs. 7 Satz 1 und § 75 Nr. 12 AufenthG, die als Ausnahme von der Regel eher eng auszulegen sind. Dafür, dass sich die Zuständigkeit des Bundesamts bei Entscheidungen nach § 11 Abs. 7 AufenthG nur auf die erstmalige Anordnung und Befristung (nach § 11 Abs. 7 Satz 1 und 4 AufenthG), nicht aber auf eine nachträgliche Aufhebung oder Befristung (nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG) bezieht, spricht auch der Vergleich mit den weiteren dem Bundesamt in Bezug auf § 11 AufenthG zugewiesenen Aufgaben. Denn nach § 75 Nr. 12 AufenthG ist das Bundesamt in bestimmten Fällen auch hinsichtlich des nach § 11 Abs. 1 AufenthG an eine Abschiebung anknüpfenden gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots für dessen ""Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG"" (hier: Ziffer 7 des Bescheids) zuständig. Diese Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich schon nach dem Wortlaut nicht auf eine auch in diesen Fällen mögliche nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung (nach § 11 Abs. 4 AufenthG). Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Ausländerbehörde zwar für die nachträgliche Änderung einer vom Bundesamt nach § 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Befristungsentscheidung, nicht aber auch für die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung eines vom Bundesamt mit der Ablehnung des Asylantrags angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig sein sollten. 17 Aus § 83c AsylG lassen sich keine Argumente für eine bestimmte Behördenzuständigkeit ableiten. Diese Vorschrift stellt lediglich klar, dass die das gerichtliche Verfahren betreffenden Sonderregelungen im Asylgesetz auch bei ""Rechtsbehelfen gegen die Entscheidungen des Bundesamts nach § 75 Nr. 12 AufenthG gelten"", ohne sich zum Umfang der Zuständigkeit des Bundesamts nach § 75 Nr. 12 AufenthG zu verhalten. 18 Für die Zuständigkeit der Ausländerbehörden spricht im Übrigen vor allem der gesetzgeberische Wille. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das Bundesamt nur die Ausgangsentscheidung nach § 11 Abs. 7 AufenthG treffen sollte, nachträgliche Abänderungsentscheidungen aber in die Zuständigkeit der Ausländerbehörden fallen sollten. Die Zuständigkeitsnorm des § 75 Nr. 12 AufenthG geht auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015 zurück und wurde wie folgt begründet (BT-Drs. 18/4097 S. 58): ""Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 kann nur durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung von Amts wegen zu befristen. Die Zuständigkeit für die Befristung wird im Gleichklang mit der Zuständigkeit für die Anordnung ebenfalls dem Bundesamt zugeordnet. Für die Aufhebung, Verkürzung oder Verlängerung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Absatz 4 verbleibt es bei den allgemeinen Zuständigkeiten nach § 71."" 19 Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich das gesetzgeberische Ziel, nur die erstmalige Anordnung und Befristung nach § 11 Abs. 7 AufenthG dem Bundesamt zuzuweisen, Abänderungsentscheidungen aber durch die Ausländerbehörden nach § 71 AufenthG vornehmen zu lassen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung in der Folgezeit auch eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag beantwortet (Antwort der Bundesregierung vom 9. März 2015, BT-Drs. 18/4262 S. 4). Gegenläufige Bekundungen zur Zuständigkeitsfrage erfolgten im Gesetzgebungsverfahren nicht. Damit dürfte die Einschätzung der Bundesregierung auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Dieser gesetzgeberische Wille hat sich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch im Gesetz niedergeschlagen, da § 75 Nr. 12 AufenthG die Zuständigkeit des Bundesamts nur für die ""Anordnung und Befristung"" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots begründet. 20 Die Auslegung der Zuständigkeitsregelungen durch den Senat entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Nach der Gesetzesbegründung soll die in § 11 Abs. 7 AufenthG neu geschaffene Möglichkeit der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt generalpräventiv der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylverfahrens dienen. Dies soll zugleich einer Überlastung der Asylverfahren durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenwirken, damit die entsprechenden Kapazitäten für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen eingesetzt werden können (BT-Drs. 18/4097 S. 38). 21 Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Anordnung eines (befristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots unmittelbar durch das Bundesamt zusammen mit seiner ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag. Gründe sowohl der Effektivität als auch der Praktikabilität sprechen in diesem Verfahrensstadium für eine (ausnahmsweise) Zuständigkeit des Bundesamts. Vergleichbare Gründe sind für Folgeentscheidungen nach Abschluss des Asylverfahrens nicht ersichtlich. Zur Verhinderung von Missbrauchsfällen bedarf es keiner Annexzuständigkeit des Bundesamts für nachträgliche Entscheidungen nach § 11 Abs. 4 AufenthG. Vielmehr sind insoweit die Ausländerbehörden die sachnäheren Behörden, weil sie die weitere aufenthaltsrechtlich relevante Entwicklung des Ausländers verfolgen und insofern besser in der Lage sind, die von § 11 Abs. 4 AufenthG für die Aufhebungs- und Verkürzungsentscheidung geforderte umfassende Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen zu treffen. 22 Eine (fortbestehende) Zuständigkeit des Bundesamts würde zudem in erheblichem Umfang Kapazitäten des Bundesamts durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen binden, die dann nicht für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen eingesetzt werden könnten. Damit würde der Gesetzeszweck nicht nur teilweise verfehlt, sondern letztlich sogar das Gegenteil bewirkt. 23 Dem steht nicht entgegen, dass § 72 AufenthG kein Beteiligungserfordernis des Bundesamts vorsieht. Insoweit hat der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass § 72 Abs. 3 AufenthG die Abänderung von Befristungsentscheidungen des Bundesamts nicht erfasst. Denn § 72 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AufenthG verweist ausdrücklich nur auf § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nicht auch auf § 11 Abs. 7 AufenthG. Dies stellt in Bezug auf Entscheidungen nach § 11 AufenthG offensichtlich eine abschließende Entscheidung dar. Daraus lässt sich jedoch kein Argument für eine Zuständigkeit des Bundesamts ableiten. Denn für dessen Beteiligung an der von den Ausländerbehörden zu treffenden Entscheidung besteht kein Bedarf. Die hier zu treffende Ermessensentscheidung ist auch in anderen Fällen von den Ausländerbehörden in eigener Verantwortung zu treffen, bei der es im Wesentlichen um die Würdigung einer nach der Erstentscheidung eingetretenen individuellen Entwicklung geht. Die Einbeziehung des allgemeinen öffentlichen Interesses an der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylverfahrens in die Abwägungsentscheidung der Ausländerbehörden setzt keine besondere Sachkunde voraus, die eine Beteiligung des Bundesamts erfordert. 24 3. Der Kläger kann von der Beklagten nur die Bescheidung seines Aufhebungsbegehrens verlangen, die von der Beklagten nach § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung ist nicht auf Null reduziert. 25 Allein der Umstand, dass der Kläger nach Aktenlage wohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erfüllt, reicht hierfür nicht aus. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, wonach (selbst) bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen das Einreise- und Aufenthaltsverbot lediglich aufgehoben werden ""soll"". Die familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinem deutschen Lebenspartner ist dadurch gewährleistet, dass die Ausländerbehörde nicht beabsichtigt, den Kläger abzuschieben, und er im Besitz einer mehrjährigen Duldung zu Ausbildungszwecken ist. Auch der Zeitablauf seit Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtfertigt im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine andere Beurteilung. Weitere Gründe, aus denen sich eine Ermessensverdichtung auf Null ergeben könnte, sind vom Kläger nicht geltend gemacht, so dass es auch keiner (Zurück-)Verweisung an das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung bedarf. Soweit die Ausländerbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt hat, dass sie im Falle ihrer Zuständigkeit eine Aufhebung verfügen würde, stellt dies lediglich eine das Gericht rechtlich nicht bindende Absichtserklärung dar. 26 Der Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft bei der nun vom Beklagten zu treffenden Entscheidung über eine nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots steht nicht entgegen, dass der Kläger diesen Umstand schon gegenüber dem Bundesamt hätte geltend machen können, dies aber unterlassen hat. Denn es geht bei der nach § 11 Abs. 4 AufenthG zu treffenden Entscheidung nicht um ein Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens beim Bundesamt, sondern darum, ob und in welchem Umfang ein - gesetzliches oder ausdrücklich angeordnetes - Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Zukunft aufrechterhalten bleibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die persönlichen Bindungen des Klägers mit fortschreitender Dauer an Gewicht gewinnen, während die dem Einreise- und Aufenthaltsverbot hier zugrunde liegenden generalpräventiven Erwägungen an Gewicht verlieren. 27 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten." bverwg_2018-30,09.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 30/2018 vom 09.05.2018 EN Kein Ausgleich von überdurchschnittlicher Arbeitszeit durch Urlaubs- und Feiertage Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass Urlaubs- und gesetzliche Feiertage bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage berücksichtigt werden dürfen. Das gilt auch für Urlaubstage, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährt werden, sowie für gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen. Das klagende Universitätsklinikum Köln führt für die bei ihm beschäftigten Ärzte sogenannte Arbeitszeitschutzkonten, um die Einhaltung der höchstzulässigen Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt sicherzustellen. Dabei werden die wöchentliche Höchstarbeitszeit als Soll verbucht und die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden als Haben erfasst. Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs werden so verbucht, als sei an ihnen regulär gearbeitet worden. Darüber hinausgehende Urlaubstage und gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, wertete der Kläger hingegen als Ausgleichstage mit einer geleisteten Arbeitszeit von null Stunden. Damit konnten diese Tage zum Ausgleich für überdurchschnittlich geleistete Arbeit an anderen Tagen herangezogen werden. Die Bezirksregierung Köln untersagte diese Praxis des Klägers, weil sie darin einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz sah. Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Urlaubstage dürfen, auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich, dass als Ausgleichstage nur Tage dienen können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Ebenso wenig dürfen gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage herangezogen werden. Gesetzliche Feiertage sind keine Werktage und grundsätzlich beschäftigungsfrei. Daher werden sie bei der Berechnung der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht in den Ausgleich einbezogen. Unionsrecht steht dem nicht entgegen. Die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union, die zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer erlassen wurde, verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines Mindeststandards, ohne darüber hinausgehende, den Standard verbessernde nationale Regelungen auszuschließen. BVerwG 8 C 13.17 - Urteil vom 09. Mai 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 4 A 2803/12 - Urteil vom 23. Juni 2016 - VG Köln, 1 K 4015/11 - Urteil vom 22. November 2012 -","Urteil vom 09.05.2018 - BVerwG 8 C 13.17ECLI:DE:BVerwG:2018:090518U8C13.17.0 EN Berechnung der Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz Leitsatz: Tarifliche Mehrurlaubstage und gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, dürfen bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage berücksichtigt werden. Rechtsquellen RL 2003/88/EG Art. 1, 7, 15, 16 GG Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV ArbZG §§ 1, 3, 7 Abs. 1 und 8, §§ 9, 11, 17 Abs. 2 BUrlG §§ 1, 3 Instanzenzug VG Köln - 22.11.2012 - AZ: VG 1 K 4015/11 OVG Münster - 23.06.2016 - AZ: OVG 4 A 2803/12 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.05.2018 - 8 C 13.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:090518U8C13.17.0] Urteil BVerwG 8 C 13.17 VG Köln - 22.11.2012 - AZ: VG 1 K 4015/11 OVG Münster - 23.06.2016 - AZ: OVG 4 A 2803/12 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2018 durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Berechnungsmodalitäten der nach dem Arbeitszeitgesetz zulässigen durchschnittlichen Höchstarbeitszeit. 2 Das klagende Universitätsklinikum wendet auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Ärzte - mit wenigen Ausnahmen - den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 an, der derzeit in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 6 vom 12. April 2017 gilt (nachfolgend: TV-Ärzte). Danach haben Ärzte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts, wobei der Urlaubsanspruch generell 30 Tage beträgt (vgl. § 26 Abs. 1 TV-Ärzte). 3 Um die Einhaltung der höchstzulässigen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sicherzustellen, führt der Kläger für seine Beschäftigten so genannte Arbeitszeitschutzkonten. Auf diesen werden die wöchentliche Höchstarbeitszeit als ""Soll"" verbucht und die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden als ""Haben"" erfasst. An den Tagen des gesetzlichen Mindesturlaubs wird ein dem Sollwert entsprechender Habenwert zugebucht. Über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubstage sowie auf Werktage fallende gesetzliche Feiertage verbuchte der Kläger hingegen mit einer geleisteten Arbeitszeit von null Stunden bei regulärem Sollwert. Damit konnten diese Tage zum Ausgleich für überdurchschnittlich geleistete Arbeit an anderen Tagen herangezogen werden. 4 Mit Bescheid vom 16. Juni 2011 ordnete die Bezirksregierung K. für alle bei dem Kläger als Arbeitnehmer beschäftigten Ärzte mit Ausnahme der Chefärzte an, dass alle Urlaubstage, auch soweit sie über den vierwöchigen gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz hinausgingen, bei den Ausgleichsregelungen des § 3 Satz 2 und des § 7 Abs. 8 ArbZG mit ihrer Regelarbeitszeit zu berücksichtigen seien. Sie dürften nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Ebenso wenig seien die gesetzlichen Feiertage als Ausgleichstage heranzuziehen. 5 Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Daraufhin hat der Kläger seine Berechnungsweise vorläufig aufgegeben, sich aber vorbehalten, sie nach der abschließenden gerichtlichen Klärung wieder aufzunehmen. 6 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Anordnung der Bezirksregierung sei rechtmäßig. Sie sei nach § 17 Abs. 2 ArbZG zur Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit der Ärzte erforderlich, nachdem der Kläger ausdrücklich angekündigt habe, nach einer Klärung der Rechtslage seine in der Vergangenheit praktizierte Berechnungsweise gegebenenfalls wieder aufgreifen zu wollen. Entgegen seiner Auffassung dürften bei der Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit als Ausgleichstage für geleistete überdurchschnittliche Mehrarbeit grundsätzlich nur solche Tage berücksichtigt werden, an denen der Arbeitnehmer nicht arbeite, obwohl er an sich zur Arbeit verpflichtet sei. Deshalb dürften bei der Führung der Arbeitszeitschutzkonten weder Tage bezahlten Erholungsurlaubs noch auf Werktage fallende gesetzliche Feiertage als Ausgleichstage angerechnet werden. Der Ausgleich von Mehrarbeit an einzelnen Arbeitstagen dürfe nur durch Minderarbeit an anderen Arbeitstagen, nicht aber durch fingierte Arbeitszeit in Zeiten bezahlten Erholungsurlaubs erfolgen. Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, tarifrechtlichen Mehrurlaub bei der Berechnung der zulässigen Höchstarbeitszeit anders als den gesetzlichen Urlaubsanspruch - und zwar für den Arbeitnehmer ungünstiger - zu verrechnen, sei nichts ersichtlich. Auch eine an der EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG orientierte Auslegung der § 3 Satz 2 und § 7 Abs. 8 ArbZG verlange, bei der Berechnung der Durchschnittsarbeitszeit die Tage des tariflichen Mehrurlaubs nicht als Ausgleichstage zu berücksichtigen. Ebenso wenig dürften auf Werktage fallende gesetzliche Feiertage als Ausgleichstage angerechnet werden. Ausgleichstage könnten nur solche Tage sein, an denen der Arbeitnehmer nicht arbeite, obwohl er an sich zur Arbeit verpflichtet sei. Das sei an gesetzlichen Feiertagen nicht der Fall; an diesen Tagen komme eine Beschäftigung nur ausnahmsweise in Betracht. 7 Mit der Revision verteidigt der Kläger seine frühere Praxis, übergesetzliche Urlaubstage sowie gesetzliche Wochenfeiertage als Ausgleichstage im Arbeitszeitschutzkonto zu bewerten. Ein Verbot, diese Tage nicht auf die durchschnittliche Höchstarbeitszeit anzurechnen, folge weder aus dem Arbeitszeitgesetz noch aus Unionsrecht. Das Arbeitszeitgesetz und der einschlägige Tarifvertrag regelten nicht, ob übergesetzliche Urlaubstage oder andere Tage der Arbeitsbefreiung in die Berechnung des Zeitausgleichs nach § 7 Abs. 8 ArbZG einbezogen werden dürften. Damit existierten keine günstigeren Rechtsvorschriften, die eine Anrechnung von übergesetzlichen Urlaubstagen verbieten könnten. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG verbiete lediglich, gesetzliche Mindesturlaubstage als Ausgleichstage bei der Berechnung der Durchschnittsarbeitszeit nach § 7 Abs. 8 ArbZG zu berücksichtigen. Die Anrechnung von übergesetzlichem Urlaub sei vom Anwendungsbereich der Richtlinie hingegen nicht erfasst. Etwas anderes folge nicht aus Art. 15 RL 2003/88/EG, der den Mitgliedstaaten erlaube, günstigere Vorschriften zu erlassen. Von dieser Befugnis hätten weder der Gesetzgeber noch die Tarifvertragsparteien Gebrauch gemacht. Das Berufungsgericht verkenne darüber hinaus den strukturellen Unterschied zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und übergesetzlichem Mehrurlaub. Es treffe zwar zu, dass der Arbeitnehmer auch im Fall des übergesetzlichen Urlaubs von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit sei. Der tarif- bzw. individualvertraglich vereinbarte zusätzliche Urlaubsanspruch diene aber nicht dem Gesundheitsschutz oder einem Erholungszweck, sondern regele lediglich das synallagmatische Verhältnis von Arbeitszeit und Verdienst. Die Praxis, gesetzliche Wochenfeiertage als Ausgleichstage zu berücksichtigen, sei auch mit dem besonderen Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV vereinbar. Denn die Anrechnungsregelung bewirke nicht, dass an den betroffenen Feiertagen tatsächlich gearbeitet werde; diese würden lediglich als Ausgleichstage berücksichtigt. 8 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. November 2012 zu ändern und den Bescheid der Bezirksregierung K. vom 16. Juni 2011 aufzuheben. 9 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses hält das Berufungsurteil für zutreffend. Tarifrechtliche Mehrurlaubstage veränderten nicht das synallagmatische Verhältnis von Arbeitszeit und Verdienst, sondern dienten wie der gesetzliche Mindesturlaub der Erholung. Die Arbeitszeitrichtlinie enthalte Mindestvorgaben zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer. Sowohl das Arbeitszeitgesetz als auch das Bundesurlaubsgesetz dienten der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie und ließen für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen zu. II 11 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 16. Juni 2011 rechtmäßig ist. 12 Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 17 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500) - ArbZG -. Danach kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die der Arbeitgeber zur Erfüllung der Pflichten zu treffen hat, die sich aus diesem Gesetz und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen der Norm zu Recht bejaht. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Anordnung der Bezirksregierung erforderlich war, um die Einhaltung der nach dem Arbeitszeitgesetz zulässigen durchschnittlichen Höchstarbeitszeit sicherzustellen. Die vom Kläger in der Vergangenheit praktizierte Ausgestaltung der Arbeitszeitschutzkonten steht mit den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes nicht in Einklang. Urlaubstage, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen (1.), und gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen (2.), dürfen bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach § 3 Satz 2, § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. 13 1. Nach der Grundregel des § 3 Satz 1 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 Satz 2 ArbZG). 14 a) Die in § 3 Satz 2 ArbZG geregelte Höchstgrenze der durchschnittlichen werktäglichen Arbeitszeit setzt die Möglichkeit eines Arbeitszeitausgleichs zwischen einzelnen Werktagen innerhalb eines Ausgleichszeitraums voraus. Auch bei einer Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden ist die durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden innerhalb des gesetzlich bestimmten Ausgleichszeitraums einzuhalten. Werktag ist jeder Tag, der nicht Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist (vgl. auch § 3 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG). 15 Von der Grundregel des § 3 ArbZG kann unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 ArbZG unter anderem durch Tarifvertrag abgewichen werden. So kann die Arbeitszeit abweichend von § 3 ArbZG über zehn Stunden werktäglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG). Der Tarifvertrag kann außerdem abweichend von § 3 ArbZG einen anderen Ausgleichszeitraum festlegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ArbZG). Darüber hinaus ermöglicht § 7 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG auch eine Abweichung von § 6 Abs. 2 ArbZG. Diese Vorschrift regelt die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer, die acht Stunden nicht überschreiten darf und auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden kann, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ArbZG). Hiervon abweichend kann nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbZG die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt; außerdem kann ein anderer Ausgleichszeitraum festgelegt werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbZG). 16 Das Arbeitszeitgesetz lässt damit bestimmte tarifvertragliche Modifikationen der Arbeitszeitgestaltung zu und ermöglicht auf diese Weise eine Flexibilisierung der werktäglichen Arbeitszeit (vgl. § 1 Nr. 1 ArbZG), setzt ihr aber zugleich Grenzen. Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten, wenn abweichende Regelungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ArbZG zugelassen werden. Die nach diesen Öffnungsklauseln zulässigen Abweichungen von den gesetzlich vorgegebenen Parametern für die werktägliche Arbeitszeit und den Ausgleichszeitraum dürfen also nicht dazu führen, dass die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten überschreitet. 17 Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 in der derzeit maßgeblichen Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 6 vom 12. April 2017 (nachfolgend: TV-Ärzte) hat von den in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b ArbZG vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. So sieht § 6 Abs. 1 TV-Ärzte eine durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vor, die auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen oder dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden kann. Daraus ergibt sich bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Tage eine werktägliche durchschnittliche Arbeitszeit von 8,4 Stunden. Darüber hinaus legt § 6 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einen Zeitraum von einem Jahr fest und dehnt damit den Ausgleichszeitraum auf den nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG höchstzulässigen Zeitraum aus. 18 b) Bei der Berechnung der danach zulässigen durchschnittlichen Höchstarbeitszeit dürfen Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs sowie tarifvertraglich eingeräumte Mehrurlaubstage nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG und dessen Entstehungsgeschichte dazu nichts entnehmen. Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit § 3 Abs. 2 ArbZG und dem Bundesurlaubsgesetz sowie aus dem Zweck der Regelung ergibt sich aber, dass ein Ausgleich zu viel geleisteter Arbeitszeit nur durch Freistellung zu anderen Arbeitszeiten innerhalb des Ausgleichszeitraums erfolgen kann. Als Ausgleichstage können nur solche Tage dienen, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Pflicht zur Arbeit freigestellt ist. 19 § 7 Abs. 8 ArbZG wurde mit dem Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) in das Arbeitszeitgesetz eingefügt. Die Regelung setzt Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) in nationales Recht um. Nach Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG können die Tarifvertragsparteien einen Ausgleichszeitraum für Arbeitszeitverlängerungen von bis zu zwölf Monaten vereinbaren, wobei innerhalb dieses Zeitraums die Arbeitszeit nicht höher als durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich sein darf. Die Vorschrift enthält zugleich die an die Mitgliedstaaten gerichtete Maßgabe, die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer zu wahren. § 7 Abs. 8 ArbZG dient ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich der Klarstellung und soll entsprechend den Vorgaben der Richtlinie sicherstellen, dass auch bei einer Verlängerung des Ausgleichszeitraums die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird (BT-Drs. 15/1587 S. 31). Für die Frage der Berechnungsmodalitäten der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit sind die Gesetzesmaterialien hingegen unergiebig. 20 Allerdings ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG mit § 3 Satz 2 ArbZG und dem Bundesurlaubsgesetz, dass nur solche Tage als Ausgleichstage herangezogen werden können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. § 7 Abs. 8 ArbZG stellt klar, dass Abreden zur Flexibilisierung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ArbZG die Notwendigkeit des Arbeitszeitausgleichs im Sinne des § 3 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ArbZG nicht abbedingen können. Unverändert bleiben auch die gesetzlichen Anforderungen an den Ausgleich. Wie sich aus § 7 ArbZG ergibt, definieren §§ 3 bis 6 ArbZG einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit unter Beachtung der jeweiligen Höchstgrenzen verteilt werden darf. Wird der Arbeitnehmer an einem Werktag dieses Zeitraums zur Überschreitung der regelmäßigen werktäglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden verpflichtet, muss dies dadurch kompensiert werden, dass der zeitliche Umfang seiner Arbeitspflicht an anderen Werktagen des Ausgleichszeitraums entsprechend gemindert wird. Dies setzt eine Freistellung von der Arbeitspflicht an einem Tag voraus, an dem der Arbeitnehmer - ohne die Freistellung - zur Arbeit verpflichtet werden könnte. Daran fehlt es, wenn eine Arbeitspflicht an diesem Tag schon aus anderen rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Das trifft zu, wenn dem Arbeitnehmer für den betreffenden Tag Erholungsurlaub gewährt wurde, gleich ob es sich dabei um den gesetzlichen Mindesturlaub oder um tariflichen Mehrurlaub handelt. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Erholungsurlaub soll der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers dienen und sichert ihm die Möglichkeit, für eine bestimmte Dauer im Jahr die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (BAG, Urteil vom 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - BAGE 141, 73 Rn. 23). Der Arbeitnehmer ist in diesem Zeitraum unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitspflicht befreit. Für eine Freistellung zwecks Arbeitszeitausgleichs stehen Urlaubstage damit nicht mehr zur Verfügung. 21 Die Entstehung des Urlaubsanspruchs ist auch nicht vom vorherigen Umfang der Arbeitsleistung abhängig. Der Erholungsurlaub muss also nicht durch Arbeitsleistung ""verdient"" werden. Er ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzlich bedingte Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer von dessen Verpflichtung zur Arbeitsleistung für die Dauer des Urlaubs freizustellen (vgl. BAG, Urteile vom 28. Januar 1982 - 6 AZR 571/79 - BAGE 37, 382 Rn. 14 und 17 und vom 8. März 1984 - 6 AZR 442/83 - BAGE 45, 199 Rn. 24). Er ist deshalb auch nicht durch vorherige oder nachfolgende Arbeitsleistung auszugleichen. Dem liefe es zuwider, wenn Urlaubstage als Ausgleich für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistung bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit in Anrechnung gebracht würden. 22 Das gilt nicht nur für den nach § 3 Abs. 1 BUrlG gesetzlich garantierten Mindesturlaub von jährlich 24 Werktagen, sondern auch für darüber hinaus gehende Mehrurlaubstage, die aufgrund Tarifvertrages oder individualrechtlich gewährt werden. § 3 Abs. 1 BUrlG, der die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs bestimmt, differenziert nicht zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub. Der einschlägige Tarifvertrag enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine von der gesetzlichen Regelung abweichende arbeitszeitrechtliche Behandlung des tariflichen Mehrurlaubs hätten regeln wollen. Das Oberverwaltungsgericht ist in diesem Zusammenhang von einem Gleichlauf zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub ausgegangen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - BAGE 137, 328 Rn. 23). Diese Auslegung des TV-Ärzte durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub differenzierender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich aus dem Tarifvertrag nicht ableiten. Vielmehr trifft § 26 TV-Ärzte eine einheitliche Regelung für den Erholungsurlaub. Die tarifvertragliche Bestimmung erweitert den Urlaubsanspruch über das gesetzliche Mindestmaß hinaus, ohne eine Differenzierung zwischen gesetzlichen Mindesturlaubstagen und tariflichen Mehrurlaubstagen vorzunehmen und damit die Heranziehung von Mehrurlaubstagen als Ausgleichstage zu gestatten. Ob eine solche Regelung gesetzeskonform wäre, kann daher auf sich beruhen. 23 Die Auslegung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ArbZG, die keine Heranziehung tariflicher Mehrurlaubstage als Ausgleichstage zulässt, fügt sich in den Zweck des Arbeitszeitgesetzes ein. Zweck des Gesetzes ist es, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern (§ 1 Nr. 1 ArbZG). Die in § 7 ArbZG vorgesehenen Öffnungsklauseln ermöglichen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit innerhalb eines bestimmten zeitlichen, der tarifvertraglichen Gestaltung unterliegenden Rahmens. Sie gestatten jedoch keine Arbeitszeitverdichtung durch Erweiterung dieses Rahmens zulasten anderweitig geregelter Begrenzungen der Arbeitszeit. Tage, an denen eine Arbeitspflicht bereits nach dem Bundesurlaubsgesetz ausgeschlossen ist, sollen weder als Arbeits- noch als Ausgleichszeit in Anspruch genommen werden können. 24 c) Unionsrecht steht dieser Auslegung der Ausgleichregeln des Arbeitszeitgesetzes nicht entgegen. Art. 16 Buchst. b Satz 2 RL 2003/88/EG bestimmt, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Danach dürfen die betreffenden Tage bei der Berechnung nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG). Gleiches gilt jedoch auch für darüber hinausgehende, durch nationales Recht begründete Mehrurlaubstage. Denn die Richtlinie 2003/88/EG verfolgt nach ihrem vierten Erwägungsgrund das Ziel, Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu verbessern, ohne dass diese Zielsetzungen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen. Demgemäß enthält die Richtlinie nach Art. 1 Abs. 1 lediglich Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung und gewährleistet damit ein Mindestschutzniveau. 25 Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten. Das umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Arbeitnehmer auch an solchen Mehrurlaubstagen von der Arbeitspflicht befreit ist, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit herangezogen werden (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - juris Rn. 63 und vom 20. Juli 2017 - 2 C 31.16 - BVerwGE 159, 245 Rn. 57 f.). 26 Entgegen der Auffassung des Klägers entfaltet Art. 15 RL 2003/88/EG keine ""Sperre"" für günstigere nationale Regelungen als den in der Richtlinie vorgesehenen Mindeststandard der Arbeitszeitgestaltung (vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 2003/88/EG). Vielmehr ist es im Sinne der so genannten acte-clair-Doktrin (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT - Rn. 16) offenkundig, dass die Vorschrift über den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub hinausgehende und dem Arbeitnehmer günstigere nationale Urlaubs- und Ausgleichsregelungen zulässt und für vernünftige Zweifel insoweit kein Raum bleibt. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist mithin nicht veranlasst. 27 2. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage herangezogen werden dürfen, steht mit Bundesrecht in Einklang. 28 a) Das Arbeitszeitgesetz sieht in § 9 Abs. 1 ArbZG ein grundsätzliches Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen vor. Eine Differenzierung zwischen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, und anderen Feiertagen trifft die Regelung nicht; sie erfasst ausnahmslos alle gesetzlichen Feiertage. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an gesetzlichen Feiertagen kommt nach § 10 ArbZG unter den dort genannten Voraussetzungen nur ausnahmsweise in Betracht. Werden Arbeitnehmer an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist (§ 11 Abs. 3 Satz 2 ArbZG). Zweck dieser Regelung ist es, dem Arbeitnehmer einen Ersatzruhetag als Ausgleich für einen durch Beschäftigung ""verlorenen"" Ruhetag zu gewähren. Allerdings finden die §§ 3 und 7 ArbZG - und damit auch die darin enthaltenen Ausgleichsregelungen - nach § 11 Abs. 2 ArbZG nur dann entsprechende Anwendung, wenn der Arbeitnehmer an einem Feiertag beschäftigt wird. Bleibt ein Wochenfeiertag arbeitsfrei, scheidet eine Anwendung der Ausgleichsregelungen und damit auch seine Heranziehung als Ausgleichstag von vornherein aus. 29 Daran ändert die Öffnungsklausel des § 12 Nr. 2 ArbZG nichts. Danach kann zwar durch Tarifvertrag abweichend von § 11 Abs. 3 ArbZG der Wegfall von Ersatzruhetagen für auf Werktage fallende Feiertage vereinbart werden. § 6 Abs. 3 Satz 4 TV-Ärzte sieht aber grundsätzlich den Ausgleich eines Feiertags, der auf einen Werktag fällt, durch Freistellung an einem anderen Werktag innerhalb einer bestimmten Ausgleichsfrist vor. Nur wenn Freizeitausgleich nicht gewährt werden kann, tritt an dessen Stelle ein Entgelt für die ausnahmsweise ohne Freizeitausgleich geschuldete Arbeitsleistung (§ 6 Abs. 3 Satz 5 TV-Ärzte). Das Berufungsgericht hat diese tarifvertragliche Bestimmung revisionsrechtlich einwandfrei als eine Ausnahmeregelung verstanden, die eine Einzelfallprüfung erfordert, aber an dem Umstand, dass Wochenfeiertage grundsätzlich beschäftigungsfrei sind, nichts ändert. Damit gestattet sie keine Heranziehung von gesetzlichen Feiertagen als Ausgleichstage. 30 b) Aus dem Unionsrecht ergibt sich nichts anderes. Der Anwendungsbereich der EU-Arbeitszeitrichtlinie erstreckt sich nicht auf die Arbeitszeitgestaltung an Feiertagen. Deshalb beurteilt sich die Frage, ob gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage herangezogen werden dürfen, ausschließlich nach den dargestellten nationalen Regelungen. 31 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-32,17.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 32/2018 vom 17.05.2018 EN Unwirksamkeit des Bebauungsplans RegioPort Weser I Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster bestätigt, mit denen der Bebauungsplan RegioPort Weser I für unwirksam erklärt worden ist. Der Bebauungsplan erfasst ein knapp 92 ha großes Areal nördlich des Mittellandkanals, das teils im Gebiet der Stadt Minden und teils im Gebiet der Stadt Bückeburg liegt. Er dient der Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bau eines Hafens für den Containerumschlag und von ergänzendem hafenaffinen Gewerbe. Aufgestellt worden ist der Plan vom Planungsverband Regio Port Weser, dem neben den Städten Minden und Bückeburg der Kreis Minden-Lübbecke und der Landkreis Schaumburg angehören. Die Eigentümerin eines dem Plangebiet benachbarten Grundstücks und die Stadt Porta Westfalica haben den Plan gerichtlich angefochten. Das Oberverwaltungsgericht hat ihren Normenkontrollanträgen stattgegeben. Der Bebauungsplan sei unwirksam, weil der Planungsverband Regio Port Weser nicht fehlerfrei gebildet worden sei und deshalb rechtlich nicht existiere. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich der vorinstanzlichen Entscheidung angeschlossen und mit dem Oberverwaltungsgericht die Gründungssatzung des Planungsverbandes beanstandet. Nach der Satzung seien die Träger der gemeindlichen Planungshoheit, die Städte Minden und Bückeburg, selbst dann nicht in der Lage, sich mit ihren planerischen Vorstellungen gegen abweichende Vorstellungen der am Verband beteiligten Landkreise durchzusetzen, wenn sich alle ihre Vertreter einig seien. Die Satzung müsse aber sicherstellen, dass die Letztverantwortung für die Bauleitplanung bei den Städten verbleibe. BVerwG 4 CN 9.17 - Urteil vom 17. Mai 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 2 D 70/16.NE - Urteil vom 26. Juni 2017 - BVerwG 4 CN 10.17 - Urteil vom 17. Mai 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 2 D 59/16.NE - Urteil vom 26. Juni 2017 -","Urteil vom 17.05.2018 - BVerwG 4 CN 9.17ECLI:DE:BVerwG:2018:170518U4CN9.17.0 EN Gründung eines Planungsverbandes/Zweckverbandes Leitsätze: 1. Satzungen, mit denen sich Gemeinden zu einem Planungsverband nach § 205 Abs. 1 BauGB zusammenschließen, sind nach den Vorschriften öffentlich bekannt zu machen, die das Landes- und Kommunalrecht für die Veröffentlichung gemeindlicher Satzungen normiert hat. 2. Die wirksame Gründung eines Zweckverbandes, dem Aufgaben der Bauleitplanung übertragen werden, setzt voraus, dass die Gründungssatzung Regelungen enthält, die einen wirksamen Vollzug des Städtebaurechts gewährleisten und die gemeindliche (Letzt-)Verantwortung für das städtebauliche Geschehen wahren. Rechtsquellen BauGB § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1, § 205 GkG NRW §§ 10, 11, 32 Instanzenzug OVG Münster - 26.06.2017 - AZ: OVG 2 D 70/16.NE Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.05.2018 - 4 CN 9.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:170518U4CN9.17.0] Urteil BVerwG 4 CN 9.17 OVG Münster - 26.06.2017 - AZ: OVG 2 D 70/16.NE In den Normenkontrollsachen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann für Recht erkannt: Die Revisionen des Antragsgegners gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 2017 werden zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Bebauungsplans ""RegioPort Weser I"". 2 Der Plan erfasst ein knapp 92 ha großes Areal nördlich des Mittellandkanals, das teilweise auf dem Gebiet der Stadt A., teilweise auf dem Gebiet der Stadt B. liegt. Er soll die planungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bau eines Hafens für den Containerumschlag und für die Ansiedlung ergänzenden, hafenaffinen Gewerbes schaffen. Aufgestellt worden ist er vom Antragsgegner, einem Verband, dem die Städte A. und B. sowie der Kreis C. und der Landkreis D. angehören. 3 Die Antragstellerin im Verfahren 4 CN 9.17 ist Eigentümerin eines Wohngrundstücks in unmittelbarer Nachbarschaft des Plangebiets. Die Antragstellerin im Verfahren 4 CN 10.17 ist eine nordrhein-westfälische Gebietskörperschaft, deren Stadtgrenze ca. 4,5 km vom Plangebiet entfernt ist und durch deren Stadtgebiet mit der B 482 ein Hauptautobahnzubringer des Hafens führt. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Die Unwirksamkeit des Plans folge bereits daraus, dass der Antragsgegner nicht wirksam gegründet worden sei und es damit an dem erforderlichen Planungsträger selbst fehle. 5 Mit seinen vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen erstrebt der Antragsgegner die Ablehnung der Normenkontrollanträge. Die Antragstellerinnen verteidigen die vorinstanzlichen Entscheidungen. II 6 Die Revisionen, die der Senat in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat (§ 93 Satz 1 VwGO), sind unbegründet. Die angefochtenen Urteile beruhen nicht auf der Verletzung von Bundesrecht. 7 1. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht entschieden, dass der Antragsgegner weder als Planungsverband nach § 205 Abs. 1 BauGB noch als Zweckverband nach § 205 Abs. 6 BauGB i.V.m. den Vorschriften des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW) wirksam gegründet worden ist, und aus diesem Umstand zu Recht die Unwirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplans hergeleitet. 8 a) Als Planungsverband nach § 205 Abs. 1 BauGB ist der Antragsgegner nach Auffassung der Vorinstanz bereits deshalb nicht wirksam gegründet worden, weil es an der erforderlichen ortsüblichen Bekanntmachung der Gründungssatzung vom 6. April 2009 fehlt. Dem liegt der zutreffende Ansatz zugrunde, dass zu den Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit einer Satzung ihre öffentliche Bekanntmachung gehört. Sie ist ein Gebot des Rechtsstaatsprinzips (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1992 - 4 NB 20.92 - NVwZ-RR 1993, 262 <263>). 9 aa) Das Oberverwaltungsgericht vermisst eine Bekanntmachung der Gründungssatzung in den Bekanntmachungsorganen der am Antragsgegner beteiligten Gebietskörperschaften, deren Erfordernis es daraus hergeleitet hat, dass es sich bei der Gründung eines Planungsverbandes nach § 205 Abs. 1 BauGB ""letztlich um den ersten Teil der Bauleitplanung handelt"". 10 Der Senat lässt offen, ob die Gründungssatzung in den Veröffentlichungsorganen des Kreises C. und des Landkreises D. hätte bekanntgemacht werden müssen. Er folgt dem Oberverwaltungsgericht jedenfalls darin, dass die Satzung einer Bekanntgabe in den Publikationsorganen der Städte A. und D. bedurft hätte. Satzungen, mit denen sich Gemeinden zu einem Planungsverband zusammenschließen, sind nach den Vorschriften öffentlich bekannt zu machen, die das Landes- und Kommunalrecht für die Veröffentlichung gemeindlicher Satzungen normiert hat (vgl. Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 205 Rn. 54; Schmidt-Eichstaedt, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 205 Rn. 17; Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 3. Aufl. 2018, § 205 Rn. 23; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 205 Rn. 4; Jarass/Kment, BauGB, 2. Aufl. 2017, § 205 Rn. 6; Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 205 Rn. 1; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, Stand März 2018, § 205 Rn. 12). Die Gründungssatzung ist eine gemeindliche Satzung, weil die Bauleitplanung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu den eigenen Angelegenheiten der Gemeinden mit der Befugnis gehört, den Bebauungsplan als Satzung zu beschließen (§ 10 Abs. 1 BauGB), und auch mit der Übertragung der Befugnis zur Bauleitplanung an einen Planungsverband nach § 205 Abs. 1 BauGB von der Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB Gebrauch gemacht wird. 11 bb) Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die gebotene ortsübliche Bekanntmachung in den Veröffentlichungsorganen der Städte A. und B. durch die Bekanntgabe der Gründungssatzung und ihrer Genehmigung im Amtsblatt der Bezirksregierung Detmold vom 27. April 2009 nicht ersetzt worden ist. Für eine wirksame Ersatzverkündung fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Sie ist namentlich nicht in § 11 Abs. 1 GkG NRW zu finden, der anordnet, dass die Aufsichtsbehörde die (Zweck-)Verbandssatzung und ihre Genehmigung in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt bekanntzumachen hat und die Gemeinden und Kreise in der für ihre Bekanntmachungen vorgeschriebenen Form auf die Veröffentlichung hinzuweisen haben. 12 § 205 Abs. 1 bis 5 BauGB mit seinen Regelungen zum Planungsverband verweist nicht auf das Zweckverbandsrecht. § 11 Abs. 1 GkG NRW ist auch nicht über § 32 GkG NRW anwendbar, der bestimmt, dass auf Planungsverbände nach § 205 BauGB die Vorschriften des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit entsprechend anzuwenden sind, soweit sich aus dem Baugesetzbuch nichts anderes ergibt. Die in § 11 Abs. 1 GkG NRW normierte Pflicht zur Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde knüpft daran an, dass die Zweckverbandssatzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 GkG NRW der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedarf. Die Satzung nach § 205 Abs. 1 Satz 2 BauGB unterliegt indessen keinem Genehmigungsvorbehalt. Es gibt deshalb auch keine Aufsichtsbehörde, in deren amtlichem Veröffentlichungsblatt die Verbandssatzung und deren Genehmigung veröffentlicht werden könnte. Aus dem Verzicht des Bundesgesetzgebers auf die Pflicht zur Genehmigung einer Satzung, mit der ein Planungsverband im Sinne des § 205 Abs. 1 BauGB gegründet wird, lässt sich folgern, dass für eine ergänzende Heranziehung des § 11 Abs. 1 GkG NRW kein Raum ist (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 9. August 2001 - 8 C 11352/00 - NVwZ-RR 2002, 102). 13 cc) Da die Gründungssatzung nach § 205 Abs. 1 Satz 2 BauGB mangels ortsüblicher Bekanntmachung nicht in Kraft getreten ist, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Satzung, wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen, auch deshalb unwirksam ist, weil die Beteiligung der (Land-)Kreise von § 205 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht getragen wird. 14 b) Als Zweckverband ist der Antragsgegner gleichfalls nicht wirksam gegründet worden. Das Oberverwaltungsgericht hat entscheidungstragend angenommen, die Gründungssatzung gewährleiste nicht, dass die Städte A. und B. mit der Gesamtheit ihrer Stimmen einen Bebauungsplan gegen den Kreis C. und den Landkreis D. durchsetzen könnten. Das bestehende faktische Vetorecht der (Land-)Kreise C. und D. sei als Einschränkung der grundgesetzlich garantierten und durch das Baugesetzbuch bundesrechtlich abgesicherten Planungshoheit der Gemeinden unzulässig. Außerdem stelle die Satzung das planerische Initiativrecht der Städte nicht hinreichend sicher, beachte insbesondere die gemeindliche Aufgabe nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht im erforderlichen Umfang. 15 An die vorinstanzliche Auslegung des Inhalts der satzungsrechtlichen Bestimmungen ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden. Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt jedoch, ob das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung der irrevisiblen Satzung Bundesrecht verletzt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1996 - 1 C 9.93 - Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 4). Das ist nicht der Fall. 16 § 205 Abs. 6 BauGB lässt es zu, dass Aufgaben der Bauleitplanung auf nach Landesrecht gegründete Zweckverbände übertragen werden. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, darf die Norm nicht als Vorschrift verstanden werden, die selbst zur Übertragung der Zuständigkeit für die Bauleitplanung ermächtigt, sondern muss als eine Vorschrift angesehen werden, die den (ausschließlichen) Geltungsanspruch der Zuständigkeitsvorschriften des Baugesetzbuchs für die Bauleitplanung zurücknimmt und dem Landesrecht einen Bereich lässt, in dem dieses eigene Vorschriften zur Übertragung der Zuständigkeit für die Bauleitplanung vorsehen kann (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 10 B 6.15 - juris Rn. 6). Der Spielraum des Landesrechts ist jedoch begrenzt. Zu der Vorgängervorschrift des § 205 Abs. 6 BauGB, dem § 4 Abs. 8 BBauG, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Zusammenschlüsse aufgrund besonderen Landesrechts dieselben Entscheidungsstrukturen wie ein ""echter"" Verband haben müssen und hierzu auch eine Initiativbefugnis zählt, wie sie die Gemeinden in einem ""echten"" Planungsverband über ihre Vertreter hätten und durch die sie erzwingen könnten, dass der Planungsverband eine planerische Entscheidung über einen von ihnen vorgelegten Antrag fällt (BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 2 BvL 16/84 - BVerfGE 77, 288 <305 f.>). Der Senat hat aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgeleitet, dass die Regelungen des Landesrechts einen wirksamen Vollzug des Städtebaurechts gewährleisten und die gemeindliche (Letzt-)Verantwortung für das städtebauliche Geschehen wahren müssen (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1998 - 4 CN 5.97 - Buchholz 406.11 § 165 BauGB Nr. 4 S. 21). Das Oberverwaltungsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt. 17 Zu Unrecht sieht der Antragsgegner die gemeindliche Letztverantwortung für das städtebauliche Geschehen durch § 205 Abs. 7 BauGB gesichert, wonach die Entwürfe der Bauleitplanung mit Begründung vor der Beschlussfassung hierüber den Gemeinden, für deren Gebiet der Bauleitplan aufgestellt werden soll, zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zuzuleiten sind. Zwar mag dem Antragsgegner darin zuzustimmen sein, dass die Vorschrift ""noch einmal eine besonders qualifizierte Beteiligung der Gemeinden absichert"". Sie bietet aber nicht die Gewähr dafür, dass sich die Gemeinden bei der Beschlussfassung über einen umstrittenen Bebauungsplanentwurf mit ihren Planungsvorstellungen gegenüber den anderen Beteiligten des Zweckverbandes durchsetzen. Dass nach Auflösung eines Zweckverbandes mit der Aufgabe der Bauleitplanung die beteiligten Gemeinden ihre Planungshoheit in vollem Umfang zurückgewinnen, führt auf kein anderes Ergebnis. Ein späterer Rückfall der Planungshoheit wiegt den Mangel einer gemeindlichen (Letzt-)Verantwortung für das Städtebaurecht während der Existenz des Zweckverbandes nicht auf. Das Oberverwaltungsgericht hat schließlich nicht die konkreten Rahmenbedingungen der Planung des Antragsgegners verkannt, die nach dem Vortrag des Antragsgegners dadurch gekennzeichnet sind, dass die Grundentscheidungen für den Weserport in den von den Städten A. und B. in eigener Verantwortung aufgestellten bzw. geänderten Flächennutzungsplänen getroffen worden sein sollen. Für die vom Oberverwaltungsgericht vermissten Regelungen bestand auch vor dem Hintergrund der Flächennutzungsplanung noch Bedarf, weil, wie der Antragsgegner selbst einräumt, im Bebauungsplan noch Regelungen zu treffen waren, die in den Flächennutzungsplänen fehlen. 18 c) Das Oberverwaltungsgericht hat die fehlerhafte Gründung des Antragsgegners auf den Bebauungsplan durchschlagen lassen. Dagegen ist nichts zu erinnern. 19 Allerdings müssen nicht in jedem Fall, in dem sich ein Organ nicht wirksam konstituiert hat, auch die von diesem Organ im Rahmen seiner ""Zuständigkeit"" erlassenen Hoheitsakte nichtig, unwirksam oder ungültig sein (BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 - BVerfGE 1, 14 <38>). Die Frage, ob die Unwirksamkeit der Bestellung von Organen bis zur Rechtskraft der Entscheidung hierüber deren Maßnahmen und Beschlüsse in ihrem Rechtsbestand und in ihrer Verbindlichkeit nicht in Frage stellt, ist im Wege einer Abwägung zwischen dem Nichtigkeitsprinzip als Ausfluss der Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und den ebenfalls in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Belangen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu beantworten. Dabei können sich die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes durchsetzen, wenn der mit der Erklärung der Nichtigkeit verbundene rückwirkende Wegfall einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine Kettenreaktion zur Folge hat, die eine Vielzahl von unter Umständen über Jahre hinweg erlassenen Rechtsakten nichtig oder rechtswidrig macht und zu einer Rückabwicklung zahlreicher Transaktionen zwingt (Aschke, NVwZ 2003, 917 <924>). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor, so dass das Prinzip der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines von einem nicht wirksam gegründeten Hoheitsträger erlassenen Rechtsakts den höheren Stellenwert hat. 20 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Antragsgegner auf den Standpunkt gestellt, dass für die Erklärung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans wegen einer fehlerhaften Gründung als Zweckverband kein Anlass bestehe, weil der Plan von den Verbandsmitgliedern einstimmig beschlossen worden sei und sich die vom Oberverwaltungsgericht markierten Mängel der Gründungssatzung nicht ausgewirkt hätten. Im Gesetz findet der Standpunkt indessen keine Stütze. Der Senat teilt ihn daher nicht. 21 2. Das Oberverwaltungsgericht hat Zweifel daran geäußert, ob die erneute Auslegungsbekanntmachung vom 7. März 2015 den Erfordernissen des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB entspricht. Abschließend festgelegt hat es sich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Auch für die Entscheidung des Senats kommt es nicht darauf an, ob die Auslegungsbekanntmachung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB vereinbar ist. Für den Fall der Wiederholung der Aufstellung des Bebauungsplans durch einen dann wirksam gegründeten Verband sieht sich der Senat aber veranlasst, dem Oberverwaltungsgericht entgegenzutreten. 22 Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB sind in der Bekanntmachung der Auslegung eines Bebauungsplans u.a. Angaben dazu zu machen, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. In der Auslegungsbekanntmachung vom 7. März 2015 heißt es, der als Entwurf beschlossene Bebauungsplan werde mit Begründung und Umweltbericht und den umweltbezogenen Stellungnahmen erneut ausgelegt. Wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen lägen vor zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter Mensch, menschliche Gesundheit, Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kultur und sonstige Sachgüter. In einer Liste wird zu neuen Sachbereichen - etwa Schall- und Lichtimmissionen, zur natürlichen Umgestaltung der Bückeburger Aue, zu Vögeln, Fledermäusen, Fischen, Muscheln, Krebsen, Schmetterlingen und Libellen - jeweils angegeben, welche Art von Unterlage vorliegt (etwa: Prognose, Gutachten, Bestandsaufnahme). Dem Oberverwaltungsgericht reicht das nicht aus. Es bemängelt, dass sich der Bekanntmachung nicht konkret entnehmen lasse, welche umweltbezogenen Stellungnahmen ausgelegt worden seien. Auch hält es den weiterführenden Hinweis in der Bekanntmachung, dass zu Schall- und Lichtimmissionen Gutachten und gutachterliche Stellungnahmen verfügbar sind, für defizitär. Diesen Hinweis, so das Oberverwaltungsgericht, könne der Leser nur so verstehen, dass es um den Bau und Betrieb der im Baugebiet geplanten baulichen Anlagen gehe, nicht aber um Verkehr auf öffentlichen Straßen, der üblicherweise - und so auch hier - nicht unter Lichtimmissionsgesichtspunkten begutachtet werde. Auch lasse der Hinweis nicht erkennen, welche Arten von Lärm die Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen zum Gegenstand hätten. 23 Der Senat schließt sich der vorinstanzlichen Kritik nicht an. Er hat im Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - (BVerwGE 147, 206 Rn. 17) aus der Beschränkung des Bekanntmachungserfordernisses auf die Angabe der ""Arten"" verfügbarer Umweltinformationen geschlossen, dass es nicht erforderlich ist, den Inhalt der Informationen im Detail wiederzugeben. Eine nach Themenblöcken zusammengefasste schlagwortartige Kurzcharakterisierung der in den Informationen angesprochenen Umweltbelange ist ausreichend, es sei denn, unter abstrakten Bezeichnungen lassen sich mehrere konkrete Umweltbelange subsumieren; in diesem Fall bedarf es einer stichwortartigen Beschreibung der betroffenen Belange und unter Umständen sogar einer Kennzeichnung der Art ihrer Betroffenheit (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 22 f.). Hieran gemessen ist die Auslegungsbekanntmachung vom 7. März 2015 nicht zu beanstanden. Sie benennt, soweit hier von Interesse, als betroffene Umweltbelange die Schutzgüter Mensch und menschliche Gesundheit und sieht sie durch Lärm- und Lichtimmissionen betroffen. Das genügt, um die von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB bezweckte Anstoßwirkung auszulösen. Nicht nachzugehen braucht der Senat der Kritik, dass es nach dem Wortlaut der Vorschrift näher liege, eine Einteilung in Themenblöcke nicht nach den behandelten Umweltbelangen, sondern nach den Arten der Informationen wie Sachverständigengutachten, sonstige Untersuchungen etc. vorzunehmen (so Korbmacher, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 3 Rn. 64a). Denn die Auslegungsbekanntmachung genügt auch dieser Lesart, weil sich aus ihr ergibt, dass dem Antragsgegner zu dem Themenkreis Lärm- und Lichtimmissionen Gutachten und gutachterliche Stellungnahmen vorliegen. 24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-33,24.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 33/2018 vom 24.05.2018 EN Kostenpflichtige Abschleppmaßnahme bei kurzfristig aufgestellten Haltverbotsschildern erst nach Vorlaufzeit von drei vollen Tagen Ist ein ursprünglich erlaubt geparktes Kraftfahrzeug aus einer nachträglich eingerichteten Haltverbotszone abgeschleppt worden, muss der Verantwortliche die Kosten nur tragen, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin stellte ihr Fahrzeug am 19. August 2013 vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung in Düsseldorf ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des darauffolgenden Tages wurden in diesem Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines privaten Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23. bis zum 24. August, jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, aufgestellt. Am Nachmittag des 23. August 2013 beauftragte ein Mitarbeiter der beklagten Stadt ein Abschleppunternehmen mit der Entfernung des Fahrzeugs. Dort holte es die Klägerin am 5. September 2013 gegen Zahlung von 176,98 € ab. Die beklagte Stadt setzte für den Vorgang überdies eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 62 € fest. Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage im Revisionsverfahren stattgegeben. Obwohl der Normgeber das Parken im öffentlichen Straßenraum grundsätzlich unbefristet zugelassen hat, ist das Vertrauen in die Möglichkeit des dauerhaften Parkens an einer konkreten Stelle beschränkt. Der Verantwortliche muss daher Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage treffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahr 1996 entschieden, dass ein Fahrzeug jedenfalls am vierten Tag nach Aufstellen des Verkehrszeichens kostenpflichtig abgeschleppt werden kann. Im Anschluss hieran hatten die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe der meisten Bundesländer entschieden, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Vorlauf von drei vollen Tagen aber auch mindestens erforderlich ist, das Fahrzeug also frühestens am vierten Tag nach dem Aufstellen des Verkehrszeichens auf Kosten des Verantwortlichen abgeschleppt werden kann. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht heute bestätigt. Der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vertretenen Auffassung, dass ein Vorlauf von 48 Stunden ausreichend und verhältnismäßig sei, weil die Straßenverkehrsbehörden anderenfalls auf Änderungen der Verkehrslagen nicht hinreichend flexibel reagieren könnten, ist das Gericht nicht gefolgt. Zum Einen ist die Möglichkeit, erforderliche Abschleppmaßnahmen tatsächlich durchführen zu können, nicht von der Frage abhängig, von wem die Kosten hierfür getragen werden müssen. Zum Anderen ist nicht erkennbar, dass die seit zwanzig Jahren in den übrigen Bundesländern praktizierte Vorlauffrist zu Funktionsdefiziten geführt hätte. Die Erforderlichkeit von Haltverbotsregelungen - etwa aus Anlass von Bauarbeiten, Straßenfesten oder Umzügen - ist regelmäßig auch im großstädtischen Raum deutlich vorher bekannt. Ausgehend hiervon würde die Obliegenheit, mindestens alle 48 Stunden nach dem abgestellten Fahrzeug zu schauen, die Verkehrsteilnehmer unangemessen belasten. Angemessen ist vielmehr ein Vorlauf von drei vollen Tagen. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs wäre für den Verantwortlichen des Fahrzeugs schwer zu handhaben. Im vorliegenden Fall waren die Verkehrszeichen mit einem Vorlauf von 72 Stunden, nicht aber von drei vollen Tagen aufgestellt worden. Auf Kosten der Klägerin hätte das Fahrzeug frühestens am vierten Tag nach Aufstellung der Schilder, also am 24. August 2013 abgeschleppt werden können. BVerwG 3 C 25.16 - Urteil vom 24. Mai 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 5 A 470/14 - Urteil vom 13. September 2016 - VG Düsseldorf, 14 K 8394/13 - Urteil vom 22. Januar 2014 -","Urteil vom 24.05.2018 - BVerwG 3 C 25.16ECLI:DE:BVerwG:2018:240518U3C25.16.0 EN Kostenpflichtige Abschleppmaßnahme bei kurzfristig aufgestellten Haltverbotsschildern erst nach Vorlaufzeit von drei vollen Tagen Leitsatz: Ist ein ursprünglich erlaubt geparktes Fahrzeug aus einer nachträglich eingerichteten Haltverbotszone abgeschleppt worden, muss der Verantwortliche die Kosten nur tragen, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs findet nicht statt. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 StVO §§ 1, 39 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 45 Abs. 4 VwVfG § 35 Satz 2 Instanzenzug VG Düsseldorf - 22.01.2014 - AZ: VG 14 K 8394/13 OVG Münster - 13.09.2016 - AZ: OVG 5 A 470/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 - 3 C 25.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:240518U3C25.16.0] Urteil BVerwG 3 C 25.16 VG Düsseldorf - 22.01.2014 - AZ: VG 14 K 8394/13 OVG Münster - 13.09.2016 - AZ: OVG 5 A 470/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2016 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2014 werden aufgehoben. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, 176,98 € an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Länge der Vorlaufzeit, die Voraussetzung der kostenrechtlichen Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen für eine Abschleppmaßnahme bei nachträglich angeordneten Haltverboten ist. 2 Die Klägerin stellte ihren Personenkraftwagen nach eigenen Angaben am 19. August 2013 auf einer öffentlichen Straße in Düsseldorf vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des 20. August 2013 stellten Mitarbeiter eines privaten Umzugsunternehmens - auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt vom 15. August 2013 - in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23. bis zum 24. August, jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, auf. Das Fahrzeug der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits im Bereich der eingerichteten Haltverbotszone geparkt. Am 23. August 2013 um 13:43 Uhr veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt, nachdem er mehrfach erfolglos an der Wohnung der Klägerin geklingelt hatte, dass das Fahrzeug von einem Abschleppunternehmen auf dessen Betriebshof geschleppt wurde. Dort holte es die Klägerin am 5. September 2013 gegen Zahlung von 176,98 € für Abschlepp- und Verwahrungskosten ab. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 setzte die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 62 € fest. 3 Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Verkehrsschilder seien gut erkennbar aufgestellt und das Haltverbot damit wirksam bekanntgegeben worden. Die Abschleppmaßnahme sei erforderlich gewesen, um die blockierte Fläche für die mit der temporären Verkehrsregelung bezweckte Durchführung der Umzugsarbeiten freizugeben und die eingetretene Behinderung der Umzugsarbeiten zu beenden. Mildere Mittel zur Störungsbeseitigung hätten nicht bestanden, weil die in unmittelbarer Nähe wohnende Klägerin nicht erreichbar gewesen sei. Auch die Kostenbelastung der Klägerin sei nicht unangemessen. Der Umstand, dass Haltverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs aufgestellt worden seien, stehe der Verhältnismäßigkeit der Belastung des Fahrzeugverantwortlichen mit den Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs aus dem Haltverbot im Regelfall nicht entgegen, wenn zwischen dem Aufstellen der Haltverbotsschilder und der Abschleppmaßnahme - wie hier - eine Frist von 48 Stunden verstrichen sei. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge nichts anderes. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass die gebilligte Vorlaufzeit von drei vollen Tagen als zwingend einzuhaltende Mindestvorlauffrist verstanden werden müsse. Eine Frist von 48 Stunden sei grundsätzlich ausreichend, um den Fahrzeughalter vor einer überraschenden Abschleppmaßnahme zu bewahren. Nur so könne auch eine hinreichend flexible Reaktionsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden gewährleistet werden. 4 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. 5 Die Beklagte tritt der Revision entgegen. II 6 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (1.). Zutreffend und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung hat das Berufungsgericht zwar entschieden, dass mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen das Haltverbot auch gegenüber der abwesenden Klägerin wirksam geworden ist und die Abschleppmaßnahme auch im Übrigen rechtmäßig war (2.). Die Auffassung, der Verantwortliche müsse die Kosten des Abschleppens bereits dann tragen, wenn das Haltverbotsschild mit einem Vorlauf von 48 Stunden aufgestellt wurde, verstößt aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (3.). 7 1. Das Berufungsurteil unterliegt sowohl hinsichtlich der Abschleppmaßnahme als auch in Bezug auf die Kostenerstattung im nachfolgend dargelegten Umfang revisionsgerichtlicher Überprüfung. 8 a) Der Rechtsstreit betrifft eine auf landesrechtliche Gebühren- und Verwaltungsvollstreckungsvorschriften gestützte Zahlungspflicht für eine auf Grundlage des Landespolizeirechts durchgeführte Abschleppmaßnahme. Der Prüfungsmaßstab revisionsgerichtlicher Kontrolle ist daher eingeschränkt. 9 Neben den auf Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) beruhenden Fragen zur Aufstellung des mobilen Zeichens 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) kann die Revision auch auf die Verletzung der Vorschriften zu Bekanntgabe und Wirksamkeit von Verwaltungsakten nach §§ 41, 43 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NW gestützt werden, weil diese mit dem Wortlaut des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes übereinstimmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Ebenfalls revisibel ist der bundesverfassungsrechtliche Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist und als ""unübersteigbare bundesrechtliche Grenze"" auch das auf Landesrecht beruhende Verwaltungshandeln bindet (Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier , VwGO, Band 2, Stand: Juni 2017, § 137 Rn. 70; BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 - 3 B 149.01 - Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 1 für die Kostenerstattung nach einer Abschleppmaßnahme). 10 b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum maßgeblichen Landesrecht sieht § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVG NW i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 7 Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG - VO VwVG NW) eine Ermächtigung für die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für das Abschleppen eines zugelassenen Kraftfahrzeugs vor. Entsprechendes gilt nach § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - PolG NW i.V.m. § 77 Abs. 1 VwVG NW, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 bzw. 8 VO VwVG NW für den Anspruch auf Auslagenerstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten. 11 Als Fortführung der materiellen Polizeipflicht setzt die Kostentragungspflicht ein rechtmäßiges Polizeihandeln voraus. Hiervon ist auch das Berufungsurteil zutreffend ausgegangen. Sofern die der Kostenerstattung oder Gebührenerhebung zugrunde liegende Maßnahme nicht auf einem bestandskräftigen Bescheid oder auf einem rechtskräftigen Urteil beruht, muss bei der gegen die Kostentragung gerichteten Klage gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG daher auch die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung überprüft werden. 12 2. Bundesrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme bestehen nicht. 13 a) Voraussetzung für das Abschleppen des Fahrzeugs aus einer Haltverbotszone und der daran anknüpfenden Gebührenerhebung und Kostenerstattung ist zunächst, dass das durch die Abschleppmaßnahme vollstreckte Haltverbot wirksam bekannt gemacht worden ist (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​060416U3C10.15.0] - BVerwGE 154, 365 Rn. 10). 14 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das mobile Haltverbotsschild nach Zeichen 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) wie jedes andere Verkehrszeichen ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG. Es enthält nicht nur das Verbot, an der gekennzeichneten Stelle zu halten, sondern zugleich ein - entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbares - Wegfahrgebot für unerlaubt haltende Fahrzeuge (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 11 C 32.92 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 255 S. 87 f.). 15 Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung durch Aufstellung des Verkehrszeichens (vgl. § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 4 StVO); dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 - BVerwGE 154, 365 Rn. 16). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon ""mit einem raschen und beiläufigen Blick"" erfassen kann, so äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Sie entfalten ihre Rechtswirkungen für den Halter deshalb auch dann, wenn die Verkehrsregelung in dem Zeitpunkt noch nicht bestand, als das Fahrzeug abgestellt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <318 f.>). Bei Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr regeln, gehört zu der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt des Fahrers eine einfache Umschau nach dem Verlassen seines Fahrzeugs (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 - BVerwGE 154, 365 Rn. 19). 16 In Übereinstimmung mit diesen Rechtsgrundsätzen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Haltverbot mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen auch gegenüber der im Urlaub befindlichen Klägerin wirksam bekanntgegeben worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil - die den bei den Akten befindlichen Lichtbildern entsprechen und nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind - waren die Haltverbotsschilder so aufgestellt, dass sie in beide Fahrtrichtungen auf den ersten Blick erkennbar waren. 17 b) Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. 18 Insbesondere ist die Abschleppmaßnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil war eine konkrete Behinderung der Umzugsarbeiten bereits eingetreten, sodass die Entfernung des Fahrzeugs zur Erreichung des mit der Einrichtung der temporären Haltverbotszone angestrebten Zwecks erforderlich war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 - 3 B 149.01 - Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 2). Mildere Mittel als die angeordnete Abschleppmaßnahme standen nicht zur Verfügung, nachdem die Kontaktaufnahmeversuche zu der Klägerin nicht erfolgreich waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2014 - 3 C 5.13 - BVerwGE 149, 254 Rn. 16 f.). 19 3. Eine kostenrechtliche Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen ist aber erst am vierten Tage nach der Aufstellung des Haltverbotszeichens möglich. 20 a) Aus der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme folgt grundsätzlich die Möglichkeit einer kostenrechtlichen Inpflichtnahme des Verantwortlichen. Dies gilt auch für die unmittelbar an den Abschleppunternehmer geleistete Zahlung, die ihren Rechtsgrund in den landesrechtlichen Vorschriften zur Kostenerstattung findet (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 83/03 - NVwZ 2006, 964 Rn. 16 f.). 21 Ausnahmen hiervon sind aber geboten, wenn ein Fahrzeug ursprünglich ordnungsgemäß und erlaubt geparkt wurde und sich die Verkehrslage durch das Aufstellen neuer Verkehrszeichen erst nachträglich ändert. Die Rechtsordnung gewährt zwar grundsätzlich keinen Schutz der allgemeinen Erwartung, die geltende Rechtslage werde zukünftig unverändert fortbestehen. Knüpfen künftige Rechtsfolgen aber an zurückliegende Sachverhalte an, muss das betätigte Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 46 m.w.N.). 22 Diese Abwägung hat einerseits die berechtigten Interessen des Fahrzeugverantwortlichen in den Blick zu nehmen. Grundsätzlich ist das Parken von zugelassenen und betriebsbereiten Fahrzeugen auch dauerhaft und auf öffentlichem Straßengrund erlaubt (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 - BVerfGE 67, 299 <326>). Hierauf sind insbesondere diejenigen Fahrzeughalter angewiesen, die nicht über eine eigene Garage oder einen privaten Stellplatz verfügen (vgl. VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 18). Auch der ruhende Verkehr ist vom Gemeingebrauch erfasst und straßenverkehrsrechtlich zugelassen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <320>). Andererseits muss ein Verkehrsteilnehmer stets mit Situationen rechnen, die eine kurzfristige Änderung der bestehenden Verkehrsregelungen erforderlich machen. Das Vertrauen in die Möglichkeit des dauerhaften Parkens eines Fahrzeugs an einer konkreten Stelle im öffentlichen Verkehrsraum ist wegen der im Straßenverkehr erforderlichen gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 1 StVO) von vornherein beschränkt. Der Fahrzeugverantwortliche ist als Inhaber der Sachherrschaft über das an der betreffenden Stelle geparkte Fahrzeug verpflichtet, angemessene Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage zu treffen. 23 b) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen gebilligt und eine Kostenbelastung für Abschleppmaßnahmen am vierten Tag nach der Aufstellung des Verkehrszeichens als verhältnismäßig erachtet (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <320>). 24 Im Anschluss hieran ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Auferlegung einer Kostentragungspflicht überwiegend eine Mindestvorlaufzeit von drei vollen Tagen verlangt worden (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 23. März 2009 - 3 B 891/06 - NJW 2009, 2551 <2552>; OVG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2008 - 3 Bf 116/08 - NordÖR 2009, 156 <157>; VGH Kassel, Urteil vom 17. Dezember 1996 - 11 UE 2403/96 - juris Rn. 25; VGH Mannheim, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 S 822/05 - NJW 2007, 2058 <2059>; VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 19). 25 c) Den hiergegen vom Berufungsgericht vorgetragenen Einwänden folgt der erkennende Senat nicht. 26 Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Auffassung ist ein kurzfristig angeordnetes Haltverbot nicht regelmäßig der Risikosphäre des Fahrzeugverantwortlichen zuzuordnen. Die Notwendigkeit, Haltverbote anzuordnen, kann sich durchaus kurzfristig ergeben, etwa wenn die Verkehrsfläche wegen eines Rohrbruchs oder für Straßenarbeiten in Anspruch genommen werden muss. Derartige Gründe stammen aber nicht aus der Verantwortungs- oder Risikosphäre des Fahrzeughalters. Dies gilt erst recht bei einer für eine private Sondernutzung angeordneten Haltverbotszone, wie etwa zur Durchführung eines Straßenfestes oder - wie hier - zur Erleichterung von Umzügen. 27 Es ist auch nicht erkennbar, dass die Verkürzung der Vorlauffrist auf 48 Stunden zur Gewährleistung einer hinreichend flexiblen Handlungsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden erforderlich sein könnte. Zum Einen ist die Möglichkeit, erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahmen (auf der Primärebene) tatsächlich durchführen zu können, nicht von der Frage abhängig, von wem (auf der Sekundärebene) die Kosten hierfür getragen werden müssen. Zum Anderen ist nicht ersichtlich, dass die seit vielen Jahren in den meisten Bundesländern praktizierte Vorlauffrist von drei vollen Tagen zu Funktionsdefiziten geführt hätte. Die Erforderlichkeit von Haltverbotsregelungen - etwa aus Anlass von Bauarbeiten, Straßenfesten oder Umzügen - ist regelmäßig auch im großstädtischen Raum deutlich vorher bekannt (VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 18). Im vorliegenden Fall datiert die Ausnahmegenehmigung zur Errichtung der Haltverbotszone vom 15. August 2013, der Antrag dürfte noch deutlich vorher bei der Beklagten eingegangen sein. 28 Ausreichende Gründe, den Fahrzeugverantwortlichen mit einer Obliegenheit zu belasten, alle 48 Stunden nach dem abgestellten Fahrzeug zu sehen und ggf. Vorsorge durch die Beauftragung anderer Personen zu treffen, bestehen damit nicht. Angemessen ist vielmehr ein Mindestvorlauf von drei vollen Tagen. Nur ein solcher Vorlauf deckt auch eine typische Wochenendabwesenheit ab. 29 d) Bei der Berechnung der Vorlaufzeit hat im Interesse der Rechtsklarheit und einer praktikablen Handhabung, eine Differenzierung nach Wochentagen oder Ferienzeiten grundsätzlich zu unterbleiben. Auch an Sonn-, Feier- oder Ferientagen kommt der Straßenverkehr nicht zum Erliegen; teilweise gestaltet sich die Parkplatzsituation in diesen Zeiten vielmehr als besonders problematisch. 30 Aus denselben Gründen findet auch eine stundenscharfe Berechnung (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2018 - 1 B 12.16 - juris Rn. 21) mit den hieraus folgenden Protokollierungserfordernissen nicht statt. Ein derart kleinteiliger Maßstab erscheint für die Bewältigung solcher Vorgänge des täglichen Lebens nicht angemessen. 31 e) Eine Kostenpflicht der Klägerin entspricht danach erst für eine Abschleppmaßnahme am vierten Tage nach der Aufstellung der Haltverbotsschilder den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Hier waren die Verkehrszeichen nur mit einem Vorlauf von 72 Stunden, nicht aber von drei vollen Tagen aufgestellt worden. 32 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-35,29.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 35/2018 vom 29.05.2018 EN Neue Runde im Rechtsstreit um das Kohlekraftwerk Moorburg Das Oberverwaltungsgericht Hamburg muss sich erneut mit der Klage gegen das Kohlekraftwerk Moorburg befassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Das beigeladene Energieversorgungsunternehmen betreibt das in Hamburg an der Süderelbe gelegene Kohlekraftwerk Moorburg. Die hierfür von der Beklagten erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist bestandskräftig. Daneben wurde der Beigeladenen eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme von Wasser aus der Elbe zum Zweck der Durchlaufkühlung erteilt; in einem Änderungsbescheid wurde diese Erlaubnis für die Betriebsart der Kreislaufkühlung ergänzt. Auf die Klage eines Umweltverbands hat das Oberverwaltungsgericht die Erlaubnis insoweit aufgehoben, als dem Betreiber die Durchlaufkühlung erlaubt worden war. Die Gewässerbenutzung verstoße in dieser Hinsicht gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Die geltend gemachten naturschutzrechtlichen Einwendungen rechtfertigten demgegenüber nicht die Aufhebung der Erlaubnis. Die Beklagte und die Beigeladene haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren hat wegen zweier Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zunächst geruht. Mit Urteil vom 1. Juli 2015 (Rs. C-461/13) hat der EuGH über Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - entschieden, und im Urteil vom 26. April 2017 (Rs. C-142/16) hat er festgestellt, dass bei der Genehmigung der Errichtung des Kraftwerks gegen Vorschriften der FFH-Richtlinie verstoßen wurde. Aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH und der nachfolgenden weiteren Klärung der wasserrechtlichen Maßstäbe durch den Senat im Urteil vom 9. Februar 2017 (BVerwG 7 A 2.15; „Elbvertiefung“) steht fest, dass das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts in seinen entscheidungstragenden Ausführungen zum Verschlechterungsverbot gegen Bundesrecht verstößt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass das Urteil aus anderen Gründen, insbesondere wegen der im Urteil des EuGH vom 26. April 2017 aufgezeigten Verstöße gegen die Bestimmungen des europäischen Naturschutzrechts, im Ergebnis richtig ist. Das Urteil des EuGH entfaltet zwar Bindungswirkung. Eine Heilung der darin aufgeführten Rechtsfehler ist jedoch nicht ausgeschlossen, so dass insoweit nicht die Aufhebung, sondern die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Erlaubnis in Betracht kommt. Hierzu bedarf es tatsächlicher Feststellungen durch das Oberverwaltungsgericht. BVerwG 7 C 18.17 - Urteil vom 29. Mai 2018 Vorinstanz: OVG Hamburg, 5 E 11/08 - Urteil vom 18. Januar 2013 -","Urteil vom 29.05.2018 - BVerwG 7 C 18.17ECLI:DE:BVerwG:2018:290518U7C18.17.0 EN Bindungswirkung des EuGH-Urteils in der Rechtssache Moorburg Leitsatz: Eine Fischaufstiegsanlage kann eine im Rahmen der Prüfung des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL zu berücksichtigende Schadensminderungsmaßnahme sein. Rechtsquellen WHG § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 2 Nr. 1, § 31 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 7 Abs. 5 Satz 1 AEUV Art. 258, 260 FFH-RL Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3, Art. 6 Abs. 3, Art. 10 Unterabs. 2 Instanzenzug OVG Hamburg - 18.01.2013 - AZ: OVG 5 E 11/08 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.05.2018 - 7 C 18.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:290518U7C18.17.0] Urteil BVerwG 7 C 18.17 OVG Hamburg - 18.01.2013 - AZ: OVG 5 E 11/08 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. April 2013 wird aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltschutzvereinigung, wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme und Wiedereinleitung von Elbwasser zum Zweck der Durchlaufkühlung des an der Süderelbe errichteten Kohlekraftwerks Moorburg. 2 Auf der Grundlage einer einheitlichen Umweltverträglichkeitsprüfung erteilte die Beklagte der Beigeladenen mit Bescheiden vom 30. September 2008 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerks sowie eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme und Wiedereinleitung von Kühlwasser. Im Anschluss an ein schiedsgerichtliches Verfahren wurde die wasserrechtliche Erlaubnis mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 - überwiegend zugunsten der Beigeladenen - geändert und neu gefasst. Als Schadensminderungsmaßnahme ist neben einer elektrischen Fischscheuchanlage am Entnahmebauwerk eine neue Fischaufstiegsanlage am Nordufer der Elbe beim Wehr Geesthacht vorgesehen, die die bestehende Fischaufstiegsanlage am Südufer ergänzen soll. Damit soll verhindert werden, dass eine Vielzahl von stromauf in der Mittel- und der Oberelbe gelegenen FFH-Gebieten, zu deren Erhaltungszielen jeweils eine Population von Langdistanzwanderfischen bzw. anadromen Rundmäulern (Lachs bzw. Meer- und Flussneunauge) zählen, beeinträchtigt werden. Zur Sicherung der Wirksamkeit der Fischaufstiegsanlage ist ein dreiphasiges Monitoring angeordnet. Das Monitoring in der Phase 1 dient der Ermittlung des Fischaufstiegs über die Fischaufstiegsanlage Süd als Grundlage für die nachfolgenden Monitoring-Phasen. Das Monitoring in der Phase 2 dient der Funktionskontrolle der Fischaufstiegsanlage Nord; es ist unterteilt in ein einjähriges Monitoring vor der ersten Kühlwasserentnahme und ein weiteres einjähriges Monitoring ab Beginn der ersten Kühlwasserentnahme zur Verifizierung der Ergebnisse aus der vorangegangenen Teilphase. Das Monitoring in der Phase 3 dient schließlich dem Nachweis der Wirksamkeit der Fischaufstiegsanlage Nord als Schadensminderungsmaßnahme während des bestimmungsgemäßen Betriebs des Kraftwerks. Am Ende der auf zwei Jahre angelegten ersten von drei Teilphasen muss der geforderte Nachweis durch einen Sachverständigen erfolgen. Falls dieser Nachweis nicht erbracht wird, behält sich die Beklagte die weitere Einschränkung der Kühlwasserentnahme vor. Mit Änderungsbescheid vom 21. Januar 2011 erlaubte die Beklagte für die Errichtung eines Hybrid-Kühlturms alternativ zur bereits genehmigten Wasserentnahme die Entnahme von Oberflächenwasser im Umfang von maximal 1 m³/s für die Betriebsart Kreislaufkühlung sowie die Einleitung von Abflutwasser jeweils unabhängig von den Wasserverhältnissen in der Süderelbe. 3 Der Kläger hat die gegen die ursprüngliche wasserrechtliche Erlaubnis erhobene Klage auf die nachfolgenden Änderungen erstreckt und zu deren Begründung Verstöße gegen Vorschriften des Wasserrechts und des naturschutzrechtlichen Habitat- und Artenschutzes geltend gemacht. 4 Mit Urteil vom 18. Januar 2013 hat das Oberverwaltungsgericht die wasserrechtliche Erlaubnis aufgehoben, soweit der Beigeladenen die Entnahme und Wiedereinleitung von Elbwasser zum Zweck der Durchlaufkühlung erlaubt wird, und die Klage im Übrigen - bezogen auf die Gewässerbenutzung für andere Zwecke - abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei jedenfalls aus unionsrechtlichen Gründen zulässig. Sie sei auch zum überwiegenden Teil begründet. Die auf das Naturschutzrecht bezogenen Rügen führten allerdings nicht zum Erfolg der Klage. Mit seinen Einwendungen zu erheblichen Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen der unterhalb des Wehrs Geesthacht gelegenen Natura 2000-Schutzgebiete sei der Kläger präkludiert. In Bezug auf die oberhalb des Wehres gelegenen Schutzgebiete dringe er mit seinen Einwendungen in der Sache nicht durch. Durch den Bau und Betrieb der neuen Fischaufstiegsanlage würden erhebliche Beeinträchtigungen dieser Gebiete vermieden. Ein Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot in Bezug auf den Nordseeschnäpel, das Fluss- und das Meerneunauge könne dahinstehen. Denn die Erlaubnis sei jedenfalls in Bezug auf die Entnahme und Wiedereinleitung von Kühlwasser zum Zweck der Durchlaufkühlung mit dem Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 WHG nicht vereinbar. Das als unmittelbar geltendes Recht zu beachtende Verschlechterungsverbot verbiete die substantielle Verschlechterung der Qualität der betroffenen Oberflächenwasserkörper über eine Relevanzschwelle hinaus. Auf einen Wechsel in eine schlechtere Zustandsklasse komme es nicht an. Vielmehr seien die Auswirkungen der Gewässerbenutzung auf die Qualitätskomponenten entscheidend. Hier komme es jedenfalls zu Beeinträchtigungen der chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten wegen einer Verringerung des Sauerstoffgehalts. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot nach § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG lägen nicht vor; insbesondere sei der Betrieb eines Hybrid-Kühlturms zum Zwecke der Kreislaufkühlung eine geeignete Alternativmaßnahme. 5 Die Beklagte und die Beigeladene haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren ist zunächst mit Blick auf das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie (Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433], BUND ) sowie angesichts des Vertragsverletzungsverfahrens u.a. zu der Frage der Unionsrechtskonformität der Präklusionsregelungen (Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683], Kommission/Deutschland -) und danach wegen des das streitgegenständliche Vorhaben betreffende Vertragsverletzungsverfahrens (C-142/16) ruhend gestellt worden. 6 Nach erneuter Wiederaufnahme des Verfahrens im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​301], Kommission/Deutschland - verweist die Beklagte zur Frage der Bundesrechtswidrigkeit der entscheidungstragenden wasserrechtlichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts auf die Klärung der einschlägigen rechtlichen Maßstäbe durch den EuGH im Verfahren C-461/13 und den erkennenden Senat (Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1). Das angegriffene Urteil sei auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Dies gelte ungeachtet der Feststellungen des EuGH im Verfahren C-142/16 zu den Verstößen gegen das Habitatrecht. Denn insoweit komme nach Neuregelung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eine Heilung des Fehlers und folglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der angefochtenen wasserrechtlichen Erlaubnis, soweit noch Gegenstand des Revisionsverfahrens, in Betracht. 7 Die Beigeladene nimmt wegen eines Verstoßes gegen § 27 WHG auf das Urteil des Senats vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - (BVerwGE 158, 1) Bezug und macht darüber hinaus geltend: Auch aus habitatrechtlichen Gründen liege ein Fall der Ergebnisrichtigkeit aus anderen Gründen (§ 144 Abs. 4 VwGO) nicht vor. Die habitatrechtliche Bewertung durch das Oberverwaltungsgericht sei ungeachtet des Urteils des EuGH im Verfahren C-142/16 weiterhin zutreffend. Dieses Urteil stehe der Einstufung der Fischaufstiegsanlage Nord als Schadensminderungsmaßnahme nicht entgegen. Bereits die dem vorausliegende Prämisse der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die der EuGH letztlich ungeprüft zugrunde lege, sei unzutreffend. Die Wirkungen der Durchlaufkühlung seien nämlich nicht geeignet, weit entfernt liegende FFH-Gebiete zu beeinträchtigen. Es liege weder eine unmittelbare Fernwirkung etwa durch Immissionen oder die Veränderung des Wasserhaushalts in den Schutzgebieten noch eine mittelbare Fernwirkung im Sinne einer Abriegelungs- und Barrierewirkung vor. Unabdingbare Austauschbeziehungen zwischen Schutzgebieten würden nicht unterbrochen. Der Zugang geschützter Arten zu den Gebieten sei nicht behindert. Die Tötung einzelner Exemplare außerhalb des Schutzgebiets habe - auch abgesehen vom Fehlen einer eindeutigen Zuordnung - keine Beeinträchtigung dieser Gebiete zur Folge. Diese Bewertung folge auch aus der Sonderregelung für migrationsrelevante Landschaftselemente in Art. 10 und aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 FFH-RL. Des Weiteren habe der EuGH keine bindenden Feststellungen zum fehlenden Nachweis der Wirksamkeit der Schadensminderungsmaßnahme getroffen. Denn das Urteil beziehe sich nur auf die wasserrechtliche Erlaubnis vom 30. September 2008. Die nunmehr maßgebliche wasserrechtliche Erlaubnis in der Fassung vom 4. Oktober 2010 genüge demgegenüber den Anforderungen des EuGH, weil neue Erkenntnisse berücksichtigt worden seien. Aber auch bei einer unterstellten habitatrechtlichen Rechtswidrigkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 4. Oktober 2010 komme deren gerichtliche Aufhebung nach der Neufassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und der darin geregelten Heilungsmöglichkeit nicht in Betracht. 8 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, unter Abänderung des Urteils des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2013 die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2013 insoweit zu ändern, als damit die von der Beklagten erteilte wasserrechtliche Erlaubnis vom 30. September 2008, in der Fassung vom 4. Oktober 2010 mit der Änderung vom 21. Januar 2011, für die Entnahme und Wiedereinleitung von Elbwasser zum Zweck der Durchlaufkühlung des Kraftwerks aufgehoben wird, und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weiter hilfsweise, unter Abänderung des Urteils des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2013 festzustellen, dass die von der Beklagten erteilte wasserrechtliche Erlaubnis vom 30. September 2008, in der Fassung vom 4. Oktober 2010 mit der Änderung vom 21. Januar 2011, insoweit rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, als die Entnahme und Wiedereinleitung von Elbwasser zum Zweck der Durchlaufkühlung des Kraftwerks erlaubt wird. 9 Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 10 Er trägt nunmehr vor: Mit dem Urteil des EuGH im Verfahren C-142/16 stehe bindend fest, dass die Revisionen ungeachtet ihrer Angriffe auf die entscheidungstragenden Begründungselemente des angefochtenen Urteils wegen anderweitiger Ergebnisrichtigkeit zurückzuweisen seien. II 11 Die zulässigen Revisionen sind begründet. Das angefochtene Urteil beruht in seinen entscheidungstragenden Ausführungen zum wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Urteil erweist sich auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die wasserrechtlichen und artenschutzrechtlichen Fragestellungen, sondern auch ungeachtet der Feststellungen im Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 - zu der habitatrechtlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erlaubnis. Eine abschließende Sachentscheidung kann der Senat mangels erforderlicher Tatsachenfeststellungen nicht treffen. Dies gebietet die Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 12 1. a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht in eine Sachprüfung eingetreten. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist insbesondere klagebefugt. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung ist insoweit die - für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht einschlägige - Neuregelung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 95) maßgeblich, die im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​289], BUND - Rn. 37 ff.; BT-Drs. 17/10957 S. 11, 15 f.) bei der Verbandsklage eine Beschränkung der Rügebefugnis auf individualschützende Normen des Umweltrechts (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG a.F.) nicht mehr kennt. 13 b) Die Feststellung, die angefochtene Erlaubnis verstoße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot, verletzt Bundesrecht. 14 Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) nicht lediglich eine Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung darstellt, sondern bei Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 8 Abs. 1 WHG im Rahmen des § 12 Abs. 1 WHG strikt beachtet werden muss (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 478). Das Oberverwaltungsgericht hat aber im Weiteren einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es eine negative Veränderung, auch in Bezug auf unterstützende Qualitätskomponenten (QK), über eine Relevanzschwelle hinaus für maßgeblich erachtet. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots den hydromorphologischen, chemischen und allgemein chemisch-physikalischen QK nur unterstützende Bedeutung beizumessen ist. Veränderungen dieser Komponenten sind nur daraufhin zu prüfen, ob sie zu einer Verschlechterung einer biologischen QK führen. Eine negative Veränderung von unterstützenden QK, auch solchen in der niedrigsten Klassenstufe, reicht daher entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für die Annahme einer Verschlechterung nicht aus (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 497 ff.). 15 Auf die Rügen, die sich auf die Ausnahmeprüfung nach § 31 WHG beziehen, kommt es nicht mehr an. Auch die wasserrechtliche Ausnahmeprüfung setzt - in gleicher Weise wie die habitatrechtliche Abweichungsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, § 34 Abs. 4 BNatSchG in Bezug auf eine erhebliche Beeinträchtigung eines besonderen Schutzgebiets - nämlich voraus, dass zunächst die Verschlechterung bezogen auf die Oberflächenwasserkörper zutreffend erfasst und bewertet wird. 16 2. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Entscheidungsausspruch des Oberverwaltungsgerichts sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). 17 Was die wasserrechtlichen Fragen betrifft, fehlt es sowohl in Bezug auf das Verschlechterungsverbot als auch hinsichtlich des Verbesserungsgebots an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen bezogen auf die der Prüfung richtigerweise zugrunde zu legenden rechtlichen Maßstäbe. Zur Frage einer Verletzung des artenschutzrechtlichen Zugriffsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hat das Oberverwaltungsgericht, das diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat, ebenso wenig hinreichende Feststellungen getroffen, die gegebenenfalls die Aufhebung der angefochtenen Erlaubnis stützen könnten. 18 Die Ergebnisrichtigkeit folgt auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16. Die Feststellung des EuGH zur habitatrechtlichen Rechtswidrigkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis ist für den Senat verbindlich (a). Sie trägt allerdings nicht deren Teil-Aufhebung, wie vom Oberverwaltungsgericht entschieden (b). 19 a) Der EuGH hat entschieden, dass ""die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG ... (FFH-RL) ... verstoßen (hat), dass sie bei der Genehmigung der Errichtung des Kohlekraftwerks Moorburg bei Hamburg (Deutschland) keine korrekte und vollständige Verträglichkeitsprüfung durchgeführt hat"", und die Klage im Übrigen abgewiesen. 20 Den Inhalt dieses Feststellungstenors hat der Senat seiner Entscheidungsfindung zugrunde zu legen. 21 Nach Art. 260 Abs. 1 AEUV hat ein Mitgliedstaat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben, wenn dieser feststellt, dass er gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Diese Pflicht trifft alle Staatsgewalten. So hat die Beklagte dem Urteil bereits insoweit Rechnung getragen, als sie mit Bescheid vom 1. Juni 2017 die sofortige Vollziehbarkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis hinsichtlich der Betriebsart Durchlaufkühlung aufgehoben hat mit der Folge, dass das Kraftwerk Moorburg derzeit nur mit Kreislaufkühlung betrieben werden darf. 22 aa) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen erweist sich das Urteil des EuGH für den vorliegenden Rechtsstreit nicht als unbeachtlich. Die Bindungswirkung bestimmt sich nach dem Umfang der Rechtskraft des Urteils. Die festgestellte Vertragsverletzung wird durch den Tenor des Urteils bezeichnet, der wiederum im Lichte der Entscheidungsgründe zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - C-95/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​676], Kommission/Deutschland - Rn. 37, 40). Die Rechtskraft der Entscheidung erstreckt sich dabei auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung waren (EuGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - C-526/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​379], Kommission/Luxemburg - Rn. 27). Hierzu ist insbesondere die Klageschrift heranzuziehen, der auch die Aufgabe zukommt, den Streitgegenstand des Verfahrens klar und eindeutig zu umschreiben. Nach Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des EuGH muss die Klageschrift den Streitgegenstand, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und deutlich sein, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht (EuGH, Urteil vom 19. September 2017- C-552/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​698], Kommission/Irland - Rn. 38). 23 bb) Hiernach macht die Beigeladene zu Unrecht geltend, der EuGH habe nicht über die hier streitgegenständliche Erlaubnis in der Fassung vom 4. Oktober 2010 - die nachfolgende Änderung vom 21. Januar 2011 bezieht sich allein auf die Kreislaufkühlung -, sondern über die Erlaubnis in der Ursprungsfassung vom 30. September 2008 entschieden. Der Gerichtshof spricht in seiner Entscheidung zwar jeweils nur von der ""Genehmigung vom 30. September 2008"". Dies ist vor dem Hintergrund der Klageschrift der Kommission und der dort beigefügten Anlagen aber jeweils nur als Kurzbezeichnung für die ""Genehmigung vom 30. September 2008 in der Fassung vom 4. Oktober 2010"" zu verstehen. Denn in der Klageschrift erwähnt die Kommission die erfolgte Neufassung der wasserrechtlichen Erlaubnis im Anschluss an das schiedsgerichtliche Verfahren (Rn. 9), betont sodann ausdrücklich, dass im Folgenden mit der ""Erlaubnis"" immer die wasserrechtliche Erlaubnis in der Fassung vom 4. Oktober 2010 gemeint sei (Rn. 10), und legt dem Gerichtshof allein diese Neufassung als Anlage vor (Anlagenverzeichnis Nr. A-2). Die Annahme, der EuGH habe über eine längst überholte Erlaubnis entschieden, liegt folglich völlig fern. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der EuGH hinsichtlich des Zeitpunkts der Erlaubniserteilung auf den 30. September 2008 abstellt. Denn das erklärt sich daraus, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Erlass der ursprünglichen Erlaubnis nicht überarbeitet worden ist (siehe EuGH, Urteil vom 26. April 2017 - C-142/16 - Rn. 37 f.). 24 Ohne Erfolg wendet die Beigeladene hiergegen ein, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei vor Erlass der Neufassung der Erlaubnis einer Neubewertung unterzogen worden. 25 Mit dem Einwand, bei Erlass der Erlaubnis vom 4. Oktober 2010 hätten die erforderlichen endgültigen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Fischaufstiegsanlage Nord vorgelegen, kann die Bindungswirkung des Urteils des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 - aber bereits deswegen nicht in Zweifel gezogen werden, weil er in der Sache nicht zutrifft. Allein mit der Errichtung der Fischaufstiegsanlage Nord und deren Inbetriebnahme am 1. August 2010 war deren Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen; denn dies erforderte ein Monitoring nach Maßgabe der entsprechenden Nebenbestimmung der wasserrechtlichen Erlaubnis, das aufgrund der vorgesehenen Dauer im Oktober 2010 noch nicht abgeschlossen war. Des Weiteren sehen die Nebenbestimmungen zum Nachweis des Erfolgs der Schadensminderungsmaßnahme eine weitere Monitoringphase vor, die die Inbetriebnahme der Kühlwasserentnahme gerade voraussetzt. 26 Des Weiteren fehlt es an jeglichem nachvollziehbaren Beleg für die Behauptung der Beigeladenen, die Auswirkungen des Pumpspeicherkraftwerks seien bei der FFH-rechtlichen worst-case-Betrachtung in die Nebenbestimmungen eingeflossen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung erwähnt das Pumpspeicherkraftwerk zwar im Zusammenhang mit der Bewertung der Wirksamkeit der Schadensminderungsmaßnahmen. Hier sei zu berücksichtigen, inwieweit die erzielte Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten durch nachfolgende Hindernisse oder Beeinträchtigungen, etwa durch das Pumpspeicherkraftwerk, wieder gemindert oder zunichte gemacht werden könnte (S. 134 f.). Solche Minderungen der Wirksamkeit der Fischaufstiegsanlage sollen im Monitoring erfasst werden (S. 137 f.). In den Nebenbestimmungen der wasserrechtlichen Erlaubnis finden sich jedoch keine entsprechenden Vorgaben. 27 cc) Fehl geht auch der Einwand der Beigeladenen, der EuGH habe seinen Erwägungen die im Verwaltungsverfahren vorgelegte FFH-Verträglichkeitsprüfung letztlich ungeprüft ""als Prämisse"" mit der Folge zugrunde gelegt, dass die Tragfähigkeit der maßgeblichen Annahmen im vorliegenden Verfahren zu hinterfragen und im Ergebnis zu verneinen sei. Das Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 - könne folglich keine Bindungswirkung beanspruchen. Damit verkennt die Beigeladene, dass der EuGH allein über die FFH-Verträglichkeitsprüfung entschieden hat - und auch nur darüber zu entscheiden hatte -, die der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis auch tatsächlich zugrunde lag. Nur aufgrund dieser Untersuchung kann festgestellt werden, ob die behördliche Zulassung des Vorhabens den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie entsprochen hat. 28 dd) Schließlich zieht die Beigeladene die Zulässigkeit der von der Kommission erhobenen Klage ohne Erfolg in Zweifel. Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage im Wesentlichen bereits im Vorverfahren durch das Mahnschreiben und abschließend durch die mit Gründen versehene Stellungnahme festgelegt wird und durch die nachfolgende Klage nicht erweitert oder geändert werden darf (EuGH, Urteile vom 7. April 2011 - C-20/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​214], Kommission/Portugal - Rn. 19 f.; vom 22. September 2016 - C-525/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​714], Kommission/Tschechische Republik - Rn. 17; vom 17. April 2018 - C-441/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​255], Kommission/Polen - Rn. 65 f.). Über die Frage der Zulässigkeit einer Klage nach Art. 258 AEUV und folglich die Reichweite der Sachprüfung hat aber - auf Einrede des Beklagten oder von Amts wegen (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-343/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​14], Kommission/Tschechische Republik - Rn. 25) - allein der Gerichtshof zu befinden. Wenn er die Klage als zulässig erachtet und eine Sachentscheidung trifft, kann dies im Rahmen der Prüfung der Bindungswirkung des Urteils nicht infrage gestellt werden. 29 b) Der demnach für den Senat bindend festgestellte Verstoß gegen das Habitatrecht hat nicht die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils zur Folge. Denn der Senat kann mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen nicht davon ausgehen, dass dieser Verstoß die Aufhebung der wasserrechtlichen Erlaubnis rechtfertigt. 30 aa) Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298), der nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG n.F. auch auf die revisionsgerichtliche Überprüfung des angegriffenen Urteils Anwendung findet, führt die Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer behördlichen Entscheidung u.a. nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG n.F., wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. 31 Diese Vorschrift ist in Anlehnung an die den Grundsatz der Planerhaltung im Planfeststellungsrecht ausformende Bestimmung des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG ins Gesetz eingefügt worden (BT-Drs. 18/9526 S. 44 f.). Sie regelt die Rechtsfolgen eines festgestellten Rechtsverstoßes abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Kann ein Rechtsfehler dadurch behoben werden, dass der ansonsten unveränderte Bescheid um weitere Regelungen ergänzt wird, ergeht ein Verpflichtungsurteil, gerichtet auf die erforderliche Ergänzung, die vor allem Schutzauflagen betrifft. Steht hingegen - wie hier - aufgrund des Fehlers der Fortbestand der Erlaubnis als solcher in Frage, kann ein ergänzendes - wiederaufgreifendes - Verfahren dazu dienen, den Fehler zu beseitigen; in diesem Fall stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Erlaubnis fest und weist die Klage im Übrigen - bezogen auf das in erster Linie verfolgte Aufhebungsbegehren - ab. Wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils sind die der Erlaubnis anhaftenden Fehler auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung abschließend zu benennen (siehe BVerwG, Beschlüsse vom 20. März 2018 - 9 B 43.16 - juris Rn. 65 und vom 28. Juli 2014 - 7 B 22.13 - UPR 2015, 34 Rn. 5 f., 9 f., jeweils m.w.N.). 32 Die Regelung begegnet insbesondere in Bezug auf die Fehlerheilung durch ein ergänzendes Verfahren keinen unionsrechtlichen Bedenken. Die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der angefochtenen Zulassungsentscheidungen wird nicht erschwert. Denn mit der Rechtswidrigkeitsfeststellung wird effektiver Rechtsschutz in gleicher Weise wie bei einer gerichtlichen Aufhebung der Erlaubnis gewährt; das Vorhaben kann nach der gerichtlichen Entscheidung bis zur Heilung des Fehlers nicht verwirklicht bzw. - wie hier - in der beanstandeten Weise betrieben werden. Es ist unschädlich, dass die Vorschrift keine Vorgaben für das Verfahren der Fehlerheilung enthält. Das ist entbehrlich, weil das ergänzende Verfahren Teil des ursprünglichen Verfahrens ist und folglich die hierfür geltenden fachrechtlichen Bestimmungen einschlägig sind; nach deren Maßgabe richtet sich insbesondere eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Schließlich steht einer nachträglichen Heilung das Erfordernis nicht entgegen, dass die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vor der Genehmigung des Vorhabens durchzuführen ist; nachfolgende Prüfungen sind danach grundsätzlich unbeachtlich (EuGH, Urteil vom 24. November 2011 - C-404/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​768], Kommission/Spanien - Rn. 99, 104). Wie bei Fehlern einer vorher durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung, ist eine Behebung des Mangels in einem nach Abschluss des Rechtsstreits stattfindenden ergänzenden Verfahren aber dann nicht ausgeschlossen, wenn dadurch nicht die Möglichkeit eröffnet wird, das Unionsrecht zu umgehen oder nicht anzuwenden, und wenn die nachträgliche Legalisierung die Ausnahme bleibt (vgl. EuGH, Urteile vom 3. Juli 2008 - C-215/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​380], Kommission/Irland - Rn. 57 und vom 28. Februar 2018 - C-117/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​129], Comune di Castelbellino - Rn. 30). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beachtung des Unionsrechts ist, wie bereits oben ausgeführt, durch die Rechtswidrigkeitsfeststellung gewährleistet. Die Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 3 BNatSchG über die Verträglichkeitsprüfung als Teil der Zulassungsentscheidung stellen sicher, dass die nachträgliche Fehlerheilung auf Ausnahmesituationen beschränkt bleibt. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 36). 33 bb) Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) n.F. ist eröffnet. 34 Die wasserrechtliche Erlaubnis wird von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG erfasst. Die Erlaubnis nach § 8 WHG ist mit einem Vorhaben nach Art. 10 in Verbindung mit Anhang I, Nr. 1.1 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) - IED-RL - (ABl. L 334 S. 17) verbunden. Bei den vom EuGH festgestellten Verstößen gegen Art. 6 Abs. 3 FFH-RL handelt es sich nicht um Verfahrensfehler, sondern um materiell-rechtliche Fehler im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG n.F. (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - juris Rn. 28 ff., 33). 35 cc) Die festgestellten habitatrechtlichen Fehler sind in einem ergänzenden Verfahren behebbar. Die Erteilung einer gegebenenfalls modifizierten wasserrechtlichen Erlaubnis für die Betriebsart der Durchlaufkühlung ist nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Einer FFH-Verträglichkeitsprüfung, nach der auch die Durchlaufkühlung zulässig ist, stehen die vom EuGH aufgestellten Anforderungen nicht von vornherein entgegen. 36 (1) Dies folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht bereits daraus, dass bei einer zutreffenden rechtlichen Einordnung der tatsächlichen Verhältnisse für die Annahme einer Beeinträchtigung der stromauf gelegenen FFH-Gebiete durch die Auswirkungen der Kühlwasserentnahme kein Raum bliebe. Die der Erlaubnis zugrunde liegende FFH-Verträglichkeitsprüfung setzt insoweit nicht auf einer unzutreffenden Prämisse auf. 37 Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich das Projekt, dessen Umweltfolgenabschätzung beanstandet wird, nicht in den betroffenen FFH-Gebieten, sondern in erheblicher Entfernung hiervon befindet (EuGH, Urteile vom 26. April 2017 - C-142/16, Kommission/Deutschland - Rn. 29 und vom 10. Januar 2006 - C-98/03 [ECLI:​EU:​C:​2006:​3], Kommission/Deutschland - Rn. 39 ff.). Sind bestimmte Arten als geschützte Bestandteile eines solchen FFH-Gebiets betroffen, kann ein rechtlich beachtlicher Kausalzusammenhang gegeben sein, wenn für diese Arten die Erreichbarkeit des Gebiets etwa durch eine Einwirkung auf Flugrouten oder Wanderkorridore gestört wird (BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 33 und Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - UPR 2015, 226 Rn. 16); eine vollständige Barrierewirkung ist aber nicht vorausgesetzt. Es liegt auf der Hand, dass Fischarten, die darauf angewiesen sind, regelmäßig zwischen Meer und Süßwasser hin und her zu ziehen (diadrome Fischarten), durch Vorhaben, die die Durchgängigkeit eines Flusses zum Meer bzw. den flussaufwärts gelegenen notwendigen Lebensräumen beeinträchtigen, mangels Ausweichmöglichkeiten in stärkerer Weise betroffen sind als etwa Vögel oder Fledermäuse durch in aller Regel punktuelle Hindernisse auf ihren Flugrouten. Da der Fluss zudem die einzige Wanderstrecke darstellt, liegt es ebenso auf der Hand, dass alle FFH-Gebiete, die flussaufwärts liegen und dem Schutz dieser Fischarten dienen, in die Betrachtung einzubeziehen sind, auch wenn sie sich unter Umständen in mehreren hundert Kilometern Entfernung befinden. Inwiefern in dieser Situation von einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele ausgegangen werden kann und in welcher Weise tatsächlichen Unsicherheiten Rechnung zu tragen ist, ist vorrangig eine naturschutzfachliche Frage. 38 Dieser Bewertung stehen weder Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 noch Art. 10 FFH-RL entgegen. 39 Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 FFH-RL macht lediglich Vorgaben für die Ausweisung von Schutzgebieten für im Wasser lebende Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, und fordert einen klar abgrenzbaren Raum, der die für das Leben und die Fortpflanzung dieser Arten ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. Er verhält sich aber nicht dazu, unter welchen Voraussetzungen die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Tierarten durch die Verwirklichung von Vorhaben außerhalb des Gebiets beeinträchtigt werden kann. 40 Auch Art. 10 FFH-RL, der gemeinsam mit Art. 3 Abs. 3 FFH-RL den Vernetzungsgedanken für die Errichtung eines kohärenten Netzwerks Natura 2000 aufgreift, verdrängt insoweit das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL nicht. Nach den genannten Bestimmungen bemühen sich die Mitgliedstaaten um den Erhalt und die Pflege von Landschaftselementen, die von ausschlaggebender Bedeutung für wildlebende Tiere und Pflanzen sind, insbesondere wenn sie dies für die Verbesserung der ökologischen Kohärenz von Natura 2000 erforderlich halten. Bei den Landschaftselementen handelt es sich insbesondere auch um Flüsse, die aufgrund ihrer linearen fortlaufenden Struktur für die Wanderung, die geographische Verbreitung und den genetischen Austausch wildlebender Arten wesentlich sind (Art. 10 Unterabs. 2 FFH-RL). In Bezug auf migrationsrelevante Landschaftsbestandteile, die als solche gerade nicht Teil des Netzes Natura 2000 sind und somit nicht dem besonderen Schutzregime des Art. 6 FFH-RL unterliegen, gilt demnach eine allgemeine Förderpflicht. Sie eröffnet dem Mitgliedstaat grundsätzlich ein weites Ermessen bei der Entscheidung über und der Ausgestaltung von Fördermaßnahmen, das sich in besonderen Konstellationen - gegebenenfalls im Zusammenspiel mit dem Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL - zu einer Handlungspflicht verdichten kann (Schumacher/Schumacher, NuR 2013, 377 <384 f.>). Daraus folgt jedoch nicht, dass Art. 10 FFH-RL sich als abschließende Spezialregelung für die rechtliche Bewertung und Bewältigung von Maßnahmen in diesen Landschaftsbestandteilen versteht. Die Landschaftselemente haben eine unterstützende Funktion, indem sie der Verbesserung der ökologischen Kohärenz des Netzes Natura 2000 dienen. Diesem Regelungsziel liefe es zuwider, wenn Maßnahmen in den migrationsrelevanten Landschaftsbestandteilen entgegen den allgemeinen Grundsätzen von vornherein vom Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ausgenommen wären. 41 (2) Hiervon ausgehend begegnet der rechtliche Ausgangspunkt in der der angefochtenen Erlaubnis zugrunde liegenden FFH-Verträglichkeitsprüfung - die Fischaufstiegsanlage Nord als im Rahmen von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL zu berücksichtigende Schadensminderungsmaßnahme - entgegen der Auffassung der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren und der vom erkennenden Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss vom 16. September 2014 - 7 VR 1.14 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 14 Rn. 18) geäußerten Vorbehalte keinen Bedenken. Diese Feststellung erfordert entgegen der Auffassung des Klägers keine Vorlage an den EuGH; denn dessen Rechtsprechung lässt keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der richtigen Auslegung des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT u.a. - Rn. 21 und vom 9. September 2015 - C-160/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​565], Ferreira da Silva u.a. - Rn. 38 ff.). 42 Nach der Rechtsprechung des EuGH muss das in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL vorgesehene Genehmigungskriterium die Verwirklichung des Schutzes der Gebiete unter Beachtung des Vorsorgegrundsatzes wirksam gewährleisten. Die zuständige Behörde hat bei ihrer Prüfung daher die in das Projekt aufgenommenen Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen, mit denen die etwaigen unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen auf das Gebiet verhindert oder verringert werden sollen, um dafür zu sorgen, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. Dagegen dürfen in einem Projekt vorgesehene Schutzmaßnahmen, mit denen dessen schädliche Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet lediglich ausgeglichen werden sollen, im Rahmen der Prüfung der Verträglichkeit des Projekts nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nicht berücksichtigt werden (EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​330], Briels u.a. - Rn. 28 ff. und vom 21. Juli 2016 - C-387/15 und C/388/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​583], Orleans u.a. - Rn. 48 ff.). 43 Nach diesem rechtlichen Maßstab stellt die Einbeziehung der positiven Wirkung der Fischaufstiegsanlage in die Bewertung, ob die Tötung aufsteigender laichbereiter Wanderfische und Rundmäuler einerseits, ins Meer abwandernder juveniler Exemplare andererseits, zu einer Beeinträchtigung der Erhaltungsziele in stromauf gelegenen FFH-Gebieten führt, keine im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL unzulässige Saldierung von Beeinträchtigungen und Verbesserungen dar. Das belegt der Vergleich mit den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen Briels und Orleans. Dort standen Fallkonstellationen zur Entscheidung, in denen das Vorhaben Flächen von maßgeblichen Gebietsbestandteilen in Anspruch genommen hat; die Schaffung von Ersatzflächen hat der EuGH nicht als Schadensminderungsmaßnahme anerkannt. An einer solchen unmittelbaren Schädigung und Beeinträchtigung der Integrität des FFH-Gebiets fehlt es hier jedoch. Denn die Tötung einzelner Exemplare einer für das FFH-Gebiet maßgeblichen Art auf ihrer Wanderstrecke zum Schutzgebiet stellt zunächst lediglich eine potentielle Beeinträchtigung der Erhaltungsziele dieses Gebiets dar, die sich gerade nicht aktualisiert, wenn die Anzahl der Exemplare, die das Schutzgebiet erreichen, durch ergänzende (Schutz-)Maßnahmen wie die Fischaufstiegsanlage zumindest stabil gehalten wird. Die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 26. April 2017 - C-142/16 - sind nicht geeignet, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen. Der EuGH hat zwar die Fischaufstiegsanlage nicht ausdrücklich in Auseinandersetzung mit dem Klagevorbringen als mögliche Schadensminderungsmaßnahme anerkannt; er hat vielmehr tragend auf den mangelnden Nachweis ihrer Wirksamkeit abgestellt. Er ist aber ersichtlich nicht davon ausgegangen, dass - wie von der Kommission vorgetragen - die vorangegangenen Urteile zur Abgrenzung von Schadensminderungs- und Ausgleichs- bzw. Kohärenzmaßnahmen eine Entscheidung im verneinenden Sinne zwingend vorgeben. Die Ausführungen in den Randnummern 35 f. des Urteils legen demgegenüber das Verständnis nahe, der EuGH habe die grundsätzliche Einigung der Fischaufstiegsanlage als Schadensminderungsmaßnahme nicht infrage stellen wollen. Davon geht mittlerweile - soweit ersichtlich - auch die Kommission aus (siehe Guidance document on the requirements for hydropower in relation to EU Nature legislation, 2018, S. 37). 44 (3) Es erscheint auch nicht als ausgeschlossen, dass eine überarbeitete FFH-Verträglichkeitsprüfung den vom EuGH aufgestellten Anforderungen an die Feststellung der FFH-Verträglichkeit eines Kraftwerks mit Durchlaufkühlung genügt. 45 Einer Fehlerheilung im ergänzenden Verfahren stehen die entsprechenden Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses zum nachträglichen Monitoring nicht entgegen. Denn die abschließende Sachentscheidung eröffnet gerade die Möglichkeit, die angefochtene Erlaubnis zu ändern, um den habitatrechtlichen Anforderungen zu genügen. 46 (4) Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die erforderlichen Feststellungen insbesondere angesichts der Unsicherheiten über die Wirksamkeit der am Entnahmebauwerk vorgesehenen Schutzmaßnahmen (Fischscheuchanlage und Fischrückführung) überhaupt nicht in der gebotenen ex-ante-Betrachtung getroffen werden könnten. Denn in einem ergänzenden Verfahren, das - wie hier - die Verträglichkeitsuntersuchung in einem wesentlichen Punkt ergänzt und neu bewertet, sind auch neue Erkenntnisse bezogen auf den dann maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt heranzuziehen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 21). Eine Verwertung der während des Betriebs des Kraftwerks mit der Durchlaufkühlung ermittelten Tatsachen ist der Behörde dabei nicht aus Rechtsgründen verwehrt. Eine Umgehung des Unionsrechts liegt darin nicht. Zum einen stellt sich aufgrund der Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die Sachlage so dar, dass die Durchlaufkühlung erst im Anschluss an eine überarbeitete FFH-Verträglichkeitsprüfung wieder möglich ist. Zum anderen wird mit der Möglichkeit der Nutzung der in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse nicht etwa ein als treuwidrig zu bewertendes Verhalten prämiert, das sich bewusst über die unionsrechtlichen Vorgaben hinwegsetzt; denn der Betrieb des Kraftwerks mit der Durchlaufkühlung war durch die Entscheidung des Senats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gedeckt. 47 (5) Was die vom EuGH des Weiteren beanstandete unzureichende Berücksichtigung der Auswirkungen des Pumpspeicherkraftwerks angeht, spricht ebenfalls nichts dafür, dass diese Prüfung nicht ordnungsgemäß nachgeholt werden könnte. Dabei kann dahinstehen, wie sich bei den Auswirkungen weiterer Vorhaben Vorbelastung und Kumulations- bzw. Summationsbetrachtung grundsätzlich zueinander verhalten. Denn vorliegend geht es ungeachtet der allgemein gehaltenen Formulierungen im Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 - (Rn. 62) um die - bereits in der Umweltverträglichkeitsprüfung angemahnte, in der Erlaubnis jedoch nicht umgesetzte - Prüfung, ob das nur wenige Kilometer stromauf des Wehres Geesthacht ebenfalls am rechten Elbufer gelegene Pumpspeicherkraftwerk die positiven Wirkungen der neuen Fischaufstiegsanlage Nord in einem Ausmaß mindert, das deren Eignung als Schadensminderungsmaßnahme infrage stellt." bverwg_2018-36,30.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 36/2018 vom 30.05.2018 EN Mehrehe eines Ausländers hindert nach geltendem Recht nicht dessen Anspruchseinbürgerung Eine rechtswirksam im Ausland eingegangene weitere Ehe schließt zwar eine privilegierte Einbürgerung von Ehegatten Deutscher nach § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) mangels Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse aus. Sie steht aber einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG nicht entgegen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Der 1981 in Syrien geborene Kläger lebt seit 1999 in Deutschland, er studierte hier und arbeitet seit 2008 als angestellter Bauingenieur. Im April 2008 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige, mit der er in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Im Jahre 2010 wurde er auf seinen Antrag hin nach § 9 StAG eingebürgert, nachdem er im Einbürgerungsverfahren nur diese Ehe angegeben hatte. Im Jahre 2012 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger im Juni 2008 in Damaskus mit einer syrischen Staatsangehörigen rechtswirksam eine weitere Ehe geschlossen hatte. Er erkannte die Vaterschaft für eine Anfang 2012 von seiner Zweitfrau geborene Tochter an. Die Tochter lebt seit Herbst 2013 im Haushalt des Klägers in Karlsruhe. Auch die Zweitfrau lebt seit April 2017 mit eigenem Haushalt in Karlsruhe. Die Beklagte nahm im Dezember 2013 die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Durch das Verschweigen der Zweitehe und die im Einbürgerungsantrag abgegebenen Erklärungen habe er arglistig über die Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht. Die Zweitehe schließe es aus, dass sich der Kläger in die Lebensverhältnisse in Deutschland eingeordnet habe, und stehe auch einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Rücknahmebescheid aufgehoben, weil es jedenfalls an der Kausalität des dem Kläger vorgeworfenen Verhaltens für die Einbürgerung fehle. Der Kläger habe bei Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der in Syrien wirksam geschlossenen weiteren Ehe nach § 10 StAG einen Einbürgerungsanspruch gehabt. Diese Zweitehe stehe dem nach § 10 StAG geforderten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entgegen. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zur näheren Prüfung zurückverwiesen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung einen Einbürgerungsanspruch gehabt hat. Die Einbürgerung des Klägers ist allerdings rechtswidrig erfolgt, weil die in Syrien geschlossene und vom Kläger im Einbürgerungsverfahren verschwiegene Zweitehe einer „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG entgegensteht. Auch waren im Zeitpunkt der Einbürgerung die Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG noch nicht erfüllt. Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme hat die Beklagte aber einen möglichen Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG im Zeitpunkt der behördlichen Rücknahmeentscheidung zu berücksichtigen. Die Beklagte hat hier einen solchen zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass der Kläger sich wegen seiner Zweitehe nicht wirksam zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt habe. Der Rechtsbegriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist bezogen auf die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns. Dieser Rechtsbegriff ist damit enger als das Erfordernis der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Er verlangt vom Einbürgerungsbewerber ein Bekenntnis zu einem auf Recht und Gesetz sowie der Achtung und dem Schutz der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gründenden Gemeinwesen, aber kein Bekenntnis zum Prinzip der bürgerlich-rechtlichen Einehe. Dem Gesetzgeber steht es allerdings frei, die Anspruchseinbürgerung bei bestehender Mehrehe auszuschließen, etwa indem er nach dem Vorbild des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch für die Anspruchseinbürgerung vom Ausländer eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ verlangt. Ob im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung ein Einbürgerungsanspruch des Klägers bestand, wird das Berufungsgericht mit Blick auf die Einbürgerungsvoraussetzung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts aufzuklären und zu entscheiden haben. BVerwG 1 C 15.17 - Urteil vom 29. Mai 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 12 S 2216/14 - Urteil vom 25. April 2017 - VG Karlsruhe, 3 K 1117/14 - Urteil vom 25. September 2014 -","Urteil vom 29.05.2018 - BVerwG 1 C 15.17ECLI:DE:BVerwG:2018:290518U1C15.17.0 EN Rücknahme einer Einbürgerung wegen Mehrehe Leitsätze: 1. Das Bestehen einer vom Einbürgerungsbewerber rechtswirksam im Ausland geschlossenen weiteren Ehe schließt im Sinne des § 9 Abs. 1 StAG eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse aus. 2. Eine Einbürgerung ist dann nicht nach § 35 Abs. 1 StAG einer Rücknahme zugänglich, wenn sie im Zeitpunkt der Einbürgerung auf anderer Rechtsgrundlage als jener, die von der Behörde herangezogen worden ist, hätte erfolgen müssen. 3. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG sind Zeiten, in denen der Ausländer im Besitz einer für einen seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilten Aufenthaltsbewilligung war, nur dann zu berücksichtigen, wenn sie unter der Geltung des Aufenthaltsgesetzes zurückgelegt worden sind (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47). 4.  Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nach § 35 Abs. 1 StAG ist ein im Zeitpunkt der Rücknahme bestehender Einbürgerungsanspruch zu berücksichtigen. Bei der Prüfung, ob ein solcher im Zeitpunkt der Einbürgerung besteht, bleiben die unmittelbaren Auswirkungen der (rechtswidrigen) Einbürgerung (Verlust der Ausländereigenschaft und Erlöschen des Aufenthaltstitels) außer Betracht. 5. Eine vom Einbürgerungsbewerber rechtswirksam im Ausland geschlossene weitere Ehe steht einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht entgegen. Rechtsquellen GG Art. 6 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 StAG §§ 9, 10, 35 BGB §§ 1306, 1314 StGB § 172 Instanzenzug VG Karlsruhe - 25.09.2014 - AZ: VG 3 K 1117/14 VGH Mannheim - 25.04.2017 - AZ: VGH 12 S 2216/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.05.2018 - 1 C 15.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:290518U1C15.17.0] Urteil BVerwG 1 C 15.17 VG Karlsruhe - 25.09.2014 - AZ: VG 3 K 1117/14 VGH Mannheim - 25.04.2017 - AZ: VGH 12 S 2216/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 25. April 2017 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband, welche die Beklagte darauf stützt, dass dieser bei der Einbürgerung eine wirksam eingegangene Zweitehe verschwiegen habe. 2 Der im Jahre 1981 in Damaskus geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er absolvierte nach einem Studienkolleg (von 2000 bis 2002) zwischen 2003 und 2007 erfolgreich ein Bauingenieurstudium an der Fachhochschule in K. Seit dem Jahr 2008 arbeitet er in K. als angestellter Bauingenieur. Seit April 2008 ist der Kläger mit der deutschen Staatsangehörigen M. verheiratet, mit der er in einem Haushalt lebt; aus dieser Ehe sind drei Kinder hervorgegangen (geboren 2010, 2013 und 2015). Dem Kläger war zunächst eine Aufenthaltsbewilligung (§ 28 AuslG 1990), später eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke des Studiums und sodann eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 AufenthG zum Ehegattennachzug zu einer Deutschen erteilt und jeweils verlängert worden. Seit Juni 2009 war der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. 3 Im April 2010 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem Antragsformular gab er (allein) seine im April 2008 geschlossene Ehe mit Frau M. an. Der Kläger gab ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine Loyalitätserklärung ab, unterschrieb eine Erklärung zur Bedeutung der Ehe mit Frau M. bei der Einbürgerung und gab bei der Übergabe der Einbürgerungsurkunde das feierliche Bekenntnis ab, das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten zu wollen. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 (ausgehändigt am 21. Oktober 2010) wurde der Kläger unter Belassung seiner syrischen Staatsangehörigkeit eingebürgert. 4 Bereits im Juni 2008 war er in Syrien eine weitere Ehe mit der syrischen Staatsangehörigen Ma. eingegangen. Im Juni 2012 erkannte er die Vaterschaft einer im Januar 2012 in Damaskus (Syrien) geborenen Tochter der Ma. an. Dieses Kind lebt seit Herbst 2013 in dem gemeinsamen Haushalt des Klägers und seiner deutschen Ehefrau. Seit April 2017 wohnt Frau Ma. - mit eigenem Haushalt - in der gleichen Stadt wie der Kläger; dort sieht sie ihre Tochter täglich, namentlich bringt sie diese zum Kindergarten und holt sie dort wieder ab. 5 Im September 2012 erhielt die Beklagte von dieser Zweitehe Kenntnis. Nach im Mai 2013 erfolgter Anhörung nahm sie mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 die Einbürgerung des Klägers rückwirkend zurück (Verfügung Nr. 1), stellte fest, dass hierdurch auch die Voraussetzung für die deutsche Staatsangehörigkeit der in Damaskus (Syrien) geborenen Tochter entfallen sei (Verfügung Nr. 2), forderte den Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde und ihm ausgestellter Ausweisdokumente auf (Verfügung Nr. 3), drohte insoweit Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung für den Fall nicht fristgerechter Rückgabe an (Verfügung Nr. 4) und setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 200 € fest (Verfügung Nr. 5). Zur Begründung der Rücknahme führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Einbürgerung sei wegen der Zweitheirat des Klägers in Syrien kurze Zeit nach der Eheschließung in Deutschland rechtswidrig und habe jedenfalls nicht nach § 9 Abs. 1 StAG erfolgen dürfen. Die Zweitehe belege, dass der Kläger in die deutschen Lebensverhältnisse noch nicht hinreichend integriert gewesen sei, zumal er die Zweitehe auch praktiziere. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. März 2014). 6 Zur Begründung seiner gegen die Rücknahme erhobenen Klage hat der Kläger hervorgehoben, dass seine zweite Ehe mit Ma. zivilrechtlich wirksam sei, syrischem Recht entspreche und er sich durch die Eheschließung auch nicht strafbar gemacht habe; die Nichtangabe dieser Zweitehe sei nicht ""wesentlich"" für die Einbürgerung gewesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zu den deutschen Lebensverhältnissen, in die bei der Einbürgerung nach § 9 StAG eine Einordnung erforderlich sei, gehöre auch das Prinzip der Einehe. Mit dem Eingehen einer Zweitehe nur wenige Wochen nach der Eheschließung mit seiner deutschen Ehefrau habe der Kläger gezeigt, dass er in einem zentralen Punkt nach wie vor den Wertvorstellungen und Lebensverhältnissen seiner syrischen Herkunft verhaftet sei. Der Kläger habe seine Einbürgerung durch Täuschung sowie durch vorsätzlich unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt. Einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG stehe entgegen, dass das Prinzip der Einehe Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei. 7 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Rücknahme der Einbürgerung, die Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und ausgestellter Ausweisdokumente und die Festsetzung der Verwaltungsgebühr aufgehoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Ob die nach Maßgabe des § 9 StAG erfolgte Einbürgerung des Klägers auf einer arglistigen Täuschung oder auf vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhe, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen seien, könne offenbleiben. Denn es fehle jedenfalls an der Kausalität der Nichterwähnung der in Syrien geschlossenen Ehe, weil der Kläger im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG gehabt habe. Der Kläger habe auch die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erfüllt, weil er sich (wirksam) zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekannt und erklärt habe, keine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt zu haben. Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung werde nicht durch die vom Kläger geschlossene Zweitehe infrage gestellt. Das Prinzip der Einehe rechne entgegen einer wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sei dieser Begriff in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG so auszulegen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht im Parteiverbotsrecht ausgefüllt habe, scheide eine Verletzung aus. Die Rechtsauffassung, eine Mehrehe verstoße gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde, sei auf der Grundlage des gängigen Begriffsverständnisses zur Menschenwürde fernliegend. Der in verschiedenen Fachgesetzen aufgegriffene Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung müsse wegen der unterschiedlichen Schutz- und Zielrichtung der Fachgesetze nicht mit dem Begriffsinhalt identisch sein, der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verwendet worden sei. In Rechtsprechung und Schrifttum werde indes zur Ausfüllung auf die in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zurückgegriffen, die ihrerseits die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 21 Abs. 2 GG und die Auflistung in § 92 StGB aufnähmen. Dieser Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sei insoweit untrennbar mit dem Begriff der ""wehrhaften"" oder ""streitbaren Demokratie"" verbunden, kennzeichne einen Rahmen der politischen Betätigung des Einzelnen wie auch deren Voraussetzung und schütze die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes. Die in Art. 6 GG auch als Institutsgarantie verankerte Ehe, die das Grundgesetz als Einehe und als auf Dauer angelegte, frei eingegangene Lebensgemeinschaft zwischen zwei Menschen verstehe, habe zwar eine sozialethische und kulturelle Funktion in der Konstituierung und Entwicklung des Gemeinschaftslebens und gehöre zweifellos zu den grundlegenden kulturellen Wertvorstellungen in der Bundesrepublik Deutschland; das Prinzip der Einehe habe aber keinen (unmittelbaren) thematischen Bezug zur wehrhaften Demokratie. Ein Verstoß gegen das Prinzip der Einehe gefährde nicht den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie dessen Grundordnung. Dies ergebe sich auch aus den Erläuterungen des Klägers zu den Gründen, die ihn zur Eingehung einer Zweitehe bewogen hätten; hieraus könne nicht geschlossen werden, der Kläger sei auf eine Beseitigung der wertgebundenen Ordnung des Grundgesetzes aus, mag auch eine Zweitehe in Werteverständnis und Moral erheblich mit westeuropäischen Vorstellungen konfligieren. Bei rechtmäßiger Eheschließung werde die Mehrehe zudem auch im Inland als Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts anerkannt und sei auch nicht strafbar. Auch der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG komme in bestimmten Dimensionen in Bezug auf die Zweitehe in Betracht. Die nur Männern eröffnete Mehrehe bewirke auch kein grundsätzliches Bekenntnis des Klägers gegen die Gleichheit von Mann und Frau; dabei könne offenbleiben, ob die Mehrehe als solche gegen Art. 3 Abs. 1 bis 3 GG verstoße. 8 Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass im Zeitpunkt der Einbürgerung eine Einbürgerung nach § 9 StAG mangels Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse rechtswidrig gewesen sei und im Zeitpunkt der Einbürgerung auch ein Einbürgerungsanspruch nach den §§ 8, 10 StAG nicht bestanden habe, sei jedenfalls die Betätigung des Rücknahmeermessens fehlerhaft. Dem im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung bestehenden Einbürgerungsanspruch aus § 10 StAG habe nicht die Erwägung entgegengehalten werden können, der Kläger könne angesichts der tatsächlichen Situation kein wirksames Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG) und kein feierliches Bekenntnis (§ 16 StAG) abgeben. 9 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 9, 10 StAG. Sie hebt hervor, dass dem Kläger auch ohne ausdrückliche Nachfrage im Einbürgerungsformular die Unvollständigkeit der von ihm gemachten Angaben bewusst gewesen sein müsse. Das Prinzip der Einehe gehöre zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Staatsangehörigkeitsrechtlich umfasse das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch das Bekenntnis zur Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Grundrechte und der darin liegenden Prinzipien und erfordere grundsätzlich eine positive Einstellung zum deutschen Kulturkreis. Eine solche Einstellung fehle beim Kläger, der die in Art. 3 Abs. 2 GG festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht akzeptiere, wenn er Zweitehen durch Frauen nicht akzeptiere. Bei einer Mehrehe verliere die Ehefrau einen wesentlichen Teil ihrer Stellung als Rechtssubjekt bzw. müsse diese mit anderen Ehefrauen teilen; die Ehefrau werde damit mehr oder weniger zum Handlungsobjekt degradiert, zumal die Ehescheidung nach islamischem Recht für den Ehemann relativ einfach sei. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts widerspräche auch der gesamten Zielsetzung der Integration, die eine innere Hinwendung zu sowie die Verbundenheit mit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Wertordnung bedeute, die zweifelsfrei auch die Einehe umfasse. 10 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Er hebt hervor, er sei im Einbürgerungsverfahren schon nicht nach einer weiteren Ehe gefragt worden. Das Prinzip der Einehe sei nicht Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Begriff der Ehe sei im Wandel begriffen; zumindest Kinder aus einer Mehrehe stünden unter dem Schutz des Art. 6 GG. Das Verbot der Mehrehe sei keine Ausprägung der ""Gleichberechtigung"" von Mann und Frau; eine Mehrehe verstoße auch nicht gegen die Menschenwürde der Ehefrauen. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt der Rechtsauffassung der Revision bei. Ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG habe schon deswegen nicht bestanden, weil die Unterhaltsansprüche der Zweitfrau und des gemeinsamen Kindes bei der Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit nicht hätten außer Betracht bleiben dürfen. Vor allem habe das Berufungsgericht verkannt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext nicht auf den Schutz der wehrhaften Demokratie begrenzt sei, sondern die gesamte Rechts- und Werteordnung des Grundgesetzes umfasse. Zu dieser rechne unstreitig das in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte Institut der Ehe als Einehe. Das durch die Loyalitätserklärung zu bekundende Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfordere eine innere Hinwendung zur Werteordnung des Grundgesetzes. Eine der freiheitlichen Ordnung entgegenstehende Einstellung könne auch ein integrationsfeindliches Verhalten im familiären oder gesellschaftlichen Bereich sein. Es fehle an der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse. Mit der Anforderung des ""Sich-Einfügens"" in das soziale Leben in Deutschland sei Integration in § 9 StAG zur Einbürgerungsvoraussetzung gemacht worden. Dies müsse erst recht für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG gelten. Das Verschweigen der Zweitehe widerspreche dem Gebot des Sich-Einfügens. Für eine weite Auslegung des Begriffs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in § 10 Abs. 1 StAG spreche auch der an die Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher oder extremistischer Bestrebungen anknüpfende Einbürgerungsausschluss nach § 11 StAG. Auch das nach § 16 StAG abzulegende feierliche Bekenntnis zum Grundgesetz, bei dem es sich ebenfalls um eine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einbürgerung handele, erfordere eine Verinnerlichung der Werteordnung des Grundgesetzes. II 12 Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts ist mit Bundesrecht unvereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es für den Zeitpunkt der zurückgenommenen Einbürgerung einen Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 StAG angenommen (1.) und die Ermessensentscheidung beanstandet hat, weil jedenfalls in Bezug auf diesen Zeitpunkt ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG bestanden habe (2.); ob dies der Fall gewesen ist, bedarf in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) näherer Aufklärung. 13 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein das Begehren des Klägers auf Aufhebung der mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 verfügten Rücknahme seiner Einbürgerung (Nr. 1 des Bescheides) sowie der hierauf bezogenen Nebenentscheidungen (Nr. 3 und 5 des Bescheides). Die Aufhebung der auf die im Januar 2012 geborene Tochter des Klägers bezogene Aussage (Nr. 2 des Bescheides) und die Ankündigung von Verwaltungszwangsmaßnahmen bei nicht fristgerechter Erfüllung der Anordnung zu Nr. 3 (Nr. 4 des Bescheides) sind bereits im Berufungsverfahren nicht begehrt worden. 14 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des auf die Rücknahmeentscheidung bezogenen Anfechtungsbegehrens ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2014. Eine Verschiebung dieses Zeitpunktes auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Berufungsgerichts gebieten weder Unions- noch Verfassungsrecht. Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl. I S. 1224) zu Grunde zu legen; die streitentscheidenden Normen des Staatsangehörigkeitsgesetzes, insbesondere § 35 StAG, sind in ihrem entscheidungserheblichen Gehalt durch die Rechtsänderungen in der Folgezeit unberührt geblieben. Soweit im Rahmen der Anwendung des § 35 Abs. 1 StAG die Rechtmäßigkeit der am 13. Oktober 2010 bewirkten Einbürgerung zu prüfen ist, ist auf die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt abzustellen. Spätere Rechtsänderungen oder tatsächliche Entwicklungen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit einer nicht nichtigen Einbürgerung zu beseitigen. 15 Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung ist § 35 Abs. 1 StAG. Hiernach kann eine von Anbeginn an rechtswidrige Einbürgerung nur dann zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt u.a. durch arglistige Täuschung oder durch vorsätzlich unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Die im Oktober 2010 wirksam gewordene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (1.) und ist von dem Kläger auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG durch unzureichende Angaben erwirkt worden (2.). Die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung hängt davon ab, ob im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung ein Einbürgerungsanspruch bestanden hat; insoweit sind weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich (3.). 16 1. Die im Oktober 2010 wirksam gewordene Einbürgerung des Klägers war von Anbeginn an rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach § 9 StAG lagen nicht vor, weil nicht gewährleistet war, dass sich der Kläger im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG in die deutschen Lebensverhältnisse einordnete (1.1). Dem Kläger stand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch kein Einbürgerungsanspruch aus § 10 StAG zu (1.2). 17 1.1 Nach § 9 Abs. 1 StAG sollen Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 StAG u.a. dann eingebürgert werden, wenn gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen; dies gilt nicht, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, ohne dass ein Ausnahmegrund erfüllt ist (§ 9 Abs. 1 letzter Halbs. StAG). Wegen der von ihm geschlossenen Doppelehe bot der Kläger nicht die Gewähr, sich in die deutschen Lebensverhältnisse ""einzuordnen"". Damit war der Tatbestand des § 9 Abs. 1 StAG im Zeitpunkt der Einbürgerung nicht erfüllt. 18 a) ""Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (BVerwG, Urteil vom 8. März 1988 - 1 C 55.86 - BVerwGE 79, 94 <96>). 19 Dieses Einbürgerungserfordernis tritt zu den in § 8 StAG geregelten Einbürgerungsvoraussetzungen hinzu, die neben der Sicherung des eigenen Lebensunterhalts u.a. erfordern, dass der Einbürgerungsbewerber weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Eine ""Einordnung"" ist allein durch die Beachtung strafrechtlicher Ge- und Verbote nicht gewährleistet. Die ""Einordnung"" in die deutschen Lebensverhältnisse muss zwar nach den Umständen des Falles in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, Urteil vom 8. März 1988 - 1 C 55.86 - BVerwGE 79, 94 <96>); sie muss aber im Einberufungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen, sondern lediglich für die Zukunft gewährleistet sein (Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 9 StAG Rn. 20; Marx, in: GK-StAR, Stand Oktober 2009, § 9 StAG Rn. 86 ff.). Eine Einordnung erfordert neben einer gewissen Mindestaufenthaltsdauer und - 2007 durch die Einfügung des letzten Halbsatzes in § 9 Abs. 1 StAG tatbestandlich verselbständigt (Gesetz vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970) - ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache auch Mindestkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung (s.a. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG). Denn ohne Kenntnis der deutschen Lebensverhältnisse ist eine Einordnung in diese schwerlich zu bewirken. 20 Der Begriff ""Einordnung"" lässt zudem Raum für eine Auslegung, die auch jenseits der stets vorauszusetzenden Bereitschaft zur Beachtung von Gesetz und Recht auch eine tätige Einordnung in die elementaren Grundsätze des gesellschaftlich-kulturellen Gemeinschaftslebens, die als unverzichtbare außerrechtliche Voraussetzungen eines gedeihlichen Zusammenlebens zu werten sind, verlangt. 21 b) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abschließenden Bestimmung der Grundsätze und sozialen Regeln, welche derart elementar sind, dass sie staatsangehörigkeitsrechtlich Voraussetzung für die Gewähr einer (hinreichenden) Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse sind. Die von dem Kläger geschlossene Doppelehe schließt jedenfalls im Sinne des § 9 Abs. 1 StAG eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse aus (s.a. OVG Münster, Urteil vom 2. September 1996 - 25 A 2106/94 - InfAuslR 1997, 82; VG Schleswig, Urteil vom 19. Februar 2001 - 1 A 178/98 - NordÖR 2001, 315; VG Braunschweig, Urteil vom 4. November 2003 - 5 A 308/03 - juris; VG Berlin, Beschlüsse vom 11. März 2005 - 2 A 161.04 - juris und vom 4. April 2005 - 2 A 32.05 - juris; Urteil vom 16. August 2005 - 2 A 161.04 - juris; VGH München, Urteil vom 4. Mai 2005 - 5 B 03.13 71 - juris; Beschlüsse vom 29. September 2009 - 5 ZB 09.11 37 - juris und vom 10. März 2011 - 5 ZB 10.11 70 - juris; Urteil vom 30. Januar 2013 - 5 BV 12.23 14 - juris; VG Saarlouis, Urteil vom 28. Oktober 2005 - 12 K 235/04 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 5 B 15.03 - juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. Juli 2007 - 13 LC 468/03 - StAZ 2008, 110; VG Minden, Urteil vom 5. Dezember 2007 - 11 K 812/07 - juris; VG Darmstadt, Urteil vom 20. August 2008 - 5 E 840/07 - juris; VG München, Urteil vom 22. Februar 2010 - M 25 K 09.27 04 - juris). 22 aa) In der bundesrepublikanischen Gesellschaft wird die Ehe weiterhin prägend als Einehe verstanden. Ungeachtet aller Wandlungen, die der Ehebegriff in den letzten Jahrzehnten genommen hat, und den verschiedenen Formen des Zusammenlebens von Partnern mit oder ohne Kinder ist der Grundsatz unangefochten, dass eine Ehe - so sie denn geschlossen werden soll - jeweils nur mit einer Person geschlossen werden kann und soll. Selbst außereheliche Beziehungen neben einer bestehenden Ehe stellen diesen Grundsatz nicht infrage; sie setzen den Grundsatz der Einehe vielmehr voraus und werden als - individuell lebbare und möglicherweise rechtfertigungsfähige - Abweichungen von einer fortbestehenden gesellschaftlichen Norm gewertet. Die Abschaffung des Straftatbestandes des Ehebruchs (§ 172 StGB ) im Jahre 1969 (Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts - 1. StrRG vom 25. Juni 1969, BGBl. I S. 645) hat ebenfalls nichts daran geändert, dass die Achtung und Beachtung des Grundsatzes der Einehe sozial als wichtige Voraussetzung des gesellschaftlichen Zusammenlebens gewertet wird. 23 bb) Diese gesellschaftlich-kulturelle Perspektive findet zudem im Recht eine klare, hochrangige Verankerung. § 172 StGB stellt unter Strafe, wenn verheiratete oder in Lebensgemeinschaft lebende Personen eine weitere Ehe oder Lebenspartnerschaft eingehen. Dass dieses strafrechtliche Verbot der Doppelehe bei einer nach anzuwendendem Sachrecht zulässigen, durch einen Ausländer in seinem Herkunftsstaat geschlossenen Doppelehe nicht greift und eine so geschlossene Ehe nach internationalem Privatrecht im Rahmen des deutschen ordre public als rechtsgültig betrachtet werden kann, ändert nichts an dem normativen Schutz des Grundsatzes der monogamen Ehe als solchem. Es begrenzt lediglich die innerstaatliche straf- oder zivilrechtliche Sanktionierung einer im Ausland geschlossenen Doppelehe, stellt aber weder normativ noch gesellschaftlich das Konzept der Einehe infrage. Der Grundsatz der Einehe prägt auch den Ehebegriff des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1959 - 1 BvR 205/58 u.a. - BVerfGE 10, 59 <66 f.>; Beschlüsse vom 7. Oktober 1970 - 1 BvR 409/67 - BVerfGE 29, 166 <176> und vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 636/68 - BVerfGE 31, 58 <69>; OVG Münster, Beschluss vom 6. Januar 2009 - 18 B 1914/08 - NVwZ-RR 2009, 539 <540>; s.a. von Coelln, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 7). Das Monogamiegebot nimmt teil an dem Schutz der Ehe als Institution, den der Gesetzgeber zu achten und zu verwirklichen hat (BVerfG, Beschluss vom 30. November 1982 - 1 BvR 818/81 - BVerfGE 62, 323 <330>). Bei einer Doppel- oder Mehrehe, die nur einem Geschlecht eröffnet ist, wird deren auch gesellschaftliche Ächtung grundrechtlich zusätzlich durch den Grundsatz der Gleichberechtigung (Art. 3 Abs. 2 GG) gestützt. 24 cc) Dieses Zusammenspiel von tiefgreifender gesellschaftlich-kultureller Prägung durch den Grundsatz der Einehe und dessen hochrangiger verfassungs- und strafrechtlicher Verankerung macht diesen zu einem Teil der deutschen Lebensverhältnisse im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG, in die sich ein Einbürgerungsbewerber einzuordnen hat. Es gebietet dessen Beachtung durch einen Einbürgerungsbewerber und hindert eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse auch dann, wenn die Doppelehe im Ausland wirksam geschlossen worden ist und auch nicht gegen deutsches Strafrecht verstößt. 25 1.2 Der Kläger hatte im Einbürgerungszeitpunkt auch keinen anderweitigen Einbürgerungsanspruch. Eine auf § 9 StAG gestützte Einbürgerung, die nicht nach § 9 StAG hätte erfolgen dürfen, ist zwar dann nicht im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG rechtswidrig, wenn die Einbürgerungsbehörde den Einbürgerungsbewerber auf anderer Rechtsgrundlage hätte einbürgern müssen (a). Im Zeitpunkt der Einbürgerung hatte der Kläger indes schon deswegen keinen Einbürgerungsanspruch, weil er noch nicht acht Jahre rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (b). 26 a) Die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage auf eine einheitliche Rechtsstellung gerichtet. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteile vom 17. März 2004 - 1 C 5.03 - NVwZ 2004, 997; vom 20. April 2004 - 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> und vom 20. März 2012 - 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 Rn. 35) hat die Einbürgerungsbehörde daher im Rahmen ihrer Zuständigkeit ein Einbürgerungsbegehren hinsichtlich aller in Betracht kommenden Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen. Eine Einbürgerung ist grundsätzlich dann nicht im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG einer Rücknahme zugänglich, wenn sie auf anderer Rechtsgrundlage als jener, die von der Behörde herangezogen worden ist, hätte erfolgen müssen. Dies gilt namentlich in den Fällen, in denen ein gebundener Anspruch auf eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG besteht, bei dem die Einbürgerungsbehörde auch nicht hinsichtlich einzelner Einbürgerungsvoraussetzungen eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (z.B. nach § 10 Abs. 2 und 3 Satz 2, § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG). 27 Die Beklagte war hier zuständig für eine Entscheidung über einen (möglichen) Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG. § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Staatsangehörigkeitsrecht vom 3. Februar 1976 (GVBl. 1976 S. 245) enthält keine Einschränkung der den Landratsämtern und Stadtkreisen zugewiesenen Zuständigkeit für den Vollzug des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes und der sonstigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften. Nicht zu entscheiden ist daher, ob ein materiell bestehender Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG für die Anwendung des § 35 Abs. 1 StAG auch dann die Rechtswidrigkeit einer auf die §§ 8, 9 StAG gestützten Einbürgerung entfallen lässt, wenn die einbürgernde Behörde nicht für die Anspruchseinbürgerung zuständig ist, oder dies erst im Rahmen der nach § 35 Abs. 1 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist. 28 b) Der Kläger hatte indes im Zeitpunkt der Einbürgerung (Oktober 2010) noch keinen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, weil er noch nicht acht Jahre rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Inland hatte. 29 Der Kläger hielt sich zwar seit seiner Einreise im Jahre 1999 und im Einbürgerungszeitpunkt damit bereits ca. elf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt liegt indes nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. nur BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <127> und vom 18. November 2004 - 1 C 31.01 - BVerwGE 122, 199 <202 f.>) nur dann vor, wenn der zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führende Aufenthaltstitel sich auch auf die Dauerhaftigkeit des Aufenthalts bezieht. Lediglich befristete, zweckgebundene Aufenthaltstitel reichten hiernach jedenfalls dann nicht aus, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem auch dauernden Aufenthalt rechtlich ausgeschlossen oder bei einer prospektiven Betrachtung nicht zu erwarten war. Hieran hält der Senat für Aufenthaltszeiten bis zum Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes auch gegen Stimmen im Schrifttum (s. nur Berlit, in: GK-StAR, Stand November 2015, § 10 StAG Rn. 129 ff.) fest. Die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums nach § 28 AuslG vermittelten schon wegen des grundsätzlichen Verbots, vor der Ausreise eine Aufenthaltsgenehmigung zu einem anderen Zweck zu erteilen oder zu verlängern (§ 28 Abs. 3 AuslG), keinen entsprechenden Daueraufenthalt (s.a. Berlit, in: GK-StAR, Stand November 2015, § 10 StAG Rn. 127). 30 Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass der Senat diese Rechtsprechung dahin fortentwickelt hat, dass sich die Rechtmäßigkeit des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ausländers unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes auch aus einer für einen seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis ergeben kann, wenn dem Ausländer hierdurch bei retrospektiver Betrachtung ein Zugang zu einer dauerhaften Aufenthaltsposition eröffnet worden ist (BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47). Der Senat hat dies maßgeblich darauf gestützt, dass das Aufenthaltsgesetz - im Gegensatz zum früheren Ausländergesetz - keine eine weitere aufenthaltsrechtliche Verfestigung hindernde Sperrwirkung kennt, die bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für diesen geänderten Aufenthaltszweck entgegengehalten werden könnte, so dass bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Daueraufenthalts auch Zeiten zu berücksichtigen sind, in denen der Ausländer unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes nur im Besitz einer für einen seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis war, wenn ihm auf diesem Wege ein Zugang zu einer dauerhaften Aufenthaltsposition eröffnet worden ist (BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 -1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 18). Nur insoweit kann sich die Rechtmäßigkeit eines gewöhnlichen Inlandsaufenthalts in der Rückschau auch aus einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung ergeben (BVerwG, Urteil vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 19). 31 Diese Überlegungen sind gerade nicht auf Aufenthaltstitel bzw. Aufenthaltszeiten übertragbar, die vor der Systemumstellung lagen, die durch das Aufenthaltsgesetz bewirkt worden ist. Bis zur Einbürgerung im Oktober 2010 hatte der Kläger mithin nicht für einen Zeitraum von acht Jahren einen verfestigungsoffenen Aufenthaltstitel. Dies gilt auch, soweit die nach § 28 AuslG erteilte Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums (§ 16 AufenthG) fortgalt; die Sperrwirkung des § 28 Abs. 3 AuslG ist nicht rückwirkend für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 aufgehoben worden. Der Gesetzgeber war zu einer rückwirkenden Aufhebung nicht von Verfassungs wegen verpflichtet. Die durch das Aufenthaltsgesetz für die Zukunft bewirkte Systemumstellung ist auch der sachliche Grund, der die unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltszeiten vor und nach dem 1. Januar 2005 rechtfertigt. 32 1.3 Der Kläger hat seine rechtswidrige Einbürgerung auch durch unzureichende Angaben im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG erwirkt. 33 a) Der Senat kann die Frage, ob der Kläger die Einbürgerung (zumindest) durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt hat, anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Angaben des Klägers im Einbürgerungsverfahren selbst beurteilen. An eine bewertende Feststellung des Berufungsgerichts ist der Senat hier schon deswegen nicht nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil das Berufungsgericht diese Frage ausdrücklich offengelassen hat. 34 b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger im Einbürgerungsverfahren den Umstand nicht offenbart, dass neben der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen, an welche der Einbürgerungsantrag anknüpfte, eine weitere Ehe bestand. Nach der Dauer des Inlandsaufenthalts des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung und den Umständen der Antragstellung ist offenkundig, dass die Bedeutung der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen für die privilegierte Einbürgerung nach § 9 StAG dem Kläger ebenso bewusst war wie der Umstand, dass eine weitere Ehe eine Einbürgerung hindern würde. 35 Unerheblich hierfür ist die zwischen den Beteiligten strittige Bewertung der Gestaltung des Formulars, unter dessen Nutzung der Kläger seine Einbürgerung beantragt hatte, namentlich der Umstand, dass in dem Formular jedenfalls nicht ausdrücklich nach dem Bestand einer Zweitehe gefragt worden war, und die Tatsache, dass in dem Formular lediglich zu früheren Ehen Angaben abverlangt worden waren. Denn schon bei den Angaben zu dem Ehepartner hatte der Kläger vollständige Angaben zu machen. Bei bestehender Mehrehe sind Angaben auch dann unvollständig, wenn hier Angaben (nur) zu einem Ehepartner gemacht werden. Eine Beschränkung der Felder des Formulars auf nur eine Person begrenzt offenkundig und auch für den Einbürgerungsbewerber eindeutig nicht die Obliegenheit zu Angaben in Bezug auf alle Ehepartner bestehender Ehen; diese hätten entweder in dem Formular selbst (durch Teilung der Felder) oder außerhalb des Formulars gemacht werden können. Angaben nur zu dem Ehegatten, in Bezug auf den sich für den Kläger rechtliche Vorteile ergeben konnten, unterstreichen, dass diesem bewusst war, dass Angaben zu seiner weiteren Ehepartnerin die erstrebte Einbürgerung hindern würden oder doch könnten. 36 Dass der Kläger Angaben zu seiner zweiten Ehefrau auch vorsätzlich unterlassen hat, ergibt sich zudem daraus, dass er - zutreffend - auch die Formularfrage nach früheren Ehen verneint hat, ohne die ausdrückliche Frage nach einer ""zweiten Ehe"" zum Anlass zu nehmen, Angaben zu einer bestehenden Zweitehe zu machen. Der semantische Unterschied zwischen einer Zweitehe und einer zweiten Ehe macht bei einer isolierten Betrachtung insoweit die Angaben zu früheren Ehen nicht unzutreffend oder unvollständig. Der Zusammenhang zu der Frage nach den Personalien des Ehegatten lässt aber nur den Schluss zu, dass dem Kläger die Bedeutung der Zweitehe für den Einbürgerungsvorgang und der Umstand bewusst war, dass von ihm auch ohne ausdrückliche Nachfrage vollständige Angaben zu allen bestehenden Ehen, also auch der in Syrien geschlossenen Zweitehe zu machen waren. Entgegenstehendes Vorbringen des Klägers kann nach dem Kontext nur als Schutzbehauptung gewertet werden. 37 Der Kläger konnte sich auch nicht darauf berufen, er sei davon ausgegangen, dass Angaben zu der Doppelehe deswegen unerheblich seien, weil er von einem Einbürgerungsanspruch ausgegangen sei. Dies ist bereits nach den festgestellten Umständen des Einzelfalles ausgeschlossen. Überdies war dem Kläger nach dem unbestrittenen Akteninhalt bewusst, dass ""eine Einbürgerung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur aufgrund unserer ehelichen Lebensgemeinschaft möglich ist"" (Erklärung des Klägers vom 13. Oktober 2010). 38 2. Ist mithin der Tatbestand für die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers erfüllt, hatte die Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen. Bei dieser Ermessensentscheidung ist auch ein hypothetischer Einbürgerungsanspruch im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung zu berücksichtigen (2.1). Ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG ist hier nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sich der Kläger wegen seiner Zweitehe nicht wirksam zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen kann (2.2). Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen keine abschließende Beurteilung zu, ob zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt das Lebensunterhaltssicherungserfordernis (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) erfüllt war (2.3). 39 2.1 Die Rücknahme eines rechtswidrigen Einbürgerungsbescheides ist nur dann rechtmäßig, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde ihr Ermessen fehlerfrei betätigt. Die Behörde muss in dem erkennbaren Bewusstsein, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, die für und gegen die Rücknahme der Einbürgerung streitenden Gesichtspunkte erkennen, diese sachgerecht gewichten und diese bei ihrer Entscheidung im Ergebnis frei von willkürlichen Erwägungen berücksichtigen (allgemein zu den Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensentscheidung s. - m.w.N. - Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 114 Rn. 6 ff.). 40 a) Zu den Umständen, die bei einer fehlerfreien Ermessensentscheidung nach § 35 Abs. 1 StAG von Amts wegen zu berücksichtigen sind, gehört regelmäßig (zu möglichen Ausnahmen s.o. II.1.2 a) auch ein der Rücknahmeentscheidung entgegenstehender (hypothetischer) Einbürgerungsanspruch (s. BVerwG, Urteil vom 9. September 2003 - 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <23>). 41 Bereits die Funktion der Staatsangehörigkeit, verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit zu sein (s. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <44>; Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - NJW 2007, 425 Rn. 18 und vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 28 = juris Rn. 31, gebietet die Berücksichtigung eines im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung bestehenden Einbürgerungsanspruchs (BVerwG, Urteil vom 9. September 2003 - 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <23>; s.a. OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 L 7223/94 - NdsRpfl. 1997, 85 <86>; VGH Kassel, Urteil vom 18. Mai 1998 - 12 UE 1542/98 - NVwZ-RR 1999, 274 <276>; VGH Mannheim, Urteil vom 29. November 2002 - 13 S 2039/01 - InfAuslR 2003, 205 <210>). Die Verlagerung auf ein (neuerliches) Einbürgerungsverfahren, das von dem Eingebürgerten einen entsprechenden Antrag erforderte (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 18. März 2005 - 2 A 133.04 - juris Rn. 13 ff.; s.a. Hailbronner/Hecker, in: Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Aufl. 2017, § 35 StAG Rn. 44), entspräche schon nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach nationalem Recht. Soweit sie zugleich mit dem Verlust der über die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelten Unionsbürgerschaft verbunden wäre, steht dem auch in Fällen einer durch Täuschung oder unzureichende Angaben erwirkten Einbürgerung die Beachtung des bei deren Rücknahme zu beachtenden unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​104], Rottmann -) entgegen. 42 Keine andere Beurteilung rechtfertigen mögliche Schwierigkeiten, einen solchen Einbürgerungsanspruch zeitnah zu prüfen. Die Komplexität einer Prüfung eines im Rücknahmezeitpunkt bestehenden Einbürgerungsanspruchs ist regelmäßig nicht so hoch, dass sie innerhalb der absoluten Rücknahmefrist des § 35 Abs. 3 StAG nicht bewältigt werden könnte. Die Rücknahmefrist wird zudem gewahrt, wenn die Rücknahme bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgt; die Staatsangehörigkeitsbehörde kann in (zeitlichen) Grenzfällen im Rahmen eines etwaigen Widerspruchsverfahrens oder im Verwaltungsprozess (§ 114 Satz 2 VwGO) ihre Ermessenswägungen bei nicht nichtigen Rücknahmeentscheidungen ergänzen. 43 b) Bei bestehendem Einbürgerungsanspruch ist das Ermessen der Staatsangehörigkeitsbehörde allerdings nicht stets und fallunabhängig dahin ""auf Null"" reduziert, dass von der Rücknahme abzusehen wäre. Der Eingebürgerte ist durch die Berücksichtigung eines (hypothetischen) Einbürgerungsanspruchs nicht schlechter, aber auch nicht besser zu stellen, als wenn er auf die Erwirkung der rechtswidrigen Einbürgerung durch von § 35 Abs. 1 StAG erfasste Handlungen verzichtet hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Einbürgerung ""für die Vergangenheit"" ausscheidet - allzumal bei (erst) im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung bestehendem Einbürgerungsanspruch. 44 Die Behörde darf bei ihrer Entscheidung daher auch in den Fällen, in denen nach § 35 Abs. 5 StAG eine eigenständige Ermessensentscheidung für Drittbetroffene zu treffen ist oder nach § 17 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 StAG zum Wegfall der (vermeintlich) durch Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen nach § 4 Abs. 1 StAG erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit führen kann, berücksichtigen, ob bzw. in welchem Umfange durch die Einbürgerung nach § 4 Abs. 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt worden ist. Ebenfalls in die Ermessensentscheidung einzustellen ist, dass die nach § 35 Abs. 5 StAG zu treffende, gesonderte Ermessensentscheidung ebenfalls vom Bestehen eines Einbürgerungsanspruchs des rechtswidrig Eingebürgerten bzw. dem Fortbestand der Rücknahmeentscheidung abhängt. Das Absehen von einer Rücknahmeentscheidung u.a. mit der Erwägung, damit für ein Kind den Fortbestand des durch die Vaterschaftsanerkennung bewirkten Staatsangehörigkeitserwerbs zu sichern, ist dabei nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Aufhebung der zu Nr. 2 des Rücknahmebescheides getroffenen Feststellung im gerichtlichen Verfahren nicht begehrt worden war; insoweit handelt es sich um eine vom Fortbestand der Rücknahmeentscheidung akzessorische Feststellung. 45 c) Bei der Prüfung, ob im Zeitpunkt der Rücknahme ein Einbürgerungsanspruch besteht, haben die aufenthaltsrechtlichen Wirkungen der (rechtswidrigen) Einbürgerung außer Betracht zu bleiben. Unerheblich ist daher, dass der rechtswidrig Eingebürgerte bis zur Rechtskraft der Rücknahmeentscheidung deutscher Staatsangehöriger, also nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG Ausländer ist und der für die (rechtswidrige) Einbürgerung erforderliche Aufenthaltstitel (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG) mit der Einbürgerung erloschen ist, ohne dass er mit deren Rücknahme wieder auflebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2011 - 1 C 2.10 - BVerwGE 139, 337). Veränderungen in Bezug auf die weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen, die sich nach der (rechtswidrigen) Einbürgerung ergeben haben, z.B. Straftaten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG) oder ein zurechenbares Unvermögen eigenständiger Lebensunterhaltssicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) einschließlich einer Veränderung des Kreises zu berücksichtigender unterhaltspflichtiger Familienangehöriger, sind allerdings zu berücksichtigen und können einen für die Ermessensentscheidung erheblichen (hypothetischen) Einbürgerungsanspruch ausschließen. 46 2.2 Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nicht schon deswegen fehlerfrei, weil einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG durchgreifend die Doppelehe des Klägers entgegensteht; denn diese hindert nicht ein (wirksames) Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 47 Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG hat sich ein Einbürgerungsbewerber zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. Dieses Bekenntniserfordernis steht neben der Erklärung, dass er keine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten oder sonst im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StAG sicherheitsrelevanten Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, und wird in der Sache durch den Ausschluss der Einbürgerung bei tatsächlichen Anhaltspunkten für entsprechende Bestrebungen ergänzt. Neben diesem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht für die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der ""Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"" (a); beide Begriffe sind auch nicht gleichzusetzen (b). Der Rechtsbegriff des Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist bereichsspezifisch auszulegen, hat aber als festen Begriffskern die Orientierung auf die staatliche Ordnung (c). Hiernach hindert die Zweitehe nicht ein wirksames Bekenntnis (d). Der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, die Anspruchseinbürgerung bei bestehender Mehrehe nicht zuzulassen (e.). 48 a) Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 StAG nicht die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG aufgegriffen, dass gewährleistet sein muss, dass sich der Ausländer in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Einbürgerungsanspruch sind in § 10 StAG eingehend und grundsätzlich abschließend geregelt. Deren Erfüllung stellt aus Sicht des Gesetzgebers hinreichend sicher, dass sich ein Ausländer nach achtjährigem rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt so weit in die deutsche Gesellschaft eingelebt hat, dass eine Einbürgerung gerechtfertigt ist. Ein zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ""Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"", das nach der Rechtsauffassung des Vertreters des Bundesinteresses in den Tatbestand des § 10 Abs. 1 StAG hineinzulesen sei, ist mit den ausdifferenzierten ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht in Einklang zu bringen; dies überschritte die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 83.16 - juris) und bewirkte eine unzulässige richterrechtliche Korrektur des Gesetzes. Das systematische Argument, § 10 StAG sei lediglich eine weitere Ausformung des § 9 StAG und setze daher voraus, dass dessen Tatbestandsvoraussetzungen ebenfalls erfüllt sein müssen, steht mit dem Wortlaut des § 10 StAG nicht in Einklang. § 9 Abs. 1 Halbs. 1 StAG unterstreicht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich regelt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm auch normergänzende Einbürgerungsvoraussetzungen einer anderen Norm sein sollen. 49 Eine implizite Inkorporation ist auch nach der Entstehungsgeschichte der Regelungen zur Anspruchseinbürgerung auszuschließen. Der nunmehr in § 10 StAG geregelte Einbürgerungsanspruch ist zunächst in den Vorschriften zur erleichterten Einbürgerung nach längerem Inlandsaufenthalt im Ausländergesetz enthalten gewesen (§§ 85 f. AuslG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 , geändert durch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 ). Der Sicherheitsaspekt war durch den Verweis auf den seinerzeitigen Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 1 AuslG (1990) berücksichtigt, nach dem insbesondere ausgewiesen werden konnte, wer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht. Als Einbürgerungserfordernis ist ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstmals bei der Umgestaltung der Anspruchseinbürgerung durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618) in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG eingefügt worden, durch das in § 86 Nr. 1 und 2 AuslG im Kern auch die heute in § 11 StAG geregelten Anspruchsausschlussgründe geregelt wurden. In das Staatsangehörigkeitsgesetz wurden die ausländerrechtlichen Sonderregelungen zur Einbürgerung im Wortlaut weitgehend unverändert erst mit dem Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) überführt. Nach dieser Entstehungsgeschichte gibt es für eine ungeschriebene Inkorporation des Einordnungserfordernisses des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG als Voraussetzung der Anspruchseinbürgerung keinen tragfähigen Anhaltspunkt. Eine qualitative Veränderung der Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs ist auch nicht mit der Eingliederung der bis Ende 2004 in den §§ 85 ff. AuslG geregelten und dann in §§ 10 ff. StAG übernommenen Anspruchseinbürgerung ""mit ihren speziellen Voraussetzungen"" (BT-Drs. 15/420 S. 116) verbunden gewesen; neben terminologischen und redaktionellen Anpassungen waren lediglich punktuelle Erleichterungen gewollt (BT-Drs. 15/420 S. 116). 50 b) Die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG geforderte ""Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"" ist - entgegen der Rechtsauffassung des Vertreters des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht - nicht von dem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung umfasst. Die Anforderungen und Rechtsfolgen, die im Einzelnen aus dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung folgen, ergeben sich im Detail aus dem systematischen Zusammenhang, in dem dieser Begriff verwendet wird. Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat als Rechtsbegriff allerdings einen auf die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns bezogenen Begriffskern, der aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der einfachgesetzlichen Ausformung ableitbar ist und der auch einer an den Zwecken des Staatsangehörigkeitsrechts orientierten Auslegung Grenzen zieht. 51 aa) Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Rechtsordnung verwendet diesen Begriff in unterschiedlichen Zusammenhängen und Regelungskontexten. Nach Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Der Missbrauch bestimmter Grundrechte zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung führt zu deren Verwirkung (Art. 18 Satz 1 GG). § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG macht u.a. die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, zur Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Die Zulassung zur Anwaltschaft ist u.a. zu versagen, wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft (§ 7 Nr. 6 BRAO). Im öffentlichen Dienstrecht müssen Ernennungsbewerber und Beamte/Soldaten Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten (s. etwa § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 1 BBG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, §§ 8, 37 Abs. 1 Nr. 2 SG, § 9 Nr. 2 DRiG); bei Ruhestandsbeamten gilt als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG, s.a. § 64 Abs. 1 BeamtVG, § 58 Abs. 1 SVG). Das Aufenthaltsrecht sieht die Ausweisung eines Ausländers nach Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen u.a. vor, wenn dessen Aufenthalt die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG scheidet eine Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden bei konkreten Anhaltspunkten dafür aus, dass sich der Ausländer nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Die Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG). Die politische Betätigung eines Ausländers ist zu untersagen, soweit sie die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (§ 47 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). 52 bb) Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird bei seiner Verwendung durch den Gesetzgeber indes regelmäßig vorausgesetzt, aber nicht näher ausgeführt. Er hat nicht einen in allen Rechtsgebieten und für alle Anwendungsfälle einheitlichen Bedeutungsgehalt. Die Legaldefinition in § 4 Abs. 2 BVerfSchG, die ihrerseits an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere zum Parteiverbotsrecht anknüpft (seit BVerfG, Urteile vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <12 ff.> und vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <199 ff.>; modifizierend Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 535 ff.), zählt auf, was zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählt, und nennt neben ausschließlich auf die Staatsorganisation bezogenen Grundsätzen (Buchst. a bis f) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte (Buchst. g). Sie gilt indes nicht in anderen Rechtsgebieten. Allerdings umschreibt auch Nr. 10.1.1.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums zum Staatsangehörigkeitsgesetz (VAH-BMI (Bund)) die freiheitliche demokratische Grundordnung, zu denen sich ein Einbürgerungsbewerber zu bekennen hat, im Einklang mit Rechtsprechung und Literatur (s. Berlit, in: GK-StAR, Stand Oktober 2014, § 11 StAG Rn. 108 ff.) in Anschluss an diese gesetzliche Regelung. Die Aufzählung der Verfassungsgrundsätze in § 92 Abs. 2 StGB, die strafrechtlich gegen Beeinträchtigung oder Abschaffung geschützt sind, etwa beschränkt sich auf die direkt auf den Staat bezogenen Grundsätze und nennt nicht die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. 53 cc) Der Begriffskern, der sich bereits nach Vorstehendem ergibt, nimmt die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns in den Blick, nicht das (gesellschaftliche) Verhalten des Einbürgerungsbewerbers (s.a. nachfolgend c). Er begrenzt die Möglichkeiten der Auslegung und schließt aus, ihn mit aus übergeordneten Zwecksetzungen eines Regelungswerkes hergeleiteten Inhalten zu füllen, die von dem Begriffskern nicht umfasst sind, ohne im Wortlaut einen hinreichenden Anhaltspunkt zu haben. Damit unvereinbar ist eine Auslegung, nach der eine der ""Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse"" im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG gleichartige Bindung des Individuums in seinem Verhalten besteht. 54 c) Begriff und Konzept der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind primär auf die staatliche Ordnung, deren Organisation und Handlungsgrenzen bezogen, und zwar auch, soweit sie die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte umfasst. 55 aa) Bereits der Begriff der ""freiheitlichen demokratischen Grundordnung"" ist nicht auf das individuelle Verhalten des einzelnen Menschen bezogen. Er nimmt grundlegende Prinzipien vorrangig der Staatsordnung und den Bereich der Gesellschaft allenfalls in dem Sinne nachrangig in den Blick, als diese als Teil einer auf Freiheit gründenden Ordnung gesehen wird. Mit dem Begriff der ""Grundordnung"" werden zudem nicht alle Elemente einer solchen Staatsordnung in den Blick genommen, sondern allein die grundlegenden Prinzipien (""Bausteine"") einer solchen Ordnung. 56 Dass es im Kern um die Konstruktionsprinzipien einer freiheitlichen Staatsordnung, die auf demokratischen Grundsätzen beruht und die Menschwürde und Freiheit ihrer Bürger wahrt und achtet, und letztlich um die Bewältigung dieser möglicherweise drohender Gefahren geht, unterstreicht auch die systematische Koppelung an die in Bezug auf sicherheitsgefährdende Bestrebungen abzugebende Erklärung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StAG) und den Ausschlussgrund des § 11 StAG. Als Rechtsbegriff steht die freiheitliche demokratische Grundordnung in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der ""wehrhaften Demokratie"", als dessen Synonym er verwendet wird (dazu die Beiträge in: Thiel , Wehrhafte Demokratie. Beiträge über die Regelungen zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, 2003). 57 Dass der Einbürgerungsbewerber durch seine Loyalitätserklärung seine innere Hinwendung zur Bundesrepublik Deutschland dokumentiert (BT-Drs. 14/533 S. 18), bestätigt, dass diese ""innere Hinwendung"" bezogen ist auf die Bundesrepublik Deutschland als Staat (bzw. politisch verfasste Gemeinschaft) und dessen konstitutiven Merkmale, nicht hingegen auf die gesamte Verfassungsordnung. Die Verpflichtung auf die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte hat nach der Kernfunktion der Grundrechte, Abwehrrechte gegen den Staat zu sein, als Bezugspunkt die staatliche Ordnung, nicht das individuelle Handeln des grundrechtsgeschützten Individuums. Bindungen der staatlichen Ordnung begründen auch die objektiven Grundrechtsgehalte (dazu knapp Sachs, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, vor Art. 1 Rn. 27 ff.), etwa die Einrichtungsgarantien und die Schutzpflichten, welche die Integrität der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter über das abwehrrechtliche Verbot unmittelbarer staatlicher Eingriffe dadurch zur Geltung bringen, dass sich der Staat schützend und fördernd vor das Grundrecht stellt, es vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer bewahrt oder die Bedingungen der Möglichkeit seiner Entfaltung schafft (dazu knapp Sachs, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, vor Art. 1 Rn. 35 ff.). Soweit die Grundrechte eine objektive Werteordnung bilden, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gibt (stRspr, seit BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <205>), bleibt dies bezogen auf die staatliche Gewalt (s.a. Di Fabio, JZ 2004, 1; Dreier, Dimensionen der Grundrechte. Von der Wertordnungsjudikatur zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten, 1993). Diese objektive Werteordnung bewirkt keine den Einzelnen unmittelbar verpflichtende Pflichtenordnung oder ein Gebot, die individuelle Lebensführung hieran auszurichten. 58 bb) Die Achtung einer derartig konstituierten freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfordert indes, dass der Einzelne - und auch der Einbürgerungsbewerber - die Befugnis des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zur Rechtsetzung vorbehaltlos akzeptiert, und zwar auch dann, wenn das staatliche Recht in Widerspruch zu (vermeintlichen oder tatsächlichen) religiösen Geboten steht. Die freiheitliche demokratische Grundordnung umfasst auch die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, der die Religionsfreiheit seiner Bürger achtet und schützt, aber auf religiöse Legitimation verzichtet (eingehend Dreier, Staat ohne Gott, 2018, S. 8 ff., passim). Der religiös-weltanschaulich neutrale Staat schafft durch Recht den Rahmen, in dem sich gesellschaftliches Leben und auch individuelle Religionsbetätigung entfaltet. Diese Ordnungsfunktion der freiheitlichen demokratischen Ordnung kann nur dann wirksam werden, wenn der Primat staatlich gesetzten Rechts vor religiösen Geboten auch im Falle eines Konflikts uneingeschränkt bejaht wird. Dies erfordert insoweit mehr als einen bloßen ""Legalgehorsam"" unter Beachtung insbesondere des Strafrechts, als es auch in Bezug auf solche Regelungen gilt, die der Staat zum Schutz der Freiheitsbetätigung seiner Bürger und ihres gleichen Ranges und Würde, etwa der Gleichberechtigung der Geschlechter oder des Schutzes individuell freier Willensbetätigung, geschaffen hat. 59 cc) Innerhalb des so gezogenen Rahmens schützt die freiheitliche demokratische Grundordnung indes die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, also die Summe formell und materiell verfassungsmäßiger Rechtssätze, oder das Sittengesetz, verstanden als ethische Normen von solcher Fundamentalität, dass sie dem staatlichen Recht als unverfügbare überpositive Normen vorgegeben sind (Sachs, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 96), verstößt. 60 d) Nach diesen Grundsätzen steht die vom Kläger in Syrien geschlossene Zweitehe einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entgegen. 61 aa) Der Kläger hat allerdings die Einehe als wesentliches Institut der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehe nicht beachtet. Insoweit wird er indes unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG auch nicht gebunden; Art. 6 Abs. 1 GG enthält insbesondere keine grundrechtsunmittelbare Grundpflicht, auf eine Zweit- oder Doppelehe zu verzichten. Er hat diese Zweitehe nach in Syrien geltendem Recht wirksam geschlossen und auch nicht gegen die zum Schutz der Einehe geschaffene Strafnorm des § 172 StGB verstoßen. Diese Zweitehe bedeutete selbst bei einem auf Freiwilligkeit gründenden polygamen Zusammenleben im Bundesgebiet keinen Sittenverstoß (BVerwG, Urteil vom 30. April 1985 - 1 C 33.81 - BVerwGE 71, 228 <230 f.>). Die Ehe wird - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat (UA S. 23 ff.) - im Rahmen des ordre public als im Bundesgebiet wirksam anerkannt (s.a. Coster/Coester-Waltjen, FamRZ 2016, 1618 <1624 f.>). Kinder aus einer solchen Ehe werden als eheliche Kinder betrachtet (BVerwG, Urteil vom 30. April 1985 - 1 C 33.81 - BVerwGE 71, 228 <231 f.>) und genießen jedenfalls den Familienschutz aus Art. 6 Abs. 1 GG (von Coelln, in: Sachs , GG, 8. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 7). Insoweit hat der Kläger das in Deutschland geltende Recht beachtet. Die Ausnutzung etwaiger Lücken im rechtlichen Schutz des Prinzips der Einehe als solche ist kein Handeln, das auf eine Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im vorbezeichneten Sinne schließen lässt. 62 bb) Eine Zweit- oder Mehrfachehe ist namentlich dann, wenn sie nur dem Mann erlaubt ist, Ausdruck eines vormodernen, die Gleichberechtigung der Geschlechter missachtenden Ehemodells. Gerade dies rechtfertigt und gebietet dem Gesetzgeber des Grundgesetzes, auch jenseits der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden institutionellen Garantie an dem Verbot der Mehrehe festzuhalten. Die Schließung einer Zweitehe in dem rechtlich möglichen Umfang stellt indes nicht die Befugnis des Gesetzgebers zum Verbot der Mehrehe und zum Schutz der Einehe grundsätzlich infrage. Allein im Abschluss einer Zweitehe liegt keine Handlung, die darauf zielt, dieses Verbot grundlegend infrage zu stellen, oder die auf dessen Aufhebung gerichtet ist; dies folgt auch nicht aus dem Aufmerksamkeitswert, der bei Bekanntwerden einer solchen Zweitehe entstehen mag, und einem damit etwa verbundenen Demonstrativcharakter. Zunächst einmal ist eine - allzumal im Ausland - geschlossene Zweitehe dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen. 63 cc) Mit dem Abschluss einer Zweitehe hat sich der Kläger für ein unserer Rechtsordnung prinzipiell fremdes, die Rechte von Frauen missachtendes Ehemodell entschieden. Nicht zu vertiefen ist, ob dies für das islamische Eherecht insgesamt (dazu Daghles, Die Kompatibilität islamischer Staatsauffassungen mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung, 2010, S. 149; Scholz, StAZ 2002, 321; Yassari, FamRZ 2011, 1) oder die von dem Kläger konkret geführten Ehen gilt. Das deutsche Recht eröffnet in Fällen, in denen eine Zweitehe ungeachtet des Eheverbots des § 1306 BGB bei bestehender Ehe geschlossen worden ist, nach § 1314 Abs. 1 BGB eine Aufhebungsmöglichkeit; antragsberechtigt sind neben der zuständigen Verwaltungsbehörde, die von diesem Recht hier keinen Gebrauch gemacht hat, in den Fällen des § 1306 BGB auch die dritte Person - also die erste Ehefrau (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Diese Regelungen unterstreichen, dass eine Zweit- oder Mehrfachehe nicht ipso jure nichtig ist. Sie zielen darauf, der Beeinträchtigung der Rechte von Ehepartnern nach deutschem Eheverständnis ausgeschlossener Zweit- oder Mehrfachehen entgegenzuwirken und lassen im deutschen Rechtsraum Raum für eine Durchsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes. 64 Die Ausgestaltung als antragsabhängiges Aufhebungsrecht verlagert allerdings die Aufhebungsverantwortung bei der nach islamischem Rechtsverständnis allein dem Mann eröffneten Mehrehe auf die Ehefrauen und überlässt ihnen die Entscheidung, ob und wann sie insoweit tätig werden wollen. Dies kann insbesondere in Fällen problematisch sein, in denen diese Ehegatten selbst traditionalistischen Rollenverständnissen verhaftet oder sonst nicht in der Lage sind, die ihnen durch den deutschen Gesetzgeber eröffneten Rechte auch wahrzunehmen. Diese tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtswahrnehmung kann der Gesetzgeber als solche indes nicht beeinflussen; die Antragsbefugnis auch der Verwaltungsbehörde bietet hier normativ zusätzlich Schutz. 65 Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dieses antragsgebundene Aufhebungsrecht grundsätzlich in Abrede stellte oder er einen antragsberechtigten Ehegatten in unzulässiger Weise von der Wahrnehmung dieses Rechts abgehalten hätte, sind hier weder tatrichterlich festgestellt noch vorgetragen oder sonst ersichtlich. 66 dd) Einen Verstoß gegen das Sittengesetz im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG oder gegen die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) als Ausgangspunkt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit umfasst (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 538 f.), ist wegen der begrenzten Anerkennung einer im Ausland wirksam geschlossenen Zweitehe auch im Bundesgebiet, der Möglichkeit ihres Schutzes durch Art. 6 Abs. 1 GG selbst sowie der Aufhebungsmöglichkeit nach den §§ 1306, 1314 Abs. 1 und § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB, die auch den potentiell in ihrer personalen Identität bedrohten Ehepartnern zusteht, im Ergebnis ebenfalls auszuschließen. 67 e) De lege lata steht mithin das nicht strafbare, rechtswirksame Eingehen einer Zweit- oder Mehrfachehe im Ausland der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht deswegen entgegen, weil es ein wirksames Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausschließt. Der Gesetzgeber hat indes bei der Ausgestaltung der Einbürgerungsvoraussetzungen völker- und verfassungsrechtlich einen weiten Gestaltungsspielraum. De lege ferenda steht es ihm frei, den Einbürgerungsanspruch von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen und diesen insbesondere bei bestehender Mehrehe auszuschließen. Dies kann er etwa durch die Ergänzung der Einbürgerungsvoraussetzungen um das Erfordernis der Gewährleistung des Sich-Einordnens in die deutschen Lebensverhältnisse oder die Schaffung eines Anspruchsausschlussgrunds regeln, der ausdrücklich auch auf Fälle einer Missachtung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau erstreckt werden kann. 68 3. Der Senat kann mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Klägers nicht feststellen, ob dem Kläger im Zeitpunkt der Rücknahme ein Einbürgerungsanspruch zustand, der bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme zu berücksichtigen war, oder ob einem solchen Anspruch das Lebensunterhaltssicherungserfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG entgegenstand. Nur bei bestehendem Einbürgerungsanspruch wirkte sich der Umstand aus, dass die Beklagten diesen fehlerhaft schon wegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verneint und insoweit einen Ermessensfehler begangen hat. 69 a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfordert eine Einbürgerung, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat. Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Einbürgerung (2010) auch die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt habe (UA S. 13). Es fehlen indes tragfähige Feststellungen zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. In dem Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 7. März 2014 wurde als fraglich bezeichnet, ""ob die weiteren, insbesondere wirtschaftlichen Einbürgerungsvoraussetzungen vorliegen und er den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nachhaltig sichern kann"". 70 Bei seinen ergänzenden Feststellungen wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass neben der bereits im Bundesgebiet lebenden, aus der Zweitehe hervorgegangenen Tochter auch die in Syrien geehelichte Ma. in den Blick zu nehmen ist, wenn und weil bei der im Zeitpunkt der Rücknahme vorzunehmenden prognostischen Betrachtung damit zu rechnen war, dass sie in einem überschaubaren Zeitraum im Bundesgebiet leben werde und von dem Kläger zu unterstützen sei (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 1 C 23.14 - BVerwGE 152, 156 Rn. 23; s.a. Berlit, in: GK-StAR, Stand November 2015, § 10 StAG Rn. 240 f.). 71 b) Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil feststünde, dass die Rücknahme der Einbürgerung hier mit Unionsrecht unvereinbar wäre. Dies ist nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 2. März 2010 - C-135/08 -) verstößt es nicht gegen das Unionsrecht, wenn ein Mitgliedstaat einem Unionsbürger die durch Einbürgerung erworbene Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats wieder entzieht, falls die Einbürgerung durch Täuschung erschlichen wurde, vorausgesetzt, dass die Rücknahmeentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt; dabei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zu der Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen (ebd., Rn. 56). Für eine Verletzung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jedenfalls dann nichts ersichtlich, wenn zugunsten des Klägers im Rücknahmezeitpunkt kein Einbürgerungsanspruch bestand, zumal der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht aufgegeben hatte, er mithin durch die Rücknahme der durch unzureichende Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung nicht staatenlos würde, und nach Maßgabe der §§ 27 ff., 38 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu prüfen ist, mithin eine aufenthaltsrechtlich erzwungene Trennung von seiner Familie und insbesondere von seiner Ehefrau und Kindern deutscher Staatsangehörigkeit nicht vorgezeichnet ist. 72 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2018-37,31.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 37/2018 vom 31.05.2018 EN Vorgaben zur Entgeltberechnung kein zulässiger Regelungsgegenstand einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung Die Bundesnetzagentur ist nicht befugt, in einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung, mit der sie die Entgelte für Zugangsleistungen eines marktbeherrschenden Unternehmens der Genehmigungspflicht unterwirft, zugleich Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung mit bindender Wirkung für nachfolgende Entgeltgenehmigungsverfahren festzulegen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin verfügt auf den Märkten für den Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz und die Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten über beträchtliche Marktmacht. Mit einer Regulierungsverfügung erlegte die Bundesnetzagentur der Klägerin Zugangspflichten auf. Die Entgelte für die Zugangsgewährung wurden der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen. Ferner enthielt die Regulierungsverfügung die Regelung, dass die Entgelte auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 TKG genehmigt werden, abweichend davon jedoch bei der Genehmigung von Entgelten für Terminierungsleistungen teilweise nach der in der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission empfohlenen Weise vorzugehen ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Regelung aufgehoben und die gegen die Regulierungsverfügung gerichtete Klage im Übrigen abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Anders als die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht (§ 30 Abs. 1 Satz 1 TKG) können verbindliche Regelungen, die Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung zum Gegenstand haben, nicht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG als der für Regulierungsverfügungen einschlägigen Rechtsgrundlage gestützt werden. Sie betreffen nicht die Auferlegung von Verpflichtungen gegenüber dem regulierten Unternehmen, sondern Vorgehensweisen und Entscheidungen der Bundesnetzagentur, die als Bestandteile der nachfolgenden Entgeltgenehmigungsverfahren ihre rechtliche Grundlage in den §§ 31 ff. TKG haben. Die die Entgeltregulierung nach dem Telekommunikationsgesetz prägende Verfahrensstufung zwischen der Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht und dem anschließendem Entgeltgenehmigungsverfahren ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Die die Entgeltberechnung betreffenden Regelungen in der angefochtenen Regulierungsverfügung sind überdies auch deshalb rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur sie nicht zum Gegenstand einer isolierten Teilentscheidung machen durfte. Bei bestimmten methodischen Vorfragen im Rahmen der Ermittlung der genehmigungsfähigen Entgelte einschließlich der - wie hier - nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG zu treffenden Entscheidung, ob andere Vorgehensweisen besser als das in § 31 Abs. 1 TKG genannte Einzelgenehmigungs- oder Price-Cap-Verfahren am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zur Erreichung der Regulierungsziele geeignet sind, verfügt die Bundesnetzagentur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben über punktuelle Beurteilungsspielräume. Die damit regelmäßig erforderliche Abwägung setzt im Hinblick auf die widerstreitenden Regulierungsziele (§ 2 TKG) grundsätzlich voraus, dass zumindest annäherungsweise auch die Entgelthöhe ermittelt wird, die sich bei Anwendung der in Betracht kommenden Alternativen voraussichtlich ergibt. Dies ist jedoch nur im Rahmen eines konkreten Entgeltgenehmigungsverfahrens möglich. BVerwG 6 C 4.17 - Urteil vom 30. Mai 2018 Vorinstanz: VG Köln, 21 K 5914/13 - Urteil vom 21. Dezember 2016 -","Urteil vom 30.05.2018 - BVerwG 6 C 4.17ECLI:DE:BVerwG:2018:300518U6C4.17.0 EN Vorgaben zur Entgeltberechnung kein zulässiger Regelungsgegenstand einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung Leitsätze: 1. Die Bundesnetzagentur ist nicht befugt, in einer auf § 13 TKG gestützten Regulierungsverfügung, mit der sie die Entgelte für Zugangsleistungen eines marktbeherrschenden Unternehmens gemäß § 30 TKG der Genehmigungspflicht nach Maßgabe des § 31 TKG unterwirft, zugleich Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung mit bindender Wirkung für nachfolgende Entgeltgenehmigungsverfahren festzulegen. 2. In Bezug auf die Auslegung des in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG genannten Tatbestandsmerkmals der besseren Eignung zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 TKG als Voraussetzung für die Auswahl einer von § 31 Abs. 1 TKG abweichenden Vorgehensweise bei der Genehmigung von Entgelten steht der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zu. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4 TKG § 2 Abs. 2 und 3, § 9 Abs. 2, §§ 10, 11, 12, 13, 21, 23, 28, 30, 31, 32, 33, 35 Abs. 3 und 5, §§ 38, 132 AEUV Art. 267, 288 Abs. 3 Richtlinie 2002/19/EG Art. 8, 13 Richtlinie 2002/21/EG Art. 6, 7, 16 Instanzenzug VG Köln - 21.12.2016 - AZ: VG 21 K 5914/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.05.2018 - 6 C 4.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:300518U6C4.17.0] Urteil BVerwG 6 C 4.17 VG Köln - 21.12.2016 - AZ: VG 21 K 5914/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Eine Marktanalyse der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur gelangte zuletzt im August 2012 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin auf den Märkten für den Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz und die Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten (Märkte Nr. 2 und 3 der Empfehlung 2007/879/EG) im Sinne des § 11 TKG über beträchtliche Marktmacht verfügt. Auf dieser Grundlage erließ die Beklagte mit Beschluss vom 30. August 2013 rückwirkend zum 1. Dezember 2012 eine Regulierungsverfügung. In Ziffer 1. des Beschlusses wird die Klägerin unter anderem verpflichtet, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten zu ermöglichen (1.1.), über die Zusammenschaltung Verbindungsleistungen zu erbringen (1.2.), zum Zweck des Zugangs Kollokation zu gewähren (1.3.), in diesem Rahmen Kooperationsmöglichkeiten zuzulassen (1.4.), andere Unternehmen nicht zu diskriminieren (1.5.), Zugangsverträge vorzulegen (1.6.) sowie ein Standardangebot zu veröffentlichen (1.7.). Ziffer 2. Satz 1 der Regulierungsverfügung bestimmt, dass die Entgelte für die Gewährung der Zugänge nach Ziffern 1.1. bis 1.4. der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen bleiben bzw. werden. 2 Ziffer 2. Sätze 2 bis 4 der Regulierungsverfügung haben folgenden Wortlaut: ""Die Entgelte werden auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 TKG genehmigt. Abweichend davon ist bei der Genehmigung von Entgelten für Terminierungsleistungen nach der in der Empfehlung der Kommission vom 07.05.2009 über die Regulierung der Festnetz- und Mobilfunk-Zustellungsentgelte in der EU (2009/396/EG), veröffentlicht im ABI. EU 2009 Nr. L 124, S. 67, empfohlenen Weise vorzugehen. Der Grundsatz, dass das relevante Inkrement zur Bestimmung der leistungsmengeninduzierten Gemeinkosten sämtliche über das fragliche Netz erbrachten Verbindungsleistungen umfasst und diese Kosten nutzungsanteilig verteilt werden, und dass im Übrigen ein angemessener Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten berücksichtigt wird, wird auch im Fall von Satz 3 beibehalten."" 3 Zur Begründung führte die Bundesnetzagentur u.a. aus, für die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung der Terminierungsleistungen sei eine andere Methode der Entgeltgenehmigung besser als die bisherige Vorgehensweise geeignet, um die Regulierungsziele nach § 2 TKG zu erreichen. Die Terminierungsempfehlung sehe vor, dass bei der Ermittlung der Terminierungsentgelte für den Kernteil des Festnetzes von einem Netz der nächsten Generation (NGN - Next Generation Network) ausgegangen werde. Dies bedeute, dass die Kosten der Terminierungsleistung zwischen dem Übergabepunkt und dem Beginn des Anschlussnetzes auf Grundlage eines modernen Internet Protocol (IP)-basierten Netzes zu ermitteln seien. Dagegen seien die Kosten der Übergabe bzw. des Übergabepunktes auf Grundlage der tatsächlich verwendeten Technik zu ermitteln. Hinsichtlich des Kernnetzes könne nicht mehr auf eine kalkulatorische Abschreibung auf Basis eines leitungsvermittelten Netzes (PSTN - Public Switched Telephone Network) abgestellt werden. Damit die Terminierungsentgelte der Klägerin und der alternativen Teilnehmernetzbetreiber dieselbe Höhe hätten, müssten sie sich an den Kosten eines effizienten Netzbetreibers orientieren. Ein Neuausbau eines Teilnehmernetzes auf Basis des PSTN wäre nicht mehr effizient. Der parallele Betrieb mit dem NGN beruhe nur darauf, dass das PSTN noch vorhanden und funktionsfähig sei. Im Hinblick auf den Rückgang der PSTN-Anschlüsse, der sich voraussichtlich fortsetzen werde, sei es nicht mehr erforderlich, noch anteilig Kosten eines auf Basis eines PSTN kalkulierten Netzes zu berücksichtigen, sofern es sich nicht um neutralen Aufwand der Klägerin gemäß § 32 Abs. 2 TKG handele. Alle Regulierungsziele sprächen im Ergebnis für bzw. nicht gegen eine Kalkulation auf Basis eines NGN. Drastische Entgeltabsenkungen seien nicht zu befürchten. Zum einen werde die Kalkulation auf Basis von NGN nur für die Terminierungsleistungen und hier nur für das Kernnetz auferlegt. Die Ermittlung der Kosten der Übergabe richte sich nach der tatsächlich verwendeten Technologie und könne darum auch PSTN-Technologie berücksichtigen. Zum anderen könnten Kosten für den Weiterbetrieb des PSTN unter dem Gesichtspunkt der neutralen Aufwendungen nach § 32 Abs. 2 TKG berücksichtigt werden. 4 Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch beantragt, die Regulierungsverfügung der Beklagten vom 30. August 2013 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die Verfügung rechtswidrig ist beziehungsweise gewesen ist. Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 21. Dezember 2016 Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: 5 Soweit die Klage auf eine Aufhebung der Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung gerichtet sei, sei sie zulässig und begründet. Ein Rechtsschutzbedürfnis liege vor, weil die Regelungen auf eine Bindungswirkung für die nachgelagerten Entgeltgenehmigungsverfahren zielten. Die Klägerin habe jedenfalls gegen eine der Entgeltgenehmigungen, mit der die Vorgaben aus Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung umgesetzt worden seien, Klage erhoben, deren Erfolgsaussichten sie - gegebenenfalls nach Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage - mit einem Erfolg der vorliegenden Klage verbessern könne. 6 Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung seien bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, da die geregelten Fragen allein im Entgeltgenehmigungsverfahren hätten geregelt werden dürfen. Der Erlass verbindlicher Regelungen in Regulierungsverfügungen zu Fragen des § 31 TKG könne nicht auf § 13 TKG gestützt werden. Wegen des insoweit entgegenstehenden Fachrechts scheide auch das allgemeine Verfahrensermessen als Grundlage für eine derart gestufte Entscheidung aus. Soweit die von der Verweisung in § 13 TKG erfasste Norm des § 30 TKG ihrerseits auf § 31 TKG verweise, komme damit nur zum Ausdruck, dass die Entgelte für die nach § 21 TKG auferlegten Zugangsleistungen der ex-ante-Regulierung nach § 31 TKG unterworfen werden sollten. Die Unterschiede zwischen den Verfahren auf Erlass einer Regulierungsverfügung und auf Erteilung einer Entgeltgenehmigung im Hinblick auf Antragsgebundenheit, Entscheidungsfristen oder zeitliche Geltung stünden einer Vermischung beider Verfahrenstypen entgegen. Selbst wenn aus § 13 TKG kein Verbot des Erlasses verbindlicher Regelungen in Regulierungsverfügungen zu Entgeltfragen nach § 31 TKG abgeleitet werden könnte, hätten die Regelungen zu Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung nicht erlassen werden dürfen, da es an einer einheitlichen Ausübung des der Beklagten bei Erlass der Regulierungsverfügung im Rahmen des § 31 TKG zur Verfügung stehenden einheitlichen und umfassenden Regulierungsermessens bezüglich seiner wesentlichen Bestandteile fehle. Denn der Regelung, dass bei der Genehmigung der Terminierungsentgelte von einem Kostenmodell auszugehen sei, das hinsichtlich des Kernteils des Festnetzes der Klägerin auf ein NGN zu beziehen sei, liege die Annahme zugrunde, dass dies aus Anbietersicht deswegen hinnehmbar sei, weil im Rahmen der Entgeltgenehmigung die Kosten des PSTN-Netzes der Klägerin durch eine Anwendung von § 32 Abs. 2 TKG berücksichtigt werden könnten. Werde die entsprechende Regelung in der Entgeltgenehmigung aufgehoben, werde inhaltlich Zusammengehöriges auseinandergerissen, weil für das Kernnetz der Klägerin der Kostenbezug auf ein NGN-Netz feststünde, ohne dass ihr PSTN-Netz im Rahmen von § 32 Abs. 2 TKG berücksichtigt würde. 7 Unionsrecht stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie erfordere nicht, dass das Entgeltgenehmigungsverfahren oder dessen Teile bereits im Rahmen der Regulierungsverfügung durchgeführt werden müssten, um die Durchführung eines Konsolidierungsverfahrens zu gewährleisten. Aus der Unzulässigkeit der Vorstrukturierung des der Bundesnetzagentur nach Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie zustehenden Regulierungsermessens durch den nationalen Gesetzgeber folge nicht, dass dem nationalen Gesetzgeber im Bereich des Art. 13 der Zugangsrichtlinie auch die Regelung von Verfahrensfragen versagt sei. Jedenfalls hätten die Regelungen zu Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung auch nach dem Unionsrecht nicht erlassen werden dürfen, weil das der Beklagten nach Art. 13 der Zugangsrichtlinie zustehende einheitliche und umfassende Regulierungsermessen nicht aufgespalten werden dürfe. 8 Ziffer 2. Satz 3 der Regulierungsverfügung sei auch aus materiellen Gründen rechtswidrig. Bei der Entscheidung nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG stehe der Beklagten Regulierungsermessen sowohl hinsichtlich der Frage zu, ob andere Vorgehensweisen besser als die in Absatz 1 genannten Vorgehensweisen geeignet seien, die Regulierungsziele nach § 2 TKG zu erreichen, als auch hinsichtlich der Frage, welche Vorgehensweisen dies seien. Ihr Regulierungsermessen, bei dem es sich im Sinne der deutschen Rechtsterminologie um einen Beurteilungsspielraum handele, habe die Beklagte fehlerhaft ausgeübt, soweit sie festgelegt habe, dass hinsichtlich der Terminierungskosten für das Kostenrechnungsmodell für den Kernteil des Festnetzes der Klägerin von einem NGN ausgegangen werden solle. Es lägen mehrere Abwägungsfehler vor. Zum einen habe die Beklagte unzutreffend angenommen, dass bei der Ermittlung der Kosten des Kernnetzes der Klägerin deshalb von einem NGN-Netz auszugehen sei, weil dies von Ziffer 4. der Terminierungsempfehlung vorgegeben werde. Zudem habe sie nicht in die Abwägung eingestellt, dass es neben den beiden Alternativen, das Kostenrechnungsmodell für die Terminierungsentgelte bezüglich der Kernteile des Festnetzes der Klägerin entweder auf ein PSTN-Netz oder ein NGN-Netz zu beziehen, auch die Möglichkeit gegeben habe, beide Ansätze zu kombinieren und darauf abzustellen, zu welchen Anteilen das PSTN-Netz bzw. NGN-Netz tatsächlich genutzt werde bzw. welche Nutzungsanteile für den Geltungszeitraum der Regulierungsverfügung zu erwarten seien. Schließlich habe die Beklagte das durch Art. 12 und 14 GG geschützte Interesse der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt, die zu genehmigenden Entgelte anhand eines tatsächlich vorhandenen Netzes zu bestimmen. Solle die reale Leistungsbereitstellung eines gesamten Netzes durch eine Leistungsbereitstellung durch ein anderes Netz ersetzt werden, müssten sich die regulatorischen Erwägungen auch dazu verhalten, weshalb schützenswerte Belange des betroffenen Unternehmens zurückzutreten hätten und ob für dieses ein anderes Netz mit Blick auf den zugrunde liegenden Regulierungszeitraum tatsächlich bzw. wirtschaftlich überhaupt realisierbar gewesen wäre. Daran fehle es. 9 Die Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung verletzten die Klägerin in ihren eigenen Rechten, da sie Bindungswirkung für die nachfolgenden Entgeltgenehmigungen hätten, die ihrerseits - soweit sie rechtswidrig seien - wegen ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung die Klägerin in ihren Rechten verletzten. Diese Regelungen könnten nur einheitlich aufgehoben werden. Soweit sie sich gegen die anderen Regelungen der Regulierungsverfügung richte, sei die Klage demgegenüber teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. 10 Mit der Revision begehrt die Beklagte, die Klage auch insoweit abzuweisen, als Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung der Beklagten vom 30. August 2013 aufgehoben werden. Sie macht geltend, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Sie sei darüber hinaus auch unbegründet. Rechtsgrundlage für die Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung sei § 13 i.V.m. § 30 TKG. Dem Gesetzeswortlaut lasse sich nicht entnehmen, dass sich die Verweisung auf § 30 TKG in § 13 TKG inhaltlich darin erschöpfe, für die nach § 21 TKG auferlegten Zugangsleistungen eine ex-ante-Regulierung nach § 31 TKG zu statuieren, andere Fragen der Entgeltregulierung davon aber ausgenommen sein sollten. Dass § 13 TKG nicht ausdrücklich auf § 31 TKG verweise, erkläre sich aus der Gesetzeshistorie. In seiner früheren Fassung habe § 31 TKG noch eine unmittelbare Verknüpfung zwischen Entgeltgenehmigungspflicht und dem materiellen Maßstab der Kosten der effizienten Leistungskontrolle vorgesehen. Die Abwägung über den Kostenmaßstab sei dementsprechend ein wesentlicher Bestandteil der Auswahlentscheidung nach § 13 TKG gewesen. Seit 2012 sehe § 31 TKG eine Wahlmöglichkeit der Beklagten in Bezug auf den materiellen Kostenmaßstab für die Genehmigung vor, während § 13 und § 30 TKG nicht verändert worden seien. Die Gesetzesmaterialien gäben keinen Hinweis darauf, dass damit die Entscheidung über den Kostenmaßstab nicht mehr im Rahmen der Regulierungsverfügung, sondern erst im Rahmen der Genehmigung zu treffen sei. Die Frage der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Genehmigungspflicht könne ohne die Kenntnis des Genehmigungsmaßstabes nicht beantwortet werden. Sei für die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG zu treffende Entscheidung über die Entgeltregulierungsform zwingend eine Abwägung über den Entgeltregulierungsmaßstab erforderlich, wäre es unverständlich, wenn diese Abwägung nicht in einer Entscheidung über den Kostenmaßstab münden würde. Festlegungen zum Verfahren seien erst möglich, wenn die Fragen zum anzustrebenden Preisniveau sowie zu den Maßstäben und Methoden beantwortet worden seien. Eine Verlagerung der Entscheidung über den Kostenmaßstab in das Entgeltgenehmigungsverfahren wäre auch unverhältnismäßig zu Lasten des regulierten Unternehmens. Denn dieses müsste gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 TKG mit dem Entgeltantrag in jedem Fall Kostenunterlagen vorlegen, die eine Genehmigung auf Grundlage der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ermöglichen würden, selbst wenn mit der Genehmigung ein anderer Maßstab festgelegt würde. 11 Die Beklagte habe ihr Regulierungsermessen fehlerfrei ausgeübt. Dass die Terminierungsempfehlung ein NGN-Netz als Kern eines Kostenmodells vorgebe, folge aus dem Sinn und Zweck der Empfehlung. Der Ansatz einer Kombination der Bezüge auf ein PSTN-Netz bzw. auf ein NGN-Netz sei in die Abwägung eingestellt, jedoch wegen mangelnder Effizienz verworfen worden. Würde tatsächlich Wettbewerb herrschen, könnte die Klägerin keine Kosten für den Betrieb eines technisch überholten und auch aus eigener Sicht ineffizienten Netzes geltend machen. Für weitergehende Ermittlungen oder Abwägungen zu diesem Aspekt habe kein Anlass bestanden. Schließlich habe sich die Beklagte im Rahmen der Abwägung zur Kalkulationsbasis auch mit den Anbieterinteressen der Klägerin und insbesondere mit dem Belang auseinandergesetzt, die Entgelte anhand des tatsächlich bei der Klägerin vorhandenen Netzes zu ermitteln. 12 Die Klägerin verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. II 13 Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Soweit das Verwaltungsgericht Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung der Beklagten vom 30. August 2013 aufgehoben hat, beruht das angefochtene Urteil nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Maßgeblich sind insoweit die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zum Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusses der Bundesnetzagentur zuletzt durch das Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden war. 14 1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Zulässigkeit der Klage bejaht, soweit mit ihr die Aufhebung der Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung begehrt wird. 15 Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) folgt bereits daraus, dass die Klägerin Adressatin der angefochtenen Regulierungsverfügung ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Juli 2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 16 und vom 5. Mai 2014 - 6 B 46.13 - Buchholz 442.066 § 25 TKG Nr. 2 Rn. 17). Entgegen der Ansicht der Revision besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Dieses fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Im Zweifel ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 6 C 3.13 - BVerwGE 149, 94 Rn. 15). Es ist nicht offensichtlich, dass die Klägerin durch eine stattgebende Entscheidung keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erreichen kann. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, zielen die Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung auf eine Bindungswirkung in nachfolgenden Entgeltgenehmigungsverfahren der Klägerin ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich diese Regelungen insoweit noch auswirken können. Denn die nachfolgende Regulierungsverfügung vom 19. Dezember 2016 (BK 2b-16/005), mit der die angefochtene Regulierungsverfügung aufgehoben worden ist, ist noch nicht bestandskräftig. Führt die Anfechtungsklage der Klägerin gegen diese nachfolgende Regulierungsverfügung zu deren rechtskräftiger Aufhebung, lebt die im vorliegenden Verfahren angefochtene Regulierungsverfügung wieder auf. Dies hat der Senat zum entsprechenden Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Regulierungsverfügung bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - juris Rn. 14, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 143, 87, m.w.N.). Schon aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, dass sich die Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung noch auf zukünftige Entgeltgenehmigungsverfahren auswirken. 16 Darüber hinaus kann die Aufhebung dieser Regelungen auch im Rahmen eines anhängigen Klageverfahrens gegen die der Klägerin mit dem Beschluss BK 3c-14/015 der Bundesnetzagentur erteilte Entgeltgenehmigung Wirkungen entfalten. Zwar war diese Entgeltgenehmigung teilweise bis zum 30. November 2015 und im Übrigen bis zum 31. Dezember 2016 befristet. Eine rückwirkende Neubescheidung ist gesetzlich ausgeschlossen. Nach § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG darf das Gericht die Bundesnetzagentur auf die Verpflichtungsklage des regulierten Unternehmens nur dann zu einer Genehmigung eines höheren Entgelts mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Leistungserbringung im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG bzw. zu einer Neubescheidung mit einer solchen Rückwirkung verpflichten, wenn - woran es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier fehlt - bereits ein Eilantrag dieses Unternehmens auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 VwGO erfolgreich war. Die Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG findet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trotz der mit ihr verbundenen Einschränkung des durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten Rechtsschutzes für das regulierte Unternehmen auf die im hier relevanten Zeitraum erlassenen Entgeltgenehmigungen noch Anwendung (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​ls20161122.1bvl000614] - BVerfGE 143, 216 Rn. 18 ff., 72). 17 Die Klägerin hat jedoch nach der Rechtsprechung des Senats die Möglichkeit, ihre auf Erteilung der Genehmigung höherer Entgelte gerichtete Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) umzustellen (BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​290317U6C1.16.0] - BVerwGE 158, 301 Rn. 28 m.w.N.). Das insoweit zu fordernde berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entgeltgenehmigung folgt aus den Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotenen Auslegung der Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG vorgegeben hat (BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 30 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - BVerfGE 143, 216 Rn. 28, 54). Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet eine solche feststellende Rechtskontrolle nicht deshalb aus, weil die Klägerin keine gerichtliche Anordnung der vorläufigen Zahlung eines höheren Entgelts nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG beantragt hatte. Ob eine einstweilige Anordnung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 VwGO deshalb nicht ergangen ist, weil schon kein entsprechender Antrag gestellt worden ist, oder deshalb, weil ein solcher Antrag keinen Erfolg gehabt hat, ist ohne Bedeutung. Dies ist in der Rechtsprechung des Senats bisher ohne weiteres vorausgesetzt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 17, 29 f.). Die abweichende Auffassung der Beklagten würde zu einer durch das Ziel der Regelung § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG nicht gerechtfertigten zusätzlichen Einschränkung des durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten Rechtsschutzes für das regulierte Unternehmen führen. Die Regelung soll den Wettbewerb dadurch fördern, dass sie das Risiko der Wettbewerber reduziert, aufgrund einer erfolgreichen Klage des regulierten Unternehmens nachträglich ein höheres als das ursprünglich von der Bundesnetzagentur genehmigte Entgelt zahlen zu müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 - 1 BvL 6/14 u.a. - BVerfGE 143, 216 Rn. 34 unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2316 S. 69 f.). Dieses Ziel mag zwar die Einschränkung der Rückwirkung erfolgreicher Klagen auf höhere Entgelte rechtfertigen, nicht aber darüber hinaus auch die Erschwerung der feststellenden Rechtskontrolle. 18 2. Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung enthaltenen Vorgaben für das Entgeltgenehmigungsverfahren rechtswidrig sind, weil die geregelten Fragen allein im Entgeltgenehmigungsverfahren hätten geregelt werden dürfen. 19 Diese Annahme lässt sich zwar nicht auf die Erwägung des Verwaltungsgerichts stützen, es fehle an einer einheitlichen und umfassenden Ausübung des der Beklagten im Rahmen des § 31 TKG zustehenden Regulierungsermessens (a). Im Einklang mit revisiblem Recht steht hingegen die selbstständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung hätten als verbindliche Regelungen zu Entgeltfragen nach § 31 TKG nicht im Rahmen einer auf § 13 TKG gestützten Regulierungsverfügung erlassen werden dürfen (b). Unabhängig davon erweist sich das erstinstanzliche Urteil insoweit auch deshalb jedenfalls im Ergebnis als richtig, weil die Bundesnetzagentur nicht befugt war, die Regelungen in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der angefochtenen Regulierungsverfügung zum Gegenstand einer der konkreten Entgeltgenehmigung vorgelagerten isolierten Teilentscheidung zu machen (c). 20 a) Das Verwaltungsgericht verletzt mit seiner Annahme revisibles Recht, die Regelungen zu Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung hätten nicht erlassen werden dürfen, weil die Beklagte das ihr bei Erlass der Regulierungsverfügung im Rahmen des § 31 TKG zustehende Regulierungsermessen nicht einheitlich bezüglich seiner wesentlichen Bestandteile ausgeübt habe. 21 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Bundesnetzagentur stehe generell ""im Rahmen des § 31 TKG"" ein umfassendes Letztentscheidungsrecht zu, das als Regulierungsermessen zu qualifizieren sei, steht mit der Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang. § 31 TKG enthält Regelungen zum Verfahren und zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Genehmigung von Entgelten. Zwar hat der Senat in Bezug auf die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung als Voraussetzung für die Erteilung einer Entgeltgenehmigung nach den § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 und § 35 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 TKG Entscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde anerkannt, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. Derartige Letztentscheidungsrechte bestehen jedoch nur für abgrenzbare Teilaspekte und müssen in den gesetzlichen Maßstabsnormen, die in besonderer Weise durch das Erfordernis einer Abwägung gegenläufiger Regulierungsziele bzw. durch ökonomische Wertungen und Prognosen geprägt werden, angelegt sein (vgl. zuletzt: BVerwG, Urteile vom 25. November 2015 - 6 C 39.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​251115U6C39.14.0] - BVerwGE 153, 265 Rn. 15; vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - BVerwGE 156, 75 Rn. 12 f. und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 14). Demgegenüber betreffen die Urteile des Senats, auf die sich das Verwaltungsgericht stützt, ausschließlich die im Rahmen der Regulierungsverfügung nach § 30 TKG zu treffenden Entscheidungen über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung, bei denen der Bundesnetzagentur anerkanntermaßen Regulierungsermessen eingeräumt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. April 2008 - 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 63 und vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 38). 22 b) Soweit das Verwaltungsgericht - das angefochtene Urteil selbstständig tragend - angenommen hat, § 13 TKG enthalte keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass der in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der Regulierungsverfügung enthaltenen verbindlichen Regelungen zu Entgeltfragen nach § 31 TKG, ist dies hingegen mit revisiblem Recht vereinbar. 23 Der Senat hat bereits früher entschieden, dass die Entscheidung, ob die Entgelte dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung in § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG in der vor dem In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes vom 3. Mai 2012 (BGBl. I S. 958) geltenden Fassung entsprechen, anders als die Auferlegung einer Genehmigungspflicht kein nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG (a.F.) zulässiger Regelungsgegenstand einer Regulierungsverfügung ist (BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 45). Hieran hält der Senat auch für die nunmehr geltende Fassung der Vorschriften fest. Der Bundesnetzagentur fehlt generell die Befugnis, auf der Grundlage des § 13 TKG die bei der Ermittlung der zu genehmigenden Entgelte anzuwendenden Maßstäbe und Methoden in einer Regulierungsverfügung festzulegen. 24 aa) Gegen die Befugnis der Bundesnetzagentur, auf der Grundlage des § 13 TKG die bei der Ermittlung der zu genehmigenden Entgelte anzuwendenden Maßstäbe und Methoden in einer Regulierungsverfügung festzulegen, spricht bereits der Gesetzeswortlaut. 25 § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG bestimmt, dass, soweit die Bundesnetzagentur aufgrund einer Marktanalyse nach § 11 Verpflichtungen nach den §§ 19, 20, 21, 23, 24, 30, 39 oder § 42 Abs. 4 Satz 3 auferlegt, ändert, beibehält oder widerruft (Regulierungsverfügung), das Verfahren nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 entsprechend gilt, sofern die Maßnahme beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt hat. § 30 TKG, auf den § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG verweist, enthält unter anderem die Regelung, dass Entgelte für nach § 21 auferlegte Zugangsleistungen von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, einer Genehmigung durch die Bundesnetzagentur nach Maßgabe des § 31 unterliegen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 TKG). Die in § 13 TKG enthaltene Verweisung auf § 30 TKG umfasst entgegen der Auffassung der Revision nicht den gesamten Regelungsgehalt des § 31 TKG. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, wird mit den Worten ""nach Maßgabe des § 31"" in § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG nur klargestellt, dass für die nach § 21 TKG auferlegten Zugangsleistungen eine (ex-ante-)Entgeltgenehmigungspflicht auferlegt werden kann, für die dann die verfahrens- und materiellrechtlichen Regelungen des § 31 TKG gelten. Eine weitergehende Bedeutung kann dem Wortsinn des Begriffs der ""Maßgabe"" nicht entnommen werden. Dies wird dadurch bestätigt, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht auf die Vorschrift des § 30 TKG als solche verweist, sondern ""Verpflichtungen"" nach § 30 TKG in den Blick nimmt, die aufgrund einer Marktanalyse nach § 11 TKG auferlegt, geändert, beibehalten oder widerrufen werden. Diese Verpflichtungen hat - wie sich auch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 TKG ergibt - das regulierte Unternehmen zu erfüllen. Die nach § 31 Abs. 1 und 2 TKG zu treffenden Entscheidungen der Bundesnetzagentur betreffen demgegenüber nicht die ""Auferlegung"" etc. von ""Verpflichtungen"" gegenüber dem regulierten Unternehmen, sondern die Vorgehensweise der Bundesnetzagentur im Entgeltgenehmigungsverfahren und den heranzuziehenden Genehmigungsmaßstab. Die durch die Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG formal miterfasste Regelung in § 30 Abs. 3 TKG enthält ebenfalls keine Verpflichtungen, die das regulierte Unternehmen zu erfüllen hat, sondern materielle Vorgaben, die die Bundesnetzagentur bei der Regulierung von Entgelten zu beachten hat. 26 bb) Der Annahme der Revision, die in § 13 TKG enthaltene Verweisung auf § 30 TKG umfasse auch die Norm des § 31 TKG mit ihren hier relevanten Regelungsgehalten mit der Folge, dass die Bundesnetzagentur die Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG außerhalb eines Entgeltgenehmigungsverfahrens auf die Rechtsgrundlage zum Erlass von Regulierungsverfügungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG stützen könne, steht vor allem die Gesetzessystematik entgegen. 27 Der Senat hat bereits früher hervorgehoben, dass die telekommunikationsrechtliche Regulierung für die Entgelte mehrstufig ausgestaltet ist (BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C24.15.0] - BVerwGE 156, 59 Rn. 20). Ebenso wie die nach § 21 TKG auferlegten abstrakten Zugangspflichten auf eine Konkretisierung durch Zugangsvereinbarungen (§ 22 TKG) und erforderlichenfalls durch Zugangsanordnungen der Bundesnetzagentur (§ 25 TKG), unter Umständen auch durch Festlegung einer Standardangebotsverpflichtung (§ 23 Abs. 3 TKG) angelegt sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 6 C 23.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 76 m.w.N.), sieht das Telekommunikationsgesetz auch im Bereich der Regulierung der Entgelte für Zugangsleistungen ein differenziert abgestuftes Regelungsinstrumentarium vor. Hat die Bundesnetzagentur Entgelte für Zugangsleistungen, die dem im Rahmen einer Marktanalyse als marktbeherrschend eingestuften Unternehmen nach § 21 TKG auferlegt worden sind, in einer Regulierungsverfügung gemäß § 9 Abs. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG einer Entgeltgenehmigungspflicht unterworfen, schließt sich - auf Antrag oder ausnahmsweise auch von Amts wegen (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 2 TKG) - das in den §§ 31 ff. TKG geregelte Entgeltgenehmigungsverfahren an. 28 Den Entscheidungen der Bundesnetzagentur auf der ersten und der zweiten Stufe liegen unterschiedliche Prüfprogramme zugrunde: Im Rahmen der Regulierungsverfügung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 TKG hat die Bundesnetzagentur lediglich über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 63, in Bezug auf § 30 TKG a.F.). Die Entscheidung über das ""Wie"" der Entgeltregulierung bezieht sich dabei auf die Frage, ob eine Genehmigungspflicht (§ 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 31 TKG, sog. ex-ante-Regulierung) oder eine nachträgliche Regulierung (§ 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 38 TKG, sog. ex-post-Regulierung) auferlegt wird. Im zuletzt genannten Fall der nachträglichen Regulierung nach § 38 TKG ist zudem zu entscheiden zwischen den Möglichkeiten der Auferlegung einer Anzeigepflicht, bei der die Entgelte der Bundesnetzagentur zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten vorzulegen sind (§ 38 Abs. 1 TKG, sog. Anzeigeverfahren), und einer nachträglichen Regulierung nach § 38 Abs. 2 bis 4 TKG unter Verzicht auf eine solche Anzeigepflicht. 29 Der Ansicht der Revision, zum Prüfprogramm der von der Bundesnetzagentur im Rahmen der Regulierungsverfügung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 TKG zu treffenden Entscheidung gehöre generell auch die Frage des ""Entgeltregulierungsmaßstabs"", ist zwar insoweit zuzustimmen, als die gesetzlichen Folgen, die sich hinsichtlich des Maßstabs der Entgeltberechnung an die Auswahlentscheidung knüpfen, in die Abwägung einzubeziehen sind. Zu widersprechen ist ihr jedoch, soweit sie darüber hinaus davon ausgeht, Ergebnis der Abwägung könne auch die konstitutive Festlegung von Vorgehensweisen sein, von denen in nachgelagerten Entgeltgenehmigungsverfahren gegebenenfalls nicht mehr abgewichen werden kann. 30 Dieser Differenzierung liegt zugrunde, dass die Kontrollmaßstäbe der ex-ante-Regulierung einerseits und der nachträglichen Regulierung andererseits Unterschiede aufweisen, die nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen eines sachgerecht ausgeübten Regulierungsermessens die Entscheidung darüber mit zu bestimmen haben, welches der beiden Instrumente angemessen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 67). Für die nachträgliche Regulierung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 38 Abs. 2 TKG gelten die Maßstäbe des § 28 TKG. Danach darf ein marktmächtiger Diensteanbieter oder Netzbetreiber seine Stellung bei der Forderung und Vereinbarung von Entgelten nicht missbräuchlich ausnutzen. Ein Missbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn das Unternehmen Entgelte fordert, die nur aufgrund seiner beträchtlichen Marktmacht auf dem jeweiligen Markt durchsetzbar sind (§ 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TKG). Missbräuchlich überhöht sind die Entgelte eines marktbeherrschenden Unternehmens erst dann, wenn sie den hypothetischen Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb auf dem beherrschten Markt ergäbe, erheblich überschreiten. Demgegenüber sind Entgelte, die gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG genehmigungsbedürftig sind, nach § 31 Abs. 1 TKG grundsätzlich dann genehmigungsfähig, wenn sie die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschreiten. 31 Dass es sich bei den beiden genannten Kontrollmaßstäben grundsätzlich um unterschiedlich strenge Regulierungsinstrumente handelt, über deren Einsatz die Regulierungsbehörde aufgrund des ihr eingeräumten Regulierungsermessens entscheidet (BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 69), wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Entscheidung für die ex-ante-Regulierung inzwischen nicht mehr automatisch zur Geltung des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung führt, sondern § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG in der seit 2012 geltenden Fassung die Möglichkeit vorsieht, Entgelte abweichend von der regelmäßigen Vorgehensweise einer Entgeltgenehmigung am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 31 Abs. 1 Satz 2 TKG) im Einzelgenehmigungs- (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG) oder Price-Cap-Verfahren (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG) auf der Grundlage anderer Vorgehensweisen zu genehmigen, sofern diese besser geeignet sind, die Regulierungsziele nach § 2 zu erreichen (a.A.: Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 30 Rn. 35). Denn auch insoweit besteht weiterhin zumindest eine Vorprägung im Hinblick auf den Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, weil andere Vorgehensweisen subsidiär sind. Dies folgt aus der in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG genannten Voraussetzung, dass derartige Vorgehensweisen besser geeignet sein müssen, die Regulierungsziele nach § 2 zu erreichen, sowie aus der in § 31 Abs. 2 Satz 3 TKG geregelten besonderen Begründungspflicht (vgl. Kühling, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 31 Rn. 36; Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 2. Aufl. 2015, § 31 Rn. 23). 32 Auf den Umstand, dass mit der im Rahmen der Regulierungsverfügung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 TKG zu treffenden Auswahlentscheidung zwischen ex-ante-Regulierung und nachträglicher Regulierung nach der gesetzlichen Regelungssystematik jedenfalls im Ausgangspunkt zugleich der Prüfungsmaßstab - also Kostenmaßstab des § 31 TKG oder bloße Missbrauchskontrolle nach § 28 TKG - und einzelne Eckpunkte des Prüfungsverfahrens festgelegt werden, lässt sich jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Befugnis der Regulierungsbehörde stützen, bereits auf dieser Ebene verbindliche Regelungen zur weiteren Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben zu treffen. Die Regulierungsbehörde ist lediglich berechtigt und verpflichtet, die gesetzlichen Folgen der Auswahlentscheidung zwischen ex-ante-Regulierung und ex-post-Regulierung in Bezug auf den jeweils anzuwendenden materiellen Entgeltmaßstab in die der Regulierungsverfügung zugrunde liegende Abwägung einzubeziehen. In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll oder sogar erforderlich sein, auch bereits diejenigen Entscheidungen näher in den Blick zu nehmen und gedanklich vorzubereiten, die sich gegebenenfalls auf der nachgelagerten Stufe des Entgeltgenehmigungsverfahrens zur Konkretisierung der gesetzlichen Maßstäbe und Entgeltberechnungsvorgaben anschließen. Wie der Senat bereits früher hervorgehoben hat, kann der Prüfungsaufwand im Entgeltgenehmigungsverfahren hierdurch vermindert werden, weil die Bundesnetzagentur in der Begründung der Entgeltgenehmigung auf ihre Erwägungen in der zugrunde liegenden Regulierungsverfügung verweisen kann (BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 45). Den gesetzlich vorstrukturierten Regelungsinhalt der Regulierungsverfügung darf die Bundesnetzagentur jedoch nicht verändern oder erweitern. 33 Gelangt die Bundesnetzagentur im Rahmen der Abwägung, auf deren Grundlage sie nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 TKG über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung zu entscheiden hat, beispielsweise zu dem Ergebnis, dass es des strengeren sektorspezifischen Kostenmaßstabs nach § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht bedarf, sondern eine Überprüfung der Entgelte am Maßstab der Missbräuchlichkeit in § 28 TKG in jedem Fall ausreichend ist, erscheint ihr die Möglichkeit einer ex-ante-Prüfung jedoch gleichwohl unverzichtbar, kann sie dem im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben dadurch Rechnung tragen, dass sie eine nachträgliche Regulierung nach § 38 Abs. 1 TKG auferlegt, bei der die Entgelte der Bundesnetzagentur zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten vorzulegen sind. Die Kombination zwischen dem weniger strengen Missbrauchsmaßstab und dem eingriffsintensiveren Verfahren der Genehmigungspflicht sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Hält die Bundesnetzagentur die Überprüfung der Entgelte am Maßstab der Missbräuchlichkeit (§ 28 TKG) nicht für ausreichend, ist ihr Entscheidungsspielraum darauf beschränkt, die ex-ante-Regulierung aufzuerlegen. Zu den sich hieran anschließenden Fragen, ob - und gegebenenfalls mit welcher Berechnungsmethode - das Verfahren der Einzelgenehmigung am Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG) oder das Price-Cap-Verfahren (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG) oder eine andere Vorgehensweise (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG) zur Anwendung kommt, kann die Bundesnetzagentur zwar in der Begründung der Regulierungsverfügung Orientierungen für die nachgelagerten Verfahren geben; sie darf diese jedoch nicht als abschließende und bestandskraftfähige Entscheidungen in den Tenor der Regulierungsverfügung aufnehmen. 34 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht zur Vermeidung systematischer Brüche erforderlich, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 TKG in der Regulierungsverfügung zu treffenden Auswahlentscheidung zwischen ex-ante-Regulierung und nachträglicher Regulierung die Reihenfolge der Prüfungsmethoden festlegen kann. Zwar knüpft das Gesetz an die Entscheidung für ein Vorgehen nach § 38 TKG nicht nur die Anwendung eines bestimmten Prüfungsmaßstabs, der in § 28 TKG geregelt ist, sondern auch besondere Vorgaben zum Prüfungsverfahren wie etwa die in § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG festgelegte Reihenfolge zwischen einer Überprüfung nach dem Vergleichsmarktprinzip und einem Vorgehen nach § 34 TKG. Das Fehlen entsprechender gesetzlicher Vorgaben im Bereich der ex-ante-Regulierung muss jedoch nicht durch eine Erweiterung der Regelungsbefugnis der Bundesnetzagentur in der Regulierungsverfügung kompensiert werden, um die Behörde in die Lage zu versetzen, bei der Auswahl der Prüfungsverfahren - in den Worten der Beklagten - ""Gleiches mit Gleichem"" abwägen zu können. Vielmehr hat die Bundesnetzagentur in die Abwägung in Bezug auf das Wie der Entgeltregulierung gegebenenfalls auch den Umstand einzustellen und zu bewerten, dass die Entscheidung für die nachträgliche Entgeltregulierung aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung zu einer engeren gesetzlichen Vorstrukturierung hinsichtlich der Prüfungsmethoden und des Prüfungsverfahrens führt als die Entscheidung für die ex-ante-Genehmigungspflicht. 35 Ein anderes Ergebnis der systematischen Auslegung folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die Bundesnetzagentur nach § 31 Abs. 4 Satz 3 TKG über Entgeltanträge innerhalb von 10 Wochen nach Eingang der Entgeltvorlage oder nach Einleitung des Verfahrens von Amts wegen entscheiden soll. Ist es der Regulierungsbehörde verwehrt, verbindliche Vorgaben zu Maßstäben und Methoden für die nachgelagerten Entgeltgenehmigungsverfahren in die zugrunde liegende Regulierungsverfügung aufzunehmen, muss sie die betreffenden Entscheidungen zwar in der Regel unter Einhaltung der Frist des § 31 Abs. 4 Satz 3 TKG im Rahmen der jeweiligen Entgeltgenehmigungsverfahren treffen. Wie bereits erwähnt, hat sie jedoch die Möglichkeit, Grundsatzentscheidungen wie etwa die Auswahl der Kostenberechnungsmethode bereits vor Beginn der 10-Wochen-Frist umfassend vorzubereiten und sich im Rahmen der Entgeltgenehmigung auf Vorüberlegungen zu stützen, die sie bereits vor Beginn der Entscheidungsfrist aus Anlass früherer Verfahren oder auch verfahrensunabhängig - gleichsam vor die Klammer gezogen - angestellt hat (BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 40). Die Bundesnetzagentur ist demnach auch nicht daran gehindert, das Entgeltgenehmigungsverfahren dadurch zu entlasten, dass sie die Erwägungen, die ihrer Ansicht nach für eine bestimmte Vorgehensweise bei der Entgeltberechnung sprechen, in die Begründung der zugrunde liegenden Regulierungsverfügung aufnimmt und in der Begründung der nachgelagerten Entgeltgenehmigungen gegebenenfalls hierauf verweist. In einem solchen Fall wird sich der Aufwand im Entgeltgenehmigungsverfahren in der Regel auf die Überprüfung beschränken, ob im Hinblick auf mögliche tatsächliche Entwicklungen oder neu vorgetragene Argumente an den früheren Überlegungen festzuhalten ist. 36 cc) Dass die in § 13 TKG enthaltene Verweisung auf § 30 TKG nicht auch die in den §§ 31 ff. geregelten Entscheidungsbefugnisse der Bundesnetzagentur in Bezug auf den Maßstab und die Methode der Entgeltberechnung umfasst, wird durch die historische Auslegung bestätigt. 37 Zwar lassen die Gesetzesmaterialien zu den Ursprungsfassungen der genannten Vorschriften nicht erkennen, dass die Frage, ob die Entgeltberechnung betreffende Entscheidungen der Bundesnetzagentur auf § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG gestützt und im Rahmen einer Regulierungsverfügung erlassen werden können, im Gesetzgebungsverfahren aufgeworfen wurde (vgl. BT-Drs. 15/2316 S. 63, 68). Im Rahmen der historischen Auslegung erlangt jedoch der Umstand Bedeutung, dass die Aufzählung der in § 13 Abs. 1 und 3 TKG in Bezug genommenen Vorschriften im Rahmen der Gesetzesnovelle 2012 um einen Verweis auf § 23 (Standardangebot) ergänzt wurde. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird hierzu ausgeführt, als besondere Transparenzverpflichtung sei § 23 in Umsetzung von Art. 8 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie (Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung, ABl. L 108 S. 7, in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG vom 25. November 2009, ABl. L 337 S. 37) ergangen und zähle damit ebenfalls zu den Maßnahmen, die gemäß Art. 16 der Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG vom 25. November 2009) i.V.m. Art. 8 der Zugangsrichtlinie zu konsultieren und zu konsolidieren seien; durch eine klarstellende Ergänzung des § 13 werde die Aufzählungslücke geschlossen (BT-Drs. 17/5707 S. 53). Der Umstand, dass die Aufzählung in § 13 TKG einerseits ergänzt wurde, um eine erkannte Lücke zu schließen, diese Ergänzung sich jedoch andererseits auf § 23 TKG beschränkte, spricht deutlich für die Annahme, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, durch die Einbeziehung des § 31 TKG in die Aufzählung - konstitutiv oder klarstellend - zu regeln, dass auch Einzelheiten des Entgeltgenehmigungsverfahrens Gegenstand einer Regulierungsverfügung sein können. 38 dd) Eine Befugnis der Bundesnetzagentur, die Entgeltberechnung betreffende Entscheidungen auf die Rechtsgrundlage zum Erlass von Regulierungsverfügungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 TKG zu stützen, wird schließlich auch nicht - entgegen der Gesetzessystematik - durch den Sinn und Zweck der genannten Regelungen unter Berücksichtigung des Unionsrechts gefordert. 39 Der Normzweck des § 30 Abs. 1 TKG besteht in erster Linie darin, als ""regulatorische Schaltnorm"" die drei unterschiedlichen Entgeltregulierungsstufen zu bestimmen, zwischen denen die Bundesnetzagentur im Rahmen der Regulierungsverfügung eine Auswahlentscheidung zu treffen hat, und diese Auswahlentscheidung einerseits in das Ermessen der Bundesnetzagentur zu stellen, andererseits aber zumindest ansatzweise gesetzlich vorzustrukturieren (vgl. Kühling, in: Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 30 Rn. 3 unter Bezugnahme auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu der 2012 in Kraft getretenen Neufassung, BT-Drs. 17/5707 S. 60). Die Entscheidung von Vorfragen des Entgeltberechnungsverfahrens liegt außerhalb dieses Regelungszwecks. 40 § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG soll mit der Regelung der Konsultation und Konsolidierung der an das Ergebnis der Marktanalyse anknüpfenden, in Teil 2 des TKG bestimmten Rechtsfolgen in erster Linie Art. 16 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 und 4 der Rahmenrichtlinie umsetzen, wobei in der Begründung des Gesetzentwurfs darauf hingewiesen wird, dass - unter anderem - die aufgrund der Marktanalyse erfolgenden Maßnahmen nach Art. 8 der Zugangsrichtlinie dem in § 12 TKG abgebildeten Verfahren des Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie unterliegen (BT-Drs. 15/2316 S. 63). Zu den Maßnahmen, die die nationale Regulierungsbehörde nach Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt auferlegen kann, gehören auch die in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Zugangsrichtlinie genannten Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle einschließlich kostenorientierter Preise. Der Begriff der ""Verpflichtungen betreffend ... die Preiskontrolle"" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit zu verstehen und schließt auch die Erteilung von Entgeltgenehmigungen für regulierte Zugangsleistungen ein (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-395/14, Vodafone/Deutschland [ECLI:​EU:​C:​2016:​9] - Rn. 42, 44, 46). Die Regulierungsbehörde ist deshalb verpflichtet, das in Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie geregelte unionsweite Konsolidierungsverfahren vor jeder Genehmigung der Entgelte eines Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht, die sie nach Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Genehmigungspflicht unterworfen hat, erneut durchzuführen, sofern diese Genehmigung Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben kann (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-395/14, Vodafone/Deutschland). Um die Erfüllung dieser Verpflichtung sicherzustellen, ist es jedoch weder erforderlich noch ausreichend, Entscheidungen zu Maßstäben und Vorgehensweisen bei der Entgeltberechnungsmethode in eine nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG zu erlassende Regulierungsverfügung zu integrieren. Vielmehr kann die Regulierungsbehörde den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union ohnehin nur dadurch vollständig Rechnung tragen, dass sie die abschließenden Entgeltgenehmigungen zum Gegenstand eines Konsolidierungsverfahrens macht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​310117U6C2.16.0] - BVerwGE 157, 249 Rn. 29 ff., 34). 41 Auch im Übrigen steht das Unionsrecht der Annahme nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur wegen des die Entgeltregulierung nach dem Telekommunikationsgesetz prägenden Prinzips der Verfahrensstufung zwischen Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht (§ 30 TKG) und Entgeltgenehmigungsverfahren (§ 31 TKG) daran gehindert ist, Entscheidungen zum Maßstab und Verfahren der Entgeltberechnung im Rahmen von Regulierungsverfügungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG zu treffen. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Zugangsrichtlinie enthält zur Vorgehensweise bei einer Preiskontrolle und zum anzuwendenden Entgeltmaßstab keine ausdifferenzierten Regelungen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 22). Die Vorgaben zum Verfahren der Kostenermittlung beschränken sich auf die Nachweispflicht des Betreibers (Abs. 3 Satz 1) und die Befugnis der Regulierungsbehörde, Vergleichsmarktbetrachtungen oder eine unabhängige Kostenberechnung anzustellen (Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2) sowie von einem Betreiber die umfassende Rechtfertigung seiner Preise und gegebenenfalls deren Anpassung zu verlangen (Abs. 3 Satz 3). Ferner kann im Interesse der Preiskontrolle eine Kostenrechnungsmethode vorgeschrieben werden (Abs. 4). Hinsichtlich des Kostenmaßstabs beschränkt sich Art. 13 der Zugangsrichtlinie auf die Vorgabe, dass nur die Kosten eines effizienten Betreibers angesetzt werden dürfen (Abs. 2 Satz 1) und hierbei eine angemessene Investitionsrendite zu berücksichtigen ist (Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1). Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass bei den von Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie erfassten Verpflichtungen betreffend die Preiskontrolle nicht zwischen ""Grundmaßnahmen"", ""grundlegenden Maßnahmen"" oder ""Regulierungsmaßnahmen"", die dem in Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Verfahren unterliegen, und ""Umsetzungsmaßnahmen"" für Erstere, die diesem Verfahren nicht unterliegen, zu unterscheiden ist (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-395/14 - Rn. 51 ff.). Hieraus folgt jedoch nicht, dass dem nationalen Gesetzgeber die Regelung einer Verfahrensstufung zwischen der Regulierungsverfügung, in der dem im Rahmen einer Marktanalyse als marktbeherrschend eingestuften Unternehmen eine Genehmigungspflicht für regulierte Zugangsleistungen auferlegt werden kann, und den sich hieran auf Antrag oder ausnahmsweise auch von Amts wegen anschließenden Entgeltgenehmigungsverfahren verwehrt ist, sofern die Durchführung des in Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie geregelten unionsweiten Konsolidierungsverfahrens auf beiden Ebenen gewährleistet ist. 42 Die im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Verfahrensstufung zwischen der Auferlegung der Genehmigungspflicht und dem Entgeltgenehmigungsverfahren verstößt schließlich auch nicht gegen ein dem Unionsrecht zu entnehmendes Verbot der Strukturierung des der nationalen Regulierungsbehörde zustehenden Ermessens. Zwar ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass der Unionsgesetzgeber den nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahl der im jeweiligen Fall aufzuerlegenden Preiskontrollmaßnahmen nach Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt hat (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-277/16, Polkomtel [ECLI:​EU:​C:​2017:​989] - Rn. 32) und dass der nationale Gesetzgeber nicht berechtigt ist, ein durch die Bestimmungen der Rahmenrichtlinie und der Zugangsrichtlinie eingeräumtes Ermessen der nationalen Regulierungsbehörde bei der Feststellung der Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes und der Wahrnehmung der ihnen übertragenen regulatorischen Aufgaben einzuschränken (EuGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - C-424/07, Kommission/ Deutschland [ECLI:​EU:​C:​2009:​749] - Rn. 83, 93 f.). 43 Hieraus folgt jedoch nicht, dass dem nationalen Gesetzgeber durch die Bestimmungen der erwähnten Richtlinien eine konkrete Ausgestaltung des Entgeltgenehmigungsverfahrens auch dann versagt ist, wenn dies nicht mit einer Einschränkung des der nationalen Regulierungsbehörde eingeräumten Ermessens verbunden ist. Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, wobei sie aber über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel und Wege zu ihrer Durchführung verfügen (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 - C-424/15, Ormaetxea Garai und Lorenzo Almendros [ECLI:​EU:​C:​2016:​780] - Rn. 29). Im Hinblick auf diese lediglich durch die Ziele der Richtlinie begrenzte verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass das Unionsrecht einer gesetzlichen Ausgestaltung des von der nationalen Regulierungsbehörde im Bereich der Entgeltregulierung anzuwendenden Verfahrens nicht entgegensteht, nach der es der Bundesnetzagentur verwehrt ist, Maßstäbe und Methoden betreffende Vorfragen, von denen die Entscheidung in den nachfolgenden Entgeltgenehmigungsverfahren abhängt, bereits im Rahmen der der die Entgeltgenehmigungspflicht festlegenden Regulierungsverfügung zu entscheiden. Im Sinne der sog. acte-clair-Doktrin (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, CILFIT - Rn. 16) bedarf es insoweit keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV. 44 c) Unabhängig davon, dass die in Ziffer 2. Satz 2 bis 4 der angefochtenen Regulierungsverfügung enthaltenen Regelungen zu Maßstäben und Methoden der Entgeltberechnung nicht im Rahmen einer auf § 13 TKG gestützten Regulierungsverfügung hätten erlassen werden dürfen, erweist sich das erstinstanzliche Urteil auch deshalb als richtig, weil die Bundesnetzagentur schon nicht befugt war, derartige Festlegungen zum Gegenstand einer der konkreten Entgeltgenehmigung vorgelagerten isolierten Teilentscheidung zu machen. 45 Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Erlass von Teilregelungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Zweckmäßigkeit des Verfahrens (§ 10 Satz 2 VwVfG) auch ohne besondere Ermächtigung in der Regel zulässig, da er als Minus von der Ermächtigung zum Erlass des ""vollständigen"" Verwaltungsakts umfasst ist. Aus den Bestimmungen des einschlägigen Fachrechts können sich insoweit jedoch Besonderheiten ergeben (BVerwG, Urteil vom 3. März 2016 - 6 C 64.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​030316U6C64.14.0] - BVerwGE 154, 198 Rn. 31). Dem Erlass von Teilregelungen, die Vorfragen einer - auf § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG als Ermächtigungsgrundlage zu stützenden - telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung verbindlich entscheiden und gegebenenfalls in Bestandskraft erwachsen, stehen derartige fachrechtliche Besonderheiten entgegen. Denn Teilentscheidungen dieses Inhalts können zur Verkürzung von Abwägungsspielräumen führen, die der Bundesnetzagentur an verschiedenen Stellen im Entgeltgenehmigungsverfahren zustehen. 46 Bei der Erteilung einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung handelt es sich im Wesentlichen um eine gebundene Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - BVerwGE 156, 59 Rn. 21). Soweit als wesentliche Voraussetzung für die Erteilung einer Entgeltgenehmigung nach den §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 32 Abs. 1 Satz 1 und 35 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 TKG die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu ermitteln sind, hat der Senat allerdings - wie bereits erwähnt - für abgrenzbare Teilaspekte Entscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde anerkannt, die im Hinblick auf das Erfordernis einer Abwägung gegenläufiger Regulierungsziele gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. Derartige ""punktuelle"" Beurteilungsspielräume werden z.B. angenommen in Bezug auf die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 18 und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 14, 31) oder die gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 TKG zu ermittelnde angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals (BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 32 ff.). 47 Im vorliegenden Fall geht es zwar - jenseits der oben genannten Vorprägung - nicht um die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung. Denn die Bundesnetzagentur hat sich in Ziffer 2. Satz 3 der Regulierungsverfügung auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG hinsichtlich der Terminierungsentgelte für eine andere Vorgehensweise entschieden, der zufolge diese Entgelte symmetrisch sein müssen und auf der Grundlage eines Bottom-up-Modells zu ermitteln sind, wobei hinsichtlich des Kernteils des Festnetzes der Klägerin von einem NGN auszugehen ist. In Bezug auf die Auslegung des in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG genannten Tatbestandsmerkmals der besseren Eignung zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 TKG als Voraussetzung für die Auswahl einer anderen Vorgehensweise steht der Bundesnetzagentur jedoch ebenfalls ein Beurteilungsspielraum zu. 48 Die Voraussetzungen, die vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG für die Annahme eines solchen behördlichen Letztentscheidungsrechts bestehen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 32 m.w.N.), sind erfüllt. Ein derartiges Recht ist im Gesetzeswortlaut mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf die ""Regulierungsziele in § 2"" angelegt, welche auf das Erfordernis einer Abwägungsentscheidung hindeutet. Dies wird durch die in § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 TKG geregelte Vorgabe bestätigt, dass ein Vorgehen nach Satz 1 Nr. 2 besonders zu begründen ist. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht ebenfalls davon aus, dass § 31 Abs. 2 TKG es ins ""Ermessen"" der Bundesnetzagentur stellt, abweichend von Abs. 1 Entgelte auf der Grundlage der Vorgehensweisen nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 TKG zu genehmigen (BT-Drs. 17/5707 S. 62). Es besteht auch ein tragfähiger Sachgrund für eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolle der nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG zu treffenden Entscheidung. Da dem Gesetz keine näheren Vorgaben zu entnehmen sind, muss die Bundesnetzagentur alle wesentlichen Parameter und Verfahrensschritte der in den Vergleich einzubeziehenden Vorgehensweisen im Wege einer gestaltenden Entscheidung selbst festlegen. Anschließend hat sie zu bewerten, wie sich die Entgeltberechnungsmethoden jeweils auf die unterschiedlichen - ggf. zunächst zu konkretisierenden und zu gewichtenden - Regulierungsziele nach § 2 TKG auswirken. Die Bewältigung dieses komplexen Prüfungsprogramms kann nur im Rahmen einer Abwägung erfolgen, die auch von ökonomischen Wertungen und Prognosen abhängt und gestaltende Elemente aufweist. Das förmliche Beschlusskammerverfahren (§§ 132 ff. TKG) bildet für diese Abwägung einen geeigneten Rahmen (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 30 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 37). Schließlich steht in Anbetracht der nach der Rechtsprechung des Senats gebotenen gerichtlichen Kontrolle regulierungsbehördlicher Beurteilungsspielräume (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 32 m.w.N.) die zu gewährleistende Substanz des Rechtsschutzes nicht in Frage. 49 Die den genannten Entscheidungen im Entgeltgenehmigungsverfahren zugrunde liegende Abwägung setzt jeweils voraus, dass die Entgelthöhe, die sich bei Anwendung der unterschiedlichen Maßstäbe oder Vorgehensweisen voraussichtlich ergibt, zumindest annähernd ermittelt wird. Nur auf der Grundlage einer hinreichend gesicherten Prognose der ungefähr zu erwartenden Höhe der Entgelte kann die Bundesnetzagentur im Rahmen der ihr bei der Entgeltberechnung auf verschiedenen Ebenen zustehenden punktuellen Beurteilungsspielräume die jeweiligen Auswirkungen auf die widerstreitenden Regulierungsziele beurteilen. Ob und in welchem Umfang sich die in Betracht kommenden Varianten der Methoden oder Maßstäbe, die Gegenstand der jeweiligen Entscheidung sind, positiv oder negativ beispielsweise auf die Ziele der Wettbewerbsförderung, der Investitionsförderung und des Verbraucherinteresses, die der Sache nach Art. 13 der Zugangsrichtlinie zugrunde liegen, auswirken können, hängt entscheidend von der spezifischen Beeinflussung der Entgelthöhe ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 23). Die Quantifizierung dieser Auswirkungen ist jedoch dem Entgeltgenehmigungsverfahren vorbehalten. Darf die ungefähre Höhe der Entgelte nicht ausgeblendet werden, kann die Entscheidung über die Auswahl der bei der Entgeltberechnung anzuwendenden Methoden oder Maßstäbe folglich nicht isoliert von der Entscheidung über die endgültige Entgeltgenehmigung getroffen werden. 50 Die durch isolierte Teilentscheidungen zu Maßstäben und Methoden der Entgeltberechnung hervorgerufene Gefahr einer unvollständigen Abwägung wird gerade auch im vorliegenden Fall deutlich. Die Bundesnetzagentur hat in der angefochtenen Regulierungsverfügung im Rahmen der Abwägung ausgeführt, die Kalkulation auf der Basis von NGN führe nicht zu drastischen Entgeltabsenkungen, weil die Kosten für den Weiterbetrieb des PSTN unter dem Gesichtspunkt der neutralen Aufwendungen nach § 32 Abs. 2 TKG berücksichtigt werden könnten, wodurch der Effekt eines Gleitpfades erreicht werden könne. Sie hat damit der Sache nach die Verhältnismäßigkeit der in Ziffer 2. Satz 3 der Regulierungsverfügung auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG getroffenen Entscheidung für eine bestimmte Vorgehensweise an das Vorliegen der in § 32 Abs. 2 Satz 1 TKG bestimmten Tatbestandsvoraussetzung geknüpft, dass für die Berücksichtigung der Aufwendungen eine rechtliche Verpflichtung besteht oder das die Genehmigung beantragende Unternehmen eine sonstige sachliche Rechtfertigung nachweist. Von der Prüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung sowie die Bestimmung der ungefähren Höhe der gegebenenfalls zu berücksichtigenden neutralen Aufwendungen hat die Bundesnetzagentur jedoch auf der Ebene der Regulierungsverfügung richtigerweise abgesehen; denn diese Fragen sind nach der Gesetzessystematik ausschließlich dem Entgeltgenehmigungsverfahren zuzuordnen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, führt diese Verfahrensweise allerdings dazu, dass inhaltlich Zusammengehöriges auseinandergerissen wird. Denn wenn die Berücksichtigung der Kosten für den Weiterbetrieb des PSTN unter dem Gesichtspunkt der neutralen Aufwendungen nach § 32 Abs. 2 TKG im Entgeltgenehmigungsverfahren - insbesondere als Ergebnis möglicher Drittanfechtungsklagen von Wettbewerbern der Klägerin - ganz oder teilweise entfällt, verbleibt im Fall der Bestandskraft der in Ziffer 2. Satz 3 der angefochtenen Regulierungsverfügung enthaltenen Regelung eine bindende Vorgabe für die Entgeltberechnung, an deren Verhältnismäßigkeit bei isolierter Betrachtung erhebliche Zweifel bestehen. 51 3. Ob auch die - das angefochtene Urteil selbstständig tragende - Annahme des Verwaltungsgerichts mit revisiblem Recht vereinbar ist, die Beklagte habe in Bezug auf die Regelung in Ziffer 2. Satz 3 der Regulierungsverfügung den ihr durch § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TKG eröffneten Beurteilungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt, bedarf nach alledem keiner Entscheidung. 52 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-38,31.05.2018,"Pressemitteilung Nr. 38/2018 vom 31.05.2018 EN Klage der DE-CIX Management GmbH erfolglos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in erster und letzter Instanz auf die Klage einer Internetknotenpunkt-Betreiberin (DE-CIX) entschieden, dass das Bundesministerium des Innern (BMI) sie verpflichten kann, bei der Durchführung strategischer Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durch den Bundesnachrichtendienst (BND) mitzuwirken. Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, auf Anordnung des BMI internationale Telekommunikationsbeziehungen, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt, zu überwachen und aufzuzeichnen. Das BMI legt auf Antrag des BND in der Beschränkungsanordnung die für die Überwachung in Betracht kommenden Übertragungswege sowie den höchst zulässigen Anteil der zu überwachenden Übertragungskapazität fest. Für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme kann das BMI nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Art. 10-Gesetz geschäftsmäßige Erbringer von Telekommunikationsdiensten durch Anordnung zur Ermöglichung der Überwachung verpflichten. Ob und in welchem Umfang das verpflichtete Unternehmen Vorkehrungen zu treffen hat, richtet sich letztlich nach § 27 Abs. 2 der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV). Danach hat der Verpflichtete dem BND an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen, die über die in der Anordnung bezeichneten Übertragungswege übertragen wird. Auf der Grundlage der Beschränkungsanordnung wählt der BND gegenüber dem Telekommunikationsdiensteanbieter diejenigen Übertragungswege aus, die überwacht werden sollen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihre Verpflichtung zur Mitwirkung an verschiedenen angeordneten Beschränkungsmaßnahmen in den Jahren 2016 und 2017 und die Auswahl der Übertragungswege durch den BND rechtswidrig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Feststellungsbegehren als unbegründet angesehen. Prüfungsgegenstand sind lediglich die Anordnungen ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung, deren gesetzliche Grundlagen sich als Berufsausübungsregelungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG darstellen. Demgegenüber kann die Klägerin keine gerichtliche Überprüfung auch der ihren Verpflichtungen zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen verlangen. Sie kann sich nicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG berufen. Dieses Grundrecht schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikationsverkehre. Darauf kann sich jedoch die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermittlerin von Telekommunikationsverkehren nicht berufen. Sie trifft keine Verantwortung oder Haftung für die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsanordnung; diese trifft allein die beklagte Bundesrepublik Deutschland. Die gegenüber der Klägerin ergangenen Verpflichtungsanordnungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie legen insbesondere in noch hinreichend bestimmter Weise die Verpflichtung zur Bereitstellung der Datenströme fest, die über die in der Beschränkungsanordnung aufgeführten Übertragungswege abgewickelt werden. Mit ihren gegen die Beschränkungsanordnung gerichteten Einwendungen kann sie die Rechtmäßigkeit der Verpflichtungsanordnung nicht in Frage stellen. Schließlich genügen die gesetzlichen Grundlagen der Verpflichtungsanordnungen den an Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen. Das Gericht hat des Weiteren festgestellt, dass der BND gegenüber der Klägerin eine Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege im Rahmen der durch die Beschränkungsanordnung gesetzten Vorgaben verbindlich treffen kann. BVerwG 6 A 3.16 - Urteil vom 30. Mai 2018","Urteil vom 30.05.2018 - BVerwG 6 A 3.16ECLI:DE:BVerwG:2018:300518U6A3.16.0 EN Verpflichtung eines Telekommunikationsunternehmens zur Mitwirkung an Maßnahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung Leitsätze: 1. Die Verpflichtung eines Telekommunikationsunternehmens nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10, an der Durchführung einer Maßnahme der strategischen Fernmeldeüberwachung mitzuwirken (sog. Verpflichtungsanordnung), ist ein Verwaltungsakt, der von der für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme zuständigen Stelle zu erlassen ist. 2. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG erfasst nicht den von den Kommunikationsteilnehmern eingeschalteten Übermittler ihrer Kommunikation, der verpflichtet ist, die Überwachung zu ermöglichen. Der Übermittler ist gegenüber den Teilnehmern nicht für die Überwachung verantwortlich und haftet dafür nicht. 3. Die gerichtliche Kontrolle einer gegen die Verpflichtungsanordnung gerichteten Klage erstreckt sich nicht auf die der Verpflichtungsanordnung zugrunde liegenden Anordnung der Überwachungsmaßnahme nach § 5 G 10 (sog. Beschränkungsanordnung). Rechtsquellen GG Art. 10, 12, 14 G 10 § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5, § 5 Abs. 1, §§ 9, 10, 11, 15 TKG § 110 TKÜV §§ 26, 27 VwVfG § 35 Satz 1, § 43 Abs. 2 BGB § 133 VwGO §§ 42, 50 Abs. 1 Nr. 4, §§ 43, 113 Abs. 1 Satz 4 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.05.2018 - 6 A 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:300518U6A3.16.0] Urteil BVerwG 6 A 3.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt in Frankfurt am Main einen Internetknotenpunkt, den sog. DE-CIX, in der Rechtsform einer GmbH. Ihr einziger Gesellschafter ist der ""eco - Verband der Internetwirtschaft e.V."", der die Interessen von mehr als 800 Mitgliedsunternehmen der Internetbranche vertritt. 2 Die Klägerin schaltet die Netzwerke von Netzbetreibern zusammen. Auf diese Weise können die leitungsgebundenen Telekommunikationsverkehre zwischen Nutzern verschiedener Netze abgewickelt werden. Die Telekommunikationsverkehre werden dazu in einzelne Datenpakete aufgeteilt. Sodann werden die Datenpakete einzeln adressiert, für den Transport ineinander verpackt, verschickt und beim Empfänger wieder zusammengesetzt. Datenpakete, die aus einem beim DE-CIX angeschlossenen Netz ankommen, werden unverändert in das ebenfalls beim DE-CIX angeschlossene Netz der Zieladresse weitergeleitet. Der DE-CIX besteht aus elf Knotenpunkten (sog. Subknotenpunkte), die unmittelbar oder indirekt miteinander verbunden sind. Jeder Netzbetreiber als Kunde der Klägerin hat bei einem oder mehreren Subknotenpunkten sein Netz mit dem DE-CIX über eine von ihm bei der Klägerin gemietete Leitung und einem gemieteten sog. Port, dem Anschlusspunkt am Subknotenpunkt, verbunden. Damit wird über einen Port nur der aus einem Netz kommende oder für dieses bestimmte Telekommunikationsverkehr abgewickelt. Der von der Klägerin durchgeführte Datentransport findet zwischen den Ports innerhalb eines Subknotenpunktes oder zwischen den Subknotenpunkten statt. Die Klägerin teilt dem Bundesnachrichtendienst monatlich eine Übersicht über ihre Kunden und die von ihnen gemieteten Ports mit. 3 Der Bundesnachrichtendienst beantragte mit jeweils gesondertem Schreiben vom 2. August 2016 beim Bundesministerium des Innern Verlängerungen laufender Beschränkungsmaßnahmen für die Gefahrenbereiche Internationaler Terrorismus und Proliferation/konventionelle Rüstung (nachfolgend: Proliferation) für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis 30. November 2016 sowie den Gefahrenbereich Cyber für den Zeitraum vom 17. September 2016 bis 16. Dezember 2016. Die Anträge enthielten neben der Begründung verschiedene Anlagen. Beigefügt waren auch Entwürfe von Teilanordnungen (nachfolgend: Verpflichtungsanordnungen), mit denen das Bundesministerium des Innern Telekommunikationsunternehmen - wie die Klägerin - zur Mitwirkung an der Durchführung der Überwachungsmaßnahme verpflichten sollte. 4 Nachdem die G 10-Kommission die Beschränkungsanordnungen für zulässig und notwendig erklärt hatte, ordnete das Bundesministerium des Innern am 25. August 2016 antragsgemäß für jeden Gefahrenbereich die Beschränkungsmaßnahme an. In den Beschränkungsanordnungen waren u.a. die Übertragungswege aufgeführt, die von der Überwachungsmaßnahme erfasst waren. Die Übertragungswege im Bereich der Klägerin wurden mit dem Firmennamen der Netzbetreiber, dem jedem Netz als autonomem System zugeordneten und weltweit gültigen AS-Nummer und der ""Lokation"", dem Subknotenpunkt, bezeichnet. Zudem war in der Begründung ausgeführt, dass der Bundesnachrichtendienst die Verpflichteten auffordern sollte, an Übergabepunkten gemäß § 27 Abs. 2 TKÜV eine vollständige Kopie der Telekommunikationen bereitzustellen, die in den angeordneten Übertragungswegen übertragen werden. Beim DE-CIX solle dem Bundesnachrichtendienst eine Kopie der Verkehrsströme ausgewählter angeschlossener Netzbetreiber bereitgestellt werden. Gleichzeitig ordnete das Bundesministerium des Innern die Verpflichtung derjenigen Telekommunikationsunternehmen an, deren Mitwirkung für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme erforderlich war. Die Klägerin erhielt mit Schreiben des Bundesnachrichtendienstes vom 26. August 2016 die Verpflichtungsanordnungen des Bundesministeriums des Innern für die Beschränkungsmaßnahme Internationaler Terrorismus (Nr. F0002/70 C), Proliferation (Nr. F0001/83 C) und Cyber (Nr. T 8-16/2 B). Darin waren der Tenor der jeweils zugrunde liegenden Beschränkungsanordnung, die Übertragungswege, die Geltungsdauer und die berechtigte Stelle aufgeführt. 5 Aufgrund bereits zuvor ergangener Verpflichtungsanordnungen hatte der Bundesnachrichtendienst gegenüber der Klägerin die bei ihr tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege ausgewählt, in Bezug auf welche sie vollständige Kopien der hierüber übertragenen Telekommunikation bereitstellen sollte. Hierzu übersandte er der Klägerin mittels E-Mails vom 13. und 21. Juni 2016 Statustabellen, in denen die Ports der ausgewählten Übertragungswege und die Art der Ausleitungsmethode (""Spiegeln“ oder ""Splitten“) aufgeführt waren. Im Falle des Spiegelns wird der Datenstrom dupliziert und das Duplikat in einen vom Bundesnachrichtendienst gemieteten Port geleitet. Hierfür muss die Klägerin Konfigurationen auf dem DE-CIX-Switch vornehmen. Demgegenüber wird beim Splitten die vom Netzbetreiber gemietete Glasfaserleitung aufgetrennt und ein Y-Stück (Splitter) eingebaut, sodass das durchgeleitete Licht mit einer gewissen Lichtstärke gebrochen und von dort aus der eine Teil des Lichtsignals in eine Glasfaserleitung des Bundesnachrichtendienstes und der andere Teil in den von dem Netzbetreiber gemieteten Port geführt wird. Bei beiden Arten gelangen Kopien der Datenströme in ein Rechenzentrum des Bundesnachrichtendienstes. 6 Am 16. September 2016 hat die Klägerin Anfechtungsklage gegen die Verpflichtungsanordnungen erhoben (Klageantrag zu 1.) und zugleich die Feststellung begehrt, dass der Bundesnachrichtendienst ihr gegenüber nicht verbindlich die tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege mittels Statustabellen auswählen kann (Klageantrag zu 2.). Zur Begründung ihrer Klage macht sie im Wesentlichen geltend, dass sie als verpflichtete Telekommunikationsdiensteanbieterin eine umfassende Prüfung sowohl der Verpflichtungs- als auch der ihnen jeweils zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen verlangen könne. Ihre Verpflichtung setze eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Beschränkungsanordnung voraus. Sie werde in ihren Rechten aus Art. 10, 12 und 14 GG verletzt. Der Schutzbereich von Art. 10 Abs. 1 GG sei aufgrund ihrer Vermittlungsfunktion eröffnet. Die Verpflichtungsanordnungen seien formell rechtswidrig, da ihr der Inhalt der jeweiligen Beschränkungsanordnung und die Befassung der G 10-Kommission nicht in dem gebotenen Umfang mitgeteilt worden seien. Sie seien materiell rechtswidrig, da sich in ihrer Einrichtung kein Übertragungsweg befinde. Zudem seien die Verpflichtungsanordnungen nicht hinreichend bestimmt; insbesondere fehle eine Regelung der Art der Ausleitungsmethode. Die Rechtswidrigkeit der Beschränkungsanordnungen ergebe sich daraus, dass sie die Überwachung in einer Vermittlungseinrichtung, nicht aber an einem Übertragungsweg ermöglichten und die damit verbundene Erfassung der reinen Inlands- und Auslandsverkehre rechtsgrundlos erfolge. § 5 und § 10 G 10 seien ferner mit Art. 10 GG nicht vereinbar, da die Regelungen keine begrenzende Wirkung entfalteten und die Erfassungsbreite der strategischen Fernmeldeüberwachung einen schwerwiegenden, unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff darstelle. Schließlich habe der Bundesnachrichtendienst keine Befugnis, ihre Mitwirkungsverpflichtung verbindlich mittels E-Mails und Statustabellen zu konkretisieren. 7 Während des Klageverfahrens erließ das Bundesministerium des Innern für die beiden nachfolgenden Drei-Monats-Zeiträume jeweils weitere Beschränkungsanordnungen sowie darauf beruhend weitere Verpflichtungsanordnungen. Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2017 hat die Klägerin die sie betreffenden Verpflichtungsanordnungen des Bundesministeriums des Innern vom 24. November 2016 für die Gefahrenbereiche Internationaler Terrorismus (Nr. F0002/71 C) und Proliferation (Nr. F0001/84 C), vom 15. Dezember 2016 für den Gefahrenbereich Cyber (Nr. T 8-16/3 B) sowie vom 16. Februar 2017 für alle drei Gefahrenbereiche (Nr. F0001/85 C, Nr. F0002/72 C und Nr. T 8-16/4 B) in den Klageantrag zu 1. sowie die weiteren E-Mails des Bundesnachrichtendienstes nebst Statustabellen vom 26. Oktober 2016 und 15. März 2017 in den Klageantrag zu 2. einbezogen. Diese Statustabellen haben keine Angaben zur Art der Ausleitungsmethode enthalten. 8 Die Klägerin beantragt zuletzt, 1. festzustellen, dass die Anordnungen des Bundesministeriums des Innern vom 25. August 2016, Nr. F0002/70 C, Anlage K 1; vom 25. August 2016, Nr. F0001/83 C, Anlage K 2; vom 25. August 2016, Nr. T 8-16/2 B, Anlage K 3; vom 24. November 2016, Nr. F0001/84 C, Anlage K 23; vom 24. November 2016, Nr. F0002/71 C, Anlage K 24 sowie vom 15. Dezember 2016, Nr. T 8-16/3 B, Anlage K 25 und vom 16. Februar 2017, Nr. F0001/85 C, Anlage K 26; Nr. F0002/72 C, Anlage K 27 und Nr. T 8-16/4 B, Anlage K 28 rechtswidrig waren; 2. festzustellen, dass die Klägerin durch die per E-Mails vom 13. Juni 2016, 21. Juni 2016, 26. Oktober 2016 und 15. März 2017, Anlagen K 4, K 29 und K 30, übersandten Statustabellen, Anlagen Konvolute K 5 und K 31, nicht zur Umsetzung von Maßnahmen der Fernmeldeüberwachung verpflichtet wird. 9 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Die Klägerin könne sich nur auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Die Verpflichtung berühre sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Dies rechtfertige allein eine Überprüfung der Verpflichtungsanordnung. Eine gerichtliche Kontrolle auch der Beschränkungsanordnungen könne die Klägerin nicht verlangen. Ein derart weitgehendes Prüfungsrecht widerspreche dem Regelungszweck des Gesetzes, dem Bundesnachrichtendienst den Zugriff auf die Übertragungswege ohne weitere Behinderung zu ermöglichen. Die Verpflichtungsanordnungen seien rechtmäßig. Eine weitergehende Begründung dieser Anordnungen sei aus legitimen Geheimhaltungsinteressen ausgeschlossen. Die Anordnungen seien vor allem hinsichtlich der zu überwachenden Übertragungswege hinreichend bestimmt. Die Art der Ausleitung der Datenströme bestimme die Klägerin. Die Regelungen in § 5 und § 10 G 10 seien aufgrund des Bedrohungspotentials in den Gefahrenbereichen mit Art. 10 GG vereinbar und verhältnismäßig. Die Klägerin könne eine in der Sache nicht gegebene Miterfassung des reinen Inlandsverkehrs bzw. eine Rechtswidrigkeit der Erfassung des reinen Auslandsverkehrs nicht rügen. Der Bundesnachrichtendienst sei zu einer verbindlichen Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege berechtigt. 11 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2018, den Schriftverkehr im gerichtlichen Verfahren und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. II 12 Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug für die Entscheidung über die Klage zuständig, weil ihr Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen. Die aus Gründen des Geheimnisschutzes weit auszulegende Zuständigkeitsregelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 25) erfasst nicht nur Klagen gegen die vom Bundesnachrichtendienst nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254), hier anwendbar in der seit dem 21. November 2015 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938), beantragten Anordnungen von Maßnahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 und § 10 G 10. Vielmehr zählen hierzu auch die Klagen eines zur Mitwirkung an einer derartigen Überwachungsmaßnahme verpflichteten Telekommunikationsunternehmens gegen die Anordnung seiner Inpflichtnahme sowie gegen die Auswahl der tatsächlich überwachten Übertragungswege durch den Bundesnachrichtendienst. 13 Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin mit ihrem Fortsetzungsfeststellungsbegehren (unter 1.) und dem Feststellungsbegehren (unter 2.) erfolglos bleibt. 14 1. Das mit der Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgte Begehren der Klägerin festzustellen, dass die ihr gegenüber ergangenen Verpflichtungsanordnungen rechtswidrig waren, bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist zulässig (a), aber unbegründet (b). 15 a) Gegen die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bestehen keine Bedenken. 16 aa) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist statthaft. Anders als die auf § 5 und § 10 G 10 beruhende Beschränkungsanordnung, bei der es sich um eine an den Bundesnachrichtendienst gerichtete Ermächtigung mit verpflichtendem Charakter handelt, die vorgesehenen Beschränkungen durchzuführen (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 27), konkretisiert die darauf aufbauende, an den Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen oder daran Mitwirkenden gerichtete Verpflichtungsanordnung des Bundesministeriums des Innern rechtsverbindlich dessen gesetzliche Mitwirkungspflichten aus § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10. Damit erfüllt sie alle Merkmale eines Verwaltungsakts i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG. Erst die Inpflichtnahme des Telekommunikationsdiensteanbieters verschafft der Beklagten die erforderliche Zugriffsmöglichkeit auf die bei dem verpflichteten Unternehmen vorhandenen Telekommunikationsverkehre. Das macht es erforderlich, die Mitwirkungsverpflichtung des Unternehmens vor Beginn der angeordneten Überwachungsmaßnahme zu konkretisieren, und hat zugleich zur Folge, dass die Verpflichtungsanordnung ihren Geltungsanspruch durch Zeitablauf i.S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG verliert, sobald die Geltungsdauer der ihr zugrunde liegenden Beschränkungsanordnung abgelaufen ist. 17 Die Klägerin hat daher zu Recht zunächst gegen die Verpflichtungsanordnungen vom 25. August 2016 und 16. Februar 2017 Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO erhoben und den Antrag sodann nach Ablauf der Geltungsdauer der zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen auf die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt. Ebenso konnte die Klägerin in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Verpflichtungsanordnungen vom 24. November 2016 und 15. Dezember 2016 aufgrund der bereits eingetretenen Erledigung mit Schriftsatz vom 15. Mai 2017 in den Fortsetzungsfeststellungsantrag einbeziehen. Die Erweiterung des Klagebegehrens mit diesem Schriftsatz ist sachdienlich (§ 91 VwGO) und nach § 44 VwGO zulässig. 18 bb) Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung lagen die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage vor. Die Klägerin kann als Adressatin der Verpflichtungsanordnungen gemäß § 42 Abs. 2 VwGO jedenfalls geltend machen, in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit verletzt zu sein. Die der Klägerin auferlegten Pflichten schränken ihre Berufsausübung ein, da deren Erfüllung die Inanspruchnahme ihrer personellen und sächlichen Ressourcen sowie ihres Sachverstandes bedingt. Da die Verpflichtungsanordnungen nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen waren, lief nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zum Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. der Einbeziehung in das Klageverfahren noch die Jahresfrist. Die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO entbehrlich. Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO besteht aufgrund der Wiederholungsgefahr. Es ist anzunehmen, dass die Beklagte gleichartige Verpflichtungsanordnungen auch zukünftig erlassen wird. 19 cc) Der erstmals in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erhobene Einwand, die Überwachung des Bundesnachrichtendienstes beim DE-CIX im Rahmen der Beschränkungsanordnungen erfasse auch ihre eigenen Telekommunikationsverkehre, kann nicht mit der gegen die Verpflichtungsanordnungen gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht werden. Die von einer Überwachungsmaßnahme nach § 5 Abs. 1 G 10 Betroffenen sind darauf verwiesen, Feststellungsklage nach § 43 VwGO zu erheben mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Überwachungsmaßnahme feststellen zu lassen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 26). Hierzu bedarf es eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses, das bei einem feststellbaren Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis gegeben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 A 9.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​141216U6A9.14.0] - BVerwGE 157, 8 Rn. 13 ff.). Die Klägerin hat eine solche Feststellungsklage nicht erhoben. Sie kann deren Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht dadurch umgehen, dass sie in ihrer Eigenschaft als nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 in die Pflicht genommenes Unternehmen Klage gegen die Verpflichtungsanordnungen erhebt und im Zuge dieses Verfahrens Rechte als betroffener Kommunikationsteilnehmer geltend macht. 20 b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unbegründet, da die Verpflichtungsanordnungen der Beklagten rechtmäßig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). 21 Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf die streitgegenständlichen Verpflichtungsanordnungen; eine inzidente Prüfung der ihnen zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen findet nicht statt (aa). Die Verpflichtungsanordnungen haben ihre Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10 (bb). Sie sind weder formell (cc) noch materiell-rechtlich (dd) rechtswidrig. Die Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Verpflichtungsanordnungen sind mit der in Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit vereinbar (ee). 22 aa) Der Umfang der gerichtlichen Kontrollbefugnis richtet sich nach § 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO danach, ob die Klägerin durch einen hoheitlichen Akt in ihren Rechten verletzt werden kann. Deshalb unterliegen die Verpflichtungsanordnungen der vollständigen gerichtlichen Kontrolle, da sie die Klägerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzen können (s. oben II 1. a). Demgegenüber berühren die ihnen zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Rechtsstellung der Klägerin nicht. Auch kann sich die Klägerin nicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG berufen. Die Beschränkungsanordnungen unterliegen daher nicht der gerichtlichen Kontrolle im vorliegenden Verfahren. 23 (1) Die Beschränkungsanordnungen verletzen die Klägerin nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Voraussetzung für einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist, dass die Regelungen der Überwachungsanordnung nach § 5 Abs. 1 G 10 in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (zu diesen Anforderungen BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 - BVerfGE 137, 350 Rn. 69 sowie Nichtannahmebeschluss vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 - NVwZ 2012, 1535 <1536>; BVerwG, Urteil vom 20. März 2018 - 6 C 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​200318U6C1.17.0] - NJW 2018, 1704 Rn. 24). Dies ist nicht der Fall. Der sich aus § 5 G 10 ergebende Regelungsgehalt der Überwachungsanordnung weist - anders als die Verpflichtungsanordnung - keine berufsregelnde Tendenz auf, da sie die sachbezogene Befugnis zur Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses aus Anlass einer konkreten Überwachungsmaßnahme enthält (s. oben II 1. a) und sich nicht an das verpflichtete Unternehmen richtet. Sie ermächtigt die berechtigte Stelle zur Durchführung der Überwachungsmaßnahme, legt aber dem nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10 zu verpflichtenden Telekommunikationsdiensteanbieter keine Mitwirkungspflichten auf, die seine Berufsausübung betreffen. Eine solche Eingriffswirkung entfaltet erst die zur Durchführung der Überwachungsmaßnahme erlassene Verpflichtungsanordnung. 24 (2) Der durch die Beschränkungsanordnungen gestattete Eingriff in das Fernmeldegeheimnis berührt die Rechtsstellung der Klägerin nicht. Sie kann sich in ihrer Eigenschaft als Betreiberin einer Vermittlungseinrichtung nicht auf den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG berufen, da dieses Grundrecht nicht den Übermittler der Kommunikation schützt. 25 Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistet das Telekommunikationsgeheimnis, das die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309> m.w.N.) vor einer Kenntnisnahme durch die öffentliche Gewalt schützt (BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <358> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309>). Das Grundrecht dient der Aufrechterhaltung der Bedingungen einer freien Kommunikation. Sein Schutzbereich erfasst nicht nur die Inhalte der Kommunikation, sondern auch die Vertraulichkeit der näheren Umstände des Kommunikationsvorgangs (BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <358>; vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 348/99 - BVerfGE 107, 299 <312 f.> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309>; Beschluss vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78 - BVerfGE 67, 157 <172>). Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich möglich sein. Mit dem Grundrechtsschutz des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnis über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen (vgl. BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <359> und vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 348/99 - BVerfGE 107, 299 <313>). 26 Der Schutz umfasst sämtliche mit Hilfe der Telekommunikationstechniken einschließlich des Internets erfolgenden Übermittlungen von Informationen, unabhängig davon, wer Betreiber der Übertragungs- und Vermittlungseinrichtungen ist (vgl. BVerfG, Urteile vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 348/99 - BVerfGE 107, 299 <313> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309>; Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - BVerfGE 124, 43 <54> und vom 13. November 2010 - 2 BvR 1124/10 - WM 2011, 211 <212>). Die Schutzwirkung erstreckt sich auch auf die Informations- und Datenverarbeitungsprozesse, die sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließen, und auf den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl. BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <359> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <309 f.>). Ferner vermittelt Art. 10 GG den Grundrechtsträgern grundsätzlich einen Anspruch auf Kenntnis von Maßnahmen der Fernmeldeüberwachung, die sie betroffen haben (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <361>). 27 Der Grundrechtsschutz des Art. 10 Abs. 1 GG bezieht sich hiernach nicht auf die Übermittlung der Daten als solche und damit auf den Übermittler der Kommunikation, sondern auf die mittels Telekommunikationstechniken ausgetauschten Kommunikationen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <358>), deren Vertraulichkeit gewährleistet wird. Träger dieses Grundrechts sind die Kommunikationsteilnehmer. Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG knüpft an diese Grundrechtsträger und deren Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. August 2006 - 2 BvR 1345/03 - BVerfGK 9, 62 <75>; vom 16. Juni 2009 - 2 BvR 902/06 - BVerfGE 124, 43 <55 f.> und vom 13. November 2010 - 2 BvR 1124/10 - WM 2011, 211 <212>). Eine Geltendmachung der Rechte der Kommunikationsteilnehmer durch die Klägerin als Sachwalterin scheidet daher ebenso aus wie die Annahme, der Klägerin könnten die Telekommunikationsverkehre als eigene zugerechnet werden. Letzteres kommt ohnehin nicht in Betracht, weil die Klägerin auf den Inhalt der Kommunikation und deren Umstände keinen Einfluss hat und sich ihre Tätigkeit auf die rein technische Durchleitung der Kommunikationsverkehre beschränkt. 28 Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation vor einer staatlichen Kenntnisnahme gebietet es auch nicht, bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs auf der Grundlage von § 5 G 10 die von den Grundrechtsträgern eingeschalteten Übermittler ihrer Kommunikation in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG einzubeziehen. Denn den zur Mitwirkung bei der Durchführung strategischer Beschränkungsmaßnahmen verpflichteten Telekommunikationsdienstleistern kommt lediglich die Funktion von Hilfspersonen zu, deren Inpflichtnahme für die nachrichtendienstliche Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden erforderlich ist (zum Begriff der Inpflichtnahme s. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 91 Rn. 48 ff.). Der Staat ordnet die Beschränkungsmaßnahme und den damit verbundenen Eingriff an, ohne dass dem nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 Verpflichteten ein Handlungsspielraum hinsichtlich des ""Ob"" der Mitwirkung an der angeordneten Beschränkungsmaßnahme zukommt. Die Verpflichteten haben ihrer Mitwirkungsverpflichtung die Überwachungsmaßnahme so zugrunde zu legen, wie sie in der Beschränkungsanordnung festgelegt ist. Die Erfassung der Telekommunikationsverkehre auf der Grundlage einer solchen Überwachungsanordnung nach § 5 Abs. 1 G 10 ist daher allein der Beklagten zuzurechnen, die die Verantwortung hierfür trägt (s. dazu BVerfG, Urteile vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 348/99 - BVerfGE 107, 299 <313 f.> und vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <311>). Das verpflichtete Telekommunikationsunternehmen trägt keine Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme und haftet nicht für deren Rechtswidrigkeit gegenüber seinen Kunden. 29 Die fehlende Verantwortung des verpflichteten Telekommunikationsunternehmens ist vor dem Hintergrund der im Jahre 1994 abgeschlossenen Privatisierung des Fernmeldewesens zu sehen. Die Bedingungen für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs haben sich geändert. An die Stelle der nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG in der bis zum 2. September 1994 geltenden Fassung zur bundeseigenen Verwaltung gehörenden Deutschen Bundespost, die nach dem bis zum 31. Dezember 1994 geltenden § 1 Abs. 1 Satz 1 des Fernmeldeanlagengesetzes das Fernmeldemonopol innehatte, sind nach Abschluss der Postreform die privaten Diensteanbieter getreten. Während vor der Postreform die Daten, auf die im Rahmen der Überwachung zugegriffen werden sollte, sich noch in der Herrschaftsgewalt der Deutschen Bundespost befanden und so für die Nachrichtendienste ein einfacherer und erleichterter Zugriff möglich war (vgl. dazu BT-Drs. V/1880 S. 9 sowie BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78 - BVerfGE 67, 157 <172> und vom 25. März 1992 - 1 BvR 1430/88 - BVerfGE 85, 386 <396 f.>), muss die Beklagte nunmehr auf die Daten in der Verfügungsgewalt privater Telekommunikationsunternehmen zugreifen. Der Gesetzgeber hat den geänderten Bedingungen dadurch Rechnung getragen, dass er aufgrund der objektiv-rechtlichen Dimension des Art. 10 Abs. 1 GG in Erfüllung seiner Schutzpflicht den Telekommunikationsunternehmen nach den §§ 88, 109 und 109a des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) i.d.F. des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1818 - TKG) die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses sowie weitere Verpflichtungen zum Schutze der Vertraulichkeit der übermittelten Verkehre zu Gunsten der Kommunikationsteilnehmer auferlegt hat (vgl. dazu Mayen, in: Scheurle/Mayen [Hrsg.], TKG, 3. Aufl. 2018, § 88 Rn. 15; Bock, in: Geppert/Schütz [Hrsg.], Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 88 Rn. 4). Diese Schutzpflichten sind am Maßstab des Art. 10 Abs. 1 GG erforderlich, aber auch ausreichend; einer Einbeziehung der Inhaber von Übermittlungs- und Vermittlungseinrichtungen in den Schutzbereich des Grundrechts bedarf es darüber hinaus nicht. 30 Die fehlende Verantwortung und Haftung unterscheidet die Klägerin von einem Presse-Grossisten. Dieser kann sich auf den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Schutz der Freiheit des Pressewesens berufen, da er nach den gesetzlichen Vorschriften für eine Verletzung des unter Strafandrohung gestellten Verbots, nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften jugendgefährdende Schriften zu vertreiben, einzustehen und daher die von ihm vertriebenen Schriften einer Prüfung zu unterziehen hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1548/82 - BVerfGE 77, 346 <354>). Ebenso wenig ist die Tätigkeit der Klägerin mit der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten vermittelnden Tätigkeit eines Verlages im Wirkbereich der Kunst (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1783/05 - BVerfGE 119, 1 <22>), mit der von Art. 8 GG erfassten Stellung eines Versammlungsveranstalters (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 BvR 2492/08 - BVerfGE 122, 342 <358 f.>) oder mit den von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftsfreiheit gewährleisteten Stellung der Universitäten und Fakultäten (dazu BVerfG, Beschlüsse vom 16. Januar 1963 - 1 BvR 316/60 - BVerfGE 15, 256 <262> und vom 27. Juni 2013 - 1 BvR 1501/13 - NVwZ 2013, 1145 <1146>) vergleichbar. 31 bb) Die Verpflichtungsanordnungen beruhen auf § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 hat, wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt, der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über die näheren Umstände der nach Wirksamwerden der Anordnung durchgeführten Telekommunikation zu erteilen, Sendungen, die ihm zur Übermittlung auf dem Telekommunikationsweg anvertraut sind, auszuhändigen sowie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen. Ermöglichen im Sinne der letztgenannten Verpflichtung bedeutet, dass das verpflichtete Unternehmen die Voraussetzungen für die Überwachung und Aufzeichnung zu schaffen hat. Den gesetzlichen Rahmen für die Vorkehrungen, die das Unternehmen zur Erfüllung dieser Mitwirkungsverpflichtung für die technische und organisatorische Umsetzung zu treffen hat, legt § 2 Abs. 1 Satz 5 G 10 fest. Diese Norm verweist auf § 110 TKG und die dazu erlassene Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (Telekommunikations-Überwachungsverordnung - TKÜV) in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2005 (BGBl. I S. 3136), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3083). Die dort normierten Handlungs- und Duldungspflichten sind von dem verpflichteten Unternehmen zu erfüllen, soweit dies erforderlich ist, damit die berechtigte Stelle die angeordnete Überwachung durchführen kann. 32 cc) Die Verpflichtungsanordnungen sind formell rechtmäßig. Zuständig für ihren Erlass ist die für die Anordnung der Beschränkungsmaßnahme nach § 10 Abs. 1 G 10 zuständige Stelle (hier das Bundesministerium des Innern), da nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 die Verpflichtung nur ""auf Anordnung"" erfolgen kann. 33 Die Verpflichtungsanordnungen wurden ordnungsgemäß bekannt gegeben. Die Bekanntgabe muss von der zuständigen Behörde veranlasst, nicht aber notwendigerweise von ihr selbst vorgenommen werden; ausreichend ist, wenn sie auf Veranlassung der erlassenden Behörde und mit deren Wissen und Wollen durch eine andere Behörde erfolgt (BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 - 1 B 129.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11 S. 20; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 41 Rn. 7). So verhält es sich hier. Die Verpflichtungsanordnungen sind auf Veranlassung des Bundesministeriums des Innern vom Bundesnachrichtendienst der Klägerin übersandt worden. 34 Die Beklagte hat der Klägerin mit den Verpflichtungsanordnungen nach § 10 Abs. 6 Satz 1 G 10 die jeweils zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen insoweit mitgeteilt, als dies erforderlich ist, um ihr die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu ermöglichen. Da sich die Verpflichtung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 auf die Durchführung der Maßnahme bezieht, sind dem Verpflichteten die für den Umfang der Überwachungsmaßnahme betreffenden Angaben aus der Beschränkungsanordnung mitzuteilen. In den Fällen des § 5 G 10 bedarf es nur der Mitteilung des Grundes der Beschränkungsmaßnahme i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 1 bis 8 G 10, ihrer Dauer, der von der Anordnung erfassten Übertragungswege sowie der zur Überwachung berechtigten Stelle. Diesen Anforderungen hat die Beklagte Rechnung getragen. Die Klägerin hat mit jeder Verpflichtungsanordnung von dem Anordnungsschreiben, das der Überwachungsmaßnahme zugrunde liegt, Kenntnis erhalten, aus dem sich Grund und Dauer der Maßnahme, die jeweils erfassten Übertragungswege sowie die berechtigte Stelle ergeben. 35 Weitergehende Angaben waren der Klägerin nicht mitzuteilen, da sie für die Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung keine Bedeutung haben. Die von der Überwachungsmaßnahme erfassten internationalen Kommunikationsbeziehungen (s. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10) betreffen den Gegenstand der Überwachung, nicht aber ihre technische Durchführung. Ebenso wenig muss die Mitteilung Angaben über die nach § 15 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 G 10 erforderliche Befassung der G 10-Kommission vor Vollzug der Überwachungsanordnung enthalten. Die Befassung der G 10-Kommission dient der prozeduralen Absicherung der Rechtmäßigkeit heimlicher staatlicher Überwachungsmaßnahmen und damit dem Schutz der von den Überwachungsmaßnahmen Betroffenen, indem sie über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von konkreten Beschränkungsmaßnahmen entscheidet (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvE 5/15 - BVerfGE 143, 1 Rn. 54), aber nicht dem Schutz des verpflichteten Telekommunikationsunternehmens. Als verfahrensrechtliches Instrument der Absicherung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsanordnung ist sie nicht mit einer Überwachungsgenehmigung gleichzustellen. Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 4. Dezember 2015 - 47143/06 - (NLMR 6/2015-EGMR Rn. 269 ff.), wonach bei der geheimen Überwachung von Privatpersonen den Betreibern von Kommunikationsdiensten vor einem Zugriff auf die Daten durch die Sicherheitsbehörden die Überwachungsgenehmigung zur Kenntnis zu geben ist, führt mangels Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht weiter. 36 dd) Die Verpflichtungsanordnungen genügen in materieller Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Klägerin kann nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 verpflichtet werden (1). Der Regelungsgehalt der Verpflichtungsanordnungen erstreckt sich in noch hinreichend bestimmter Weise auf die Pflicht, die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen und die auf den Übertragungswegen abgewickelte Telekommunikation dem Bundesnachrichtendienst als Kopie bereitzustellen (2). Der Bestimmung der Art der Ausleitungsmethode bedurfte es in den Verpflichtungsanordnungen nicht (3). Ferner kann die Klägerin nicht geltend machen, die durch die Beschränkungsanordnung zugelassene Überwachung betreffe keine Übertragungswege (4). 37 (1) Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 kann verpflichtet werden, wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Zur Bestimmung des Adressatenkreises einer Verpflichtungsanordnung kann auf die Legaldefinitionen des Telekommunikationsgesetzes zurückgegriffen werden (vgl. Huber, in: Schenke/Graulich/Ruthig [Hrsg.], Sicherheitsrecht des Bundes, 1. Aufl. 2014, § 2 G 10 Rn. 10 f.). Telekommunikationsdienste sind nach § 3 Nr. 24 TKG in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen. Geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten ist das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht (§ 3 Nr. 10 TKG). In diesem Sinne wirkt die Klägerin jedenfalls an der geschäftsmäßigen Erbringung von Telekommunikationsdiensten mit, weil sie die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen und damit die netzübergreifende Übertragung von Signalen ermöglicht. § 26 TKÜV steht der Annahme, dass die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 verpflichtet werden kann, nicht entgegen. Nach § 26 Abs. 1 TKÜV gelten die §§ 26 ff. TKÜV für Betreiber von Telekommunikationsanlagen, die der Bereitstellung von internationalen leitungsgebundenen Telekommunikationsbeziehungen dienen, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt und Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbracht werden. Die Klägerin betreibt im Sinne dieser Norm eine Telekommunikationsanlage, da sie mit der technischen Einrichtung des DE-CIX als Nachrichten identifizierbare optische Signale vermittelt (s. § 3 Nr. 23 TKG). Diese Anlage dient der Bereitstellung internationaler leitungsgebundener Telekommunikationsbeziehungen i.S.v. § 26 Abs. 1 TKÜV, da die Vermittlung im Rahmen einer gebündelten Übertragung erfolgt und im Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit steht (vgl. § 3 Nr. 17a TKG sowie zum Begriff der Öffentlichkeit BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 2 Rn. 30 ff.; Lünenbürger/Stamm, in: Scheurle/Mayen [Hrsg.], TKG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 40, 47). 38 (2) Die inhaltlich hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts setzt gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG voraus, dass die von der Behörde getroffene Regelung für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 <284>). 39 Gemessen hieran sind die Verpflichtungsanordnungen noch hinreichend bestimmt. Sie enthalten zwar weder einen Tenor, in dem die einzelnen Verpflichtungen aufgeführt sind, noch eine Begründung. Ihrem Wortlaut lässt sich aber entnehmen, dass die Klägerin als Verpflichtete an der Durchführung der jeweils zugrunde liegenden Beschränkungsanordnung mitzuwirken hat. Sie bezeichnen die Klägerin als Verpflichtete und benennen eine konkrete Überwachungsmaßnahme, auf die sich die Verpflichtung bezieht. Darüber hinaus erweisen sich die Verpflichtungsanordnungen hinsichtlich ihres konkreten Regelungsgehalts als auslegungsbedürftig, da sie nicht ohne Weiteres erkennen lassen, welche der in § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 enthaltenen Verpflichtungen und hieran anknüpfenden Handlungs- und/oder Duldungspflichten die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 5 G 10 i.V.m. § 110 TKG und § 27 TKÜV zu erfüllen hat. Nach § 133 BGB kommt es für die Auslegung nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände bei objektiver Betrachtung verstehen musste; zu bestimmen ist der objektive Erklärungsgehalt der Maßnahme (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​210617U6C3.16.0] - BVerwGE 159, 148 Rn. 14 m.w.N.). 40 Den streitgegenständlichen Verpflichtungsanordnungen gingen vergleichbare Verpflichtungsanordnungen voraus, die bereits umgesetzt wurden. Wenn das Bundesministerium des Innern in dieser Situation erneut Verpflichtungsanordnungen gegenüber der Klägerin erlässt und diese als ""Verpflichteter Telekommunikationsanbieter"" bezeichnet, knüpft es für die Klägerin ersichtlich an die bisherige Praxis an. Es lässt sich aufgrund dessen erkennen, dass die Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 verpflichtet ist, die Überwachung und Aufzeichnung zu ermöglichen und dem Bundesnachrichtendienst gemäß § 2 Abs. 1 Satz 5 G 10 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG, § 27 Abs. 2 TKÜV eine vollständige Kopie der auf den angeordneten Übertragungswegen abgewickelten Telekommunikationen an dem jeweiligen Subknotenpunkt der Klägerin als Übergabepunkt im Inland bereitzustellen hat. 41 Eine weitergehende Pflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TKG, § 27 Abs. 3 TKÜV zur Duldung des Aufstellens und Betriebs von Geräten des Bundesnachrichtendienstes in ihren Räumlichkeiten wird der Klägerin mit den Verpflichtungsanordnungen nicht auferlegt und musste ihr auch nicht auferlegt werden. Hintergrund dieser Duldungspflicht ist, dass dem Bundesnachrichtendienst nur die Telekommunikation zur Auswertung zugeleitet werden soll, die das durch die Anordnung bestimmte Zielgebiet betrifft und zwar nur in dem gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 und 4 G 10 festgesetzten Umfang. Ein Aussortieren der Telekommunikationsverkehre durch den verpflichteten Betreiber kommt nicht in Betracht, es obliegt allein dem Bundesnachrichtendienst. Der Einsatz ""versiegelter"" Geräte in den Räumlichkeiten des verpflichteten Unternehmens ist eine von mehreren technischen Möglichkeiten, um dem Bundesnachrichtendienst dieses Aussortieren zu ermöglichen und erfordert deshalb die Normierung einer entsprechenden Duldungspflicht. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der Begründung zum Entwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (s. S. 6 zu § 27 Abs. 2 TKÜV-E). 42 Die Auferlegung einer solchen Duldungspflicht des nach § 2 Abs. 1 Satz 3 G 10 Verpflichteten steht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 5 G 10 unter dem Vorbehalt, dass die Erfüllung der Mitwirkungspflicht die Duldung des Einsatzes solcher Geräte in den Räumlichkeiten des Verpflichteten erfordert. Die Regelung soll gewährleisten, dass die Betreiber von Fernmeldeanlagen ihre technischen Einrichtungen so gestalten können, dass sie mit dem Angebot von Dienstleistungen auch die Überwachung entsprechend den Anforderungen der berechtigten Stelle ermöglichen können (BT-Drs. 12/6853 S. 43). Da jede aufzuerlegende Handlungs- und Duldungspflicht einen selbständigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin darstellt, ist § 2 Abs. 1 Satz 5 G 10 dahin auszulegen, dass den Eingriff intensivierende Handlungs- und Duldungspflichten nach Maßgabe von § 110 TKG und § 27 TKÜV nur dann auferlegt werden können, wenn sie sich für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme als notwendig erweisen. Können - wie hier - die zu überwachenden Telekommunikationsverkehre jedoch unmittelbar in ein Rechenzentrum des Bundesnachrichtendienstes geleitet werden, reicht die Auferlegung der Bereitstellungspflicht nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 TKÜV aus. Denn auch in diesem Fall obliegt die Einhaltung der in der Beschränkungsanordnung festgelegten Vorgaben, welches Zielgebiet und welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf, dem Bundesnachrichtendienst. Dieser hat hierfür geeignete Geräte einzusetzen, die solche Telekommunikation spurenlos vernichtet, die nicht von der Anordnung umfasst ist (S. 6 der Begründung zum Entwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Überwachungsverordnung zu § 27 Abs. 1 TKÜV-E, wonach die Überprüfung, ob der Bundesnachrichtendienst diese Vorgaben einhält, durch die durch das G 10 bestimmten Kontrollgremien erfolgt). 43 (3) Am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes bestehen keine Bedenken, dass die Verpflichtungsanordnungen nicht die Art der Ausleitungsmethode festlegen. Ein Verwaltungsakt kann lediglich das Ziel der Maßnahme vorgeben und die Wahl der Mittel dem Adressaten überlassen, wenn das Mittel sich aus der Sicht des Adressaten von selbst versteht oder der Verwaltungsaktadressat in der Lage ist, das Mittel selbst festzulegen und dieses zur Zielerreichung geeignet ist (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 27. Mai 1983 - 7 C 41.80 - NVwZ 1984, 724 <725> und vom 25. Februar 1992 - 1 C 7.90 - BVerwGE 90, 53 <54>). So verhält es sich hier. 44 Als Arten der Ausleitung kommen sowohl das ""Spiegeln"" als auch das ""Splitten"" in Betracht. Im streitgegenständlichen Zeitraum sind zunächst noch beide Arten praktiziert worden. Zuletzt wurden dem Bundesnachrichtendienst die vollständigen Kopien der auf den überwachten Übertragungswegen abgewickelten Telekommunikationsverkehre allein aufgrund des Splittens des Lichtsignals zugeleitet. Da nach den übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung beide Arten gleichermaßen geeignet und andere Methoden zwar denkbar, aber nicht praktikabel sind, ist die Klägerin in der Lage, das Mittel zur Erfüllung ihrer Bereitstellungspflicht selbst festzulegen. 45 (4) Die Klägerin kann die Rechtmäßigkeit der Verpflichtungsanordnungen nicht mit dem Argument infrage stellen, die Ausleitung der Datenströme erfolge nicht an Übertragungswegen. Die von einer Überwachungsmaßnahme nach § 5 Abs. 1 G 10 erfassten Übertragungswege sind nach § 10 Abs. 4 Satz 2 G 10 in der Beschränkungsanordnung zu bestimmen. Sie sind gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 G 10 für die Berechnung des Anteils an der Übertragungskapazität erforderlich, die ihnen zur Verfügung steht. Auch § 27 Abs. 2 TKÜV geht hiervon aus, weil die Pflicht zur Bereitstellung der vollständigen Kopie der Telekommunikation sich auf die ""in der Anordnung bezeichneten Übertragungswege"" bezieht. Da die Beschränkungsanordnungen die Rechtsstellung der Klägerin nicht berühren (s. oben II 1. b, aa), hat sie bei der Erfüllung ihrer Mitwirkungsverpflichtung die Überwachungsmaßnahme so zugrunde zu legen, wie sie in der Beschränkungsanordnung vorgesehen ist. 46 Im Übrigen findet die Ausleitung der Telekommunikation tatsächlich an einem Übertragungsweg statt. Übertragungswege sind die Telekommunikationsleitungen, über die derjenige Datenstrom geleitet wird, der nach Verdoppelung dem Bundesnachrichtendienst zugeleitet werden soll (s. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 24). Zu ihrer Bestimmung kann auf die Definition in § 3 Nr. 28 TKG zurückgegriffen werden. Es handelt sich um Telekommunikationsanlagen in Form von Kabel- oder Funkverbindungen mit ihren übertragungstechnischen Einrichtungen als Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunktverbindungen mit einem bestimmten Informationsdurchsatzvermögen einschließlich ihrer Abschlusseinrichtungen. Sie sind von End- und Vermittlungseinrichtungen abzugrenzen, die an den Übertragungsweg anschließen (vgl. Lünenbürger/Stamm, in: Scheurle/Mayen [Hrsg.], TKG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 81 f.). Übertragungswege sind zudem notwendiger Bestandteil eines Telekommunikationsnetzes (vgl. nur Schütz, in: Geppert/Schütz, Beck´scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 3 Rn. 86 f.). Die Ausleitung der überwachten Telekommunikationsverkehre wird im hier vorliegenden Fall an den von dem Netzbetreiber gemieteten Leitungen vorgenommen. Diese Leitungen befinden sich zwar im Herrschaftsbereich der Klägerin. Jedoch werden auf ihnen Telekommunikationsverkehre nur desjenigen Netzes abgewickelt, dessen Betreiber die Leitung und den Portanschluss gemietet hat. Die Leitung, auf die der Bundesnachrichtendienst zugreift, ist somit demjenigen Übertragungsweg des Netzbetreibers zuzuordnen, auf dem die von einem Absender in den Verkehr gebrachte Telekommunikation an den DE-CIX übermittelt wird. Die Beschränkungsanordnungen sehen die Überwachung sämtlicher Leitungen vor, die von einem Netzbetreiber für sein mit der AS-Nummer identifiziertes Netz an einem über die Lokation bezeichneten Subknotenpunkt gemietet worden sind. 47 ee) Gegen die Mitwirkungsverpflichtung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10 bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Als Maßstab kommt die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit, nicht aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht. Die Mitwirkungsverpflichtung greift nicht in eigentumsrechtlich geschützte Rechtspositionen ein, zu denen die Möglichkeit der mitwirkungsbedingten Minderung von Umsatz- oder Gewinnchancen ohnehin nicht zählen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1997 - 2 BvR 1915/91 - BVerfGE 95, 173 <187 f.>). 48 Die Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10 ermöglichen der Beklagten, die personellen und sächlichen Ressourcen sowie das vorhandene Wissen des verpflichteten Unternehmens in Anspruch zu nehmen und auf die im Zuge der Berufsausübung dort vorhandenen Telekommunikationsverkehre zuzugreifen. Sie stehen daher in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs der Klägerin, lassen objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen und greifen in die Berufsfreiheit ein. 49 Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Er ist durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <360> m.w.N.). 50 Die Mitwirkungsverpflichtung legitimiert sich aus der Zielsetzung der strategischen Fernmeldeüberwachung. Sie dient nach ihrem gesetzlichen Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen über bestimmte, von außen auf die Bundesrepublik Deutschland zukommende Gefahren. Sie ist ein Hilfsmittel des Bundesnachrichtendienstes, um diese Gefahren aufzuklären und die gewonnenen Erkenntnisse in Lageberichte, Analysen und Berichte über Einzelvorkommnisse umzusetzen, deren Adressat die Bundesregierung ist; diese soll in den Stand versetzt werden, die Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und ihnen (politisch) zu begegnen (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 29). Die strategische Fernmeldeüberwachung stützt sich damit auf vernünftige Gründe des Allgemeinwohls, für deren Förderung sie geeignet und auch notwendig ist. Weniger eingreifende Regelungen, die ebenso effektiv sind, sind nicht ersichtlich. Da die internationalen Telekommunikationsbeziehungen seit der Privatisierung des Telekommunikationssektors nicht mehr über staatliche Einrichtungen abgewickelt werden, ist die Beklagte ohne Zugriffsmöglichkeit und ohne Mitwirkung der verpflichteten Telekommunikationsdienstleister nicht zur Durchführung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikationsverkehre in der Lage. 51 Die Mitwirkungspflicht wirkt für die Telekommunikationsunternehmen typischerweise weder in technischer noch in finanzieller Hinsicht übermäßig belastend, sodass der Eingriff auch verhältnismäßig im engeren Sinne ist. Die Verpflichtung, die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen, ist für das Unternehmen zwar mit Handlungs- bzw. Duldungspflichten verbunden. Die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen an dessen Hard- oder Software (je nach Ausleitungsmethode) stellen aber - wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung für die streitgegenständlichen Verpflichtungsanordnungen bestätigt hat - grundsätzlich keine besonderen Anforderungen dar. Anhaltspunkte für eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung sind ebenfalls nicht ersichtlich, auch soweit nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG der Verpflichtete ab dem Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung gesetzlich vorgesehener Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation vorzuhalten und organisatorische Vorkehrungen für deren unverzügliche Umsetzung zu treffen hat. Die Mitwirkungspflichten sind nicht als Sonderopfer, sondern als Bestandteil der Rahmenbedingungen für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten und deren Mitwirkung hieran anzusehen. Allein die gemeinwohlbezogene Zielsetzung der Mitwirkungspflicht gebietet es nicht, hierfür einen Kostenersatz vorzusehen; der Gesetzgeber kann die mit der Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung verbundenen Kosten entsprechend der Privatisierung des Telekommunikationssektors insgesamt in den Markt verlagern (s. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256, 263, 586/08 - BVerfGE 125, 260 <361 f.>). 52 2. Die Klage, mit der die Klägerin die Feststellung begehrt, nicht durch die mittels E-Mails des Bundesnachrichtendienstes übersandten Statustabellen zur Umsetzung von Maßnahmen der Fernmeldeüberwachung verpflichtet zu werden, ist ebenfalls zulässig (a), aber unbegründet (b). 53 a) Die Feststellungsklage ist zulässig. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch eine aufgrund eines berechtigten Interesses legitimierte Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses - auch eines in der Vergangenheit liegenden - begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und dürfen den Verwaltungsgerichten nicht lediglich abstrakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​251017U6C46.16.0] - NJW 2018, 716 Rn. 12 und vom 14. Dezember 2016 - 6 A 9.14 - BVerwGE 157, 8 Rn. 12 m.w.N.). 54 Der Bundesnachrichtendienst bestimmt mit den Statustabellen, die den streitgegenständlichen E-Mails angehängt waren, nicht die Art der Ausleitungsmethode (vgl. dazu oben II 1. b, dd, (3)), sondern wählt diejenigen in den Beschränkungsanordnungen bezeichneten Übertragungswege aus, die tatsächlich unter Berücksichtigung des jeweils in diesen Anordnungen festgelegten Anteils überwacht werden sollen. Hierauf bezieht sich das Feststellungsbegehren der Klägerin. Das konkrete und feststellungsfähige Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten beruht auf den Verpflichtungsanordnungen und den für das Verhältnis zwischen dem Verpflichteten und der berechtigten Stelle maßgebenden Vorschriften des Artikel 10-Gesetzes. 55 Das von der Klägerin geltend gemachte berechtigte Interesse, das jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art einschließt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 66.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​160316U6C66.14.0] - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 16 und vom 26. Januar 1996 - 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <271>), ist in der Wiederholungsgefahr begründet. Es ist zu erwarten, dass auch zukünftig gegenüber der Klägerin Verpflichtungsanordnungen aufgrund von strategischen Beschränkungsmaßnahmen ergehen werden, die Anlass für den Bundesnachrichtendienst zur Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege geben werden. 56 Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierte Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen. Die Vorschrift, derzufolge die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ist ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und die Durchführung eines Vorverfahrens, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Parteien streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, die Klägerin auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung sie ein berechtigtes Interesse hat, einerseits nur Vorfrage wäre, andererseits die weiteren Elemente des geltend zu machenden Anspruchs nur untergeordnete Bedeutung hätten (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29. April 1997 - 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 9 m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Feststellungsklage bietet den sachgerechten und effektiveren Rechtsschutz. Denn die Klägerin wäre ansonsten gehalten, jede die Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege betreffende Entscheidung des Bundesnachrichtendienstes gesondert anzugreifen, obwohl es ihr allein um die Klärung der Vorfrage geht, ob der Bundesnachrichtendienst zu einer derartigen verbindlichen Entscheidung befugt ist. Die Feststellungsklage trägt dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin sachgerecht und in vollem Umfang Rechnung. 57 b) Die Feststellungsklage ist unbegründet, da dem Bundesnachrichtendienst für die Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege gegenüber dem verpflichteten Telekommunikationsunternehmen eine Verwaltungsaktsbefugnis zusteht. 58 Die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktsbefugnis), muss nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht aus, wenn sich die Verwaltungsaktsbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (stRspr, BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - BVerwGE 141, 243 Rn. 14 f.). 59 In diesem Sinne ergibt sich die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur rechtsverbindlichen Entscheidung über die tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege gegenüber der Klägerin aus § 11 Abs. 1 G 10 und § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 3 G 10. Nach § 11 Abs. 1 G 10 ist die aus der Anordnung sich ergebende Beschränkungsmaßnahme unter Verantwortung der Behörde, auf deren Antrag die Anordnung ergangen ist, und unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, vorzunehmen. Mit Blick auf diese Durchführungsverantwortung hat die berechtigte Stelle die Vorgaben der Beschränkungsanordnung bei der Überwachung umzusetzen. Zu diesen Vorgaben zählt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 3 G 10, dass sich die Überwachung nur auf die in der Anordnung genannten Übertragungswege beziehen darf und auf den festgelegten Anteil an der Gesamtübertragungskapazität dieser Übertragungswege beschränken muss. Die gesetzlichen Vorschriften sind darauf angelegt, dass die berechtigte Stelle unter den in der Beschränkungsanordnung genannten Übertragungswegen, die aufgrund der Maßnahme überwacht werden können, auswählen muss. Nur auf diese Weise kann der begrenzenden Regelungswirkung dieser gesetzlichen Vorgaben bei der Durchführung der Maßnahme Rechnung getragen werden. Dabei kommt der Auswahlentscheidung gegenüber dem nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 5 G 10 verpflichteten Unternehmen verbindliche Wirkung zu, weil die Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht die Umsetzung der Maßnahme betrifft. Aufgrund dieser gesetzlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten ist der Bundesnachrichtendienst als berechtigte und für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme verantwortliche Stelle befugt, gegenüber der Klägerin als verpflichtetes Unternehmen in verbindlicher Weise die Mitwirkungsverpflichtung durch Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege in Umsetzung der Überwachungsmaßnahme zu bestimmen. 60 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-39,13.06.2018,"Pressemitteilung Nr. 39/2018 vom 13.06.2018 EN Kommunalwahlrecht für Minderjährige mit dem Grundgesetz vereinbar Das baden-württembergische Kommunalwahlrecht legt das Mindestalter für die Stimmabgabe bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre fest. Das daraus folgende „Minderjährigenwahlrecht"" für Bürger im Alter zwischen 16 und 18 Jahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger sind Bürger der Stadt Heidelberg. Sie erhoben gegen die Gemeinderatswahl vom 25. Mai 2014 Einsprüche mit der Begründung, dass das Wahlrecht für Bürger zwischen 16 und 18 Jahren mit dem Demokratieprinzip und zahlreichen weiteren Verfassungsbestimmungen nicht vereinbar sei. Das Regierungspräsidium Karlsruhe wies die Einsprüche zurück. Die daraufhin erhobene Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision der Kläger zurückgewiesen. Ein Mindestalter von 18 Jahren für das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen ergibt sich nicht aus dem Grundgesetz. Die entsprechende Festlegung in Art. 38 Abs. 2 GG gilt nur für Bundestagswahlen und entfaltet für Kommunalwahlen keine maßstabsbildende Kraft. Die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) stehen der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ebenfalls nicht entgegen. Dem Landesgesetzgeber obliegt im Rahmen dieser Grundsätze eine Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts, die in typisierender Weise eine hinreichende Verstandesreife zur Voraussetzung für das aktive Stimmrecht macht. Dieses Erfordernis ist namentlich deswegen geboten, weil Demokratie vom Austausch sachlicher Argumente auf rationaler Ebene lebt. Eine Teilnahme an diesem argumentativen Diskurs setzt ein ausreichendes Maß an intellektueller Reife voraus, das der baden-württembergische Gesetzgeber ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht auch bei Bürgern zwischen 16 und 18 Jahren bejaht hat. BVerwG 10 C 8.17 - Urteil vom 13. Juni 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 1 S 1240/16 - Urteil vom 21. Juli 2017 - VG Karlsruhe, 4 K 2062/14 - Urteil vom 11. Mai 2016 -","Urteil vom 13.06.2018 - BVerwG 10 C 8.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130618U10C8.17.0 EN Kommunalwahlrecht für Minderjährige mit dem Grundgesetz vereinbar Leitsätze: 1.  Die Festlegung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen steht mit dem Grundgesetz im Einklang. 2. Der Gesetzgeber bestimmt den Umfang und die Tiefe seiner Sachaufklärung im Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich selbst. Rechtsquellen GG Art. 20 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 2, Art. 103 Abs. 1 GemO BW §§ 12, 14 Instanzenzug VG Karlsruhe - 11.05.2016 - AZ: VG 4 K 2062/14 VGH Mannheim - 21.07.2017 - AZ: VGH 1 S 1240/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.06.2018 - 10 C 8.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130618U10C8.17.0] Urteil BVerwG 10 C 8.17 VG Karlsruhe - 11.05.2016 - AZ: VG 4 K 2062/14 VGH Mannheim - 21.07.2017 - AZ: VGH 1 S 1240/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2018 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und Hoock und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klage richtet sich gegen die Festlegung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre bei baden-württembergischen Kommunalwahlen. 2 Die Kläger sind Bürger der Stadt Heidelberg. Dort fanden am 25. Mai 2014 Wahlen zum Gemeinderat statt. Die Stadt Heidelberg machte das Wahlergebnis am 4. Juni 2014 und in korrigierter Form am 2. Juli 2014 bekannt. 3 Die Kläger erhoben hiergegen Einsprüche und machten einen Wahlfehler geltend, der darin bestehe, dass das sich aus §§ 12 und 14 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg ergebende Wahlrecht für Bürger zwischen 16 und 18 Jahren gegen höherrangiges Recht verstoße. Die nach Zurückweisung der Einsprüche erhobene Klage ist erfolglos geblieben. 4 Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Teilnahmemöglichkeit für 16- und 17-Jährige an der Kommunalwahl begründe keinen Wahlfehler. § 12 Abs. 1 Satz 1 GemO sei mit Bundesrecht vereinbar. Die Einführung des aktiven Wahlrechts für 16- bis 17-Jährige bei Kommunalwahlen verstoße nicht gegen das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG und Art. 28 Abs. 1 GG. Die Auffassung der Kläger, zum Staatsvolk im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG gehörten nur die volljährigen Deutschen, die nicht unter rechtlicher Betreuung stünden und denen das Wahlrecht nicht aufgrund strafrechtlicher Verurteilung entzogen worden sei, treffe nicht zu. Aus Art. 38 Abs. 2 GG folgten keine Vorgaben im Hinblick auf die Festsetzung eines Mindestalters für das aktive Wahlrecht bei Landtags- und Kommunalwahlen durch den Landesgesetzgeber. Das Minderjährigenwahlrecht verstoße auch nicht gegen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Es sei von jeher als mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verträglich angesehen worden, dass die Ausübung des Wahlrechts an die Erreichung eines Mindestalters geknüpft werde. Dabei habe der Gesetzgeber den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz zu beachten, dass das aktive Wahlrecht ein Mindestmaß an Reife und Urteilskraft und daher ein entsprechendes Mindestalter, also einen gewissen Grad an politischer Einsichtsfähigkeit voraussetze. Bei der Festlegung des Wahlalters komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Expertenanhörungen in Gesetzgebungsverfahren anderer Länder, die schon früher das Wahlalter für Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt hätten, hätten gute Gründe für die Annahme aufgezeigt, dass Jugendliche ab 16 Jahren typischerweise die notwendige Reife besäßen, um an Kommunalwahlen teilnehmen zu können. Die gesetzgeberische Entscheidung könne sich auf nachvollziehbare, nicht nur vereinzelte fachliche Auffassungen zur Urteilsfähigkeit Jugendlicher stützen. Verfassungsrecht sei auch nicht verletzt, soweit der Gesetzgeber 16- und 17-Jährige, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen könnten, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen habe. 5 Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision haben die Kläger ihr Vorbringen aus den Vorinstanzen wiederholt und vertieft. Zudem rügen sie, dass der Verwaltungsgerichtshof in mehrfacher Hinsicht gegen Verfahrensrecht verstoßen und namentlich ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt habe. 6 Die Kläger beantragen, die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Juli 2017 und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Mai 2016 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 4. Juli 2014 zu verpflichten, die Heidelberger Gemeinderatswahl vom 25. Mai 2014 für ungültig zu erklären. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 9 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht im Einklang (1. - 3.) und leidet nicht an Verfahrensfehlern (4.). 10 1. Das aus § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 14 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) folgende Wahlrecht für Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben (im Folgenden: Minderjährigenwahlrecht), verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Die nach §§ 12 und 14 GemO wahlberechtigten, aber noch nicht volljährigen Bürger gehören zum Staatsvolk im Sinne des Grundgesetzes. 11 Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Sie wird nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vom Volke unter anderem in Wahlen ausgeübt. In den Ländern muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass die Zugehörigkeit zum Staatsvolk im Sinne dieser Vorschriften allein durch die deutsche Staatsangehörigkeit (Art. 116 Abs. 1 GG) vermittelt wird (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 2, 6/89 - BVerfGE 83, 37 <50 ff.>; StGH Bremen, Urteil vom 31. Januar 2014 - St 1/13 - juris Rn. 54). 12 Die Auffassung der Kläger, das Staatsvolk bestehe nur aus deutschen Staatsangehörigen, die mindestens 18 Jahre alt seien, findet im Grundgesetz keine Stütze. Sie lässt sich insbesondere nicht mit der Festlegung des Wahlalters für Bundestagswahlen auf 18 Jahre in Art. 38 Abs. 2 GG begründen. Die Länder sind im Rahmen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Ausgestaltung des Landeswahlrechts grundsätzlich frei (BVerfG, Urteil vom 11. August 1954 - 2 BvK 2/54 - BVerfGE 4, 31 <44 f.> und Beschluss vom 16. Juli 1998 - 2 BvR 1953/95 - BVerfGE 99, 1 <11>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 5.96 - BVerwGE 104, 323 <329>). Art. 38 GG bindet sie dabei nicht, weil die Vorschrift nur Regelungen für die Wahl zum Deutschen Bundestag trifft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1957 - 2 BvR 1/57 - BVerfGE 6, 445 <447>; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 38 Rn. 141) und daher für die Ausgestaltung des Wahlrechts durch den Landesgesetzgeber keine maßstabsbildende Kraft entfaltet. 13 2. Das sich aus §§ 12 und 14 GemO ergebende Minderjährigenwahlrecht verstößt nicht gegen die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegten Wahlrechtsgrundsätze. Dies gilt insbesondere für die Gebote einer allgemeinen (a) und gleichen (b) Wahl. 14 a) Die Umsetzung und Konkretisierung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl obliegt - mangels einer Regelung des Mindestalters bei Kommunalwahlen im Verfassungsrecht selbst - dem Landesgesetzgeber, dem dabei, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Einschätzungsspielraum eröffnet ist. Der Gesetzgeber hat in diesem Rahmen das Kommunalwahlrecht in einer Weise auszugestalten, die auch anderen Verfassungsprinzipien hinreichend Geltung verschafft. Damit ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten, in typisierender Weise eine hinreichende Verstandesreife zur Voraussetzung des aktiven Stimmrechts zu machen, weil dadurch dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes Rechnung getragen wird. Denn Demokratie lebt vom Austausch sachlicher Argumente auf rationaler Ebene (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - Rn. 29; zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Eine Teilnahme an diesem argumentativen Diskurs in Gestalt der Stimmabgabe setzt notwendigerweise ein ausreichendes Maß an intellektueller Reife voraus, ohne die keine verantwortliche Wahlentscheidung getroffen werden könnte. 15 Der Gesetzgeber hat vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund für Regelungen Sorge zu tragen, die die Einhaltung des Erfordernisses einer hinreichenden Verstandesreife gewährleisten und zugleich dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl die ihm gebührende Geltung verschaffen. Diese verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen hat der baden-württembergische Landesgesetzgeber nicht überschritten. Dem Berufungsurteil lassen sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass den wahlberechtigten, aber noch nicht volljährigen Bürgern die erforderliche Verstandesreife bei typisierender Betrachtungsweise abzusprechen wäre. An diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die dagegen erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen (vgl. unten 4.). 16 Der Landesgesetzgeber hat seinen Einschätzungsspielraum ohne Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes ausgeübt, das insoweit keine Vorgaben für die parlamentarische Willensbildung enthält und insbesondere keine sachverständige Beratung des Parlaments erfordert, die die Kläger für geboten erachten. Vielmehr bestimmt der Gesetzgeber selbst den Umfang und die Tiefe seiner Sachaufklärung im Gesetzgebungsverfahren. 17 Eine normativ ausgeformte Sachaufklärungspflicht des Gesetzgebers enthält das Grundgesetz nicht. Grundsätzlich gilt das Prinzip, dass die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der durch die Verfassung vorgegebenen Regeln Sache der gesetzgebenden Organe ist und dass das parlamentarische Verfahren durch seine Transparenz eine Diskussion von Entscheidungen in der breiten Öffentlichkeit ermöglicht (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 274). Diesen Anforderungen hat der Landesgesetzgeber Rechnung getragen, indem er verschiedene öffentliche und nicht-öffentliche Stellen zu den Regelungen angehört (LT-Drs. 15/3119, S. 17 ff., 33 ff.) und damit die gebotene öffentliche Diskussion angestoßen hat. Er hat außerdem die in anderen Ländern schon seit geraumer Zeit geltende entsprechende Absenkung des Wahlalters in den Blick genommen und darauf hingewiesen, dass nachteilige Erfahrungen aus der praktischen Anwendung dieser Regelungen nicht bekannt geworden sind (LT-Drs. 15/3119, S. 11). 18 Ein Anlass, im vorliegenden Fall weitergehende Anforderungen zu stellen, besteht nicht. Solches käme allenfalls dann in Betracht, wenn Erkenntnisse vorlägen, die eindeutig gegen die Annahme einer hinreichenden Verstandesreife der in Rede stehenden Gruppe sprächen. Dahingehende Feststellungen hat der Verwaltungsgerichtshof indessen nicht getroffen. 19 b) Ein Verstoß gegen die Gewährleistung eines gleichen Wahlrechts (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) folgt nicht daraus, dass der Landesgesetzgeber zwar Bürger vom aktiven Stimmrecht ausgeschlossen hat, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer dauerhaft bestellt ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 GemO), von einem vergleichbaren Ausschluss minderjähriger Bürger, bei denen die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Betreuung (bis auf die Volljährigkeit) vorliegen, indessen abgesehen hat. Die unterschiedliche Behandlung der genannten Gruppen hält verfassungsrechtlicher Prüfung stand, weil sie ihrerseits an der möglichst weitgehenden Verwirklichung des verfassungsrechtlichen, ebenfalls in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Prinzips der Allgemeinheit der Kommunalwahlen orientiert ist. 20 Nimmt der Gesetzgeber Differenzierungen wie die hier in Rede stehende vor, ist ihm nur ein eng bemessener, auf zwingende Gründe beschränkter Spielraum eröffnet. Solche Gründe liegen vor, wenn sie durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann, ohne dass es erforderlich wäre, dass die Verfassung die Verwirklichung dieser Zwecke gebietet (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 - BVerfGE 95, 408 <418>; Beschluss vom 19. September 2017 - 2 BvC 46/14 - BVerfGE 146, 327 Rn. 61; je m.w.N.). Differenzierende Regelungen müssen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein; ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich daher auch danach, mit welcher Intensität in das gleiche Wahlrecht eingegriffen wird. Zudem können gefestigte Rechtsüberzeugungen und die Rechtspraxis Berücksichtigung finden (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2017 - 2 BvC 46/14 - BVerfGE 146, 327 Rn. 64; Erbguth/Schubert, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 38 Rn. 83). 21 Diesen Anforderungen wird hier genügt. § 14 Abs. 2 Nr. 2 GemO beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, zugunsten der Allgemeinheit der Wahl den Kreis der vom Wahlrecht Ausgeschlossenen sehr klein zu halten und auf diejenigen zu beschränken, für die durch gerichtliche Entscheidung dauerhaft und für alle Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist. Wegen der strengen rechtlichen Voraussetzungen für eine derart umfassende Betreuung durfte er ohne Weiteres davon ausgehen, dass dem erfassten Personenkreis das für eine Wahlentscheidung erforderliche Mindestmaß an Einsichts- und Wahlfähigkeit fehlt (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Juli 2002 - Vf. 9-VII-01 - juris Rn. 47). Diese Personen vom Wahlrecht auszuschließen, wird seit jeher als mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl vereinbar angesehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 - BVerfGE 36, 139 <141 f.> und vom 29. Mai 1984 - 2 BvC 2/84 - BVerfGE 67, 146 <148>). Zugleich hat der Gesetzgeber davon abgesehen, auch solche Personen vom Wahlrecht auszuschließen, für die ein Betreuer lediglich für bestimmte Aufgabenkreise bestellt ist, selbst wenn deren Fähigkeit, eine verantwortliche Wahlentscheidung zu treffen, im Einzelfall ebenfalls in Zweifel gezogen werden könnte. Das dient dazu, das Wahlverfahren von der andernfalls in jedem Einzelfall erforderlichen Prüfung der Wahlfähigkeit zu entlasten, und hält sich im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis. 22 § 1896 BGB sieht bei Minderjährigen, die noch von ihren Eltern gesetzlich vertreten werden, eine Betreuung nicht vor. Das Kommunalwahlrecht des Landes konnte deshalb an die Tatsache einer Betreuung bei Minderjährigen nicht anknüpfen. Der Landesgesetzgeber hätte die daraus erwachsende Ungleichbehandlung nur beseitigen können, indem auf die Anknüpfung an die Betreuung auch bei Volljährigen verzichtet würde; dann hätte er entweder die Wahlteilnahme auch zweifelsfrei wahlunfähiger Personen hinnehmen oder aber eine Einzelfallprüfung bei Volljährigen wie bei Minderjährigen vorsehen müssen. Dass er es bei dieser Sachlage vorzog, die Ungleichbehandlung hinzunehmen, lässt sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Hierfür fällt ins Gewicht, dass die vermeintliche Privilegierung nur für solche Minderjährigen besteht, bei denen - abgesehen von der Volljährigkeit - die Voraussetzungen für eine dauerhafte und unbeschränkte Betreuung vorliegen. Dieser Personenkreis ist denkbar klein; mit seiner Wahlteilnahme ist zudem regelmäßig ohnehin kaum zu rechnen. Die Abweichung von der gebotenen Wahlrechtsgleichheit wirkt sich also praktisch kaum aus. Demgegenüber wäre von einer Änderung des Wahlrechts bei Volljährigen ein ungleich größerer Personenkreis betroffen, und die Einführung einer Einzelfallprüfung bei Minderjährigen wie Volljährigen würde die Wahlbehörden vor kaum zu bewältigende Herausforderungen stellen. 23 3. Die Kläger weisen überdies auf verschiedene Vorschriften des einfachen Bundesrechts - etwa §§ 107 ff. BGB und § 62 VwGO - hin, mit denen das Minderjährigenwahlrecht ihrer Auffassung nach nicht im Einklang stehe. Diese Erwägungen führen nicht zum Erfolg der Revision. Die von den Klägern ins Feld geführten Normen des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und des Prozessrechts stellen keinen rechtlichen Maßstab für die Regelung des Wahlalters im Kommunalwahlrecht dar. Ihnen wohnt auch keine maßstabsbildende Kraft für die darauf bezogene Entscheidung des Gesetzgebers inne. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Rechtsordnung auch Personen unter 18 Jahren eine Vielzahl von Rechten und Pflichten zuweist und dass es einen allgemeinen Vorrang oder eine Bindungswirkung des Alters der Volljährigkeit oder gar ihrer derzeit bestehenden konkreten Festlegung durch den Bundesgesetzgeber nicht gibt; das Bundesrecht verlangt keinen auf allen Gebieten des privaten und des öffentlichen Rechts gleich gestalteten Minderjährigenschutz (BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 1984 - 7 B 183.82 - Buchholz 442.041 PostG Nr. 4 und vom 24. April 1998 - 3 B 23.98 - Buchholz 316 § 12 VwVfG Nr. 3). 24 Entsprechendes gilt, soweit die Kläger verschiedene weitere Befugnisse kommunalrechtlicher Mitwirkung - wie etwa das aktive Stimmrecht bei der Wahl von Bürgermeistern - erwähnen, die allen Bürgern im Sinne der §§ 12 und 14 GemO zustehen. Ihre Auffassung, auch diese Befugnisse stünden mit Verfassungsrecht nicht im Einklang, bedarf keiner näheren Erörterung, denn selbst wenn der Revision insoweit zu folgen wäre, fände die weitere Annahme der Kläger, ein derartiger Verfassungsverstoß zöge die Grundgesetzwidrigkeit auch des hier in Rede stehenden Kommunalwahlrechts für Minderjährige nach sich, in der Rechtsordnung keine Stütze. 25 4. Das Berufungsurteil leidet nicht an Verfahrensfehlern. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. 26 a) Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ihr Vorbringen vollständig in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1995 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209>). Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Gründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 6 B 11.17 - juris Rn. 11 m.w.N.). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet zudem nur, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1987 - 1 BvR 313/85 - BVerfGE 75, 369 <381 f.>), nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64, 1 <12>). Ebenso wäre es von vornherein verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Vortragselemente eines sehr umfangreichen Vorbringens - wie dem vorliegenden - zu folgern, das Gericht habe sich mit den darin enthaltenen Argumenten nicht befasst (BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). 27 b) Gemessen daran liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor. Die Kläger beanstanden mit ihren auf diese Verfassungsnorm bezogenen umfangreichen Rügen der Sache nach nahezu ausschließlich, dass das Berufungsgericht ihrer Würdigung des Sachverhalts und ihrer Rechtsansicht nicht gefolgt ist, wozu es indessen nicht verpflichtet war. 28 aa) Das gilt auch im Hinblick auf das Vorbringen der Kläger, eine Verfassungswidrigkeit des Minderjährigenwahlrechts ergebe sich unter anderem daraus, dass Bürger unter 18 Jahren auch Bürgermeister und Landräte wählen sowie weitere Mitwirkungshandlungen im Bereich des Kommunalrechts vornehmen dürften. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, eine verletzte Verfassungsnorm werde von den Klägern nicht benannt (UA S. 40), hat er gleichwohl nicht verkannt, welche Vorschriften des Grundgesetzes die Kläger insoweit als Maßstabsnormen für das Landesrecht heranziehen. Denn im unmittelbaren Anschluss an die erwähnte Passage heißt es, dass nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen für die genannten Befugnisse anderes als für das aktive Stimmrecht bei den Wahlen zum Gemeinderat gelten solle. Daraus wird deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof seine zuvor angestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen auch auf diesen Gesichtspunkt erstreckt und mit der von den Klägern beanstandeten Passage lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Kläger eine Verletzung weiterer Verfassungsnormen über diejenigen hinaus, die im Berufungsurteil an anderer Stelle erörtert werden, nicht dargelegt haben. 29 bb) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt ferner nicht im Hinblick auf die Würdigung der Frage der hinreichenden Verstandesreife des betroffenen Personenkreises vor. 30 Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu die Ergebnisse von Expertenanhörungen im Rahmen mehrerer Gesetzgebungsverfahren in anderen Ländern wiedergegeben (UA S. 33 ff.) und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der baden-württembergische Landesgesetzgeber vor der 2013 erfolgten Absenkung des Wahlalters keine eigene Anhörung von Sachverständigen habe durchführen müssen. Vielmehr sei es verfassungsrechtlich ausreichend, wenn er sich auf nachvollziehbare fachliche Erwägungen des Inhalts stützen könne, dass eine ausreichende Einsichtsfähigkeit der unter 18-jährigen gegeben sei. Auf die Beweisangebote der Kläger komme es daher nicht an (UA S. 36 f.). 31 Die Kläger halten dies namentlich deswegen für verfahrensfehlerhaft, weil es der Verwaltungsgerichtshof unterlassen habe, die Erkenntnisse und Studien, auf die sich die vom Verwaltungsgerichtshof erwähnten Experten ihrerseits bezogen hätten, zu ermitteln und in das Verfahren einzuführen. Hiermit kritisieren sie jedoch lediglich die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Ein allenfalls denkbarer Ausnahmefall im Sinne einer willkürlichen Sachverhaltswürdigung liegt ersichtlich nicht vor, da der Verwaltungsgerichtshof keinen vernünftigen Anlass hatte, an der Expertise und fachlichen Eignung der von verschiedenen Landesparlamenten herangezogenen Experten zu zweifeln. Im Übrigen hat der Landesgesetzgeber von dem insoweit maßgeblichen und - wie dargelegt - zutreffenden materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs aus den Umfang und die Tiefe seiner Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht selbst zu bestimmen. Da der Landtag von Baden-Württemberg auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage nicht verpflichtet war, sich zur Frage der intellektuellen Reife Minderjähriger sachverständig beraten zu lassen, bestand auch keine rechtliche Notwendigkeit für das Berufungsgericht, in die von den Klägern vermisste weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Beiziehung der erwähnten Erkenntnisse und Studien einzutreten. 32 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-4,25.01.2018,"Pressemitteilung Nr. 4/2018 vom 25.01.2018 EN Voraussetzungen für die Einbeziehung politischer Verfolgter in die Zusatzversorgung der DDR Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Zugehörigkeit von politisch Verfolgten zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR, die von den DDR-Stellen eine Versorgungszusage auch ohne die politische Verfolgung nicht erhalten hätten, nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) nicht mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Anspruchs- und Anwartschaftsübertragungsgesetz (AAÜG) fingiert werden kann. Der Kläger hatte in der DDR bis Mitte 1986 als Diplom-Ingenieur beim VEB Halbleiter Frankfurt/Oder gearbeitet. Nach der Stellung eines Ausreiseantrags war er gezwungen worden, dieses Beschäftigungsverhältnis zu kündigen; bis zu seiner Ausreise im Februar 1988 arbeitete er als Hausmeister. In der Bundesrepublik Deutschland wurde er mit der Verfolgungszeit Juni 1986 bis Februar 1988 als Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt; er wird in der Rentenversicherung als Diplom-Ingenieur geführt. Nachträglich begehrte er ergänzend die rehabilitierungsrechtliche Anerkennung einer fiktiven Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz der DDR. Es sei davon auszugehen, dass er diesem Zusatzversorgungssystem angehört hätte, wenn er seine Ingenieurtätigkeit in der DDR bis zur Wiedervereinigung hätte fortführen können. Deshalb habe er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsprechend dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einen Anspruch auf eine Einbeziehung in dieses Versorgungssystem. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger sei in der DDR die Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem nicht aufgrund einer Verfolgungsmaßnahme verweigert worden. Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe er nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz zu keinem Zeitpunkt angehört. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass er aus Gründen der politischen Verfolgung nicht einbezogen worden war; eine Versorgungszusage haben nur die Spitzenleistungsträger der technischen Entwicklung erhalten. Eine Zugehörigkeit kann auch nicht mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum AAÜG fingiert werden. Nach dieser Rechtsprechung* genügt es, wenn der Betroffene die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Zusatzversorgungssystem zum Stichtag 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) objektiv erfüllt hat. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz bezweckt, in der DDR erlittene verfolgungsbedingte Nachteile auszugleichen. Zu diesen Nachteilen gehört es nicht, wenn ein Verfolgter aus einer im bundesdeutschen Rentenrecht geschaffenen Stichtagsregelung keinen Nutzen ziehen kann. BVerwG 3 C 3.16 - Urteil vom 25. Januar 2018 Vorinstanz: VG Potsdam, 11 K 4205/13 - Urteil vom 18. November 2014 -","Urteil vom 25.01.2018 - BVerwG 3 C 3.16ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U3C3.16.0 EN Voraussetzungen für die hypothetische Einbeziehung politisch Verfolgter in ein Zusatzversorgungssystem der DDR Leitsatz: In der DDR politisch Verfolgte können die Feststellung ihrer hypothetischen Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR (hier: AVItech) nach § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG nicht aufgrund einer fingierten Versorgungsanwartschaft nach § 1 AAÜG beanspruchen, wenn sie vor dem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts maßgeblichen Stichtag (30. Juni 1990) aus der DDR ausgereist sind. Rechtsquellen BerRehaG § 13 Abs. 3, § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AAÜG § 1 Abs. 1 Instanzenzug VG Potsdam - 18.11.2014 - AZ: VG 11 K 4205/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.01.2018 - 3 C 3.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:250118U3C3.16.0] Urteil BVerwG 3 C 3.16 VG Potsdam - 18.11.2014 - AZ: VG 11 K 4205/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. November 2014 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt im Wege der beruflichen Rehabilitierung die Anerkennung einer Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz der DDR (AVItech). 2 Der Kläger war bis zum 10. Juni 1986 als Diplom-Ingenieur beim VEB H. Frankfurt/Oder beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis musste er nach der Stellung eines Ausreiseantrags kündigen. Bis zu seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 24. Februar 1988 war er als Hausmeister tätig. In der Bundesrepublik wurde er mit Rehabilitierungsbescheid vom 23. September 1997 als Verfolgter im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt. Für die festgesetzte Verfolgungszeit (11. Juni 1986 bis 24. Februar 1988) wird er in der Rentenversicherung der Angestellten als Diplom-Ingenieur, Qualifikationsgruppe 1 (Hochschulabsolventen) im Bereich 7 (Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau) geführt. 3 Am 10. August 2009 beantragte der Kläger unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz zusätzlich die Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz für die Verfolgungszeit. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 14. November 2013 ab. Der Kläger begehre ein Wiederaufgreifen des Rehabilitierungsverfahrens, für das Gründe nach § 51 Abs. 1 VwVfG nicht vorlägen. Belege für eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem habe er nicht vorgelegt. Die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R) zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sei nicht einschlägig. Die Voraussetzungen der vom Bundessozialgericht entwickelten so genannten fingierten Versorgungszusage seien nicht erfüllt. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die Rehabilitierungsbescheinigung unter Wiederaufgreifen des Verfahrens um die Feststellung zu ergänzen, dass der Kläger für den Zeitraum vom 11. Juni 1986 bis 2. Oktober 1990 fiktiv in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einzubeziehen sei, mit Urteil vom 18. November 2014 abgewiesen. Der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in das Zusatzversorgungssystem einbezogen worden. Er habe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch keinen Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung, das Rehabilitierungsrecht gebe keine weitergehenden Ansprüche. 5 Mit der vom Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, er habe in der DDR eine Beschäftigung ausgeübt, die vom Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz erfasst werde. Auf die tatsächliche Ausübung dieser Beschäftigung (auch) am 30. Juni 1990 komme es nicht an, denn sie werde durch das Berufliche Rehabilitierungsgesetz als kausale Folge seiner politischen Verfolgung fingiert. Die Bestandskraft der Rehabilitierungsbescheinigung stehe der Feststellung seiner Zugehörigkeit nicht entgegen, weil die Bescheinigung keine Entscheidung über seine Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem enthalte. Dass sich die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu seinen Gunsten geändert habe, habe er erst nach Erlass der Rehabilitierungsbescheinigung im Juli 2009 erfahren. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. November 2014 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. November 2013 zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen und die Rehabilitierungsbescheinigung des Beklagten vom 23. September 1997 um die Feststellung der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz der DDR für den Zeitraum vom 11. Juni 1986 bis 24. Februar 1988 zu ergänzen. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das klageabweisende Urteil. Die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem werde im Falle des Klägers nicht fingiert, weil er keine Versorgungszusage gehabt habe und auch ohne die Verfolgung nicht in ein Zusatzversorgungssystem übernommen worden wäre. Am maßgeblichen Stichtag 30. Juni 1990 seien nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Versorgungsordnung erfüllt gewesen. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt das Vorbringen des Beklagten. Die vom Bundessozialgericht gestellten Anforderungen an die Anwendbarkeit des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes bei fehlender Versorgungszusage seien beim Kläger nicht gegeben, weil dieser die versorgungsberechtigte Beschäftigung bereits vor dem Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr ausgeübt habe. Die fehlende Voraussetzung werde auch nicht durch das Berufliche Rehabilitierungsgesetz ersetzt. Dazu sei eine Bescheinigung erforderlich, in der gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG die tatsächliche oder ohne die Verfolgung gegebene Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem für die festgestellten Verfolgungszeiten nach § 2 BerRehaG enthalten sei. Eine fiktive Einbeziehung setze voraus, dass dem Kläger in der DDR zum Stichtag ein Anspruch auf Einbeziehung zugestanden habe, der ihm verfolgungsbedingt verwehrt worden sei. Dies sei wegen der Übersiedlung des Klägers vor dem Stichtag nicht der Fall gewesen. Das Gesetz verschaffe aber keinen nachträglichen Zugang zu einem Zusatzversorgungssystem, das den Beschäftigten unabhängig von einer politischen Verfolgung aufgrund der restriktiven Einbeziehungspraxis der DDR vorenthalten worden sei. Es diene nicht dem Ausgleich systembedingter beruflicher Benachteiligungen in der DDR. II 10 Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis ohne Bundesrechtsverstoß entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung einer Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem AVItech hat. 11 1. Nach § 17 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG hat die Rehabilitierungsbescheinigung Angaben zu enthalten ""über die tatsächliche oder ohne die Verfolgung gegebene Zugehörigkeit [des Verfolgten] zu einem zu benennenden Zusatz- oder Sonderversorgungssystem"". Dieser Vorschrift sind zugleich - über § 1 BerRehaG hinausgehend - die Voraussetzungen für die Aufnahme der entsprechenden Zugehörigkeitsfeststellung zu entnehmen. 12 a) Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in das Zusatzversorgungssystem AVItech einbezogen. Ob die Einbeziehung erfolgt war, richtet sich nach dem Rentenrecht der DDR. Die Einbeziehung in das AVItech richtete sich nach der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben - VO-AVItech - vom 17. August 1950 (GBl. DDR S. 844) und der hierzu erlassenen Zweiten Durchführungsbestimmung - 2. DB - vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487). Danach wurden Versorgungsberechtigte aus dem Kreis der technischen Intelligenz entweder auf Grund eines Einzelvertrags (§ 1 Abs. 3 der 2. DB) oder durch eine Versorgungszusage (§ 3 Abs. 5 der 2. DB) in die AVItech einbezogen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - juris Rn. 17 m.w.N.). 13 Der Kläger ist nicht in dieser Weise einbezogen worden. Das hat das Verwaltungsgericht verbindlich festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO) und ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Damit erübrigt sich die Prüfung, ob er wegen einer Verfolgungsmaßnahme aus diesem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden ist, die Zugehörigkeitsfeststellung mithin auf den Verfolgungszeitraum erstreckt werden muss (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 BerRehaG). 14 b) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger ohne die Verfolgung zu einem bestimmten Zeitpunkt in das AVItech einbezogen worden wäre. Wie die Formulierung des § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG zeigt, ist der Begriff der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem weit zu verstehen. Die Zugehörigkeit kann daher auch für Verfolgungszeiten festgestellt werden, in denen ein Einbezogener verfolgungsbedingt aus einem Versorgungssystem wieder ausgeschieden ist (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 BerRehaG) oder ein Verfolgter wegen einer Verfolgungsmaßnahme nicht in ein Versorgungssystem einbezogen war (ebenso Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Band 4, § 259b Rn. 163 ff.). Zu der Feststellung der Zugehörigkeit bedarf es nach den Grundsätzen, die der Senat zu § 1 Abs. 1 BerRehaG entwickelt hat, jedoch einer bereits hinreichend verfestigten Aussicht auf Einbeziehung (Anwartschaft), die ihrem Inhaber durch eine Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BerRehaG wieder genommen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 12.14  [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​280515U3C12.14.0] - Buchholz 428.8 § 1 BerRehaG Nr. 6 Rn. 10). 15 Eine derartige Aussicht auf künftige Zugehörigkeit zur AVItech hatte der Kläger bei Einsetzen der Verfolgung am 11. Juni 1986 nicht. Dafür hat er selbst nichts geltend gemacht. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass in der DDR nur 3 % der Ingenieure, nämlich die Spitzenleistungsträger der technischen Entwicklung, eine Versorgungszusage erhalten haben. Zu diesem Kreis gehörte der Kläger nicht. 16 2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung entsprechend den Regelungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG). 17 a) Das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz dient der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet in die bundesdeutsche Rentenversicherung (vgl. § 1 Abs. 1 AAÜG). Diese Regelungen können dem Begehren des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen, soweit sie tatsächlich erworbene Ansprüche oder Anwartschaften voraussetzen. Solche standen dem Kläger, wie bereits gezeigt, nach den tatsächlichen Verhältnissen in der DDR nicht zu. 18 b) Allerdings ist der bundesrechtliche Begriff der Zugehörigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach den Zielsetzungen dieses Gesetzes in einem weiten Sinne zu verstehen. Er geht über die - nur durch DDR-Akt mögliche - Einbeziehung in ein Versorgungssystem hinaus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (dazu Berchtold, SGb 2018, 7 <9 ff.>) können Versorgungsanwartschaften auch dann als durch ""Zugehörigkeit"" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG erworben angesehen werden, wenn aufgrund der am 30. Juni 1990 bestehenden Sachlage nach der am 1. August 1991 (Inkrafttreten des AAÜG) gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage ein Anspruch auf Versorgungszusage bestanden hätte (BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - juris Rn. 22 m.w.N.). 19 c) Auf die Rechtsprechung zu dieser so genannten fingierten Versorgungsanwartschaft kann sich der Kläger im Zusammenhang mit § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG nicht mit Erfolg berufen. Am Stichtag 30. Juni 1990, den das Bundesverfassungsgericht als willkürfrei gebilligt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2005:​rk20051026.1bvr192104] - NVwZ 2006, 449 <450 f.>), hielt sich der Kläger nicht mehr in der DDR auf. Hierüber hinwegzusehen, weil sich der Kläger mit der Ausreise politischer Verfolgung entzogen hat, bietet das Berufliche Rehabilitierungsgesetz keine Grundlage. Zwar spricht manches dafür, den Begriff der ""Zugehörigkeit"" zu einem Versorgungssystem im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz genau so zu verstehen wie im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz. Die Parallelität der Begriffe wird jedoch begrenzt durch die unterschiedlichen Zielrichtungen der Gesetze. Das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ist Teil einer bundesdeutschen Regelung zur Rentenüberleitung: Die von der DDR geregelten Versorgungsansprüche und -anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die mit dem Untergang der DDR erloschen waren, werden neu begründet und in das bundesdeutsche Rentensystem überführt. Dazu werden die ehemaligen Ansprüche und Anwartschaften nach einem eigenen bundesrechtlichen Maßstab anerkannt, der nur partiell an Gegebenheiten in der DDR anknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 117/00 R - SozR 3-8570 § 5 AAÜG Nr. 6 und Berchtold, SGb 2018, 7 ff.). Demgegenüber bezweckt das Berufliche Rehabilitierungsgesetz, in der DDR erlittene verfolgungsbedingte Nachteile auszugleichen (vgl. § 1 Abs. 1 BerRehaG). Dazu werden Leistungen in der Rentenversicherung erbracht, und zwar in Ergänzung der allgemein anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften (§ 10 Satz 1 BerRehaG), zu denen auch das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz gehört (vgl. Gesetzentwurf eines Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks 12/4994 S. 47 ). Ein verfolgungsbedingter Nachteil in der Rentenversicherung liegt nur vor, wenn eine Nachzeichnung der beruflichen Tätigkeit des Verfolgten ausgehend von den rentenrechtlichen Regelungen der DDR und ihrer tatsächlichen Handhabung ergibt, dass er ohne die Verfolgung weitergehende Versorgungsanwartschaften im Rentensystem der DDR erworben hätte, als er tatsächlich erworben hat. 20 Danach hat der Kläger keinen verfolgungsbedingten Nachteil im Rentensystem der DDR erlitten. Der Kläger wäre - wie dargelegt - auch ohne die Verfolgung von den Stellen der DDR nicht in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einbezogen worden. Der geltend gemachte Nachteil ergibt sich daraus, dass ihm die auf das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz und damit bundesdeutsches Rentenrecht gestützte Anerkennung einer nur fingierten Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Stichtagsregelung nicht zugutekommt. Dieser Nachteil geht nicht auf eine Verfolgungsmaßnahme in der DDR zurück, sondern auf die Ausgestaltung des bundesdeutschen Überleitungsrechts. Eine erweiternde Auslegung des § 22 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c BerRehaG widerspräche dem - wie dargelegt - begrenzten Zweck der beruflichen Rehabilitierung. 21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-42,21.06.2018,"Pressemitteilung Nr. 42/2018 vom 21.06.2018 EN Bundesverwaltungsgericht: Straßenbaubeitrag in Hessen rechtmäßig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Erhebung von Straßenbaubeiträgen nach dem Hessischen Kommunalabgabengesetz grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Der Kläger wurde als Miteigentümer eines mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücks im Stadtgebiet von Hofheim am Taunus zu einer Vorausleistung von 1700 € auf einen Straßenbaubeitrag herangezogen. Die betreffende Straße sollte nach knapp 50-jähriger Nutzungsdauer grundlegend saniert werden. Da sie nicht nur dem Anliegerverkehr, sondern überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dient, übernahm die beklagte Stadt 50 % der Baukosten. Der angefochtene Bescheid ist auf § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes gestützt. Nach der hier noch anwendbaren Fassung des Gesetzes sollen die Gemeinden für den Um- und Ausbau öffentlicher Straßen, soweit er über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben. Die soeben in Kraft getretene Neufassung des Gesetzes, nach der die Gemeinden solche Beiträge nur mehr erheben können , gilt für den vorliegenden Fall noch nicht. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen sei jedenfalls dann rechtswidrig, wenn das Gesetz - wie hier - dem Übermaßverbot nicht durch eine Obergrenze der Beitragshöhe Rechnung trage. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, ließ aber die Sprungrevision (unter Übergehung der Berufungsinstanz) gegen sein Urteil zu. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision des Klägers zurück. Straßenbaubeiträge gelten einen Sondervorteil des Grundstückseigentümers ab. Dieser Vorteil besteht in der Gewährung und Erhaltung der Möglichkeit, vom Grundstück aus auf eine - weiterhin funktionstüchtige - öffentliche Verkehrsanlage gehen oder fahren zu können. Diese Möglichkeit wirkt sich positiv auf den Gebrauchswert des Grundstücks aus. Auf eine konkrete Erhöhung des Verkehrswertes kommt es nicht an. Diese Grundsätze sind bereits vom Bundesverfassungsgericht geklärt. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, eine allgemeine Obergrenze für die Beitragshöhe einzuführen. Auch ohne eine solche Obergrenze entfalten die Beiträge im Regelfall keine übermäßig belastende, die Eigentümer „erdrosselnde“ Wirkung. Das liegt auch an der im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Stundungsmöglichkeit (§ 11 Abs. 12 Hessisches Kommunalabgabengesetz), die mit der jüngsten Gesetzesänderung von 2018 noch einmal deutlich ausgeweitet worden ist. Soweit es dennoch zu besonderen Härten im Einzelfall kommt, sieht zudem die Abgabenordnung die Möglichkeit vor, die Beitragsschuld ganz oder teilweise zu erlassen. Ob und inwieweit sich der zuständige Landesgesetzgeber darüber hinaus zu einer vollständigen oder teilweisen Abschaffung der Straßenbaubeiträge entschließt, ist eine rechtspolitische Frage, die das Bundesverwaltungsgericht nicht zu bewerten hat. Fußnote: Gesetzesauszüge: Hessisches Kommunalabgabengesetz § 11 (Fassung 2013) (1) ... Die Gemeinden sollen für den Umbau und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen), der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben. …Die Beiträge werden von den Grundstückseigentümern erhoben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen nicht nur vorübergehende Vorteile bietet. (12) Bei einmaligen Beiträgen soll auf Antrag eine Zahlung in Raten eingeräumt werden, wenn die Beitragsschuldnerin oder der Beitragsschuldner ein berechtigtes Interesse nachweist. … Höhe und Fälligkeit der Rate werden durch Bescheid bestimmt, wobei die Beitragsschuld in bis zu fünf aufeinander folgenden Jahresraten zu begleichen ist. Der jeweilige Restbetrag ist jährlich mit höchstens 3 Prozent über dem zu Beginn des Jahres geltenden Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen. … Hessisches Kommunalabgabengesetz § 11 (Fassung 2018) (1) ... Die Gemeinden können für den Umbau und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen), der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben. …Die Beiträge werden von den Grundstückseigentümern erhoben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen nicht nur vorübergehende Vorteile bietet. (12) Bei einmaligen Beiträgen soll auf Antrag eine Zahlung in Raten eingeräumt werden. … Höhe und Fälligkeit der Rate werden durch Bescheid bestimmt, wobei die Beitragsschuld in bis zu zwanzig aufeinander folgenden Jahresraten zu begleichen ist. Der jeweilige Restbetrag ist jährlich mit höchstens 1 Prozent über dem zu Beginn des Jahres geltenden Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen. … Abgabenordnung § 227 (entsprechend anwendbar gemäß § 4 Hessisches Kommunalabgabengesetz) Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre … BVerwG 9 C 2.17 - Urteil vom 21. Juni 2018 Vorinstanz: VG Frankfurt/Main, 6 K 164/16.F - Urteil vom 18. Mai 2017 -","Urteil vom 21.06.2018 - BVerwG 9 C 2.17ECLI:DE:BVerwG:2018:210618U9C2.17.0 EN Straßenbaubeitrag Leitsatz: Für den Um- und Ausbau öffentlicher Straßen dürfen Beiträge von den Grundstückseigentümern erhoben werden, denen die Inanspruchnahme der Straße Vorteile bietet. Unter Berücksichtigung möglicher Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall hängt die Verfassungsmäßigkeit solcher Beiträge nicht davon ab, dass der Gesetzgeber eine generelle Obergrenze der Beitragshöhe festgelegt hat. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 AO § 163 Abs. 1, §§ 222, 227, 234 Abs. 2, § 238 Abs. 1 KAG HE §§ 2, 4 Abs. 1, § 11 Instanzenzug VG Frankfurt am Main - 18.05.2017 - AZ: VG 6 K 164/16.F Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.06.2018 - 9 C 2.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:210618U9C2.17.0] Urteil BVerwG 9 C 2.17 VG Frankfurt am Main - 18.05.2017 - AZ: VG 6 K 164/16.F In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Mai 2017, berichtigt durch Beschluss vom 9. Juni 2017, wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf einen Straßenbeitrag nach hessischem Landesrecht. 2 Er und seine Ehefrau sind mit einem Anteil von 157/1 000 Miteigentümer des mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücks M. Straße ... im Stadtgebiet der Beklagten. Im Jahr 2013 beschloss die Beklagte, die 1966 hergestellte Straße von Grund auf zu erneuern und teilweise umzugestalten. Die Arbeiten wurden im Sommer 2013 begonnen und im Herbst 2016 abgeschlossen. Den Anliegern gegenüber wurden sie noch nicht endgültig abgerechnet. 3 Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 forderte die Beklagte vom Kläger als Gesamtschuldner eine Vorausleistung in Höhe von 1 700 €. Ausgehend von geschätzten Gesamtkosten von ca. 2,8 Mio. €, abzüglich eines Kostenanteils der Stadtwerke von 140 000 € und eines Eigenanteils der Beklagten in Höhe von 50 % des Restbetrages, entspricht die geforderte Vorausleistung knapp der Hälfte des damals angenommenen Beitrags. 4 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, die Sanierung der Straßen müsse aus Steuermitteln finanziert werden. Straßenbaubeiträge ohne gesetzliche Obergrenze brächten unkalkulierbare finanzielle Risiken für Straßenanlieger mit sich. 5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge werde durch einen grundstücksbezogenen Sondervorteil gerechtfertigt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange keine - absolute oder relativ zum Grundstückswert festgelegte - Obergrenze des Straßenbeitrags. Eine erdrosselnde Wirkung sei mit der Beitragserhebung regelmäßig nicht verbunden. Zur Vermeidung besonderer Härtefälle seien Stundungs- und gegebenenfalls weitergehende Billigkeitsmaßnahmen vorgesehen. Auch die Rechtsanwendung im vorliegenden Fall begegne keinen Bedenken. 6 Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen, die der Kläger mit Zustimmung der Beklagten eingelegt hat. Zur Begründung führt er aus, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen sei für die betroffenen Grundstückseigentümer nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig unzumutbar. Insbesondere junge Familien, aber auch alte Menschen mit überschaubarer Rente würden durch die Belastung überfordert. Mit der Bodenwertsteigerung der letzten Jahrzehnte sei keine entsprechende Erhöhung der Einkommen verbunden gewesen. Straßenbeiträge würden nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in ländlichen Regionen erhoben. Dort seien die Bodenwerte, nicht aber die Straßenbaukosten, erheblich geringer. Keinesfalls sei den Eigentümern zuzumuten, ihr Grundeigentum zu veräußern, nur um den Beitrag bezahlen zu können. Die Möglichkeit einer Ratenzahlung bewirke keine signifikante Entlastung; Billigkeitsmaßnahmen seien nur in einzelnen Härtefällen zulässig. Als möglicher Ausweg biete sich eine Obergrenze für Straßenbeiträge an, gekoppelt etwa an die Grundsteuer. Zu Unrecht fehle es im hessischen Straßenbeitragsrecht an derartigen Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger Lasten. 7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Mai 2017, berichtigt durch Beschluss vom 9. Juni 2017, zu ändern und den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2015 aufzuheben. 8 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. II 10 Die Sprungrevision ist zulässig (§ 134 Abs. 1 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. 11 1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der angefochtene Vorausleistungsbescheid auf § 11 des (hessischen) Gesetzes über kommunale Abgaben - KAG HE - in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 24. März 2013 (GVBl. S. 134) in Verbindung mit der Straßenbeitragssatzung der Beklagten - StrBS - gestützt werden kann. 12 Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG HE sollen die Gemeinden für den Umbau und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen), der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben. Beitragspflichtig sind die Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht nur vorübergehende Vorteile bietet (§ 11 Abs. 1 Satz 4 KAG HE). Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. Vom Aufwand bleiben mindestens 25 % außer Ansatz, wenn die Verkehrsanlage überwiegend dem Anliegerverkehr, mindestens 50 %, wenn sie überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr, und mindestens 75 %, wenn sie überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient (§ 11 Abs. 4 und 5 KAG HE). Die Beitragspflicht entsteht mit Fertigstellung; Vorausleistungen können ab Beginn der beitragsfähigen Maßnahme erhoben werden (§ 11 Abs. 8 und 10 KAG HE). 13 2. Ein Straßenbaubeitrag ist grundsätzlich als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter gerechtfertigt. Er genügt den Anforderungen, welche die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben stellt. 14 Im Gegensatz zu den Steuern, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung erhoben werden, sind Abgaben, die einen Sondervorteil ausgleichen sollen, als Vorzugslast zulässig. Darunter fallen Gebühren und Beiträge. Während Gebühren die Kosten individuell zurechenbarer Leistungen ganz oder teilweise decken sollen, gelten Beiträge die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung ab. Der Straßenbaubeitrag wird zur Finanzierung des Straßenausbaus oder -umbaus, also für einen besonderen Finanzbedarf, gegenleistungsbezogen erhoben (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - BVerfGE 137, 1 Rn. 38 ff.). 15 3. Die Heranziehung zu Straßenbaubeiträgen nach Maßgabe des § 11 KAG HE verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Gebot der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit. 16 Bei der Auswahl der Abgabengegenstände und -maßstäbe verfügt der Gesetzgeber über einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen allerdings zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung. Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und Nichtbeitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Da Straßenausbaubeiträge grundstücksbezogen erhoben werden, können nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem Nutzen der Allgemeinheit unterscheidet. Ein derartiger Sondervorteil kann in einer Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks bestehen; eine messbare Steigerung seines Verkehrswertes ist nicht erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - BVerfGE 137, 1 Rn. 51 ff.). 17 Der durch den Straßenbaubeitrag ausgeglichene Sondervorteil des Grundstückseigentümers besteht in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer öffentlichen Verkehrsanlage. Entgolten wird nicht die schlichte, auch der Allgemeinheit zustehende Straßenbenutzungsmöglichkeit, sondern die einem Grundstück, insbesondere einem solchen mit Baulandqualität, zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung. Dieser Vorteil ist geeignet, den Gebrauchswert der begünstigten Grundstücke positiv zu beeinflussen; er ist ihnen individuell zurechenbar (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - BVerfGE 137, 1 Rn. 56, 58 f.; a.A. Niemeier, BayVBl. 2018, 229 <232 f.>). Diese Grundsätze gelten sogar für einen wiederkehrenden Beitrag, bei dem es wegen der Größe des Abrechnungsgebietes an einem funktionalen Zusammenhang zwischen den Verkehrsanlagen und den beitragspflichtigen Grundstücken fehlt (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 a.a.O. Rn. 54, 64). Sie gelten erst recht für den auf eine bestimmte Erschließungsstraße bezogenen einmaligen Straßenbaubeitrag, den gerade ein solcher Zusammenhang kennzeichnet. 18 Der die Beitragspflicht begründende Vorteil muss entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im jeweiligen Einzelfall konkret quantifiziert werden (ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 27. März 2017 - 9 LC 180/15 - KStZ 2017, 136 = juris Rn. 39). Vielmehr reicht es im Rahmen des weiten, dem Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraums aus, dass die Beklagte ihren den Allgemeinnutzen abbildenden Eigenanteil in Abgrenzung zum grundstücksbezogenen Sondervorteil je nach der Verkehrsbedeutung der Straße pauschal auf 25 %, 50 % bzw. 75 % festgelegt hat (§ 4 Abs. 1 StrBS i.V.m. § 11 Abs. 4 KAG HE). 19 4. Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Beitrag in § 11 Abs. 1 KAG HE verstößt nicht deshalb gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, weil es an einer allgemeinen gesetzlichen Obergrenze für die Beitragshöhe fehlt. Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die Erhebung von Straßenbaubeiträgen einen Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar. Dieser begegnet aber auch ohne allgemeine Obergrenze keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. 20 a) Unabhängig davon, ob die Belastung der Grundstückseigentümer mit einem Beitrag, der als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 11 Abs. 11 KAG HE), stets in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreift oder grundsätzlich an der subsidiären Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist (offen lassend: BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - BVerfGE 137, 1 Rn. 37; s. auch Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - BVerfGE 135, 126 Rn. 42 ff., jeweils m.w.N.), verletzt sie Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls dann, wenn sie eine erdrosselnde Wirkung entfaltet. Erdrosselnd ist das Ausmaß des - grundstücksbezogenen - Straßenbaubeitrags dann, wenn dieser die Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Steuer- und Abgabenlast zur Aufgabe des Grundstückseigentums zwingt. In diesem Zusammenhang reicht es allerdings nicht, wenn die Abgabe lediglich einzelne Betroffene derart extrem belastet. Von einer erdrosselnden Wirkung kann vielmehr nur die Rede sein, wenn dieser Effekt regelmäßig eintritt (BVerfG, Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267 <300 f.>; Beschluss vom 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 - BVerfGE 115, 97 <113, 115>). 21 Mit einer in diesem Sinn regelmäßig erdrosselnden Wirkung ist die Erhebung von Straßenbaubeiträgen auf der Grundlage des § 11 KAG HE nicht verbunden. Belege für die gegenteilige Behauptung des Klägers sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Senat hat die Beteiligten vielmehr auf eine Stellungnahme des Hessischen Städte- und Gemeindebundes an den Hessischen Landtag vom 7. März 2018 hingewiesen. Danach ist in der jahrzehntelangen Beratungspraxis dieses Verbandes kein einziger Fall bekannt geworden, in dem Grundstückseigentümer aufgrund der Erhebung von Straßenbeiträgen das eigengenutzte Grundstück hätten zwangsveräußern müssen. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt das erkennbar an einer Reihe von Vorschriften, die Vorsorge gegen eine übermäßige Beitragsbelastung treffen. 22 aa) So ist der Umbau bzw. Ausbau kommunaler Straßen schon nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG HE nur beitragspflichtig, soweit die Maßnahmen über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgehen. Die Voraussetzungen beitragspflichtiger Straßenbaumaßnahmen sind in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel, der für die Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen zuständig ist, hinreichend geklärt. Danach sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Der verändernde Um- und Ausbau mit dem Ziel einer verkehrstechnischen Verbesserung knüpft - unabhängig von der normalen Nutzungsdauer der Straße - an ein konkretes Verbesserungsbedürfnis nach Maßgabe der jeweils bestehenden Verkehrssituation an und ist von daher besonders rechtfertigungsbedürftig. Demgegenüber kennzeichnet den Umbau in Form der schlichten Erneuerung, dass ohne wesentliche bauliche Änderung oder Umgestaltung lediglich der alte, abgenutzte Straßenbestand ersetzt wird. In dieser Konstellation setzt die Beitragserhebung zur Abgrenzung von bloßen Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten den Ablauf der normalen Nutzungsdauer voraus (VGH Kassel, Urteil vom 30. Januar 1991 - 5 UE 2831/88 - NVwZ-RR 1992, 100; Beschluss vom 8. Januar 2018 - 5 A 1551/17.Z - juris Rn. 6). Wie sich mittelbar auch aus § 11a Abs. 6 Satz 3 und 4 KAG HE erschließt, liegt diese Nutzungsdauer bei rund 25 Jahren (VGH Kassel, Urteil vom 12. Januar 2018 - 8 A 1485/13 - juris Rn. 52). 23 Die Voraussetzung, dass der Umbau oder Ausbau der Straße - sowohl im Fall der grundlegenden Erneuerung als auch in dem der Verbesserung - stets erforderlich sein muss, erstreckt sich auch und gerade auf den Kostenaufwand und verhindert so eine ""Luxussanierung"" auf Kosten der Beitragspflichtigen (vgl. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 44; Schaupp-Haag, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, Kap. E Rn. 420 f.). Diese sind berechtigt, in die Beitragskalkulation und die Aufwandsermittlung Einsicht zu nehmen (§ 11 Abs. 9 KAG HE), und können somit gegebenenfalls konkrete Einwände erheben. Die Kommune hat zudem stets einen Eigenanteil an den Kosten der Baumaßnahme zu tragen, der, wie oben bereits erwähnt, je nach der Verkehrsbedeutung der Straße zwischen mindestens 25 % und mindestens 75 % beträgt (§ 11 Abs. 4 KAG HE). Dieser Eigenanteil in Verbindung mit dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung hat einen disziplinierenden Einfluss auf die Gemeinde. 24 Schließlich fördert die Anknüpfung der Beitragshöhe an den Vorteil, wie schon vom Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt, typischerweise eine Korrelation zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Grundstückseigentümer und wirkt so einer flächendeckenden Überforderung tendenziell entgegen. Das gilt zumal in Anbetracht des im angefochtenen Urteil ebenfalls bereits hervorgehobenen planerischen und verwaltungstechnischen Vorlaufs, der mit der Beitragserhebung regelmäßig verbunden ist. Werden die Beitragspflichtigen schon frühzeitig über die bevorstehende Straßenbaumaßnahme informiert, können sie rechtzeitig Rücklagen bilden. Damit sind sie in der Lage, die vorhersehbare Belastung schon von sich aus zeitlich angemessen zu verteilen. 25 bb) Davon abgesehen trägt die besondere - auf Vorausleistungen entsprechend anwendbare - Stundungsregelung (§ 11 Abs. 12, 13 KAG HE) wesentlich zur Abwendung übermäßiger Belastungen bei. Nach dieser Regelung, die nicht auf einzelne Härtefälle beschränkt ist, sondern lediglich (in der hier noch anwendbaren Fassung von 2013) den Nachweis eines berechtigten Interesses voraussetzt, soll auf Antrag eine Zahlung in bis zu fünf Jahresraten eingeräumt werden. Der Antrag ist vor Fälligkeit des Beitrags, also vor Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides, zu stellen (§ 2 KAG HE i.V.m. § 18 StrBS). Damit ist eine hinreichende Bedenkzeit gewährleistet, zumal die Beitragsveranlagung regelmäßig eine vorherige Anhörung voraussetzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG HE i.V.m. § 91 AO). 26 Diese Stundungsvorschrift, die neben dem auf Härtefälle begrenzten Stundungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG HE i.V.m. § 222 AO Anwendung findet (vgl. LT-Drs. 18/5453 S. 20), ist in mancher Hinsicht günstiger als dieser. Während die Stundungszinsen nach § 234, § 238 Abs. 1 Satz 1 AO jährlich 6 % betragen, liegt der Zinssatz nach § 11 Abs. 12 Satz 4 KAG HE bei höchstens 3 % über dem Basiszinssatz und kann überdies, anders als der feste Zinssatz des § 238 AO, nach Ermessen der beitragsberechtigten Gemeinde weiter gesenkt werden. Nach § 11 Abs. 12 Satz 6 KAG HE sind zudem die Jahresraten wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG. Damit soll erreicht werden, dass nicht die gesamte Beitragssumme als vorgehende Last im Sinne dieser Vorschrift gilt, damit gerade bei höheren Beiträgen noch ein Beleihungsspielraum verbleibt (vgl. auch dazu LT-Drs. 18/5453 S. 20). Die soeben in Kraft getretene Neufassung des § 11 Abs. 12 KAG HE (Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen vom 28. Mai 2018, GVBl. S. 247) hat die Stundungsregelung noch einmal deutlich ausgeweitet. Ohne den Nachweis eines berechtigten Interesses ermöglicht sie nunmehr bis zu 20 Jahresraten; der Zinssatz liegt nur noch bei höchstens 1 % über dem Basiszinssatz. 27 b) Soweit trotz dieser im Gesetz generell getroffenen Vorkehrungen eine unbillige Härte im Einzelfall besteht, ist ihr durch Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1, § 227, § 234 Abs. 2 AO (i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, Nr. 5 Buchst. a und b KAG HE) Rechnung zu tragen. Solche Maßnahmen dürfen zwar nicht die dem gesetzlichen Abgabentatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren. Sie können aber geboten sein, wenn ein Gesetz, das in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß ist, in Einzelfällen zu Grundrechtsverstößen führt. Sie sind mithin geeignet, einem ungewollten Überhang des Abgabentatbestandes abzuhelfen. Die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall kann so dazu beitragen, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes insgesamt zu gewährleisten (stRspr, s. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 2017 - 1 BvR 1103/15 - juris Rn. 11 f. sowie vorgehend BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 13, jeweils m.w.N.). 28 Eine Billigkeitsmaßnahme setzt stets einen besonderen Grund voraus. Neben einem sachlichen, auf eine besondere Grundstücks- bzw. Vorteilslage bezogenen Billigkeitsgrund (vgl. etwa Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 38, Stand September 2017) kommt insoweit ein persönlicher Billigkeitsgrund in Betracht. Die Erhebung des Beitrags ist aus persönlichen Gründen unbillig, wenn sie die Fortführung der wirtschaftlichen Existenz des Beitragspflichtigen gefährden würde. Vorrangig hat dieser allerdings alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um die Beitragsforderung zu begleichen (VGH München, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 6 ZB 11.24 8 - juris Rn. 5; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. August 1990 - 8 C 42.88 - Buchholz 401.0 § 222 AO Nr. 1 S. 5; BFH, Beschluss vom 29. September 1994 - III S 5/94 - BFH/NV 1995, 370 = juris Rn. 64). Unter Berücksichtigung dessen kann ein persönlicher Billigkeitsgrund nach Lage des Einzelfalls insbesondere dann gegeben sein, wenn der Eigentümer sein Wohngrundstück, das den wesentlichen Teil seines Vermögens bildet, aufgrund der Beitragsbelastung unverschuldet aufgeben müsste (so in anderem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 - BVerfGE 102, 1 <21 f.>). 29 Liegt ein persönlicher Billigkeitsgrund vor, wird vorrangig eine Maßnahme entsprechend § 234 Abs. 2 AO in Betracht zu ziehen sein. Nach dieser Vorschrift, die dem § 227 AO vorgeht (Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 234 AO Rn. 20, Stand Februar 2015; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 234 AO Rn. 12, Stand Januar 2016, jeweils m.w.N.), kann auf Stundungszinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung im Einzelfall unbillig wäre. Das ist deshalb von Bedeutung, weil nach der allgemeinen Stundungsregelung (§ 222 AO) die, wie schon erwähnt, neben § 11 Abs. 12 KAG HE tritt, die Zahl der Jahresraten nicht begrenzt, der Zinssatz allerdings generell auf jährlich 6 % festgelegt ist (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Soweit durch eine besondere Härte geboten, eröffnet § 234 Abs. 2 AO die Möglichkeit, die Zinslast trotz (noch weiter) gestreckter Jahresraten zu beseitigen oder auf ein individuell erträgliches Maß zu senken. Sollte auch der Zinserlass zur Vermeidung einer unbilligen Härte im Einzelfall nicht ausreichen, ermöglicht der - ebenfalls entsprechend anwendbare - § 227 AO den teilweisen oder sogar vollständigen Erlass der Beitragsschuld selbst. 30 Das Gesamtsystem aus Beitragspflicht im Regelfall und Billigkeitserlass im Ausnahmefall ist auch nicht deshalb defizitär, weil abgrenzbare ""Gruppenausnahmen"", die im Interesse eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges gegebenenfalls normierungsbedürftig sein könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 27), zu Unrecht ungeregelt geblieben wären. Die vom Kläger angeführten Gruppen etwaiger Härtefälle (junge Familien, alte Menschen jenseits des Erwerbslebens, Eigentümer von Grundstücken mit geringen Bodenwerten in ländlichen Regionen) sind nicht hinreichend homogen. Andere generalisierend regelungsfähige und -bedürftige Fallgruppen sind ebenfalls nicht ersichtlich. 31 Unter Berücksichtigung dessen enthält das Gesetz eine ausgewogene Regelung, die die verfassungsrechtliche Grenze des Übermaßverbotes insgesamt einhält. Ob sich der zuständige Landesgesetzgeber gleichwohl entschließt, die Straßenbaubeiträge ganz abzuschaffen oder in ihrer Höhe allgemein zu begrenzen, liegt in seinem rechtspolitischen Ermessen. 32 5. Die Anwendung des insgesamt verfassungskonformen § 11 KAG HE auf den vorliegenden Fall ist schließlich von Bundesrechts wegen ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit hat das Verwaltungsgericht sowohl die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen als auch die nach Maßgabe des Landesrechts erforderlichen rechtlichen Erwägungen angestellt. Danach hatte die M. Straße vor der Ausbaumaßnahme die übliche Nutzungsdauer einer Ortsstraße von bis zu 25 Jahren mit nahezu 50 Jahren weit überschritten. Die der Vorausleistung zugrunde liegende Schätzung der Kosten einschließlich des Anteils der Stadtwerke daran ist - unbeschadet bestimmter Abweichungen von den später ermittelten realen Kosten - nach den Darlegungen des Verwaltungsgerichts rechtlich vertretbar. Nach dem angefochtenen Urteil ist schließlich der Gemeindeanteil für die überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dienende M. Straße zutreffend auf 50 % festgesetzt worden (§ 4 Abs. 1 StrBS i.V.m. § 11 Abs. 4 KAG HE). Den diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz, gegen die Verfahrensrügen ohnehin ausscheiden (§ 134 Abs. 4 VwGO), ist die Revision nicht substantiiert entgegengetreten. 33 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-43,27.06.2018,"Pressemitteilung Nr. 43/2018 vom 27.06.2018 EN Gemeinderatsfraktion der NPD darf nicht von Fraktionszuwendungen ausgeschlossen werden Gewährt eine Gemeinde den Fraktionen im Gemeinderat Zuwendungen, darf sie Fraktionen verfassungsfeindlicher, aber nicht verbotener Parteien oder Wählervereinigungen nicht davon ausschließen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Antragsteller, eine kommunale NPD-Fraktion und deren Mitglieder, wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen eine Satzung der Antragsgegnerin, einer Stadt in Hessen. Diese gewährt den Gemeinderatsfraktionen Zuwendungen zu den Aufwendungen für die Fraktionsgeschäftsführung. Die angegriffene Satzung schließt Fraktionen „aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen"" von solchen Zuwendungen aus. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Ausschlussregelung für unwirksam erklärt. Die Revision der Antragsgegnerin hatte nur teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Normenkontrollanträge der einzelnen Fraktionsmitglieder als unzulässig zurückgewiesen, weil die angegriffene Vorschrift nur Rechte der Fraktion und nicht auch Rechte ihrer Mitglieder regelt. Der Normenkontrollantrag der Fraktion ist dagegen zulässig und begründet. Die Ausschlussregelung ist rechtswidrig, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz - GG -) verletzt. Die Gemeinden sind zwar nicht zu Fraktionszuwendungen verpflichtet, müssen aber alle Fraktionen gleich behandeln, wenn sie solche Zuwendungen gewähren. Der Ausschluss von Fraktionen verfassungsfeindlicher, nicht verbotener Parteien und Vereinigungen ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt und dient keinem verfassungsrechtlich zulässigen Zweck. Kommunale Fraktionen gehören als Untergliederungen der Gemeindevertretung zur kommunalen Verwaltung. Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung sind dazu bestimmt, die Fraktionsarbeit in der Gemeindevertretung zu finanzieren. Die Verteilung dieser Zuwendungen muss sich am Bedarf der Fraktionsgeschäftsführung orientieren. Die Zugehörigkeit der Fraktionsmitglieder zu einer Partei oder Vereinigung steht damit in keinem sachlichen Zusammenhang. Überdies ist die kommunalrechtliche Benachteiligung von Fraktionen nicht verbotener Parteien oder Wählervereinigungen nach Art. 21 und Art. 9 GG unzulässig. Dem „NPD-Urteil"" des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 - 1 BvB 1/13 - ist nichts anderes zu entnehmen. Aus der - inzwischen umgesetzten - Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien durch Verfassungsänderung von staatlicher Finanzierung auszuschließen, sind keine Befugnisse der Gemeinden gegenüber den Gemeinderatsfraktionen abzuleiten. Fraktionszuwendungen dienen nicht der Finanzierung eventuell „hinter"" den Fraktionen stehender Parteien. Fraktionen sind Teil der Staatsorganisation; im Gegensatz dazu sind die Parteien im gesellschaftlichen Bereich politisch tätig. Fraktionszuwendungen dürfen auch nicht zur Parteienfinanzierung zweckentfremdet werden. Dies ist durch Kontrollen des Zuwendungsgebers sicherzustellen. BVerwG 10 CN 1.17 - Urteil vom 27. Juni 2018 Vorinstanz: VGH Kassel, 8 C 459/17.N - Urteil vom 05. April 2017 -","Urteil vom 27.06.2018 - BVerwG 10 CN 1.17ECLI:DE:BVerwG:2018:270618U10CN1.17.0 EN Kein Ausschluss kommunaler Fraktionen ""verfassungsfeindlicher"" Parteien oder Wählervereinigungen von Fraktionszuwendungen Leitsätze: 1. Bei verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollen betreffend kommunalverfassungsrechtliche Vorschriften sind kommunale Organe und Organteile entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, wenn die angegriffene Vorschrift ein ihnen selbst zugewiesenes organschaftliches Recht zum Gegenstand hat und dies durch die Geltung der Norm oder deren Vollzug verkürzt wird. Eine nachteilige Betroffenheit durch faktische Auswirkungen normativer Eingriffe in die Rechte anderer Organe oder Organteile begründet keine Antragsbefugnis. 2. Kommunale Fraktionen, die aus Vertretern verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen bestehen, durften gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 2 GG a.F. und Art. 9 Abs. 2 GG nicht deswegen von Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung ausgeschlossen werden. Auch nach derzeitigem Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 2 bis 5 GG) ist eine an dieses Kriterium anknüpfende Benachteiligung bei der Verteilung kommunaler Fraktionszuwendungen nicht zulässig. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, Art. 21 Abs. 2 a.F., Abs. 2 bis 5, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1, § 62 Abs. 3 VereinsG § 3 HGO § 36a Abs. 3 und Abs. 4, § 71 Abs. 1 Satz 1 HessKWG § 35 Abs. 1 Satz 1 Instanzenzug VGH Kassel - 05.04.2017 - AZ: VGH 8 C 459/17.N Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.06.2018 - 10 CN 1.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270618U10CN1.17.0] Urteil BVerwG 10 CN 1.17 VGH Kassel - 05.04.2017 - AZ: VGH 8 C 459/17.N In der Normenkontrollsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2018 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Verfahren wird hinsichtlich des Antragstellers zu 5 eingestellt. Insoweit ist das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. April 2017 gegenstandslos. Im Übrigen wird das genannte Urteil geändert, soweit es die Anträge der Antragsteller zu 2 bis 4 betrifft; diese Anträge werden abgelehnt. Im Übrigen wird die Revision der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Antragsteller zu 2 bis 5 tragen jeweils 1/8 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin aus beiden Rechtszügen. Die Antragsgegnerin trägt die übrige Hälfte der Gerichtskosten sowie die gesamten außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt. Gründe I 1 Die Antragsteller wenden sich gegen eine Änderung der Entschädigungssatzung der Antragsgegnerin, die ""Fraktionen aus Vertretern erkennbarer verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen"" von Fraktionszuwendungen gemäß § 36a Abs. 4 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ausschließt. 2 § 5 der Entschädigungssatzung der Antragsgegnerin regelt Zuwendungen an die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung. In der bis zum 31. Januar 2017 geltenden Fassung lautete er: ""(3) Für den bei ihrer Arbeit entstehenden Aufwand erhalten die Fraktionen eine jährliche Zahlung, die sich aus einem Sockelbetrag von 150 € sowie einem weiteren Betrag von 40 €/Mitglied zusammensetzt. Über die Verwendung dieser Gelder ist jährlich Rechnung zu legen, die zulässigen Ausgaben sind entsprechend den 'Richtlinien für die Bestimmungsgemäße Verwendung von Fraktionszuwendungen' beschränkt. Gelder, deren ordnungsgemäße Verwendung nicht nachgewiesen wird, sind zurückzuzahlen."" 3 Am 27. Januar 2017 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin eine Änderungssatzung, die § 5 Abs. 3 der Entschädigungssatzung mit Wirkung vom 1. Februar 2017 um folgenden Satz ergänzte: ""Ausgenommen davon sind Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen."" 4 Die Begründung der Beschlussvorlage führte aus, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - habe die Verfassungsfeindlichkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) festgestellt. Diese ebenso zu behandeln wie Parteien, die auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stünden, sei willkürlich. Das rechtfertige es, die NPD-Fraktion sowie Fraktionen anderer verfassungsfeindlicher Parteien oder (Wähler-)Vereinigungen von kommunalen Zuwendungen auszuschließen. Am 31. Januar 2017 wurde die geänderte Entschädigungssatzung bekannt gemacht. 5 Am 1. Februar 2017 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt und geltend gemacht, § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG sowie gegen Art. 21 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG. 6 Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat dem Normenkontrollantrag mit Urteil vom 5. April 2017 stattgegeben und § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung für unwirksam erklärt. Neben der Antragstellerin zu 1 seien auch die Antragsteller zu 2 bis 5 antragsbefugt, weil sie durch die Benachteiligung ihrer Fraktion möglicherweise mittelbar in ihrer Mandatsfreiheit und ihrer Mandatsgleichheit beeinträchtigt würden. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. § 36a Abs. 4 HGO vermittle den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz einen Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an den Haushaltsmitteln, die für Fraktionszuwendungen zur Verfügung gestellt worden seien. Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen von solchen Zuwendungen auszuschließen, widerspreche dem Verbot der Benachteiligung wegen politischer Anschauungen gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und sei unverhältnismäßig. 7 Das Benachteiligungsverbot entfalle nicht schon wegen der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie. Eine Benachteiligung wegen der politischen Ausrichtung einer Partei oder Vereinigung sei erst zulässig, wenn diese gemäß Art. 21 Abs. 2 GG [in der seinerzeit geltenden Fassung] oder Art. 9 Abs. 2 GG als verfassungswidrig verboten worden sei. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2018 ergebe sich nichts anderes; es zeige nur die Möglichkeit auf, Zuwendungen gesetzlich - nach entsprechender Verfassungsänderung - auszuschließen. 8 Unabhängig davon sei die Benachteiligung der betroffenen Fraktionen auch unverhältnismäßig. Das zur Differenzierung verwendete Kriterium sei ungeeignet, den Zweck der Ungleichbehandlung zu fördern, weil der Zuwendungsausschluss nur die kommunalen Fraktionen und nicht die hinter ihnen stehenden Parteien oder Vereinigungen betreffe. Das Differenzierungskriterium werde auch nicht durch einen sachlichen Grund getragen. Der Bedarf an Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung hänge nicht von den politischen Überzeugungen der Fraktionsmitglieder ab. Schließlich stehe die Ungleichbehandlung außer Verhältnis zum damit verfolgten Ziel und sei deshalb unangemessen. Als Untergliederung der Stadtverordnetenversammlung gehörten die kommunalen Mandatsträger und deren Fraktionen zum staatlichen Bereich. Selbst wenn sie erkennbar verfassungsfeindliche Auffassungen verträten, dürfe dies erst nach einem Verbot ihrer Partei oder Vereinigung gemäß Art. 21 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 2 GG Folgen für ihre Mandatsausübung haben. Davon gehe auch § 35 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes (KWG) aus. 9 Mit ihrer Revision macht die Antragsgegnerin geltend, das angegriffene Urteil wende Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unzutreffend an. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG lasse Differenzierungen aus besonders gewichtigen Gründen zu und werde durch kollidierendes Verfassungsrecht wie das Rechtsstaatsprinzip und die Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie beschränkt. Letztere schließe den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein. Art. 21 Abs. 2 GG stehe dem Zuwendungsausschluss nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht habe geklärt, dass verfassungsfeindliche, wenn auch nicht verbotene Parteien gesetzlich von staatlichen Zuwendungen ausgeschlossen werden dürften. Da die Kommunen keine Verfassungs- oder Gesetzesänderung herbeiführen könnten, müsse ihnen zugestanden werden, den Zuwendungsausschluss aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechtes gemäß Art. 28 Abs. 2 GG und ihres Ermessens gemäß § 36a Abs. 4 Satz 1 HGO zu regeln. Jedenfalls seit der Einfügung von Art. 21 Abs. 3 und 4 GG in das Grundgesetz müsse es möglich sein, kommunale Fraktionen von verfassungsfeindlichen Parteien, die nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden dürften, ihrerseits von kommunalen Fraktionszuwendungen auszunehmen. Dies gelte umso mehr, als Parteien und Fraktionen im kommunalen Bereich eng miteinander verflochten seien. Das Gebot streng formaler Wahlrechtsgleichheit gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gelte nicht für kommunale Fraktionen, sondern nur für die einzelnen Mandatsträger. 10 Die Antragsgegnerin beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. April 2017 zu ändern und die Anträge abzulehnen. 11 Die Antragsteller beantragen, die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen. 12 Sie verteidigen das angegriffene Urteil. Es sei jedenfalls im Ergebnis richtig, weil die angegriffene Vorschrift verfahrensfehlerhaft beschlossen worden sei. 13 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, der Antragsteller zu 5 habe sein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung niedergelegt. Daraufhin haben der Antragsteller zu 5 und die Antragsgegnerin den Rechtsstreit bezüglich dieses Antragstellers übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. II 14 Soweit das Verfahren den Antragsteller zu 5 betrifft, war es aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzustellen. Damit ist das angegriffene Urteil hinsichtlich dieses Antragstellers gegenstandslos geworden; es entfaltet insoweit keine Rechtswirkungen mehr (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). 15 Bezüglich der Normenkontrollanträge der Antragsteller zu 1 bis 4 ist die Revision zulässig, aber nur teilweise begründet. 16 Die Revision wurde wirksam durch den Magistrat der Antragsgegnerin eingelegt. Dessen gesetzliche Befugnis zur Außenvertretung der Kommune und damit auch zu deren gerichtlicher Vertretung gemäß § 62 Abs. 3 VwGO ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 HGO unbeschränkt und nicht beschränkbar. Auf die Frage, ob die Stadtverordnetenversammlung nach § 51 Nr. 18 HGO im Innenverhältnis über die Fortführung des Rechtsstreits zu entscheiden hatte, kommt es danach nicht an. Ob etwas anderes bei rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung der Vertretungsbefugnis gelten könnte, kann offen bleiben, weil kein Missbrauch vorliegt. Die gerichtliche Verteidigung kommunaler Satzungen zählt zur Aufgabe des Magistrats, Beschlüsse des Vertretungsorgans zu vollziehen. Von einem Rechtsmissbrauch könnte allenfalls die Rede sein, wenn der Prozess einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zuwider geführt würde (so StGH Wiesbaden, Urteil vom 13. Juni 2001 - P.St. 1562 - NVwZ-RR 2002, 64). Das war und ist hier nicht der Fall. 17 Die Revision ist jedoch nur begründet, soweit sie die Normenkontrollanträge der Antragsteller zu 2 bis 4 betrifft. Die Annahme des angegriffenen Urteils, diese Anträge seien zulässig, beruht auf einer unrichtigen Anwendung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Dagegen hat die Vorinstanz dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1 im Ergebnis zu Recht stattgegeben. 18 1. Die Anträge der Antragsteller zu 2 bis 4 hätte der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig ablehnen müssen. 19 a) Allerdings unterliegt § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 15 HessAGVwGO der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Zu den unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 VwGO zählen auch untergesetzliche Regelungen organschaftlicher Rechte der Gemeindevertretung und ihrer Untergliederungen. Die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle ist nicht nur bei Rechtssätzen im formellen und materiellen Sinne statthaft. Sie wird darüber hinaus - in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 VwGO - auf Binnenrechtsvorschriften erstreckt, um die Prozessökonomie zu fördern, den Rechtsschutz zu beschleunigen und die Verwaltungsgerichte zu entlasten (BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1.87 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 17 = juris Rn. 6 ff.; vgl. Urteil vom 20. November 2003 - 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217 <220>). 20 b) Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, der bei kommunalverfassungsrechtlichen Normenkontrollen entsprechend auf organschaftliche Rechte anzuwenden ist, sind die Antragsteller zu 2 bis 4 aber nicht antragsbefugt. Sie können weder als Fraktionsmitglieder noch als Mandatsträger geltend machen, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in eigenen organschaftlichen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. 21 Anders als nach der früheren, bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom 2. August 1993 (BGBl. I S. 1442) kann ein Normenkontrollantrag nicht mehr von allen gestellt werden, die durch die angegriffene Vorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten haben oder absehbar erleiden werden. Vielmehr setzt die Antragsbefugnis nunmehr voraus, dass der Antragsteller geltend machen kann, gegenwärtig oder in absehbarer Zeit in eigenen (subjektiven oder organschaftlichen) Rechten verletzt zu werden. Außerdem muss sich die geltend gemachte Verletzung seiner Rechte aus der angegriffenen Vorschrift selbst oder aus deren Anwendung ergeben. 22 Als eigene Rechte können die Antragsteller zu 2 bis 4 nicht das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an den Fraktionszuwendungen, sondern nur ihre Mandatsrechte geltend machen. Nach der vorinstanzlichen Auslegung des § 36a Abs. 4 Satz 1 HGO, die der revisionsrechtlichen Prüfung gemäß § 137 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO zugrunde zu legen ist, begründet diese kommunalrechtliche Vorschrift nur Rechte der Fraktionen und nicht - auch - der Fraktionsmitglieder. Eine Prozessstandschaft sieht § 47 Abs. 2 VwGO nicht vor. 23 Der Verwaltungsgerichtshof hält eine Verletzung von Mandatsrechten der Antragsteller zu 2 bis 4 für möglich, weil der Ausschluss der Antragstellerin zu 1 von Fraktionszuwendungen nachteilige Folgen für die freie Mandatsausübung und die Mandatsgleichheit der Fraktionsmitglieder (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) haben könne. Das angegriffene Urteil übersieht jedoch, dass die Möglichkeit einer Verletzung dieser Rechte nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann zur Antragsbefugnis führt, wenn es sich um eine Rechtsverletzung durch die angegriffene Vorschrift selbst oder deren Anwendung handelte. Dazu müsste die Rechtsverletzung auf die angegriffene Vorschrift zurückgehen und sich ihr zuordnen lassen (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 CN 1.98 - BVerwGE 108, 182 <184>). 24 Bei kommunalverfassungsrechtlichen Normenkontrollen setzt dies voraus, dass die angegriffene Vorschrift organschaftliche Rechte des Antragstellers zum Gegenstand hat und entweder schon durch ihre Regelungswirkung oder jedenfalls mit ihrem Vollzug in diese Rechte eingreift. Dagegen genügt nicht, dass die Regelung organschaftliche Rechte anderer Organe - sei es auch eines Organs, dem der Antragsteller angehört - oder Rechte anderer Organteile beschneidet und dass dies mittelbar faktische Nachteile - auch - für die Ausübung organschaftlicher Rechte des Antragstellers haben kann (zum parallelen Problem bei der verfassungsrechtlichen Abgrenzung zwischen Eingriffen in parlamentarische Fraktionsrechte und Rechte der Fraktionsmitglieder vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1982 - 2 BvH 3/80 - BVerfGE 62, 194 <202 f.>). Diese Konkretisierung der Antragsbefugnis in kommunalverfassungsrechtlichen Normenkontrollen ergibt sich aus der Besonderheit organschaftlicher Rechte, die bei der entsprechenden Anwendung des § 47 Abs. 2 VwGO zu berücksichtigen ist. 25 § 47 Abs. 2 VwGO geht erkennbar davon aus, dass Außenrechtssätze den Gegenstand der Normenkontrolle bilden. Sein Wortlaut verlangt, dass die Verletzung subjektiv-öffentlicher Individualrechte geltend gemacht wird. Solche Rechte sind häufig grundrechtlich untermauert und auch gegen mittelbare faktische staatliche Eingriffe geschützt. Entsprechend wird eine Antragsbefugnis nicht nur der Normadressaten, sondern auch durch den Normvollzug mittelbar belasteter Dritter erwogen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - BVerwGE 119, 312 <315 ff.>). Bei kommunalverfassungsrechtlichen Normenkontrollen kommt dies nicht in Betracht. Dort können nur organschaftliche Rechte geltend gemacht werden, die den Organen und Organteilen der Kommunalverfassung - beispielsweise dem Gemeindevorstand, der Gemeindevertretung, ihren Fraktionen und den einzelnen kommunalen Mandatsträgern - jeweils als bestimmte und begrenzte Befugnisse zwecks Aufgabenteilung oder gegenseitiger Kontrolle zugewiesen sind. In dem daraus entstehenden Geflecht wechselseitig aufeinander bezogener Befugnisse ist jedes Organ und Organteil für die Wahrnehmung und Verteidigung - nur - seiner eigenen Rechte in Abgrenzung zu den Rechten aller anderen Organe und Organteile zuständig. 26 Ein normativer Eingriff in Rechte eines Organs oder Organteils setzt voraus, dass der Anwendungsbereich der Regelung sich auf das jeweilige Organ oder Organteil erstreckt. Eine Antragsbefugnis lediglich ""drittbetroffener"" Organe oder Organteile scheidet damit aus. Das gilt auch, wenn es sich um Organteile des betroffenen Organs oder um ein Organ handelt, dem ein betroffenes Organteil angehört. Zwar mögen Eingriffe in die Rechte des unmittelbar von der Regelung betroffenen Organs oder Organteils die tatsächlichen Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung der Rechte nicht von dieser Regelung erfasster Organe oder Organteile verändern. Darin liegt aber kein von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorausgesetzter normativer Eingriff in diese Rechte, sondern nur eine faktische nachteilige Auswirkung eines solchen Eingriffs in Rechte anderer (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. November 1982 - 2 BvH 3/80 - BVerfGE 62, 194 <202 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 20). 27 Den nur faktisch nachteilig ""Drittbetroffenen"" eine Antragsbefugnis neben dem Organ oder Organteil zuzugestehen, das vom normativen Eingriff betroffen ist, würde dem Zuweisungsgehalt des von diesem Eingriff erfassten organschaftlichen Rechts widersprechen. Das Organ, in dessen Recht die Vorschrift eingreift, müsste damit rechnen, dass seine Organteile oder andere drittbetroffene Organe gegen seinen Willen einen Normenkontrollantrag zur Verteidigung seines Rechts und zur Abwehr ihrer mittelbaren faktischen Beeinträchtigung stellen. Die Ausdehnung der Antragsbefugnis auf mittelbar-faktisch drittbetroffene Organe und Organteile widerspräche auch dem Sinn und Zweck der Einbeziehung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften in die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle. Sie würde zu einer Vervielfachung von Verfahren betreffend ein- und denselben Gegenstand führen, die der Prozessökonomie abträglich wäre. Außerdem würde sie die restriktive gesetzliche Regelung der Antragsbefugnis unterlaufen. 28 Die denkbaren Nachteile für die Mandatswahrnehmung der Antragsteller zu 2 bis 4 sind danach nicht als Verletzung ihrer Mandatsrechte durch die angegriffene Satzungsregelung selbst oder deren Anwendung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzuordnen. Die angegriffene Satzungsbestimmung regelt weder den Bestand von Mandatsrechten oder deren Ausübung, noch bezieht sie die Antragsteller zu 2 bis 4 als Fraktionsmitglieder in anderer Weise in ihren Anwendungsbereich ein. Die möglichen Nachteile erschöpfen sich vielmehr in mittelbaren faktischen Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwG 143, 240 Rn. 20) und können daher keine Antragsbefugnis vermitteln. 29 2. Den Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1 hat die Vorinstanz dagegen zu Recht für zulässig und - im Ergebnis - auch für begründet gehalten. 30 Die Antragstellerin zu 1 ist als teilrechtsfähige Untergliederung der Gemeindevertretung entsprechend § 61 Nr. 2 und § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO beteiligtenfähig und antragsberechtigt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist sie auch antragsbefugt, weil sie geltend machen kann, durch § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an den Mitteln für Fraktionszuwendungen verletzt zu werden (vgl. § 36a Abs. 4 HGO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG). 31 Das angegriffene Urteil geht zutreffend davon aus, dass § 5 Abs. 3 Satz 4 der Entschädigungssatzung rechtswidrig und unwirksam ist, weil er Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Zu Recht hat es den bundesrechtlichen Maßstab der Ungleichbehandlung im allgemeinen Gleichheitssatz und nicht in der Wahlrechtsgleichheit gesehen. Die Annahme, die Unzulässigkeit des gewählten Differenzierungskriteriums ergebe sich aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, trifft jedoch nicht zu. Vielmehr ist ausschlaggebend, dass die Benachteiligung der von der Satzungsregelung betroffenen Fraktionen nicht durch einen sachlichen Grund im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt wird. Die Frage, ob die Ungleichbehandlung verhältnismäßig ist, stellt sich daher nicht mehr. 32 a) Gemäß § 36a Abs. 4 Satz 1 HGO kann die Gemeinde den Fraktionen der Gemeindevertretung Mittel aus ihrem Haushalt zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung gewähren. Der Verwaltungsgerichtshof versteht die Vorschrift als Ermessensermächtigung, die der einzelnen Fraktion keinen Anspruch auf Fraktionszuwendungen vermittelt, sondern nur ein Recht auf ermessensfehlerfreie, gleichberechtigte Berücksichtigung bei der Verteilung etwaiger, für Zuwendungen bereitgestellter Mittel. Diese Auslegung der irrevisiblen Regelung (§ 137 Abs. 1 VwGO) ist mit Bundesrecht vereinbar (zum vergleichbaren § 35a Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 14). Macht die Gemeinde von der Ermächtigung Gebrauch, muss sie den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) beachten. Dieser gilt als Bestandteil des allgemeinen Rechtsstaatsgebots nicht nur für Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat, sondern auch für die kommunalverfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde und den Fraktionen ihres Gemeinderates. 33 Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof es abgelehnt, den strikteren, aus der Wahlrechtsgleichheit abzuleitenden Maßstab streng formaler Gleichbehandlung anzuwenden, der Differenzierungen nur aus zwingenden Gründen zulässt. Das Gebot strenger Gleichbehandlung gilt grundsätzlich nur für die Wahl und den Wahlvorgang; es setzt sich nach der Wahl in der Mandatsgleichheit der Gewählten fort (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 - BVerfGE 102, 224 <238 f.>). Inwieweit dies nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG - oder dem einschlägigen Landesrecht - auch für die Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane gilt, kann hier offen bleiben. Aus der Mandatsgleichheit der Gewählten folgt keine streng formale Gleichheit der Fraktionen, weil diese ihre Rechtsstellung nicht ebenso wie Mandatsträger unmittelbar aus der Wahl herleiten (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 18 f.). 34 Entgegen dem angegriffenen Urteil ist die umstrittene Satzungsbestimmung auch nicht am grundrechtlichen Verbot der Benachteiligung wegen der politischen Auffassung gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu messen. Fraktionen sind keine Grundrechtsträger. Als Teile der Gemeindevertretung gehören sie zu den kommunalen Organen. Damit sind sie Teil des Staates, der durch die Grundrechte verpflichtet wird, und nicht Grundrechtsberechtigte. 35 Ein über die Grundrechtsgewährleistung hinausgehender allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsatz, der auf innerstaatliche Rechtsverhältnisse anzuwenden wäre, ist Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu entnehmen. Das Verbot der Benachteiligung wegen der politischen Auffassung schützt eine individuelle, höchstpersönliche Überzeugung. Es ergänzt die Gewährleistung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und gilt ebenso wie diese nur für Grundrechtsträger. 36 Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als objektiv-rechtliche Gewährleistung heranzuziehen, ist schließlich nicht mit der Erwägung zu begründen, die Ungleichbehandlung der Fraktionen knüpfe an politische Auffassungen der einzelnen Fraktionsmitglieder an. Zwar benachteiligt die angegriffene Vorschrift Fraktionen, die aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen bestehen. Dieses Kriterium bezieht sich nach dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung aber nicht auf grundrechtlich geschützte partei- oder vereinspolitische Äußerungen und Betätigungen. Es stellt vielmehr darauf ab, dass Fraktionsmitglieder als kommunale Mandatsträger in der Gemeindevertretung als Vertreter verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen auftreten und mit ihrer Fraktionsarbeit deren Ziele verfolgen. Da die Vorinstanz das Differenzierungskriterium nicht näher ausgelegt hat, steht § 137 Abs. 2 VwGO seiner revisionsgerichtlichen Auslegung nicht entgegen. Diese stimmt im Übrigen mit den vorinstanzlichen Feststellungen zur Begründung der Satzungsänderung und zum Vollzug der Vorschrift überein. Daraus ergibt sich, dass die Satzungsänderung nicht auf individuelle, außerhalb der Fraktionstätigkeit geäußerte Überzeugungen oder auf Partei- oder Vereinsmitgliedschaften von Fraktionsmitgliedern reagierte, sondern darauf, dass diese ihre organschaftliche Tätigkeit im Gemeinderat am Programm der verfassungsfeindlichen Partei oder Vereinigung orientierten und als Fraktion dieser Partei auftraten (zur Möglichkeit des Bestehens mehrerer Fraktionen ein- und derselben Partei vgl. VerfGH Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 1 GR 29/17 - DVBl. 2018, 644 Rn. 63). 37 b) Die angegriffene Vorschrift verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu behandeln. Der Normgeber muss für seine Unterscheidungen und Nichtunterscheidungen einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonstwie einleuchtenden Grund angeben können. Das gilt für Belastungen und Begünstigungen gleichermaßen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412 <431> und vom 17. April 2008 - 2 BvL 4/05 - BVerfGE 121, 108 <119>, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerfGE 121, 317 <369 f.>, jeweils m.w.N.). 38 aa) Die sachlichen Gründe, die Ungleichbehandlungen bei der Gewährung von Fraktionszuwendungen rechtfertigen können, sind durch deren gesetzlich bestimmten Zweck vorgegeben. Solche Zuwendungen dienen dazu, die sächlichen oder personellen Aufwendungen der Fraktionen für ihre Geschäftsführung ganz oder teilweise zu decken (36a Abs. 4 Satz 1 HGO). Sie sind auch auf diesen Zweck begrenzt (BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188 <231>) und dürfen keinesfalls zur Finanzierung der ""hinter"" den Fraktionen stehenden Parteien zweckentfremdet werden. Daraus folgt, dass Fraktionszuwendungen nach einem Maßstab verteilt werden müssen, der sich am tatsächlichen oder erwartbaren Bedarf der jeweiligen Fraktionen für ihre Geschäftsführung orientiert (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 17). Davon abweichende, einer bedarfsorientierten Verteilung widersprechende Kriterien können eine Differenzierung nicht rechtfertigen. Das gilt auch für das von der angegriffenen Vorschrift verwendete Kriterium, das darauf abstellt, ob die Fraktion aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen besteht. Die politische Ausrichtung einer Fraktion oder ihrer Mitglieder steht zu ihrem Geschäftsführungsbedarf in keinerlei sachlichem Zusammenhang. 39 bb) Die angegriffene Differenzierung ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht mit der Verfassungsentscheidung für eine wehrhafte Demokratie oder dem verfassungsrechtlichen Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu rechtfertigen. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit diese Gesichtspunkte jeweils als kollidierendes Verfassungsrecht eingeordnet werden und den Gleichheitssatz einschränken können. Jedenfalls rechtfertigen sie es nicht, Fraktionen aus Vertretern ""erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen"" bei der Verteilung kommunaler Fraktionszuwendungen zu benachteiligen. Art. 21 Abs. 2 GG in der hier maßgeblichen, bei Erlass der angegriffenen Vorschrift und bis zum 19. Juli 2017 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481 - Art. 21 GG a.F.) und Art. 9 GG schließen eine solche Benachteiligung aus. 40 (1) Art. 21 Abs. 2 GG a.F. verbot jede rechtliche Anknüpfung an die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte strafrechtliche oder administrative Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteile vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <140>, vom 21. März 1961 - 2 BvR 27/60 - BVerfGE 12, 296 und vom 26. Oktober 2004 - 1 BvE 1/02 und 2/02 - BVerfGE 111, 382 <410>). Andere Sanktionen als die zum Parteiverbot führende Feststellung der Verfassungswidrigkeit sah Art. 21 Abs. 2 GG a.F. nicht vor und ließ das Grundgesetz seinerzeit nicht zu. Dies bestätigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - (BVerfGE 144, 20). Es geht davon aus, dass jede Modifizierung des Regelungskonzepts des Parteienprivilegs gemäß Art. 21 Abs. 2 GG a.F. dem verfassungsgebenden Gesetzgeber vorbehalten war. Als Beispiel einer solchen Modifizierung nennt es die Möglichkeit, Parteien, die einzelne Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG a.F., aber nicht sämtliche Voraussetzungen der Verfassungswidrigkeit erfüllen, von staatlicher Finanzierung auszuschließen. Zu diesen Parteien zählen die sogenannten verfassungsfeindlichen Parteien im Sinne des (heutigen) Art. 21 Abs. 3 GG. Solche Parteien durften nach Art. 21 Abs. 2 GG a.F. zwar politisch bekämpft werden, sollten bis zur konstitutiven Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit aber von jeder rechtlichen Behinderung ihrer politischen Aktivität frei sein (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - (BVerfGE 144, 20 Rn. 526, 527 a.E.). Dies schloss jede im Rang unter dem Grundgesetz stehende Regelung zur Benachteiligung wegen der Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder wegen des Eintretens für deren Ziele aus. Verboten war damit auch, den Ausschluss einer Fraktion von kommunalen Fraktionszuwendungen daran zu knüpfen, dass sie aus Vertretern verfassungsfeindlicher, aber nicht verbotener Parteien bestand. 41 (2) Auf die Neufassung des Art. 21 GG durch verfassungsänderndes Gesetz vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2346), mit der die Möglichkeit geschaffen wurde, verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Finanzierung auszuschließen (vgl. Art. 21 Abs. 3 GG n.F.), kommt es für die vorliegende Entscheidung nicht an. Eine im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrige und deshalb nichtige Satzungsregelung kann durch eine spätere, nicht auf diesen Zeitpunkt zurückwirkende Rechtsänderung nicht wirksam werden. 42 Unabhängig davon wäre die angegriffene Vorschrift auch nach aktueller Verfassungsrechtslage nicht zu rechtfertigen. Art. 21 Abs. 3 GG n.F. ermächtigt nur zum bundesgesetzlichen Ausschluss von der Parteienfinanzierung im Sinne des Parteiengesetzes (vgl. Art. 21 Abs. 5 GG n.F. und die Begründung des Entwurfs der Änderung des Art. 21 GG vom 16. Mai 2017, BT-Drs. 18/12357 S. 4 unter II. sowie BT-Drs. 18/12358 S. 6 ff. zum Entwurf der Änderung bundesgesetzlicher Regelungen). Art. 21 Abs. 4 GG n.F. behält die Entscheidung über einen solchen Ausschluss dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Parteienfinanzierung bezieht sich auf die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes, die dem gesellschaftlichen Bereich zuzuordnen ist. Sie hat die Beteiligung an Wahlen und das Erringen von Mandaten zum Ziel. Parteien, die die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 GG, nicht aber die des Absatzes 2 der Vorschrift erfüllen (verfassungsfeindliche Parteien), von der Parteienfinanzierung auszuschließen, versagt diesen die staatliche Mitfinanzierung ihrer Teilnahme am politischen Wettbewerb im Vorfeld der Wahlen. 43 Der Ausschluss von Fraktionszuwendungen betrifft dagegen die Finanzierung der Arbeit einer Untergliederung der demokratisch gewählten Volksvertretung, die als Tätigkeit eines staatlichen Organs oder Organteils dem staatlichen Bereich zuzuordnen ist. Das gilt auch für die Tätigkeit der kommunalen Fraktionen als Untergliederungen der Gemeindevertretung. Wie bereits dargelegt, sind Fraktionszuwendungen nicht zur Finanzierung etwa ""hinter"" den Fraktionen stehender Parteien bestimmt und dürfen dazu auch nicht zweckentfremdet werden (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2012 - 8 C 22.11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 19). Die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Verflechtung von Fraktions- und Parteiarbeit insbesondere auf kommunaler Ebene mag die Abgrenzung im Einzelfall erschweren, soweit die Fraktionen gesetzlich nicht nur befugt sind, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Gemeindevertretung mitzuwirken, sondern auch, ihre Auffassung insoweit öffentlich darzustellen (§ 36a Abs. 3 Halbs. 2 HGO). Die Abgrenzung wird dadurch jedoch weder unbestimmt noch unmöglich. Nach der zitierten Vorschrift darf sich die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen nur auf deren Mitwirkung an der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der kommunalen Vertretung beziehen. Allgemeinpolitische Stellungnahmen sind damit ebenso ausgeschlossen wie parteipolitische Äußerungen ohne Bezug zur Agenda der Gemeindevertretung. Der in § 36a Abs. 4 Satz 3 HGO geforderte Verwendungsnachweis und die in § 5 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Entschädigungssatzung getroffenen Regelungen ermöglichen eine wirksame Kontrolle der Mittelverwendung, die eine Zweckentfremdung von Fraktionszuwendungen zur verdeckten Parteienfinanzierung ausschließt. 44 Einer Gleichsetzung von Parteien- und Fraktionsfinanzierung steht überdies entgegen, dass die demokratische Legitimation der Mitglieder der kommunalen Vertretung und der von ihnen gebildeten Fraktionen nicht auf der politischen Ausrichtung ihrer Tätigkeit beruht, sondern aus ihrer Wahl und dem dabei errungenen Mandat folgt. Der Verwaltungsgerichtshof weist zu Recht darauf hin, dass diese demokratische Legitimation nicht schon durch die Mitgliedschaft des Mandatsträgers in einer verfassungsfeindlichen Partei oder durch dessen Betätigung für diese endet, sondern erst durch ein Verbot der Partei gemäß Art. 21 Abs. 2 GG a.F., das zum Mandatsverlust führt (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes - KWG - vom 7. März 2005 - GVBl. I S. 197). 45 (3) Unzulässig ist nach Art. 9 Abs. 2 GG auch die angegriffene satzungsrechtliche Ungleichbehandlung von Fraktionen aus Vertretern verfassungsfeindlicher (Wähler-)Vereinigungen. Ebenso wie Art. 21 Abs. 2 GG a.F. schließt Art. 9 GG jede Benachteiligung von Fraktionen wegen einer Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu verfassungsfeindlichen Vereinigungen oder deren Tätigkeit für solche Vereinigungen aus, bis gemäß § 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG) in einem förmlichen Verfahren festgestellt wird, dass der Verein gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten ist. 46 c) Weil es schon an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung fehlt, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung nicht mehr. Überdies hätte das Ziel der angegriffenen Vorschrift, verfassungsfeindliche Parteien und Vereinigungen von kommunalen Fraktionszuwendungen auszuschließen, wegen der einschlägigen verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbote nicht für verfassungsrechtlich legitim erklärt werden dürfen. Die Annahme des angegriffenen Urteils, die Satzungsbestimmung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, trifft aus den oben dargelegten Gründen jedoch im Ergebnis zu. 47 Die Kostenentscheidung bezüglich der Antragsteller zu 1 bis 4 und der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2 sowie § 155 Abs. 1 und § 159 VwGO. Hinsichtlich des Antragstellers zu 5 beruht sie auf § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Teilerledigung, ihm die Kosten bezüglich des erledigten Verfahrensteils aufzuerlegen. Bei streitiger Entscheidung darüber wäre er aus denselben Gründen unterlegen wie die Antragsteller zu 2 bis 4. Die Quotelung entsprechend § 155 Abs. 1 VwGO berücksichtigt die (hinsichtlich des Antragstellers zu 5 nach Abschluss des vorinstanzlichen Verfahrens beendete) Mitgliedschaft der Antragsteller zu 2 bis 5 in der Antragstellerin zu 1." bverwg_2018-44,28.06.2018,"Pressemitteilung Nr. 44/2018 vom 28.06.2018 EN Entlassung der früheren Vizepräsidentin der Hochschule Hannover rechtswidrig Die Entlassung der Vizepräsidentin einer Hochschule war nach dem früheren Niedersächsischen Hochschulgesetz nicht ohne Bestätigung durch den Hochschulrat zulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin wurde im Jahre 2012 vom Senat der Hochschule Hannover zur hauptberuflichen Vizepräsidentin gewählt und für sechs Jahre in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen. Im Jahre 2013 wählte der Senat alle Mitglieder des Präsidiums - darunter auch die Klägerin - ab. Der Hochschulrat lehnte es ab, die Abwahlvorschläge des Senats zu bestätigen. Der Senat wiederholte daraufhin seine Abwahlentscheidung. Entsprechend der Bitte des Senats entließ das zuständige Landesministerium die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere ausgeführt, dass die Entlassungsverfügung nicht deshalb rechtswidrig sei, weil die Abwahlentscheidung entgegen § 40 NHG a.F. ohne Bestätigung durch den Hochschulrat geblieben sei. Es wäre eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit und verstieße gegen Art. 5 Abs. 3 GG, wenn sich die Abwahlentscheidung des Senats als dem mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Organ der Hochschule nicht durchsetzen würde, sondern dem mehrheitlich mit Externen besetzten Hochschulrat ein Vetorecht zukäme. Der hier vorliegende Fall, dass der Hochschulrat einen mit Drei-Viertel-Mehrheit beschlossenen Abwahlvorschlag des Senats nicht bestätige, sei in verfassungskonformer Auslegung so zu lösen, dass der Senat unter Auseinandersetzung mit dem Votum des Hochschulrats erneut entscheiden müsse und mit Drei-Viertel-Mehrheit die endgültige und für das Ministerium verbindliche Abwahl beschließen könne. Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 40 Satz 2 NHG a.F. unzulässig ist, weil sie die Grenzen verfassungskonformer Auslegung überschreitet. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes bedarf der Entlassungsvorschlag des Senats der Bestätigung durch den Hochschulrat. Ohne die gesetzlich vorgesehene Bestätigung des Hochschulrats war die Entlassung der Klägerin rechtswidrig. Fußnote: § 40 Niedersächsisches Hochschulgesetz - NHG - in der Fassung vom 26.02.2007: Abwahl von Mitgliedern des Präsidiums 1 Der Senat kann mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder einzelne Mitglieder des Präsidiums abwählen und damit deren Entlassung vorschlagen. 2 Der Vorschlag bedarf der Bestätigung des Hochschulrats. BVerwG 2 C 14.17 - Urteil vom 28. Juni 2018 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 5 LB 156/16 - Urteil vom 08. März 2017 - VG Hannover, 13 A 5547/13 - Urteil vom 15. September 2015 -","Urteil vom 28.06.2018 - BVerwG 2 C 14.17ECLI:DE:BVerwG:2018:280618U2C14.17.0 EN Entlassung der Vizepräsidentin einer Hochschule aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit nach Abwahl durch den Senat Leitsätze: 1. Die Entlassung eines Beamten auf Zeit bedarf - soweit sie nach Art. 33 Abs. 5 GG zulässig ist - einer gesetzlichen Grundlage, welche die Voraussetzungen der Entlassung regelt. 2. Eine gesetzlich geregelte Voraussetzung für die Entlassung eines Beamten auf Zeit kann nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung entfallen. 3. Nimmt ein nicht zur Mitwirkung Berechtigter an einer (Ab-)Wahlentscheidung teil, kann § 46 VwVfG auf diesen Verfahrensfehler nicht angewendet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob und wie er sich an der Beratung beteiligt und wie er abgestimmt hat. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 5 BRRG § 127 Nr. 2 VwGO § 137 Abs. 1, § 191 Abs. 2 BeamtStG § 63 Abs. 3 Satz 2 NHG 2007 § 40 Satz 1 und 2 NHG 2010 § 48 Abs. 2 VwVfG § 46 Instanzenzug VG Hannover - 15.09.2015 - AZ: VG 13 A 5547/13 OVG Lüneburg - 08.03.2017 - AZ: OVG 5 LB 156/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.06.2018 - 2 C 14.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:280618U2C14.17.0] Urteil BVerwG 2 C 14.17 VG Hannover - 15.09.2015 - AZ: VG 13 A 5547/13 OVG Lüneburg - 08.03.2017 - AZ: OVG 5 LB 156/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 2017 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. September 2015 sowie der Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2013 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Amt als hauptberufliche Vizepräsidentin der beigeladenen Universität durch das beklagte Ministerium. 2 Die Klägerin war von 1998 bis 2006 Regierungsdirektorin an der Brandenburgisch Technischen Universität Co. und von 2006 bis 2012 hauptberufliche Vizepräsidentin im Beamtenverhältnis auf Zeit an der Technischen Universität Cl. 3 Nach vorheriger Wahl durch den (Hochschul-)Senat der Beigeladenen wurde die Klägerin für den Zeitraum von April 2012 bis März 2018 unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit zur hauptberuflichen Vizepräsidentin der beigeladenen Hochschule ernannt. Außer ihr gehörten dem Präsidium der Beigeladenen eine Präsidentin und zwei nebenberufliche Vizepräsidenten an. Die Klägerin war u.a. für die Bereiche Haushalt, Personal und Justiziariat verantwortlich; als für die Finanzverwaltung zuständiges Präsidiumsmitglied war sie außerdem Beauftragte für den Haushalt. 4 Im Januar 2013 wählte der Senat der Beigeladenen alle vier Mitglieder des Präsidiums ab. Im Folgemonat beschloss der Hochschulrat der Beigeladenen, die Abwahlvorschläge des Senats nicht zu bestätigen. Im März traten die Präsidentin und die nebenberuflichen Vizepräsidenten von ihren Ämtern zurück; der Beklagte entließ diese drei Präsidiumsmitglieder noch im März jeweils aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit bzw. aus dem Amt. Im April befasste sich der Senat mit der Entscheidung des Hochschulrats, den Entlassungsvorschlag nicht zu bestätigen. Er bestätigte seine eigene Abwahlentscheidung und bat das beklagte Ministerium, dem Entlassungsvorschlag zu folgen. 5 Der Beklagte hörte die Klägerin an und entließ sie sodann mit Bescheid vom 26. Juni 2013. 6 Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 7 Die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, obwohl die Stelle der Klägerin zwischenzeitlich neu besetzt worden sei; die Anfechtung der Entlassung der Klägerin habe sich dadurch nicht erledigt. Die Klage sei aber unbegründet, weil die Entlassungsverfügung rechtmäßig sei. 8 Die Klägerin könne - erstens - nicht erfolgreich geltend machen, ihre Entlassung sei schon deshalb rechtswidrig, weil die gesetzliche Regelung zur Abwahl und Entlassung hauptberuflicher Vizepräsidenten als Verstoß gegen das Lebenszeitprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG verfassungswidrig sei. Denn die Klägerin sei durch eine Wahl als Akt demokratischer Willensbildung, der nur befristet wirke, in ihr Amt gelangt. Außerdem sei sie vollberechtigtes Mitglied des Leitungsorgans Präsidium gewesen und deshalb nicht primär mit der Hochschulverwaltung betraut gewesen, sondern habe als Mitglied des Präsidiums selbst hochschulpolitische Entscheidungen treffen können. Beides unterscheide sie von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall des brandenburgischen Hochschulkanzlers. 9 Die Entlassung der Klägerin sei - zweitens - auch nicht wegen etwaiger Mängel im Abwahlvorgang rechtswidrig. Zum einen sei die Mitwirkung eines Personalratsmitglieds bei der Abwahl nach § 46 VwVfG unbeachtlich, da auch ohne dessen Stimme die für die Abwahl erforderliche Dreiviertelmehrheit in jedem Fall erreicht worden wäre. Zum anderen sei die Entlassungsverfügung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Abwahlentscheidung entgegen der maßgeblichen Regelung ohne Bestätigung durch den Hochschulrat geblieben sei. Die Wissenschaftsfreiheit wäre strukturell gefährdet, wenn sich die Abwahlentscheidung des Senats als dem mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Organ der Hochschule nicht durchsetzen würde, sondern dem mehrheitlich mit Externen besetzten Hochschulrat ein Vetorecht zukäme. Wenn der Hochschulrat einen mit Dreiviertelmehrheit beschlossenen Abwahlvorschlag des Senats nicht bestätige, sei in verfassungskonformer Auslegung der Senat befugt, unter Auseinandersetzung mit dem Votum des Hochschulrats erneut zu entscheiden und mit Dreiviertelmehrheit die endgültige und für das Ministerium verbindliche Abwahl zu beschließen. 10 Mit der bereits vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 2017 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. September 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2013 aufzuheben. 11 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert. II 13 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil zu der auch gegenwärtig noch zulässigen Klage (1.) beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG), nämlich auf einem Verstoß gegen §§ 40 und 48 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG) in ihrer hier maßgeblichen Fassung (2.) und § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) i.V.m. 46 VwVfG (3.). 14 1. Die Klage ist unverändert zulässig. Weder die nach der Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgte Ernennung eines Nachfolgers noch der Umstand, dass inzwischen auch die Amtszeit der Klägerin abgelaufen ist, haben eine Erledigung der Entlassungsverfügung bewirkt; von dieser gehen weiterhin jedenfalls besoldungs- und versorgungsrechtliche Rechtswirkungen aus. 15 2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, §§ 40 und 48 NHG a.F. seien einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, wonach der Senat der Hochschule ein verbeamtetes Präsidiumsmitglied auch ohne die in § 40 Satz 2 NHG a.F. vorgesehene Bestätigung durch den Hochschulrat entlassen kann, überschreitet die Grenzen verfassungskonformer Auslegung. 16 § 40 NHG in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Februar 2007 (GVBl. S. 69 - NHG 2007) lautete wie folgt: ""Der Senat kann mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder einzelne Mitglieder des Präsidiums abwählen und damit deren Entlassung vorschlagen. Der Vorschlag bedarf der Bestätigung des Hochschulrats."" Gemäß § 48 Abs. 1 NHG in der Fassung des Gesetzes vom 10. Juni 2010 (GVBl. S. 242 - NHG 2010) ernennt oder bestellt und entlässt das Fachministerium die Mitglieder des Präsidiums. 17 a) § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 63 Abs. 3 BeamtStG fortgilt, ermöglicht die Revision bei einer Verletzung von Landesrecht, sofern es sich um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handelt. Eine Klage aus dem Beamtenverhältnis ist eine solche, bei der der Streit um ein sich aus einem konkreten Beamtenverhältnis ergebendes Rechtsverhältnis eines Beamten geht (BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1965 - 8 B 44.63 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 13 S. 21). Aus dem Anknüpfungspunkt im Beamtenverhältnis folgt, dass es um Normen gehen muss, die - ungeachtet ihrer formalgesetzlichen Einbindung (hier: im Landeshochschulgesetz) - materiell dem Landesbeamtenrecht zuzuordnen sind; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Regelung Auswirkungen auf das Statusverhältnis des Beamten entfalten kann (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 - Buchholz 421.20 HochschulR Nr. 58 Rn. 27). § 48 NHG a.F. regelt die dienstrechtliche Befugnis zur Entlassung eines Beamten auf Zeit, berührt also dessen Statusverhältnis und ist somit unmittelbarer dienstrechtlicher Natur. Die Auslegung dieser Bestimmung im Berufungsurteil ist revisibel. Dies gilt auch für die Auslegung des § 40 NHG a.F., denn die verfassungskonforme Auslegung von Landesrecht anhand von Bundesverfassungsrecht ist als Anwendung von Bundesrecht revisibel, d.h. das Revisionsgericht ist dabei nicht an die Auslegung durch die Vorinstanz gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1994 - 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <294>). 18 b) §§ 40 und 48 Abs. 1 NHG a.F. enthalten eine gestufte Regelung für die Abwahl und Entlassung von Mitgliedern des Präsidiums: In einem ersten Schritt kann der Senat - auf dessen Vorschlag das betreffende Präsidiumsmitglied für die Dauer von sechs Jahren in ein Beamtenverhältnis auf Zeit ernannt worden war (§ 38 Abs. 2 bis 4 und § 39 Abs. 1 NHG) - mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder das Präsidiumsmitglied abwählen und damit dessen Entlassung vorschlagen. In einem zweiten Schritt bedarf dieser Entlassungsvorschlag der Bestätigung durch den Hochschulrat. Dem schließt sich dann in einem dritten Schritt die Entscheidung des Fachministeriums über die Entlassung des Präsidiumsmitglieds aus dessen Beamtenverhältnis auf Zeit an. 19 Die Auslegung im Berufungsurteil, wonach der zweite Schritt des dreistufigen Verfahrens - die Bestätigung des Entlassungsvorschlags durch den Hochschulrat - im Wege verfassungskonformer Auslegung entbehrlich sein kann, überschreitet die Grenzen verfassungskonformer Auslegung. 20 c) Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274> und vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 u.a. - NZA 2018, 774, Rn. 72 ff., jeweils m.w.N.; BVerwG, Vorlagebeschluss vom 18. Juni 2015 - 2 C 49.13 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 132 Rn. 104 f. und Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - BVerwGE 155, 35 Rn. 29). 21 Im vorliegenden Fall ist bereits der Wortlaut der Norm (§ 40 Satz 2 NHG a.F.) als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung eindeutig dahingehend, dass die Entlassung eines Präsidiumsmitglieds nur nach vorheriger Bestätigung des Entlassungsvorschlags des Senats durch den Hochschulrat zulässig ist. Dieser Wortlaut des Gesetzes entspricht auch dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des historischen Gesetzgebers: 22 So bedurfte gemäß der Vorgängerregelung des § 63c Abs. 5 und 6 NHG in der Fassung vom 26. Februar 2006 (GVBl. S. 69) ein Vorschlag des Senats zur Abwahl von Präsidiumsmitgliedern nur dann einer Bestätigung durch den Hochschulrat, wenn der Senat den Abwahlvorschlag mit weniger als drei Vierteln seiner Mitglieder beschlossen hatte. In § 40 NHG a.F. regelte der Gesetzgeber sodann, dass (auch) ein mit Dreiviertelmehrheit beschlossener Abwahlvorschlag der Bestätigung durch den Hochschulrat bedarf. Eine solche Ausdehnung der Mitwirkungsrechte des Hochschulrats lässt gerade nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Regelung schaffen wollte, wonach der Senat sich über die Verweigerung der Bestätigung durch den Hochschulrat hinwegsetzen kann. 23 Außerdem wurde bei der Schaffung von § 40 NHG a.F. das für einen Abwahlvorschlag erforderliche Quorum im Senat von einer Zweidrittelmehrheit in eine Dreiviertelmehrheit geändert. Auch dies lässt nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, eine Regelung zu schaffen, wonach sich der Senat über den Hochschulrat hinwegsetzen kann - etwa als Ausgleich für die höheren Anforderungen an die Mehrheit im Senat. 24 Nach den Gesetzesmaterialien ist vielmehr davon auszugehen, dass die Erhöhung der im Senat notwendigen Mehrheit ein Kompromiss gegenüber einer vollständigen Abschaffung des Abwahlrechts des Senats war. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung (CDU/FDP) sah noch vor, das Abwahlrecht des Senats zu streichen (LT-Drs. 15/2670 S. 18). Laut der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dies dazu dienen, ""während der Amtszeit der Präsidiumsmitglieder die gesetzlich festgelegten Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klarer zur Geltung zu bringen"", denn ""die Amtszeit der Präsidiumsmitglieder [sei] grundsätzlich zeitlich begrenzt, sodass bereits die wiederkehrende Wahl für die notwendige Balance zwischen den Organen sorgt"" (LT-Drs. 15/2670 S. 56). Der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur empfahl dem Landtag allerdings, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit Änderungen anzunehmen, zu denen ein Abwahlrecht mit Dreiviertelmehrheit gehörte, wie es daraufhin in § 40 NHG a.F. auch geregelt wurde (LT-Drs. 15/3281). Dies beruhte auf einem Vorschlag der Regierungsfraktionen (Berichterstatterin MdL Graschtat, mündlicher Bericht, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12048, sowie schriftlicher Bericht, LT-Drs. 15/3505 S. 18). Die Abgeordnete Trost erklärte dazu für die CDU-Fraktion: ""Der Gesetzentwurf sah vor, dass sowohl [...] Präsidenten als auch [...] Dekane für die Zeit ihrer Wahl nicht durch Abwahl ihres Amtes enthoben werden können. Hintergrund dieser Maßnahme ... war nach Ausführungen des Fachministeriums das Ziel, die Präsidien und Dekane zu stärken und unabhängiger zu machen. Vor dem Hintergrund, dass dieser Personenkreis oft unattraktive und harte Entscheidungen an der Hochschule oder sogar im eigenen Fachbereich durchsetzen muss, ist das nachvollziehbar. Wir können den Ausführungen des Ministeriums durchaus folgen. Jedoch halten wir es für eine demokratisch legitimierte Hochschule für durchaus sinnvoll, eine Abwahlmöglichkeit zu eröffnen. Unsere Auffassung wurde uns in der Anhörung seitens der Hochschulpräsidenten mehrfach bestätigt. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, dass der Senat mit einer Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder das Präsidium abwählen und dessen Entlassung vorschlagen kann. Der Vorschlag bedarf in diesem Fall der Zustimmung des Hochschulrates"" (MdL Trost, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12040). Der Abgeordnete Zielke ergänzte für die FDP-Fraktion: ""Wir haben uns dafür eingesetzt und unsere Koalitionspartner auch davon überzeugen können, dass die Präsidenten der Hochschulen nicht nur gewählt werden, sondern entgegen dem Regierungsentwurf im Notfall auch abgewählt werden können, wenn auch mit einer hohen Hürde für die Abwahl; denn eine Präsidentin oder ein Präsident soll führen können und nicht bei jeder unpopulären Entscheidung um den Job fürchten müssen"" (MdL Zielke, LT, 15. WP, 103. Plenarsitzung vom 8. November 2006, StenBer S. 12047). 25 Schließlich lässt auch die Begründung zum Gesetzentwurf von § 40 NHG 2015 nicht darauf schließen, dass der historische Gesetzgeber bereits mit § 40 Satz 1 und 2 NHG a.F. eine Regelung schaffen wollte, wonach sich der Senat über den Hochschulrat hinwegsetzen kann. Die im Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 17/3949 S. 23) enthaltene Annahme, dass es sich bei § 40 Satz 3 und 4 NHG 2015 - wonach dann, wenn der Hochschulrat den Vorschlag des Senats nicht bestätigt, der Senat einen Einigungsversuch in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Hochschulrat unternimmt und bei dessen Erfolglosigkeit der Senat mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder abschließend über den Vorschlag entscheidet - lediglich um eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage handelte, fand keine Entsprechung im parlamentarischen Verfahren. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien bestand im Landtag jedenfalls kein Konsens darüber, dass die Rechte des Senats nur klargestellt und nicht gestärkt würden. Dies gilt insbesondere für die Regierungsfraktionen; der Abgeordnete Holtz erklärte für die (Regierungs-)Fraktion der Grünen noch in der abschließenden Beratung im Plenum: ""Der Senat als Ort akademischer Selbstbestimmung wird gestärkt, indem er künftig das Letztentscheidungsrecht bei der Abwahl von Präsidiumsmitgliedern hat"" (MdL Holtz, LT, 17. WP, 81. Plenarsitzung vom 14. Dezember 2015, StenBer S. 7966). 26 Eine verfassungskonforme Auslegung ist demgemäß angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes und des diesem entsprechenden Willens des historischen Gesetzgebers ausgeschlossen. 27 Aus dem vom Beklagten angeführten Urteil des erkennenden Senats zur Übernahme eines Hochschullehrers bei Überführung einer Hochschule in die Trägerschaft einer Stiftung (BVerwG, Urteil vom 26. November 2009 - 2 C 15.08 - BVerwGE 135, 286 Rn. 29, 43 ff.) ergibt sich nichts anderes. Zwar heißt es dort in Übereinstimmung mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass dem Gesetzgeber bei der Regelung der Hochschulorganisation eine verfassungsrechtliche Grenze insoweit gesetzt ist, als eine strukturelle Gefährdung der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten freien wissenschaftlichen Betätigung vermieden werden muss. Unter anderem bei Personalentscheidungen müsse der Gruppe der Hochschullehrer zumindest ein maßgebender, in Fragen der Forschung ein ausschlaggebender Einfluss eingeräumt werden, was bei der vorgesehenen Aufgabenübertragung auf den Stiftungsrat erfordere, dass dem Senat ein dauerhaft ausschlaggebender Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrats eingeräumt werde und bei der Entscheidung des Fachministeriums über die Entlassung eines Mitglieds des Stiftungsrats aus wichtigem Grund dem Votum des Senats maßgebende Bedeutung zukommen müsse (BVerwG, Urteil vom 26. November 2009 - 2 C 15.08 - BVerwGE 135, 286 Rn. 51 ff.). Abgesehen davon, dass es sich um eine deutlich andere Fallkonstellation als im vorliegenden Fall handelte (im Stiftungsmodell kommt dem Stiftungsrat die Funktion zu, die im Streitfall der des Ministeriums entspricht), kommt in diesem Urteil gerade nicht zum Ausdruck - und kann aus den vorgenannten Gründen auch nicht zum Ausdruck kommen -, dass auch ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille im Wege verfassungskonformer Auslegung überwunden werden könne. Vielmehr sollte den verfassungsrechtlichen Erfordernissen bei der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes - bei einem gerade nicht eindeutigen Gesetzeswortlaut - Rechnung getragen werden. 28 d) Ob und wieweit die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) es erfordert, dass der Senat die Möglichkeit haben muss, eine Nichtbestätigung seines Entlassungsvorschlags bezüglich eines Präsidiumsmitglieds zu überwinden, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die Entlassung eines Beamten als statutsbeendende Maßnahme bedarf - sofern sie nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG überhaupt zulässig ist - stets einer gesetzlichen Grundlage; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es ""eine der wichtigsten von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Regeln des Beamtenrechts [...], daß [...] jede Beendigung des Beamtenverhältnisses nur unter gesetzlich geregelten Voraussetzungen und Formen zulässig ist"" (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1958 - 1 BvL 27/55 - BVerfGE 8, 332 <352 f.>). Im Übrigen wäre die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Zeitbeamtenverhältnis zulässig ist und inwieweit die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch Abwahl- und ggf. Entlassungsbefugnisse des Senats gegenüber Präsidiumsmitgliedern gebietet, insbesondere nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2018 - 2 BvL 10/16 - (NVwZ 2018, 1044, insbesondere Rn. 80) zu beurteilen. 29 3. Das angegriffene Berufungsurteil beruht außerdem auf einer Verletzung von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 46 VwVfG. 30 Die Teilnahme des Personalratsmitglieds K. an der Sitzung des Senats der Beigeladenen vom März 2013 verstieß gegen deren Grundordnung. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts scheidet die Anwendung von § 46 VwVfG auf diesen Verfahrensfehler aus. 31 Gemäß § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dass die von der Klägerin als Verstoß gegen die Grundordnung der Beigeladenen gerügte Teilnahme des Personalratsmitglieds K. an der Sitzung des Senats im Januar 2013 die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, ist nicht offensichtlich. 32 Ein Verstoß gegen Verfahrens-, Form- oder Zuständigkeitsvorschriften war nur dann offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache, wenn das Gericht zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso ausgefallen wäre. Ein Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 <270>). Eine fehlerfreie Abwägungs- oder Ermessensentscheidung ist nicht gewährleistet, wenn an der Entscheidung ein Amtsträger mitgewirkt hat, der nach den geltenden Vorschriften nicht hätte mitwirken dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <356>). Eine kollegial zu treffende Ermessensentscheidung kann schon dadurch anders ausfallen, dass eine Person durch ihre Teilnahme an der Beratung Einfluss auf die anderen Organmitglieder ausüben und diese zu einem abweichenden Abstimmungsverhalten veranlassen kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 26. Mai 2014 - 19 B 203/14 - NWVBl 2015, 157 <160> m.w.N.). 33 Dementsprechend bestand auch im Fall der Klägerin die Möglichkeit, dass das Personalratsmitglied K. durch seine Teilnahme an der Sitzung des Senats insbesondere im Januar 2013 die Entscheidung bezüglich der Abwahl und Entlassung der Klägerin beeinflusste, indem er Einfluss auf die anderen Senatsmitglieder ausübte. Das Berufungsgericht hat keine entgegenstehenden Feststellungen getroffen, sondern hierzu im Wesentlichen nur die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts referiert, wonach es, ""selbst wenn Herr [K.] für die Abwahl gestimmt haben sollte, [...] für die Dreiviertelmehrheit nicht mehr auf seine Stimme angekommen [sei]"". Diese Feststellung betrifft indes nur den Zählwert der Stimme von Herrn K. bei der Abstimmung und nicht den Einfluss, den er schon durch seine Sitzungsteilnahme auf das Abstimmungsverhalten im Senat nehmen konnte. 34 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat keine Kosten zu tragen, weil sie keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO) und keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil sie sich nicht durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, so dass eine Kostenerstattung nicht der Billigkeit entspräche (§ 162 Abs. 3 VwGO)." bverwg_2018-45,05.07.2018,"Pressemitteilung Nr. 45/2018 vom 05.07.2018 EN Offensichtlicher Wohnsitzmangel einer EU-Fahrerlaubnis wirkt bei späterem Umtausch des Führerscheins fort Steht aufgrund vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Information fest, dass ein Führerschein von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unter Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt worden ist, haftet dieser Mangel auch dem Führerschein an, in den dieser Führerschein danach in einem anderen Mitgliedstaat umgetauscht wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Dem Kläger - ein deutscher Staatsangehöriger, der gegenwärtig auch in Deutschland lebt - war nach einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachfolgende Anträge auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis blieben erfolglos, nachdem die eingeholten Fahreignungsgutachten jeweils zu einem negativen Ergebnis geführt hatten. Im Jahr 2009 erhielt der Kläger einen tschechischen Führerschein. Da er ausweislich der Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in der Tschechischen Republik nur einen Scheinwohnsitz begründet hatte, erkannte ihm die zuständige Führerscheinbehörde die Berechtigung ab, mit diesem Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichte Kraftfahrzeuge zu führen und trug einen entsprechenden Sperrvermerk ein. Die hiergegen gerichtete Klage ist rechtskräftig abgewiesen worden. Da der Kläger gleichwohl in der Bundesrepublik am Straßenverkehr teilgenommen hatte, ist er mehrfach strafgerichtlich verurteilt und mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis belegt worden, die 2013 ablief. Nachdem er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt hatte, erhielt der Kläger dort im Jahr 2014 durch Umtausch einen österreichischen Führerschein. Er war durch Angabe der Code-Nummer 70, der Länderkennung CZ sowie der Angabe von Ausstellungsdatum und Nummer als umgetauschter tschechischer Führerschein erkennbar. Nachdem der Kläger mit diesem Führerschein im Bundesgebiet angetroffen worden war, stellte die Fahrerlaubnisbehörde fest, dass der Kläger nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV) normierte Nichtanerkennungstatbestand erfasst die Fälle, in denen der Wohnsitzmangel aufgrund des Umtauschs nicht mehr unmittelbar aus dem Führerschein oder von dessen Ausstellungsmitgliedstaat herrührender Information feststellbar ist, zwar nicht unmittelbar. Die Norm kann auf diese Konstellation aber entsprechend angewendet werden. Der Ausschlussgrund will eine Anerkennung von Führerscheinen, die unter Verstoß gegen die zwingende Zuständigkeitsvoraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt worden sind, verhindern. Diese Zielstellung gebietet eine Erstreckung auch auf die Fälle nachträglich umgetauschter Führerscheine. Der Anerkennungsgrundsatz der sog. 3. Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits entschieden, dass der offensichtliche Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat auch auf Führerscheine fortwirkt, die später auf der Grundlage eines Führerscheins ausgestellt worden sind, dessen Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten versagt werden durfte. In den betreffenden Rechtssachen ging es um die echte Neuerteilung für andere, an den mit einem solchen Wohnsitzmangel behafteten Führerschein der Klasse B anknüpfende Fahrzeugklassen. Für den hier vorliegenden Umtausch des mit einem Wohnsitzmangel behafteten Führerscheins gilt dies erst recht. Auch in diesen Fällen wirkt der Mangel des ursprünglichen Führerscheins fort. Andernfalls würde der unter offensichtlichem Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung von den tschechischen Behörden ausgestellte Führerschein über die „Verlängerung"" eines Umtauschs in einem anderen Mitgliedstaat für das Bundesgebiet im Ergebnis doch verbindlich. BVerwG 3 C 9.17 - Urteil vom 05. Juli 2018 Vorinstanzen: VGH München, 11 B 16.2007 - Urteil vom 21. März 2017 - VG Bayreuth, B 1 K 15.708 - Urteil vom 24. Juni 2016 -","Urteil vom 05.07.2018 - BVerwG 3 C 9.17ECLI:DE:BVerwG:2018:050718U3C9.17.0 EN Offensichtlicher Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis wirkt auch in einem umgetauschten EU-Führerschein fort Leitsätze: 1. Hat ein Mitgliedstaat einen EU-Führerschein unter offensichtlichem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein um, wirkt der Wohnsitzmangel in dem umgetauschten Führerschein fort. 2. Ein Führerschein, den ein anderer Mitgliedstaat nach Ablauf einer Sperrfrist im Wege des bloßen Umtauschs ausgestellt hat, berechtigt vor deren Tilgung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Rechtsquellen RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 5 Buchst. a, Art. 11, Anhang I StGB § 69a Abs. 1 Satz 3 StVG § 3 Abs. 4 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, §§ 21, 29 FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 4, Abs. 5, § 47 Abs. 2 Instanzenzug VG Bayreuth - 24.06.2016 - AZ: VG B 1 K 15.708 VGH München - 21.03.2017 - AZ: VGH 11 B 16.2007 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 9.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:050718U3C9.17.0] Urteil BVerwG 3 C 9.17 VG Bayreuth - 24.06.2016 - AZ: VG B 1 K 15.708 VGH München - 21.03.2017 - AZ: VGH 11 B 16.2007 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner am 5. Juli 2018 für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. 2 Der 1959 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er erhielt am 2. Oktober 1990 eine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der damaligen Klasse B der Deutschen Demokratischen Republik, die ihm durch Entscheidung des Kreisgerichts Jena vom 18. November 1991 im Anschluss an eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr entzogen wurde. Der Kläger nahm nachfolgend gleichwohl mit erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teil und wurde in den Jahren 1992 bis 2006 insgesamt sieben Mal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubten Entfernens vom Unfallort u.a. verurteilt. Anträge auf Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis blieben erfolglos. 3 Am 21. Januar 2009 erhielt der Kläger einen tschechischen Führerschein mit der Nummer 995733. Nachdem er bei einer Polizeikontrolle in Deutschland mit diesem Führerschein angetroffen worden war, erkannte die Stadt Bamberg ihm mit Bescheid vom 19. Juni 2009 die Berechtigung ab, mit seinem tschechischen Führerschein im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge zu führen, und versah diesen mit einem entsprechenden Sperrvermerk. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 16. April 2013 ab, weil der Führerschein unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilt worden sei. Der Kläger habe nach Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in der Tschechischen Republik nur einen Scheinwohnsitz begründet und dort tatsächlich nie gewohnt. 4 Da der Kläger auch nachfolgend im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge führte, wurde er durch Urteile des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 10. Juni 2010 und des Amtsgerichts Bamberg vom 29. Juni 2011 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt; dabei wurde jeweils eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis (zuletzt für 18 Monate) angeordnet. Weil der Kläger den Sperrvermerk auf dem tschechischen Führerschein entfernt hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht Bamberg auch wegen Urkundenfälschung. 5 Mit Datum vom 23. Mai 2014 stellte die Landespolizeidirektion Salzburg dem Kläger einen österreichischen Führerschein für die Fahrerlaubnisklassen AM, A und B aus. In Spalte 10 ist dort das Datum 21. Januar 2009 und unter Nummer 12 die Angabe ""70CZ995733"" eingetragen. Der Kläger hatte dort den tschechischen Führerschein ohne den deutschen Sperrvermerk vorgelegt. 6 Nachdem der Kläger am 23. Juni 2015 mit diesem Führerschein bei einer Fahrt im Bundesgebiet angetroffen worden war, stellte das Landratsamt Bamberg mit Bescheid vom 7. September 2015 fest, dass der Kläger nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Gleichzeitig forderte es den Kläger auf, den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen. 7 Die hiergegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis hafte auch dem österreichischen Führerschein an, weil dieser nur auf dem Umtausch der fehlerhaften tschechischen Fahrerlaubnis beruhe und auch nur diese dokumentiere. Folgerichtig habe eine Prüfung der Fahreignung durch die österreichischen Behörden nicht stattgefunden. Die in dem österreichischen Führerschein dokumentierte tschechische Fahrerlaubnis könne überdies deshalb nicht anerkannt werden, weil das Amtsgericht Bamberg eine isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gegen den Kläger verhängt habe. Auch der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis sei nach einer derartigen Sperre erst dann wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt, wenn er den Nachweis erbringe, dass er seine Fahreignung wiedergewonnen habe. 8 Mit seiner vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision hat der Kläger insbesondere vorgetragen, im sachgleichen Strafverfahren sei er durch Urteil des Landgerichts Bamberg vom 18. Februar 2016 freigesprochen worden. Bei der Ausstellung des hier allein maßgeblichen österreichischen Führerscheins habe kein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis vorgelegen. Eine Rechtsgrundlage für die vom Berufungsgericht angenommene Fortwirkung des Verstoßes bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis gebe es nicht. 9 Der Kläger beantragt, die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2017 und des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. Juni 2016 sowie den Bescheid des Landratsamts Bamberg vom 7. September 2015 aufzuheben, festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, mit seinem am 23. Mai 2014 in Österreich ausgestellten Führerschein Nr. 14178051 in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, und den Beklagten zu verpflichten, den auf dem österreichischen Führerschein eingetragenen Sperrvermerk zu entfernen. 10 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 11 Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht und steht auch im Einklang mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union. Die Nichtanerkennung der Berechtigung des Klägers, mit seinem in Österreich ausgestellten Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, findet ihre Rechtfertigung in dem offensichtlichen und rechtskräftig festgestellten Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis bei der Erteilung der Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik; dieser Mangel steht auch der Anerkennung des dem Kläger in Österreich im Wege des Umtausches ausgestellten Führerscheins entgegen (I.). Darüber hinaus rechtfertigen die in Deutschland wegen nach der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis begangener Verkehrsstraftaten rechtskräftig verhängten isolierten Sperrfristen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Nichtanerkennung seiner Fahrberechtigung auf der Grundlage des österreichischen Führerscheins (II.). Der Beklagte ist daher weder zu der beantragten Feststellung des Rechts des Klägers verpflichtet, mit dem österreichischen Führerschein fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in der Bundesrepublik zu führen, noch zur Entfernung des auf dem österreichischen Führerschein angebrachten Sperrvermerks (III.). 12 I. Der dem Kläger in Österreich ausgestellte Führerschein berechtigt ihn nicht, in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Einer Anerkennung des im Wege des Umtauschs in Österreich erlangten Führerscheins steht der offensichtliche Wohnsitzmangel der mit ihm dokumentierten tschechischen Fahrerlaubnis entgegen (1.). Diese Nichtanerkennung steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben (2.). 13 1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung -FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der bei Erlass der angegriffenen Verfügung geltenden Fassung vom 16. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2213) sowie der hinsichtlich des Feststellungsbegehrens maßgeblichen - insoweit unveränderten - Fassung vom 3. Mai 2018 (BGBl. I S. 566) dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt. 14 a) Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. 15 Die dem Kläger am 21. Januar 2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis (Nr. 995733) war unter Verstoß gegen die unionsrechtlich zwingend vorgeschriebene (Zuständigkeits-)Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung erteilt worden. Dies steht aufgrund von vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest. Nach den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16. April 2013 ergab eine - auf Ermittlungen der tschechischen Polizei gestützte - Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nur einen Scheinwohnsitz in der Tschechischen Republik begründet und tatsächlich weiterhin im Inland gelebt hatte. Dies erfüllt das Kriterium einer vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Information (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2013 - 3 B 38.13 - DAR 2013, 594 Rn. 3 m.w.N.). Die tschechische Fahrerlaubnis ist folglich mit einem Mangel behaftet, der ihre Nichtanerkennung durch deutsche Behörden rechtfertigt. 16 b) Dieser Mangel wirkt in dem vom Kläger durch Umtausch der tschechischen Fahrerlaubnis am 23. Mai 2014 erworbenen österreichischen Führerschein (Nr. 14178051) fort. Die fehlende Berechtigung des Klägers, mit seinem österreichischen Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen, folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV. 17 aa) Der Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV kann auf den österreichischen Führerschein des Klägers keine unmittelbare Anwendung finden. 18 Der im Wege des Umtauschs ausgestellte österreichische Führerschein des Klägers leidet nicht an einem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat im Zeitpunkt seiner Ausstellung. Dies gilt auch dann, wenn man auf das unter Nr. 10 des Führerscheins wiedergegebene Datum der Erteilung durch die tschechischen Behörden abstellen wollte. Denn insoweit wäre der Mangel nicht aus dem Führerschein selbst oder aufgrund von dessen Ausstellungsmitgliedstaat Österreich herrührender Informationen feststellbar. 19 bb) Die Fortwirkung des Wohnsitzmangels der mit ihm dokumentierten tschechischen Fahrerlaubnis folgt aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV. 20 Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung dieses Ausnahmetatbestands auf in der Norm unbewusst ungeregelte Fallkonstellationen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 34.11 - BVerwGE 144, 220 Rn. 23). Der Regelung liegt erklärtermaßen die Absicht des deutschen Verordnungsgebers zugrunde, in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union gebilligten Umfang Fälle von Führerscheintourismus zu bekämpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2008:​366], Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69) und ausländischen Fahrerlaubnissen die Anerkennung in Deutschland zu versagen, die unter einem offensichtlichen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilt worden sind (Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung, BR-Drs. 851/08 S. 5 ff.). 21 Es liegt auch eine Regelungslücke vor. Die Fallgestaltung, in der sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis wegen des späteren Umtauschs in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr unmittelbar aus dem aktuellen (umgetauschten) Führerschein oder aus den von dessen Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, ist vom Wortlaut der Bestimmung nicht erfasst. 22 Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Erstreckung der Vorschrift auf diese Ausnahmekonstellation; dies entspricht der einhelligen Auffassung in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29. August 2017 - 10 S 856/17 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2017:​0829.10S856.17.00] - VBlBW 2018, 156 <158>; VGH München, Urteil vom 13. Februar 2013 - 11 B 11.27 98 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​2013:​0213.11B11.2798.0A] - juris Rn. 47 sowie OVG Weimar, Beschluss vom 29. April 2016 - 2 EO 563/15 [ECLI:​DE:​OVGTH:​2016:​0429.2EO563.15.0A] - juris Rn. 19; vgl. auch OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. März 2017 - 1 B 357/16 [ECLI:​DE:​OVGSL:​2017:​0310.1B357.16.0A] - juris Rn. 9 in einem auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV bezogenen Fall). Auch im Fall des späteren Umtauschs beruht der Führerschein auf einem Verstoß gegen die zwingende Zuständigkeitsvoraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung; er löst eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung daher nicht aus. Dies ist der materiell maßgebliche Gesichtspunkt, der die in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ausgesprochene Nichtanerkennung trägt und rechtfertigt (vgl. BR-Drs. 851/08 S. 6 und 8). 23 Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber diese Fallgestaltung nicht von der Regelungswirkung erfasst sehen wollte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der nachträglichen Anfügung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 FeV durch die Siebte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juni 2012 (BGBl. I S. 1394), die zwar den Umtausch in eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis regeln, aber nur die Fälle der ursprünglich in einem Drittstaat erteilten Fahrerlaubnis erfassen. Nur diese Fälle hatte der Verordnungsgeber im Blick (BR-Drs. 245/12 S. 28). Rückschlüsse auf EU-Fahrerlaubnisse, die ein anderer Mitgliedstaat umgetauscht hat, lassen § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 FeV deshalb nicht zu. Insbesondere kann den Vorschriften nicht entnommen werden, dass der Verordnungsgeber die von einem anderen Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes erteilte Fahrerlaubnis deswegen anerkannt sehen will, weil sie nachträglich in den Führerschein eines anderen Mitgliedstaats umgetauscht worden ist. Dem steht bereits das ausdrücklich formulierte Anliegen der Bekämpfung des Führerschein-Tourismus entgegen (BR-Drs. 245/12 S. 28). 24 cc) Die in der strafgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretene Auffassung, durch den Umtausch eines Führerscheins wirke der Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung nicht mehr fort (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 8. Juli 2013 - 1 Ss 17/13 u.a. [ECLI:​DE:​OLGTH:​2013:​0708.1SS17.13.0A] - NZV 2013, 509 <510 f.>; für den Fall der Verlängerung der Geltungsdauer auch OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Februar 2015 - 4 Ss 697/14 [ECLI:​DE:​OLGSTUT:​2015:​0205.4SS697.14.0A] - NZV 2015, 512 sowie OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Januar 2016 - 1 Ss 106/15 [ECLI:​DE:​POLGZWE:​2016:​0118.1OLG1SS106.15.0A] - juris Rn. 12), ist maßgebend durch das im Strafrecht geltende Analogieverbot und die besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit von Straftatbeständen geprägt. Diese Gesichtspunkte sind auf das Gefahrenabwehrrecht nicht übertragbar. Im Übrigen trägt eine Gleichstellung von Umtausch und Neuausstellung eines Führerscheins dem begrenzten Zweck und Prüfprogramm eines Umtauschs nicht hinreichend Rechnung. 25 Da der Freispruch des Klägers vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) durch das Landgericht Bamberg im Urteil vom 18. Februar 2016 allein auf die Auslegung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt ist und damit keine der in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG benannten Feststellungen betrifft, besteht keine Bindungswirkung für das Fahrerlaubnisverfahren. 26 2. Auch Unionsrecht gebietet nicht, den österreichischen Führerschein des Klägers im Inland anzuerkennen. 27 a) Art. 2 Abs. 1 der hier in zeitlicher Hinsicht maßgeblichen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​112], Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 31 f.) sogenannten dritten Führerschein-Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) sieht - ebenso wie Art. 1 Abs. 2 der vorangegangenen sogenannten zweiten Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG - die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​240], Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 43 ff.). 28 Der Begriff des ""Führerscheins"" in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG bezieht sich auf das Dokument, das zum Nachweis des Vorliegens einer Fahrerlaubnis ausgestellt wird (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - C-195/16 [ECLI:EU:C:815], I - Rn. 48 f.). Die Bestimmungen der unionsrechtlichen Führerscheinrichtlinien zielen auf eine Standardisierung und Harmonisierung der in den Mitgliedstaaten ausgestellten Legitimationspapiere ab, um deren gegenseitige Anerkennung in den Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu ermöglichen. Die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis als solche ist in der Richtlinie 2006/126/EG nicht vorgesehen, sondern nur die Folge der mit der Richtlinie eingeführten gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine. 29 Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung gilt unbeschadet etwaig abweichender nationaler Vorschriften in einzelnen Mitgliedstaaten, etwa hinsichtlich besonderer Feststellungen zur körperlichen und geistigen Eignung für das Führen eines Kraftfahrzeugs. Da die unionsrechtlichen Vorgaben nur eine Mindestharmonisierung vorschreiben (vgl. Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2006/126/EG), steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, strengere Vorschriften beizubehalten oder zu erlassen. Dies entbindet sie aber nicht von der Verpflichtung, Führerscheine anzuerkennen, die in anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben ausgestellt worden sind (EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10, Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 54). 30 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nur der Ausstellungsmitgliedstaat für die Überprüfung zuständig, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag der Ausstellung diese Ausstellungsvoraussetzungen erfüllte. Andere Mitgliedstaaten sind daher nicht befugt, die Beachtung der unionsrechtlich aufgestellten Anforderungen nachzuprüfen. Dies gilt auch bei der Erneuerung eines Führerscheins (EuGH, Urteil vom 25. Juni 2015 - C-664/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​417], Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 39). 31 Hat ein Aufnahmemitgliedstaat triftige Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem Ausstellungsmitgliedstaat mitzuteilen. Es ist allein Sache dieses Mitgliedstaates, geeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllten (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 56 f.). 32 b) Unter bestimmten Voraussetzungen ist es einem Aufnahmemitgliedstaat aber nicht verwehrt, in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu versagen. Diese Möglichkeit ist insbesondere anerkannt, wenn - aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen - feststeht, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung nicht beachtet wurde (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 48 ff. m.w.N.). 33 Grundsätzlich löst nur ein unter Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung vom zuständigen Ausstellungsmitgliedstaat ausgestellter Führerschein die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung aus (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Mai 2011 - C-184/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​324], Grasser - Rn. 23 f. und vom 25. Juni 2015 - C-664/13, Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 38 m.w.N.). Mangels einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedstaaten über die Erteilung von Fahrerlaubnissen ist die Wohnsitzvoraussetzung eine unerlässliche Bedingung, um den ""Führerschein-Tourismus"" zu bekämpfen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69). 34 Die insoweit eingeschränkte Prüfbefugnis des Aufnahmemitgliedstaates schließt nicht aus, dass seine Behörden ihre Vertretungen im Ausstellungsmitgliedstaat einschalten, um sich derartige Informationen von den dortigen Behörden zu verschaffen (EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-467/10, Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 19). Entsprechende Auskünfte können auch nachträglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 21 ff.). 35 Die Nichtbeachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Voraussetzungen rechtfertigt es bereits für sich, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat (unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen) ausgestellten Führerscheins ablehnt (EuGH, Beschluss vom 22. November 2011 - C-590/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​765], Köppl - NJW 2012, 2018 Rn. 32). Unerheblich ist deshalb, ob der Inhaber des Führerscheins darüber hinaus einen Verkehrsverstoß begangen und der Aufnahmemitgliedstaat entsprechende Maßnahmen nach seinen innerstaatlichen Vorschriften auf ihn angewandt hat (EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - C-184/10, Grasser - Rn. 32). 36 c) Hat ein Mitgliedstaat einen Führerschein ausgestellt, den die übrigen Mitgliedstaaten wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis nicht anerkennen müssen, und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein gegen einen gleichwertigen Führerschein um, sind die übrigen Mitgliedstaaten unionsrechtlich nicht verpflichtet, den im Wege des Umtauschs ausgestellten Führerschein anzuerkennen. Der offensichtliche Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis wirkt in diesem Führerschein fort. 37 aa) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein offensichtlicher Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes auch die Nichtanerkennung späterer Führerscheine rechtfertigt, die auf der Grundlage dieses Führerscheins ausgestellt worden sind. Das ist auch dann der Fall, wenn sich die Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung aus dem später ausgestellten Führerschein selbst nicht mehr ergibt. 38 Die hierzu ergangenen Entscheidungen betreffen Fälle, in denen den Klägern zunächst Führerscheine der Klasse B ausgestellt wurden, die unter einem offensichtlichen Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes litten. Auf Grundlage dieser Führerscheine wurden später - ohne Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis - neue und um die Klassen C bzw. D erweiterte Führerscheine ausgestellt, deren Erteilung eine gültige Fahrerlaubnis für die Klasse B voraussetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat eine Fortwirkung des offensichtlichen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis sowohl für die bei der Neuausstellung hinzugekommenen Fahrerlaubnisklassen angenommen als auch hinsichtlich der im neuen Führerschein dokumentierten Fahrerlaubnis der Klasse B. Er hat entschieden, dass der Aufnahmemitgliedstaat insgesamt zur Nichtanerkennung berechtigt ist, auch wenn sich die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses aus dem neuen Führerschein nicht mehr ergibt (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-224/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​655], Apelt - Rn. 47 und Beschluss vom 22. November 2011 - C-590/10, Köppl - NJW 2012, 2018 Rn. 52). 39 bb) Für den Umtausch eines gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßenden Führerscheins durch einen neuen Wohnsitzmitgliedstaat kann nichts anderes gelten. Anders als die Ausstellung eines Führerscheins, die die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis dokumentiert, lässt der bloße Umtausch eines Führerscheins den Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis unberührt; der Verstoß setzt sich in dem umgetauschten Führerschein fort. Die Wohnsitzvoraussetzung ist unerlässlich, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69 und vom 19. Mai 2011 - C-184/10, Grasser - Rn. 27). Eine Heilung des Wohnsitzverstoßes käme deshalb nur in Betracht, wenn im Rahmen des Umtauschs zu prüfen wäre, ob der Inhaber des unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellten Führerscheins nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Das ist nicht der Fall. Wird ein Führerschein lediglich umgetauscht, ist die Fahreignung nicht zu prüfen. 40 Die Personenfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit sollen grundsätzlich nicht durch Umtausch, sondern durch gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine erreicht werden (vgl. Erwägungsgründe 2 und 6 der Richtlinie 2006/126/EG). Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so muss er seinen Führerschein nicht umtauschen lassen; er kann aber einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG). Ein solcher Umtausch kann insbesondere hilfreich sein, um Unklarheiten hinsichtlich der Reichweite der Fahrberechtigung zu beseitigen; diese können sich aus der fehlenden Harmonisierung der Fahrzeugklassen ergeben (vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2006/126/EG). Der umtauschende Mitgliedstaat prüft - neben der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes -, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG), und stellt einen gleichwertigen Führerschein aus. Eine Prüfung der Fahreignung (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG) durch den umtauschenden Mitgliedstaat ist nicht vorgesehen. Eine solche Prüfung allein wegen des Wohnsitzwechsels würde dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch widersprechen. Ihr käme - im Hinblick auf den Aufwand und etwaige Kosten - jedenfalls eine mittelbar diskriminierende Wirkung zu (vgl. zur Unzulässigkeit selbst eines Registrierungserfordernisses EuGH, Urteil vom 9. September 2004 - C-195/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​498], Kommission/Spanien - Rn. 55). 41 Da die Fahreignung beim Umtausch eines Führerscheins nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht zu prüfen ist, besteht kein Sachgrund dafür, das Umtauschdokument besser zu stellen als den zugrundeliegenden Originalführerschein. Vielmehr würde dadurch der Weg zu einem zweistufigen Führerschein-Tourismus gebahnt. Die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat ist für den Anerkennungsgrundsatz von zentraler Bedeutung. Nur ein unter Beachtung dieser Voraussetzung vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein löst die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung aus (EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - C-184/10, Grasser - Rn. 24). 42 Aus Art. 11 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2006/126/EG ergibt sich nichts anderes. Gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsgrundsatzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen (vgl. EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​257], Aykul - NJW 2015, 2945 Rn. 59). Ein Mitgliedstaat kann zudem einem von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein die Anerkennung versagen, wenn der Inhaber nach Ausstellung seines Führerscheins auf dem Gebiet des zuerst genannten Mitgliedstaats gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat und dadurch nach dessen nationalen Rechtsvorschriften die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage gestellt ist (EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13, Aykul - a.a.O. Rn. 71, 73). In diesem Fall ist es Aufgabe der Behörden des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Zuwiderhandlung begangen wurde, zu prüfen, ob der Inhaber des Führerscheins zum Fahren in seinem Hoheitsgebiet wieder geeignet ist (EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13, Aykul - a.a.O. Rn. 74). Die dargelegten Befugnisse im Hinblick auf nach Ausstellung des Führerscheins begangene Verstöße gegen Verkehrsvorschriften hat ein Mitgliedstaat unabhängig davon, ob der Inhaber des Führerscheins dessen Umtausch beantragt hat oder nicht. Selbst wenn er den Umtausch beantragt hat, ist die Wiedererlangung der Fahreignung nicht im Umtauschverfahren zu prüfen, sondern nur, wenn der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und die Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins beantragt. Die Ablehnung des Umtauschs kann im Übrigen nicht die Feststellung ersetzen, dass der Inhaber des Führerscheins wegen nach Ausstellung des Führerscheins begangener Zuwiderhandlungen nicht berechtigt ist, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen. 43 Gemäß Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG lehnt ein Mitgliedstaat es ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen. Daraus folgt nicht, dass ein solcher Bewerber nie mehr, auch nicht nach Ablauf einer Sperrfrist für die Wiedererteilung einen neuen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat erhalten könnte (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 74). Auch insoweit ist die Wiedererlangung der Fahreignung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG nicht im Umtauschverfahren, sondern erst zu prüfen, wenn die Sperrfrist abgelaufen und die Person die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und die Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins beantragt hat. Bis dahin lehnt der Mitgliedstaat den Umtausch des Führerscheins ohne weitere Prüfung ab. 44 cc) Dass ein Führerschein im Wege des Umtauschs ausgestellt wurde, ist auch aus dem neuen Führerscheindokument selbst ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 34.11 - BVerwGE 144, 220 Rn. 16). Nach den Bestimmungen des Anhangs I der Richtlinie 2006/126/EG ist beim Umtausch eines Führerscheins im neuen Führerschein auf dessen Seite 2 die Code-Nummer 70, die Führerscheinnummer des umgetauschten Führerscheins mit einer Kennung für den Mitgliedstaat, der ihn ausgestellt hatte, und das Ausstellungsdatum des umgetauschten Führerscheins mit der entsprechenden Angabe für jede Fahrzeugklasse einzutragen. Die ursprüngliche Fahrerlaubnis wirkt damit sichtbar auch in dem auf der Grundlage eines Umtauschs neu ausgestellten Führerschein fort. 45 dd) Zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besteht kein Anlass. Die Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht zweifelhaft. Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus dem Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2017 - 2 RV 7 Ss 558/17 [ECLI:​DE:​OLGKARL:​2017:​1220.2RV7SS558.17.00] - DAR 2018, 94). Dort ging es nicht um den Umtausch eines unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellten EU-Führerscheins, sondern um den Umtausch eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates nach Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2006/126/EG. Auch aus der Begründung des Beschlusses ergeben sich keine Gesichtspunkte, die die dargelegte Auslegung der Richtlinie in Zweifel ziehen könnten. 46 II. Eine Anerkennung des österreichischen Führerscheins scheidet auch deshalb aus, weil wegen nach Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet begangener Straftaten des Klägers rechtskräftig Sperren für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet wurden und der nach Ablauf der Sperrfrist vorgenommene Umtausch des tschechischen Führerscheins in einen österreichischen Führerschein nicht den erforderlichen Nachweis ersetzen kann, dass der Kläger wieder geeignet ist, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. 47 1. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV gilt die Berechtigung, mit einer gültigen EU-Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, nicht für Inhaber, denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. 48 a) Dieser Ausschlussgrund erfasst die sog. isolierte (weil ohne gleichzeitige Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochene) Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2011 - 3 C 28.10 - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 9 Rn. 11). Er ergänzt die in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV enthaltene Bestimmung für Fallkonstellationen, in denen dem Betroffenen die Fahrerlaubnis bereits zuvor entzogen worden war bzw. er - wie hier der Kläger - zuvor die Berechtigung verloren hatte, mit einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland zu führen. 49 Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 10. Juni 2010 und des Amtsgerichts Bamberg vom 29. Juni 2011 durfte dem Kläger eine Fahrerlaubnis nicht erteilt werden. In beiden Fällen ist neben der strafgerichtlichen Verurteilung auch eine isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden. Für die Dauer dieser Sperrfristen war die fehlende Eignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeuges damit unwiderleglich festgestellt. 50 b) Diese Sperrfristen waren im Zeitpunkt der Ausstellung des österreichischen Führerscheins abgelaufen aber noch nicht im Register zu tilgen (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG, § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV). Nach Entscheidungen im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 oder 4 FeV wird das Recht, von einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, auf Antrag erst wieder erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen (§ 28 Abs. 5 Satz 1 FeV). Der Betroffene muss den Nachweis erbringen, dass er seine Fahreignung wiedererlangt hat (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 12, 26). 51 c) Der Kläger hat diesen Nachweis gegenüber einer deutschen Fahrerlaubnisbehörde nicht geführt. Der im Wege des Umtauschs ausgestellte österreichische Führerschein kann den Nachweis nicht ersetzen, weil - wie dargelegt - die Fahreignung im Rahmen eines Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht zu prüfen ist. Dass der umtauschende Mitgliedstaat - wie nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hier - die Fahreignung tatsächlich nicht geprüft hat, ist demgegenüber nicht entscheidend. Für die Prüfung, ob die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins, sei es nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG oder im Falle eines Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vorliegen, ist ausschließlich der Ausstellungsmitgliedstaat zuständig (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-334/06 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2008:​367], Zerche - Rn. 49 ff. und vom 25. Juni 2015 - C-664/13, Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 39). Dass andere Mitgliedstaaten auf der Grundlage eigener Informationen die Entscheidung des Ausstellungsmitgliedstaates nachprüfen, ist mit der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine nicht vereinbar (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 55 f.). 52 2. Die Nichtanerkennung der Berechtigung des Klägers, mit seinem österreichischen Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, steht auch insoweit in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Unionsrechts. 53 a) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden ist, anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist (unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses) erteilte EU-Fahrerlaubnis daher anerkennen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 54). In diesen Fällen ist der Fahreignungsmangel durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteile vom 19. Februar 2009 - C-321/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​104], Schwarz - Rn. 92 f. und vom 26. April 2012 - C-419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 22). 54 Da der Ausstellungsmitgliedstaat die in Art. 7 der Richtlinie 2006/126/EG festgelegten Mindestvoraussetzungen - und damit auch die Fahreignung - prüfen muss, liefe es der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung zuwider, wenn der Inhaber die Anerkennung der bescheinigten Fahreignung zusätzlich in dem Staat beantragen müsste, in dem ihm die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden ist (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 62). 55 b) Ein im Wege des Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellter Führerschein ist indes von vornherein nicht geeignet, einen nach Erteilung der Fahrerlaubnis festgestellten Fahreignungsmangel zu beheben. 56 Im Rahmen des Umtauschverfahrens ist - wie dargelegt - die Fahreignung nicht zu prüfen. Damit entfällt der Rechtfertigungsgrund, aufgrund dessen es dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verkehrsverstoß begangen wurde, in den oben beschriebenen Fällen versagt ist, dem Betroffenen einen fortbestehenden Fahreignungsmangel vorzuhalten. Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass der Beweis für eine (wieder) bestehende Fahreignung durch den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein nicht erbracht ist, wenn der Inhaber nach der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörden eines anderen Mitgliedstaats keiner Überprüfung seiner Fahreignung unterzogen worden ist (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - C-321/07, Schwarz - Rn. 95). 57 III. Das angefochtene Berufungsurteil ist daher nicht zu beanstanden. 58 Der Berechtigung des Klägers, mit seinem am 23. Mai 2014 im Wege des Umtauschs in Österreich ausgestellten Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, stehen die Ausschlussgründe des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 4 FeV entgegen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV war die Behörde ermächtigt, einen feststellenden Verwaltungsakt über diese fehlende Berechtigung zu erlassen. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 FeV war ein ""Sperr-""Vermerk auf dem Führerschein des Klägers anzubringen. 59 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-46,05.07.2018,"Pressemitteilung Nr. 46/2018 vom 05.07.2018 EN Bahnanlagen des Stuttgarter Kopfbahnhofs müssen nach Fertigstellung des Stuttgarter Tiefbahnhofs nicht für Dritte nutzbar bleiben Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die DB Netz AG nicht verpflichtet ist, Dritten die oberirdischen Anlagen des Stuttgarter Kopfbahnhofs nach Inbetriebnahme des Stuttgarter Tiefbahnhofs zur Weiternutzung anzubieten. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die sich mit dem Erwerb und dem Betrieb von Schieneninfrastruktur beschäftigt. Sie möchte die Bahnsteige des derzeitigen Kopfbahnhofs und bestimmte dort beginnende Streckengleise nach der Inbetriebnahme des 2005 planfestgestellten Stuttgarter Tiefbahnhofs weiterbetreiben können. Nach ihrem Begehren soll das beklagte Eisenbahn-Bundesamt der DB Netz AG durch eine Aufsichtsverfügung untersagen, die Anlagen des Kopfbahnhofs zurückzubauen, bevor diese im Rahmen eines Stilllegungsverfahrens nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)* öffentlich zur Übernahme durch Dritte angeboten worden sind. Die darauf gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen. Da der Kopfbahnhof noch jahrelang genutzt werde und deshalb nicht zurückgebaut werden könne, begehre die Klägerin vorbeugenden Rechtsschutz, für den ihr ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehle. Der Rückbau der Bahnanlagen erfordere die vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens, in dessen Rahmen die Klägerin ihr Begehren verfolgen könne. Daneben sei kein Stilllegungsverfahren nötig. Die Sprungrevision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Klage sei allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als Feststellungsklage zulässig. Die Klägerin könne zwar nicht verlangen, dass das Eisenbahn-Bundesamt im Vorgriff auf den beabsichtigten Rückbau der Bahnanlagen eine Aufsichtsverfügung gegen die DB Netz AG erlasse; sie habe aber ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Klärung, ob die von ihr beanspruchten Anlagen im Rahmen eines Stilllegungsverfahrens Interessenten zur Weiternutzung angeboten werden müssen. Die Übernahmeinteressen könnten in einem Rückbau-Planfeststellungsverfahren nicht verfolgt werden. Die Klage sei aber nicht begründet. Keine der Voraussetzungen, unter denen nach § 11 AEG ein Stilllegungsverfahren geboten sei, liege vor. Der Betrieb von Strecken werde nicht eingestellt. Welche Orte eine Strecke kennzeichnen, beantworte sich - wie der Senat bereits im Urteil vom 25. Mai 2016 (BVerwG 3 C 2.15) entschieden habe - nach der Verkehrsfunktion. Maßgebender Anfangs- und Endpunkt der Strecken sei hiernach der Stuttgarter Hauptbahnhof und nicht der bisherige oberirdische Kopfbahnhof. Sämtliche Verbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof blieben nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhalten. Es werde auch nicht ein betriebswichtiger Bahnhof stillgelegt. Auch insoweit sei eine funktionale Betrachtung geboten. Der Stuttgarter Hauptbahnhof werde nach dem Umbau mit den bisherigen Verknüpfungsmöglichkeiten als Durchgangsbahnhof in Tieflage weiterbetrieben. Seine Funktionen als betriebswichtiger Bahnhof behalte er bei. Auf die Fortexistenz aller Gleis- oder Bahnhofsanlagen komme es nicht an. Dass die Kapazität einer Strecke gemindert werde, habe die Klägerin nicht geltend gemacht; dies sei auch nicht erkennbar. Die begehrten Anlagen würden schließlich nicht als einzelne Serviceeinrichtungen stillgelegt. Sie seien vielmehr Teile des fortbestehenden Hauptbahnhofs. Unter diesen Umständen gebe es auch europarechtlich keine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung nicht mehr benötigter Altanlagen. Fußnote:  *§ 11 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AEG lautet: (1)1 Betreiber von Schienenwegen und Betreiber von Serviceeinrichtungen sind zum Betrieb ihrer Eisenbahninfrastruktur verpflichtet.2 Beabsichtigt ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke oder einer Serviceeinrichtung, eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs oder die mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke, so hat es dies bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu beantragen.3 Dabei hat es darzulegen, daß ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann und Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung durch Verkauf oder Verpachtung zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht wurde, erfolglos geblieben sind. BVerwG 3 C 21.16 - Urteil vom 05. Juli 2018 Vorinstanz: VG Stuttgart, 13 K 2947/12 - Urteil vom 09. August 2016 -","Urteil vom 05.07.2018 - BVerwG 3 C 21.16ECLI:DE:BVerwG:2018:050718U3C21.16.0 EN Verpflichtung zu aufsichtlichem Einschreiten gegen den beabsichtigten Rückbau von Eisenbahnbetriebsanlagen Leitsätze: 1. Für die Verpflichtung einer Aufsichtsbehörde (hier des Eisenbahn-Bundesamtes) zu einem Einschreiten gegen den beabsichtigten Rückbau von Eisenbahninfrastrukturanlagen fehlt regelmäßig ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit dem Rückbau in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. In solchen Fällen kann aber die Feststellungsklage zur Klärung einer im Falle des Rückbaus drohenden Rechtsverletzung des Klägers zulässig sein. 2. Ob ein Stilllegungstatbestand im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG vorliegt, ist auf der Grundlage einer funktions- und nicht einer anlagenbezogenen Betrachtung zu beurteilen. 3. Bei der funktional gleichwertigen Ersetzung eines Bahnhofs führt der Rückbau des bisherigen Bahnhofs und seiner Zulaufgleise nicht zu einer Stilllegung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. Rechtsquellen AEG § 2 Abs. 9, § 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1 und 2, §§ 6, 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a, § 18 Satz 1, § 23 VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1 und 2, §§ 91, 137 Abs. 2, § 134 Abs. 4, § 142 Abs. 1 VwVfG § 72 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU Art. 13 Abs. 6 Instanzenzug VG Stuttgart - 09.08.2016 - AZ: VG 13 K 2947/12 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 21.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:050718U3C21.16.0] Urteil BVerwG 3 C 21.16 VG Stuttgart - 09.08.2016 - AZ: VG 13 K 2947/12 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, Rothfuß und Dr. Kenntner am 2. Juli 2018 für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. August 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Mit ihrer Klage möchte die Klägerin sicherstellen, dass im Zuge der Verwirklichung des Eisenbahnvorhabens ""Stuttgart 21"" ein Stilllegungsverfahren durchgeführt wird; in dessen Rahmen möchte sie bestimmte oberirdische Betriebsanlagen übernehmen und weiter betreiben. 2 Für den Neubau des Kopfbahnhofs hat das Eisenbahn-Bundesamt einen Plan festgestellt, nach dem der bestehende 16-gleisige oberirdische Bahnhof in einen 8-gleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgewandelt werden soll (Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart ""Projekt Stuttgart 21"", Planfeststellungsabschnitt 1.1 [Talquerung mit neuem Hauptbahnhof] vom 28. Januar 2005). Die gegen diesen Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klagen wurden rechtskräftig abgewiesen. In seiner Folge sollen ein großer Teil der oberirdischen Betriebsanlagen zurückgebaut und die frei werdenden Flächen städtebaulich genutzt werden. Aufgrund seiner Quer- und Tieflage muss der künftige Durchgangsbahnhof neu in das Streckennetz eingebunden werden. Dafür sind verschiedene unterirdische Zulaufstrecken vorgesehen, die gesondert planfestgestellt wurden (vgl. insb. ""Zuführung Feuerbach und Bad Cannstatt"" - Planfeststellungsabschnitt 1.5; ""Zuführung Ober- und Untertürkheim"" - PFA 1.6a; ""Fildertunnel"" - PFA 1.2). Die bisherigen Abstell- und Wartungsanlagen am Rande des Rosensteinparks sollen verlegt werden (""Abstellbahnhof in Untertürkheim"" - PFA 1.6b). 3 Die Klägerin ist eine 2011 gegründete Aktiengesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand der Anmietung, des Erwerbs und der Veräußerung sowie des Betriebs von Schieneninfrastruktur. Sie strebt an, bestimmte oberirdische Betriebsanlagen des bisherigen Kopfbahnhofs und seiner Zulaufstrecken nach der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs zu übernehmen und weiter zu betreiben. Dazu beantragte sie im Jahr 2011 bei dem Eisenbahn-Bundesamt, der Beigeladenen zu 1 zu untersagen, näher bezeichnete Bahnanlagen des Kopfbahnhofs zurückzubauen, ohne zuvor ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG durchzuführen. Dies lehnte das Eisenbahn-Bundesamt mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 ab, weil die genannten Gleisanlagen noch Jahre genutzt würden. Auf den Widerspruch der Klägerin wies das Eisenbahn-Bundesamt mit Schreiben vom 10. April 2012 darauf hin, dass es sich bei seinem Schreiben vom 20. Dezember 2011 nicht um einen rechtsmittelfähigen Bescheid handele. Ein Stilllegungsverfahren sei nicht durchzuführen, weil weder der Betrieb einer Strecke noch ein betriebswichtiger Bahnhof eingestellt werden solle. 4 Mit Urteil vom 9. August 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 1 zu untersagen, die näher bezeichneten Bahnanlagen zurückzubauen, ohne zuvor ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG durchzuführen. Die Klägerin begehre vorbeugenden Rechtsschutz, für den ihr ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehle. Ihr Übernahmebegehren könne die Klägerin in dem Planfeststellungsverfahren verfolgen, das für den Rückbau der Anlagen, den die Klägerin verhindern wolle, erforderlich sei. Neben diesem Planfeststellungsverfahren sei weder ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG noch ein Freistellungsverfahren nach § 23 AEG erforderlich. Der Umbau des Bahnknotens Stuttgart sei bei richtiger Auslegung der Begriffe ""Strecke"" und ""Bahnhof"" in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG ausschließlich als Änderungsvorhaben im Sinne des § 18 AEG zu verstehen und nicht, wie von der Klägerin angenommen, als Stilllegung des Kopfbahnhofs und Neubau eines Tiefbahnhofs. Die Klage sei daher auch unbegründet. 5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht habe die Klage unter Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als unzulässig abgewiesen. Da die Realisierung des Vorhabens schon begonnen habe, handele es sich nicht um vorbeugenden Rechtsschutz. Sie, die Klägerin, habe ein ernsthaftes Übernahmeinteresse in Bezug auf die genannten Betriebsanlagen, dessen Schutz durch das Eisenbahn-Bundesamt sie verlangen könne. Auf ihre derzeitige finanzielle Leistungsfähigkeit komme es insoweit nicht an. Auch könne sie nicht auf ein späteres Planfeststellungsverfahren verwiesen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. 6 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liege ein Stilllegungstatbestand vor. Das Verwaltungsgericht setze sich mit seinem Strecken- und Bahnhofsbegriff in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Streckenbegriff dürfe nicht ausschließlich räumlich-funktional als Verbindung zwischen zwei Orten verstanden werden. Es komme vielmehr darauf an, dass bestehende Verbindungen entfielen, die eigenständig betrieben und Gegenstand einer Unternehmensgenehmigung sein könnten. Von Feuerbach kommend entfielen die Verbindungsstücke zwischen Nord- und Hauptbahnhof (Strecken 4802 und 4803). Auf der Strecke 4860 (""Gäubahn"") entfalle die Verbindung zwischen Vaihingen und Hauptbahnhof, weil die direkte Verbindung durch die künftige Abzweigung der Strecke nicht mehr bestehe und auch durch S-Bahnverbindungen kein gleichwertiger Ersatz gegeben sei. 7 Mit dem Kopfbahnhof werde ein für die Betriebsabwicklung wichtiger Bahnhof stillgelegt. Das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung ein räumlich-funktionales Begriffsverständnis zugrunde gelegt, dem der Wortlaut von § 11 AEG entgegenstehe. Es komme auf die Bedeutung und damit die konkrete Anlage an. Es dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob der Hauptbahnhof seine Funktion als Ausgangs- und Bestimmungsort vollständig einbüße. Auch eine Bahnhofsverlegung könne nach den Umständen des Einzelfalles den Stilllegungstatbestand erfüllen. Hier solle der voll betriebsfähige alte Kopfbahnhof erst nach einer Übergangsphase (Parallelbetrieb) von dem anderen Ortes befindlichen neuen Tiefbahnhof ersetzt werden. Der Neubau sei ein Aliud im Verhältnis zum bisherigen Kopfbahnhof. Er biete Möglichkeiten der Zugbildung, des Bereitstellens, Abstellens oder Umstellens von Zügen oder Triebwagen, die der neue Tiefbahnhof nicht aufweise. Ein Wenden von Zügen scheide aus und es entfielen zahlreiche Serviceeinrichtungen. Daher sei der neue Tiefbahnhof lediglich ein Haltepunkt im Sinne der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. Beide Bahnhöfe könnten Gegenstand selbstständiger Unternehmensgenehmigungen sein. § 11 AEG ziele darauf, Wettbewerb um Infrastruktur zu schaffen. 8 Jede der im Klageantrag bezeichneten Strecken, Bahnsteige, Weichen und Gleise sei eine jeweils eigenständige Serviceeinrichtung im Sinne des ergänzten § 11 Abs. 1 AEG. Das entspreche auch der Praxis der Beigeladenen zu 1, für einzelne Bahnsteige und Gleise ein Stilllegungsverfahren durchzuführen. Nach der gesetzlichen Systematik müsse jede Infrastruktur, die selbstständig betrieben werde und selbstständiger Gegenstand einer Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG sein könne, ein Stilllegungsverfahren durchgeführt werden. Nur dies werde dem Zweck des Gesetzes gerecht, Infrastruktur zu erhalten und Wettbewerb zu schaffen. Diese Zielrichtungen habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Seine Entscheidung stehe daher auch nicht im Einklang mit Art. 13 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU, der immer dann eingreife, wenn eine selbstständig betreibbare Infrastruktur stillgelegt werden solle. Gegebenenfalls müsse diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt werden. 9 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 20. Dezember 2011 und 10. April 2012 zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom 21. November 2011 1. die Beigeladene zu 1 zu verpflichten, es zu unterlassen, die Bahnsteiganlagen des oberirdischen Kopfbahnhofs Stuttgart Hbf (TS) und die dort bei km 0,00 beginnenden und bei Strecke 4700 etwa bei km 3,20, bei Strecke 4701 etwa bei km 3,35, bei Strecke 4803 etwa bei km 1,10, bei Strecke 4800 etwa bei km 4,66, bei Strecke 4802 etwa bei km 3,40 und bei Strecke 4860 etwa bei km 14,717 endenden Streckenabschnitte, einschließlich der Weichen und Gleise im Gleisvorfeld des oberirdischen Kopfbahnhofs Stuttgart Hbf (TS), die erforderlich sind, um die Bahnhofsgleise aller Bahnsteige des oberirdischen Kopfbahnhofs Stuttgart Hbf (TS) zu betreiben, zurückzubauen, ohne dies zuvor nach Maßgabe von § 11 Abs. 1a AEG zu veröffentlichen und das Verfahren nach Maßgabe von § 11 Abs. 1a Satz 3 bis Satz 6 AEG (Stilllegungsverfahren) einzuhalten, 2. hilfsweise, die Beigeladene zu 1 zu verpflichten, es zu unterlassen, den Betrieb der unter 1. genannten Bahninfrastruktur dauerhaft einzustellen, ohne dies zuvor nach Maßgabe von § 11 Abs. 1a AEG zu veröffentlichen und das Verfahren nach Maßgabe von § 11 Abs. 1a Satz 3 bis Satz 6 AEG (Stilllegungsverfahren) einzuhalten. 10 Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen. 11 Sie treten den Begehren der Klägerin entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil. Die Ergänzung der Klage um einen Hilfsantrag sei eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung. Ein Stilllegungstatbestand im Sinne des § 11 AEG werde mit dem nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs beabsichtigten Rückbau der Anlagen des Kopfbahnhofs nicht erfüllt. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ein Stilllegungsverfahren unter keinem Gesichtspunkt für erforderlich. Bei dem Vorhaben ""Stuttgart 21"" handele es sich lediglich um einen Umbau des bestehenden Bahnhofs einschließlich seiner Zuführgleise. II 13 Die Revision der Klägerin hat im Ergebnis keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klägerin zwar unter Verstoß gegen Bundesrecht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen und die Klage als unzulässig abgewiesen; die Abweisung der Klage stellt sich aber in der Sache und damit aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 14 A. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zulässig. 15 I. Die ursprünglich beantragte Verpflichtung des Eisenbahn-Bundesamtes zum Erlass einer Untersagungsverfügung gegen die Beigeladene zu 1 ist nicht sachdienlich. Der Antrag könnte - unabhängig von der von der Klägerin vertretenen Auffassung - zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Erfolg haben; er würde damit auch nicht zu der von der Klägerin angestrebten Klärung der Rechtslage führen. 16 Das mit einem entsprechenden Verpflichtungsantrag begehrte behördliche Einschreiten gegen einen Dritten setzt nach allgemeinen Grundsätzen sowie hier nach § 5a Abs. 2 AEG die Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Abwehr einer Störung (festgestellter Verstoß) oder einer konkreten Gefahr (Verhütung künftiger Verstöße) für eine subjektive Rechtsposition voraus. Erforderlich ist ein behördliches Einschreiten nur bei einer Sachlage, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu einem Schaden für ein geschütztes Rechtsgut führen wird (vgl. zum Gefahrbegriff BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <350>). Diese Voraussetzungen sind hier weder festgestellt noch hat die Klägerin ihr Vorliegen behauptet. Vielmehr ist unstreitig, dass ein Rückbau der vom Übernahmebegehren der Klägerin erfassten Bahnanlagen erst nach Abschluss der Bauarbeiten für den Tiefbahnhof erfolgen wird, mit dem nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht vor 2021 oder 2022 zu rechnen ist. Für eine Verpflichtung der Behörde zum Einschreiten bestand weder im Zeitpunkt der Klageerhebung noch gegenwärtig ein Anlass. 17 II. Die Klägerin hat aber ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Klärung, ob der Rückbau erst nach Abschluss eines Stilllegungsverfahrens erfolgen darf. Dieses auf den Kern des Streits reduzierte Begehren ist vom Gegenstand der Verpflichtungsanträge umfasst und kann durch Feststellungsklage verfolgt werden (§ 88 VwGO). 18 1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als Rechtsverhältnis kann sich die Klägerin auf die mögliche Verletzung eines Rechts auf Durchführung eines Stilllegungsverfahrens nach § 11 Abs. 1, Abs. 1a AEG berufen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278>). 19 a) Zwischen den Beteiligten herrscht Streit, ob der von der Beigeladenen zu 1 beabsichtigte Rückbau der im Klageantrag bezeichneten Bahnbetriebsanlagen erst nach Durchführung eines Stilllegungsverfahrens rechtlich zulässig ist. Nur bei Bejahung dieser Frage kann die Beklagte verpflichtet sein, auf der Grundlage ihrer aufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse (§ 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1 und 2 AEG) sicherzustellen, dass der Rückbau nicht ohne vorherige Stilllegungsgenehmigung erfolgt. Die Beklagte und die Beigeladene zu 1 verneinen die Notwendigkeit eines dem Rückbau voranzustellenden Stilllegungsverfahrens grundsätzlich. Dieser Meinungsunterschied wird seine Bedeutung bis zum Rückbauzeitpunkt aller Voraussicht nach nicht verlieren. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bis dahin in einer Weise ändern könnten, die dem Streit die Grundlage entziehen oder eine gerichtliche Feststellung entwerten würden. 20 b) An der gerichtlichen Klärung des Bestehens der Verpflichtung der Beigeladenen zu 1 zur Durchführung eines Stilllegungsverfahrens hat die Klägerin ein anzuerkennendes Interesse, das mit Blick auf die Befugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes auch gerade der Beklagten gegenüber besteht. Dieses Feststellungsinteresse ergibt sich aus den einem Übernahmeinteressenten bei Durchführung eines Stilllegungsverfahrens nach § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 1a AEG zustehenden Rechten, die im Ergebnis zu einer Übernahme der betroffenen Eisenbahninfrastruktur durch ihn führen können. Das unter öffentlicher Bekanntmachung der Einstellungsabsicht und der Übernahmemöglichkeit durchzuführende Stilllegungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dazu bestimmt, die Interessen von Dritten zu schützen, die ernsthaft gewillt sind, die Eisenbahninfrastruktureinrichtung zu übernehmen; die Vorschrift begründet insoweit subjektive Rechte (Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​250516U3C2.15.0] - BVerwGE 155, 218 Rn. 23 f.). 21 c) Dass der Klägerin solche Rechte zustehen, ist hier nicht von vornherein auszuschließen. Den Maßstab bildet die auf Feststellungsklagen entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO. Danach kann der Klägerin die Klagebefugnis nur dann abgesprochen werden, wenn ihr Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​131217U6A6.16.0] - DVBl 2018, 439 Rn. 17 und Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279 f.> m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Eine Grundlage dafür, der Klägerin die Ernsthaftigkeit ihres Übernahmewillens abzusprechen, besteht nicht. Ob die Finanzierung der Übernahme bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesichert ist, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang. Schädlich wäre insoweit lediglich, wenn eine Finanzierung absehbar ausgeschlossen wäre. Dafür haben die Beteiligten keine Anhaltspunkte aufgezeigt. Auch ein Unternehmen mit einem geringen Grundkapital mag, sofern sich eine gesicherte Gelegenheit zur Übernahme von Eisenbahninfrastruktur abzeichnet, Investoren für sein Projekt gewinnen. Unschädlich ist auch der Umstand, dass die Klägerin eine Übernahme nur von Teilstrecken bzw. Teilen des Kopfbahnhofs beabsichtigt. § 11 AEG lässt eine Verständigung darüber zu, dass ein Übernahmeinteressent nur Teile einer stillzulegenden Strecke oder Bahnhofsanlage übernimmt, sofern sie für sich nutzbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 26). 22 2. Der Klage fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO eine vorrangige Möglichkeit hätte, ihr Übernahmeinteresse in einem anderen Verfahren zur Geltung zu bringen. Das vom Verwaltungsgericht dafür angeführte Planfeststellungsverfahren für den Rückbau der Bahnsteig- und Gleisanlagen des Kopfbahnhofs ist jedenfalls nicht vorrangig. Es kann hier offen bleiben, ob und in welchen Fällen der Rückbau von Gleisanlagen überhaupt planfeststellungsfähig ist. Es steht nicht im Belieben der Behörde, ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen; dies ist ihr vielmehr nur gestattet, soweit ein Planfeststellungsverfahren durch Rechtsvorschrift angeordnet ist (§ 72 Abs. 1 VwVfG; vgl. dazu Ramsauer/Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 72 Rn. 2 m.w.N.). Ob der Planfeststellungsvorbehalt des § 18 Satz 1 AEG den Rückbau von Betriebsanlagen der Eisenbahn umfasst, ist nicht unzweifelhaft. Jedenfalls ist das Stilllegungsverfahren gegenüber der Planfeststellung selbstständig zu betrachten. Seine speziellen Anforderungen und seine absoluten Verfahrensrechte bleiben gegenüber einem Planfeststellungsverfahren bestehen. Die im Stilllegungsverfahren zu klärende Frage der Betriebseinstellung und damit der Möglichkeit einer Übernahme der Infrastruktureinrichtung durch einen Dritten ist einem gegenläufigen Rückbau-Planfeststellungsverfahren logisch und sachlich vorgelagert. In diesem Sinne hat der Senat schon im zitierten Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 25 hervorgehoben, dass die Verfahrensanforderungen des § 11 Abs. 1a Satz 1 bis 3 AEG durch die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren (§ 18a AEG i.V.m. § 73 VwVfG) nicht unterlaufen werden dürfen. 23 B. Die Feststellungsklage ist nicht begründet. 24 I. Der Rückbau der im Klageantrag bezeichneten Betriebsanlagen erfüllt keinen Stilllegungstatbestand im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. Eines Stilllegungsverfahrens, dessen Notwendigkeit gegenüber der Beklagten als Trägerin der zuständigen Aufsichtsbehörde festgestellt werden könnte, bedarf es daher nicht. 25 1. Der Beurteilung im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist § 11 Abs. 1 AEG in der Fassung von Art. 2 Nr. 8 Buchst. b, Doppelbuchst. bb des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082), der am 2. September 2016 in Kraft getreten ist. Rechtsänderungen, die nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn sie das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - seinerseits zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​260516U1C15.15.0] - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 83 Rn. 9). Das ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hätte bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. 26 2. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG in der Fassung vom 2. September 2016 ist ein Stilllegungsverfahren erforderlich, wenn ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen wie hier die Beigeladene zu 1 die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke oder einer Serviceeinrichtung, eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs oder die mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke beabsichtigt. 27 a) Ob ein Stilllegungstatbestand im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG erfüllt ist, lässt sich allerdings nicht danach beurteilen, ob im Rechtssinne ein planfeststellungsbedürftiges Änderungsvorhaben nach § 18 Satz 1 AEG vorliegt oder nicht. Das Verwaltungsgericht nimmt an, nach der Regelungssystematik des Allgemeinen Eisenbahngesetzes sei bei einer planfeststellungsbedürftigen Änderung einer Betriebsanlage für ein Stilllegungsverfahren aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen grundsätzlich kein Raum. Diesem Ansatz vermag der Senat nicht zu folgen. Zwischen den Tatbeständen besteht kein systematischer Zusammenhang, der im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses Rückschlüsse von einem planfeststellungsbedürftigen Vorhaben gemäß § 18 Satz 1 AEG auf das Vorliegen des Tatbestandes des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG erlauben würde. Es ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht zwingend, dass mit einer planfeststellungsbedürftigen Änderung einer Betriebsanlage zugleich eine Stilllegung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG verbunden ist. Ob dies der Fall ist, ist jeweils im Einzelfall nach dem Gegenstand des Vorhabens zu beurteilen. 28 b) Der Rückbau der im Klageantrag bezeichneten oberirdischen Gleisanlagen des Kopfbahnhofs und seiner Zulaufstrecken bewirkt keine Einstellung des Betriebes einer Strecke im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. 29 aa) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Begriff der Strecke und deren Einstellung nicht anlagenbezogen auf eine konkrete Gleisanlage bezieht, sondern in einem funktionalen Sinne auf die Verbindung zwischen einem Abfahrts- und einem Bestimmungsort. Entsprechend hat es zugrunde gelegt, dass keine Streckenstilllegung, sondern nur eine Änderung der Streckenführung gegeben ist, wenn ein Teilstück einer Strecke durch ein anders verlaufendes Teilstück ersetzt werde. 30 Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden. In dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht eine Strecke als eine aus Gleisen bestehende Verkehrsverbindung zwischen zwei Punkten - von A nach B - beschrieben (BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 9 A 21.08 - Buchholz 310 § 48 VwGO Nr. 3 Rn. 6). Der Senat hat hierauf aufbauend ausgeführt, dass eine Strecke durch einen Schienenweg gebildet werde, der zwei Orte mittels Eisenbahn miteinander verbinden solle. Abzustellen sei auf die Orte, die über den Schienenweg durch einen Halt der Eisenbahn zum Zwecke des Personenverkehrs oder Güterumschlags erreichbar sein sollen. Die darin zum Ausdruck kommende Verkehrsfunktion ist wesentliches Merkmal einer Strecke. Dem Gesetzgeber ging es bei der Genehmigungsbedürftigkeit von Stilllegungsmaßnahmen nach § 11 AEG im Ausgangspunkt nicht um den Erhalt von Eisenbahninfrastruktur schlechthin, sondern um die Aufrechterhaltung der mit ihr verbundenen Verkehrsmöglichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 16 f., 21). Eine rein anlagenbezogene Sicht würde über diesen Gesetzeszweck hinaus die Möglichkeit von Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Anpassung von Betriebsanlagen an neue Verkehrsbedürfnisse erschweren. Der Abbau von Gleisen oder die Verlegung der Streckenführung im Zuge einer planfeststellungsbedürftigen Änderung von Betriebsanlagen (§ 18 Satz 1 AEG) ist daher unerheblich, solange die bisherigen Orte erreichbar bleiben. 31 Die gegen diese funktionale Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG herangezogenen Vorschriften zur Unternehmensgenehmigung sind demgegenüber unergiebig. Zwar trifft es zu, dass sich die Unternehmensgenehmigung auf eine konkrete Eisenbahninfrastruktur bezieht (§ 6 Abs. 2 Satz 2 AEG). Die Vorschriften über die Unternehmensgenehmigung besagen jedoch nichts darüber, in welchen Fällen Dritten im Rahmen von § 11 AEG die Möglichkeit der Übernahme der Eisenbahninfrastruktur gegeben werden muss. § 11 AEG setzt vielmehr voraus, dass der jeweilige Unternehmer über die jeweilige Eisenbahninfrastruktur verfügt. Ebenso wenig hilft der Gedanke des Wettbewerbs weiter. Ungeachtet des Umstandes, dass der Wettbewerbsgedanke in § 1 Abs. 1 AEG nicht mehr enthalten ist (Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich vom 29. August 2016 ), ist zwar richtig, dass § 11 AEG den Wettbewerb im Interesse der Erhaltung bestehender Eisenbahninfrastruktur fruchtbar macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 24). Er ist aber kein Selbstzweck, sondern wird durch die genannte, sich aus Sinn und Zweck ergebende Reichweite von § 11 AEG begrenzt. 32 bb) Danach hat das Verwaltungsgericht eine Streckenstilllegung zutreffend verneint. Nach seinen bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2, § 134 Abs. 4 VwGO) bleiben unter veränderter Streckenführung sämtliche Bahnverbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten. Soweit die Klägerin die Tieflage des künftigen Hauptbahnhofs und damit geltend macht, es handele sich wegen eines anderen angebundenen Ortes um eine andere Strecke, trifft dies nicht zu. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass von der Einstellung des Betriebs einer Strecke nicht ohne weiteres gesprochen werden kann, wenn ein Bahnhof verlegt wird (BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 21). Entscheidend ist dabei die fortbestehende Anbindung des Ortes im Sinne des Gebietes, das durch den Schienenweg erschlossen werden soll. Sie ist bei der Verlegung eines Bahnhofs erst dann in Frage gestellt, wenn sich das durch ihn erschlossene Gebiet, sein Einzugsbereich, wesentlich ändert. Dass dies hier bezogen auf den künftigen Tiefbahnhof der Fall sei, behauptet die Klägerin nicht und ist auch sonst in keiner Weise ersichtlich. Auch eine mögliche Beschränkung einzelner Schienenwege auf einen S-Bahn-Verkehr ist ohne Bedeutung, solange die Erreichbarkeit der bislang verbundenen Orte nicht eingeschränkt ist. Hierfür geben die Ausführungen der Klägerin nichts her. 33 c) Dass der Umbau des Hauptbahnhofs Stuttgart zu einer mehr als geringfügigen Verringerung der Kapazität einer Strecke führen wird, hat die Klägerin nicht substanziiert geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat daher keine Veranlassung gesehen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Für Kapazitätsreduzierungen spricht auch der Sache nach nichts. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin diese Behauptung letztlich fallen lassen. Deshalb kann offen bleiben, inwieweit Minderungen der Kapazität eines Bahnhofs überhaupt als (teilweise) Betriebseinstellung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG gelten könnten. 34 d) Der vorgesehene teilweise Rückbau des Bahnhofs bewirkt keine dauernde Einstellung des Betriebes eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. Davon ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen. 35 Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass es sich bei dem bisherigen Stuttgarter Hauptbahnhof um einen für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhof handelt. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass er eine Vielzahl von Strecken verknüpft und damit innerhalb des Schienennetzes ein Verkehrsknoten ist (vgl. Hermes, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 38). 36 aa) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht - ebenso wie für den Begriff einer Strecke - von einem funktionalen Begriffsverständnis aus. Dementsprechend wird der Betrieb eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs nicht bereits deshalb eingestellt, weil der bestehende Kopfbahnhof durch einen Tiefbahnhof mit durchgehendem Verkehr ersetzt werden soll. Unrichtig ist freilich sein Ausgangspunkt, bei Bahnhöfen falle von vornherein nur die vollständige Betriebseinstellung unter den Stilllegungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. Indem der Gesetzgeber das Stilllegungsverfahren nur für betriebswichtige Bahnhöfe vorsieht, setzt er einfache Bahnhöfe (""Unterwegsbahnhöfe"") voraus, deren Betriebseinstellung keines Stilllegungsverfahrens bedarf. Würde der Tatbestand nur die vollständige Betriebseinstellung eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs erfassen, würde dies erlauben, die für die Betriebswichtigkeit maßgebliche Infrastruktur ohne Stilllegungsverfahren aufzugeben, solange nur überhaupt ein Bahnhof verbleibt. Das ist nicht Sinn der Regelung. Entscheidend dafür, ob ein für den Betrieb wichtiger Bahnhof eingestellt wird, ist der ersatzlose Fortfall der seine Betriebswichtigkeit kennzeichnenden Infrastruktur. Wird sie durch eine neue Bahnhofsanlage und deren Infrastruktur funktional im Wesentlichen gleichwertig ersetzt, liegt eine Betriebseinstellung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG nicht vor. So liegen die Dinge hier. 37 bb) Nach dem Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart ""Projekt Stuttgart 21"" - Planfeststellungsabschnitt 1.1 - vom 28. Januar 2005 wird der bestehende Kopfbahnhof durch ein neues Bauwerk - einen Tiefbahnhof in Querlage - in unmittelbarer Nachbarschaft des bisherigen Bahnhofs ersetzt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, handelt es sich um einen Umbau, der an der Funktion des Bahnhofs im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG nichts ändert. Der neue Bahnhof ersetzt mit seinen acht - nun durchgehenden - Gleisen den 16-gleisigen Kopfbahnhof, ohne dass hierdurch die den bisherigen Kopfbahnhof kennzeichnende Verknüpfungsfunktion (Verkehrsknoten) erkennbar in Frage gestellt wäre. Dabei kann offen bleiben, inwieweit die Möglichkeiten der Wartung, Zugbildung oder des Rangierens zum Begriff des Bahnhofs gehören, also dessen Verkehrsfunktionen mit bestimmen. Anders als etwa ein Bahnsteig ist die dafür erforderliche Infrastruktur nicht gleichermaßen räumlich an den Bahnhof gebunden. Es genügt, dass diese Betriebsabläufe im Zusammenhang mit dem Bahnhofsbetrieb in einer Weise möglich bleiben, die eine geordnete und effektive Betriebsabwicklung sicherstellt. 38 cc) Dass dies künftig nicht der Fall wäre, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin substanziiert geltend gemacht. Vielmehr wird für die entsprechenden Einrichtungen anderen Ortes, namentlich in Untertürkheim, Ersatz geschaffen. Nichts anderes gilt für Einschränkungen, die sich aufgrund der Längsneigung der Zufahrtgleise ergeben können. Soweit eine Zugbildung und das Wenden im künftigen Tiefbahnhof selbst nicht möglich sind, ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass diese Betriebsabläufe im Umfeld des Bahnhofs gewährleistet sind. 39 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschränkung der Dieseltraktion im Tiefbahnhof. Sie ist nicht Gegenstand der Gewährleistungsfunktion des § 11 AEG. Auch mit der Beschränkung, die technologisch den Einsatz moderner Fahrzeuge erfordert, bleibt der bisher über den Kopfbahnhof abgewickelte und verknüpfte Verkehr möglich. Soweit die Klägerin meint, der künftige Tiefbahnhof sei im Sinne der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung lediglich ein Haltepunkt, ist dies ungeachtet seiner inhaltlichen Tragfähigkeit nicht weiter bedeutsam. Die Frage der Einstellung eines betriebswichtigen Bahnhofs ist nicht auf der Grundlage der Begriffsbestimmungen der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung zu beantworten. Ebenso wenig führt der Gedanke weiter, die Bahnhöfe seien insbesondere im Hinblick auf den für eine Übergangsphase beabsichtigten Parallelbetrieb und ihre betriebliche Selbstständigkeit getrennt zu betrachten. Dies ändert nichts daran, dass der neue Tiefbahnhof mit der tatsächlichen Betriebseinstellung des Kopfbahnhofes dessen Funktion ohne bedeutsame Beeinträchtigung übernehmen wird und daher funktional keine Stilllegung eines für den Betrieb wichtigen Bahnhofs erfolgt. 40 e) Mit dem Rückbau wird schließlich nicht der Betrieb einer Serviceeinrichtung eingestellt. 41 aa) Dieser Stilllegungstatbestand ist - wie gezeigt - ungeachtet des Umstands zu prüfen, dass er erst während des Revisionsverfahrens durch eine Ergänzung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG geschaffen worden ist. In der Geltendmachung dieses Tatbestandes durch die Klägerin liegt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 VwGO). Die Klägerin stützt ihr gegenständlich unverändertes Begehren lediglich auf eine neue Rechtsgrundlage. 42 bb) Der Klageantrag erfasst namentlich mit den Bahnsteiganlagen Serviceeinrichtungen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG. 43 Serviceeinrichtungen sind Anlagen, um die in Anlage 2 Nr. 2 bis 4 des Eisenbahnregulierungsgesetzes genannten Serviceleistungen erbringen zu können (§ 2 Abs. 9 AEG). Anlage 2 Nr. 2 nennt unmittelbar verschiedene Serviceeinrichtungen. Dazu gehören ""Personenbahnhöfe, deren Gebäude und sonstige Einrichtungen, einschließlich der Personenbahnsteige"". In gleichem Zusammenhang werden darüber hinaus die ""Zugangswege"" sowie ""Einrichtungen für die Anzeige von Reiseauskünften"" genannt (Buchst. a). Die Verselbstständigung der letztgenannten Einrichtungen macht deutlich, dass auch ein Personenbahnsteig eigenständig als Serviceeinrichtung in Betracht kommt. Seine Nennung exemplifiziert eine sonstige Einrichtung und beschreibt nicht lediglich den Umfang der Serviceeinrichtung ""Personenbahnhof"". Dem entspricht beispielsweise auch die kleinteilige Verselbstständigung ""andere technische Einrichtungen einschließlich Reinigungs- und Wascheinrichtungen"" (Buchst. f) sowie die gesonderte Nennung der Abstellgleise (Buchst. d). 44 Gleichwohl verlangt die mit dem beabsichtigten Rückbau des Kopfbahnhofs und verschiedener oberirdischer Gleisanlagen einhergehende Beseitigung von Serviceeinrichtungen nicht die Durchführung eines Stilllegungsverfahrens. 45 Die Ausdehnung der Regelung des § 11 AEG auf Serviceeinrichtungen dient der Umsetzung von Art. 13 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABI. L 343 S. 32; BT-Drs. 18/8334 S. 89, 254). Danach hat der Eigentümer einer Serviceeinrichtung, die mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre lang nicht genutzt wurde, auf eine qualifizierte Interessenbekundung diese Serviceeinrichtung ganz oder teilweise zum Leasing oder zur Vermietung auszuschreiben. Die Pflicht besteht jedoch dann nicht, wenn die Einrichtung aufgrund eines laufenden Umstellungsprozesses von keinerlei Eisenbahnunternehmen genutzt werden kann. 46 Die Ausschreibungspflicht und damit die Möglichkeit eines Eisenbahnunternehmens, eine Serviceeinrichtung zu übernehmen, knüpft daran an, dass die Einrichtung über längere Zeit ungenutzt geblieben ist. Das macht deutlich, dass es dem Eigentümer innerhalb der Frist unbenommen ist, die Einrichtung anderweitig zu verwerten und zu beseitigen. Darüber hinaus besteht die Ausschreibungspflicht auch dann nicht, wenn die Einrichtung aufgrund eines laufenden Umstellungsprozesses von keinerlei Eisenbahnunternehmen genutzt werden kann. Das stellt klar, dass die Verfügungsbefugnis des Eigentümers im Fall der Einstellung des Betriebs einer Serviceeinrichtung nicht ohne weiteres einzuschränken ist. Steht die beabsichtigte Einstellung im Kontext eines Umstellungsprozesses, in dessen Folge die Serviceeinrichtung überhaupt nicht mehr genutzt werden kann, dann besteht die Ausschreibungspflicht nicht. Damit ist nicht zweifelhaft, dass in einem Fall wie vorliegend, in dem Serviceeinrichtungen im Rahmen der Neukonzeption einer Eisenbahnanlage beseitigt werden sollen, unionsrechtlich ein Stilllegungsverfahren nicht geboten ist. Mit diesem Inhalt ist die Richtlinie so klar, dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht erforderlich ist. 47 Im Zuge der Umsetzung von Art. 13 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU hat der Gesetzgeber mit der Einbettung in § 11 AEG bewusst auf die Voraussetzung vergangener Nichtnutzung verzichtet und dem Ziel der Richtlinie folgend beabsichtigt, den Erhalt von Serviceeinrichtungen zu fördern (BT-Drs. 18/8334 S. 254). Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber weitergehend über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen wollte. Würde er jenseits der herkömmlichen, qualifizierten Stilllegungstatbestände auch dann die Durchführung eines Stilllegungsverfahrens verlangen, wenn Serviceeinrichtungen im Zuge der Neukonzeption einer Eisenbahnanlage aufgegeben werden, so würde er diesen Prozess jenseits seiner ursprünglichen Zielsetzung (BT-Drs. 12/5014 S. 17 f.) erheblich erschweren. Für eine derartige Absicht ist nichts ersichtlich. Steht die beabsichtigte Einstellung des Betriebs einer Serviceeinrichtung in einem solchen Zusammenhang, bedarf die Betriebseinstellung einer Serviceeinrichtung deshalb nicht der Durchführung eines Stilllegungsverfahrens nach § 11 AEG. 48 Dieser, den Tatbestand der Einstellung des Betriebs einer Serviceeinrichtung in besonderer Weise einschränkenden Auslegung entspricht es im Übrigen, dass der Gesetzgeber die Stilllegungstatbestände des § 11 AEG jenseits der Einfügung unverändert gelassen hat. Der Stilllegungstatbestand der Einstellung des Betriebs eines betriebswichtigen Bahnhofs wäre sinnlos, wäre für Serviceeinrichtungen - und damit für einzelne Bahnsteiganlagen ebenso wie für Personenbahnhöfe - gleichermaßen Stilllegungsverfahren geboten. 49 II. Der im Revisionsverfahren angebrachte Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Auch wenn sich der Hilfsantrag auf die Untersagung der Betriebseinstellung und nicht - wie der Hauptantrag - auf die Untersagung des Rückbaus richtet, muss hierfür einer der Stilllegungstatbestände des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG vorliegen. Das ist aus den bereits dargestellten Gründen nicht der Fall. 50 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2018-47,05.07.2018,"Pressemitteilung Nr. 47/2018 vom 05.07.2018 EN Westumfahrung Halle - Bundesverwaltungsgericht lehnt Eilantrag ab Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute im Zusammenhang mit dem Weiterbau der Autobahn A 143 (Westumfahrung Halle) einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Bei dem planfestgestellten Vorhaben handelt es sich um den nördlichen Abschnitt der Autobahn A 143, die westlich der Stadt Halle (Saale) eine Verbindung zwischen den Autobahnen A 38 und A 14 herstellt. Die Antragstellerin, ein Bergbauunternehmen, ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die für den Autobahnbau benötigt werden. Gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 18. Mai 2005, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar war, hat die Antragstellerin zwar Klage erhoben, aber seinerzeit keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 17. Januar 2007 der Klage eines anderen Klägers (Naturschutzbund Deutschland - NABU) stattgegeben. Das Klageverfahren der jetzigen Antragstellerin wurde damals zum Ruhen gebracht. Nachdem das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt am 20. März 2018 einen - wiederum sofort vollziehbaren - Planänderungsbeschluss erlassen hatte, hat die Antragstellerin ihr Klageverfahren aufgegriffen und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Entscheidung über die Klage bis Mai 2019 in Aussicht gestellt. Daraufhin hat das Landesverwaltungsamt fünf Maßnahmen benannt, die nach dem Bauablaufplan bis dahin umgesetzt sein müssen. Dabei handelt es sich um Pfahlprobebelastungen auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin, um Artenschutzmaßnahmen zur Umsiedlung von Zauneidechsen, um archäologische Untersuchungen, um Maßnahmen zur Erkundung und Baugrundverbesserung im Hinblick auf die Sanierung bestimmter Altbergbauanlagen und um eine Kampfmittelsondierung. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des geänderten Planfeststellungsbeschlusses höher gewichtet als das Aufschubinteresse der Antragstellerin. Dabei hat es berücksichtigt, dass ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz an eine Monatsfrist gebunden war und ist. Wird vorläufiger Rechtsschutz - wie hier - erst gegen die Änderung eines Planänderungsbeschlusses begehrt, kann er deshalb nur auf Umstände gestützt werden, die Rechte des Betroffenen erstmals oder weitergehend berühren. Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin die besonders eingriffsintensiven Bohrarbeiten auf ihrem Betriebsgelände ebenso wie die archäologischen Untersuchungen ohnehin vorläufig zu dulden. Denn sie wären schon mit dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss verbunden gewesen, gegen dessen Sofortvollzug sich die Antragstellerin nicht mit einem Eilantrag gewehrt hatte. Hinsichtlich der übrigen im Bauablaufplan vorgesehenen Vorabmaßnahmen ist das Interesse der Antragstellerin von geringerem Gewicht als die Nachteile, die mit einem weiteren Zeitverlust und der damit einhergehenden Baukostensteigerung verbunden wären. Das Landesverwaltungsamt ist verpflichtet, dem Gericht etwaige Änderungen des Bauablaufplans unverzüglich mitzuteilen. Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in seiner geänderten Fassung hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht geäußert. BVerwG 9 VR 1.18 - Beschluss vom 05. Juli 2018","Bundesverwaltungsgericht Beschl. v. 05.07.2018, Az.: BVerwG 9 VR 1.18 (9 A 2.18) Lauf der gesetzlichen Frist für einen Aussetzungsantrag bei der Änderung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses; Stützen eines Aussetzungsantrags auf Regelungen des Planänderungsbeschlusses i.R.d. Berührung von Rechten des BetroffenenAmtlicher LeitsatzBei der Änderung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses handelt es sich für sich genommen um keine später eintretende Tatsache, die die gesetzliche Frist (§ 17e Abs. 4 FStrG bzw. § 5 Abs. 2 VerkPBG) für einen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erneut in Gang setzt. Ein Aussetzungsantrag kann grundsätzlich nur auf solche Regelungen des Planänderungsbeschlusses gestützt werden, die Rechte des Betroffenen erstmals oder weitergehend als ursprünglich berühren. In der Verwaltungsstreitsachehat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichtsam 5. Juli 2018durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bickund den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterichbeschlossen: Tenor: Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 anzuordnen, wird mit folgender Maßgabe abgelehnt: Änderungen des Bauablaufplans bis Mai 2019, die den Planvollzug betreffen und Außenwirkung haben, sind dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 € festgesetzt.GründeI1Die Antragstellerin, ein Bergbauunternehmen, ist in den Gemarkungen S., B. und L. Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die zur Durchführung des im Tenor genannten Planfeststellungsbeschlusses benötigt werden. Gegen den ihr am 1. Juni 2005 zugestellten Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Mai 2005 für den Neubau der Bundesautobahn A 143 (Westumfahrung Halle) hat die Antragstellerin Klage erhoben. Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat sie nicht gestellt. Der Senat hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage eines anderen Klägers durch Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Das Klageverfahren der Antragstellerin wurde daraufhin auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht. 2Nach Ergehen des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018, der Antragstellerin zugestellt am 20. April 2018, hat der Antragsgegner das ruhende Klageverfahren wieder aufgerufen. Die Antragstellerin hat am 22. Mai 2018, dem Dienstag nach Pfingsten, beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 anzuordnen.II3Der Antrag bleibt ohne Erfolg.41. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474 - Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz - VerkPBG -) kann ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für ein Vorhaben im Anwendungsbereich des Gesetzes nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses gestellt werden. Diese Vorschrift findet hier über § 11 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG noch Anwendung, weil für die Planung bereits vor dem Ablauf der Geltungsdauer des Gesetzes, dem 16. Dezember 2006, ein Linienbestimmungsverfahren stattgefunden hat, sodass die Planung als vor diesem Zeitpunkt begonnen gilt und nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 239 Rn. 8). Eine mit § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG übereinstimmende Normierung für Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthält auch § 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG. 5Treten später Tatsachen ein, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Frist von einem Monat stellen, wobei die Frist in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkPBG, § 17e Abs. 4 FStrG). 6Mit solchen später eintretenden Tatsachen sind indes nicht Umstände gemeint, die sich lediglich aus der nunmehr drohenden Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses ergeben. Denn der Gesetzgeber wollte zu einem frühen Zeitpunkt Rechtssicherheit darüber schaffen, ob mit der Realisierung des Bauwerks begonnen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2004 - 9 VR 7.04 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zu § 5 VerkPBG, BT-Drs. 12/1092 S. 10 f.). Der Betroffene muss sich mithin innerhalb der gesetzlichen Frist entscheiden, ob er vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Es steht ihm gerade nicht frei, mit dem Antrag zuzuwarten, bis das Vorhaben tatsächlich realisiert wird. Hiernach kann auch der Umstand als solcher, dass nachträglich ein Planänderungsbeschluss ergeht, keine später eintretende Tatsache im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkPBG bzw. § 17e Abs. 4 FStrG darstellen (OVG Münster, Beschluss vom 16. August 2010 - 11 B 638/10.AK - NVwZ-RR 2010, 953 [OVG Nordrhein-Westfalen 16.08.2010 - 11 B 638/10.AK] <954> zur wortgleichen Norm des § 43e Abs. 2 Satz 1 EnWG). Ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann dagegen auf solche Regelungen in einem Planänderungsbeschluss gestützt werden, die Rechte des Betroffenen erstmals oder weitergehend als ursprünglich berühren. Zwar verschmelzen im Falle einer nachträglichen Planänderung der ursprüngliche Beschluss und seine Modifikationen zu einer einheitlichen Planungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 31.07 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 15 Rn. 23). Davon unberührt bleibt jedoch die nach Fristablauf für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eingetretene Rechtssicherheit. Die vom Gesetzgeber bezweckte Beschleunigung würde ins Leere laufen, wenn anlässlich des Ergehens eines Planänderungsbeschlusses der bereits zuvor vorhandene Regelungsbestand wieder zur Disposition im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gestellt werden könnte. 7Auch das nach Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 in Kraft getretene Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz stellt vorliegend keine neue Tatsache dar, die die Möglichkeit zum uneingeschränkten Vortrag im Anordnungsverfahren wieder eröffnet. Abgesehen von der Prüfung der Kausalität eines Verfahrensfehlers hat das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die prozessuale Position eines Enteignungsbetroffenen - wie hier der Antragstellerin - nicht verändert. Bereits zuvor konnte sich ein durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses Betroffener grundsätzlich auch auf die fehlerhafte Anwendung objektiven Rechts - etwa des Umweltrechts - oder die fehlerhafte Abwägung öffentlicher Belange stützen, außer wenn auch die fehlerfreie Beachtung dieser Belange nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich seines Grundstücks führen würde (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 50). Daran hat sich nichts geändert. 8Gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG ist ein Verfahrensfehler seit Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712]) allerdings nur noch dann unbeachtlich, wenn das Gericht anhand der Akten und Planunterlagen sowie der sonst erkennbaren oder nahe liegenden Umstände zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 43 und vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 36 ). Der von der Antragstellerin vorliegend gerügte Verfahrensfehler einer unterbliebenen Erörterung betrifft jedoch den nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ergangenen Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 und nicht den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss, so dass es auf das Vorliegen später eintretender Tatsachen nicht ankommt. Im Übrigen liegt der Verfahrensfehler, wie unten auszuführen ist, nicht vor. 9Dahinstehen kann, ob die Beschränkung späteren vorläufigen Rechtsschutzes auch dann greifen würde, wenn ein Kläger im Hauptsacheverfahren für sich die Feststellung der Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses erreicht hätte. Denn der im Urteil des Senats vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) durch einen anderen Kläger erstrittene Ausspruch wirkt jedenfalls nur zwischen den Beteiligten jenes Rechtsstreits; im Verhältnis zur Antragstellerin erweist er sich demgegenüber als bloßer Rechtsreflex (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 9 VR 6.12 - Buchholz 407.4 § 17e FStrG Nr. 14 Rn. 10). 102. Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Vollzugsinteresse, dem bereits durch den gesetzlich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein erhebliches Gewicht zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244 f.> und vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7), das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin einen Verfahrensfehler im Planergänzungsverfahren geltend macht, beruht die Interessenabwägung darauf, dass dieser Fehler schon bei summarischer Prüfung erkennbar nicht vorliegt (a); in materieller Hinsicht stützt sich die Bewertung der gegenläufigen Interessen auf eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der oben genannten Fristbestimmung (b). 11a) Die Antragstellerin macht geltend, der Antragsgegner habe zu Unrecht im Rahmen der ""Planänderung zur 4. Änderung"" auf einen Erörterungstermin verzichtet. In dieser Verfahrensweise liegt offensichtlich kein Rechtsfehler. Nach § 17d FStrG gilt für die Planänderung und das ergänzende Verfahren § 76 VwVfG mit der Maßgabe, dass auch im Falle einer Planänderung mit Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 76 Abs. 1 VwVfG) von einer Erörterung abgesehen werden kann. Soll ein bereits einmal ausgelegter Plan geändert werden, kann gemäß § 17a Nr. 2 FStrG in Verbindung mit § 73 Abs. 8 VwVfG im Regelfall von der Erörterung abgesehen werden. 12Vorliegend hatte die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Planergänzungsverfahrens aufgrund des Senatsurteils vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - die neu vorgelegten und anschließend noch geänderten Planunterlagen in vier Etappen ausgelegt und die ausgelegten Planunterlagen jeweils erörtert (siehe Darstellung im Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018, S. 86 ff.). Lediglich bei den dann noch im Januar 2017 vorgelegten Planunterlagen hat die Planfeststellungsbehörde entschieden, auf eine Erörterung dieser in der Zeit vom 20. März 2017 bis zum 19. April 2017 ausgelegten Unterlagen zu verzichten, weil eine weitergehende Aufklärung oder Befriedung nicht zu erwarten sei (a.a.O., S. 90). 13Diese Ermessensausübung erscheint ohne weiteres beanstandungsfrei. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Durchführung einer weiteren Erörterung nicht deshalb geboten, weil die Planfeststellungsbehörde ihr Ermessen durch die Durchführung des Erörterungstermins vom 27. bis 29. September 2016 gebunden habe, obwohl zum damaligen Zeitpunkt der wasserrechtliche Fachbeitrag mangels Vorliegens noch nicht habe erörtert werden können. In diesem Erörterungstermin (s. dazu Änderungs- und Ergänzungsbeschluss, S. 90) sollten die im März 2016 vorgelegten Planunterlagen erörtert werden; der Zweck dieser Erörterung bestand also nicht darin, den noch ausstehenden wasserrechtlichen Fachbeitrag zu behandeln. Der wasserrechtliche Fachbeitrag wurde nach seiner Fertigstellung ausgelegt (Änderungs- und Ergänzungsbeschluss, S. 89), und die Öffentlichkeit - auch die Antragstellerin - hatte Gelegenheit, Einwendungen zu erheben.14b) In materieller Hinsicht beschränkt sich der Senat auf eine Abwägung der Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin angeordnet wird, diese dann aber keinen Erfolg hat, mit den Folgen einer Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes, falls die Klage später erfolgreich ist. Dabei kann sich die Abwägung auf diejenigen Maßnahmen konzentrieren, die nach dem Bauablaufplan des Antragsgegners schon vor dem vom Senat für das Klageverfahren in Aussicht gestellten Verhandlungstermin (Mai 2019) durchgeführt werden sollen. Falls sich die Hauptsacheentscheidung des Senats über das erste Halbjahr 2019 hinaus verzögern sollte, läge darin eine Änderung der für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände. Das gleiche würde gelten, falls der Antragsgegner weitere oder andere als die dem Senat nach Maßgabe des Bauablaufplans mitgeteilten Maßnahmen vor dem beabsichtigten Verhandlungstermin durchführen wollte. Im letztgenannten Fall ist der Antragsgegner verpflichtet, dem Gericht die beabsichtigte Änderung unverzüglich mitzuteilen. Diese Verpflichtung bezieht sich auf Maßnahmen, die den Planvollzug betreffen und Außenwirkung haben. Darunter fallen insbesondere nicht die Erstellung und Bearbeitung von Entwürfen, die Ausführungsplanung sowie die Vorbereitung von Verträgen. Die so eingegrenzte Verpflichtung berücksichtigt die Befugnis des Gerichts, den vorliegenden Beschluss gegebenenfalls von Amts wegen oder auf Antrag zu ändern (§ 80 Abs. 7 VwGO). 15Im Ergebnis fällt die Abwägung zu Gunsten des Antragsgegners aus:16aa) Soweit die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Flurstücks ... für dessen Inanspruchnahme als späterer Standort eines Brückenpfeilers und zeitlich vorlaufend für Erkundungsbohrungen und Pfahlprobebelastungen in der Lage des späteren Brückenwiderlagers sowie ggf. für archäologische Untersuchungen und eine Kampfmittelsondierung begehrt wird, ist das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin dadurch gemindert, dass sie gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss nicht innerhalb der Frist des § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hat. Die damit einhergehende Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes im Planänderungsverfahren umfasst auch die von der Antragstellerin erneut geltend gemachten Auswirkungen der Trassenführung auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Existenzgefährdung ihres Unternehmens, auf ihr Freilager im Betriebsgelände sowie auf die Verbindung zum Werk M. über eine Suspensionsleitung. Hiervon abgesehen wurden die Auswirkungen schon im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 (dort S. 118) und erneut im Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 (dort S. 746 f.) abgewogen.17Die Monatsfrist für den Aussetzungsantrag, über die auch in der Rechtsbehelfsbelehrung des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 belehrt worden war, ist seit langem abgelaufen. Durch die Planänderung vom 20. März 2018 werden Rechte der Antragstellerin im soeben dargestellten Umfang nicht erstmals oder weitergehend berührt. Die Trassenführung im Bereich des Flurstücks ... ist durch den Planänderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 nicht verändert worden. Die marginalen Veränderungen in der Grundstücksinanspruchnahme (dauerhafter Erwerb von 4 307 m2 statt vorher 4 154 m2, entsprechend verringerte vorübergehende Inanspruchnahme), die dadurch zustande kommen, dass nunmehr westlich des Lärmschutztunnels eine dauerhafte Böschung zwischen der Oberkante des Tunnels und dem anstehenden Gelände vorgesehen ist, sind derart unwesentlich, dass sie zu keiner anderen Bewertung führen. Im Übrigen enthielt auch bereits der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 als Nebenbestimmung (Teil A, Kapitel VI.7, PFB S. 21, 37) die Ermächtigung und Verpflichtung zu archäologischen Untersuchungen. 18Die im Klageverfahren geltend gemachte Befürchtung der Antragstellerin, die Böschung ihres Betriebsgeländes nebst der aufstehenden Brückenpfeiler würde bei Eingriffen in die Kaolinablagerungen instabil und diese Problematik verschärfe sich bei Hochwasser, betrifft erst die Errichtung des Brückenbauwerks selbst und nicht die im Zeitraum bis zum voraussichtlichen Verhandlungstermin der Hauptsache beabsichtigten Maßnahmen. Soweit die Antragstellerin ihre Befürchtung im Schriftsatz vom 4. Juli 2018 auch auf die Pfahlprobebelastung bezieht, bleibt dies spekulativ. Es ist nicht nachvollziehbar, dass derartige nach der Darstellung der Antragstellerin erst langfristig wirkenden Gefahren sich bereits im Rahmen jener Vorbereitungsarbeiten realisieren könnten.19Soweit die Antragstellerin behauptet, auf ihrem Betriebsgrundstück seien seit dem Jahr 2012 Weißstörche vorhanden, ist ihr einzuräumen, dass sie mit diesem Einwand die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2005 nicht angreifen konnte. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ist der Zeitpunkt seines Ergehens. Später eintretende Umstände können seine Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht berühren. Die enteignungsbetroffene Antragstellerin kann daher Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften (hier: Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG hinsichtlich der gemäß Anlage 1 zu § 1 Satz 2 BArtSchV streng geschützten Art Weißstorch), die kausal für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks sind, grundsätzlich dem Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 entgegenhalten. 20Ihre Behauptung, im Jahre 2013 habe ein Weißstorch auf dem Schornstein ihres Stammsitzes gebrütet, bleibt jedoch unsubstantiiert und gibt bereits keinen Anlass, die Richtigkeit der sachverständig gestützten und nachvollziehbar begründeten Annahme im Planänderungsbeschluss (S. 571), es habe sich hierbei lediglich um Rastvögel gehandelt, in Zweifel zu ziehen. Überdies sind für die Jahre 2014 bis 2017 keine Belege auch nur für das Auftreten eines Weißstorchs auf dem Betriebsgelände der Antragstellerin, geschweige denn für einen Brutplatz, vorhanden. Zuletzt im November 2016 hat eine erfolglose Suche nach verbliebenem Nestmaterial auf dem Schornstein stattgefunden. Da der Weißstorch nesttreu ist (s. Wikipedia-Eintrag ""Weißstorch""), kann eine ""Rückkehr"" auf den Schornstein daher nicht in Betracht gezogen werden. Ein Verstoß des Planfeststellungsbeschlusses gegen das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG erscheint so bereits fernliegend. Es kommt noch hinzu, dass etwa brütende Weißstörche durch den für September 2018 vorgesehenen Beginn der Bohrarbeiten nicht gestört werden könnten; denn die Brutzeit des Weißstorchs endet bereits Anfang August (s. Wikipedia-Eintrag ""Weißstorch""). Danach sind der Antragstellerin die Folgen der genannten Vollzugsmaßnahme eher zuzumuten als umgekehrt dem Antragsgegner deren Aussetzung. 21Mit der Annahme, dass die Antragstellerin die Erkundungsbohrungen und Pfahlprobebelastungen auf ihrem Betriebsgrundstück Flurstück ... nicht mehr im Wege des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung angreifen kann, setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu seiner Bewertung in dem Verfahren betreffend Vorarbeiten im Sinne des § 16a FStrG auf diesem Grundstück (BVerwG, Beschluss vom 17. August 2017 - 9 VR 2.17 - UPR 2017, 525 [BVerwG 17.08.2017 - BVerwG 9 VR 2.17]). Dort ist ausgeführt (Rn. 15), Überwiegendes spreche dafür, dass diese Eingriffe das Maß dessen überschritten, was einem Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 16a FStrG zuzumuten sei und deshalb wohl erst ein zu Lasten der Antragstellerin vollziehbarer Planfeststellungsbeschluss eine tragfähige Grundlage für die Pflicht zur Duldung dieser Bauarbeiten bilden könne. Dies betraf die Rechtsgrundlage für einen Eingriff in Rechtspositionen des Grundeigentümers; davon zu trennen ist die Frage nach der zeitlichen Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes. 22bb) Hinsichtlich der Heranziehung von in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken für CEF-Maßnahmen zum Schutz der Zauneidechse (Flurstück ...) hat der Antragsgegner vorgetragen, dass die Herrichtung der Maßnahmeflächen im Wesentlichen aus einer ""Entbuschung"" bestehe, also keine besondere Belastung darstelle. Des Weiteren hat er dargelegt, dass ein Zeitverlust von einem ganzen Jahr eintritt und dass ferner mit Baukostensteigerungen zu rechnen ist, wenn mit jenen Maßnahmen nicht bereits vor der Entscheidung des Senats in der Hauptsache begonnen werden kann. Würde insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, hätte diese später aber keinen Erfolg, würden der gewichtige Zeitverlust und die vom Antragsgegner geltend gemachte erhebliche Steigerung der Baukosten schwerwiegende Nachteile darstellen. Demgegenüber hat die Antragstellerin keine bei der Folgenabwägung erheblich ins Gewicht fallenden Umstände vorgetragen; die für sie eintretenden Nachteile im Falle der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes sind somit von geringerem Gewicht.23cc) Zu den Untersuchungen zum Altbergbau auf ihrem Flurstück ... macht die Antragstellerin geltend, sie sei insoweit bereits vor einer Hauptsacheentscheidung durch Bohrungen und auch Schachtverwahrungen nebst der Verfüllung von unterirdischen Strecken erheblich betroffen. Aus Nr. 63 des vom Antragsgegner vorgelegten Bauablaufplans ergibt sich indes, dass die Umsetzung der ""Sanierung Altbergbau"" erst ab September 2019 und damit nach der voraussichtlichen Hauptsacheentscheidung vorgesehen ist. Lediglich die ""Erstellung Baugrundaufschlüsse und Gutachten im Bereich Altbergbaugebiet"", die ""Vorbereitung und Vergabe Ingenieurvertrag"" und die ""Erstellung Ausführungsplanung"" zum Altbergbau sind ab Juli 2018 vorgesehen (Bauablaufplan Nr. 14, 33 f.). Dass sich hierdurch erhebliche Beeinträchtigungen für die Antragstellerin ergeben könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.24dd) Die Antragstellerin macht schließlich Verstöße des Planänderungs- und Ergänzungsbeschlusses gegen wasserrechtliche Vorschriften geltend. Der Antragsgegner weist hierzu zutreffend darauf hin, dass die Frage, ob die Antragstellerin die geltend gemachten Verstöße gegen wasserrechtliche Vorschriften rügen kann, als derzeit offen anzusehen ist. Auch insoweit ergibt die Folgenabwägung nach den oben benannten Maßstäben, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem Interesse am Beginn des Planvollzugs in diesem Zeitraum zurückstehen muss. Bei dieser Folgenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Senat voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 2019 eine Entscheidung im Verfahren der Hauptsache treffen kann, bis zu diesem Zeitpunkt nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Bauablaufplan noch keine Straßenbaumaßnahmen vorgesehen sind und erst recht die von der Antragstellerin befürchtete betriebsbedingte Beeinträchtigung der Oberflächengewässer und der Grundwasserqualität durch Eintrag von Tausalz sowie von Tensiden und Frostschutzmittel aus Scheibenwaschanlagen noch nicht stattfinden wird.25ee) An der beabsichtigten Ausschreibung von Planungs- und Bauleistungen auf eigenes Risiko ist der Antragsgegner nicht gehindert, weil derartige verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahmen mangels baulicher oder sonstiger faktischer Außenwirkung keine Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses darstellen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2017 - 9 VR 2.16 - juris Rn. 34).263. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Dabei legt der Senat für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwertes zugrunde (s. Streitwertkatalog Nr. 34.2.2). Dr. BierProf. Dr. BickDr. DieterichHinweis:Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet." bverwg_2018-48,12.07.2018,"Pressemitteilung Nr. 48/2018 vom 12.07.2018 EN Generalprävention kann ein Ausweisungsinteresse begründen Im Ausländerrecht können generalpräventive Gründe auch nach dem seit 2016 geltenden neuen Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse begründen, das der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis regelmäßig entgegensteht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Entscheidung lag die Klage eines nigerianischen Staatsangehörigen zugrunde, der die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen begehrt. Der Kläger lebt seit 2009 in Deutschland. Ein unter falscher Identität gestellter Asylantrag wurde rechtskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Seitdem hält sich der Kläger auf der Grundlage von Duldungen in Deutschland auf. Wegen wiederholter Zuwiderhandlungen gegen eine Aufenthaltsbeschränkung wurde er zweimal zu Geldstrafen verurteilt. Erst im Vorfeld der Geburt seines ersten deutschen Sohnes gab der Kläger im Januar 2013 seine wahre Identität bekannt und legte einen nigerianischen Pass vor. Im April 2013 lehnte die Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Aufgrund der abgeurteilten Straftaten und der sich über mehrere Jahre erstreckenden Identitätstäuschung liege die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (kein Ausweisungsinteresse) nicht vor. Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse, um andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Taten abzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat das beklagte Land hingegen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verpflichtet. Nach seiner Auffassung stehen ausschließlich generalpräventive Ausweisungsgründe nach Inkrafttreten des neuen Ausweisungsrechts der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr entgegen. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat – abweichend vom Verwaltungsgerichtshof - entschieden, dass auch nach der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage generalpräventive Gründe weiterhin ein Ausweisungsinteresse rechtfertigen können. Der Gesetzeswortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG ist insoweit offen, weil danach nicht vom Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss, sondern nur von „dessen Aufenthalt"". Damit ist der in den Gesetzesmaterialien dokumentierte Wille des Gesetzgebers beachtlich, der weiterhin generalpräventiv begründete Ausweisungen ermöglichen wollte. Dies bestätigt die generalpräventive Ausrichtung des hier u.a. verwirklichten Ausweisungsinteresses der Identitätstäuschung (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG). Allerdings muss das Ausweisungsinteresse noch aktuell, d.h. zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden sein. Dies orientiert sich bei Ausweisungsinteressen mit Bezug zu Straftaten an den Fristen der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung (§ 78 ff. StGB). Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen nach dem Bundeszentralregistergesetz zudem eine absolute Obergrenze. Damit  war die Identitätstäuschung hier noch zu berücksichtigen. Ist - wie hier - wegen einer Titelerteilungssperre (§ 10 Abs. 3 AufenthG) ein strikter Rechtsanspruch auf einen Aufenthaltstitel erforderlich, kann dem Kläger ohne eine vorherige Ausreise keine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erteilt werden. Das anderslautende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs war daher aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof wird allerdings noch zu prüfen haben, ob dem Kläger, der mittlerweile zwei minderjährige deutsche Kinder hat, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zusteht. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den bei ihrer Mutter lebenden Kindern und dem Kläger besteht, dass jene bei Verweigerung eines Aufenthaltsrechts für den Kläger faktisch zum Verlassen der Europäischen Union gezwungen wären. Zur Nachholung der hierzu erforderlichen Feststellungen hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. BVerwG 1 C 16.17 - Urteil vom 12. Juli 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 11 S 1967/16 - Urteil vom 19. April 2017 - VG Sigmaringen, 3 K 496/14 - Urteil vom 17. März 2016 -","Urteil vom 12.07.2018 - BVerwG 1 C 16.17ECLI:DE:BVerwG:2018:120718U1C16.17.0 EN Generalprävention kann ein Ausweisungsinteresse begründen Leitsätze: 1. Generalpräventive Gründe können auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen. 2. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse muss zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch aktuell sein. Das ist nicht der Fall, wenn es durch Zeitablauf so sehr an Bedeutung verloren hat, dass es bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr herangezogen werden kann. Für Ausweisungsinteressen, die an strafbares Verhalten anknüpfen, bieten die strafrechtlichen Verjährungsfristen der §§ 78 ff. StGB einen geeigneten Rahmen zur Konkretisierung. Bei abgeurteilten Straftaten stellen die Fristen für ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG in jedem Fall die Obergrenze dar. 3. Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art nach Art. 20 AEUV besteht nach der Rechtsprechung des EuGH dann, wenn ein vom Drittstaatsangehörigen abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt wird. Das Aufenthaltsrecht ist zu bescheinigen, wie dies in § 4 Abs. 5 AufenthG für das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts vorgesehen ist. Rechtsquellen AEUV Art. 20 AsylG § 30 Abs. 3, § 85 Nr. 2 AufenthG § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 10 Abs. 3, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 53 Abs. 1 und 3, § 54 Abs. 2 Nr. 8a und 9, § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV § 39 Nr. 5 BZRG §§ 46, 51 StGB § 78 Abs. 3, § 78c Abs. 3 Satz 2, §§ 271, 276 und 276a VwGO § 142 Instanzenzug VG Sigmaringen - 17.03.2016 - AZ: VG 3 K 496/14 VGH Mannheim - 19.04.2017 - AZ: VGH 11 S 1967/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:120718U1C16.17.0] Urteil BVerwG 1 C 16.17 VG Sigmaringen - 17.03.2016 - AZ: VG 3 K 496/14 VGH Mannheim - 19.04.2017 - AZ: VGH 11 S 1967/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. April 2017 geändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. März 2016 zurückgewiesen. Im Übrigen (hinsichtlich des Begehrens auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts) wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens 1. Instanz in vollem Umfang und von den Kosten des Verfahrens in den Folgeinstanzen jeweils die Hälfte. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, hilfsweise die Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. 2 Der Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2009 nach Deutschland ein und beantragte hier unter falschem Namen seine Anerkennung als Asylberechtigter. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im Juni 2010 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. 3 In der Folgezeit beantragte der Kläger weiterhin unter falschem Namen Duldungen, die auch erteilt wurden. Eine Abschiebung war mangels Pass- oder Ersatzpapieren nicht möglich. Wegen wiederholter Zuwiderhandlungen gegen eine Aufenthaltsbeschränkung wurde der Kläger mit Strafbefehl vom 2. November 2010 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen und mit Strafbefehl vom 20. Januar 2011 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. 4 Im Januar 2013 erkannte der Kläger die Vaterschaft eines von einer deutschen Staatsangehörigen erwarteten Kindes an. Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 teilte er der Ausländerbehörde unter Vorlage eines nigerianischen Reisepasses mit, dass er im Rahmen seiner Asylantragstellung wahrheitswidrig einen falschen Namen angegeben habe. Zugleich beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, da er nach der Geburt des Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten werde, einen Anspruch hierauf habe. Der Sohn wurde am 3. März 2013 geboren, ein zweiter Sohn im September 2015. Beide Kinder sind deutsche Staatsangehörige und leben bei der Mutter. Das Sorgerecht wird von den Eltern gemeinsam ausgeübt. 5 Die Ausländerbehörde lehnte im April 2013 den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Sie berief sich dabei auf § 10 Abs. 3 AufenthG. Der Asylantrag des Klägers sei nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 Asyl(Vf)G abgelehnt worden. Zwar vermittele § 28 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Durch seine Straftaten, insbesondere seine langjährigen Falschangaben habe der Kläger jedoch objektive Ausweisungsgründe verwirklicht. Damit liege die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. 6 Dem Kläger wurden fortlaufend Duldungen erteilt, auf deren Grundlage er sich in Deutschland aufhält. Darin wird ihm auch die Erwerbstätigkeit gestattet. 7 Das Verwaltungsgericht wies die auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 19. April 2017 das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen. Sein Urteil hat er im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei wegen des als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrages ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlich (§ 10 Abs. 3 AufenthG). Ein solcher liege hier aber vor. Denn die Erteilungsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG seien ebenso erfüllt wie die des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Es liege kein Ausweisungsinteresse vor, wie es § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fordere. Generalpräventive Gründe reichten hierfür nicht aus. Der Wortlaut der zum 1. Januar 2016 neu gefassten Ausweisungsvorschriften stehe einer Einbeziehung rein generalpräventiver Ausweisungsinteressen entgegen. § 53 Abs. 1 AufenthG n.F. verlange eine aktuelle Gefährdung durch den Aufenthalt des Ausländers und erfasse damit die rein generalpräventiv begründete Ausweisung nicht. Eine Korrektur des Gesetzestextes im Wege der Analogie, der teleologischen Extension oder der Rechtsfortbildung widerspreche dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot. Zwar habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch nach der Neuregelung des Ausweisungsrechts generalpräventiv begründete Ausweisungen weiter ermöglichen wollen. Der gesetzgeberische Wille habe im Gesetzeswortlaut aber keinen Niederschlag gefunden und sei daher unbeachtlich. Die Gesetzesbegründung lasse auch nicht erkennen, in welchen Fällen nach neuem Recht generalpräventive Ausweisungen legitim seien und in welchem Verhältnis die Ausweisungszwecke der General- und der Spezialprävention in dem neuartigen Abwägungsmodell des Ausweisungsrechts zueinander stehen sollten. 8 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision. Er ist der Auffassung, dass generalpräventive Gründe auch nach dem neuen Ausweisungsrecht zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall liege aufgrund der abgeurteilten Straftaten und aufgrund der (strafrechtlich nicht geahndeten) jahrelangen Identitätstäuschung ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. 9 Der Kläger schließt sich der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtshofs an und macht weiterhin geltend, die Anerkennung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses führte in weitem Umfang zur ""Vernichtung"" gesetzlicher Ansprüche ohne die Grenzen, die bei spezialpräventiven Ausweisungen etwa bei fehlender Wiederholungsgefahr oder Tilgungsreife einer verhängten Strafe bestünden. Die Einschränkung solcher generalpräventiv motivierter Ausweisungsinteressen sei unverzichtbar, um zu verhältnismäßigen Ergebnissen zu kommen. Hilfsweise beruft er sich darauf, dass ihm aufgrund der Rechtsprechung des EuGH ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zustehe, das aus Art. 20 AEUV abzuleiten sei, wenn ein Kleinkind mit Unionsbürgerschaft ohne den gesicherten Aufenthalt des drittstaatsangehörigen Elternteils faktisch zum Verlassen des Unionsgebiets gezwungen wäre. Die Voraussetzungen eines solchen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts lägen hier vor. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren, sieht generalpräventive Gründe als vom neuen Ausweisungsrecht erfasst an und hält dabei abgeurteilte Straftaten im Rahmen der Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes für verwertbar. II 11 Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen mit einer Begründung verpflichtet, die Bundesrecht verletzt. Abweichend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts können generalpräventive Gründe, wie sie hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vorgelegen haben, auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen (1.). Gegen Bundesrecht verstößt das Urteil des Berufungsgerichts auch dadurch, dass es einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bejaht hat, ohne zu prüfen, ob der Kläger das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt (2.). Während der Senat über den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG abschließend entscheiden und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen konnte, war eine solche Entscheidung zu dem im Revisionsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV nicht möglich (3.). Zur Prüfung, ob dessen Voraussetzungen vorliegen, war der Rechtsstreit insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 12 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, hilfsweise auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV. 13 Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wie auch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 und vom 25. März 2015 - 1 C 16.14 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 22 Rn. 14). Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Der Entscheidung über die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht sind daher die Vorschriften der § 5 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 3, § 53 Abs. 1 und § 54 AufenthG in der Fassung zugrunde zu legen, die sie durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2429) erhalten haben. Seitdem hat sich die Rechtslage nicht geändert. 14 1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu, weil es an der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlt, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. 15 A. Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt - d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen - vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist. Der Begriff des Ausweisungsinteresses verweist auf das Ausweisungsrecht und greift die in § 53 Abs. 1, § 54 AufenthG gewählte und anhand von Beispielen erläuterte Begriffsbildung auf. Diese Vorschriften regeln die Aufenthaltsbeendigung bei Vorliegen eines öffentlichen Ausweisungsinteresses. Umgekehrt setzt die Begründung eines rechtmäßigen Aufenthalts durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG knüpfte in seiner bis zur Neuregelung geltenden Fassung an die damalige Terminologie des Ausweisungsrechts an und setzte in der Regel voraus, dass kein ""Ausweisungsgrund"" im Sinne der §§ 53 ff. AufenthG a.F. vorlag. Die geänderte Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stellt nach den Gesetzesmaterialien lediglich eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff. AufenthG dar (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, BT-Drs. 18/4097 S. 35). Daher ist die zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. und inhaltlich entsprechenden Vorläufervorschriften ergangene Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F. übertragbar. Danach kam es für das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2004 - BVerwG 1 C 10.03 - BVerwGE 122, 94 <98>). Eine Abwägung mit den privaten Bleibeinteressen erfolgt - sofern sie nicht durch § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen ist - erst im Rahmen der Frage, ob eine Abweichung vom Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegt (oder im Rahmen einer - wie hier in § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG - spezialgesetzlich vorgesehenen Ermessensentscheidung). 16 B. Auch allein generalpräventive Gründe können ein Ausweisungsinteresse begründen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt der Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG generalpräventive Gründe zu. Diese grundlegende Norm des neuen Ausweisungsrechts verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer ""Aufenthalt"" eine Gefährdung bewirken (so auch OVG Koblenz, Urteile vom 23. Mai 2017 - 7 A 11445/16 - juris und vom 5. April 2018 - 7 A 11529/17 - juris; VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.18 54 - juris; VGH Kassel, Urteil vom 27. Februar 2018 - 6 A 2148/16 - AuAS 2018, 112; Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 53 AufenthG Rn. 34 ff.; Graßhof, in: Kluth/Heusch, AuslR, § 53 AufenthG Rn. 27 ff.). Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann aber auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. zum früheren Ausweisungsrecht: BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 17 ff.). 17 Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 AufenthG unterscheidet sich insoweit ausdrücklich von dem des § 53 Abs. 3 AufenthG, der für bestimmte ausländerrechtlich privilegierte Personengruppen verlangt, dass das ""persönliche Verhalten des Betroffenen"" eine schwerwiegende Gefahr darstellt. Insofern findet der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich formulierte gesetzgeberische Wille, eine Ausweisungsentscheidung grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen stützen zu können (BT-Drs. 18/4097 S. 49), entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Gesetzeswortlaut seinen Niederschlag. 18 Entsprechendes gilt für die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Diese verlangt das Fehlen eines Ausweisungsinteresses, ohne dieses auf Tatbestände einzugrenzen, bei denen die Gefahr vom Ausländer selbst ausgehen muss. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet sich insoweit von anderen Tatbeständen, die das Fehlen einer vom Ausländer ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zur Erteilungsvoraussetzung erheben. So verlangen § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU gleichlautend, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung u.a. der ""vom Ausländer ausgehenden Gefahr"" nicht entgegenstehen. 19 Ist der Wortlaut des § 53 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG offen und stehen Gesichtspunkte der systematischen Auslegung - wie hier - jedenfalls nicht entgegen, kommt dem gesetzgeberischen Willen erhebliche Bedeutung für die Gesetzesauslegung zu. Dieser wird aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung im Gesetzentwurfs vom 25. Februar 2015 (BT-Drs. 18/4097 S. 49) hinreichend deutlich, wenn ausgeführt wird: ""Die Ausweisungsentscheidung kann grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dies gilt allerdings nicht für die in § 53 Absatz 3 genannten Personengruppen. Hier ist die Ausweisung nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist."" 20 Des Weiteren ergibt sich auch aus dem Gesetz selbst, dass es generalpräventive Ausweisungsinteressen berücksichtigt sehen will. Denn gerade das im vorliegenden Fall einschlägige, nach der Einstufung des Gesetzgebers schwer wiegende Ausweisungsinteresse wegen Falschangaben zur Verhinderung einer Abschiebung, das § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG normiert, dient typischerweise generalpräventiven Interessen. Falschangaben - wie hier in Gestalt der Identitätstäuschung - bergen nach Entdeckung in aller Regel nicht mehr die Gefahr der Wiederholung durch den betreffenden Ausländer. Dessen Identität ist nach Aufdeckung der Täuschung in aller Regel geklärt. Dieses Ausweisungsinteresse dient daher nicht - jedenfalls nicht vorrangig - spezialpräventiven Zwecken, sondern zielt maßgeblich darauf ab, verhaltenslenkend auf andere Ausländer einzuwirken, indem ihnen aufenthaltsrechtliche Nachteile im Falle eines pflichtwidrigen Verhaltens aufgezeigt werden. 21 Ergibt sich aus den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch generalpräventive Ausweisungsinteressen erfasst, kommt es auf die umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Grenzen einer Rechtsfortbildung (UA S. 15 - 30) nicht an. 22 C. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG allerdings nur dann entgegen, wenn es noch aktuell ist, das heißt zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist. Das ist hier der Fall. 23 Dabei ist zu berücksichtigten, dass jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung verliert und ab einem bestimmten Zeitpunkt - auch bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - nicht mehr herangezogen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <360>). Das Aufenthaltsgesetz enthält allerdings keine feste Regeln, wie lange ein bestimmtes Ausweisungsinteresse, wie es etwa in den Tatbeständen des § 54 AufenthG normiert ist, verhaltenslenkende Wirkung entfaltet und einem Ausländer generalpräventiv entgegengehalten werden kann. Eine Heranziehung der in § 11 Abs. 3 AufenthG festgelegten Kriterien für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht möglich, da sie an die Ausreise des Ausländers anknüpfen. Auch geht es hier nicht um den Erlass einer Ausweisung und die damit zusammenhängende Frage, wie lange sich der Ausländer aus dem Bundesgebiet fernzuhalten hat, sondern lediglich um die Vorfrage, ob weiterhin ein Ausweisungsinteresse besteht. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, hält der Senat für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung allerdings eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung für angezeigt. Diese verfolgen zwar einen anderen Zweck, geben dem mit zunehmendem Zeitabstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen (die an Straftaten anknüpfen) aber einen zeitlichen Rahmen, der nicht nur bei repressiven Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern auch bei der Bewertung des generalpräventiven Ausweisungsinteresses herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten (hier: die beiden durch Strafbefehl geahndeten Verstöße gegen Aufenthaltsbeschränkungen) bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZRG). 24 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war das generalpräventiv auf die Identitätstäuschung des Klägers gestützte Ausweisungsinteresse noch aktuell, das auf den abgeurteilten Rechtsverstößen des Zuwiderhandelns gegen Aufenthaltsbeschränkungen beruhende hingegen nicht. Für die vom Kläger begangene Identitätstäuschung im Sinne von § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, §§ 271, 276 und 276a StGB beträgt die einfache Verjährungsfrist fünf Jahre, weil die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist. Die absolute Verjährungsfrist beträgt damit zehn Jahre. Die Verjährungsfrist begann mit Beendigung der Tat durch Offenbarung der wahren Identität des Klägers im Januar 2013 zu laufen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts im April 2017 war damit noch nicht einmal die einfache Verjährungsfrist abgelaufen. Die Aktualität des Ausweisungsinteresses dauert bei der vom Kläger begangenen Identitätstäuschung aber bis in den oberen Bereich des vom Senat zugrunde gelegten Fristenregimes fort. Denn es besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Identitätstäuschungen im aufenthaltsrechtlichen Verfahren, dem durch wirksame verhaltenslenkende Maßnahmen Rechnung zu tragen ist. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger nicht eine einmalige Täuschungshandlung begangen hat, sich seine Falschangaben vielmehr in zahlreichen Einzelakten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckten. Eine aus dem BZRG abzuleitende absolute Obergrenze besteht nicht, da die Identitätstäuschung strafrechtlich nicht geahndet wurde. 25 Demgegenüber ist das Ausweisungsinteresse, das sich aus den beiden durch Strafbefehl geahndeten Verstößen gegen Aufenthaltsbeschränkungen ergab, nicht mehr aktuell. Denn die Verurteilungen nach § 85 Nr. 2 Asyl(Vf)G vom November 2010 und im Januar 2011 erfolgten zu Geldstrafen von 10 und von 20 Tagessätzen und waren daher fünf Jahre nach den Verurteilungen zu tilgen (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Sie durften dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im April 2017 nicht mehr vorgehalten werden. 26 Der Senat weist darauf hin, dass das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG objektiv bestimmt wird. Da es sich bei der Frage, ob die Erteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses vorliegt, zudem um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt, sind die oben genannten Grenzen für die Aktualität eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses auch dann zu beachten, wenn die Behörde ihre aufenthaltsrechtliche Entscheidung allein auf spezialpräventive Gründe gestützt hat, objektiv aber zusätzlich ein generalpräventives Ausweisungsinteresse vorliegt. 27 D. Bleibeinteressen des Klägers, wie sie insbesondere aus dem Interesse an weiterer Wahrnehmung der elterlichen Sorge für seine beiden minderjährigen Söhne resultieren, können bei der Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden, da dem die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehen. Der Kläger hat einen Asylantrag gestellt, der im Jahr 2010 rechtskräftig abgelehnt worden ist, und zwar als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 3 AsylG). Damit darf ihm vor Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Durch die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG soll im Interesse einer effektiven Steuerung und Begrenzung der Einwanderung die missbräuchliche Stellung von Asylanträgen sanktioniert und der Anreiz für die Schaffung von Bleiberechten nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens reduziert werden. Die Sperrwirkungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG finden nur im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Dabei muss es sich nach der Rechtsprechung des Senats um einen strikten Rechtsanspruch handeln, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das bedeutet, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Hierfür genügt weder eine Soll- noch eine Ermessensvorschrift, selbst wenn im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegt oder das Ermessen ""auf Null"" reduziert ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 16 Rn. 19 zu § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 20 ff. zu § 10 Abs. 1 AufenthG). 28 Ein solcher strikter Rechtsanspruch liegt hier nicht vor, da der Kläger nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Ein mögliches unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 20 AEUV zur Sicherung des Aufenthaltsrechts der vom Drittstaatsangehörigen abhängigen Kinder in der Europäischen Union (dazu nachstehend Rn. 32 ff.) ist kein nationaler Rechtsanspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG und wird auch sonst von dieser Regelung nicht berührt. Aus einem solchen Rechtsanspruch ergibt sich ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art, aber nicht ein nationaler Aufenthaltstitel nach § 28 AufenthG mit den sich aus nationalem Recht ergebenden Beschränkungen und Verfestigungsmöglichkeiten. 29 Bleibeinteressen des Klägers, die sich insbesondere aus der Aufrechterhaltung des Kontakts zu seinen zwei minderjährigen Kindern ergeben, wird durch die ihm erteilte Duldung Rechnung getragen. 30 2. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht weiterhin dadurch, dass es einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bejaht hat, ohne zu prüfen, ob der Kläger das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich insoweit auch nicht als im Ergebnis richtig dar. Denn der Kläger reiste im Jahr 2009 nach Deutschland ein, ohne im Besitz eines für ihn als nigerianischen Staatsangehörigen erforderlichen Visums zu sein. Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise erlangen. Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er aufgrund der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Die letztgenannte Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er während seines Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Denn auch unter einem ""Anspruch"" im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ist grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14 - Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 16 Rn. 15 m.w.N.). Einen solchen Anspruch hat der Kläger jedoch nicht erworben, da er die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt hat, wie oben näher dargelegt. 31 Ein möglicher unionsrechtlicher Anspruch aus Art. 20 AEUV auf Sicherung des Aufenthaltsrechts der vom Drittstaatsangehörigen abhängigen Kinder in der Europäischen Union ist kein nationaler Rechtsanspruch im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV. 32 3. Nicht abschließend entscheiden konnte der Senat die Frage, ob der Kläger - wie von ihm hilfsweise geltend gemacht - einen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV hat. Der Rechtsstreit war daher insoweit für die erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 33 Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, den der Kläger noch in das Revisionsverfahren einbeziehen durfte. Denn das grundsätzliche Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 142 VwGO) erstreckt sich nicht auf eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageerweiterung. Danach ist eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes nicht als Änderung der Klage anzusehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn mit der Berufung auf ein von seinen Kindern abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht stützt sich der Kläger der Sache nach auf keinen anderen Lebenssachverhalt als mit seinem bisherigen Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht zum Zusammenleben mit seinen Kindern. In beiden Fällen geht es darum, ob der Kläger wegen seiner hier lebenden Kinder einen Anspruch auf Aufenthaltslegalisierung hat. 34 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann einem Drittstaatsangehörigen wie dem Kläger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis zustehen, das aus Art. 20 AEUV abgeleitet wird. Dieses setzt voraus, dass ein vom Drittstaatsangehörigen abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt wird (grundlegend: EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - C-200/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​639], Zhu und Chen - Rn. 25 ff.; vom 8. März 2011 - C-34/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​124], Zambrano - Rn. 41 ff.; in jüngerer Zeit: Urteile vom 13. September 2016 - C-165/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​675], Rendón Martin - NVwZ 2017, 218 Rn. 51 ff.; vom 10. Mai 2017 - C-133/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​354], Chavez-Vilchez - NVwZ 2017, 1445 Rn. 70 ff.; vom 8. Mai 2018 - C-82/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​308], K.A - Rn. 64 ff; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 33 ff.). 35 Die Gewährung eines solchen Aufenthaltsrechts kann nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch nur ""ausnahmsweise"" oder bei ""Vorliegen ganz besondere(r) Sachverhalte"" erfolgen (EuGH, Urteile vom 15. November 2011 - C-256/11 [ECLI:​EU:​C:​2011:​734], Dereci - NVwZ 2012, 97 Rn. 67; vom 8. November 2012 - C-40/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​691], Iida - NVwZ 2013, 357 Rn. 71 und vom 8. Mai 2018 - C-82/16 - Rn. 51). Verhindert werden soll nämlich nur eine Situation, in der der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen oder sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 34). Gegen eine rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit spricht etwa die Tatsache, dass ein minderjähriger Unionsbürger - wie hier - mit einem sorgeberechtigten Elternteil zusammenlebt, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und berechtigt ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Allerdings ist es möglich, dass dessen ungeachtet eine so große affektive Abhängigkeit des Kindes von dem nicht aufenthaltsberechtigten Elternteil besteht, dass sich das Kind zum Verlassen des Unionsgebiets gezwungen sähe, wenn dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht verweigert würde. Einer solchen - hier vom Berufungsgericht zu treffenden - Feststellung muss die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls zugrunde liegen, insbesondere des Alters des Kindes, seiner körperlichen und emotionalen Entwicklung, des Grades seiner affektiven Bindung sowohl zu dem Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch zu dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit und des Risikos, das mit der Trennung von Letzterem für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Mai 2017 - C-133/15 - Rn. 71; BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 15.12 - BVerwGE 147, 278 Rn. 32 ff.). Dabei ist auch die Dauer einer zu erwartenden Trennung des Kindes vom drittstaatsangehörigen Elternteil zu berücksichtigen. Insoweit spielt eine Rolle, ob der Drittstaatsangehörige das Unionsgebiet - etwa zur Nachholung des Visumverfahrens - für unbestimmte Zeit oder aber nur für einen kurzen, verlässlich zu begrenzenden Zeitraum zu verlassen hat (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - C-82/16 - Rn. 56 und 58). 36 Das Berufungsgericht hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung und des im Berufungsverfahrens anhängigen Streitgegenstands - keine hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen getroffen, die eine abschließende Beurteilung erlauben, ob zwischen dem Kläger und seinen Kindern ein derartiges tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Die entsprechenden Feststellungen wird das Berufungsgericht nunmehr zu treffen haben. Sollte es die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 20 AEUV als erfüllt ansehen, wäre dem durch Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis dieses Rechts Rechnung zu tragen. Hierbei handelt es sich um keine Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht mit den sich aus dem Aufenthaltsgesetz ergebenden Beschränkungen und Verfestigungsmöglichkeiten. Es ist auch keine Aufenthaltskarte nach dem FreizügG/EU auszustellen, da eine solche in Umsetzung der Vorgaben aus der Unionsbürgerrichtlinie andere Voraussetzungen hat, die hier nicht erfüllt sind. Vielmehr handelt es sich um die Bescheinigung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts eigener Art, wie sie in § 4 Abs. 5 AufenthG für das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts vorgesehen ist. 37 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit über die Klage abschließend entschieden worden ist. Soweit der Rechtsstreit noch weiterer Verhandlung und Entscheidung bedarf, war die Kostenentscheidung hingegen der Schlussentscheidung vorzubehalten." bverwg_2018-49,12.07.2018,"Pressemitteilung Nr. 49/2018 vom 12.07.2018 EN Asylbewerber kann Bundesamt auf Bescheidung seines Asylantrages verklagen Ein Asylbewerber, über dessen Antrag nicht innerhalb dreier Monate entschieden worden ist, hat die Möglichkeit, gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Untätigkeitsklage zu erheben. In Fällen, in denen das Bundesamt ihn noch nicht angehört hat, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine nur auf Verpflichtung des Bundesamtes zur Bescheidung gerichtete Klage. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 11. Juli 2018 ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Klägerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte im Oktober 2014 einen Asylantrag. Nachdem das Bundesamt die Klägerin knapp 22 Monate nicht angehört hatte, hat diese im August 2016 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, das Bundesamt zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen und über ihren Asylantrag zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei nicht zulässig, weil unmittelbar auf Schutzgewährung hätte geklagt werden müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und das Bundesamt verpflichtet, über den Asylantrag der Klägerin zu entscheiden. Der Klägerin fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage. Das Verwaltungsgericht sei nicht gehalten, selbst inhaltlich über einen Asylantrag zu befinden, soweit noch keine Anhörung beim Bundesamt stattgefunden habe. Dies folge insbesondere aus der besonderen Bedeutung, welche die Asylverfahrensrichtlinien der EU (2005/85/EG und 2013/32/EU) der persönlichen Anhörung durch das Bundesamt und daran anknüpfenden Verfahrensgarantien beimäßen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Bundesamtes zurückgewiesen. Die auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage ist zulässig. Ein zureichender Grund für eine Nichtentscheidung über den Asylantrag liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung die Asylantragstellung 22 Monate zurückliegt. Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage. Die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien rechtfertigen es in einer Gesamtschau, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Bescheidungsklage zu bejahen. Einem Asylbewerber, der noch nicht angehört worden ist, kann nicht verwehrt werden, allein die Durchführung des behördlichen Verfahrens zu erstreiten; das Gericht ist in diesen Fällen nicht gehalten, die Sache in Bezug auf das Schutzbegehren selbst spruchreif zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht entschieden, ob der Asylbewerber auf die Möglichkeit der Bescheidungsklage beschränkt ist oder er die Untätigkeitsklage auch mit dem Ziel erheben kann, das Bundesamt zur Gewährung internationalen Schutzes zu verpflichten. BVerwG 1 C 18.17 - Urteil vom 11. Juli 2018 Vorinstanzen: VGH München, 13a B 16.30951 - Urteil vom 23. März 2017 - VG Augsburg, Au 3 K 16.31394 - Urteil vom 18. August 2016 -","Urteil vom 11.07.2018 - BVerwG 1 C 18.17ECLI:DE:BVerwG:2018:110718U1C18.17.0 EN Rechtsschutzbedürfnis für eine auf reine Verpflichtung des Bundesamtes zur Bescheidung eines Asylantrages gerichtete Klage Leitsätze: 1. Ein Asylantragsteller, über dessen Asylantrag ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist entschieden worden ist, hat jedenfalls dann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Bescheidung seines Antrages zu verpflichten, wenn noch keine Anhörung beim Bundesamt stattgefunden hat. 2. Es bleibt offen, ob der Asylantragsteller auf die Möglichkeit der Bescheidungsklage beschränkt ist oder er die Untätigkeitsklage auch mit dem Ziel erheben kann, das Bundesamt zur Gewährung internationalen Schutzes zu verpflichten. Rechtsquellen AsylG §§ 11, 24 Abs. 4, § 25 Abs. 3 und 6, §§ 29, 78 RL 2005/85/EG Art. 4 Abs. 3, Art. 12 Abs. 4, Art. 13 Abs. 3, Art. 17 Abs. 4, Art. 23 Abs. 2, Art. 39 Abs. 1 RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 5 RL 2013/32/EU Art. 4 Abs. 4, Art. 14 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3, Art. 17 Abs. 3, Art. 31, 46 Abs. 1 und 3, Art. 51 Abs. 2 VwGO §§ 75, 86 Abs. 1, § 113 Instanzenzug VG Augsburg - 18.08.2016 - AZ: VG Au 3 K 16.31394 VGH München - 23.03.2017 - AZ: VGH 13a B 16.30951 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:110718U1C18.17.0] Urteil BVerwG 1 C 18.17 VG Augsburg - 18.08.2016 - AZ: VG Au 3 K 16.31394 VGH München - 23.03.2017 - AZ: VGH 13a B 16.30951 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über ihren Asylantrag. 2 Die 1994 in Afghanistan geborene Klägerin reiste im Herbst 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellte am 22. Oktober 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag; dabei wurde sie zur Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaates angehört. Eine weitere Anhörung fand nicht statt. Über diesen Asylantrag entschied das Bundesamt bislang nicht. 3 Mit ihrer am 11. August 2016 erhobenen Untätigkeitsklage begehrte die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten, ihr Asylverfahren fortzuführen und über ihren Antrag zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unzulässig ab (Urteil vom 18. August 2016), weil in Asylrechtsstreitigkeiten das Verwaltungsgericht die Sache unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Gründe auch dann selbst zu klären und abschließend zu entscheiden habe, wenn die persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Verwaltungsverfahren unterblieben sei. 4 Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage habe schon vor der Entscheidung über den Asylantrag erhoben werden können, weil das Bundesamt über den Asylantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden habe. Die Klage sei nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Asylantrag erhoben worden. Es liege auch kein zureichender Grund dafür vor, dass über das Asylbegehren noch nicht entschieden worden sei, so dass das Verfahren auch nicht auszusetzen sei. Ob ein solcher Grund vorliege, bemesse sich nach objektiven Gesichtspunkten; dabei seien das Maß der für die Behörde erkennbaren Dringlichkeit für die Klägerin und die die Bearbeitungsdauer bedingenden Umstände zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Das Bundesamt sei zwar aufgrund der Flüchtlingsströme im Jahr 2015 einer hohen Geschäftsbelastung ausgesetzt gewesen. Die Klägerin habe ihren Asylantrag indes bereits im Oktober 2014 gestellt; eine erhöhte Arbeitsbelastung rechtfertige eine längere Zeitdauer zudem nur, wenn es sich um eine vorübergehende Erscheinung handele, auf die durch organisatorische Maßnahmen nicht ohne Weiteres habe reagiert werden können. Der Klägerin stehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre auf bloße Entscheidung über ihren Asylantrag gerichtete Klage zu, so dass das Gericht hier nicht gehalten sei, selbst inhaltlich über das Asylbegehren zu befinden. Bei der Entscheidung über einen Asylantrag handele es sich allerdings um eine rechtlich gebundene Entscheidung. Das zur Entscheidung berufene Bundesamt habe sich indes über die undatierte Feststellung hinaus, dass die internationale Zuständigkeit durch Fristablauf auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei, mit dem Asylbegehren in der Sache noch nicht befasst. Namentlich sei eine Anhörung noch nicht erfolgt. Eine Pflicht des Gerichts zum Durchentscheiden bei dieser Sachlage bewirke, dass entgegen dem Grundsatz der Gewaltenteilung anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamtes das Gericht selbst über den Asylantrag entscheide, statt dessen Entscheidung zu kontrollieren. Hinzu komme, dass es sich nicht um einige Einzelfälle handele; in Anbetracht des Flüchtlingszustroms sei von einer großen Menge an unbearbeiteten Asylanträgen auszugehen. 5 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der im asylrechtlichen Verfahren ausnahmslos ""durchzuentscheiden"" sei, sei angesichts der europarechtlichen Entwicklungen im Asylrecht zwischenzeitlich überholt und werde auch vom Bundesverwaltungsgericht so nicht mehr vertreten. Die EU-Asylverfahrensrichtlinie (alter wie neuer Fassung) messe dem behördlichen Verfahren und insbesondere der persönlichen Anhörung durch besonders qualifizierte Mitarbeiter eine wesentlich größere Bedeutung zu, so dass eine differenzierte Betrachtung geboten sei. Eine Beachtung der Vorgaben für das behördliche Verfahren lasse sich im gerichtlichen Verfahren nicht sicherstellen. Auch wegen der verschiedenen Arten von Anträgen mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen, über die das Bundesamt zu entscheiden habe, müsse diesem auch vorrangig die Entscheidung überlassen bleiben. Einer (ausnahmslosen) Pflicht zum Durchentscheiden stehe auch die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens entgegen. Bei einer erstmaligen Sachentscheidung durch das Gericht gehe dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet sei. Insoweit sei der Rechtsgedanke der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutz in Fällen zu beachten, in denen ein Asylantrag ohne behördliche Sachprüfung als unzulässig abgelehnt worden sei. Auch für Fälle, in denen zu Unrecht die Voraussetzungen für einen Folge- oder Zweitantrag abgelehnt worden seien, habe das Bundesverwaltungsgericht nicht an seiner früheren Rechtsprechung zur generellen Verpflichtung der Gerichte zum ""Durchentscheiden"" festgehalten. Die Beschleunigungsziele der jüngeren Asylgesetzgebung rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. 6 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte vor allem eine Verletzung der § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 5 VwGO und macht geltend, der Klägerin fehle für ihre Klage das erforderliche (allgemeine) Rechtsschutzbedürfnis. Denn ihre Untätigkeitsklage sei nicht auf eine bestimmte Sachentscheidung, sondern lediglich auf eine Bescheidung ihres Asylantrages und damit auf eine bereits kraft Gesetzes bestehende Verpflichtung der Beklagten gerichtet. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe nur für eine Klage, die auf einen gerichtlichen Ausspruch gerichtet sei, der über die bereits gesetzlich bestehende Verpflichtung hinausgehe; soweit die Gerichte die Sache nicht spruchreif zu machen hätten, komme insoweit namentlich eine zeitliche Vorgabe in Betracht. Aus § 86 i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO ergebe sich überdies, dass die Gerichte in Konstellationen der vorliegenden Art die Sache spruchreif zu machen hätten. Der Asylantrag sei auf eine gebundene Behördenentscheidung gerichtet, so dass sich die Untätigkeitsklage als Verpflichtungsklage auf den beantragten Verwaltungsakt selbst zu richten habe. Demgegenüber komme dem behördlichen Asylverfahren und insbesondere der Durchführung einer behördlichen Anhörung keine so hohe Bedeutung zu, dass das gerichtliche Verfahren nicht an die Stelle des behördlichen treten könne. Die EU-Asylverfahrensrichtlinie sehe vielmehr vor, dass eine Entscheidung über den Asylantrag in bestimmten Fällen auch dann möglich sei, wenn eine persönliche Anhörung nicht stattgefunden habe; die Durchführung einer persönlichen Anhörung sei mithin für die Entscheidung über den Asylantrag keine unverzichtbare Voraussetzung. Nach dem Sprachgebrauch des Unionsrechts seien zudem mit der Bezeichnung ""Asylbehörde"" auch die Gerichte umfasst. Dass es sich bei asylrechtlichen Entscheidungen um solche einer mit besonderen Spezialkenntnissen ausgestatteten Behörde handele, rechtfertige ebenfalls nicht den Verzicht auf die gerichtliche Verpflichtung, die Sache spruchreif zu machen. Dagegen spreche vielmehr der unionsrechtlich vorgegebene wirksame Rechtsbehelf vor einem Gericht. Gerade in den Fällen, in denen noch keine behördliche Entscheidung ergangen sei, komme den vom Gesetzgeber gewollten Bemühungen um Verfahrensbeschleunigung besondere Bedeutung zu, was ebenfalls für eine Pflicht zum Durchentscheiden spreche. Der Gewaltenteilungsgrundsatz stehe einer auf Verpflichtung gerichteten Untätigkeitsklage nicht entgegen. 7 Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt. II 9 Die zulässige Revision der Beklagten, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über ihren Asylantrag hat. 10 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein ein auf die Verpflichtung der Beklagten auf Bescheidung des Asylantrages beschränktes Klagebegehren, das die Klägerin in Gestalt der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) verfolgt. Nicht zu entscheiden ist daher über die Frage, ob ein Asylbewerber auf die Möglichkeit der reinen Bescheidungsklage beschränkt ist oder ob er Klage auch mit dem Ziel erheben kann, die Beklagte zur Gewährung internationalen Schutzes oder Feststellung von Abschiebungsverboten zu verpflichten. 11 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, mithin das Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), hier zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460), und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), hier zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3106). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eingetreten sind, sind zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwG 129, 251 Rn. 19); solche Rechtsänderungen sind an den hier entscheidungserheblichen Normen nicht erfolgt. 12 Die Revision ist nicht begründet, weil das Berufungsgericht ohne Bundesrechtsverstoß dahin erkannt hat, dass die Beklagte ohne zureichenden Grund über den Asylantrag der Klägerin nicht entschieden hat, mithin die allgemeinen Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage gegeben waren (1.) und die Klägerin auch ein Rechtsschutzbedürfnis für ihre auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage hat (2.). 13 1. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage ohne Durchführung des in den §§ 68 ff. VwGO vorgeschriebenen Vorverfahrens zulässig, wenn über einen Widerspruch oder - was im vorliegenden Rechtsstreit wegen des Ausschlusses des Vorverfahrens (§ 11 AsylG) allein in Betracht zu ziehen ist - über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (Untätigkeitsklage). 14 1.1 Das Berufungsgericht hat hiernach die Klage zutreffend als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) in der Gestalt der Untätigkeitsklage (§ 75 Satz 1 VwGO) gewertet, die auch nach Ablauf der Frist des § 75 Satz 2 VwGO wirksam erhoben worden ist. Die Einhaltung der Frist des § 75 Satz 2 VwGO ist eine besondere Prozessvoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 - 4 C 2.71 - BVerwGE 42, 108 <109 f.>), nach deren Ablauf eine daraufhin erhobene Klage unabhängig davon zulässig ist, ob sich die Verzögerung der Verwaltungsentscheidung als unzureichend begründet erweist oder nicht (BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 - 4 C 2.71 - BVerwGE 42, 108 <109>). 15 1.2 Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend auch dahin erkannt, dass das Verfahren nicht auszusetzen und der Beklagten keine Frist zur Sachentscheidung zu setzen war (§ 75 Satz 3 VwGO). Denn allzumal im auch insoweit maßgeblichen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994 - 5 C 24.92 - juris Rn. 12) Zeitpunkt der Berufungsentscheidung hat ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Asylantrages der Klägerin nicht bestanden. 16 1.2.1 Ob ein ""zureichender Grund"" für die Verzögerung vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein ""zureichender Grund"" vorliegt, sind neben den vielfältigen Umständen, die eine verzögerte behördliche Entscheidung dem Grunde nach zu rechtfertigen geeignet sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 75 Rn. 13; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 75 Rn. 47 ff.), auch eine etwaige besondere Dringlichkeit einer Angelegenheit für die Klägerin zu berücksichtigen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 75 Rn. 14; a.A. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 75 Rn. 50). Zureichende Gründe sind dabei nur solche, die mit der Rechtsordnung in Einklang stehen (BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 3 C 56.90 - NVwZ 1991, 1180 <1181>). Als mögliche zureichende Gründe für eine Verzögerung sind u.a. anerkannt worden ein besonderer Umfang und besondere Schwierigkeiten der Sachaufklärung oder die außergewöhnliche Belastung einer Behörde, auf die durch organisatorische Maßnahmen nicht kurzfristig reagiert werden kann (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 75 Rn. 8). 17 1.2.2 Nach diesen Grundsätzen, die auch das Berufungsgericht herangezogen hat, ist dessen Bewertung im Ergebnis zutreffend, dass kein zureichender Grund dafür besteht, dass noch keine Entscheidung über das Asylbegehren ergangen ist, zumal im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seit dem Asylantrag nicht nur 22 Monate - wie bei der Klageerhebung -, sondern bereits nahezu 28 Monate ohne Entscheidung des Bundesamtes vergangen waren. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. 18 Das vorliegende Verfahren gibt dabei keinen Anlass zur umfassenden Erörterung möglicher Gründe für verzögerte Entscheidungen des Bundesamtes über Schutzanträge, die seit Mitte 2014 bei dem Bundesamt gestellt worden sind, der Dauer der von den Asylantragstellern wegen des Vorliegens zureichender Gründe jeweils hinzunehmenden Verzögerungen oder der Frage, welche Gründe mit welchem Gewicht bereits bei der Bestimmung der generell und ohne Vorliegen von Verzögerungsgründen als ""angemessen"" hinzunehmenden Frist oder erst beim Vorliegen ""zureichender Gründe"" zu berücksichtigen sind. Ohnehin fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen für eine angesichts der Entwicklung der letzten Jahre notwendig differenzierende Betrachtung des jeweiligen Gewichts berücksichtigungsfähiger Verzögerungsgründe, die auch nur in den groben Umrissen, aber nicht im notwendigen Detaillierungsgrad allgemeinkundig sind. 19 Für das Asylverfahren besteht ein Beschleunigungsgebot. Die Mitgliedstaaten haben gemäß Art. 23 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13) bzw. Art. 31 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) (ABl. L 180 S. 60) sicherzustellen, dass das Prüfverfahren unbeschadet einer angemessenen vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird. Konkrete Mindest-, Regel- oder Höchstfristen lassen sich hieraus für die Anwendung des § 75 Satz 1 VwGO indes nicht herleiten. Die behördliche Pflicht, den Antragsteller über die Verzögerungsgründe zu informieren und auf dessen Ersuchen hin über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, zu unterrichten (Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2b RL 2005/85/EG; Art. 31 Abs. 6 RL 2013/32/EU; s.a. § 24 Abs. 4 AsylG), weist allerdings darauf, dass der Normgeber eine Frist von sechs Monaten als (noch) im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO ""angemessene"" Dauer des behördlichen Verfahrens sieht. Dies bekräftigt für die Zukunft auch Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 RL 2013/32/EU, für den im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats indes die Umsetzungsfrist des Art. 51 Abs. 2 RL 2013/32/EU noch nicht abgelaufen war (zur Anwendung der Regelungen der RL 2013/32/EU auf vor ihrem Inkrafttreten bzw. vor dem Ablauf der Umsetzungsfristen gestellte Asylanträge s. BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 - BVerwGE 158, 271 Rn. 22 ff. und vom 1. Juni 2017 - 1 C 22.16 - juris Rn. 15 ff.). 20 Für künftige Verfahren geben Art. 31 Abs. 3 bis 5 RL 2013/32/EU - auch ohne Umsetzung in das nationale Recht - jedenfalls im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine Orientierung, unter welchen Umständen eine Überschreitung der Sechsmonatsfrist auch für die Anwendung des § 75 Satz 1 VwGO als sachlich gerechtfertigt hinzunehmen ist; dies gilt auch für den Fristlauf und die in Art. 31 Abs. 5 RL 2013/32/EU genannte absolute Höchstfrist. 21 2. Die Klägerin hat auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Bescheidung beschränkte Untätigkeitsklage. 22 Wird über einen Antrag auf Vornahme eines rechtlich gebundenen, begünstigenden Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis im Regelfall allerdings nur für die auf Vornahme gerichtete Untätigkeitsklage; für die Beschränkung auf eine Bescheidungsuntätigkeitsklage bedarf es eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses (2.1). Das Berufungsgericht hat dieses Rechtsschutzbedürfnis im Ergebnis ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht (2.2). 23 2.1 Für die Verpflichtungsklage muss auch in der Gestalt der Untätigkeitsklage als allgemeine Sachurteilsvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, zumal auch diese Klageart primär dem Schutz subjektiver Rechte dient. 24 2.1.1 Das Rechtsschutzbedürfnis tritt neben die - hier nicht im Streit stehende - Klagebefugnis und erfordert für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art und Umfang ein berechtigtes Interesse, um die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes auf das zur Durchsetzung subjektiver Rechte erforderliche Maß zu beschränken und einem Missbrauch prozessualer Rechte vorzubeugen. Kein Rechtsschutzinteresse besteht, wenn das Rechtsschutzbegehren nutzlos ist oder auf einfacherem und schnellerem Wege ohne Inanspruchnahme der Gerichte realisiert werden kann (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.>). 25 2.1.2 Das Vorhandensein des für jedes Gesuch um gerichtlichen Rechtsschutz erforderlichen Interesses an der Erlangung dieses Rechtsschutzes folgt bei Leistungsklagen (einschließlich der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage) in aller Regel bereits aus dem Umstand, dass ein Kläger einen auf Leistung an sich selbst gerichteten, bislang nicht erfüllten Anspruch geltend macht; bereits dadurch, dass sich ein Kläger wegen der ausstehenden Leistung - überhaupt - an das Gericht wendet, wird offenbar, dass er an der gerichtlichen Entscheidung ""subjektiv"" interessiert ist (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <166>). Die Klägerin hat indes bei dem Bundesamt nicht irgendeine Bescheidung beantragt. Ihr Asylantrag vom 22. Oktober 2014 war gerichtet auf die Zuerkennung internationalen Schutzes. Die von ihr erhobene Klage ist aber gerade nicht - als Untätigkeitsvornahmeklage - auf die gerichtliche Zuerkennung internationalen Schutzes und damit die ""ausstehende Leistung"" der Behörde gerichtet; sie beschränkt sich auf eine reine Bescheidung. Eine Bescheidung durch das Bundesamt ist zwar notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung der (behördlichen) Zuerkennung internationalen Schutzes; in Bezug auf das durch den Antrag bei der Behörde definierte Rechtsschutzziel der Durchsetzung eines bestimmten materiellen Rechts hat die vom Entscheidungsinhalt losgelöste Bescheidung für die Klägerin keinen Nutzen. 26 Der (reine) Bescheidungsanspruch ist für die Anwendung des § 75 VwGO nicht bloß ein einfaches Minus zum Verpflichtungsanspruch. Bei materiellen Rechten, auf die - wie nach §§ 3 ff. AsylG bei dem internationalen Schutz - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein rechtlich gebundener Anspruch auf behördliche Zuerkennung besteht, ist die Untätigkeitsverpflichtungsklage grundsätzlich auf eine konkrete behördliche Sachentscheidung zu beziehen. Allein aus dem Umstand, dass ein Kläger nach der auch im Verwaltungsprozess geltenden Dispositionsmaxime (§ 88 VwGO) das Klagebegehren prozessual auf eine reine Bescheidung beschränken kann, folgt noch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine derart beschränkte Klage (s. nur Hödl-Adick, Die Bescheidungsklage als Erfordernis eines interessengerechten Rechtsschutzes, S. 234 f.). 27 2.1.3 Für die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ist eine generelle Beschränkung auf eine (reine) Bescheidungsklage auch mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung nicht anerkannt. Dies wird bei der Klage nach § 88 SGG anders gesehen (dazu BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 - BSGE 75, 56; Beschluss vom 16. Oktober 2014 - B 13 R 282/14 - juris; s.a. Kammerbeschluss vom 3. März 2011 - 1 BvR 2852/10 - BVerfGK 18, 360 <362>) Die Voraussetzungen eines Vorlegungsverfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte nach §§ 11 ff. Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Gesetz vom 19. Juni 1968, BGBl. I S. 661) sind dabei nicht gegeben; § 75 VwGO und § 88 SGG stimmen in ihrem Regelungsgehalt nicht gänzlich überein und sind - vor allem - nicht nach denselben Prinzipien auszulegen (s. dazu GmS-OGB, Beschlüsse vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <365> und vom 12. März 1987 - GmS-OGB 6/86 - BVerwGE 77, 370 <373>). 28 2.1.4 § 113 Abs. 5 VwGO setzt ebenfalls voraus, dass im Regelfall die Untätigkeitsklage als Vornahmeklage und nicht als reine Bescheidungsklage zu erheben ist. Nach dieser Vorschrift hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich auch bei Verpflichtungsklagen die Sache durch eigene Aufklärungsmaßnahmen spruchreif zu machen. Bei Beschränkung auf ein reines Bescheidungsbegehren greift diese Regelung zwar nicht; denn § 113 Abs. 5 VwGO fordert eine gerichtliche Sachaufklärung nur in dem durch das Klagebegehren bezeichneten Rahmen, über den das Gericht nicht hinausgehen darf (§ 88 VwGO). § 113 Abs. 5 VwGO ist aber Ausdruck des prozessualen Rechtsgedankens, dass gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich auf die Sachentscheidung selbst gerichtet ist und das Gericht daher auch die für die Durchsetzung des materiellen Rechts erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat. 29 2.1.5 § 44a Satz 1 VwGO, nach denen Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, ist auf die vorliegende Verfahrenskonstellation allerdings nicht anwendbar. Die auf behördliche Erstentscheidung gerichtete Untätigkeitsklage wendet sich nicht gegen (einzelne) behördliche Verfahrenshandlungen und zielt auch nicht auf die isolierte Durchsetzung einzelner Verfahrensschritte (etwa die Anhörung). Ungeachtet dessen, dass bei der Untätigkeitsbescheidungsklage der Rechtsschutz gerade daran anknüpft, dass eine behördliche Erstentscheidung ohne zureichenden Grund nicht ergangen ist, besteht zwischen einer behördlichen Entscheidung, die unter Nichtbeachtung einzelner Verfahrensrechte ergangen ist, und der behördlichen Nichtentscheidung ein qualitativer Unterschied. 30 Diesen Unterschied anerkennt eine frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der der Bürger in Fällen, in denen er einen von der Rechtsordnung eingeräumten materiellrechtlichen Anspruch verfolgt, grundsätzlich einen davon unabhängigen, gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Bescheidung seines auf die Gewährung des von ihm beanspruchten Rechtes gerichteten Antrags hat (BVerwG, Urteil vom 28. März 1968 - 8 C 22.67 - BVerwGE 29, 239 <243 f.>). 31 2.1.6 Die hiernach erforderlichen Gründe für eine reine Bescheidungsklage müssen nach Art und Gewicht hinreichen, um ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschränkung annehmen zu können. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn sie eine Bescheidungsklage rechtfertigen, und erfordern nicht notwendig, dass sie diese Beschränkung gebieten. Ob dies der Fall ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. 32 2.2 Die Klägerin hat für ihre auf reine Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation, die kennzeichnet, dass die Klägerin nach Stellung ihres Asylantrages nicht zu ihren Asylgründen angehört worden ist und das Bundesamt auch sonst keine aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen erkennbaren Schritte unternommen hat, um das Verfahren in irgendeiner Weise zu fördern. In einem solchen Fall rechtfertigt es die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien in einer Gesamtschau, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche (reine) Bescheidungsklage anzunehmen. Der Senat lässt offen, ob der Asylbewerber auf die Möglichkeit der Bescheidungsklage beschränkt ist. 33 2.2.1 Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich für die hier zu beurteilende Fallkonstellation allerdings nicht schon allein aus rechtsgebietsübergreifenden, allgemeinen prozessualen Erwägungen. 34 a) Die aus dem allgemeinen Gewaltenteilungsgrundsatz hergeleiteten Begrenzungen gerichtlicher Sachentscheidungsbefugnisse greifen bei einer gebundenen Entscheidung nicht durch. Wenn und soweit - ein entsprechendes Klagebegehren vorausgesetzt (§ 88 VwGO) - die Verwirklichung des behaupteten materiellen Rechts durch eine entsprechende gerichtliche Verpflichtung nach dem geltenden Prozessrecht möglich ist, bedarf es für einen bloßen Bescheidungsantrag eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Dies gilt auch in einer Situation, in der wegen einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle die vom Berufungsgericht bezeichnete Gefahr einer Gewichtsverlagerung von der Exekutive auf die Judikative (s.a. Göbel-Zimmermann/Skrzypczak, ZAR 2016, 357 <364>) besteht. Auch ein wie auch immer geartetes zeitweiliges ""systemisches Versagen"" des Bundesamtsverfahrens rechtfertigte nicht den Verzicht auf die Anwendung geltenden Prozessrechts. 35 b) § 113 Abs. 3 VwGO, nach dem das Gericht in Fällen, in denen es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, unter bestimmten Voraussetzungen einen Verwaltungsakt aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, gilt unmittelbar nur für die Anfechtungsklage (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 <129 f.>). Nach seiner systematischen Stellung ist er auch sonst nicht entsprechend auf Verpflichtungsbegehren anwendbar (s.a. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 113 Rn. 166), für welche die Reichweite der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht in § 113 Abs. 5 VwGO geregelt ist. Als Begrenzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht in der Anfechtungskonstellation fördert eine nach § 113 Abs. 3 VwGO bewirkte Aufhebung auch das Rechtsschutzziel der Klägerin, während sie in der Verpflichtungssituation einem Kläger in Bezug auf die Verwirklichung seiner materiellen Rechte nicht weiterhilft. 36 c) Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine reine Bescheidungsuntätigkeitsklage kommt allerdings in solchen Fällen in Betracht, in denen nach § 113 Abs. 5 VwGO eine Beschränkung der gerichtlichen Pflicht anerkannt ist, die Sache spruchreif zu machen. Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Dem Bundesamt ist bei der Entscheidung über den Asylantrag kein Ermessen und auch kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die besondere Sachkunde, über die das Bundesamt bei der Entscheidung über Asylanträge verfügen muss (Art. 4 Abs. 3 RL 2005/85/EG; Art. 4 Abs. 4 RL 2013/32/EU) und die dazu führt, dass vorrangig dieses zu entscheiden hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 <232>), begründet für sich allein ebenfalls keine Begrenzung der gerichtlichen Pflicht zur Spruchreifmachung. Das Bundesamt ist keine Behörde, der gegenüber den Gerichten eine strikte Entscheidungsprärogative zukommt (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45.97 - BVerwGE 107, 128 <129 f.>). Bedeutung kann die besondere Sachkunde des Bundesamtes und dessen Erstentscheidungsaufgabe allerdings bei einer Gesamtschau gewinnen. 37 2.2.2 Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschränkung auf den reinen Bescheidungsantrag folgt für die hier zu beurteilende Fallkonstellation indes aus den Besonderheiten des behördlichen Asylverfahrens und seinen spezifischen Verfahrensgarantien. 38 a) Das Flüchtlingsrecht ist in besonderem Maß auf eine sorgsame verfahrensrechtliche Ausgestaltung angewiesen (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80 - BVerfGE 56, 216 <236>). Sie zielt nicht allein auf eine möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge, die sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Asylbewerber liegt (Erwägungsgrund 11 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 18 RL 2013/32/EU). Diese Verfahrensgarantien dienen zugleich der effektiven Durchsetzung des materiellen Rechts, indem sie jedem Antragsteller die Gelegenheit verschaffen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den ihn betreffenden Sachverhalt darlegen zu können (Erwägungsgrund 13 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 25 RL 2013/32/EU). Wegen der sachtypischen Beweisnot, in der sich viele Asylbewerber wegen des Fehlens von Beweismitteln zum Beleg des geltend gemachten Verfolgungsschicksals befinden, ist dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181 f.>; Beschluss vom 29. November 1996 - 9 B 293.96 - juris). Bei der Prüfung von Asylanträgen misst auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU den Angaben der Antragsteller ein besonderes Gewicht bei, wenn diese unter den dort bezeichneten Voraussetzungen es kompensieren können, dass Unterlagen oder sonstige Nachweise für die Aussagen fehlen. Dies setzt in besonderem Maße nicht nur die Möglichkeit einer auch mündlich möglichen Darlegung der Asylgründe voraus. Es fordert auch die Herstellung und Wahrung einer Kommunikationssituation, in der die besonderen Schwierigkeiten einer umfassenden Darlegung der Asylgründe überwunden werden können, und Möglichkeiten, in Fällen unzureichender Darlegung tatsächlich vorhandener Asylgründe das Vorbringen zu ergänzen und Missverständnisse auszuräumen. 39 b) Das Asylgesetz und das Unionsrecht (RL 2005/85/EG; RL 2013/32/EU) enthalten besondere Verfahrensgarantien und Vorkehrungen für das behördliche Asylverfahren, um eine gelingende Kommunikation zwischen Asylantragsteller und Behörde sicherzustellen. 40 aa) Nach Art. 13 Abs. 3 RL 2005/85/EG ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, damit die persönliche Anhörung unter Bedingungen durchgeführt wird, die dem Antragsteller eine zusammenhängende Darlegung der Gründe seines Asylantrags gestatten. Sie haben u.a. zu gewährleisten, dass die anhörende Person ausreichend befähigt ist, um die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers zu berücksichtigen (Buchst. a). Die angemessenen Kenntnisse in Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, deren entscheidende Bedeutung Erwägungsgrund 10 RL 2005/85/EG für die Bediensteten der erstinstanzlich entscheidenden Behörde betont, erstreckt sich nicht allein auf die Fachkenntnisse des materiellen Flüchtlingsrechts oder zu den tatsächlichen Verhältnissen des Herkunftsstaates; sie umfassen auch die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die komplexe Kommunikationssituation der Anhörung angemessen zu bewältigen. Soweit Art. 15 Abs. 3 Buchst. b RL 2013/32/EU künftig fordert, dass die Mitgliedstaaten, soweit möglich, vorsehen, dass die Anhörung des Asylantragstellers von einer Person gleichen Geschlechts durchgeführt wird, wenn der Antragsteller darum ersucht, soweit nicht die Asylbehörde Grund zu der Annahme hat, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen, trägt dies dem Gedanken Rechnung, dass nicht zuletzt aus kulturellen oder religiösen Gründen insbesondere Frauen erhebliche Schwierigkeiten haben können, sich männlichen Anhörpersonen gegenüber zu offenbaren. Entsprechendes gilt für das Uniformverbot für Anhörpersonen (Art. 15 Abs. 3 Buchst. d RL 2013/32/EU) und das Gebot kindgerechter Anhörung (Art. 15 Abs. 3 Buchst. e RL 2013/32/EU) (s.a. Art. 17 Abs. 4 Buchst. b RL 2005/85/EG). 41 bb) Nach § 25 Abs. 6 Satz 1 AsylG ist die Anhörung des Asylantragstellers nicht öffentlich (s.a. Art. 13 Abs. 2 RL 2005/85/EG: ""Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten.""); an ihr können neben Vertretern des Bundes, eines Landes oder des UNHCR andere Personen nur nach Maßgabe einer besonderen Gestattungsentscheidung teilnehmen. Für den Regelfall schreibt Art. 13 Abs. 1 RL 2005/85/EG eine persönliche Anhörung ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen vor, soweit nicht die Asylbehörde die Anwesenheit solcher Angehörigen zwecks einer angemessenen Prüfung für erforderlich hält. 42 cc) Nach Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ein Antragsteller rechtzeitig Zugang zu dem Bericht über die persönliche Anhörung hat; in Fällen, in denen der Zugang erst nach der Entscheidung der Asylbehörde gewährt wird, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der Zugang so frühzeitig ermöglicht wird, dass fristgerecht ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann. Der Zugang zu diesem ""Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren"" hat erkennbar den nunmehr in Art. 17 Abs. 3 RL 2013/32/EU ausdrücklich geregelten Sinn, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich mündlich und/oder schriftlich zu Übersetzungsfehlern oder missverständlichen Formulierungen in der Niederschrift zu äußern und/oder diese zu klären. 43 dd) § 25 Abs. 3 AsylG erlaubt zwar die Nichtberücksichtigung eines der Anhörung nachfolgenden, späteren Vorbringens des Ausländers, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Die Regelung schließt aber ergänzendes Vorbringen nicht strikt aus und lässt es somit zu, noch im Laufe des weiteren behördlichen Asylverfahrens das bisherige Vorbringen zu ergänzen, vermeintliche Widersprüche auszuräumen oder sonst Missverständnisse aufzuklären. Die Möglichkeit solcher Missverständnisse oder (vermeintlicher) Widersprüche im Rahmen der Anhörung unterscheidet das behördliche Asylverfahren typischerweise wesentlich von nahezu allen weiteren inländischen Verwaltungsverfahren, in denen für die Kommunikation zwischen Antragsteller und Behörden zwar in Einzelfällen, aber nicht im Regelfall ein Sprachmittler erforderlich ist. 44 ee) Der Sicherung einer angemessenen Verständigung zwischen dem Antragsteller und der anhörenden Person dient auch die Vorgabe, die Auswahl eines hierfür tauglichen Dolmetschers sicherzustellen (Art. 13 Abs. 3 Buchst. b RL 2005/85/EG; s.a. Art. 15 Abs. 3 Buchst. c RL 2013/32/EU). Dies entspricht der hervorgehobenen Bedeutung der Anhörung für ein rechtsstaatliches Asylverfahren, bei der nur bei gelingender sprachlicher Verständigung eine umfassende Verständigung möglich ist (s.a. Jaber, ZAR 2017, 318). Auch bei qualifizierten Dolmetschern besteht indes allein durch die Mediatisierung der Verständigung die Gefahr von Verständigungsmängeln; diese müssen durch einen wirksamen Rechtsbehelf beseitigt werden können. 45 ff) Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG gewährleisten dem Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf; Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU stellt klar, dass sich die Prüfung neben Rechtsfragen auch auf Tatsachen erstreckt. Unionsrecht wie nationales Recht gehen von zumindest einer Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer behördlichen Entscheidung über den Asylantrag aus, und treffen so Vorsorge für Fälle, in denen ungeachtet der Wahrung aller Verfahrensgarantien und -standards des Asylverfahrens behördliche Asylentscheidungen fehlerhaft sind. Diese im gewaltenteilenden Rechtsstaat generell vorzusehende gerichtliche Kontrolle hat wegen der spezifischen Fehlerquellen, die sich im behördlichen Asylverfahren ergeben können, eine besondere Bedeutung. 46 gg) Der besonderen Bedeutung der persönlichen Anhörung durch die Asylbehörde steht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hier auch nicht entgegen, dass nach Art. 12 Abs. 4 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 3 RL 2013/32/EU die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung stattfindet, die Asylbehörde nicht daran hindert, über den Asylantrag zu entscheiden. Diese Regelung ist bezogen auf jene Fälle, in denen nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 2 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 2 RL 2013/32/EU auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden kann; sie stellt die Anhörung nicht insgesamt zur Disposition. Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorgelegen haben könnte, ist tatrichterlich nicht festgestellt und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht. 47 hh) Die Möglichkeit, dass ein Gericht im Rahmen der Überprüfung einer nach Anhörung des Schutzsuchenden ergangenen behördlichen Entscheidung nach Art. 47 GRC gehalten sein kann, einen Asylantragsteller zu einem Unzulässigkeitsgrund anzuhören, der von der Asylbehörde nicht geprüft worden ist (so das nach der Entscheidungsfindung ergangene Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​584], Alheto - Rn. 125, 127, 130), lässt keine direkten Rückschlüsse auf die hier vorliegende Konstellation einer reinen Bescheidungsklage nach vollständigem Anhörungs- und Entscheidungsausfall durch das Bundesamt zu und nimmt auch sonst der Anhörung durch die Asylbehörde nicht ihr Gewicht, zumal der Gerichtshof an anderer Stelle des Urteils ausführt (Rn. 116), dass ""die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde, die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestattet ist, eine wesentliche Phase der mit dieser Richtlinie eingeführten gemeinsamen Verfahren ist."" 48 c) Diese besondere Ausgestaltung des behördlichen Asylverfahrens begründet in ihrer Gesamtschau ein berechtigtes Interesse eines Asylantragstellers an der Durchführung des behördlichen Verfahrens. Damit nicht verbunden ist die Bewertung, dass bereits einzelne Verfahrensrechte dieses Ergebnis begründen und selbständig durchsetzbar seien, oder dass damit ein weitergehendes Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsvornahmeklage ausgeschlossen wäre. 49 aa) Das gerichtliche Asylverfahren kann die Durchführung des behördlichen Asylverfahrens nicht insgesamt gleichwertig ersetzen. 50 Das gerichtliche Verfahrensrecht ist insgesamt auf Kontrolle einer behördlichen Entscheidung in einem transparenten, vom Grundsatz der Öffentlichkeit geprägten kontradiktorischen Verfahren durch den gesetzlichen Richter angelegt. Die Funktion des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit des behördlichen Verfahrens kann auch bei einer erweiternden Auslegung des § 171b GVG im gerichtlichen Verfahren, wie sie zum Schutz der Privatsphäre von Asylbewerbern angezeigt sein kann, die aber den Grundsatz der Öffentlichkeit nicht generell aufheben darf, im gerichtlichen Verfahren nicht verwirklicht werden; denn er zielt auf die Gestaltung einer offenen Kommunikationssituation insgesamt. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) schließt es aus, im Rahmen der Bestimmung der Anhörperson gezielt Besonderheiten der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers Rechnung zu tragen, und zwar ungeachtet dessen, dass Fähigkeit und Bereitschaft zur problemsensiblen, von interkultureller Kompetenz getragenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung allen in Asylverfahren tätigen Verwaltungsrichterinnen und -richtern abverlangt sind. Mit Blick auf die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist namentlich bei einer Untätigkeitsklage indes der ergänzenden Erwägung des Berufungsgerichts nicht beizutreten, dass eine den Anforderungen der Asylverfahrensrichtlinie genügende Anhörung mit Dolmetscher einen Zeitrahmen erfordere, der im gerichtlichen Verfahren nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehe. Die Pflicht zur hinreichenden Ausstattung der staatlichen Organe gilt auch für die Gerichte. 51 Der Konzentrationsgrundsatz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 87 Abs. 1 VwGO) und die eingeschränkte prozessuale Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen stehen ebenfalls in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zur Pflicht, den ""Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren"" rechtzeitig oder doch so frühzeitig zu übermitteln, dass ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann (Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG). Entsprechendes gilt für die im gerichtlichen Verfahren strikteren Präklusionsvorschriften. 52 Die besonderen Fehlerquellen, die die Möglichkeit der Überprüfung einer getroffenen Entscheidung durch eine weitere (gerichtliche) Instanz erfordern, bestehen vor allem auch im gerichtlichen Asylverfahren. Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG gebieten zwar kein Rechtsmittel gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Asylverfahren, so dass der nationale Gesetzgeber auch die Rechtsmittelbeschränkungen in § 78 AsylG vornehmen durfte. Die spezifischen Kommunikationsprobleme im (behördlichen wie gerichtlichen) Asylverfahren vermitteln dann aber ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Asylantragstellers an der Durchführung des behördlichen Erstverfahrens und der Möglichkeit einer daran erst anschließenden gerichtlichen Kontrolle. 53 bb) Der Beschleunigungsgrundsatz, der im behördlichen wie im gerichtlichen Asylverfahren gilt, steht einem Rechtsschutzinteresse für die reine Bescheidungsklage nicht entgegen. In der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings eine umfassende Pflicht des Gerichts zur Herstellung der Spruchreife auch aus dem Interesse des Einzelnen wie der Allgemeinheit an einer beschleunigten Durchführung des Asylverfahrens hergeleitet worden (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <174>). Diese Rechtsprechung ist indes unter dem Eindruck der Entwicklung des Asylverfahrensrechts und der Möglichkeiten der Asylbehörden zur Verfahrensbeschleunigung u.a. für die Zulässigkeitsentscheidungen nach § 29 AsylG modifiziert worden (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - BVerwGE 157, 18 Rn. 20). Ob die Klägerin mit einer gerichtlichen Untätigkeitsvornahmeklage tatsächlich schneller und einfacher zu dem von ihr angestrebten Ziel der Zuerkennung internationalen Schutzes gelangen kann, kann unter den obwaltenden Umständen einer hohen Belastung der Verwaltungsgerichte mit Asylverfahren nicht festgestellt werden. 54 cc) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten fordert Unionsrecht jedenfalls nicht, dass im gerichtlichen Verfahren auf Untätigkeitsklage hin ""durchzuentscheiden"" ist. Art. 39 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 RL 2013/32/EU setzen erkennbar voraus, dass eine behördliche Erstentscheidung ergangen ist, und verhalten sich nicht zum gerichtlichen Rechtsschutz in Fällen der Untätigkeit. Dessen Ausgestaltung ist Sache der nationalen Gesetzgeber. Dem unionsrechtlichen Gebot eines wirksamen Rechtsbehelfs mit einer umfassenden Ex-Nunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, kann daher in Fällen, in denen es - wie hier - an einer zu überprüfenden behördlichen Entscheidung bislang fehlt, keine unionsrechtliche Pflicht des Gerichts zum ""Durchentscheiden"" entnommen werden. 55 Die Gleichwertigkeit der Anhörung im gerichtlichen Verfahren ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass nach unionsrechtlichem Sprachgebrauch mit der Bezeichnung ""Asylbehörde"" auch die Gerichte erfasst seien. Dies ist bereits nach den Begriffsbestimmungen ausgeschlossen, die ""Asylbehörde"" definieren als ""jede gerichtsähnliche Behörde bzw. jede Verwaltungsstelle eines Mitgliedstaats, die für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz (bzw. Asylanträgen) zuständig und befugt ist, erstinstanzliche Entscheidungen über diese Anträge zu erlassen"" (Art. 2 Buchst. e RL 2005/85/EG bzw. Art. 2 Buchst. f RL 2013/32/EU). Dies umfasst gerade nicht die Gerichte, bei denen ein ""wirksamer Rechtsbehelf"" möglich sein muss (Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 Abs. 1 RL 2013/32/EU; so nunmehr auch das nach der Entscheidungsfindung ergangene Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 103). 56 3. Das Berufungsurteil hat Bundesrecht auch nicht dadurch verletzt, dass es die Beklagte verpflichtet hat, über den Asylantrag der Klägerin zu entscheiden, ohne der Beklagten hierfür eine (neuerliche) Frist zu setzen. 57 § 75 VwGO sieht eine Fristsetzung ausdrücklich nur in den Fällen vor, in denen ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung besteht. Besteht ein solcher Grund nicht, ist die Behörde nach Ablauf der angemessenen Entscheidungsfrist nach § 75 Satz 1 VwGO gehalten, unverzüglich zu entscheiden. Bereits während der Dauer des auf Verpflichtung zur Bescheidung gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wirkt die Pflicht zur behördlichen Entscheidung fort; die Rechtshängigkeit des Bescheidungsbegehrens sperrt nicht die gebotene Durchführung des der Entscheidung vorgelagerten behördlichen Verfahrens, insbesondere auch nicht eine erforderliche persönliche Anhörung des Asylantragstellers. Die gerichtliche Verpflichtung zur Entscheidung über den Antrag, die zudem eine beklagte Behörde nicht überraschend treffen und auf die sich diese vorbereiten kann, bekräftigt diese Rechtspflicht in allerdings verbindlicherer, weil grundsätzlich vollstreckbarer Weise. Soweit die Behörde für die Vorbereitung und Durchführung nicht schon den Zeitraum zwischen dem Ergehen der gerichtlichen Entscheidung und ihrer Rechtskraft nutzen kann, um der auf sie zukommenden Verpflichtung unverzüglich nachzukommen, ist im Vollstreckungsverfahren hinreichend Raum, objektiv unvermeidbare Verzögerungen der unverzüglich geschuldeten Entscheidung zu berücksichtigen. § 172 Satz 1 VwGO setzt für die Zwangsgeldfestsetzung voraus, dass es erst nach Ablauf einer vom Gericht festzusetzenden angemessenen Frist festgesetzt werden kann; diese Frist ist so zu bemessen, dass es der Behörde möglich ist, ihrer Verpflichtung nachzukommen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 172 Rn. 5). 58 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-51,09.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 51/2018 vom 09.08.2018 EN Endgültiges Aus für Mehrgeschosser am Großen Wannsee Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute das Aus für ein mehrgeschossiges Bauvorhaben am Großen Wannsee in Berlin besiegelt. Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin erteilte dem beigeladenen Bauherrn einen Bauvorbescheid für ein mehrgeschossiges Wohnhaus mit Gewerbeanteil, das auf einem Ufergrundstück am Großen Wannsee errichtet werden soll. Dagegen richtet sich die Klage des benachbarten Segelvereins. Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans aus dem Jahr 1959, der die Zahl der zulässigen Vollgeschosse auf zwei und eine größte Baumasse von 1,0 m3 umbauten Raums je m2 Baugrundstück festsetzt. Der Kläger hat den Bauvorbescheid insoweit angefochten, als der Beklagte darin Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse von zwei auf sechs und der zulässigen Baumassenzahl von 1,0 m3 je m2 Grundstücksfläche auf 4,3 m3 je m2 Grundstücksfläche in Aussicht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorinstanzen bestätigt. Die vom Kläger angegriffenen Befreiungen hätten nicht in Aussicht gestellt werden dürfen, weil die Zulassung des beabsichtigten Vorhabens, das mit der Umgebung „breche“ und ihr „eine neue Ordnung“ geben könne, die Grundzüge der Planung berühre. Eine derart weit reichende Entscheidung dürfe nicht die Bauaufsichtsbehörde treffen, sondern sei dem Plangeber vorbehalten. Der Kläger könne die Rechtswidrigkeit der Befreiungen auch geltend machen, weil die Eigentümer der im Plangebiet liegenden Grundstücke nach der Konzeption des Bebauungsplans gegen zu Unrecht gestattete Abweichungen von den hier in Rede stehenden Festsetzungen geschützt seien. BVerwG 4 C 7.17 - Urteil vom 09. August 2018 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 10 B 10.15 - Urteil vom 30. Juni 2017 - VG Berlin, 13 K 306.12 - Urteil vom 15. August 2013 -","Urteil vom 09.08.2018 - BVerwG 4 C 7.17ECLI:DE:BVerwG:2018:090818U4C7.17.0 EN Nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung Leitsätze: 1. Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab (wie BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131). 2. Wollte der Plangeber die Planbetroffenen mit den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis einbinden, sind diese Festsetzungen nachbarschützend. Dies gilt auch, wenn der Plangeber die nachbarschützende Wirkung im Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte. Rechtsquellen BauGB § 31 Abs. 2 GG Art. 14 Instanzenzug VG Berlin - 15.08.2013 - AZ: VG 13 K 306.12 OVG Berlin-Brandenburg - 30.06.2017 - AZ: OVG 10 B 10.15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.08.2018 - 4 C 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:090818U4C7.17.0] Urteil BVerwG 4 C 7.17 VG Berlin - 15.08.2013 - AZ: VG 13 K 306.12 OVG Berlin-Brandenburg - 30.06.2017 - AZ: OVG 10 B 10.15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann für Recht erkannt: Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2017 wird zurückgewiesen. Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen in Aussicht gestellte Befreiungen in einem der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid. 2 Der Kläger, ein Segelverein, ist Eigentümer eines Grundstücks in Berlin, das, direkt am Großen Wannsee gelegen, mit einem Vereinshaus sowie Wassersportanlagen bebaut ist und für Vereinszwecke genutzt wird. Die Beigeladene ist Eigentümerin eines unmittelbar benachbarten Ufergrundstücks. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des übergeleiteten Bebauungsplans X-4 aus dem Jahr 1959, geändert durch den Textbebauungsplan X-A aus dem Jahr 1971. Sie sind Teil eines Gebiets, den der Bebauungsplan als Sonderzweckfläche für den Wassersport ausweist. In den Planergänzungsbestimmungen ist für diese Sonderzweckfläche u.a. als Maß der baulichen Nutzung eine größte Baumasse von 1,0 m³ umbauten Raumes je m² Baugrundstück, offene Bauweise und als zulässige Geschosszahl zwei Vollgeschosse festgesetzt. 3 Die Beigeladene beabsichtigt, nach (mittlerweile erfolgtem) Abriss der Bestandsbebauung auf ihrem Grundstück ein Wohnhaus mit Gewerbeanteil und Tiefgarage zu errichten. Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf des Beklagten erteilte ihr dafür einen Bauvorbescheid und kündigte darin die Zustimmung zu Befreiungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB für diverse Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans an. 4 Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch Klage gegen den Vorbescheid erhoben, soweit darin Befreiungen für die Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse von zwei auf sechs und der zulässigen Baumassenzahl von 1,0 auf 4,30 in Aussicht gestellt worden sind. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen (NVwZ-RR 2018, 598). 5 Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beigeladene die Abweisung der Klage. Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. II 6 Die Revision der Beigeladenen ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht entschieden, dass der Vorbescheid hinsichtlich der in Aussicht gestellten Befreiungen von der im Bebauungsplan X-4 festgesetzten zulässigen Baumassenzahl und der zulässigen Zahl der Vollgeschosse nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben ist, weil er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers durch die Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs hat es im Einklang mit Bundesrecht verneint. 7 1. Der Bauvorbescheid ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig. Die vom Beklagten in Aussicht gestellten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans X-4 zur Zahl der Vollgeschosse und zur Baumassenzahl sind von § 31 Abs. 2 BauGB nicht gedeckt, weil die Abweichungen die Grundzüge der Planung berühren. 8 Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, einer der in Nr. 1 bis 3 genannten Tatbestände erfüllt ist und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption. Ob sie berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto näher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10.19 - BVerwGE 138, 166 Rn. 37). Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben (BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr.  39 S. 2). 9 Das Oberverwaltungsgericht hat sich an der Senatsrechtsprechung orientiert. Es hat unter Bezugnahme auf die Planbegründung dem Bebauungsplan X-4 das zentrale Anliegen des Plangebers entnommen, durch Festsetzungen zum Nutzungsmaß, insbesondere die Beschränkung der Zahl der Vollgeschosse, aber auch die Baumassenzahl für die in der Sondergebietsfläche für den Wassersport liegenden Grundstücke, das Landschaftsbild an dieser herausragenden Stelle zu schützen und den Gebietscharakter zu erhalten, wobei es um die Stärkung von Grünflächen und die Begrenzung der Bebauung unabhängig von der Art der baulichen Nutzung oder ihrem ästhetischen Erscheinungsbild gegangen sei. Das Konzept eines ""grünen Uferbereichs"" sei im Wesentlichen verwirklicht worden und habe auch heute noch Bestand. Von der Wasserseite betrachtet vermittle der Uferbereich am Großen Wannsee den Eindruck einer grünen, naturbetonten Landschaft, in der die Bebauung merklich zurücktrete und die einzelnen Gebäude, sofern sie nicht weitgehend durch Bäume verdeckt würden, unter der Baumgrenze blieben. Der Blick werde durch die Wasserfläche des Großen Wannsee und - jedenfalls im Sommer - die an den Steganlagen liegenden Boote sowie dem Wassersport zuzurechnenden Anlagen dominiert, wobei die Ufergrundstücke des Plangebiets Teil dieses einheitlich wirkenden Landschaftsbildes seien. Das beabsichtigte Vorhaben, das auf einen von der Beigeladenen ausgelobten Architektenwettbewerb zurückgehe, halte sich nicht in dem vom Plangeber gesetzten Rahmen, sondern berühre die Grundzüge der Planung. Die Auswahlkommission attestiere dem einstimmig favorisierten Vorhaben einen morphologischen Bruch mit der Umgebung, bescheinige dem Solitär jedoch die Eignung, der Umgebung eine neue Ordnung zu geben und sie so zu erden. Diese Bewertung mache deutlich, dass dem Vorhaben als städtebauliche Dominante eine Schlüsselfunktion für eine neue städtebauliche Ordnung zukommen solle. Auf der Grundlage dieser tatrichterlichen Feststellungen lässt sich die Folgerung des Oberverwaltungsgerichts, dass die in Aussicht gestellten Befreiungen Grundzüge der Planung berührten, rechtlich nicht beanstanden. 10 Die Beigeladene bestreitet, dass dem Bebauungsplan X-4 das vom Oberverwaltungsgericht ermittelte Planungskonzept zugrunde liege. Weil zum Zeitpunkt der Planaufstellung zwischen Berlin-Blockade und Mauerbau niemand mehr mit einem Neubau von Villen am Wannsee gerechnet habe, sei es kein zentrales Anliegen des Plangebers gewesen, den Wohnungsbau mit Maßbegrenzungen zu belegen. Dem Plangeber sei es allein darum gegangen, die aus Wellblech bestehenden Bootslagerhallen einer Begrenzung des Maßes der baulichen Nutzung zu unterwerfen und sie durch den zum Ufer hin vorgelagerten Grünstreifen zu kaschieren. Ob die Kritik der Beigeladenen an der Beschreibung des Planungskonzepts berechtigt ist, muss der Senat nicht entscheiden; denn er ist an die vorinstanzliche Auslegung des Bebauungsplans nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 3). 11 2. Die in Aussicht gestellten rechtswidrigen Befreiungen verletzen den Kläger auch in seinen Rechten als Grundstücksnachbar. 12 Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass gegen eine fehlerhafte Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben ist, dass also bei nachbarschützenden Festsetzungen jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids führen muss, während eine fehlerhafte Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung einen Abwehranspruch des Nachbarn nur auslöst, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die Befreiung nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Interessen genommen hat. Das steht mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1998 - 4 B 64.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 153 S. 70 f.) im Einklang. 13 Das Oberverwaltungsgericht hat die Festsetzungen zur Vollgeschoss- und Baumassenzahl im Bebauungsplan X-4 als nachbarschützend angesehen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 - 4 B 52.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 128) hat es den Nachbarschutz nicht dem Bundesrecht entnommen. Auch ist es - anders als das Verwaltungsgericht - nicht der Ansicht des Klägers gefolgt, dass hier ""Quantität in Qualität"" umschlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 - 4 C 3.94 - NVwZ 1995, 899) und daher der Sache nach die Art der baulichen Nutzung betroffen sei, deren Festsetzung grundsätzlich kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion hat (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <155>). Den nachbarschützenden Charakter der Maßfestsetzungen hat es unmittelbar aus dem Bebauungsplan X-4 abgeleitet. 14 Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt nach der vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab. Nach den für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen der Vorinstanz haben Fragen des nachbarschützenden Charakters bauplanerischer Festsetzungen bei der Aufstellung und Inkraftsetzung des Bebauungsplans X-4 im Bewusstsein des Plangebers allerdings keine Rolle gespielt, weil der Gedanke des Nachbarschutzes im öffentlichen Baurecht erst ab 1960 entwickelt worden sei. Das Oberverwaltungsgericht sieht darin keinen Grund für die Versagung von Drittschutz: Auf die konkreten subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers könne es allein nicht ankommen, weil dieser trotz seines weiten planerischen Spielraums nicht völlig frei sei, sondern die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 GG zu beachten habe. Daher seien der Bebauungsplan und der darin inhaltlich zum Ausdruck gebrachte Planungswille unabhängig von den konkreten Vorstellungen des historischen Plangebers auf der Grundlage des heutigen Verständnisses von den Aufgaben der Bauleitplanung und dem System des baurechtlichen Nachbarschutzes unter Berücksichtigung von Art. 14 GG auszulegen. Maßfestsetzungen kämen deshalb drittschützende Wirkung zu, wenn sie nach dem Planungskonzept Bestandteil eines wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnisses seien. 15 Der Senat folgt dem Oberverwaltungsgericht darin, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten können, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein und so auch hier an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hat. Der baurechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses, in dem der nachbarliche Interessenkonflikt durch Merkmale der Zuordnung, der Verträglichkeit und der Abstimmung benachbarter Nutzungen geregelt und ausgeglichen ist (BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <375>). Dieser Gedanke prägt nicht nur die Anerkennung der drittschützenden Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung (BVerwG, Urteile vom 23. August 1996 a.a.O. S. 374 und vom 24. Februar 2000 - 4 C 23.98 - Buchholz 406.12 § 9 BauNVO Nr. 7 S. 3 f.), sondern kann auch eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 - 4 B 52.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 128 S. 10). Stehen solche Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümern zu. Daraus folgt unmittelbar, dass der einzelne Eigentümer die Maßfestsetzungen aus einer eigenen Rechtsposition heraus auch klageweise verteidigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <376>). 16 Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, verbietet es nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen. Es entspricht allgemeiner Rechtsüberzeugung, dass das öffentliche Baurecht nicht in dem Sinne statisch aufzufassen ist, dass es einer drittschutzbezogenen Auslegung unzugänglich wäre. Baurechtlicher Nachbarschutz ist das Ergebnis einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung, welche hierbei von einer Auslegung der dafür offenen Vorschriften ausgeht (BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <376>). Das Oberverwaltungsgericht durfte daher auf den Beschluss des Senats vom 19. Oktober 1995 - 4 B 215.95 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) Bezug nehmen, in dem der Senat spätestens anerkannt hat, dass die Gemeinde als Planungsträger befugt ist, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung mit nachbarschützender Wirkung auszustatten. Das planerische Konzept lässt der Drittschutz unberührt. Er führt also nicht dazu, dass dem Konzept nachträglich ein Inhalt beigemessen wird, der mit dem Willen des Plangebers nicht mehr übereinstimmt. Er erlaubt nur, dass ein Nachbar Verstöße gegen dieses Konzept, wie es in den Maßfestsetzungen zum Ausdruck gekommen ist, geltend machen darf. 17 Mindestens missverständlich ist dagegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Verknüpfung des Nachbarschutzes mit Art. 14 GG. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass Art. 14 GG weder den Gesetz- noch den Plangeber dazu verpflichtet, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung drittschützenden Charakter beizulegen. Es könnte aber zum Ausdruck gebracht haben, dass Art. 14 GG dazu nötigt, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung drittschutzfreundlich auszulegen. In diesem Fall wäre ihm zu widersprechen. Ob der Plangeber eine Maßfestsetzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektiv-rechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <155>). Dagegen dürfte nicht zu beanstanden sein, wenn das Oberverwaltungsgericht dem Eigentumsrecht des Bauwilligen das Verbot entnehmen wollte, auch solchen Festsetzungen Drittschutz beizulegen, an deren Einhaltung Dritte kein berechtigtes Interesse haben können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - 4 B 137.91 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104 S. 80). 18 Sollte das Oberverwaltungsgericht von einem unzutreffenden Verständnis dessen ausgegangen sein, was aus Art. 14 GG zugunsten des Drittschutzes folgt, würde das Urteil darauf nicht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Plankonzeption dargestellt, die nach seinem Verständnis dem Bebauungsplan X-4 zugrunde liegt, und daraus auf ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis geschlossen, das auch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung umfasst. Dass die Herleitung eines solchen Verhältnisses von einem fehlerhaften Verständnis des Art. 14 GG beeinflusst worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. 19 An die Auslegung des Bebauungsplans ist der Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden. Die Bindung entfiele nur, wenn der Befund des Oberverwaltungsgerichts, den entscheidungserheblichen Maßfestsetzungen komme als Teil des nachbarlichen Austauschverhältnisses nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck gekommenen Planungskonzept nachbarschützende Wirkung zu, gegen Bundesrecht, insbesondere gegen das Grundgesetz verstieße (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 7 m.w.N.). Das ist nicht der Fall. 20 Das Oberverwaltungsgericht hat das nachbarliche Austauschverhältnis freilich nicht auf ein Synallagma (""do ut des"") beschränkt; denn es hat nicht festgestellt, dass die hier in Rede stehenden Maßfestsetzungen auch dazu dienen sollen, einer gegenseitigen Verschattung der Grundstücke im Plangebiet vorzubeugen oder jedem Grundstück eine möglichst ungestörte Sicht auf die Umgebung zu erhalten. Es benutzt den Begriff des nachbarlichen Austauschverhältnisses vielmehr als Schlagwort für eine Beziehung zwischen den Planbetroffenen, die auf Gegenseitigkeit angelegt ist und diese zur Bewahrung des Gebietscharakters verpflichtet, aber auch berechtigt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Der Begriff des nachbarlichen Austauschverhältnisses ist nicht bundesrechtlich determiniert. 21 Die Bewahrung des Gebietscharakters ist typisches Ziel einer Nachbarklage gegen ein Bauvorhaben, das gegen eine Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung verstößt. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung den Begriff des wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnisses geprägt, auf dem der Nachbarschutz beruht. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung den Gebietscharakter im Allgemeinen nicht berühren und deshalb nicht nachbarschützend sind. Nach seinen Feststellungen gilt dies hier jedoch nicht, weil die Maßfestsetzungen von wesentlicher Bedeutung für den vom Plangeber konzipierten Charakter der Sondergebietsfläche für den Wassersport seien. Maßgebliche Zielsetzungen seien die Stärkung des Grünflächenanteils, die Gestaltung eines von Bebauung frei gehaltenen Uferbereichs und die Beschränkung der baulichen Ausnutzung der Grundstücke insgesamt, wobei diese Planungsziele durch eine Kombination der einzelnen Festsetzungen erreicht werden sollten. Auch die Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse und der Baumassenzahl sollten zu der spezifischen Qualität des Sondergebiets beitragen und nach dem erklärten Willen des Plangebers der Bewahrung dieses Gebietscharakters dienen. Der Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, dass die Maßfestsetzungen auch den Gebietscharakter beeinflussen können, ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, dass die Größe einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 - 4 C 3.94 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 24 S. 5), nicht zu beanstanden. Die Würdigung, dass ein solcher Fall hier gegeben sei, mag zweifelhaft sein, bundesrechtswidrig ist sie nicht. 22 Ob der Kläger durch die Maßüberschreitungen überhaupt einen Nachteil erleidet, ist ohne Bedeutung. Nachbarschutz auf der Grundlage eines wechselseitigen Austauschverhältnisses ist nicht von einer konkreten Beeinträchtigung des Nachbarn abhängig (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5). 23 3. Die Geltendmachung des Klageanspruchs verstößt nicht gegen Treu und Glauben. 24 Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Nachbarklage zum Schutze einer planwidrigen Nutzung erfolglos bleiben, weil rechtsmissbräuchlich handelt, wer unter Berufung auf das nachbarliche Austauschverhältnis eine eigene Nutzung schützen möchte, die ihrerseits das nachbarliche Austauschverhältnis stört (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 23.98 - Buchholz 406.12 § 9 BauNVO Nr. 7 S. 4). 25 Soweit vorliegend von Belang, ist das nachbarschaftliche Austauschverhältnis insoweit berührt, als das Vorhaben des Beigeladenen mehr Vollgeschosse haben soll, als es der Bebauungsplan X-4 erlaubt. Gestört wird es durch den Kläger dadurch, dass er selbst mit seinem Vereinshaus die Zahl der zulässigen Vollgeschosse überschreitet, nicht aber durch einen vom Beigeladenen behaupteten planungsrechtlich unzulässigen Betrieb einer öffentlichen Gaststätte in dem Vereinshaus, eine mögliche Unterschreitung des seitlichen Grenzabstands durch das Vereinshaus und ein Mastenlager sowie die nur eingeschränkte Verwirklichung des im Bebauungsplan festgesetzten Grünstreifens auf dem klägerischen Grundstück. Es ist deshalb allein von Bedeutung, dass der Kläger seinerseits gegen die Maßfestsetzungen verstößt, deren Einhaltung er von der Beigeladenen verlangt. 26 Ein Nachbar ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung nur gehindert, einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften geltend zu machen, wenn er in vergleichbarer Weise, d.h. etwa im selben Umfang, gegen diese Vorschriften verstoßen hat (OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. März 1999 - 1 M 897/99 - BRS 62 Nr. 190; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. September 2010 - 3 S 1752/10 - juris Rn. 5; VGH München, Urteil vom 4. Februar 2011 - 1 BV 08.13 1 - juris Rn. 37). Das ist hier nicht der Fall. Das Ausmaß, in dem das Vereinshaus mit den Festsetzungen über die zulässige Zahl der Vollgeschosse unvereinbar ist, bleibt deutlich hinter dem Ausmaß des Verstoßes des Bauvorhabens der Beigeladenen zurück. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO binden, hat das Vereinshaus des Klägers drei Vollgeschosse. Es hat damit ein Vollgeschoss mehr, als der Bebauungsplan X-4 zulässt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen soll sechs Vollgeschosse haben. Es überschreitet damit das zulässige Maß der baulichen Nutzung im Vergleich zum Vereinshaus des Klägers um ein Mehrfaches. 27 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO." bverwg_2018-53,21.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 53/2018 vom 21.08.2018 EN Fehlende Anordnung eines Einreiseverbots führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebung Ist im Zeitpunkt einer Abschiebung in einen Drittstaat keine Entscheidung über ein Einreiseverbot oder dessen Befristung ergangen, bewirkt dies nicht die Rechtswidrigkeit der Abschiebung. Es besteht kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Abschiebung und einem Einreiseverbot (sowie seiner Befristung). Nach Unionsrecht kann allein aufgrund einer gesetzlichen Anordnung (entgegen dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AufenthG) kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger, serbische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Heranziehung zu den Kosten ihrer Abschiebung. Die nach ihrer Einreise nach Deutschland gestellten Asylanträge lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet ab und drohte ihnen die Abschiebung an. Nachdem die Kläger im August 2013 in ihr Heimatland abgeschoben worden waren, machte der Beklagte mit Leistungsbescheiden vom März und Juni 2014 die Erstattung von Kosten für die Abschiebung i.H.v. insgesamt 5 403,53 € geltend. Erst nach erfolgter Abschiebung hatte der Beklagte die Wirkungen der Abschiebung mit Bescheid vom Juni 2014 befristet. Den gegen die Leistungsbescheide gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Die Berufung des Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht zurück. Die Abschiebung sei rechtswidrig erfolgt, weil das gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bewirkte Einreiseverbot nicht entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) bis spätestens zum Abschluss der Abschiebung befristet worden sei. Auf die Revision des Beklagten hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts das Berufungsurteil geändert und die Klagen abgewiesen. Dass im Abschiebungszeitpunkt eine Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung nicht ergangen war, ist unerheblich, weil allein durch die Abschiebung in einen Drittstaat nicht kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstanden ist. § 11 Abs. 1 AufenthG steht insoweit nicht im Einklang mit der Rückführungsrichtlinie, die hierfür eine behördliche (oder richterliche) Einzelfallentscheidung verlangt. Aus der Rückführungsrichtlinie ergibt sich kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Rückkehrentscheidung, die hier in der Abschiebungsandrohung liegt, und deren Vollzug (Art. 3 Nr. 4 und 5 Richtlinie 2008/115/EG) einerseits und dem Einreiseverbot und dessen Befristung (Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG) andererseits. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes zwar auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden. Liegt - wie im vorliegenden Fall - im Zeitpunkt der Abschiebung aber keine gesondert angreifbare behördliche Entscheidung über ein Einreiseverbot vor, kann dies die Rechtmäßigkeit der Abschiebung als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht berühren. BVerwG 1 C 21.17 - Urteil vom 21. August 2018 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 18.15 - Urteil vom 27. Oktober 2016 - VG Berlin, 29 K 8.15 und 10.15 - Urteil vom 27. August 2015 -","Urteil vom 21.08.2018 - BVerwG 1 C 21.17ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1C21.17.0 EN Fehlende Anordnung eines Einreiseverbots führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebung Leitsätze: 1. Ist im Zeitpunkt einer Abschiebung in einen Drittstaat keine Entscheidung über ein Einreiseverbot oder dessen Befristung ergangen, bewirkt dies nicht die Rechtswidrigkeit der Abschiebung. 2. Es besteht kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Abschiebung und einem Einreiseverbot (sowie seiner Befristung). 3. Nach Unionsrecht kann ohne behördliche oder richterliche Entscheidung im Einzelfall (entgegen dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AufenthG) kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen. Rechtsquellen AufenthG §§ 11, 66, 67 Asyl(Vf)G §§ 34, 55 Abs. 1, § 67 Abs. 1 Nr. 6 BGB §§ 133, 157 analog RL 2008/115/EG Art. 2, 3 Nr. 4, 5 und 6, Art. 11, 12 und 13 Instanzenzug VG Berlin - 27.08.2015 - AZ: VG 29 K 8.15 OVG Berlin-Brandenburg - 27.10.2016 - AZ: OVG 12 B 18.15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1C21.17.0] Urteil BVerwG 1 C 21.17 VG Berlin - 27.08.2015 - AZ: VG 29 K 8.15 OVG Berlin-Brandenburg - 27.10.2016 - AZ: OVG 12 B 18.15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Dr. Fleuß sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. August 2015 (VG 29 K 8.15 und VG 29 K 10.15 ) und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Oktober 2016 geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu den Kosten ihrer Abschiebung im Jahr 2013. 2 Die Kläger, serbische Staatsangehörige, reisten im Juli 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte die Asylanträge mit Bescheid vom 13. September 2012 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Ferner wurden die Kläger zur Ausreise aufgefordert und ihnen die Abschiebung angedroht. Gegen diesen Bescheid erhobene Klagen und vorläufige Rechtsschutzbegehren blieben erfolglos. Die Kläger wurden am 29. August 2013 in ihr Heimatland abgeschoben. 3 Mit Schriftsatz vom 27. September 2013 beantragten die Kläger, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung festzustellen sowie (hilfsweise) die eingetretene Sperrwirkung der Abschiebung zu befristen. Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass die ohne vorherige Befristung der Einreisesperre erfolgte Abschiebung rechtswidrig sei. 4 Nachdem zunächst mit Bescheid vom 4. Juni 2014 die Wirkungen der Abschiebung auf fünf Jahre befristet worden waren, verkürzte der Beklagte die Sperrfrist im Rahmen eines Klageverfahrens auf den 7. Mai 2015. 5 Mit vier Leistungsbescheiden vom 14. März 2014 und zwei Leistungsbescheiden vom 4. Juni 2014 machte der Beklagte gegenüber den Klägern die Erstattung von Abschiebungskosten in Höhe von insgesamt 5 403,53 € geltend. Der Betrag enthält u.a. Flug-, Reise- und Personalkosten für Polizeivollzugsbeamte. 6 Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Ein Ausländer hafte nur dann für angefallene Abschiebungskosten, wenn die der Abschiebung zugrunde liegenden Amtshandlungen den Ausländer nicht in seinen Rechten verletzten. Die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen, weil sie vollzogen worden sei, ohne dass zuvor eine Befristung der Einreisesperre ergangen sei. Dies stelle einen Verstoß gegen die Vorgaben des Art. 11 EU-Rückführungsrichtlinie dar. 7 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Eine Haftung der Kläger für die durch ihre Abschiebung entstandenen Kosten scheide aus, weil ihre Abschiebung rechtswidrig erfolgt sei. Das kraft Gesetzes durch die Abschiebung nach § 11 AufenthG bewirkte Einreiseverbot sei nicht entsprechend den Vorgaben der Art. 3 Nr. 6 und Art. 11 Abs. 1 EU-Rückführungsrichtlinie für einen bestimmten Zeitraum ausgesprochen worden. Die Rückführungsrichtlinie knüpfe das Einreiseverbot bereits an die Rückkehrentscheidung an. Sobald eine Rückkehrentscheidung, die in der Abschiebungsandrohung zu sehen sei, erlassen werde, bestehe Veranlassung für die Festsetzung einer bestimmten Dauer des Einreiseverbots. Dass das nationale Recht in § 11 Abs. 1 AufenthG ein unbeschränktes Einreiseverbot an den Vollzug der Abschiebung knüpfe, impliziere, dass die unionsrechtlich erforderliche Befristung jedenfalls bis zum Abschluss der Abschiebung erfolgen müsse. Eine solche Befristung sei hier unstreitig nicht erfolgt. 8 Der Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 22. November 2011. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei die Abschiebung der Kläger nicht rechtswidrig erfolgt. Die Maßnahme der Abschiebung sei von der Befristungsentscheidung zu trennen. Dafür spreche bereits, dass sich die maßgeblichen Zeitpunkte für die Prüfung der Sach- und Rechtslage unterschieden. Es seien auch bei richtlinienkonformer Auslegung die Abschiebung und die Entscheidung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht derart unmittelbar miteinander verbunden, dass aus der Rechtswidrigkeit der Befristungsentscheidung die Rechtswidrigkeit der Abschiebung folge. 9 Die Kläger treten der Revision entgegen. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren. II 11 Die Revision ist zulässig und begründet. 12 Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil unter Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen. Denn es ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger für die Kosten ihrer Abschiebung nicht haften, denn die Abschiebung war rechtmäßig. Die angefochtenen Leistungsbescheide des Beklagten vom 14. März 2014 und 4. Juni 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. März und 23. März 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. 13 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Leistungsbescheide ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung (hier: Widerspruchsbescheide vom 17. März bzw. 23. März 2015; vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 8 und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 11.15 - Buchholz 402.242 § 66 AufenthG Nr. 4 Rn. 19). Mithin ist im vorliegenden Verfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) sowie die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) - Rückführungsrichtlinie - anzuwenden. Die im Rahmen der Prüfung der Leistungsbescheide inzident zu prüfende Rechtmäßigkeit der Abschiebung bestimmt sich hingegen nach der im Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Rechtslage (stRspr, BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 8 und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 13.16 - BVerwGE 157, 34 Rn. 10). Maßgeblich ist demnach das Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), das am 15. August 2013 in Kraft getreten ist. 14 1. Die angefochtenen Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 und 3 AufenthG. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer u.a. die Kosten zu tragen, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Abschiebung entstehen. Den Umfang der zu erstattenden Kosten bestimmt § 67 Abs. 1 AufenthG. Danach umfassen die Kosten einer Abschiebung u.a. die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen entstehenden Verwaltungskosten. Bei den hier geltend gemachten Beförderungs- und sonstigen Reisekosten sowie den Kosten für die amtliche Begleitung der Ausländer handelt es sich um von der Kostenhaftung nach § 67 AufenthG erfasste Aufwendungen. 15 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haftet der Ausländer für die Kosten einer Abschiebung nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Folglich können nur die Kosten einer rechtmäßigen Abschiebung geltend gemacht werden. Deren Rechtmäßigkeit ist aus der behördlichen Sicht bei ihrer Durchführung - also ex ante - zu beurteilen (BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 Rn. 20 ff., vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - BVerwGE 151, 102 Rn. 10 und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 13.16 - BVerwGE 157, 34 Rn. 21). 16 Der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Abschiebung steht nicht bereits die Bestandskraft der gegen die Kläger ergangenen Abschiebungsandrohung entgegen. Denn es wird nicht schon die Fehlerhaftigkeit der Abschiebungsandrohung geltend gemacht, sondern die Fehlerhaftigkeit der Abschiebung selbst, die ein nicht der Bestandskraft fähiger Realakt ist und deren tatsächlicher Vollzug auch sonst keine der Bestandskraft fähige Entscheidung bedeutet (vgl. Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, 2. Kapitel, § 5 Rn. 730; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 58 Rn. 85 ff.). 17 2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Abschiebung rechtswidrig war, weil das kraft Gesetzes durch die Abschiebung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes vom 7. August 2013 ) bewirkte Einreiseverbot nicht entsprechend den einschlägigen Vorgaben des Art. 3 Nr. 6 und Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) - Rückführungsrichtlinie - für einen bestimmten Zeitraum ausgesprochen worden war, verstößt gegen Bundesrecht. 18 a) Das Berufungsgericht ist (inzidenter) zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Rückführungsrichtlinie anwendbar ist. Die Kläger sind als serbische Staatsangehörige Drittstaatsangehörige im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Nr. 1 Rückführungsrichtlinie, ohne dass Ausnahmen gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 Rückführungsrichtlinie eingreifen. Sie waren auch im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Nr. 2 Rückführungsrichtlinie illegal aufhältig. Der Aufenthalt eines Asylbewerbers in dem betreffenden Mitgliedstaat ist unabhängig vom Vorliegen einer Bleibeberechtigung bis zur Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung oder deren Bestandskraft schon dann illegal im Sinne der Richtlinie, wenn das für die Entscheidung über den Asylantrag zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag abgelehnt hat. Eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie kann daher - wie in Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie zugelassen - bereits unmittelbar nach der Antragsablehnung oder zeitgleich mit dieser erlassen werden (vgl. näher EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​465], Gnandi - Rn. 49, 59). Der Fortführung des Rückkehrverfahrens und Abschiebung der Kläger stand vorliegend auch kein Bleiberecht für die Dauer eines (erstinstanzlichen) Gerichtsverfahrens entgegen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 - Rn. 61 f.), denn bei ihrer Abschiebung war der ablehnende Bescheid des Bundesamtes bereits bestandskräftig und die Ausreisefrist jedenfalls abgelaufen. Eine Rückkehrentscheidung ist hier in Gestalt der Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG ergangen. Diese enthält bei erfolglosem Asylverfahren regelmäßig die ""behördliche (...) Entscheidung oder Maßnahme, mit welcher der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrpflicht auferlegt oder festgestellt wird"" (Art. 3 Nr. 4 Rückführungsrichtlinie). Das entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2018, § 34 AsylG Rn. 14 ff.; Funke-Kaiser, GK-AsylG; Stand März 2018, § 34 AsylG Rn. 13; Hörich, Abschiebungen nach europäischen Vorgaben, 1. Aufl. 2015, S. 87 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 19. November 2013 - A 10 S 2362/13 - juris; VGH München, Beschluss vom 8. November 2012 - 10 CE 12.24 01 - juris Rn. 6 f.). 19 b) Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine Entscheidung über ein Einreiseverbot oder dessen Befristung zwingende Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist. 20 aa) Die Rechtmäßigkeit der im August 2013 erfolgten Abschiebung ist auf der Grundlage des § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) zu prüfen. Der Gesetzgeber ging seinerzeit davon aus, Art. 11 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) richtlinienkonform umgesetzt zu haben (BT-Drs. 17/5470 S. 21; BR-Drs. 210/11 vom 15. April 2011 S. 55). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG 2011 darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Der Gesetzgeber hat damit an dem schon in § 8 Abs. 2 AuslG 1990 verankerten Prinzip festgehalten, dass eine Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auslöst. Beibehalten worden war u.a. auch die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG (a.F.) bezeichneten Wirkungen (Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie Titelerteilungssperre) (nur) auf Antrag befristet werden. Im Regelungsmodell der Richtlinie 2008/115/EG ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, mit einer Rückkehrentscheidung von Amts wegen einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgelegt wird (BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 37). Die Begriffsbestimmung des Einreiseverbots in Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG fordert eine ""behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht."" Daraus folgt, dass es sich bei der Anordnung des Einreiseverbots um eine im Einzelfall zu treffende behördliche oder richterliche Entscheidung handeln muss. Zudem muss diese Einzelfallentscheidung die Einreise und den Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagen, also von Amts wegen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-297/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​569], Filev und Osmani - Rn. 27 ff., 31) eine bestimmte Dauer festsetzen (Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie 2008/115/EG). 21 bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG 2011 enthaltene Regelung, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot kraft Gesetzes mit der Abschiebung eintritt, ist mit der Rückführungsrichtlinie nicht vereinbar. Denn nach Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG bedarf das mit einer Rückkehrentscheidung (vgl. Art. 3 Nr. 4 Richtlinie 2008/115/EG) einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot (Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG) stets einer behördlichen oder richterlichen Einzelfallentscheidung, die auch seine Dauer festlegen muss. Allein aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie daher nicht wirksam werden (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - NVwZ 2017, 1531 Rn. 71 und vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 5). Die dem Berufungsurteil zugrunde liegende Auffassung, wonach ein wirksames Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebung in einen Drittstaat allein aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG 2011 entsteht, eine Abschiebung aber rechtswidrig ist, wenn nicht vor ihrem Vollzug eine Einzelfallentscheidung über die Dauer des Einreiseverbots getroffen wurde, steht mit diesem Konzept der Rückführungsrichtlinie nicht im Einklang. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist im vorliegenden Fall aufgrund der gesetzlichen Anordnung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG 2011) mit der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht wirksam entstanden, weil es an einer einzelfallbezogenen Anordnung vor der Abschiebung jedenfalls fehlte. 22 cc) Liegt - wie im vorliegenden Fall - im Zeitpunkt der Abschiebung aber keine Entscheidung über ein Einreiseverbot oder dessen Befristung vor, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebung. Aus der Rückführungsrichtlinie ergibt sich kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Rückkehrentscheidung, die hier in der Abschiebungsandrohung liegt, und deren Vollzug (Art. 3 Nr. 4 und 5 Richtlinie 2008/115/EG) einerseits und dem Einreiseverbot und dessen Befristung (Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG) andererseits. Das Einreiseverbot soll zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG: ""gehen ... einher""). Gleichwohl stellen die Rückkehrentscheidung und das befristete Einreiseverbot jeweils eigenständige Entscheidungen dar, die gesondert anfechtbar sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 87, vom 22. August 2017 - 1 A 2.17 - ZAR 2018, 119 = juris Rn. 46 und vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 - Rn. 36). Dafür spricht, dass die Rückführungsrichtlinie in den Begriffsbestimmungen des Art. 3 Nr. 4, 5 und 6 und auch in Art. 12 Abs. 1 davon ausgeht, dass es sich bei der Rückkehrentscheidung, der Abschiebung und dem Einreiseverbot um voneinander unabhängige Rechtsakte handelt, die, wie aus Art. 6 Abs. 6 Richtlinie 2008/115/EG folgt, auch getrennt voneinander ergehen können. Auch in Art. 13 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG werden Rückkehrentscheidungen und Entscheidungen über das Einreiseverbot als eigenständige Entscheidungen aufgeführt, gegen die separate Rechtsbehelfe möglich sind. Eine fehlende Befristungsentscheidung kann folglich allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Einreiseverbots führen, nicht aber zur Rechtswidrigkeit der hiervon rechtlich zu trennenden Abschiebung. Eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung über das Einreiseverbot ""schlägt"" mithin nicht auf die zugrunde liegende Rückführungsentscheidung und deren Vollstreckung ""durch"". Aus den in Art. 13 Abs. 1 und 2 i.V.m. mit Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG normierten Rechtsschutzgarantien ergibt sich ebenfalls kein Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen der Abschiebung(sandrohung) und einem Einreiseverbot. 23 Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - ein wirksames Einreiseverbot mit der Abschiebung gar nicht eingetreten ist. Das Fehlen eines durch die Abschiebung eintretenden Einreiseverbots belastet die Kläger nicht; schon deshalb besteht kein Grund für die Annahme, dass die Abschiebung dadurch rechtswidrig wird. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob ein Einreiseverbot, um dem Gebot des ""Einhergehens"" mit der Rückkehrentscheidung zu genügen, dem Betroffenen so rechtzeitig bekannt gegeben werden muss, dass er noch im Bundesgebiet von den ihm durch Art. 13 Richtlinie 2008/115/EG eingeräumten Rechtsbehelfen Gebrauch machen kann. Soweit dies in der Rechtsprechung u.a. des Berufungsgerichts angenommen worden ist, liegt dem regelmäßig das abweichende Konzept des Aufenthaltsgesetzes zugrunde, wonach ein Einreiseverbot mit der Abschiebung kraft Gesetzes entsteht und bei einer fehlenden Befristung zunächst unbefristet eintritt. Ausgehend davon, dass ohne Anordnung im Einzelfall wegen des Vorrangs des Unionsrechts schon kein Einreiseverbot entstehen kann, berühren die Erwägungen zum Zeitpunkt eines Rechtsbehelfs gegen ein Einreiseverbot allenfalls die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Einreiseverbot nach der Ausreise angeordnet werden darf. Ob ein Einreiseverbot im Einklang mit aus der Richtlinie ggf. folgenden zeitlichen Vorgaben angeordnet worden ist, ist - bei Annahme getrennter und jeweils eigenständiger Überprüfung unterliegender Anordnungen bzw. Maßnahmen - keine Frage der Rechtmäßigkeit der Abschiebung. 24 3. Fehlt es mithin an einem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Abschiebung und dem Einreiseverbot sowie seiner Befristung, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die unionsrechtlich geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer in der behördlichen Befristungsentscheidung des Beklagten vom 4. Juni 2014 gesehen werden kann (a) und ob für den Erlass eines solchen behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots eine Rechtsgrundlage besteht (b). 25 a) In einer behördlichen Befristungsentscheidung (jedenfalls soweit sie vor der Abschiebung erfolgt ist) kann allerdings regelmäßig der konstitutive Erlass eines befristeten Einreiseverbots gesehen werden (BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2017 - 1 C 28.16 - DVBl 2017, 1430 Rn. 42). Gemäß den im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörden, sondern nach dem erklärten Willen, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 9 C 28.14 - juris Rn. 26 und Beschluss vom 9. März 2016 - 3 B 23.15 - juris Rn. 6). Bei objektiver Betrachtungsweise setzt die Behörde mit dessen Befristung ein wirksames, rechtmäßig entstandenes Einreiseverbot voraus, und ordnet dies der Sache nach zumindest vorsorglich konkludent, aber unbedingt für den Fall an, dass ein Einreiseverbot nicht schon kraft Gesetzes entstanden ist. Auch aus der Adressatensicht knüpft eine Befristungsentscheidung an ein bestehendes Einreiseverbot an und lässt nur die Deutung zu, dass die Behörde das Wirksamwerden eines kraft Gesetzes angeordneten Einreiseverbotes auch im Einzelfall will, und zwar für die durch Befristung bestimmte Dauer, und so auch das Einreiseverbot selbst festsetzt. 26 b) Die erforderliche Rechtsgrundlage für die unionsrechtlich geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots folgt jedenfalls in Fällen eines zwingend zu erlassenden Einreiseverbots aus einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. 27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die nationalen Gerichte aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Rechts einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (EuGH, Urteile vom 15. Januar 2014 - C-176/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2], Association de médiation sociale - Rn. 38 und vom 13. Juli 2016 - C-187/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​550], Pöpperl - NVwZ 2016, 1737 - Rn. 43; BVerfG, Beschluss vom 17. November 2017 - 2 BvR 1131/16 - juris Rn. 37; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - BVerwGE 157, 249 Rn. 27). Ihre Grenze findet diese Verpflichtung in dem nach der innerstaatlichen Rechtsordnung methodisch Erlaubten. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung findet zudem in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken und kann nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2014 - 2 BvR 1549/07 - ZIP 2015, 335 - juris Rn. 31 und Beschluss vom 17. November 2017 - 2 BvR 1131/16 - Rn. 37; EuGH, Urteil vom 15. Januar 2014 - C-176/12 - Rn. 39). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt jedoch von den nationalen Gerichten über eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre hinaus auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - BVerwGE 157, 249 Rn. 27 und Vorlagebeschluss vom 25. Juni 2014 - 6 C 10.13 - BVerwGE 150, 74 Rn. 54). Die sich aus dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung sind erst dann überschritten, wenn der erkennbare Wille des Gesetzgebers beiseitegeschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird (BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6 <12 f.>; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 C 2.16 - BVerwGE 157, 249 Rn. 27). 28 Den Vorgaben der Art. 3 Nr. 6, Art. 11 Richtlinie 2008/115/EG kann hier durch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung Geltung verschafft werden, weil sie innerhalb der Grenzen des deutschen Rechts und seiner Methoden vorgenommen werden kann (vgl. hierzu auch Dörig/Hoppe, in: Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2018, 2. Kapitel, § 5 Rn. 785 ff.). Dies kann hier in der Weise geschehen, dass das in § 11 Abs. 1 AufenthG legislativ angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot teleologisch dahingehend substituiert wird, dass unter den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG das Einreise- und Aufenthaltsverbot, falls eine Abschiebung erfolgt, durch behördliche Entscheidung anzuordnen ist, und damit die Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG in der Weise angewendet wird, dass sie einen mit Art. 3 Nr. 6, Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG zu vereinbarenden Inhalt erhält. Eine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, deren Überwindung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ausgeschlossen wäre, ist nicht erkennbar. Zwar spricht der Gesetzeswortlaut von § 11 Abs. 1 AufenthG für den Willen des Gesetzgebers, im Falle der Abschiebung ein kraft Gesetzes entstehendes Einreise- und Aufenthaltsverbot vorzusehen. Ziel des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex (Richtlinienumsetzungsgesetz vom 22. November 2011) war indes u.a. die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in das innerstaatliche Recht (BT-Drs. 17/5470 S. 21; BR-Drs. 210/211 S. 55). Die erkennbare Absicht des deutschen Gesetzgebers ging folglich dahin, eine Regelung zu schaffen, die mit der Rückführungsrichtlinie vereinbar ist und die gewährleistet, dass die unionsrechtlich vorgegebenen Einreise- und Aufenthaltsverbote auch im Bundesgebiet Anwendung finden. Bei Unvereinbarkeit des in § 11 Abs. 1 AufenthG gewählten Ansatzes eines gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots mit der Regelungskonzeption des Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG umschließt die Befugnis der zuständigen Ausländerbehörde für dessen Befristung mithin auch deren Ermächtigung, das nach der gesetzlichen Konzeption als be- bzw. entstehend vorausgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot - deklaratorisch oder konstitutiv - im Einzelfall durch behördlichen Einzelakt anzuordnen (zweifelnd VGH Mannheim, Beschluss vom 22. März 2018 - 11 S 2776/17 - juris Rn. 16 ff.). Dass der Gesetzgeber an der Konzeption eines gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes mit nachfolgender behördlicher Befristung im Rahmen des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) festgehalten hat, ändert nichts an seinem Willen, auch in den in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Fällen die unionsrechtlich wirksame Entstehung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots im nationalen Recht zu gewährleisten. 29 4. Gründe, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 AEUV anzurufen, bestehen nicht. Insbesondere bedarf es nicht der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger angeregten Vorabentscheidung (vgl. Schriftsatz vom 20. August 2018) zur Klärung der Frage, ob Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift wie § 11 Abs. 1 AufenthG entgegensteht, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot kraft Gesetzes mit der Durchführung der Abschiebung entsteht. Denn - wie oben ausgeführt - geht der Senat davon aus, dass die Regelung des § 11 Abs. 1 AufenthG, nach der das Einreiseverbot kraft Gesetzes mit der Abschiebung eintritt, mit der Rückführungsrichtlinie nicht vereinbar ist. Insofern bestehen an der Auslegung des Unionsrechts vernünftigerweise keine Zweifel (acte clair). Der aus Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG folgenden Anforderung einer behördlichen (oder richterlichen) Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots kann aber durch eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 11 Abs. 1 und 2 AufenthG Rechnung getragen werden, so dass es keiner Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bedarf. 30 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-54,21.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 54/2018 vom 21.08.2018 EN Keine beschäftigungsrechtliche Privilegierung des Wechsels vom familiären Aufenthalt zum Aufenthalt zur Beschäftigung Die Privilegierung des § 9 Beschäftigungsverordnung (BeschV), nach der die Ausübung einer Beschäftigung nach bestimmten Vorbeschäftigungs- oder Voraufenthaltszeiten keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf, gilt nicht, wenn ein Ausländer von einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung wechseln will. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Entscheidung lag der Fall eines libyschen Staatsangehörigen zugrunde, der wegen seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs erhalten hatte. Nach Scheidung der Ehe beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Diesen Antrag lehnte die Ausländerbehörde ab, nachdem die Bundesagentur für Arbeit für die vom Kläger konkret ausgeübte Beschäftigung ihre Zustimmung verweigert hatte. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Ausländerbehörde zur Neubescheidung. Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage hingegen in vollem Umfang ab. Dabei ließ es offen, ob es der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedürfe, weil der Kläger jedenfalls nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG erfülle. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG bedarf für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV liegen nicht vor. Diese Vorschrift gilt nach der Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck jedenfalls nur für Personen, die bereits im Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis sind, bei der die Ausländerbehörde die Ausübung einer Beschäftigung - mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit - ausdrücklich zugelassen hat. Ist einem Ausländer auf diesem Weg der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnet worden, bedarf es nicht der (nochmaligen) Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit zur Prüfung der beschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen. Die dem Kläger zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs berechtigte diesen hingegen kraft Gesetzes zur Ausübung jedweder Beschäftigung, ohne dass es einer behördlichen Zulassung bedurfte. Der Kläger erfüllt auch nicht die weiteren Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG, die jedenfalls bei einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung vorliegen müssen. BVerwG 1 C 22.17 - Urteil vom 21. August 2018 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 21.16 - Urteil vom 05. April 2017 - VG Berlin, 24 K 4.14 - Urteil vom 31. März 2015 -","Urteil vom 21.08.2018 - BVerwG 1 C 22.17ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1C22.17.0 EN Keine beschäftigungsrechtliche Privilegierung des Wechsels vom familiären Aufenthalt zum Aufenthalt zur Beschäftigung Leitsätze: 1. Ein Ausländer hat bei rechtzeitiger Antragstellung ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer auf den Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis rückwirkenden Aufenthaltserlaubnis, wenn er sich zur Begründung seines Anspruchs auf eine Vorschrift beruft, die den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzt (hier: § 9 BeschV). 2. Die Zustimmungsfreiheit des § 9 BeschV gilt jedenfalls nicht für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt (hier: Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Deutschen). 3. Bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung wird der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen durch § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG ergänzt. 4. Zur Konkretisierung des Begriffs der qualifizierten Berufsausbildung im Sinne des § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG kann auf § 6 BeschV zurückgegriffen werden. Danach liegt im Inland eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV), und bedarf es für eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einer entsprechenden Gleichwertigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BeschV). Rechtsquellen AufenthG § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 4 Abs. 1, §§ 18, 19a, 42, 58 Abs. 2, § 59 Abs. 1 Satz 6, § 84 Abs. 1 Satz 1 BeschV § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 3 Satz 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 und 2, §§ 9, 31 BeschV (a.F.) § 44 BeschVerfV (a.F.) § 1 Nr. 1, §§ 3b, 9 RL 2008/115/EG Art. 11 Abs. 1 Buchst. b Instanzenzug VG Berlin - 31.03.2015 - AZ: VG 24 K 4.14 OVG Berlin-Brandenburg - 05.04.2017 - AZ: OVG 3 B 21.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 22.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1C22.17.0] Urteil BVerwG 1 C 22.17 VG Berlin - 31.03.2015 - AZ: VG 24 K 4.14 OVG Berlin-Brandenburg - 05.04.2017 - AZ: OVG 3 B 21.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung. 2 Der Kläger, ein 1977 geborener libyscher Staatsangehöriger, kam 2004 zu Studienzwecken nach Deutschland. 2007 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs. Diese wurde zuletzt bis zum 8. August 2013 verlängert. 3 Nach Scheidung der Ehe stellte der Kläger im Juli 2013 bei der Ausländerbehörde einen ""Verlängerungsantrag"". Dabei legte er einen Arbeitsvertrag der Libyschen Botschaft vor. Danach ist er dort seit Mai 2013 als Ortskraft beschäftigt. Die Tätigkeit erstreckt sich nach einer Stellungnahme der Botschaft auf den Kontakt mit libyschen Behörden, die rechtliche Beratung deutscher Investoren und die Ausstellung amtlicher Dokumente und Beglaubigungen in der Konsularabteilung. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gab der Kläger an, dass er inzwischen zu gleichen Konditionen in die Kulturabteilung gewechselt sei und sich dort insbesondere um die Einreise und den Aufenthalt libyscher Studenten kümmere. Das Auswärtige Amt stimmte mit Verbalnote vom 2. April 2013 der Einstellung des Klägers als auf dem deutschen Arbeitsmarkt angeworbene Ortskraft bis zum 8. August 2013 zu; eine darüber hinausgehende Beschäftigung bedürfe der Vorlage eines gültigen Aufenthaltstitels, der den allgemeinen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gestatte. Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit verweigerte ihre Zustimmung zu der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung. Daraufhin lehnte die Ausländerbehörde den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 2. Dezember 2013 ab und drohte ihm die Abschiebung nach Libyen an. Der Kläger habe kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG erworben, da die eheliche Lebensgemeinschaft vor Ablauf von drei Jahren aufgehoben worden sei. Eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 18 AufenthG scheide mangels Zustimmung der Beigeladenen aus. Im Klageverfahren setzte die Ausländerbehörde die Vollziehung des Bescheids aus. 4 Mit Urteil vom 31. März 2015 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Beklagten zur Neubescheidung nach § 18 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 9 BeschV verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 5. April 2017 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dabei hat es offengelassen, ob die ausgeübte Beschäftigung der Zustimmung der Beigeladenen bedürfe oder ob sie nach § 9 BeschV zustimmungsfrei sei. Der Kläger erfülle jedenfalls nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG. Bei Annahme einer Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung erfordere, könne die Tätigkeit nicht nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einer der in der Beschäftigungsverordnung genannten Berufsgruppen zugeordnet werden. Der Kläger erfülle insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 4 Satz 1 Nr. 1 BeschV, da er keine leitende Tätigkeit ausübe und nicht über besondere Spezialkenntnisse verfügen müsse. An seiner Beschäftigung bestehe auch kein öffentliches Interesse im Sinne des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Erfordere die Tätigkeit keine qualifizierte Berufsausbildung, fehle es an den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG, da die Erteilung einer Zustimmung für die Beschäftigung nach der Beschäftigungsverordnung nicht zulässig sei. 5 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung richte sich allein nach § 18 Abs. 2 AufenthG, wenn die Beschäftigung keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedürfe. Dies sei hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV wegen seines dreijährigen rechtmäßigen Voraufenthalts der Fall. Die Vorschrift gelte nicht nur für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung. Unerheblich sei, dass er inzwischen nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, da er rechtzeitig die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Beschäftigung beantragt habe. Damit habe er ein schutzwürdiges Interesse an einer rückwirkenden Erteilung. 6 Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er macht insbesondere geltend, der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG werde auch bei zustimmungsfreien Beschäftigungen durch § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG ergänzt. Außerdem bedürfe es für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV des gegenwärtigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken. Die Vorschrift vermittle lediglich den Arbeitsmarktzugang im Aufenthalt und kein eigenes Recht zum Aufenthalt. 7 Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließt sich der Rechtsauffassung des Beklagten an. Die Verfahrenserleichterung des § 9 BeschV sei kraft historischer Überholung inzwischen nur für Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit relevant, da alle anderen Aufenthaltstitel entweder von Gesetzes wegen mit einem uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden seien oder schon aus anderen Gründen keiner Zustimmung bedürften. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und teilt die Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zur Auslegung des § 18 AufenthG. II 9 Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis ohne Verstoß gegen revisibles Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG (1.). Auch die mit der Ablehnung seines Antrags verbundene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (2.). 10 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist bei sachdienlicher Auslegung nur noch das Begehren des Klägers auf (rückwirkende) Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG sowie auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung. Da der Kläger für die von ihm geltend gemachte Zustimmungsfreiheit nach § 9 der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein muss und es hieran - trotz rechtzeitiger Antragstellung - seit Ablauf der Geltungsdauer der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis im August 2013 unstreitig fehlt, hat er ein schutzwürdiges Interesse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 7.08 - Buchholz 402.242 § 9a AufenthG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.) an einer auf diesen Zeitpunkt rückwirkenden Entscheidung. 11 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Dasselbe gilt, soweit es um die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung geht (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 13). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Ein anderer Zeitpunkt gilt nur dann, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist. Das ist hier der Fall, soweit der Kläger eine auf den August 2013 rückwirkende Neubescheidung begehrt. Wird die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen zurückliegenden Zeitraum begehrt, ist insoweit auf die damalige Sachlage und - soweit nachfolgende Rechtsänderungen keine materielle Rückwirkung für vorangehende Zeiträume haben - Rechtslage abzustellen. In der Sache haben sich die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften seit August 2013 aber nicht geändert. 12 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG. 13 1.1 Der Kläger unterliegt dem Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (a) und bedarf einer Aufenthaltserlaubnis (b). 14 a) Als ein in Deutschland bei der Libyschen Botschaft als Ortskraft (also ohne dienstliche Entsendung durch die libysche Regierung) angestellter libyscher Staatsangehöriger unterfällt er weder dem Anwendungsausschluss des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Exterritorialität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen, der konsularischen Vertretungen und weiterer Exterritorialer nach §§ 18 bis 20 GVG) noch dem des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (Befreiung nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen). 15 b) Seine Beschäftigung als Ortskraft ändert auch nichts daran, dass er als Drittstaatsangehöriger nach § 4 Abs. 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels bedarf. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV für eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels liegen nicht vor, da das Auswärtige Amt der Beschäftigung des Klägers als Ortskraft nur bis zum 8. August 2013, dem Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis, zugestimmt hat. Seitdem erfolgt die Beschäftigung ohne Zustimmung des Auswärtigen Amtes und kann sich der Kläger nicht (mehr) auf die Privilegierung des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV berufen. 16 1.2 Der Kläger erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 bzw. 4 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung. Nach § 18 Abs. 2 AufenthG kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist (Satz 1). Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit sind in den Aufenthaltstitel zu übernehmen (Satz 2). Nach § 18 Abs. 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Nach § 18 Abs. 4 AufenthG darf ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur für eine Beschäftigung in einer Berufsgruppe erteilt werden, die durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) zugelassen worden ist (Satz 1). Im begründeten Einzelfall kann eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (Satz 2). 17 Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung der Zustimmung der (beigeladenen) Bundesagentur für Arbeit bedarf oder ob diese nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung in § 9 BeschV entbehrlich ist, da der Kläger jedenfalls nicht die weiteren Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG erfülle. Insoweit kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die Frage der Zustimmungspflicht sei nicht entscheidungserheblich, mit Bundesrecht zu vereinbaren ist. Das Berufungsurteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung bedarf für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Ortskraft bei der Libyschen Botschaft der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit; die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV liegen nicht vor (a). Der Kläger erfüllt auch nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG, die - zwischen den Beteiligten unstreitig - jedenfalls bei Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung vorliegen müssen (b). 18 a) Der Verordnungsgeber hat zum 1. Juli 2013 das Ausländerbeschäftigungsrecht geändert und anstelle der bisherigen Beschäftigungsverordnung (BeschV a.F.) und der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) den Arbeitsmarktzugang sowohl für neu einreisende Ausländer als auch für die bereits im Land lebenden Ausländer in einer einheitlichen (neuen) Beschäftigungsverordnung (BeschV) geregelt. Nach § 9 Abs. 1 BeschV bedarf keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung bei Ausländerinnen und Ausländern, die eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und (1.) zwei Jahre rechtmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet ausgeübt haben oder (2.) sich seit drei Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. 19 Eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV scheitert schon daran, dass es sich bei der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht um eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Vorschrift handelt. Hierfür genügt - entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts - nicht der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die - wie die dem Kläger zuletzt zum Familiennachzug zu seiner deutschen Ehefrau erteilte Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 28 Abs. 5 AufenthG a.F.) - kraft Gesetzes zur Ausübung jedweder Beschäftigung berechtigt. Ob die Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV selbst beim Besitz einer Aufenthaltserlaubnis mit einer ausdrücklichen Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde nur in Verlängerungsfällen - also bei gleichbleibendem Aufenthaltszweck - greift und damit de facto nur noch bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung von Bedeutung ist, da alle anderen Aufenthaltserlaubnisse inzwischen entweder kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigen (etwa nach § 27 Abs. 5 AufenthG) oder schon nach anderer Vorschrift eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit entbehrlich ist (etwa über § 31 BeschV), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. 20 § 9 BeschV verlangt pauschal den ""Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis"", ohne näher zu konkretisieren, ob damit jedweder Besitz einer Aufenthaltserlaubnis dem Besitz einer Blauen Karte EU gleichsteht oder ob die Privilegierung jedenfalls nicht für Personen gilt, die weder im Besitz einer Blauen Karte EU noch einer Aufenthaltserlaubnis sind, bei der die Ausländerbehörde die Ausübung einer Beschäftigung - mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit - ausdrücklich zugelassen hat. Der Begriff ""Aufenthaltserlaubnis"" bedarf daher im konkreten Kontext der Norm der Auslegung. Für eine weite Auslegung mag einerseits sprechen, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ohne Hinweis auf eine bestimmte Zweckbindung oder das Erfordernis einer behördlichen Arbeitsmarktzulassung nur den Besitz ""einer"" Aufenthaltserlaubnis fordert. Auch der Überschrift der Norm (""Beschäftigung bei Vorbeschäftigungszeiten oder längerem Voraufenthalt"") ist nicht zu entnehmen, dass die Privilegierung den Besitz einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis voraussetzt. Andererseits bezieht sich die Zustimmungsfreiheit in § 9 BeschV - im Gegensatz zu anderen in der Beschäftigungsverordnung geregelten Fällen der Zustimmungsfreiheit - nicht auf die Erteilung eines (die Ausübung einer bestimmten Beschäftigung erlaubenden) Aufenthaltstitels, sondern auf die Ausübung einer Beschäftigung bei Ausländern, die (bereits) im Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis sind. Dies spricht für die Auffassung des Beklagten, dass die Vorschrift lediglich den Arbeitsmarktzugang regelt und kein eigenes Recht zum Aufenthalt vermittelt. 21 Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis sprechen maßgeblich die Entstehungsgeschichte und der Wille des Verordnungsgebers. Nach der Begründung zu § 9 BeschV sollten die bisher in § 3b BeschVerfV enthaltenen Regelungen über einen uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt nach zweijähriger Beschäftigung oder dreijährigem Aufenthalt übernommen werden, die für Ausländer, die sich mit einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung in Deutschland aufhalten, bisher nur über die Verweisungsvorschrift des § 44 BeschV a.F. galten (BR-Drs. 182/13 S. 31). Über § 3b BeschVerfV wurde schon in der Vergangenheit - seinerzeit aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung - bei der Verfestigung der Rechtsposition auf dem deutschen Arbeitsmarkt auf die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bei der Zulassung von Ausländern verzichtet, die bereits länger im Bundesgebiet arbeiteten oder sich hier aufhielten und bei denen deshalb nach der ursprünglichen Regelung in § 9 BeschVerfV a.F. im Zustimmungsverfahren weder eine Arbeitsmarktprüfung noch eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen mit denen deutscher Beschäftigter durchzuführen war (BR-Drs. 210/11 S. 94). Die Zustimmungsfreiheit war über § 1 Nr. 1 BeschVerfV allerdings weiter eingeschränkt. Danach durfte die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung zustimmungsfrei nur Ausländern erteilt werden, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, die kein Aufenthaltstitel zum Zwecke der Beschäftigung ist (§§ 17, 18, 19 und 19a AufenthG) oder die nicht schon aufgrund des Aufenthaltsgesetzes zur Beschäftigung berechtigt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Dabei ist die doppelt negative ""oder""-Verknüpfung im Sinne eines ""weder noch"" zu verstehen, weil die durch die Grundsatzregelung in § 1 BeschVerfV ersichtlich gewollte Beschränkung der zustimmungsfreien Arbeitsmarktzulassung von im Inland lebenden Ausländern ansonsten nicht erreicht würde. Damit galt die Zustimmungsfreiheit des § 3b BeschVerfV unmittelbar weder für Besitzer einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung noch für Inhaber einer kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigenden Aufenthaltserlaubnis, sondern nur in bestimmten Fällen des Familiennachzugs zu einem Ausländer (vgl. § 29 Abs. 5 AufenthG a.F.) sowie für Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltserlaubnisse (etwa nach § 25 Abs. 3 und 5 AufenthG). Außerdem fand § 3b BeschVerfV für Ausländer, die sich mit einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung in Deutschland aufhielten - insoweit abweichend von der Regelung in § 1 Nr. 1 BeschVerfV - über die Verweisungsvorschrift in § 44 BeschV a.F. entsprechende Anwendung. Von den Vorgängerregelungen von vornherein nicht erfasst waren hingegen Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, die - wie die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis - kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigte. 22 An dieser Einschränkung wollte der Verordnungsgeber mit der Neuregelung in § 9 BeschV (n.F.) nichts ändern. Zwar ist die einschränkende Definition der erfassten Aufenthaltserlaubnisse im früheren § 1 Nr. 1 BeschVerfV entfallen. Der Begründung zu § 9 BeschV ist aber nicht zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber mit der Neuregelung eine Erweiterung des privilegierten Personenkreises beabsichtigt hat. Vielmehr wollte er lediglich die in § 3b BeschVerfV enthaltene Regelung übernehmen und mit § 44 BeschV a.F. zusammenführen (vgl. BR-Drs. 182/13 S. 31). Hätte er den Anwendungsbereich der Privilegierung erweitern und der Vorschrift eine völlig neue Bedeutung bei der Aufenthaltsverfestigung beimessen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies in der Begründung deutlich macht und nicht lediglich von einer ""Übernahme"" der bisherigen Regelungen spricht. Stattdessen hebt er in der Verordnungsbegründung ausdrücklich hervor, dass die von der Vorgängerregelung erfassten Aufenthaltstitel (""diese"") zunächst nur befristet erteilt würden und die Frage, ab wann ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt bestehe, deshalb eine erhebliche Bedeutung für die Entscheidung habe, nach Deutschland auszuwandern. Mit der Regelung sollten ausländische Fachkräfte leichter erkennen können, ab wann sie nach der ersten ""Zulassung"" zur Beschäftigung uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürften (BR-Drs. 182/13 S. 31). 23 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Klägers, dass eine von der Bundesregierung 2017 beabsichtigte Einschränkung des § 9 BeschV im Bundesrat keine Zustimmung gefunden hat. Mit diesem Änderungsvorschlag wollte die Bundesregierung dem faktischen Bedeutungsverlust der Regelung nach Schaffung des § 27 Abs. 5 AufenthG (wonach inzwischen jede Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt) und des § 31 BeschV (wonach die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung bei Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes generell keiner Zustimmung der Bundesagentur bedarf) Rechnung tragen (""... wird die Vorschrift aktualisiert""). Dabei sollte die Zustimmungsfreiheit auf Ausländer beschränkt werden, die einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 4 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt zum Zweck der Beschäftigung) besitzen und zwei Jahre rechtmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben (BR-Drs. 10/17 S. 5 f., 40). Dass der Bundesrat mit dieser Einschränkung nicht einverstanden war (BR-Drs. 10/17 S. 3 f.), lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf die Auslegung des geltenden § 9 BeschV zu. 24 Auch systematische Gründe sprechen für eine enge Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis in § 9 BeschV. Das Aufenthaltsgesetz differenziert zwischen Aufenthaltstiteln, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen, und Aufenthaltstiteln, bei denen die Ausübung einer Beschäftigung einer ausdrücklichen Erlaubnis der Ausländerbehörde bedarf. Die durch § 9 BeschV ausdrücklich privilegierten Besitzer einer Blauen Karte EU halten sich zweifelsfrei zum Zweck der Beschäftigung im Bundesgebiet auf (vgl. § 19a AufenthG) und benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung einer Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde. Außerdem findet sich § 9 BeschV in der Beschäftigungsverordnung im Teil 2 unter der Überschrift ""Zuwanderung von Fachkräften"". Auch diese erfolgt nach dem dem Aufenthaltserlaubnisrecht zugrunde liegenden Trennungsprinzip über einen Aufenthalt zum Zweck der Beschäftigung und bedarf einer ausdrücklichen Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde. Zwar gilt § 9 BeschV nicht nur für Fachkräfte. Eine derartige Beschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus den nach der Verordnungsbegründung übernommenen Vorgängerregelungen. Allein der Umstand, dass sich § 9 BeschV im 2. Teil der Beschäftigungsverordnung unter der Überschrift ""Zuwanderung von Fachkräften"" befindet und der Verordnungsgeber in der Verordnungsbegründung als Motiv für die Übernahme der Vorgängerregelungen in § 3b BeschVerfV und § 44 BeschV a.F. darauf hinweist, dass Fachkräfte hierdurch eine Perspektive erhalten sollen, rechtfertigt keine Begrenzung der Privilegierung auf diesen Personenkreis. Die systematische Einordnung der Norm im Kapitel über die Zuwanderung von Fachkräften verdeutlicht aber zusammen mit der Verordnungsbegründung, dass es bei § 9 BeschV um die Verfestigung eines durch behördliche Zulassung eröffneten Arbeitsmarktzugangs geht. Ein Ausländer, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, darf zwar jeder Beschäftigung nachgehen. Er hält sich aufenthaltsrechtlich aber nicht zum Zweck der Beschäftigung, sondern aus anderen Gründen und unabhängig von der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet auf. Sein Zugang zum Arbeitsmarkt beruht nicht auf einer behördlichen Zulassung, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und ist untrennbar mit einem anderen Aufenthaltszweck verknüpft. Solange dieser (andere) Aufenthaltszweck andauert, bedarf der Ausländer keiner Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde (mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit). Damit kann er sich, wenn er - wie hier - nach Wegfall des bisherigen Aufenthaltszwecks im Wege eines sog. ""Spurwechsels"" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung begehrt, schon nicht auf einen ihm durch Zulassung eröffneten Arbeitsmarktzugang berufen. Von dieser Differenzierung ist offensichtlich auch der Verordnungsgeber ausgegangen, wenn er in der Begründung zu § 9 BeschV hervorhebt, dass die von den Vorgängerregelungen erfassten Aufenthaltstitel zunächst nur befristet erteilt würden und ausländische Fachkräfte leichter erkennen können sollten, ab wann sie nach der ersten ""Zulassung"" zur Beschäftigung uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürfen (BR-Drs. 182/13 S. 31). 25 Schließlich ergeben sich auch aus Sinn und Zweck der Beschäftigungsverordnung und speziell des § 9 BeschV keine zwingenden Gründe für eine weite Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschV steuert die Beschäftigungsverordnung die Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen sie und die bereits in Deutschland lebenden Ausländer zum Arbeitsmarkt zugelassen werden können. Damit gilt die Beschäftigungsverordnung zwar für die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung unabhängig vom (bisherigen) Aufenthalt und Aufenthaltszweck. Allerdings ist der sachliche Anwendungsbereich der Beschäftigungsverordnung auf Fälle beschränkt, in denen der Ausländer nicht schon kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist, sondern es darum geht, ob ihm die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt wird (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschV). Innerhalb dieses vorgegebenen Anwendungsbereichs ermöglicht § 9 BeschV eine Verfestigung des Arbeitsmarktzugangs nach einer behördlichen Zulassung. Auch dies spricht dafür, dass für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV allein der Besitz eines kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels nicht ausreicht, sondern es für den Verzicht auf eine (nochmalige) Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit und Prüfung der (beschäftigungsrechtlichen) Zulassungsvoraussetzungen zumindest des Besitzes eines Aufenthaltstitels mit einer Arbeitsmarktzulassung bedarf. 26 b) Kann sich der Kläger nicht auf § 9 BeschV berufen, bedarf die von ihm ausgeübte Beschäftigung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Diese kann bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung durch das Gericht nur ersetzt werden, wenn es um die Ausübung einer nach der Beschäftigungsverordnung zustimmungsfähigen Beschäftigung geht. Außerdem müssen - zwischen den Beteiligten unstreitig - jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG vorliegen. 27 aa) Entgegen der Auffassung des Klägers regeln § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht lediglich die Voraussetzungen, unter denen die Bundesagentur für Arbeit eine nach der Beschäftigungsverordnung erforderliche Zustimmung zu erteilen hat, sondern enthalten weitere Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung durch die Ausländerbehörde (""Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2 ... darf nur erteilt werden, wenn ...""). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf die Ausländerbehörde jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen keine Aufenthaltserlaubnis erteilen. 28 Dass mit § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG eingeschränkt werden sollte, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte. Denn die Ergänzungen in § 18 Abs. 3, 4 und 5 AufenthG sind auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses aufgenommen worden (BT-Drs. 15/3479 S. 4). Während § 18 Abs. 2 AufenthG alle Arten von Beschäftigungen erfasst, differenziert § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG innerhalb des Spektrums möglicher Beschäftigungen nach dem Erfordernis einer qualifizierten Berufsausbildung. Außerdem bedarf es nach § 18 Abs. 5 AufenthG stets einer Arbeitsplatzzusage. Unter welchen Voraussetzungen die Bundesagentur für Arbeit (materiell) einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung zuzustimmen hat, ergibt sich systematisch nicht aus § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG, sondern aus § 39 AufenthG und aus der Beschäftigungsverordnung (vgl. § 1 Abs. 1 BeschV). Ob und ggf. in welchem Umfang § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG bei zustimmungsfreien Beschäftigungen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen einer einschränkenden Auslegung unterliegen, bedarf im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung geht, keiner Entscheidung. 29 bb) Zur Konkretisierung des Begriffs der qualifizierten Berufsausbildung im Sinne des § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG kann auf § 6 BeschV zurückgegriffen werden. Danach liegt im Inland eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV), und bedarf es für eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einer entsprechenden Gleichwertigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BeschV). Ob die vom Kläger ausgeübte Beschäftigung als Ortskraft bei der Botschaft in diesem Sinne eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, bedarf - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG noch diejenigen des § 18 Abs. 4 AufenthG. 30 cc) Bei Annahme einer Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, darf nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2 nur für eine Beschäftigung in einer Berufsgruppe erteilt werden, die durch Rechtsverordnung nach § 42 (hier: BeschV) zugelassen worden ist. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Kläger bei Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis im August 2013 ausgeübte Beschäftigung in der Konsularabteilung der Libyschen Botschaft insbesondere nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zustimmung nach § 4 Satz 1 Nr. 1 BeschV (Leitende Angestellte und Spezialisten) erfüllt. Danach kann die Zustimmung erteilt werden für leitende Angestellte und andere Personen, die zur Ausübung ihrer Beschäftigung über besondere, vor allem unternehmensspezifische Spezialkenntnisse verfügen, eines im Inland ansässigen Unternehmens für eine qualifizierte Beschäftigung in diesem Unternehmen. Dabei kann - mit dem Berufungsgericht - dahinstehen, ob eine Botschaft mit einem im Inland ansässigen Unternehmen gleichgestellt werden kann. Denn der Kläger übte im August 2013 nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, den Senat grundsätzlich bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts weder eine leitende Tätigkeit aus noch musste er zur Ausübung der Tätigkeit über besondere, vor allem unternehmensspezifische Spezialkenntnisse verfügen. Nichts anderes gilt im Übrigen mit Blick auf die vom Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach einem Abteilungswechsel zu gleichen Konditionen ausgeübte Sachbearbeitertätigkeit in der Kulturabteilung der Botschaft. Gegenteiliges wird auch vom Kläger nicht behauptet. 31 dd) Der Kläger erfüllt ersichtlich auch nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Danach kann in begründeten Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis (auch) für eine Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Da sich die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nach § 18 Abs. 1 AufenthG an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland orientiert unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem Erfordernis, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, kann ein öffentliches Interesse an der Beschäftigung eines bestimmten Ausländers etwa darin bestehen, dass er in einem Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt oder den Abbau von Arbeitsplätzen verhindert. Da das öffentliche Interesse ausdrücklich nur in begründeten Einzelfällen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen kann, muss es über das Interesse des Arbeitgebers an der Einstellung eines bestimmten ausländischen Arbeitnehmers (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1991 - 1 B 132.91 - Buchholz 402.240 § 10 AuslG 1990 Nr. 1 = juris Rn. 6 zum öffentlichen Interesse an der Beschäftigung eines Ausländers nach § 10 Abs. 1 und 2 AuslG 1990 i.V.m. § 5 Nr. 2, § 8 AAV) und erst recht über das private Beschäftigungsinteresse des Ausländers hinausgehen. Ein öffentliches Interesse ergibt sich im Falle des Klägers auch nicht aus außenpolitischen Gründen. Nach den Protokollrichtlinien des Auswärtigen Amtes haben ausländische Vertretungen seit Anfang 2013 nicht (mehr) die Möglichkeit zur Anwerbung eigener Staatsangehöriger im Entsendestaat, sondern können nur noch Ortskräfte einstellen, die im Besitz des hierfür erforderlichen Aufenthaltstitels sind (5.4.1 der Protokollrichtlinien). In Anwendung dieser Richtlinien hat das Auswärtige Amt der Beschäftigung des Klägers nur bis zum 8. August 2013 zugestimmt. 32 ee) Der Kläger erfüllt schließlich auch nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 (hier: BeschV) die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Weder ergibt sich eine (abstrakte) Erlaubnisfähigkeit der zustimmungspflichtigen Beschäftigung aus einer zwischenstaatlichen Vereinbarung noch erfüllt der Kläger als Ortskraft die Voraussetzungen für eine in der Beschäftigungsverordnung aufgeführte zustimmungsfähige Tätigkeit, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt. 33 2. Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet. Der Kläger ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit der Zustellung des angegriffenen Bescheids vollziehbar geworden, da Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben. Soweit die Behörde im gerichtlichen Verfahren die Vollziehung ausgesetzt hat, endet diese Aussetzung mit Abschluss des Gerichtsverfahrens. 34 Die dem Kläger von der Ausländerbehörde gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise ist nicht zu beanstanden. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 und 4 AufenthG ist dem Ausländer eine Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise zu setzen; unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls kann sie auch für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. Im Bescheid vom 2. Dezember 2013, der dem Kläger am 4. Dezember 2013 zugestellt worden ist, hat die Ausländerbehörde eine Frist bis zum 9. Januar 2014 gesetzt. Eine solche datumsmäßige Fixierung ist mit dem Gebot einer nach Tagen zu bestimmenden Ausreisefrist jedenfalls dann zu vereinbaren, wenn die Ausreisepflicht - wie hier - kraft Gesetzes vollziehbar ist. In diesem Fall wird die der Sache nach in Tagen gesetzte Ausreisefrist durch einen die aufschiebende Wirkung der Klage anordnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG unterbrochen und läuft mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erneut an (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 19.14 - BVerwGE 151, 377 Rn. 26). Entsprechendes gilt, wenn die Behörde - wie hier - zur Abwendung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO den Vollzug ihrer Entscheidung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens aussetzt. 35 Als Rückkehrentscheidung steht die Abschiebungsandrohung auch im Einklang mit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl. EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Sie ist nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreiseverbot verbunden (vgl. § 11 AufenthG). Offenbleiben kann, welche zeitlichen Anforderungen an die Anordnung eines Einreiseverbots im - hier nur in Betracht kommenden - Fall des Art. 11 Abs. 1 Buchst. b Rückführungsrichtlinie aus der Richtlinie folgen, ob das Einreiseverbot also etwa bereits zusammen mit der Rückkehrentscheidung (aufschiebend bedingt) angeordnet oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Abschiebung festgesetzt werden muss. Denn das Fehlen einer Entscheidung zum Einreiseverbot belastet den Kläger nicht und hat keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 1 C 17.17 - juris Rn. 24 m.w.N.). 36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladene nicht mit einem eigenen Antrag am Kostenrisiko beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt." bverwg_2018-55,21.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 55/2018 vom 21.08.2018 EN Bundesverwaltungsgericht bestätigt schleswig-holsteinische Abschiebungsanordnung gegen einen türkischen Gefährder Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klage eines islamistischen Gefährders gegen eine Abschiebungsanordnung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein abgewiesen. Das Ministerium hatte im Oktober 2017 die Abschiebung des 1989 in Deutschland geborenen türkischen Staatsangehörigen gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) angeordnet. Nachdem ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg hatte, wurde er Ende Januar 2018 in die Türkei abgeschoben. Das bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die Anordnung heute auch im Klageverfahren als rechtmäßig bestätigt. Nach § 58a AufenthG kann ein Ausländer zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorherige Ausweisung abgeschoben werden. Für die hierfür erforderliche, auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose bedarf es einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann. Diese Voraussetzungen sieht der Senat im Fall des Klägers auch nach neuerlicher Überprüfung auf der Grundlage einer Gesamtschau vielfältiger Anhaltspunkte und Indizien als erfüllt an. Der Kläger gehörte seit längerem der radikal-islamistischen Szene in Deutschland an, sympathisierte offen mit der terroristischen Vereinigung ""Islamischer Staat"" und unterhielt umfangreiche Kontakte zu anderen Islamisten. Auf seinen Smartphones war eine Vielzahl von Mediendateien mit gewaltverherrlichenden, menschenverachtenden Inhalten gespeichert. Mit eigenen Beiträgen in sozialen Medien hat er aktiv zur Radikalisierung anderer Nutzer beigetragen. Ein weiterer Hinweis auf eine erhebliche Gewaltbereitschaft war darin zu sehen, dass der Kläger immer wieder Waffen verschiedenster Art mit sich führte und zu Hause aufbewahrte. Abschiebungsverbote standen der Abschiebung nicht entgegen. Der Senat hat an seiner im vorläufigen Rechtsschutzverfahren getroffenen Einschätzung festgehalten, dass dem Kläger in der Türkei im Zeitpunkt der Abschiebung insbesondere keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Art. 3 EMRK) gedroht hat. Es war nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er in der Türkei wegen der in Deutschland gegen ihn - auch in einem Strafverfahren - erhobenen Vorwürfe inhaftiert werden würde. Auch war nicht davon auszugehen, dass ihm eine Bestrafung wegen beabsichtigter, in der Türkei nicht vorgesehener Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen drohen würde. Die Absicht einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen war unter den vorgenannten Umständen schon nicht glaubhaft. BVerwG 1 A 16.17 - Urteil vom 21. August 2018","Urteil vom 21.08.2018 - BVerwG 1 A 16.17ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1A16.17.0 EN Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 - 1 A 16.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:210818U1A16.17.0] Urteil BVerwG 1 A 16.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke, Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein 28-jähriger türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei. Der Kläger ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und befand sich vor seiner Abschiebung zuletzt im Besitz einer bis zum 14. April 2018 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Seit 2015 ist er mit der russischen Staatsangehörigen M. E. nach islamischem Ritus verheiratet. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zuletzt von Leistungen nach dem SGB II. 2 Mit Verfügung vom 16. Oktober 2017, dem Kläger anlässlich seiner Festnahme am 18. Oktober 2017 ausgehändigt, ordnete das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger dem jihadistischen Salafismus zuzurechnen sei und mit der terroristischen Vereinigung ""Islamischer Staat (IS)"" zumindest sympathisiere. Er besuche regelmäßig salafistisch geprägte Moscheen und habe an Seminaren von ""C. Y."" teilgenommen. Zu weiteren Personen, die dem islamistisch-salafistischen Spektrum zuzurechnen seien, unterhalte er engen Kontakt. Auf diversen Speichermedien des Klägers seien zahlreiche phänomenrelevante Audio-, Video- und Bilddateien aufgefunden worden. Der Kläger bewerbe und verbreite seine ideologische Überzeugung mittels sozialer Netzwerke, insbesondere ""Facebook"". Zudem habe er einen Hang zu Waffen aller Art. Er befürworte öffentlich Gewalt gegen ""Ungläubige"" und rufe zu Anschlägen auf. Diese Handlungen seien geeignet, andere Personen zu Anschlägen zu motivieren. Auch sei davon auszugehen, dass der Kläger zu denjenigen Personen gehöre, die die ""Hijra (Auswanderung)"" nicht vollzögen und sich daher verpflichtet sähen, selbst Anschläge zu verüben. Daraus ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von dem Kläger eine terroristische Gefahr sowie eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Aufgrund des Verhaltens des Klägers und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährdungslage überwiege bei der Ermessensentscheidung das Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers. Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich. 3 Am 25. Oktober 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben. Er bestreitet, dass von ihm eine Gefahr ausgehe. Mit dem Islam beschäftige er sich lediglich aus Gründen des persönlichen Interesses und der Klärung religiöser und philosophischer Fragen. In keiner Weise habe er sich mit dem Kampf gegen ""Ungläubige"" identifiziert, hierzu aufgerufen oder konkrete Vorbereitungen dazu getroffen. Die hierzu ermittelten Tatsachen seien nicht belastbar. Es gehe um Handlungen, welche er unbedarft und aus naivem Interesse für den Islam getätigt habe. Die Audio-, Video- und Bilddateien habe er auf sein Mobiltelefon geladen, um diese später im Hinblick auf die Glaubensausrichtung der Personen, die diese Texte verfasst haben, zu analysieren. Auch bei den über Facebook geteilten Texten handele es sich nicht um eigene Texte oder Meinungen, sondern ausschließlich um Texte, die er auf der Suche nach der richtigen Auslegung des Islams habe lesen und einschätzen wollen. Die Abschiebungsanordnung verstoße ferner gegen Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963. Eine ""Ausweisung"" dürfte nicht automatisch aus Gründen der Generalprävention, sondern nur aufgrund einer Ermessensentscheidung erlassen werden. Eine solche sei in der Abschiebungsanordnung nicht enthalten. Die Abschiebungsanordnung verletze ihn auch in seinen Rechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Mit seiner Lebenspartnerin sei er bereits nach islamischem Ritus verheiratet, beabsichtige auch eine staatliche Eheschließung und habe ein im April 2018 geborenes gemeinsames Kind. Darüber hinaus stünden seiner Abschiebung die in der Türkei zu erwartenden Haftbedingungen entgegen. Aufgrund der in Deutschland gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren sei zu erwarten, dass er auch in der Türkei als ""Gefährder"" eingestuft und deshalb inhaftiert und gefoltert werde. Als mutmaßlichem ""Gefährder"" drohe ihm - nach der in der Türkei beabsichtigten Wiedereinführung - sogar die Todesstrafe. Zudem drohe ihm nach der Abschiebung die Einberufung zum türkischen Militärdienst, den er trotz entgegenstehender Überzeugung nicht verweigern und sich nach der Abschiebung auch nicht mehr davon freikaufen könne. Zwar sei er nach erfolgter Abschiebung laut vorgelegter Bescheinigung ""für ein weiteres Jahr"" als nicht militärdiensttauglich eingestuft worden; er müsse aber im März 2019 nach erneutem Gesundheits-Check dort wieder vorstellig werden, andernfalls werde er festgenommen. Sein Lebensunterhalt sei nach der Abschiebung in die Türkei dort nicht gesichert. Er sei körperlich angeschlagen und seit dem Verfahren auch aus psychischen Gründen arbeitsunfähig; zudem erhalte er keine ""Yesil Card"" und damit keine staatliche Unterstützung. 4 Der Kläger beantragt, die Verfügung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Beklagten vom 16. Oktober 2017 aufzuheben. 5 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 6 Er verteidigt die angegriffene Verfügung. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht an dem Verfahren. 8 Mit Bescheid vom 13. November 2017 ordnete die Ausländerbehörde gegen den Kläger ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das mit Vollzug der Abschiebung wirksam werden sollte. Über den dagegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. 9 Mit Beschluss vom 16. Januar 2018 - 1 VR 12.17 - hat der Senat einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Am 26. Januar 2018 ist der Kläger in die Türkei abgeschoben worden. Mit Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 VR 4.18 , 1 PKH 29.18 - hat der Senat einen weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (nach § 80 Abs. 7 VwGO) und Rückgängigmachung der Vollziehung abgelehnt und mit Beschluss vom 8. August 2018 - 1 VR 9.18 - eine dagegen erhobene Anhörungsrüge zurückgewiesen. 10 Der Senat hat eine Liste mit Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand: Februar 2018) erstellt und den Beteiligten die darin aufgeführten Erkenntnismittel zur Kenntnis gebracht. 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten der Verfahren BVerwG 1 VR 12.17 , 1 VR 4.18 und 1 VR 9.18 , die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (MI), die Ausländerakte des Klägers (AA), die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Flensburg zum Strafverfahren 107 Js 12051/17 sowie - teilweise als Bestandteil der vorgenannten Ermittlungsakten - die Akten des Landeskriminalamts Schleswig-Holstein. II 12 Die Klage gegen die Verfügung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Beklagten vom 16. Oktober 2017 ist zulässig, aber unbegründet. 13 1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66 und 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 12). 14 2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Verfügung des Beklagten vom 16. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 15 Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollziehung der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat einer Abschiebung auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.). 16 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. 17 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). Die im vorliegenden Verfahren erneut erhobenen Einwände des Klägers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. 18 Art.  41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.  September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385) - ZP - steht der Anwendbarkeit von § 58a AufenthG unabhängig davon nicht entgegen, ob der Kläger sich (noch) auf den Schutz dieser Regelung berufen kann. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit des Art. 41 Abs. 1 ZP auf den Kläger und der Annahme, dass es sich bei § 58a AufenthG um eine ""neue Beschränkung"" im Sinne von Art. 41 Abs. 1 ZP handelt, wäre eine daraus resultierende Verschlechterung der rechtlichen Situation des Klägers aber jedenfalls gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Schaffung einer ""neuen Beschränkung"" nämlich dann nicht verboten, wenn diese ""durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Ziels zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht"" (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C 138/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2066], Dogan - Rn. 37). Dies ist vorliegend der Fall. § 58a AufenthG dient dem Schutz höchster Schutzgüter, ist geeignet das angestrebte Ziel zu erreichen und geht nicht über das notwendige Maß hinaus. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 58a AufenthG mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80, da eine Aufenthaltsbeendigung nach § 58a AufenthG jedenfalls aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art. 14 ARB 1/80 bzw. durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-225/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​725], Demir - NVwZ-RR 2014, 115 Rn. 40) gerechtfertigt ist (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 7.17 - NVwZ 2017, 1798 Rn. 45; s.a. - zu der mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgten Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung - BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 64). 19 2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung nicht angehört worden ist, denn eine Anhörung war vorliegend entbehrlich. 20 a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung hier entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, so dass § 87 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG SH -) in der Fassung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. Schl.-H. 1992, 243 und 534) anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 87 Abs. 2 LVwG SH kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). 21 Danach konnte hier auf eine Anhörung verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH). § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen ""Vorwarnung"" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil von dem Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Besondere atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 13 und vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17). 22 b) Auch nach Unionsrecht bedurfte es nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. 23 Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2336], Mukarubega - Rn. 40 bis 45). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebd. Rn. 45). 24 Danach bedurfte es auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird unter anderem bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 21). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet. 25 2.3 Die Verfügung ist auch materiell nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus. 26 a) Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21). 27 Der Begriff der ""terroristischen Gefahr"" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22). 28 Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im ""politischen/ideologischen Kampf"" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23). 29 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 24). 30 Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25). 31 Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 26.). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten ""Jihad"" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). 32 Für diese ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27). 33 Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). 34 Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29). 35 b) In Anwendung dieser Grundsätze ist aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose davon auszugehen, dass von dem Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausging, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden war. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen würde, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen. 36 (1) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16. Januar 2018 ausgeführt hat, gehörte der Kläger vor seiner Verhaftung der radikal-islamischen Szene in Deutschland an. Nach den Feststellungen der Landesbehörde für Verfassungsschutz Schleswig-Holstein hat er, wie er selbst einräumt (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10), seit dem Jahr 2014 regelmäßig die salafistisch geprägte F. C. Moschee in N. besucht (Bl. 161 MI). Soweit er behauptet hat, diese Moschee unabhängig von deren Ausrichtung auf eine bestimmte islamische Glaubensrichtung besucht zu haben, weil er dort aufgrund der 24-Stunden-Öffnung zu jeder Zeit einkehren könne, erscheint dies in Zusammenschau mit den weiteren im Folgenden angeführten Erkenntnissen und Wertungen nicht glaubhaft, zumal der Kläger nach den Feststellungen der Verfassungsschutzbehörde zu den maßgeblichen Akteuren im Umfeld der Moschee gezählt und darüber hinaus gelegentlich auch die ebenfalls salafistisch geprägte Moschee Islamisches Zentrum L. besucht hat (Bl. 161 MI). 37 Zudem reiste der Kläger mindestens zweimal nach H. zum Deutschsprachigen Islamkreis H. e.V. (...) und nahm im Zeitraum vom 31. Dezember 2015 bis 1. Januar 2016 sowie vom 25. bis 28. März 2016 an Seminaren des bundesweit bekannten sogenannten Hasspredigers C. C. alias ""C. Y."" teil. Dieser war Imam in der Moschee des zwischenzeitlich rechtskräftig verbotenen Vereins ..., der unter anderem eine Anlaufstelle für jihadistische Salafisten darstellte und aus dessen Umfeld mehrere Personen zum ""IS"" in das Kriegsgebiet nach Syrien ausreisten (Bl. 162 MI, vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 1 VR 5.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 8 Rn. 37). Gegen ""C. Y."" wurde am 10. Juli 2017 Anklage unter anderem wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung ""IS"" (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 129b StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Abs. 1 StGB) erhoben (Bl. 161 MI). Einer der Teilnehmer des Seminars im März 2016 war nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden auch der spätere Attentäter Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 einen Anschlag auf Besucher eines Weihnachtsmarktes in Berlin verübte (Bl. 161 MI). Den Besuch der Seminare räumt der Kläger ein (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10). Soweit er dabei behauptet, ihm sei Anis Amri dort weder aufgefallen, noch habe er mit diesem persönlichen Kontakt gehabt, ist dies unerheblich, weil die Seminarteilnahme unabhängig von diesem Kontakt die Zugehörigkeit des Klägers zur jihadistischen-salafistischen Szene in Deutschland belegt. 38 Der Kontakt des Klägers zu ""C. Y."" ging über die bloße Seminarteilnahme hinaus. So ergab die Auswertung des vom Kläger genutzten iPhones 5s, dass zwischen dem von ihm genutzten Telegram-Account und dem von ""C. Y."" genutzten Telegram-Account von Februar bis Mai 2016 und im Juli 2016 ein Chat-Kontakt bestand. Neben religiösen Fragestellungen fragte der Kläger im Rahmen dieser Kommunikation bei ""C. Y."" am 16. April 2016 an, ob dieser zum Freitagsgebet ""bei uns"" predigen kommen könne, was dieser jedoch ablehnte, weil er bis zu dem am 10. Mai 2016 endenden Seminar ""leider"" nicht könne. Am 7. Mai 2016 wiederholte der Kläger seine Anfrage (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 9 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Bl. 372 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 11 und 52 f.). Diese Erkenntnisse widerlegen die zunächst vom Kläger aufgestellte (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10), später von ihm selbst revidierte Behauptung (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 12), er habe keinen persönlichen Kontakt bzw. persönliche Chat-Korrespondenz zu ""C. Y."" unterhalten. Sie belegen zugleich die von den Verfassungsschutzbehörden festgestellte Rolle des Klägers als Akteur im Umfeld der F. C. Moschee in N. Der Einwand des Klägers, er habe zum Zeitpunkt der Kommunikation nicht um die Rolle des ""C. Y."" als Hassprediger gewusst (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 12), erscheint angesichts des hohen Bekanntheitsgrades des ""C. Y."" in der Salafistenszene und der Tatsache, dass die Kommunikation nach der Seminarteilnahme des Klägers stattfand, unglaubhaft. Hinzu kommt, dass der Kläger am 8. Mai 2016 gegenüber ""C. Y."" im Rahmen der Chat-Kommunikation äußerte, er habe gehört, dass [bei dem Seminar des ""C. Y.""] ""viele Bullen"" dagewesen seien (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 52), was verdeutlicht, dass er die Rolle des ""C. Y."" richtig einordnen konnte. Dass der Kläger seine Sympathiebekundungen gegenüber ""C. Y."" auch noch nach dessen Verhaftung und der gegen ihn erfolgten Anklageerhebung uneingeschränkt aufrechterhalten hat, geht aus einem Eintrag des Klägers vom 26. September 2017 in der Facebook-Gruppe ""Free our sisters - Fukuu Akhwatina"" hervor. In der Gruppe postete er auf einen Beitrag, der den Beginn des Gerichtsprozesses gegen ""C. Y."" zum Gegenstand hatte, den Wunsch: ""Möge Allah jeden einzelnen V-Mann verräter Heuchler die für die kuffar arbeiten sehr schlimm im Diesseits & jenseits bestrafen [...] die dawa geht hinter Gitter weiter [Fehler im Original]"" (Bl. 440 f. MI). 39 Überdies stand der Kläger nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Kontakt zu einer Vielzahl weiterer Islamisten. So ergab die Auswertung seines Mobiltelefons iPhone 5s, dass er im Zeitraum von August 2016 bis Juni 2017 wiederholt mit einer Person in Kontakt stand, die sich im Kriegsgebiet aufhielt und von dort berichtete (""du konntest verbranntes Fleisch riechen von weiten"", vgl. Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 46 bis 50; Bl. 315 MI). Diese Person konnte im Zuge der Ermittlungen als R. P. identifiziert werden, der im April 2016 nach Syrien ausgereist war und sich dort der Nusra-Front (= Terrororganisation, die sich mit dem ""IS"" verbündet hat) angeschlossen hatte (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 8 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Ermittlungsvermerk vom 4. Januar 2018 S. 1 bis 3, Bl. 368 ff. Gerichtsakte). Der Kläger hat zwar eingeräumt, dass er R. P. in der N.er Moschee getroffen und ihm gestattet habe, einmal in seiner Wohnung zu übernachten. Er hat aber behauptet, über dessen weiteren Verbleib nichts zu wissen und keinen Kontakt zu ihm zu haben (Schriftsätze vom 25. Oktober 2017 S. 12 und vom 17. November 2017 S. 12), was jedoch durch die zuvor angeführten Erkenntnisse und mehrere auf dem Mobiltelefon des Klägers sichergestellte Bildaufnahmen des R. P., darunter eine Aufnahme, auf der beide gemeinsam mit ausgestrecktem Zeigefinger abgebildet sind (eine häufig von den Anhängern des ""IS"" verwendete Geste), widerlegt ist (Bl. 313 und 314 MI). 40 Engen Kontakt unterhielt der Kläger auch zu O. W., der 2012 im Zusammenhang mit einer gewalttätigen salafistischen Demonstration in Bonn wegen Landfriedensbruchs sowie Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt und im August 2013 an der Ausreise in das syrische Kriegsgebiet gehindert worden war (Schriftsatz vom 3. Januar 2018 S. 4). Zuletzt wurden der Kläger und O. W. zusammen am 12. Mai 2017 als Beschuldigte in der Tatortnähe eines Wohnungseinbruchdiebstahls (Bl. 18 bis 22 MI) und am 7. Juli 2017 anlässlich eines Geschwindigkeitsverstoßes als Beifahrer und Fahrer in einem Fahrzeug festgestellt (Bl. 45 f. MI). Nach der Festnahme des Klägers informierte O. W. die nach islamischem Ritus angetraute Frau des Klägers von dessen Inhaftierung (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Verdeckte Maßnahmen Bl. 61 f.). 41 Des Weiteren stand der Kläger mit einer Person namens ""W. O."" in Kontakt, die durch die Ermittlungsbehörden als V. W. C. identifiziert werden konnte, der von den niedersächsischen Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestuft wird (Schriftsatz vom 3. Januar 2018 S. 4; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 736). Mit diesem tauschte er sich im Zeitraum vom 20. bis 22. Oktober 2016 über die Kampfhandlungen des ""IS"" im Bereich der nordirakischen Stadt Kirkuk aus, wobei die Kämpfer des ""IS"" heroisiert wurden, und teilte am 29. Mai 2017 den Wunsch nach der Freilassung des ""C. Y."" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 259 bis 261 und 308). 42 Weitere - für die Gefahrenprognose relevante - Erkenntnisse folgen aus den beim Kläger sichergestellten Gegenständen. Im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahme wurde am 9. Juni 2017 in der Wohnung des Klägers unter anderem eine schwarze Flagge, auf der auf Arabisch in weißen Buchstaben das islamische Glaubensbekenntnis gezeigt wird, aufgefunden. Diese Flagge ist ein Symbol für den offensiv verstandenen Jihad und kennzeichnet die Verwender als Anhänger eines wieder zu errichtenden Kalifats, mithin des durch den ""IS"" verfolgten Ziels (Bl. 89 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 38 f.). Eine solche Flagge wurde bereits anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 21. Januar 2016 zusammengefaltet im Wohnzimmerschrank des Klägers aufgefunden und beschlagnahmt (Bl. 50 bis 52 MI). Außerdem wurden bei der Durchsuchung am 9. Juni 2017 eine Mütze mit ""IS""-Symbolik (Bl. 84 und 93 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 36) und ein bei ""IS""-Sympathisanten beliebter Prophetensiegelring (Bl. 91 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 37 f.) aufgefunden. Der Einwand des Klägers, er habe den Siegelring und die Flagge schon jahrelang in seinem Besitz, ohne dass ihm bewusst gewesen sei, dass es sich um dem ""IS"" zugehörige Symbole handele (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 12 f.), ist im Hinblick auf die festgestellten zahlreichen weiteren Erkenntnisse, welche die Sympathie des Klägers mit dem ""IS"" belegen, nicht glaubhaft. Entgegen der Darstellung des Klägers befand sich die Flagge (zumindest am 9. Juni 2017) auch nicht etwa zusammengefaltet im Schrank, so dass sie für Besucher seiner Wohnung nicht sichtbar war (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13), sondern hing - wie auf einem Lichtbild von der Wohnungsdurchsuchung erkennbar - offen sichtbar an der Wand des Wohnzimmers (Bl. 89 MI). Diese nachweisliche Feststellung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass sich Herr P. I., der nur einmal Anfang 2016 in der Wohnung des Klägers gewesen ist, und Herr C. D. nicht erinnern können, im Wohnzimmer des Klägers je diese Flagge gesehen zu haben (vgl. Gerichtsakte 1 VR 4.18 , Bl. 49 und 51). Mit dem Siegelring an der Hand wurde der Kläger am 24. März 2017 anlässlich einer Verkehrsunfallaufnahme angetroffen (Bl. 53 bis 56 MI). Auch die auf seinem Mobiltelefon festgestellten Bilder bestätigen, dass er den Siegelring und die ""IS""-Mütze trug (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 685; Bl. 437 MI). 43 Auf dem vom Kläger verwendeten, im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung ebenfalls sichergestellten iPhone 5s wurden zahlreiche Mediendateien mit jihadistisch-salafistischen Inhalten festgestellt. Auf dem Handy wurden nach der vorläufigen Auswertung der Sicherheitsbehörden 133 Audiodateien mit radikal-islamistischen Inhalten, insbesondere sogenannte Naschids, welche mit der Bezeichnung ""IS"" versehen sind, sichergestellt (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 2 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Dabei handelt es sich um Propaganda- und Kampflieder für den gewaltsamen Jihad, welche der Kläger auch regelmäßig - wie im Rahmen der PKW-Innenraumüberwachung festgestellt werden konnte - gehört hat (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 326 f.). Soweit der Kläger behauptet, er könne die Inhalte und Bedeutung dieser Lieder nicht verstehen und mithin keine Wertung damit verbinden, weil er der arabischen Sprache nicht mächtig sei (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 11 f.), handelt es sich nach Wertung des Senats um eine Schutzbehauptung. Zum einen waren auf dem iPhone 5s des Klägers auch türkisch- und deutschsprachige Naschids gespeichert (vgl. LKA Schleswig-Holstein, Islamwissenschaftliche Bewertung von mehreren auf dem Handy des Klägers gespeicherten Videos vom 29. September 2017, S. 13 f. und 18 = Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 181 f. und 186). Zum anderen war dem Kläger selbst dann, wenn er die arabischsprachigen Naschids nicht verstehen konnte, zumindest deren grundlegende Ausrichtung bekannt. Hierfür spricht bereits, dass diese Audio-Dateien mit der Bezeichnung ""IS"" versehen waren. Zudem befanden sich auf den Mobiltelefonen des Klägers auch Videos mit ""IS""-Propaganda, die ebenfalls mit Naschids hinterlegt waren, so dass jedenfalls in der Zusammenschau von bewegten Bildern und Gesängen die jihadistische Bedeutung der gewaltverherrlichenden Naschids als solche ohne Weiteres erkennbar war. Auch die Regelmäßigkeit, mit der der Kläger Naschids gehört hat, spricht ganz maßgeblich dafür, dass er um deren Bedeutung wusste. 44 Insgesamt wurden im Rahmen der vorläufigen Auswertung auf dem iPhone 5s 81 als relevant eingestufte Videos gesichert, worunter sich neben ""IS""-Propaganda-Videos auch Amateuraufnahmen aus den Kampfgebieten befanden. Dass es sich dabei um jihadistisch-salafistische Inhalte handelt, wird etwa dadurch deutlich, dass in einem der Videos das Selbstmordattentat eines elfjährigen Kindes glorifiziert wird, in einem anderen zur Tötung des bekannten deutschen salafistischen Predigers R. X. aufgerufen wird, nachdem dieser Terroranschläge als ""unislamisch"" bezeichnet hatte, und in weiteren Videos mit Kampf- und grausamen Hinrichtungsszenen für den Anschluss an den ""IS"" geworben wird und Selbstmordanschläge abgebildet sind. In einigen Videos wird F. E. dargestellt, ein Deutscher, der sich im April 2014 dem ""IS"" angeschlossen hat und in einem der Videos Deutschland mit Anschlägen bedroht (""Die deutschen Schläfer warten.""; Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 1 f. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Islamwissenschaftliche Bewertung von mehreren auf dem Handy des Klägers gespeicherten Videos = Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 169 ff.). 45 Ferner stellten die Ermittlungsbehörden auf dem Mobiltelefon mehr als 25 000 als relevant eingestufte Bilder fest, darunter jihadistisch-salafistische und ""IS""-Propagandaaufnahmen, Hinrichtungsbilder, Selbstaufnahmen des Klägers (u.a. mit ""IS""-Mütze und Prophetensiegelring sowie in Kämpferpose), Bilder von Waffen und Kampfkleidung, Screenshots von Nachrichtenmeldungen über Terroranschläge in Europa (z.B. Paris, Berlin, Nizza, Ansbach). Auf einer Abbildung, auf der ein am Boden liegendes Opfer des Terroranschlags von London zu sehen ist, ist ein Tränen lachender Smiley und der Kommentar ""Parr besoffene Hunde von London Eine Kreuzler Turirist am Sterben LACH MINUTE AN DIE OPFER [Fehler im Original]"" eingefügt worden, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, dass man sich über die Opfer des Terroranschlags lustig macht (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 2 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 66 ff., 120 und 148 ff.). 46 Die Einwände des Klägers, er bestreite die Anzahl der Bild-, Video- und Audiodateien, weil sein Handy nur 16 GB Speicher habe, zudem kenne er die Vielzahl der Inhalte nicht und vermute, dass diese aus dem ""Hintergrundspeicher"" des Mobiltelefons stammen könnten (Schriftsätze vom 25. Oktober 2017 S. 11 und vom 17. November 2017 S. 16 f.), stellen nicht die Annahme infrage, dass er eine große Vielzahl solcher Dateien bewusst und gewollt auf sein Smartphone geladen und dort abgespeichert hatte. Zum einen sind die Dateien auf dem Gerät tatsächlich gesichert worden. Das weitere Vorbringen des Klägers ist als bloße Schutzbehauptung zu werten, weil es unglaubhaft erscheint, dass jemand auf seinem täglich genutzten Mobiltelefon eine solche Anzahl von Mediendateien mit sich führt, ohne diese - und sei es im Rahmen von Chats - zu einem großen Teil auch angesehen bzw. angehört zu haben. Dass dem Kläger bewusst war, dass sich auf seinem Mobilfunkgerät für die Ermittlungsbehörden relevante Daten befinden, wird auch aus einem Telegram-Chat vom 11. August 2016 deutlich, in dem sich der Kläger nach Möglichkeiten erkundigte, ein Handy bzw. WhatsApp-Verläufe zu löschen, wenn ein Mobiltelefon beschlagnahmt wurde (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 7 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). 47 Nur drei Wochen nach der Sicherstellung des iPhones 5s wurde am 30. Juni 2017 erneut ein vom Kläger genutztes Mobiltelefon beschlagnahmt. Auf diesem Gerät, einem iPhone 7, wurden wiederum relevante Inhalte festgestellt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um drei verschiedene Banner bzw. Flaggen von terroristischen Organisationen (""Al-Qaida"" in Nord-Algerien, ""Kaukasisches Emirat"" und ""Al-Nusra-Front""), sechs Videos mit Naschid-Gesängen mit jihadistischem Inhalt und ein ""IS""- Propaganda-Video mit Kampfszenen und 18 aus der Luft aufgenommenen, heroisch dargestellten Selbstmordattentaten. Außerdem ergab die Auslesung des Mobiltelefons, dass der Kläger Webseiten mit Hinrichtungsvideos besucht hat (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). 48 Darüber hinaus verbreitete und bewarb der Kläger nach den Erkenntnissen der schleswig-holsteinischen Landesbehörde für Verfassungsschutz über ein von ihm genutztes Facebook-Profil über einen längeren Zeitraum und mit zunehmender Radikalisierung jihadistisch-salafistische Inhalte bzw. Inhalte islamistisch-terroristischer Gruppierungen, insbesondere des ""IS"", und rief dabei offen zu Gewalt gegen ""Ungläubige"" auf (Bl. 160 ff. MI). So postete er am 21. Oktober 2015 als Profilbild einen anscheinend gottesfürchtigen Kämpfer mit dem Spruch ""Ich werde mit Männern kommen, die den Tod mehr lieben wie ihr das Leben."" Dabei handelt es sich ausweislich der nachvollziehbaren islamwissenschaftlichen Einschätzung, die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht, um ein beliebtes Motiv bei jihadistischen Salafisten, mit dem die Jihadisten propagandistisch heroisiert und als Vorbild präsentiert werden, da sie als ""wahre"" Muslime bereit seien, sich Gott und dem Islam zu opfern (Bl. 78 und 168 MI). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein Facebook-Nutzer mit seinem Profilbild unter Facebook agiert, z.B. damit bei Veröffentlichungen oder Postings in Facebook-Gruppen visuell in Erscheinung tritt, da zusammen mit dem eingestellten Beitrag jeweils der Name und (in kleinem Format) das Profilbild des Verfassers angezeigt wird, wodurch auch die über das Profilbild transportierte Nachricht weiterverbreitet wird. 49 Am 19. November 2015 stellte der Kläger unter seinem Facebook-Profil einen Beitrag in die Facebook-Gruppe ""Konvertierte Muslime"" ein, in welchem drei aneinandergereihte übersetzte Koran-Verse (Sure 2, Vers 191; Sure 4, Vers 89 und Sure 8, Vers 12), denen gemein ist, dass sie - zumindest wenn man allein den Wortlaut der übersetzten Fassungen betrachtet - zur Tötung von ""Ungläubigen"" aufrufen, mit dem Resümee verbunden sind: ""Durch die eben zitierten Verse lässt sich über die zwei Arten von Muslimen folgendes feststellen: Die friedlichen Moslems lügen Die gewalttätigen Muslime verhalten sich genau so, wie es ihnen zweifelsfrei vorgeschrieben wird und sind damit die 'wahren' Gläubigen [Fehler im Original]"" (Bl. 166 f. MI mit zugehörigem Beleg auf Bl. 198 MI). 50 In einem am 23. November 2015 unter seinem Profil veröffentlichten Beitrag bringt der Kläger seine unmissverständliche Sympathie mit dem ""IS"" zum Ausdruck. Dieser stehe im Einklang mit dem Islam (""so sieht man NICHTS was dem Islam widerspricht"", ""Entweder man stand zu ihnen und steht jetzt immer noch zu ihnen oder man teilte NIE mit Ihnen den selben Gedanken. Aber bitte keine Heuchelei!!! Ja3ni es sind Muslime zu 100 %!"" [Fehler im Original]), wobei er auch die Ermordung eines jordanischen Piloten, der durch den ""IS"" in einen Käfig gesperrt bei lebendigem Leib verbrannt wurde, als legitim erachtet (""... dass die Art und Weise wie der Pilot getötet wurde, eine Grundlage im Islaam hat. [Fehler im Original]"" ). 51 Am 2. Januar 2016 - mithin nur einen Tag nach der Teilnahme an dem Seminar des ""C. Y."" - stellte der Kläger unter seinem Profil eine Grafik ein, auf der in der Reihenfolge von oben nach unten in arabischer Schrift das islamische Glaubensbekenntnis (Schahada), ein Ritter mit einem Schwert in der rechten Hand haltend, der Schriftzug ""Fisabilillah"" (übersetzt: ""Auf dem Wege Gottes"") und ein Schwert abgebildet sind. Nach der nachvollziehbaren islamwissenschaftlichen Einschätzung, die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht, stellen diese Motive den Jihad im Sinne des bewaffneten Kampfes im Namen der Religion dar (Bl. 76 und 173 MI). 52 Der Kläger brachte seine radikal-islamische Überzeugung ferner dadurch zum Ausdruck, dass er über sein Facebook-Profil am 17. Juni 2016 in einer Facebook-Gruppe einen Link zum Telegram-Kanal und in einem Beitrag vom 14. Juli 2016 einen Link zur Internetseite des bereits oben erwähnten Hasspredigers ""C. Y."" veröffentlichte, damit bewarb und zu einer möglichen weitergehenden Radikalisierung anderer Nutzer beitrug (Bl. 179 mit den zugehörigen Belegen auf Bl. 226 bis 227 MI). 53 Im Jahr 2017 ist eine weitere Zunahme der Radikalisierung des Klägers zu verzeichnen. Am 28. Mai 2017 stellte er unter seinem Facebook-Profil ein Foto ein, welches er zeitweise auch als Profilbild verwendete, auf dem eine Person abgebildet ist, die offenbar unmittelbar vom Gebet kommend zu einem Sturmgewehr greift (Bl. 168 MI). Die entgegenstehende Behauptung des Klägers, es handele sich nicht um sein eigenes Profilbild (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 13), ist dadurch widerlegt, dass dieses Bild bei der Auswertung des vom Kläger genutzten Facebook-Profils sichergestellt worden ist, wobei das Bild mehrfach auch als Profilbild neben dem vom Kläger verwendeten Nutzernamen zu erkennen ist (Bl. 167 f. MI). In einem Beitrag vom 3. Juni 2017, den der Kläger unter anderem in den jeweils über 20 000 Mitglieder zählenden Facebook-Gruppen ""Islam"" und ""Geschwister im Islam"" veröffentlichte, verbreitete er zunächst in Form eines Bittgebets (arab. ""Douaa""), in dem er die ""IS""-Kämpfer (als Mudschahedin bezeichnet) verherrlicht, die Aufforderung, für diese Kämpfer zu beten: ""[...] Schämt euch nicht Douaa für die Mujaheddin zu machen, für diejenigen die Ihre Heimat und Familien verließen um dieser Religion und der Ummah zum Sieg zu verhelfen. Die Sterne sind Ihre Decke und der Kalte harte Boden ist Ihre Matratze. Sie stehen den Feinden ALLAHs Tag und Nacht gegenüber. Sie ertragen den ekelhaften Sound der Jets über Ihnen und deren Bombadierungen. Es gibt niemanden Heute der wie Sie ist!!! Bittet ALLAH ta ALA das er den Mujaheddin den Sieg gibt und bittet ALLAH azza wa jall das die Frauen der Kuffar Witwen werden, so wie unsere Schwestern Witwen wurden!! Bittet ALLAH azza wa jall das Ihre Kinder Weisen werden sowie unsere Kinder Weisen wurden !!! Schämt euch nicht ALLAH darum zu bitten und tut es mit YAQIN! [Fehler im Original]"". 54 Unmittelbar daran schließt sich im Rahmen dieses Bittgebets eine Sympathiebekundung zu terroristischen Anschlägen des ""IS"" gegen die ""Ungläubigen"" (arab. kuffār) in verschiedenen Städten der arabischen und westlichen Welt an: ""Bittet ALLAH ta ALA das die Mujaheddin das Blut der Kuffar in den Straßen von Bagdad, Mossul, Fallujah, Aleppo, Raqqa, London, New York, Rom, Berlin fließen lassen !!! Macht die Douaa mit Yaqin und wisset das noch bevor Ihr die Hände runter macht ALLAH irgendwo auf der Welt Antworten wird! [Fehler im Original]"". 55 Es folgt ein Aufruf an diejenigen, die nicht in die Kriegsgebiete des ""IS"" reisen können (""Hijra"" bzw. ""Hidschra"" = Auswanderung), einen terroristischen Anschlag vor Ort zu verüben und die nächsten ""Ungläubigen"", die ihnen über den Weg laufen, zu töten: ""[...] Ya Akhil Muslim wenn du nicht die Hijra in den Islamischen Staat machen kannst, sodann leg dein ganzes Vetrauen in ALLAH. Sag LA ILAHA ILA ALLAH und beseitige die nächsten Kuffar denen du über den Weg läufst. [...] [Fehler im Original]"" (Bl. 164 bis 166 MI mit den zugehörigen Belegen auf Bl. 192 bis 195 MI). 56 Am 6. Juni 2017 stellte der Kläger in die Facebook-Gruppe ""Islam"" das folgende Zitat als Graphik ein: ""Es ist eine komische Ummah, in der niemand den Jihad führt, ausser die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand die Scharia gründen will, ausser die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand den Ungläubigen Angst einjagt, außer die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand beim sterben lächelt, ausser die Khawarij. [Fehler im Original]"" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. I Bl. 5 und 13). 57 Durch dieses Zitat wird die muslimische Gemeinschaft (""Ummah"") kritisiert, weil mit Ausnahme der ""Khawarij"" (Bezeichnung für Mitglieder eines extremistischen Islam-Verständnisses) niemand bereit sei, den Jihad zu führen und nach der Scharia zu leben. 58 Der Kläger räumt ein, die Texte über das Facebook-Profil unter dem Fantasienamen ""O. R."" eingestellt zu haben (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13 f.). 59 Hinzu kommt, dass der Kläger zahlreiche radikale Beiträge anderer Facebook-Nutzer mit ""gefällt mir"" gekennzeichnet hat. So markierte er ein Bild mit ""gefällt mir"", auf dem vier Reiter zu sehen sind. Das Bild ist - wie auch das bereits oben dargestellte Profilbild vom 21. Oktober 2015 - überschrieben mit: ""Ich werde mit Männern kommen, die den Tod mehr lieben, als ihr das Leben"" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 448). Auch markierte der Kläger ein Bild mit ""gefällt mir"", welches mit dem Namen R. X. überschrieben ist und den folgenden Text enthält: ""Wir rechnen mit allem, man muss aber eins wissen, wir gehen keinen Millimeter zurück, egal was es kostet, auch wenn es das Leben kostet"" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 449). 60 Der Kläger warb für seine Einstellung nicht nur über die sozialen Netzwerke, sondern auch in persönlichen Gesprächen. Dabei beließ er es nicht bei einem bloßen Werben, sondern kritisierte die eigene Untätigkeit mit Blick auf die vielen durch ""Ungläubige"" getöteten Muslime. Im Rahmen einer gemeinsamen Autofahrt mit mehreren türkischsprachigen Personen am 1. September 2017, sagte (vermutlich) der Kläger beispielsweise: ""Die Ungläubigen haben voll viele Muslime verbrannt und umgebracht ... da zählt jede Sekunde und wir sitzen hier ..."" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Wohnraum- und Fahrzeuginnenraumüberwachung II Bl. 190). 61 Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass diese Äußerung nicht von ihm stammt, so ist zumindest zu berücksichtigen, dass der Kläger, in dessen Fahrzeug das Gespräch stattfand, dem in keiner Weise entgegengetreten ist. 62 Für eine Gewaltbereitschaft des Klägers spricht auch sein ständiger Umgang mit Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen, die er wiederholt mit sich geführt bzw. zu Hause aufbewahrt hat. Anlässlich einer Verkehrskontrolle am 11. September 2013 in N. wurde der Kläger mit einem Einhandmesser, einem Teleskopschlagstock und einem Tierabwehrspray angetroffen (Bl. 26 und 27 MI). Am 14. April 2014 wurde bei einer Verkehrskontrolle im vom Kläger geführten Fahrzeug eine Machete mit einer Klingenlänge von 55 cm festgestellt (Bl. 28 und 29 MI). Am 10. März 2015 transportierte er in seinem Fahrzeug (dieses Mal in einem verschlossenen Behältnis) einen Teleskopschlagstock und ein ""Pfefferspray"" (Bl. 30 bis 32 MI). Auch am 8. November 2015 wurde er mit einem Teleskopschlagstock angetroffen (Bl. 33 und 34 MI). Anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 21. Januar 2016 wurde in der Wohnzimmerschrankwand des Klägers ein Schreckschussrevolver der Marke Röhm aufgefunden, weshalb die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel mit Datum vom 27. Januar 2017 Anklage wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe erhoben hat (Bl. 35 und 36 MI; Anklageschrift im Verfahren 588 Js 12162/16 vom 27. Januar 2017, Anlage zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Im Zusammenhang mit der Aufklärung eines Wohnungseinbruchdiebstahls, bei dem der Kläger als Beschuldigter geführt wird und in der Nähe des Tatorts festgestellt wurde, fand man bei ihm am 12. Mai 2017 ein Gürtelschnallenmesser. Dabei handelt es sich um eine sogenannte ""Tarnwaffe"" in Form eines Gürtels, dessen Gürtelschnalle aus einem feststehenden Messer mit einer Klingenlänge von 5,5 cm besteht (Bl. 37 bis 39 MI). Ein ebensolches Gürtelschnallenmesser wurde - obwohl am 12. Mai 2017 eine Sicherstellung des dort aufgefundenen Messers erfolgte - auch im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 aufgefunden. Daneben wurden diverse Messer in der Anbauwand und eine Machete im Wohnzimmer festgestellt. Im Spalt der Klappe des neben der Wohnungseingangstür befindlichen Sicherungskastens steckte griffbereit ein Messer (Bl. 83 ff. MI). 63 Relevant ist weiterhin, dass der Kläger sich bereits einmal wegen einer von ihm hervorgerufenen Bedrohungslage im Gewahrsam befand. Am Nachmittag des 9. Juni 2017 kam es zu einem Disput zwischen dem Kläger und einem Polizeibeamten, der im Rahmen der Observation des Klägers von diesem aufgedeckt worden war. Der Kläger beendete den Disput mit der Äußerung, dass er noch am Abend zur ""..."" (ein Stadtfest, das zu diesem Zeitpunkt in N. stattfand) gehen wolle und es dort ""richtig krachen"" werde. Aufgrund dieser Ankündigung, die zusammen mit den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen über radikal-islamistische Äußerungen des Klägers im Internet von den Ermittlungsbehörden als ernsthafte Ankündigung eines möglichen Terroranschlags auf das Stadtfest aufgefasst wurde, kam es noch am Abend desselben Tages zur richterlich angeordneten Ingewahrsamnahme des Klägers und zur Durchsuchung seiner Wohnung. Nach Beendigung des Stadtfestes wurde der Kläger am Abend des 11. Juni 2017 wieder aus dem Gewahrsam entlassen (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. I Bl. 40 f.). 64 (2) Angesichts der vorstehend festgestellten Tatsachen, die sich auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden stützen, hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger seinen über einen langen Zeitraum gebildeten und bekundeten Überzeugungen auch Taten folgen lässt und einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. 65 Die Gesamtschau der den Kläger betreffenden Erkenntnisse ergibt, dass sich der Kläger seit 2014 zunehmend islamistisch radikalisiert hat und mit der terroristischen Vereinigung ""IS"" und dem von dieser propagierten bewaffneten Kampf (Jihad) sympathisiert. Die auf den Mobiltelefonen des Klägers gefundenen unzähligen ""IS""-Propaganda und grausame Gewalttaten darstellenden Bilder, Videos und Texte, zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Kläger dem jihadistisch-salafistischen Spektrum zuzuordnen ist und eine sehr ausgeprägte Sympathie für den ""IS"" hegt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die islamwissenschaftlichen Bewertungen der auf den Mobiltelefonen gespeicherten Bilder (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 683 ff.), Videos (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 697 ff.) und Textdokumente (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 718 ff.), die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht. Darüber hinaus war auf den Mobiltelefonen des Klägers eine sehr große Anzahl an Naschids gespeichert, welche er auch fortwährend gehört hat. Die tiefe Verwurzelung des Klägers im jihadistischen Salafismus wird auch dadurch eindrucksvoll belegt, dass er nach Beschlagnahme seines iPhones 5s im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 binnen weniger Wochen erneut diverse phänomenrelevante Bild- und Videodateien auf sein neues Mobiltelefon (iPhone 7) geladen hatte (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). 66 Der Kläger belässt es nicht bei einer innerlichen Identifikation mit dem jihadistischen Salafismus und ""IS"", sondern trägt seine extreme ideologische Überzeugung bewusst nach außen. Die zahlreichen Facebook-Einträge des Klägers - die im Laufe der Zeit immer radikalere Tendenzen aufweisen - belegen dies. Wer, wie der Kläger, den Bereich einer rein innerlichen Identifikation mit einer Ideologie verlässt, die seine Anhänger zum Handeln (""Jihad"") auffordert, hat einen großen Schritt dahin getan, seiner Einstellung auch eigene Taten folgen zu lassen. Den Einwand des Klägers, es handele sich bei den Facebook-Einträgen nicht um eigene Meinungen, die er damit habe kundtun oder anderen mitteilen wollen, sondern um ein Sammelsurium von Texten, die ihn interessierten und die er auf der Suche nach der richtigen Auslegung des Islam habe lesen und einschätzen wollen (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13 f.), wertet der Senat als Schutzbehauptung. Das Facebook-Profil des Klägers enthält zahlreiche Einträge, die dem militanten Salafismus zuzurechnen sind (vgl. auch Islamwissenschaftliche Bewertung des Facebook-Profils vom 19. Mai 2017 = Bl. 73 ff. MI). Er hat überdies eine aktive Rolle bei der Indoktrinierung und Radikalisierung anderer Facebook-Nutzer eingenommen. Ein nur beiläufiges, sich auf die eigene Information beschränkendes Interesse wird allein hierdurch widerlegt. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie ausgeführt, zahlreiche radikale Beiträge anderer Facebook-Nutzer mit ""gefällt mir"" gekennzeichnet hat und so eindeutig zu verstehen gibt, dass er sich mit diesem Gedankengut identifiziert und dies in dieser Weise auch nach außen kenntlich machen will. 67 Dass sich der Kläger - im Laufe seiner Radikalisierung - zuletzt nicht mehr damit zufrieden gegeben hat, für seine ideologische Einstellung zu werben, sondern immer deutlicher auch zu Anschlägen aufgefordert hat, verstärkt die von ihm ausgehende Gefahr einer eigenen Tat erheblich. Sein Verhalten ist von einer einstmals passiven Ausrichtung zunehmend ins Aktive umgeschlagen. 68 Die auf den Mobiltelefonen des Klägers festgestellten Bilder und Videos mit grausamen Inhalten (Hinrichtungen, getötete Zivilisten) lassen den Schluss zu, dass der Kläger - aufgrund des Konsums dieser Medien - eine emotionale Abstumpfung erfahren hat, die die Gefahr einer Begehung terroristischer Anschläge weiter erhöht. Diese Gefahr wird durch den Kontakt zu bekannten Salafisten (z.B. ""C. Y."", R. P., O. W.) noch verstärkt. Diese Kontakte versetzen den Kläger in die Lage, Gleichgesinnte und damit mutmaßliche Unterstützer für etwaige Anschläge zu finden und sich in der Gesinnung und in ihren Taten gegenseitig zu bestärken. 69 Besondere Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Waffenaffinität des Klägers beizumessen. Bei diesem wurden über Jahre hinweg und wiederholt zahlreiche Waffen und gefährliche Gegenstände (z.B. Pfefferspray, Klappmesser, Machete, Gürtel mit verstecktem Messer, Schreckschusspistole, Teleskopschlagstock) aufgefunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich unter den festgestellten Gegenständen auch solche befanden, die typischerweise als Angriffsmittel Verwendung finden. Die beim Kläger aufgefundene Machete ist beispielsweise bereits aufgrund ihrer Größe (Klingenlänge von 55 cm) und den damit verbundenen Transportschwierigkeiten ersichtlich nicht zur Selbstverteidigung bestimmt. Auch ein Teleskopschlagstock ist eher eine Angriffs- als eine Selbstverteidigungswaffe. Damit wird deutlich, dass der Kläger auch im Zusammenhang mit Waffen den Rahmen einer (in bestimmten Kreisen noch als ""gewöhnlich"" zu bezeichnenden) Ausstattung verlassen hat, ohne dass hierfür Gründe - wie beispielsweise eine besondere Bedrohungslage des Klägers - ersichtlich wären. Dass er sich mit Waffen und gefährlichen Gegenständen ausstattet und diese bei sich führt, obwohl hierfür objektiv keine Notwendigkeit besteht, lässt auf eine erhebliche Gewaltbereitschaft und auf eine hiermit einhergehende erhöhte Gefährlichkeit des Klägers schließen. 70 Relevante Schutzfaktoren, welche die von dem Kläger ausgehende Gefahr für einen Anschlag verringern, sind nicht ersichtlich. Das Risiko eines terroristischen Anschlags wird auch nicht durch die geltend gemachte Bindung an seine ihm nach islamischem Ritus angetraute, die russische Staatsbürgerschaft besitzende Frau und deren im April 2018 geborenes Kind gemindert. Dabei bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob diese Beziehung im Zeitpunkt der Abschiebung überhaupt noch bestanden hat, wogegen manches spricht. Denn eine derartige Beziehung wirkt allzumal dann nicht deeskalierend, wenn der Partner das Weltbild teilt. Ein mäßigender Einfluss der Frau auf den Kläger wird nicht substantiiert geltend gemacht und erschließt sich auch weder aus deren Eingaben an den Senat, etwa der im Klageverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung, noch aus dem sonstigen Akteninhalt (vgl. insbesondere die im Strafverfahren erfolgte Telekommunikationsüberwachung). 71 Soweit der Kläger erklärt hat, dass er sich ""von gewaltsamen Aktionen distanzier[e] und ... das Angebot des in Schleswig-Holstein bestehenden Vereins R. und 'M'"" annehme (Schriftsatz vom 11. Januar 2018 S. 2), bewirkt dies keine im Ergebnis beachtliche Minderung der vom Kläger ausgehenden Gefährdung. Der Senat verkennt dabei nicht, dass entsprechende Treffen vor der Abschiebung bereits stattgefunden hatten und nicht sicher auszuschließen ist, dass der Kläger an diesen Treffen aus mehr als nur ""taktischen"" Gründen teilgenommen hat. Indes fehlen bereits positive Anhaltspunkte für die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Bereitschaft des Klägers, sich auf einen Deradikalisierungsprozess einzulassen; auch sind - jenseits des durch die Abschiebungsanordnung und die Inhaftierungssituation geschaffenen äußeren Drucks, der für sich allein nicht ausreicht - keine nachvollziehbaren Anstöße für einen derart gravierenden Wandel vorgetragen oder ersichtlich, die dem Senat eine positive Prognose des Erfolges dieser Bemühungen ermöglichten. Solcher Anhaltspunkte bedarf es angesichts der bereits über Jahre hinweg bestehenden und stetig wachsenden Verwurzelung des Klägers im radikalen Gedankengut. Diese spricht gegen einen, aufgrund von (bislang) lediglich zwei Besuchen von R. erfolgten, ernstzunehmenden und grundlegenden Einstellungswandel beim Kläger. Der Kläger zeigte sich zudem auch ersichtlich unbeeindruckt von einer erfolgten mehrtägigen Ingewahrsamnahme und Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 im Zusammenhang mit der Festveranstaltung ""..."". Auf dem ab diesem Zeitpunkt durch den Kläger genutzten Mobiltelefon iPhone 7 konnten bereits wenige Wochen später erneut phänomenrelevante Bild- und Videodateien festgestellt werden (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Dies unterstreicht die tiefe Verwurzelung des Klägers im radikalen Gedankengut und die damit einhergehenden Hürden, die mit einem ernsthaften Einstellungswandel verbunden sind. Hinzu kommt, dass der Kläger sich im Rahmen eines am 8. Dezember 2017 geführten Telefonats mit seiner ihm nach islamischem Ritus angetrauten Frau darüber lustig macht, dass er an dem ""Deradikalisierungsprogramm"" von R. teilnehmen ""soll"" (""große(s) Gelächter auf beiden Seiten"", vgl. Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Verdeckte Maßnahmen Bl. 123 sowie SB TKÜ III Bl. 137). Auch das - von ihm vorgetragene, durch zahlreiche Eingaben seiner Mutter bekräftigte - gute Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seiner Mutter, hat den Kläger nicht von der festgestellten fortschreitenden Radikalisierung abgehalten. 72 Ebenso wenig überzeugt die mit eidesstattlicher Versicherung vom 26. Juni 2018 aufgestellte Behauptung des ""langjährigen guten Bekannten"" und Gründers des Moscheevereins P. I., der Kläger habe sich von den terroristischen Mitteln, mit denen der ""IS"" arbeite, deutlich distanziert; die Erklärungen von anderen zu ""Taqfiri"" hielten ""sie"" für unislamisch und hätten ""sie"" deutlich kritisiert. Angesichts der aktiven Rolle des Klägers bei der Verbreitung seiner islamistischen Überzeugung und der über einen langen Zeitraum immer wieder zum Ausdruck gebrachten Befürwortung des bewaffneten Jihad lässt sich ausschließen, dass er sich - wie behauptet - im weiteren lediglich ""informieren"" wollte oder eine punktuelle Kritik des ""IS"" und seiner Taten gegenüber Dritten die wahre Haltung des Klägers widerspiegelt. Aus denselben Gründen führt auch die eidesstattliche Versicherung des Freundes C. D. vom 28. Juni 2018 zu keinem anderen Ergebnis. Die in der mündlichen Verhandlung von der Unterbevollmächtigten des Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Beweisanträge, die Herren I. und D. als Zeugen zu vernehmen, waren als verspätet abzulehnen, weil sie nicht innerhalb der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist gestellt worden sind und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 87b Abs. 3 VwGO vorliegen. Das Gleiche gilt für den Beweisantrag auf Vernehmung der Frau E. als Zeugin zu der behaupteten ablehnenden Einstellung des Klägers zu Terrorismus und dem Vorgehen von ""Daesh"" (""IS"") (vgl. Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3 f.). 73 Die dem Kläger für weiteres tatsächliches Vorbringen und Bezeichnung von Beweismitteln bis zum 29. Juni 2018 gesetzte Frist war vorliegend nicht dadurch hinfällig geworden, dass der Beklagte nachträglich entstandenes Aktenmaterial (ergänzende Verwaltungsvorgänge des Ministeriums, Ergänzungen der Ausländerakte und der Akten des Landeskriminalamts) vorgelegt hat, das erst am 28. Juni 2018 bzw. 4. Juli 2018 bei Gericht eingegangen ist und sodann an den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf CD zwecks Akteneinsicht weitergeleitet worden ist. Dieses ergänzende Aktenmaterial ändert nichts daran, dass der Kläger Anlass und Möglichkeit hatte, alle in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, die gerade nicht an dieses Aktenmaterial anknüpfen, bereits innerhalb der ihm gesetzten Frist zu stellen. Der Senat hat dieses ergänzende Aktenmaterial im Übrigen nicht verwertet, soweit es die in den Beweisanträgen angesprochenen Punkte (namentlich die Gefahrenprognose und Familienverhältnisse des Klägers) betrifft. 74 Die Gesamtschau der den Kläger betreffenden Erkenntnisse, seiner Persönlichkeit, seines Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren Einstellung und der Verbindung zu anderen radikal-islamischen Personen ergibt nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung. Vielmehr ergibt diese Gesamtschau, dass der Kläger inzwischen einen Grad der Radikalisierung erreicht hat, der konkret besorgen lässt, dass er bereit ist, seiner islamistischen Überzeugung auch durch gewaltsame oder terroristische Methoden Ausdruck zu verleihen. Dies hat der Kläger selbst schon zu Beginn seines Radikalisierungsprozesses bestätigt, auch wenn es aufgrund der vorstehenden Ausführungen hierauf nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Ausweislich der Angaben von Herrn C. T. vom 16. Dezember 2015 äußerte der Kläger diesem gegenüber, dass er - der Kläger - es ""gut finden würde, wenn Ungläubige sterben würden, er fände den 'IS' gut und werde sich Waffen und Schwerter besorgen, um zu kämpfen, man werde schon sehen, was passiert"" (Strafanzeige vom 8. Juni 2017 S. 4 = Bl. 14 MI). 75 Der Senat kann zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Auch bei RADAR-iTE handelt es sich lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt (BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 5.17 - juris Rn. 51). Ungeachtet dessen bestätigt die hier am 5. September 2017 durchgeführte Risikoanalyse mit dem Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE die Gefahrenprognose des Senats. Denn diese ergab bei dem Kläger ein ""hohes Risiko"", das eine ""hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland"" indiziere (vgl. LKA Schleswig-Holstein, Bericht zur Risikoanalyse des ... vom 24. November 2017, Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 725 ff.). 76 Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, einen näher bezeichneten Islamwissenschaftler und eine näher bezeichnete Psychiaterin als Sachverständige zu laden und zu vernehmen, waren gemäß 87b Abs. 3 VwGO als verspätet abzulehnen. Sie sind überdies überwiegend nicht auf Tatsachen, sondern auf Bewertungen oder Schlussfolgerungen gerichtet, die das Gericht aus eigener Sachkunde vorzunehmen in der Lage ist (vgl. dazu bereits näher BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 80). Besonderheiten, die eine sachverständige Expertise Dritter erforderten, waren nicht substantiiert vorgetragen; allein die geltend gemachten persönlichen Umstände wie Migrationshintergrund, kulturelle Besonderheiten und Zugehörigkeit zu islamischer Religion reichen hierfür nicht aus (vgl. Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 4). 77 Eine persönliche Anhörung des - in die Türkei abgeschobenen - Klägers durch den Senat war schließlich entgegen dessen Auffassung nicht geboten. Die Gefahrenprognose beruht auf einer umfassenden Tatsachengrundlage, die der Senat aus dem vom Beklagten vorgelegten umfangreichen Aktenmaterial gewonnen hat. Darin ist auch der Kläger zu Wort gekommen. Im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie im Klageverfahren vor dem Senat hatte er zudem Gelegenheit, sich über seinen jeweiligen Prozessbevollmächtigten zu äußern. Soweit Äußerungen erfolgt sind, hat der Senat diese zur Kenntnis genommen und verwertet; eine weitere Amtsermittlung durch persönliche Anhörung des Klägers, für die diesem unter Erteilung einer Betretenserlaubnis eine kurzfristige Rückreise nach Deutschland hätte ermöglicht werden müssen, drängte sich nicht auf. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte förmliche Beweisantrag auf Parteivernehmung des Klägers war darüber hinaus schon deshalb abzulehnen, weil der Antrag nicht innerhalb der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist nach § 87b VwGO gestellt worden ist und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 87b Abs. 3 VwGO vorliegen (vgl. näher Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3). Der Kläger war bereits mit der Verfügung vom 23. Mai 2018 darauf hingewiesen worden, dass der Senat nicht beabsichtige, förmlich Beweis zu erheben und das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen; mit Verfügung vom 25. Juni 2018, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26. Juni 2018 und damit vor Ablauf der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist erreicht hatte, wurde bekräftigt, dass keine sachliche Veranlassung bestehe, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen oder ihn in der mündlichen Verhandlung anzuhören. Bei dieser Sachlage ist auch nicht zu vertiefen, ob der Kläger bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 AufenthG hätte beantragen müssen, um auch für das Gericht als Beweismittel erreichbar zu sein. 78 Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich hier kein Anspruch auf persönliches Erscheinen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren, in denen sich ein Kläger gegen seine Abschiebung wendet, bereits nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <125>; EGMR , Urteile vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 35 ff., EZAR 939 Nr. 1 = InfAuslR 2001, 109 und vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28; ebenso EGMR, Urteil vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48). Zwar kann sich der Kläger hinsichtlich seiner Rechte aus Art. 3 und Art. 8 EMRK auf das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK berufen; diesem ist aber mit den vorliegend vor dem Bundesverwaltungsgericht eröffneten Rechtsbehelfen (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit aufschiebender Wirkung gemäß § 58a Abs. 4 Satz 3 AufenthG und Klage), die das Recht auf Gehör mittels anwaltlicher Vertretung gewährleisten und zu einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung bereits im Eilverfahren führen, Genüge getan. Einen Anspruch auf persönliche Anhörung vor der nationalen Beschwerdeinstanz in einer mündlichen Verhandlung hat der EGMR aus Art. 13 EMRK hingegen bisher nicht abgeleitet (vgl. Meyer-Ladewig/Renger, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 13). 79 c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Der Kläger war mit Bekanntgabe der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung illegal aufhältig, weil seine Aufenthaltserlaubnis damit erlosch (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG). Art. 6 Abs. 6 Richtlinie 2008/115/EG erlaubt es, die Entscheidung über die Beendigung des illegalen Aufenthalts zugleich mit der Rückkehrentscheidung zu treffen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​465], Gnandi - Rn. 49 f.); damit ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtsfolgen dieser beiden - kombinierbaren - Entscheidungen nicht durch eine einzige behördliche Entscheidung (die noch dazu auch die Abschiebung anordnet), bewirkt werden können sollen. 80 Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger nach Unionsrecht wegen der von ihm ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG; vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 35). 81 d) Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte mit der Abschiebungsanordnung keine Ausnahme nach § 11 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Dauer des nach nationalem Recht mit dem Vollzug einer Abschiebungsanordnung entstehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot zugelassen hat und die Ausländerbehörde mit Bescheid vom 13. November 2017 ein solches unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot auch behördlich angeordnet hat. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie 2008/115/EG auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames ""Rückkehr-Handbuch"", das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist ). 82 Diese Frage ist hier aber nicht entscheidungserheblich. Denn es geht im vorliegenden Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des hier von der Ausländerbehörde angeordneten (unbefristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da unionsrechtlich ein Einreiseverbot zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: ""gehen ... einher""), aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung darstellt, die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 36 sowie Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 -). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie 2018/115/EG Anhaltspunkte für einen ""Rechtswidrigkeitszusammenhang"" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen (BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 -). 83 e) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht unverhältnismäßig oder sonst ermessensfehlerhaft. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96 und 132; Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>). 84 Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Kläger in Deutschland geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist; die getrenntlebenden Eltern sowie der Bruder des Klägers leben ebenfalls hier. Auch hat der Beklagte berücksichtigt, dass der Kläger bei Erlass der Abschiebungsanordnung im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG war und - was zu seinen Gunsten unterstellt worden ist - über seine Mutter besondere Aufenthaltsrechte nach dem Abkommen EWG-Türkei ableitet, indem er sich auf Art. 7 ARB 1/80 berufen kann. Damit konnte der Aufenthalt des Klägers nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 beendet werden, das heißt sein persönliches Verhalten muss gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Aufenthaltsbeendigung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:​EU:​C:​2011:​809], Ziebell - NVwZ 2012, 422 Rn. 80 ff.; siehe auch § 53 Abs. 3 AufenthG). Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da der von dem Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen terroristischen Anschlags nicht auf andere Weise gleich wirksam begegnet werden konnte wie durch die Beendigung des Aufenthalts. Das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu erfüllende Erfordernis einer gegenwärtigen ""konkreten Gefährdung"" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 - NVwZ 2012, 422 Rn. 84 f.) bedeutet, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht auf vergangenes strafbares Verhalten gestützt werden dürfen, sondern gegenwärtig noch eine konkrete Bedrohung für hochrangige Rechtsgüter vorliegen muss. Eine ""konkrete Gefahr"" im Sinne des deutschen Polizeirechts wird damit nicht gefordert, vielmehr reicht eine terroristische Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 AufenthG aus, die gegenwärtig ist und sich jederzeit realisieren kann. 85 Soweit in der Abschiebungsanordnung die Bindung des Klägers zu der ihm nach islamischem Ritus angetrauten Frau E. und das von dieser erwartete, im April 2018 geborene Kind nicht erwähnt worden ist, kann der Kläger daraus keinen Ermessensfehler herleiten. Der Beklagte hat sein Ermessen mit Schriftsätzen vom 7. November 2017 (zum Verfahren 1 VR 12.17 ) und vom 13. August 2018 in Verbindung mit der dazu in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellung in mehrfacher Hinsicht ergänzt. Er hat ausgeführt, die Beziehung sei ausweislich der Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung im Zeitpunkt der Abschiebung bereits beendet gewesen. Ob dies zutrifft, brauchte der Senat nicht im Einzelnen aufzuklären. Denn der Beklagte hat seine Entscheidung hilfsweise ermessensfehlerfrei darauf gestützt, dass auch bei Annahme einer bei Abschiebung noch fortbestehenden Partnerschaft die Abschiebung gerechtfertigt und sachgerecht wäre. Er hat ausgeführt, dass die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfalle (was zutrifft, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 1 VR 5.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 8 Rn. 51). Eine staatliche Eheschließung stehe auch weder unmittelbar bevor, noch lebe das Paar in einer Haushaltsgemeinschaft (letzteres hat Frau E. in ihrer mit Schriftsatz vom 21. Juni 2018 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung letztlich bestätigt und wird auch durch ihre nachfolgenden weiteren schriftlichen Äußerungen nicht nachhaltig infrage gestellt). Die Vaterschaft des Klägers sei nicht nachgewiesen. Art. 8 EMRK sei auch im Falle einer trotz fehlender Haushaltsgemeinschaft bestehenden und bis zur Abschiebung fortbestehenden Lebensgemeinschaft zu Frau E. nicht verletzt. Der staatliche Auftrag, die vom Kläger drohenden Rechtsgutsverletzungen großen Ausmaßes effektiv im Wege der Abschiebung zu verhindern, lasse die staatliche Pflicht der Beachtung familiärer Bindungen im Rahmen der Abwägung zurücktreten. 86 Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte mit diesen Erwägungen den öffentlichen Sicherheitsinteressen gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland den Vorzug gegeben hat. Die Aufenthaltsbeendigung ist insbesondere auch mit Blick auf den grund- und menschenrechtlichen Schutz von Ehe und Familie und des Privatlebens (Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK) nicht unverhältnismäßig. Der Senat hat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausgeführt, dass hinsichtlich des Kindes von Frau E. eine Vaterschaft des Klägers nicht nachgewiesen ist. Rechtlich ist er derzeit schon deshalb nicht der Vater, weil er nicht mit der Mutter verheiratet ist und eine Vaterschaftsanerkennung oder gerichtliche Vaterschaftsfeststellung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (§ 1592 BGB). 87 Die Beziehung zu seiner - in eigenem Haushalt lebenden - Lebensgefährtin steht auch dann, wenn der Senat sie als bei der Abschiebung fortbestehend unterstellt, der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung vorliegend nicht entgegen. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 8 EMRK (auch) unter dem Aspekt des Familienlebens eröffnet, da eine familiäre Lebensgemeinschaft unter den von Frau E. geschilderten Umständen auch ohne gemeinsamen Haushalt anzunehmen sein dürfte. Der Beklagte durfte angesichts der vom Kläger ausgehenden erheblichen Anschlagsgefahr dem Schutz der öffentlichen Sicherheit hier aber in der Abwägung mit dem Privat- und Familienleben des Klägers den Vorrang geben. Die in der mündlichen Verhandlung förmlich beantragte Vernehmung der Frau E. als Zeugin war abzulehnen, weil der Beweisantrag auch insoweit gemäß § 87b Abs. 3 VwGO verspätet gestellt worden ist (vgl. näher Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3). 88 Wirtschaftlich konnte sich der Kläger in Deutschland nicht nachhaltig integrieren, vielmehr war er nur sporadisch berufstätig und lebte vor seiner Abschiebung von öffentlichen Leistungen. Eine Eingliederung in die Lebensverhältnisse seines Herkunftsstaates ist ihm möglich und zumutbar, auch wenn er - was der Beklagte ebenfalls berücksichtigt hat - nur geringe Bezüge zur Türkei hat. Die Türkei ist dem Kläger von Urlaubsreisen bekannt und er beherrscht die türkische Sprache in für den Alltagsgebrauch ausreichendem Umfang. Seine gegenteilige Behauptung ist durch mehrere Hinweise in den Akten widerlegt. So hat der Kläger bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalles selbst angegeben, dass er ""nur deutsch und türkisch"" spreche (MI Bl. 56). Auch Herr P. I. hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juni 2018 erklärt, dass der Kläger die türkische Sprache beherrscht. 89 Schließlich sprach aufgrund der Erkenntnislage im Zeitpunkt der Abschiebung auch nichts dafür, dass der Kläger seine Existenzgrundlage in der Türkei nicht auf einem bescheidenen Niveau würde sichern können. Eine längerfristige Arbeitsunfähigkeit hatte der Kläger vor der Abschiebung nicht geltend gemacht und jedenfalls (mit der bloßen Bescheinigung einer einmaligen Behandlung in einer ambulanten psychiatrischen Praxis, Gerichtsakte Bl. 124) nicht belegt. Dass er längerfristig arbeitsunfähig wäre, hat der Kläger im Übrigen auch mit seinem Vorbringen nach der Abschiebung nicht substantiiert dargelegt. 90 Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach deutscher Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht allerdings noch nicht abschließend geklärt ist - im Falle einer Abschiebung mit einem grundsätzlich unbefristeten Fernhalten vom Bundesgebiet verbunden ist (§ 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 5 AufenthG) und ein solches unbefristetes Einreiseverbot - nachdem der Beklagte von einer möglichen Ausnahme abgesehen hat - hier von der Ausländerbehörde auch gesondert angeordnet wurde. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Ausländerbehörde angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn bei einer nachhaltigen Verhaltensänderung des Klägers besteht nach § 11 Abs. 4 und 5 AufenthG jedenfalls die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Verkürzung des - aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes - mit der Abschiebung entstandenen Einreise -und Aufenthaltsverbots. 91 2.4 Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht wegen eines Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers in die Türkei Ende Januar 2018 kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). 92 a) Für eine Verfolgung des Klägers wegen dessen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG liegen keine Anhaltspunkte vor. Selbst wenn dem Kläger in der Türkei eine Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder terroristischer Betätigung drohte, stellte dies grundsätzlich keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dar. Auch eine eventuell drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung, auf die der Kläger sich beruft, ist nicht schon für sich genommen eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung. Die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 S. 63; Beschluss vom 2. Juni 2017 - 1 B 108.17 u.a. - juris Rn. 10 m.w.N.). Anderes folgt hier auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), wonach eine Verfolgungshandlung vorliegt bei ""Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen"". Selbst wenn der Kläger - wofür sich in Anbetracht seiner Leidenschaft für Waffen und der auf seinem Smartphone sichergestellten Bilder und Videos mit Jihad-Szenen schutzwürdige Gründe nicht aufdrängen - den Militärdienst verweigern sollte, lässt sich den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nichts Substantiiertes dafür entnehmen, dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in einem ""Konflikt"" eingesetzt würde, in dem der Militärdienst die genannten Verbrechen oder sonstigen Handlungen umfassen würde. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass eine Bestrafung wegen (unterstellter) Wehrdienstverweigerung - wie nach § 3a Abs. 3 und § 3b AsylG gefordert - an einen tatsächlich vorhandenen oder dem Kläger zugeschriebenen Verfolgungsgrund anknüpfen würde (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 u.a. - juris Rn. 12). 93 Unabhängig davon steht der Berufung auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 1 AufenthG auch § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Danach findet § 60 Abs. 1 AufenthG - im Einklang mit der Ausnahme vom Refoulementverbot des Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK -) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) und in Umsetzung von Art. 21 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU - keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (§ 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG). Die Voraussetzungen der ersten Alternative liegen hier vor. Der Kläger ist in Anbetracht der von ihm ausgehenden Gefahr eines terroristischen Anschlags als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen (zur Ausnahme vom Refoulementverbot, wenn vom Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 2.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 3 Rn. 41). 94 b) Es bestand auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG oder nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dem Kläger droht bei Abschiebung weder die Gefahr der Todesstrafe (aa), noch die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung (bb). 95 aa) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe bestand bei der Abschiebung des Klägers in die Türkei schon deshalb nicht, weil die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft ist. Seit dem Jahr 2004 ist in Art. 38 der Verfassung der Republik Türkei verankert, dass die Todesstrafe unzulässig ist. Zudem hat die Türkei die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ebenso wie die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet und ratifiziert. Zwar gibt es seit dem Putschversuch im Juli 2016 eine Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe. Welchen Ausgang diese Debatte haben wird, ist derzeit aber nicht erkennbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Februar 2017 S. 24). 96 bb) Dem Kläger drohte bei Abschiebung auch nicht wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer islamistisch-extremistischen terroristischen Vereinigung bzw. wegen der Gründe für seine Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG und/oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen werden Anhänger der Terrororganisation ""Islamischer Staat"" in der Türkei zwar grundsätzlich strafrechtlich verfolgt. Aus der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 auf Fragen des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - ergibt sich, dass sich im Februar 2017 nach Angaben des türkischen Justizministeriums insgesamt 498 ausländische ""IS""-Anhänger in türkischen Haftanstalten befunden haben sollen, davon 470 in Untersuchungshaft und 28 im Strafvollzug. Zahlen zu türkischen Staatsangehörigen liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Es verfügt auch nicht über offizielle Angaben zu den angewandten Strafvorschriften und zur Strafhöhe. Nach Pressemeldungen zu Einzelfällen seien Art. 309 tStGB und Art. 314 tStGB angewandt worden. Amnesty International hat auf eine Anfrage des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 mit Schreiben vom 29. August 2017 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - mitgeteilt, die Organisation verfüge über keine eigenen Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß, mit welcher Konsequenz und ab welchem Grad der Unterstützungsaktivität ""IS""-Anhänger in der Türkei verfolgt würden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes geht der Senat allerdings davon aus, dass eine Strafverfolgung auch wegen Aktivitäten außerhalb der Türkei grundsätzlich möglich erscheint. 97 Nach einem Bericht von Tahiroglu/Schanzer, Islamic State Networks in Turkey, March 2017, S. 17 ff., auf den das Auswärtige Amt in der vorgenannten Auskunft für aktuellere Angaben verwiesen hat, wird die Strafverfolgung von ""IS""-Anhängern in der Türkei allerdings nicht mit Nachdruck betrieben. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums hätten türkische Sicherheitskräfte im Jahr 2016 22 größere terroristische Vorfälle mit ""IS""-Bezug verhindert; 1 338 ""IS""-Verdächtige, darunter 694 ausländische Staatsangehörige, seien im Laufe des Jahres 2016 verhaftet worden; Anfang Februar 2017 seien 820 ""IS""-Verdächtige in einer ""Zwei-Tages-Kampagne"" verhaftet worden. Die Bemühungen der Türkei, die jihadistische Gefahr einzudämmen, seien aber zu gering und kämen zu spät. Die seit 2016 ansteigende Zahl von Verhaftungen sei irreführend, da viele ""IS""-Verdächtige binnen Tagen oder Wochen wieder freigelassen worden seien. Während sich die Türkei damit brüste, 1 338 ""IS""-Verdächtige verhaftet zu haben, sei es nur zu sieben Verurteilungen gekommen. Die gesetzlichen Standards für die Verurteilungen von Jihadisten in der Türkei lägen zu hoch. Türkische Kämpfer, die aus ""IS""-Kampfgebieten im Irak oder Syrien zurückkehrten, würden nur verurteilt, wenn ihnen nachgewiesen werde, dass sie das Staatsgebiet oder Bürger der Türkei direkt angegriffen hätten. Ein früherer ""IS-Henker"" lebe ausweislich eines im Juli 2015 gegebenen Interviews derzeit unbehelligt in Ankara und arbeite dort als Parkplatzwächter. Ein anderer ""IS""-Angehöriger, der beim Erschießen eines Menschen in Syrien gefilmt worden sei, sei im Juli 2016 wegen ""guter Führung"" nur zu einer reduzierten Freiheitsstrafe verurteilt worden. ""IS""-Mitglieder, die Anschläge gegen die Türkei verübt haben, würden weder zeitnah noch mit der vollen Härte des Gesetzes verurteilt. So seien die Verantwortlichen für den ""IS""-Anschlag von März 2014 in Zentralanatolien erst 2016 verurteilt worden. Die Verhandlung sei mehrmals verschoben und der Richter viermal ausgetauscht worden. Überdies würden dieselben Verdächtigen oft mehrmals verhaftet und wieder freigelassen, wofür mehrere Beispiele genannt werden. Dieses nachlässige Vorgehen stehe in auffälligem Kontrast zur Behandlung kurdischer Nationalisten und anderer Oppositioneller in der Türkei. Kurdische Politiker und Zivilpersonen würden häufig unter dubiosen Terrorismusvorwürfen verhaftet und verurteilt. 98 Angesichts dieser Lageeinschätzung war beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") davon auszugehen, dass gegen ihn bei Rückführung in die Türkei aufgrund der in Deutschland erhobenen Terrorismusvorwürfe und des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens ein Strafverfahren geführt oder es über eine Befragung hinaus sonst zu einer Inhaftierung kommen würde. 99 Zwar interessieren sich die türkischen Behörden ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 für Strafverfahren gegen eigene Staatsangehörige, die Terrorismusvorwürfe zum Gegenstand haben. Auch wurde gegen den Kläger in Deutschland im Zeitpunkt seiner Abschiebung ein Ermittlungsverfahren wegen Straftaten nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und § 129a Abs. 5 StGB (Unterstützung und Bildung einer terroristischen Vereinigung) geführt. Es war jedoch nicht damit zu rechnen, dass das Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung des Klägers führen würde. Weder war eine Anklageerhebung bis zur Abschiebung erfolgt, noch war künftig damit zu rechnen, weil die zuständige Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen zur Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erteilt hatte (Bl. 363 MI), so dass nach erfolgter Abschiebung mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 154b Abs. 3 StPO zu rechnen war. Dass diese bislang nicht erfolgt ist, sondern die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zunächst fortgesetzt hat und vor einer Einstellung des Verfahrens den Ausgang des vorliegenden Verfahrens in der Hauptsache abwarten möchte (LKA-Akte Bl. 1068) ist in Anbetracht des maßgeblichen Zeitpunkts für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung bereits irrelevant. Unabhängig davon stellt dieser Hinweis die im Eilverfahren getroffene Prognose, ein Strafverfahren gegen den Kläger in der Türkei sei unwahrscheinlich, nicht grundsätzlich infrage, zumal der Kläger auch nach seiner Abschiebung nicht behauptet hat, dass gegen ihn in der Türkei ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre. 100 Auch aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes, wonach sich die türkischen Behörden für die Gründe derartiger Abschiebungen interessierten, ergibt sich keine andere Einschätzung, weil durch die deutschen Behörden auf Nachfrage der türkischen Behörden keine näheren Angaben zu den Gründen erfolgen, die über die Feststellung des unrechtmäßigen Aufenthalts hinausgehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017), so dass insbesondere davon auszugehen ist, dass Einzelheiten über die hier vorliegenden Ermittlungserkenntnisse und Beweismittel nicht an die türkischen Behörden weitergegeben werden. Zudem weisen die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe keinen unmittelbaren Bezug zur Republik Türkei auf; namentlich war bis zur Abschiebung nicht davon auszugehen, dass der Kläger aus der Sicht der türkischen Strafverfolgungsbehörden bereits spezifisch türkische Interessen verletzt hatte. Aus dem kurz vor der Abschiebung aufgrund der weiteren Smartphone-Auswertung aufgekommenen Verdacht der Terrorismusfinanzierung (vgl. dazu Vermerk des LKA vom 24. Januar 2018, LKA-Akte Bl. 910) ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn der Kläger den in einem Kampfgebiet aufhältigen deutschen Staatsangehörigen R. P. tatsächlich finanziell unterstützt haben sollte, indem er Gelder an einen in der Türkei aufhältigen türkischen Staatsangehörigen zur Weiterleitung an jenen überwiesen hat, war zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht davon auszugehen, dass den türkischen Strafverfolgungsbehörden dieses Ermittlungsdetail bekannt werden könnte. 101 Sofern der Kläger nach seiner Rückkehr in die Türkei den ""IS"" oder andere Terrororganisationen unterstützende Aktivitäten entfalten bzw. Terroranschläge planen oder unterstützen sollte, wäre ein solches Verhalten nach der Abschiebung nicht geeignet, für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung ein Abschiebungsverbot zu begründen. 102 War nach dem Vorstehenden nicht damit zu rechnen, dass der Kläger nach seiner Abschiebung - über eine kurzzeitige Befragung im Zusammenhang mit der Abschiebung hinaus - in den Fokus der türkischen Sicherheitsbehörden geraten wird, bestanden auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gedroht hätten. Diese Prognose wird letztlich bestätigt durch die Angaben des Klägers über seine Behandlung nach der Abschiebung. Er ist danach nur kurzzeitig festgehalten und befragt, aber nicht verhaftet worden. Seine Darstellung rechtfertigt auch sonst nicht die Annahme einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. 103 Mangels beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Klägers nach seiner Abschiebung bedurfte es auch keiner Zusicherung bezüglich der Gestaltung der Haftbedingungen und der Ermöglichung von Besuchen eines Rechtsbeistandes. Insofern ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2017 (2 BvR 2259/17) kein weiterer Aufklärungsbedarf zu den Haftbedingungen in der Türkei. 104 c) Auch aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in die Türkei mit seiner Einberufung zum noch nicht abgeleisteten Wehrdienst rechnen musste, den er trotz der von ihm behaupteten entgegenstehenden Überzeugung nicht verweigern könnte, weshalb ihm die Inhaftierung drohe, folgt kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 oder 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Für eine im Zeitpunkt der Abschiebung bereits erfolgte Wehrdienstverweigerung, die eine Bestrafung nach sich ziehen könnte, bestanden bereits keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass er vor der Abschiebung bereits gemustert bzw. einberufen worden wäre oder er sogar schon gegenüber den türkischen Behörden erklärt hätte, den Wehrdienst zu verweigern. Auch aus der möglichen Annahme einer künftigen, erst nach der Rückkehr des Klägers in die Türkei erklärten Wehrdienstverweigerung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Bestrafung, folgt hier nichts anderes. Zwar kann sich aus einem erst künftig zu erwartenden Geschehen ein Abschiebungsverbot ergeben, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Kausalverlauf in Gang gesetzt worden ist, der bei ungehindertem Ablauf zwingend dazu führt, dass die Gründe für ein Abschiebungsverbot eintreten werden. Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat für das türkische System, das keinen Ersatzdienst und kein Verfahren vorsieht, in dem dargelegt werden kann, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorliegen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern trifft. Die Wehrdienstverweigerern in der Türkei drohende Mehrfachbestrafung verletzt nach dieser Rechtsprechung Art. 3 EMRK (EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 - Nr. 42730/05, Savda/Türkei). Danach kommt ein Abschiebungsverbot allerdings nur dann in Betracht, wenn der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert (zu einem solchen Fall vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - OVG 10 B 10.12 -). Daran fehlt es beim Kläger. Eine Gewissensentscheidung in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine sittliche Entscheidung, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1972 - 8 C 46.72 - BVerwGE 41, 53 <55> und vom 1. Februar 1989 - 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239 <240 f.>). Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 5. Februar 2016 - 9 B 16/16 - juris Rn. 30). Der Kläger hat jedoch nur pauschal behauptet, er lehne den türkischen Militärdienst und den damit verbundenen möglichen Einsatz in Krisengebieten, in den kurdischen Siedlungsgebieten oder an der türkisch-syrischen Grenze entschieden ab. Dies genügt den nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Glaubhaftmachung einer Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg zu stellenden Anforderungen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1972 - 8 C 46.72 - BVerwGE 41, 53 <56>). Die Behauptung einer ernsthaften Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen wird hier überdies durch die auf den beschlagnahmten Datenträgern vorgefundenen zahlreichen Aufnahmen, insbesondere von Maschinengewehren und Pistolen, Hinrichtungen und getöteten Kämpfern, sowie die im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung und bei Verkehrskontrollen beim Kläger sichergestellten Waffen widerlegt. Sollte der Kläger dennoch den Wehrdienst verweigern und deshalb in der Türkei zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, wäre dieses künftige - nicht auf einer bindenden Gewissensentscheidung beruhende - Verhalten nicht geeignet, im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung ein Abschiebungsverbot zu begründen (zur Relevanz ""zumutbaren Alternativverhaltens"" vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2018 - 1 B 8.18 - juris Rn. 17 m.w.N.). Dass der Kläger bei Musterung nach seiner Abschiebung ohnehin zunächst für ein Jahr für militärdienstuntauglich befunden wurde, ist angesichts des für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkts ohne Bedeutung. 105 3. Der Senat war nicht gehalten, den Terminverlegungsanträgen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu entsprechen; ebenso wenig musste er diesem zwecks gemeinsamen Aktenstudiums und Absprache des Vorbringens im Klageverfahren im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe eine Informationsreise in die Türkei oder dem Kläger einen kurzzeitigen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. Erhebliche Gründe für eine Terminverlegung (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO) waren nicht dargelegt (vgl. die ablehnenden Entscheidungen durch Verfügung des Vorsitzenden vom 11. Juli 2018 und Beschluss des Senats vom 21. August 2018, Sitzungsprotokoll S. 2). 106 a) Die sich über den Terminstag erstreckende ""Erholungs- und Urlaubsreise"" des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist erst am 21. Juni 2018 und damit deutlich nach der Zustellung der Ladung gebucht worden. Insofern hätte bei der Buchung auf die bereits terminierte mündliche Verhandlung Rücksicht genommen werden können. Dies war nicht im Hinblick auf das Vorbringen unzumutbar, die ursprünglich von Anfang Juli bis Mitte August geplante Urlaubsreise habe wegen eines - im Anschluss an eine Augen-Operation erforderlichen - nachoperativen Kontrolltermins Mitte Juli auf den Zeitraum von Mitte Juli 2018 bis Ende August 2018 verlegt werden müssen. Bei der Länge der beabsichtigten Reisedauer kann erwartet werden, dass die Reise mit Blick auf einen anstehenden Gerichtstermin entweder verkürzt oder aber ein Vertreter mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beauftragt wird. Dass ein ""Genesungs- und Erholungsurlaub"" gerade auch am Terminstag aus gesundheitlicher Sicht erforderlich gewesen wäre, ist mit den vorgelegten augenärztlichen Bescheinigungen nicht belegt worden. 107 b) Ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung war auch nicht in dem Vorbringen zu erblicken, dem Kläger müsse vor einer mündlichen Verhandlung die Möglichkeit zu einem unüberwachten Gespräch im Wege des persönlichen Kontakts mit seinem Prozessbevollmächtigten in Deutschland oder der Türkei gegeben werden; zudem sei er zur mündlichen Verhandlung persönlich zu laden. Die Ermöglichung eines persönlichen Kontakts zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten war nicht geboten, weil eine sachgerechte Vorbereitung des Termins auch auf telefonischem oder elektronischem Wege möglich und zumutbar war. Soweit der Kläger eine Überwachung durch Geheimdienste befürchtet hat, war er auf die Nutzung der technischen Möglichkeiten geschützter Telekommunikation zu verweisen (vgl. Verfügung des Vorsitzenden vom 11. Juli 2018 und Senatsbeschluss vom 21. August 2018). Auf die im Verlegungsantrag genannten Beweismittel kam es - wie der Senatsvorsitzende mündlich zur Begründung des Beschlusses vom 21. August 2018 ausgeführt hat - nicht an, denn es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten für eine gezielte Überwachung auch des Klägers, bei der die Anwaltskommunikation nicht ausgenommen ist und die nicht durch geschützte oder jedenfalls nicht der Überwachung unterliegende Kommunikation abgewendet werden kann. Soweit gleichwohl eine Geheimdienstüberwachung unterstellt wird, besteht kein Anlass, eine Einführung dadurch gewonnener Erkenntnisse in das Verfahren oder deren verdeckte Nutzung des Beklagten anzunehmen. Soweit der Kläger darauf verweist, dass auch die durch das Gericht übermittelten Unterlagen und Aktenbestandteile mit einer Versandverschlüsselung versehen gewesen seien, hat der Senat darauf hingewiesen, dass dies nicht durch potentielle Geheimdienstübergriffe motiviert war, und ergänzend auf die Verfügung vom 9. Juli 2018 verwiesen. Die Verschlüsselung hinderte auch nicht die Weitergabe der Unterlagen, ggf. mit eigener Verschlüsselung. Es bestand schließlich keine Notwendigkeit, den Kläger zur mündlichen Verhandlung persönlich zu laden; hierzu wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. 108 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-56,31.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 56/2018 vom 31.08.2018 EN Verwirkung des Anfechtungsrechts bei Konkurrentenklagen Das Recht des Beamten, seinen Bewerbungsverfahrensanspruch in Fällen der Rechtsschutzhinderung durch die Anfechtung der Ernennung eines Konkurrenten geltend zu machen, unterliegt der Verwirkung. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin - eine Studienrätin im Dienste des Freistaates Thüringen - wandte sich im Jahr 2013 gegen die im Jahr 2009 vorgenommene Beförderung einer Kollegin zur Oberstudienrätin und beanspruchte ihre eigene Beförderung. Die Kollegin war ohne Ausschreibung und ohne Mitteilungen an bei der Auswahl nicht berücksichtigte andere beamtete Lehrer befördert worden. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsurteil ausgeführt, die Klägerin habe das Anfechtungsrecht verwirkt, weil sie über Jahre hinweg untätig geblieben sei, obwohl ihr regelmäßige Beförderungen für Lehrkräfte bekannt gewesen seien. Jedenfalls hätte sie sich durch einfache Nachfrage darüber Kenntnis verschaffen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen: Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin ist verwirkt. Zwar hat der Dienstherr den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin auf leistungsgerechte Berücksichtigung im Auswahlverfahren verletzt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin aber Kenntnis, dass alljährlich und in regelmäßigen Abständen Beförderungen vorgenommen wurden. Daher war es ihr zumutbar, binnen eines Jahres nach Ernennung der Kollegin zur Oberstudienrätin (1. April 2009) diese Ernennung anzufechten. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für diese Jahresfrist ist § 58 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das erst im Jahr 2013 gestellte Rechtsschutzgesuch ist daher verspätet. Zu diesem Zeitpunkt hat die zur Oberstudienrätin beförderte Kollegin darauf vertrauen dürfen, dass ihr neues Amt stabil und unangreifbar ist. Fußnote: § 58 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO lauten: (1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. (2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. BVerwG 2 C 10.17 - Urteil vom 30. August 2018 Vorinstanzen: OVG Weimar, 2 KO 31/16 - Urteil vom 28. Juni 2016 - VG Weimar, 1 K 663/15 We - Urteil vom 29. Oktober 2015 -","Urteil vom 30.08.2018 - BVerwG 2 C 10.17ECLI:DE:BVerwG:2018:300818U2C10.17.0 EN Verwirkung des Anfechtungsrechts im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit Leitsätze: 1. Das Recht des in einem Beförderungsverfahren nicht berücksichtigten Beamten, eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Anfechtung der Ernennung des ausgewählten Beamten geltend zu machen, unterliegt der Verwirkung (Fallkonstellation des ausnahmsweise eröffneten nachgehenden Primärrechtsschutzes wegen Verhinderung oder Unmöglichkeit vorherigen Eilrechtsschutzes, vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 29 ff.). 2. Eine Verwirkung kann anzunehmen sein, wenn der Beamte hinreichende Kenntnis vom Umstand regelmäßig stattfindender Beförderungen in seinem Verwaltungsbereich hatte (Anstoßwirkung). Der positiven Kenntnis steht es gleich, wenn sich ihm eine solche Kenntnis hätte aufdrängen müssen und er etwa fehlendes Wissen über nähere Einzelheiten des Beförderungsverfahrens durch einfache Nachfrage beim Dienstherrn oder beim Personalrat hätte erlangen können. 3. Die zeitliche Grenze, ab der das Anfechtungsrecht in derartigen Fallkonstellationen verwirkt sein kann, ist in Anlehnung an die gesetzliche Wertung in § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO regelmäßig mit einem Jahr ab der jeweiligen Ernennung anzusetzen. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 BeamtStG § 9 BGB § 242 VwGO § 58 Abs. 2 Satz 1 Instanzenzug VG Weimar - 29.10.2015 - AZ: VG 1 K 663/15 We OVG Weimar - 28.06.2016 - AZ: OVG 2 KO 31/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.08.2018 - 2 C 10.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:300818U2C10.17.0] Urteil BVerwG 2 C 10.17 VG Weimar - 29.10.2015 - AZ: VG 1 K 663/15 We OVG Weimar - 28.06.2016 - AZ: OVG 2 KO 31/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gründe I 1 Die Klägerin, eine Studienrätin, wendet sich gegen die Ernennung der Beigeladenen zur Oberstudienrätin und beansprucht ihre eigene Beförderung. 2 Mit Wirkung zum 1. April 2009 beförderte der Beklagte die Beigeladene vom Amt einer Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13 ThürBesG) zur Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) an einem beruflichen Gymnasium. Der Ernennung der Beigeladenen ging weder eine Ausschreibung voraus noch unterrichtete der Beklagte die bei der Auswahl nicht berücksichtigten anderen beamteten Lehrer von der Beförderungsentscheidung. Auch in den Folgejahren nahm der Beklagte in vergleichbarer Weise Beförderungen in das Amt eines Oberstudienrats/einer Oberstudienrätin vor. 3 Auf ihre erstmals im März 2013 beantragte Beförderung teilte der Beklagte der Klägerin mit, ein solcher Antrag sei nicht erforderlich, Feststellung und Auswahl der zu befördernden Beamten erfolgten von Amts wegen; allerdings sei keine Aussage über den Zeitpunkt künftiger Beförderungen möglich. Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch von Juni 2013 verlangte die Klägerin die Aufhebung von Beförderungen ihr namentlich nicht bekannter Beamter zu Oberstudienräten bei gleichzeitiger eigener Beförderung. Diesen Widerspruch wies der Beklagte als unzulässig zurück. 4 Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsurteil ausgeführt, die Klägerin habe das Anfechtungsrecht gegen die Ernennung der Beigeladenen verwirkt, weil sie über Jahre hinweg untätig geblieben sei, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass in den Jahren von 2009 bis 2012 regelmäßig Beförderungen für Lehrkräfte an beruflichen Gymnasien stattfanden. Jedenfalls hätte sie sich durch einfache Nachfrage darüber Kenntnis verschaffen können. 5 Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie beantragt, die Urteile des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2016 und des Verwaltungsgerichts Weimar vom 29. Oktober 2015 sowie den Bescheid des Staatlichen Schulamtes Nordthüringen vom 9. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 27. August 2013 sowie die Ernennung der Beigeladenen zur Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin zur Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) zu ernennen, hilfsweise über die Bewerbung der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 6 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 7 Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt kein Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO oder sonstiges revisibles Recht. Die Klägerin ist zwar in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden (1.). Sie hat diese Rechtsposition - und zwar sowohl die prozessuale Befugnis, diese Rechtsverletzung geltend zu machen, als auch den materiellen Anspruch selbst - indes verwirkt, weil sie es versäumt hat, die Ernennung der Beigeladenen rechtzeitig anzufechten (2.). 8 1. Die Nichteinbeziehung der Klägerin in die Auswahlentscheidung über Beförderungen zur Oberstudienrätin oder zum Oberstudienrat zum 1. April 2009 (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) war mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG nicht vereinbar. 9 a) Art. 33 Abs. 2 GG sowie die einfach-rechtlichen Konkretisierungen in den Beamtengesetzen gewährleisten jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauswahl ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben. Andere Kriterien können bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265 <268>). Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 19 f. und vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 16 ff.). 10 Aus der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruchs eines Beförderungsbewerbers ergeben sich Vorwirkungen für das Verwaltungsverfahren. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juni 1967 - 2 BvR 375/65 u.a. - BVerfGE 22, 49 <81 f.>; Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <110>; Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Juni 2015 - 2 BvR 161/15 - NVwZ 2016, 59 Rn. 38 und vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 - NVwZ-RR 2016, 187 Rn. 14). Zur Sicherung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG auch die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. November 2011 - 2 BvR 2305/11 - NVwZ 2012, S. 368 <369>). Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene oder der von vornherein nicht berücksichtigte Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <403>). 11 In verfahrensrechtlicher Hinsicht folgt aus dem Leistungsgrundsatz in Verbindung mit dem Grundsatz effektiver Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) weiter die Pflicht des Dienstherrn, einem bei der Entscheidung über die Vergabe von Beförderungsstellen unterlegenen Beamten das Ergebnis der Entscheidung rechtzeitig vor der Ernennung des Mitbewerbers/der Mitbewerber mitzuteilen. Eine solche Konkurrentenmitteilung soll den unterlegenen Beamten in die Lage versetzen, gegen eine aus seiner Sicht rechtswidrige Auswahlentscheidung um gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutz nachzusuchen (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179>; BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 34). 12 Daran gemessen hat der Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin zum einen dadurch verletzt, dass er sie bei der Auswahlentscheidung über die Beförderungen zum 1. April 2009 nicht einbezogen hat. Zum anderen hat er es rechtswidrig unterlassen, der Klägerin das Ergebnis der Auswahlentscheidung vor der Ernennung der ausgewählten Person mitzuteilen. Die zum 1. April 2009 gleichwohl vorgenommene Ernennung der Beigeladenen in ein Beförderungsamt der Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG ist deshalb mit dem Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) unvereinbar gewesen. 13 b) Der Beklagte hat die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Klägerin auch zu vertreten. Zu vertreten hat der Dienstherr Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Von den für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten muss verlangt werden, dass sie die Sach- und Rechtslage unter Heranziehung aller ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden. Dazu gehören auch die Auswertung der Rechtsprechung und ggf. die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob in Aussicht genommene Personalentscheidungen am Maßstab der relevanten Rechtsnormen Bestand haben können (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 39). 14 Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte den Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls wegen Fahrlässigkeit zu vertreten. Bei sorgfältiger rechtlicher Prüfung hätten die Verantwortlichen erkennen müssen, dass ihre zum 1. April 2009 getroffene Auswahlentscheidung den in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben nicht entsprach und dass es rechtswidrig ist, keine Konkurrentenmitteilungen zu versenden. Hieran konnte bereits zum damaligen Zeitpunkt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 25 und 34 m.w.N.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179> m.w.N.) kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen. 15 2. Die in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzte Klägerin hat indes ihr Recht auf Anfechtung der Ernennung der Beigeladenen zur Oberstudienrätin verwirkt. 16 Das Rechtsinstitut der Verwirkung hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - eine hinreichende gesetzliche Grundlage (a). Es ist im öffentlichen Recht und damit auch bei der Anfechtbarkeit der Konkurrentenernennung grundsätzlich anwendbar (b). Ob die abstrakten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen (c), ist im konkreten Einzelfall zu beantworten (d). 17 a) Das Vorbringen der Revision, die Regelung der Beziehungen der Bewerber zum Dienstherrn im Hinblick auf eine beabsichtigte Beförderung sei allein Sache des Gesetzgebers und die Gerichte dürften dieses Verhältnis - auch bei Untätigkeit des Gesetzgebers - nicht auf der Grundlage allgemeiner Rechtsinstitute, wie etwa der Verwirkung, ausgestalten, trifft nicht zu. Es ist auch im Bereich von Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG Aufgabe der Gerichte, die Interessen der verschiedenen Beteiligten - ausgewählte Bewerber, nicht berücksichtigte Bewerber und Dienstherr - ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen, wenn der Gesetzgeber das bei Beförderungen einzuhaltende Verfahren nicht weiter regelt. Zu den dabei zu berücksichtigenden Rechtsgrundsätzen zählt auch das allgemein anerkannte Institut der Verwirkung. 18 Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für das Rechtsinstitut der Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes und gilt auch im öffentlichen Recht, namentlich im öffentlichen Dienstrecht (vgl. Schubert, in: Münchner Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2016, § 242 Rn. 356 ff., 411, 419). Die Verwirkung ist darüber hinaus durch die Regelungen in den § 15 StVG, § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG, § 21 Abs. 4 MarkenG und § 3 Satz 3 Mindestlohngesetz gesetzlich anerkannt. Deshalb greift die Auffassung der Revision nicht durch, dass es, gemessen an den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG, an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für die Maßstabsbildung fehlt. 19 b) Gegenstand der Verwirkung können alle subjektiven Rechte sein. Bei einer verwirkbaren Rechtsposition kann es sich ebenso um eine einzelne prozessuale Befugnis wie um ein materielles privates oder subjektiv-öffentliches Recht handeln (vgl. BGH, Urteile vom 10. März 1956 - IV ZR 336/55 - BGHZ 20, 198 <206>, vom 25. März 1965 - V BLw 25/64 - BGHZ 43, 289 <292> und vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 302/87 - NJW 1989, 836 <838> sowie Beschluss vom 21. Februar 2012 - VIII ZR 146/11 - NJW-RR 2012, 1227 Rn. 6 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. August 1990 - 4 B 95.90 - NVwZ-RR 1991, 111; Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182; Beschluss vom 29. August 2018 - 3 B 24.18 - juris Rn. 14 ff.). Die Verwirkung ist auch im öffentlichen Dienstrecht anwendbar (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1958 - 6 C 234.57 - BVerwGE 6, 204 <205 ff.>; Beschluss vom 17. Januar 1975 - 6 CB 133.74 - ZBR 1975, 146; Urteile vom 28. Juni 1982 - 6 C 92.78 - Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 21 S. 7 und vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 <36>; Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 15 und vom 23. Dezember 2015 - 2 B 40.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 21). 20 Der Tatbestand der Verwirkung setzt eine verwirkbare Rechtsposition voraus. Grundsätzlich ist - wie dargestellt - jedes Recht verwirkbar. Nicht verwirkbare Rechtspositionen müssen als solche ausdrücklich gesetzlich bestimmt sein (vgl. z.B. § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG). Eine solche gesetzliche Ausnahmebestimmung der Nichtverwirkbarkeit des Rechts des Beamten, seinen Bewerbungsverfahrensanspruch in Fällen der Rechtsschutzverhinderung durch die Anfechtung der Ernennung des Konkurrenten durchzusetzen, besteht nicht. Auch der aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entwickelte Bewerbungsverfahrensanspruch unterliegt deshalb grundsätzlich der Verwirkung. 21 c) Tatbestandlich setzt Verwirkung voraus, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung unter Berücksichtigung des beim Verpflichteten - oder bei einem Dritten - daraus erwachsenen Vertrauens als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> und vom 12. Dezember 2002 - 7 C 22.02 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 16 S. 26; Beschlüsse vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 - BauR 2013, 1101, vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 15, vom 20. Januar 2017 - 8 B 23.16 - NVwZ-RR 2017, 430 und vom 24. Mai 2017 - 1 B 103.17 - juris Rn. 5; zuletzt Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - Rn. 8). Das ist dann der Fall, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (sog. Umstandsmoment, BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 f.>). Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die ein Beteiligter - hier der Dienstherr oder der begünstigte Dritte - vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (sog. Vertrauensmoment, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 f.>; BVerwG, Urteile vom 13. November 1975 - 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 <358>, vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 <36> und vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 8; OVG Münster, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 4240/05 - DÖD 2008, 185). Darauf, ob etwa der mit Widerspruch und Klage angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war, kommt es nicht an, denn die Verwirkung des prozessualen Rechts hat zur Folge, dass der Rechtsinhaber die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung nicht mehr geltend machen kann (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 1 B 103.17 - juris Rn. 5). 22 Eine Schutzwürdigkeit des Verpflichteten besteht z.B. nicht, wenn er die Untätigkeit des Berechtigten in unredlicher Weise veranlasst hat oder wenn er davon ausgehen muss, dass der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nichts weiß (z.B. BGH, Urteil vom 15. September 1999 - I ZR 57/97 - NJW 2000, 140 <142>; Sutschet, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Posek, Stand 1. Mai 2018, § 242 BGB Rn. 141). Fehlt das Umstands- oder/und das Vertrauensmoment, tritt eine Verwirkung auch bei sehr langer Dauer der Nichtgeltendmachung eines Rechts jedenfalls regelmäßig nicht ein. Zeit-, Umstands- und Vertrauensmoment sind nicht präzise voneinander zu trennen und abgrenzbar. Sie stehen vielmehr in einer Wechselwirkung zueinander (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 - X ZR 150/98 - BGHZ 146, 217 <224>). Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände. Dies kann im Einzelfall, insbesondere bei - wie hier - mehrpoligen Rechtsbeziehungen, zu komplexen Abwägungsvorgängen führen. 23 d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin hinreichende Kenntnis, dass beamtete Lehrer alljährlich und in regelmäßigen Abständen befördert wurden (aa). Daher war es ihr zumutbar, binnen eines Jahres ab der zum 1. April 2009 wirksamen Aushändigung der Ernennungsurkunde zur Oberstudienrätin die Ernennung der Beigeladenen anzufechten. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für diese Jahresfrist ist § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Das erst im Jahr 2013 gestellte Rechtsschutzgesuch der Klägerin ist daher verspätet (bb). Zu diesem Zeitpunkt hat die zur Oberstudienrätin beförderte Beigeladene darauf vertrauen dürfen, dass ihr neues Amt stabil und unangreifbar ist (cc). 24 aa) Nach den nicht mit (durchgreifenden) Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb revisionsrechtlich (§ 137 Abs. 2 VwGO) bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, hatte die Klägerin Kenntnis, ""dass jedenfalls in dem hier zu beurteilenden Zeitraum alljährlich und in regelmäßigen Abständen Beförderungen vorgenommen wurden, auch wenn sie von konkreten Beförderungen und den ausgewählten Beamten nichts gewusst haben mag"" (Berufungsurteil, UA S. 20). 25 Im Übrigen und lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass aufgrund der vom Berufungsgericht im Urteil in Bezug genommenen Gerichts-, Behörden- und Personalakten (UA S. 15) weiter tatsächlich feststeht, dass zu den Beförderungsstichtagen des 1. September 2009, 1. Oktober 2010 und 1. Oktober 2011 auch an der berufsbildenden Schule in N., an der die Klägerin unterrichtet, vier Beförderungen von Studienräten (Besoldungsgruppe A 13 ThürBesG) zu Oberstudienräten (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) stattgefunden haben. Auch hat die Klägerin auf Vorhalt des Beklagten eingeräumt, im Jahr 2011 anlässlich der Ernennungen von zwei Studienrätinnen zu Oberstudienrätinnen, jeweils an einem Frühstück teilgenommen zu haben, zu denen die beförderten Lehrerinnen das Kollegium aus Anlass ihrer Beförderung eingeladen hatten (VG-Akte, Bl. 226 und Bl. 233). Die dazu zuletzt nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebene Behauptung der Klägerin, sie habe keinen Zusammenhang zwischen diesen Ernennungen und ihrer Rechtsposition erkennen können, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Mit dem Wissen um diese regelmäßig stattfindenden Beförderungsrunden (auch) in dem sie betreffenden Bereich der Thüringer Schulverwaltung war für die Klägerin mithin auch die sog. Anstoßwirkung gegeben, gegen die eigene Nichtberücksichtigung ggf. vorzugehen, wie dies - wenn auch sicherlich stärker - bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Dienstherrn durch eine sog. Konkurrentenmitteilung der Fall gewesen wäre. 26 Der Senat tritt dem Oberverwaltungsgericht - wenngleich im Streitfall nicht entscheidungserheblich - auch darin bei, dass der positiven Kenntnis des nicht berücksichtigten Beamten von regelmäßig stattfindenden Beförderungen in seinem Verwaltungsbereich die Fallkonstellation gleichzusetzen ist, wenn sich ihm eine solche Kenntnis hätte aufdrängen müssen und er etwa fehlendes Wissen über nähere Einzelheiten des Beförderungsverfahrens durch einfache Nachfrage beim Dienstherrn oder Personalrat ohne nennenswerten Aufwand (insbesondere Kosten) in zumutbarer Weise hätte erlangen können (zu einer solchen Erkundigungsobliegenheit vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 - juris Rn. 28 ff., dort im Rahmen von § 839 Abs. 3 BGB). 27 bb) Die Kenntnis von den aus der Besoldungsgruppe A 13 ThürBesG über die Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG alljährlich zu bestimmten Stichtagen durchgeführten Lehrerbeförderungen hätte die Klägerin binnen Jahresfrist nach den durchgeführten Ernennungen veranlassen müssen, sich bei ihrem Dienstherrn nach ihrem eigenen beruflichen Fortkommen zu erkundigen und sodann ggf. um Rechtsschutz gegen die ausgesprochenen Beförderungen nachzusuchen. 28 Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Jahresfrist ist § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Möglichkeit einer Verwirkung zwar nicht an die Fristen der § 70 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 VwGO gebunden und kann deshalb je nach den Umständen auch schon vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eintreten (BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <298 f.> und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 24). Einer zu engen Fristbestimmung für den übergangenen Beamten steht aber entgegen, dass der Dienstherr sich nicht auf die Ämterstabilität berufen kann, weil er den ihm obliegenden verfahrensrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist und anderenfalls die Grundrechte unterlegener Bewerber durch vorzeitige Ernennungen ausgeschaltet würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 37). 29 Unter Berücksichtigung der abzuwägenden öffentlichen und privaten Interessen von Klägerin, Dienstherrn und Beigeladener und ihrer verfassungsrechtlichen Verortung erscheint es daher angemessen, für die Anfechtung von Dritternennungen im Konkurrentenstreit als längeren Zeitraum eine Zeitspanne von einem Jahr ab der Aushändigung der Ernennungsurkunde an den beförderten Beamten anzusehen. In der hier gegebenen Fallkonstellation, dass der übergangene Beamte hinreichende Kenntnis von der Tatsache regelmäßiger Beförderungsverfahren in seinem Verwaltungsbereich hat, ist es einem Beamten, der an seinem beruflichen Fortkommen interessiert ist, zuzumuten, sich innerhalb dieser Zeitspanne über erfolgte Beförderungen zu informieren, sich ggf. rechtlich beraten zu lassen und zu entscheiden, ob er sich gegen die vorzeitig erfolgte Ernennung eines ausgewählten Beamten wendet. Damit ist hinreichend dem Gebot Rechnung getragen, dass durch die Annahme einer Verwirkung der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 f.>). 30 Dabei berücksichtigt der Senat einerseits, dass der rechtswidrig nicht in das Auswahlverfahren einbezogene Beamte nur durch die nachträgliche Erhebung einer Anfechtungsklage die Möglichkeit erhält, seinem übergangenen Bewerbungsverfahrensanspruch Geltung zu verschaffen. Dieser durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch hat einen hohen Stellenwert. Zu würdigen ist andererseits, dass auch die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ein verfassungsrechtliches Schutzgut ist (Art. 33 Abs. 2, Art. 83 ff. GG). Bei all- oder halbjährlichen Beförderungsstichtagen - wie hier - käme es zwar auch in Betracht, als notwendigen Zeitraum für die Erlangung von Rechtsschutz die Zeit bis zum nächsten Beförderungsstichtag festzulegen. Doch wäre ein solcher Zeitraum im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu knapp bemessen. Er könnte für die Annahme der Verwirkung möglicherweise genügen, wenn der Dienstherr dem Berechtigten nachträglich unverzüglich Kenntnis von allen relevanten Umständen verschafft hätte. Daran fehlt es hier aber. 31 Das Gebot der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (Art. 33 Abs. 2, Art. 83 ff. GG) fordern eine generelle und möglichst baldige Klärung von Beförderungskonkurrenzen. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, ob die Stellenbesetzung Bestand hat, zumal die nachträgliche Aufhebung der Ernennung im Beförderungsamt mit zunehmendem Zeitablauf zu schwierigen Rückabwicklungsproblemen führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 23, zum Abbruch eines Auswahlverfahrens). Des Weiteren wäre es unverständlich, wenn der Beamte bei einem seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragenden und insoweit verfahrensfehlerfreien Auswahlverfahren einerseits unter Hinweis auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und die Ämterstabilität auf die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes verwiesen wird, ihm aber andererseits im nachträglichen Anfechtungsverfahren mehr als ein Jahr zur Wahrung seiner Rechte zur Verfügung stünde. 32 Was den Anknüpfungszeitpunkt für den Lauf der Jahresfrist betrifft, vermag der Senat dem Berufungsgericht allerdings nicht zu folgen, das hierfür auf den Beförderungsstichtag abheben will. Insoweit ist vielmehr auf den Zeitpunkt der jeweiligen Beförderung abzustellen. Dem Berufungsgericht ist zuzugestehen, dass dieser Zeitpunkt in Fällen der vorliegenden Art dem nicht berücksichtigten Beamten zunächst nicht bekannt ist. Er kann ihn aber jedenfalls im Wege der Akteneinsicht in Erfahrung bringen und damit den Fristenlauf leicht errechnen. Zwar kann dieser Zeitpunkt bei einer Mehrzahl von zu Ernennenden variieren und damit unterschiedliche Fristenläufe zur Folge haben. Andererseits gibt es nicht in jedem Fall einen (einheitlichen) Beförderungsstichtag und könnte die Frist zu einem erheblich früheren Zeitpunkt ablaufen, wenn Beförderungsstichtag und Ernennung weit auseinanderfallen. Gegen ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (so OVG Münster, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 A 1923/14 - juris Rn. 96) spricht, dass eine solche Anknüpfung sich vom Angriffsgegenstand der nachgehenden Anfechtungsklage entfernen würde. Letzteres ist nach allgemeiner Ansicht die Ernennung desjenigen oder derjenigen Beamten, gegenüber dem oder denen sich der nicht berücksichtige Beamte zu Unrecht zurückgesetzt sieht. Deshalb hält es der Senat aus Gründen eines einheitlichen und stimmigen systematischen Ansatzes für richtig, den Lauf der Jahresfrist an den Zeitpunkt der Ernennung des jeweiligen Beamten anzuknüpfen. 33 Die Rüge der Klägerin, dass der Beklagte seiner Mitteilungs- und Wartepflicht vor der Ernennung der Beigeladenen zur Oberstudienrätin nicht genügt und hierdurch die zeitnahe Inanspruchnahme von Rechtsschutz verhindert hat, rechtfertigt es nicht, nachträglichen Anfechtungsrechtsschutz gegen die Dritternennung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ab Urkundenaushändigung zu eröffnen. Die Verfahrensweise des Beklagten war zwar, wie dargestellt, - offensichtlich - rechtswidrig. Dieser Fehlerhaftigkeit ist indes bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Beamtin aus diesem Grund ausnahmsweise - in Durchbrechung des Grundsatzes der Ämterstabilität - die Möglichkeit nachgehenden (Primär-)Rechtsschutzes binnen eines Jahres nach der Aushändigung der Ernennungsurkunde an den Dritten eröffnet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 29 ff.). 34 Die Klägerin führt sinngemäß zu Recht an, dass bei der Beurteilung, ob eine verspätete Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen treuwidrig erscheint, das Verhalten der Behörde nicht außer Betracht bleiben dürfe, insbesondere dann, wenn sie sich ihrerseits treuwidrig verhalten habe. Allerdings ist das Verhalten der Behörde für die Frage der Verwirkung nur insoweit erheblich, als es sich kausal und in relevanter Weise ausgewirkt hat, namentlich dann, wenn der Berechtigte, dessen Rechtsausübung als treuwidrig umstritten ist, erst durch die andere Partei zu diesem, das Maß der Treuwidrigkeit überschreitenden Verhalten veranlasst wurde (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343 f.> und vom 10. August 2000 - 4 A 11.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 158 S. 58). Für ein solches, zusätzlich treuwidriges Verhalten fehlen hier genügende Anhaltspunkte. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte mit der Beigeladenen kollusiv zusammengewirkt oder sonst versucht hätte, die Inanspruchnahme gerichtlichen Hauptsacherechtsschutzes durch die Klägerin zu verhindern. Dies kann auch der, ohnehin späteren, Mitteilung des Beklagten vom 9. März 2013, ein Antrag sei nicht erforderlich, weil Beförderungen von Amts wegen vorgenommen würden, nicht entnommen werden. 35 cc) Bei der für die Verwirkung erforderlichen Betätigung berechtigten Vertrauens in die Umstände des Bestands in die Ernennung stellt der Senat maßgeblich auf das Vertrauen der nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig Beigeladenen in die Stabilität des ihr zum 1. April 2009 verliehenen Statusamts einer Oberstudienrätin (Besoldungsgruppe A 14 ThürBesG) ab (vgl. dazu auch OVG Koblenz, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 10 A 10738/14.OVG - BeckRS 2016, 54829). Die Beigeladene darf unter Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit des sie begünstigenden Auswahl- und Ernennungsverfahrens zwar nicht sofort ab Aushändigung der Urkunde - hier zum 1. April 2009 -, im konkreten Fall aber nach einem Zeitraum von einem Jahr ab diesem Zeitpunkt in die Stabilität des ihr verliehenen neuen und höherwertigen Statusamts vertrauen. Denn sie hat sich gegenüber der Klägerin weder rechtswidrig noch sonst treuwidrig verhalten. Auch hat sie nicht rechtsmissbräuchlich mit dem Beklagten zusammengewirkt; zu einer evident missbräuchlichen ""Geheimernennung"" ist es nicht gekommen. Ab dem Zeitpunkt ihrer Ernennung hat die Beigeladene ihr grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand ihrer Ernennung durch Ausübung ihres Amtes einer Oberstudienrätin betätigt. Ab diesem Zeitpunkt stehen ihr auch aus dem höheren Statusamt höhere Besoldungs- und Versorgungsansprüche zu. 36 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2018-57,31.08.2018,"Pressemitteilung Nr. 57/2018 vom 31.08.2018 EN Keine Unfallfürsorgeansprüche ohne Unfallmeldung Die gesetzlich geregelte Obliegenheit der Beamten, Unfälle beim Dienstvorgesetzten zu melden, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, besteht unabhän­gig davon, ob der Dienstvorgesetzte bereits Kenntnis von dem Unfall hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Der Kläger war bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung Feuerwehrbeamter bei einer städtischen Berufsfeuerwehr. Bei einem Einsatz im Jahre 1996 rettete er ein Kind aus einem brennenden Gebäude. Dabei kippte die ausgefahrene Drehleiter um und der Kläger stürzte mit der Leiter zu Boden. Der Kläger wurde ärztlich untersucht, eine Dienstunfallmeldung gab er nicht ab. 17 Jahre später beantragte der Kläger die An­erkennung des damaligen Geschehens als Dienstunfall und die Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung als Folge davon. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger die einschlägigen Fristen für die Dienstunfallmel­dung versäumt und auch keinen Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass die gesetzliche Regelung, nach der Unfälle, aus denen Unfallfür­sorgeansprüche entstehen können, beim Dienstvorgesetzten innerhalb einer Aus­schlussfrist von zwei Jahren zu melden sind, strikt zu beachten ist. Das Gesetz for­dert von einem Beamten, der aktuell oder später Unfallfürsorgeansprüche geltend machen will, ein aktives Tun in Form einer fristgebundenen Unfallmeldung. Erfolgt innerhalb der gesetzlichen Meldefristen keine Unfallmeldung, erlöschen Unfallfürsor­geansprüche. Das gilt auch dann, wenn der Dienstvorgesetzte auch ohne Unfallmel­dung Kenntnis von dem Unfallgeschehen hat und eine Untersuchung einleitet. Außerdem ist im Falle des Klägers die gesetzlich vorgesehene längere Meldefrist von bis zu zehn Jahren für erst später bemerkbar gewordene Unfallfolgen verstrichen; auch deshalb sind Ansprüche auf Unfallfürsorge ausgeschlossen. Fußnote: § 45 Beamtenversorgungsgesetz in der hier maßgeblichen Fassung vom 16. Dezember 1994 Meldung und Untersuchungsverfahren (1)   Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, sind innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Die Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn der Unfall bei der für den Wohnort des Berechtigten zuständigen unteren Verwaltungsbehörde gemeldet worden ist. (2)   Nach Ablauf der Ausschlußfrist wird Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, daß eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalles erst später bemerkbar geworden ist oder daß der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden. Die Meldung muß, nachdem eine Unfallfolge bemerkbar geworden oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen. Die Unfallfürsorge wird in diesen Fällen vom Tage der Meldung an gewährt; zur Vermeidung von Härten kann sie auch von einem früheren Zeitpunkt an gewährt werden. (3) Der Dienstvorgesetzte hat jeden Unfall, der ihm von Amts wegen oder durch Meldung der Beteiligten bekannt wird, sofort zu untersuchen. Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle entscheidet, ob ein Dienstunfall vorliegt und ob der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Entscheidung ist dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen bekanntzugeben. BVerwG 2 C 18.17 - Urteil vom 30. August 2018 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 2 LB 10/16 - Urteil vom 04. April 2017 - VG Schleswig, 11 A 438/14 - Urteil vom 19. Mai 2015 -","Urteil vom 30.08.2018 - BVerwG 2 C 18.17ECLI:DE:BVerwG:2018:300818U2C18.17.0 EN Unfallfürsorgeansprüche setzen Unfallmeldung voraus Leitsätze: 1. Ein nach § 45 Abs. 1 BeamtVG meldepflichtiger ""Unfall"" ist nicht nur der - feststehende - Dienstunfall, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslösen kann. 2. Die Meldepflicht nach § 45 Abs. 2 BeamtVG bezieht sich auch auf zunächst nicht bemerkbare Unfallfolgen. Deshalb ist eine zunächst noch nicht bemerkbare, aber innerhalb von zehn Jahren eingetretene Unfallfolge auch dann gesondert zu melden, wenn der Beamte den Unfall bereits zuvor fristgerecht gemeldet hat. 3. Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG wird nicht dadurch entbehrlich, dass der Dienstvorgesetzte von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hat und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG verpflichtet ist, den Unfall sofort zu untersuchen. Das gilt selbst dann, wenn die Untersuchung bereits eingeleitet worden ist. Rechtsquellen BeamtVG 1994 §§ 30, 31, 45 Instanzenzug VG Schleswig - 19.05.2015 - AZ: VG 11 A 438/14 OVG Schleswig - 04.04.2017 - AZ: OVG 2 LB 10/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.08.2018 - 2 C 18.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:300818U2C18.17.0] Urteil BVerwG 2 C 18.17 VG Schleswig - 19.05.2015 - AZ: VG 11 A 438/14 OVG Schleswig - 04.04.2017 - AZ: OVG 2 LB 10/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der im Jahr 1966 geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand im Jahre 2013 Feuerwehrbeamter bei der Berufsfeuerwehr der beklagten Stadt. Bei einem Einsatz im Januar 1996 rettete er ein Kind aus einem brennenden Gebäude. Dabei kippte die ausgefahrene Drehleiter um und der Kläger stürzte mit der Leiter zu Boden. Die Abläufe des Einsatzes vom Januar 1996 wurden seinerzeit durch die Beklagte untersucht, ohne dass ein Ergebnis festgestellt worden ist. Der Kläger wurde ärztlich untersucht, machte aber keine Angaben zu mit dem Einsatz in Zusammenhang stehenden Verletzungen oder psychischen Problemen. Eine Dienstunfallmeldung gab der Kläger nicht ab. Anlässlich einer arbeitsmedizinischen Untersuchung im Februar 1996 gab er an, bei dem Unfall mit der Leiter Prellungen am Schienbein erlitten zu haben. 2 Nach einem amtsärztlichen Gutachten vom November 2012 hat der Kläger im Sinne eines Versuchs einer Selbsttherapie über einen längeren Zeitraum hinweg Kokain konsumiert und sich dann zu einer psychotherapeutischen Behandlung entschlossen. Die Konfrontation mit dem auslösenden Geschehen habe jedoch zu einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung geführt. Sowohl der Amtsarzt als auch die vorbehandelnde Klinik gehen davon aus, dass bei dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, die Folge der Ereignisse vom Januar 1996 ist. 3 Im Juli 2013 beantragte der Kläger die Anerkennung des Geschehens vom Januar 1996 als Dienstunfall sowie der Posttraumatischen Belastungsstörung als dessen Folge. Antrag, Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger den Vorfall erst 17 Jahre später gemeldet und daher sowohl die gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist von zwei Jahren als auch die verlängerte Ausschlussfrist von zehn Jahren versäumt habe; auch aus der Fürsorgepflicht ergebe sich kein Anspruch. 4 Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. April 2017 und des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 19. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall anzuerkennen und die Posttraumatische Belastungsstörung des Klägers als Dienstunfallfolge anzuerkennen. 5 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren. II 7 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat nach dem im Streitfall maßgeblichen Recht (1.) keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall und einer Posttraumatischen Belastungsstörung als Dienstunfallfolge. Das ergibt sich daraus, dass er die Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 für die Unfallmeldung versäumt hat (2.) und auch die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 für die Unfallmeldung und die Unfallfolgenmeldung nicht beachtet hat (3.). Eine Unfallmeldung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil dem Dienstvorgesetzten des Klägers der Unfall von Amts wegen bekannt war und er eine Unfalluntersuchung eingeleitet hat (4.) oder weil die beklagte Stadt ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt hätte (5). 8 1. Ob der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls und einer Dienstunfallfolge ausgeschlossen ist, weil der Kläger erst 17 Jahre nach dem Unfallereignis eine Unfallmeldung abgegeben hat, bestimmt sich nach § 45 Beamtenversorgungsgesetz i.d.F. der Neubekanntmachung vom 16. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3858) - im Folgenden: BeamtVG 1994 - als im Zeitpunkt des Unfallereignisses maßgeblicher Norm für die Meldung von Dienstunfällen. 9 Für das Dienstunfallrecht ist geklärt, dass die dienstunfallrechtliche Behandlung eines Ereignisses, sich nach demjenigen Recht beurteilt, das in dem Zeitpunkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich - in der Regel den Beamten begünstigende - Rückwirkung beimisst (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 1963 - 2 C 27.60 - BVerwGE 16, 103 <104> und - 2 C 153.60 - Buchholz 237.7 § 142 LBG NRW Nr. 2 S. 5, vom 24. Oktober 1963 - 2 C 10.62 - BVerwGE 17, 59 <60>, vom 6. Januar 1969 - 6 C 38.66 - BVerwGE 31, 170 <172>, vom 25. Oktober 2012 - 2 C 41.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 3 Rn. 8, vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - NVwZ-RR 2013, 522 Rn. 8, vom 29. August 2013 - 2 C 1.12 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 25 Rn. 8 und vom 17. November 2016 - 2 C 17.16 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 12). 10 Die landesrechtlichen Regelungen in Schleswig-Holstein enthalten keine rückwirkende Änderung der Bestimmung des hier maßgeblichen § 45 BeamtVG 1994. Mit dem Gesetz zur Überleitung des Bundesbesoldungsgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 785) regelte der Landesgesetzgeber in Art. 2 die Überleitung des Beamtenversorgungsgesetzes (des Bundes) für die Landes- und Kommunalbeamten und bestimmte in seinem § 2 Abs. 1 die grundsätzliche Fortgeltung dieses Gesetzes in der Fassung vom 19. Juli 2006, ohne für § 45 BeamtVG etwas anderes anzuordnen. Mit dem Beamtenversorgungsgesetz Schleswig-Holstein - SH BeamtVG - vom 26. Januar 2012 (GVOBl. Schl.-H. S. 153, 219) traf das Land eine eigenständige Bestimmung und regelte in § 51 dieses Gesetzes die Meldung von Dienstunfällen nahezu wortgleich mit der bundesrechtlichen Regelung; die Übergangsvorschriften der §§ 82 ff. SHBeamtVG enthalten keine hier relevanten Vorschriften zum Dienstunfallrecht. 11 2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall, denn er hat die Frist des § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 für die Meldung des Unfalls nicht gewahrt. 12 a) Nach § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 sind Unfälle, aus denen sich Unfallfürsorgeansprüche ergeben können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten zu melden. Einem Beamten und seinen Hinterbliebenen wird nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1994 Unfallfürsorge gewährt, wenn er durch einen Dienstunfall verletzt wird. Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (in der Fassung des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1995 vom 18. Dezember 1995, BGBl. I S. 1942) ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist (alle genannten Bestimmungen sind mit unverändertem Wortlaut auch gegenwärtig geltendes Recht). 13 Ein meldepflichtiger ""Unfall"" ist deshalb nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei Unfallfürsorgeansprüche auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslöst. 14 Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm (""können""), sondern auch aus der systematischen Betrachtung mit § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG: Wenn dort binnen zehn Jahren der Unfall u.a. dann noch gemeldet werden kann, wenn eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden worden ist - so die Gesetzesfassung bis 2001 - bzw. mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können - so die Gesetzesfassung seit 2001 -, dann muss die Meldeverpflichtung nach § 45 Abs. 1 BeamtVG schon dann einsetzen, wenn vorher eine solche Unfallfolge noch nicht vorliegt, aber mit ihr gerechnet werden muss. Da jeder Körperschaden Unfallfürsorgeansprüche auslöst - mindestens einen solchen auf Heilverfahren durch notwendige ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BeamtVG) -, muss ein Unfallereignis, das noch keinen Körperschaden bewirkt hat, aber möglicherweise später zu einem Körperschaden führen wird, ein meldepflichtiger ""Unfall"" im Sinne des § 45 Abs. 1 BeamtVG sein. 15 Auch Sinn und Zweck der Unfallmeldepflicht erfordern dieses Verständnis: Anknüpfungspunkt der Meldepflicht nach § 45 Abs. 1 BeamtVG ist weder eine Unfallfolge noch ein bereits entstandener Anspruch, sondern der Unfall selbst. Unabhängig davon, ob der Beamte das Ereignis als Dienstunfall einstuft, soll er seinen Dienstherrn in die Lage versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen. Damit werden einerseits Aufklärungsschwierigkeiten vermieden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten; zum anderen wird der Dienstherr in die Lage versetzt, präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ergreifen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. September 1963 - 2 C 224.61 - Buchholz 232 § 150 BBG Nr. 3 S. 5, vom 18. Dezember 1969 - 2 C 37.68 - BVerwGE 34, 343 <345>, vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 - Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 2 S. 3, vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5 S. 6 und vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 28; Beschlüsse vom 30. September 1970 - 6 B 66.69 - Buchholz 232 § 150 BBG Nr. 8 S. 14, vom 15. September 1995 - 2 B 46.95 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 3 S. 2 und vom 11. Juli 2014 - 2 B 37.14 - Buchholz § 45 BeamtVG Nr. 7 Rn. 8 f.). 16 Ist nach der Unfallmeldung im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls (noch) kein Körperschaden eingetreten, liegen aber alle sonstigen Voraussetzungen eines Dienstunfalls vor, ist zwar eine Anerkennung des Unfallgeschehens als Dienstunfall (noch) nicht möglich, wohl aber eine Bestätigung, dass sich der Unfall in Ausübung des Dienstes ereignet hat. 17 Wird ein Dienstunfall wegen eines bereits entstandenen Körperschadens anerkannt, so werden Leistungen der Unfallfürsorge wegen dieses Körperschadens - und ggf. wegen weiterer damit in ursächlichem Zusammenhang stehenden Körperschäden - grundsätzlich unbefristet gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5). 18 Ein Körperschaden im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung sein (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 2 B 37.14 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 7). 19 b) Nach den genannten Grundsätzen war der Kläger nach § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 verpflichtet, das Unfallgeschehen vom Januar 1996 unabhängig davon zu melden, ob und inwieweit er einen aktuellen Körperschaden erlitten hat. Angesichts des dramatischen Geschehens bei diesem Rettungseinsatz waren Unfallfürsorgeansprüche - jedenfalls wegen späterer, insbesondere psychischer Unfallfolgen - möglich. Dieser Meldepflicht ist der Kläger nicht innerhalb der zweijährigen Meldefrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 nachgekommen. 20 3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Posttraumatischen Belastungsstörung als Dienstunfallfolge, denn er hat die Frist des § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 für die Meldung des Unfalls und der Unfallfolge nicht gewahrt. 21 a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1994 wird nach Ablauf der Ausschlussfrist - das heißt nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG 1994 - Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalles erst später bemerkbar geworden ist oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994 muss die Meldung, nachdem eine Unfallfolge bemerkbar geworden oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen. 22 Somit ist ein zunächst nicht erkennbarer, aber noch innerhalb der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1994 diagnostizierter Gesundheitsschaden als Unfallfolge nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994 innerhalb dreier Monate zu melden (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. September 2000 - 2 C 22.99 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 4 S. 2 und vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 29). Das bedeutet, dass auch eine weitere, erst später bemerkbar gewordene Unfallfolge erneut die Meldepflicht des § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 auslöst, also auch dann, wenn schon zuvor der Unfall und/oder eine andere Unfallfolge nach § 45 Abs. 1 oder 2 BeamtVG 1994 gemeldet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5; Beschluss vom 11. Juli 2014 - 2 B 37.14 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 7 Rn. 9 f.; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 30. November 2017 - 1 A 469/15 - juris Rn. 85 ff. m.w.N.; anders noch die ältere Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 18. Dezember 1969 - 2 C 37.68 - BVerwGE 34, 343 <345 f.>; vgl. auch OVG Weimar, Urteil vom 23. August 2016 - 2 KO 653/15 - ThürVGRspr 2017, 135 Rn. 49). 23 b) Im vorliegenden Fall ist die Meldung des Unfalls und der Unfallfolge nicht bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 erfolgt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die weitere Voraussetzung des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1994 - Glaubhaftmachung der Unvorhersehbarkeit einer Unfallfolge oder der Unmöglichkeit einer früheren Unfallmeldung - erfüllt ist. Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass eine innerhalb der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1994 erfolgte Meldung auch die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994 hätte wahren müssen. 24 4. Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG 1994 war nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte im Jahr 1996 bereits von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hatte und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG 1994 verpflichtet war, den Unfall sofort zu untersuchen, und ihn möglicherweise - die Feststellungen im Berufungsurteil sind insoweit nicht eindeutig - auch - ergebnislos - untersucht hat. 25 Nach § 45 Abs. 3 BeamtVG 1994 hat der Dienstvorgesetzte jeden Unfall, der ihm von Amts wegen oder durch die Meldung der Beteiligten bekannt wird, sofort zu untersuchen und das Ergebnis der zuständigen Dienstunfallfürsorgestelle mitzuteilen, die dann entscheidet, ob ein Dienstunfall vorliegt und ob der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat; diese Entscheidung ist dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen bekannt zu geben. 26 Diese Regelung des Untersuchungsverfahrens ersetzt nicht die in derselben Bestimmung geregelten Meldepflichten - auch nicht ausnahmsweise -, sondern ergänzt sie lediglich. 27 Für die Unfallfolgemeldepflicht nach § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 bei Spätfolgen ergibt sich dies schon daraus, dass sich die Untersuchung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG 1994 nur auf das Unfallgeschehen und unmittelbar hierdurch verursachte Körperschäden, nicht aber auf erst später eintretende Körperschäden erstreckt und erstrecken kann. 28 Der Wortlaut der Bestimmung gibt aber auch hinsichtlich der Unfallmeldepflicht nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG 1994 nichts für ein anderes Verständnis her. Maßgeblich hierfür ist zunächst, dass es an einer Regelung zum Verhältnis der Meldepflichten in Absatz 1 und 2 zu den Untersuchungs- und Entscheidungspflichten in Absatz 3 fehlt. Insbesondere gibt es keine gesetzliche Anordnung, wonach die Unfallmeldung bei Kenntnis des Dienstherrn vom Unfallgeschehen entbehrlich wäre. Angesichts der ausdrücklichen Ausgestaltung und Bezeichnung der Meldefrist nach Absatz 1 als ""Ausschlussfrist"" mit der Folge des materiellen Rechtsverlusts bei Untätigbleiben des Beamten innerhalb der Frist wäre eine solche Anordnung zu erwarten, wenn sie vom Gesetz gewollt wäre. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit wäre die gesetzlich uneingeschränkt angeordnete Meldepflicht nur dann entbehrlich, wenn es eine gesetzlich angeordnete Einschränkung der Meldepflicht gäbe, und nur soweit entbehrlich, wie diese Einschränkung reichen würde. 29 Auch nach der Systematik der Bestimmung schließen die Untersuchungs- und Entscheidungspflichten des Dienstherrn an die Meldepflichten des Beamten an. Das Gesetz geht von einer Meldeverpflichtung des Beamten aus, nicht hingegen von einer Untersuchungs- und Feststellungsverpflichtung des Dienstherrn von Amts wegen, die nur bei Nichterfüllung durch eine Meldeverpflichtung des Beamten abgesichert wird. Die Meldepflichten stehen im Kontext in Betracht kommender Unfallfürsorgeansprüche, in dem das mit der Meldepflicht abverlangte Tätigwerden des Beamten möglich und zumutbar ist. Dies gilt auch deshalb, weil die Anforderungen an eine Unfallmeldung gering sind. Erforderlich sind lediglich Angaben, aus denen - zumindest mittelbar - hervorgeht, dass ein (Unfall-)Ereignis angezeigt wird, aus dem Unfallfürsorgeansprüche entstehen können; hingegen ist insbesondere nicht erforderlich, dass sich aus der Meldung die Art der Verletzung ergibt oder mit ihr Unfallfürsorgeansprüche erhoben werden (BVerwG, Urteil vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 - Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 2 S. 3; Beschluss vom 11. Juli 2014 - 2 B 37.14 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 7 Rn. 8). 30 5. Die Einhaltung der Meldefrist war im vorliegenden Fall auch nicht im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn entbehrlich. Selbst wenn man annähme, dass der Dienstherr im vorliegenden Fall im Jahre 1996 Kenntnis vom Unfall des Klägers hatte und eine Untersuchung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG 1994 eingeleitet, aber nicht - mit einem für den Kläger günstigen - Ergebnis abgeschlossen hat, macht dies die Einhaltung der Unfallmeldefristen nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG 1994 nicht entbehrlich. 31 Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). 32 Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3, vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - Buchholz 232.01 § 48 BeamtStG Nr. 1 Rn. 22). 33 Der Dienstherr gewährt als Ausprägung seiner Fürsorgepflicht umfangreiche Dienstunfallfürsorgeleistungen (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG). Er gewährt sie aber nicht von Amts wegen, sondern auf Initiative des Beamten. Der Beamte muss in zweierlei Weise tätig werden, nämlich den Unfall bzw. die Unfallfolge melden (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) und in der Regel die konkrete Leistung beantragen (vgl. §§ 32 ff. BeamtVG zu den einzelnen Dienstunfallfürsorgeleistungen). Dieses System würde unterlaufen, wenn auch ohne Unfallmeldung des Beamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde. 34 Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, dass die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verletzt. Der Fürsorgegrundsatz gebietet nicht, dass über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren sind, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. Auch im Falle seiner Erkrankung ist die amtsangemessene Alimentation des Beamten sowie die angemessene Übernahme der durch den Körperschaden oder die Krankheit entstehenden Kosten über die genannten Leistungen gewährleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 46.13 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 29 Rn. 14). 35 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-6,16.02.2018,"Pressemitteilung Nr. 6/2018 vom 16.02.2018 EN Autobahn A 43: Oberverwaltungsgericht muss über Klage neu entscheiden In einem Rechtsstreit gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 43 zwischen dem Rhein-Herne-Kanal und der Anschlussstelle Recklinghausen/Herten hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das erstinstanzliche Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kläger sind Eigentümer eines selbst genutzten Mehrfamilienhauses in Reckling-hausen. An der ihrem Grundstück zugewandten Seite der Autobahn ist eine Lärmschutzwand geplant. Bei deren Bemessung hat der Planfeststellungsbeschluss eine Verkehrsprognose zu Grunde gelegt, die allerdings zuvor nicht öffentlich ausgelegt worden war. Die Verkehrsprognose war davon ausgegangen, dass die hier umstrittene A 43 bis zum Jahr 2025 durch einen Lückenschluss der A 52 zwischen dem Autobahnkreuz Essen-Ost und der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer-West, der im Bedarfsplan des Bundes als Vordringlicher Bedarf vorgesehen war, teilweise entlastet wird. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen. Es hat das beklagte Land Nordrhein-Westfalen aber verpflichtet, über zusätzliche Lärmschutzauflagen zugunsten der Kläger neu zu entscheiden. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht den in der Verkehrsprognose angenommenen Entlastungseffekt beanstandet, weil für den Lückenschluss der A 52 bislang kein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden sei. Sowohl der Beklagte als auch die Kläger haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte über den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, weil der Sachverhalt noch weiter geklärt werden muss. Das betrifft zum einen die Rechtmäßigkeit der Planung als solcher. Dem Beklagten ist ein Verfahrensfehler unterlaufen. Dieser liegt darin, dass die Verkehrsprognose für das Vorhaben nicht im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegt worden ist. Bei einer Straßenplanung gehört das Verkehrsgutachten grundsätzlich zu den entscheidungserheblichen Berichten, die nach den hier anwendbaren Regelungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung der Öffentlichkeit vorab zugänglich gemacht werden müssen. Ob sich der Fehler unter den hier vorliegenden Umständen auf das Ergebnis ausgewirkt hat, bedarf allerdings noch weiterer Feststellungen. Weiteren Klärungsbedarf gibt es auch, soweit das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, über zusätzliche Lärmschutzauflagen zugunsten der Kläger zu entscheiden. Die belastenden oder entlastenden Auswirkungen eines anderen Straßenbauvorhabens (hier der A 52) sind bei der Verkehrsprognose für das geplante Projekt (hier Ausbau der A 43) nicht erst dann zu berücksichtigen, wenn für das andere Vorhaben bereits ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden ist. Vielmehr muss geprüft werden, ob die Verwirklichung des anderen Vorhabens innerhalb des Prognosezeitraums realistischer Weise zu erwarten ist. Bei einem Projekt, das in den Bedarfsplan des Bundes als Vordringlicher Bedarf aufgenommen worden ist, darf regelmäßig von einer zeitnahen Verwirklichung ausgegangen werden. Bestehen im Einzelfall aber ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte gegen eine zeitgerechte Realisierung des Projektes, darf dies nicht unberücksichtigt bleiben. Das Oberverwaltungsgericht muss unter diesem Gesichtspunkt neu darüber entscheiden, ob der Beklagte von einem Weiterbau der A 52 innerhalb des Prognosezeitraums ausgehen durfte. Fußnote:   Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (in der hier anwendbaren Fassung): § 9 Beteiligung der Öffentlichkeit (1) Die zuständige Behörde hat die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens zu beteiligen. Der betroffenen Öffentlichkeit wird im Rahmen der Beteiligung Gelegenheit zur Äußerung gegeben. … (1a) … (1b) Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach Absatz 1 hat die zuständige Behörde zumindest folgende Unterlagen zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen: 1. … 2.die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen betreffend das Vorhaben, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben. … BVerwG 9 C 1.17 - Urteil vom 15. Februar 2018 Vorinstanz: OVG Münster, 11 D 33/13.AK - Urteil vom 28. April 2016 -","Urteil vom 15.02.2018 - BVerwG 9 C 1.17ECLI:DE:BVerwG:2018:150218U9C1.17.0 EN Auslegung einer Verkehrsprognose im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung und Berücksichtigung eines anderen Vorhabens bei der Verkehrsprognose Leitsätze: 1. Die für ein Straßenbauvorhaben erstellte vorhabenbezogene Verkehrsuntersuchung stellt in der Regel einen entscheidungserheblichen Bericht im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG dar, der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung auszulegen ist. 2. Bei der vorhabenbezogenen Verkehrsprognose darf die Verwirklichung eines anderen Projekts, das im Bedarfsplan des Bundes als Vordringlicher Bedarf aufgeführt ist, unterstellt werden, solange nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die gegen eine Verwirklichung innerhalb des Prognosehorizonts sprechen. Rechtsquellen VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1, § 127 Abs. 4, § 141 Satz 1 UVPG 2010 § 9 Abs. 1b Satz 1, § 6 Abs. 2 UVPG 2017 § 19 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 4 UVP-RL Art. 6 Abs. 3 FStrG §§ 17, 17a VwVfG § 46, § 73 Abs. 1 Satz 2, § 74 Abs. 2 Satz 2, § 75 Abs. 2 Satz 2 UmwRG § 4 Abs.1, 1a und 3 Satz 2 BImSchG §§ 41, 42 FStrAbG § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 Instanzenzug OVG Münster - 28.04.2016 - AZ: OVG 11 D 33/13.AK Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.02.2018 - 9 C 1.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:150218U9C1.17.0] Urteil BVerwG 9 C 1.17 OVG Münster - 28.04.2016 - AZ: OVG 11 D 33/13.AK In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2016 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn 43 (A 43) zwischen dem Rhein-Herne-Kanal und der Anschlussstelle Recklinghausen/Herten. Sie sind Eigentümer eines Grundstücks in ..., das mit einem von ihnen auch selbst genutzten Mehrfamilienhaus bebaut ist. 2 Das Planfeststellungsverfahren wurde im Juli 2010 eingeleitet. Die öffentliche Auslegung der Planunterlagen erfolgte in der Zeit vom 30. August 2010 bis zum 29. September 2010. Die Verkehrsuntersuchung wurde nicht mitausgelegt. Die Kläger erhoben Einwendungen, die vor allem die Feintrassierung des Vorhabens und die von ihm ausgehende Lärmbelastung betrafen. 3 Mit ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 22. April 2013 machten sie geltend, das der Lärmermittlung zugrunde gelegte Verkehrsgutachten hätte ausgelegt werden müssen, um den Betroffenen eine Überprüfung der Verkehrsprognose zu ermöglichen. Ein für das Vorhaben entlastend wirkender Ausbau der A 52 hätte in der Verkehrsprognose sowie bei dem darauf aufbauenden Lärmschutzkonzept nicht unterstellt werden dürfen, weil ein solcher Ausbau unrealistisch sei. Die Erweiterung der A 43 um einen Fahrstreifen auf der ihnen zugewandten Seite belaste sie unzumutbar. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, über den Hilfsantrag zu weiteren Lärmschutzauflagen erneut zu entscheiden, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Verkehrsgutachten sei nicht auszulegen gewesen; auch ohne seine Kenntnis werde der mit der Auslegung bezweckte Anstoß zur Erhebung von Einwendungen erreicht. Die Trassierung sei nicht zu beanstanden. Fehlerhaft sei dagegen die Ermittlung der Verkehrsstärke. Eine Verwirklichung der A 52 dürfe erst angenommen werden, wenn hierfür ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden sei. Es lasse sich nicht ausschließen, dass bei zutreffender Lärmermittlung weitergehende Lärmschutzmaßnahmen angeordnet worden wären. 5 Mit der hinsichtlich des erfolgreichen Hilfsantrags vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, für die Berücksichtigung in der Verkehrsprognose müsse genügen, dass ein Vorhaben - wie hier im Fall der A 52 - in den Bedarfsplan des Bundes aufgenommen worden sei. Darin komme mit Bindung für die Verwaltung der Wille des Gesetzgebers zur Verwirklichung des Vorhabens innerhalb des Planungshorizonts zum Ausdruck. Belastende und entlastende Wirkungen anderer Vorhaben müssten nach einheitlichen Maßstäben berücksichtigt werden. 6 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2016 zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als ihr hinsichtlich des Antrages der Kläger, über geeignete Maßnahmen zum Schutz ihres Grundstücks ... vor Lärmimmissionen neu zu entscheiden, stattgegeben worden ist sowie die Anschlussrevision der Kläger zurückzuweisen. 7 Die Kläger haben Anschlussrevision eingelegt und beantragen, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 22. April 2013 aufzuheben, hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf. 8 Sie sehen weiterhin einen Verfahrensfehler in der unterbliebenen Auslegung der Verkehrsuntersuchung. Ferner halten sie die Bewältigung der Lärm- und Luftschadstoffproblematik im Planfeststellungsbeschluss für fehlerhaft. Die Vorinstanz habe sich nicht hinreichend mit ihren Argumenten auseinandergesetzt. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Revision des Beklagten für begründet. II 10 1. Revision und Anschlussrevision sind zulässig. Die Anschlussrevision ist gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 4 VwGO ohne Zulassung statthaft und nicht an den Streitgegenstand des zugelassenen Rechtsmittels gebunden; erforderlich ist allerdings ein sachlicher Zusammenhang zwischen den gegenläufigen prozessualen Ansprüchen (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 10 C 5.11 - BVerwGE 142, 99 Rn. 10). Letzterer liegt hier vor, weil Revision und Anschlussrevision sich auf denselben Planfeststellungsbeschluss beziehen. 11 2. Beide Revisionen haben auch in der Sache Erfolg. Da jeweils noch Feststellungen getroffen werden müssen, ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 12 a) Begründet ist zunächst die Revision des Beklagten. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, in der Verkehrsprognose für ein Vorhaben dürften andere im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage zum Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20. Januar 2005 - BGBl. I S. 201 - FStrAbG) enthaltene Projekte nur dann berücksichtigt werden, wenn für diese bereits ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden sei, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (aa). Andererseits dürfen auch die im Bedarfsplan als Vordringlicher Bedarf aufgeführten Vorhaben nicht ausnahmslos in der projektbezogenen Verkehrsprognose als verwirklicht unterstellt werden (bb). Für die danach gebotene Betrachtung des Einzelfalls bedarf es vorliegend noch ergänzender Feststellungen des Tatsachengerichts (cc). Vorbehaltlich dessen kann die Klage keinen Erfolg haben, soweit sie den Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit betrifft (dd). Zum Lärmschutzkonzept des Beklagten sind ebenfalls noch weitere Feststellungen erforderlich (ee). 13 aa) Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden und unter Zugrundelegung welcher Annahmen Verkehrsprognosen als Grundlage für eine Abwägung nach § 17 FStrG, §§ 41,42 BImSchG zu erstellen sind, gibt es nicht. Sie sind mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände methodisch fachgerecht zu erstellen. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <121> und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 30). 14 Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend von diesen Grundsätzen ausgegangen (UA S. 54). Es hat aber im Rahmen der Prüfung, ob die konkrete Verkehrsprognose ""nicht auf unrealistischen Annahmen beruht"", die Auffassung vertreten, die Netzbeeinflussung durch den Verkehr auf einer weiteren geplanten Bundesstraße (hier: ein bestimmter Abschnitt der A 52) könne - jedenfalls dann, wenn diese andere Straße prognostisch zu einer Entlastung führen soll (hier: in Bezug auf den planfestgestellten Abschnitt der A 43) - frühestens dann als vorhersehbare Entwicklung berücksichtigt werden, wenn für diese weitere Straße ein Planfeststellungsverfahren bereits eingeleitet worden sei. Diese schematische Betrachtung verstößt gegen Bundesrecht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: 15 (1) Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen der für die Bundesverkehrswegeplanung erstellten, auf das Fernstraßennetz bezogenen deutschlandweiten Verflechtungsprognose für die großräumigen Netzbeeinflussungen einerseits und den für die Planung einzelner Vorhaben erstellten (projektbezogenen) Verkehrsuntersuchungen andererseits. Zwar beziehen sich in der Regel beide auf denselben Prognosezeitraum. Letztere betrachten aber einen deutlich kleineren Planungsraum. In sie fließen zudem Daten über Verkehrsbeziehungen im regionalen und lokalen Straßennetz ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 - 9 A 30.15 - UPR 2017, 384 Rn. 21). 16 (2) Projektbezogene Verkehrsprognosen sind die zentrale Grundlage für den Neubau oder die Änderung eines Straßenvorhabens. Auf ihnen beruht nicht nur die Planung der technischen Ausstattung der Straße, sondern insbesondere auch das Lärmschutzkonzept, das sich an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 41 bis 43 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV zu orientieren hat. Projektbezogene Verkehrsuntersuchungen müssen daher in einem sehr frühen Verfahrensstadium erstellt werden. Der Prognosehorizont der vorliegenden, aus dem Jahre 2009 stammenden Verkehrsuntersuchung ist das Jahr 2025. Hiervon ausgehend ist offensichtlich, dass ein anderes Straßenprojekt innerhalb des Prognosehorizonts grundsätzlich auch dann verwirklicht sein kann, wenn das Planfeststellungsverfahren hierfür später als im Jahre 2009 eingeleitet wird. 17 (3) Die Auswirkungen anderer Projekte müssen unabhängig davon, ob sie voraussichtlich zu Belastungen oder Entlastungen führen, nach gleichen Maßstäben beurteilt werden. Die vom Oberverwaltungsgericht erwogene Differenzierung zwischen Straßen mit entlastenden Effekten, die nur dann in der Verkehrsprognose berücksichtigt werden dürfen, wenn das Planfeststellungsverfahren bereits eingeleitet wurde, und solchen mit belastenden Effekten, die auch in einem früheren Stadium in die Verkehrsuntersuchung einbezogen werden dürfen, weil dies allenfalls zu einem ""Zuviel an Lärmschutz"" führe, ist schon wegen der typischen Gemengelage unterschiedlicher Betroffenheiten nicht praktikabel: Was für bestimmte Betroffene entlastend wirkt, kann sich für andere als eine Belastung darstellen. 18 Auch das Bedürfnis, Lärmbetroffene für den Fall zu schützen, dass sie entlastende andere Vorhaben später nicht verwirklicht werden, nötigt nicht zur Sichtweise der Vorinstanz. Gemäß § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG können nach Planverwirklichung weitere Schutzvorkehrungen verlangt werden, wenn nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens auftreten. Eine erhöhte Lärmbelastung aufgrund ausbleibender Realisierung eines anderen Vorhabens kann grundsätzlich zu solchen nicht voraussehbaren Wirkungen gehören. Voraussehbar sind solche Wirkungen, deren Eintritt im Zeitpunkt der Entscheidung gewiss ist oder sich mit hinreichender Zuverlässigkeit prognostisch abschätzen lässt. Alle diese Wirkungen sollen Gegenstand der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung sein. Demgegenüber sind mit den nicht voraussehbaren Wirkungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG solche gemeint, die sich erst später zeigen und mit denen die Beteiligten bei der Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten (BVerwG, Urteil vom 7. März 2007 - 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 18 ff.; s. auch Beschluss vom 25. Mai 2005 - 9 B 41.04 - juris Rn. 11). 19 bb) Vor diesem Hintergrund kann auch der Auffassung des Beklagten, sämtliche in den Bedarfsplan in der Stufe des Vordringlichen Bedarfs aufgenommenen Vorhaben seien stets und ausnahmslos in der projektbezogenen Verkehrsuntersuchung als realistische Annahme zu berücksichtigen, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Zwar würde dies eine leicht handhabbare Vorgabe bedeuten. Der Senat hält sie aber für nicht sachgerecht, weil sie nicht - auch nicht ausnahmsweise - eine Einzelfallbewertung zuließe. 20 Der Beklagte kann für seine Auffassung weder die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG noch die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Jahr 1996 herausgegebene Richtlinie für die Anlage von Straßen - RAS - Teil: Querschnitte RAS - Q 96 - ins Feld führen. Nach der erstgenannten Norm wird das Netz der Bundesfernstraßen nach dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist zwar gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG für die Linienbestimmung und für die Planrechtfertigung einer Straße verbindlich, lässt jedoch bei der Frage der Verwirklichung des Vorhabens einer ergebnisoffenen Abwägung Raum (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <154>). Zu der hier in Rede stehenden Frage, wann im Rahmen einer projektbezogenen Verkehrsprognose die Verwirklichung von Bedarfsplanvorhaben realistischerweise angenommen werden kann, verhält sich die Vorschrift ebenso wenig wie die o.g. Richtlinie RAS - Q 96, die lediglich erläutert, dass zur Ermittlung der Prognoseverkehrsstärke zwei Verfahren zur Verfügung stehen, die Modellprognose und die Trendprognose. 21 Allerdings kann bei einem Projekt, das im Bedarfsplan des Bundes in der Kategorie des Vordringlichen Bedarfs aufgeführt ist, regelmäßig von seiner Verwirklichung im Geltungszeitraum des Bedarfsplans ausgegangen werden. Denn durch diese Einstufung gibt der Gesetzgeber seinen Willen zur beschleunigten Verwirklichung dieser Vorhaben zu erkennen. Bestehen jedoch ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme, muss in der projektbezogenen Verkehrsuntersuchung ein Bedarfsplanvorhaben trotz der Einordnung in den Vordringlichen Bedarf unberücksichtigt bleiben. Bessere Erkenntnisse des Einzelfalls können eine Abweichung von den der Bundesverkehrswegeplanung zugrunde liegenden Annahmen rechtfertigen und erfordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 25). Denn der Planfeststellungsbeschluss muss - wie oben bereits im Zusammenhang mit § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG erläutert - alle voraussehbaren Konflikte bewältigen; nur wegen nicht voraussehbarer Auswirkungen können Betroffene nachträglich Schutzauflagen verlangen. 22 Dem Senat ist bewusst, dass dies für den Verkehrsplaner mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Denn er kann großräumigere Netzbeeinflussungen im Falle einer von der bundesweiten Verflechtungsprognose abweichenden Beurteilung der Verwirklichung einer einzelnen Fernstraße nur noch grob abschätzen. Die damit zwangsläufig verbundene Unschärfe der Verkehrsprognose muss dabei im Einzelfall in Kauf genommen werden. 23 cc) Anhand der soeben dargestellten Maßgaben hat das Oberverwaltungsgericht noch ergänzende Feststellungen dazu zu treffen, ob die Annahme der Planfeststellungsbehörde, der Lückenschluss der A 52 werde bis Ende 2025 verwirklicht, noch vom Prognosespielraum gedeckt ist oder auf nicht realistischen Grundlagen beruht. 24 Gewichtige Anhaltspunkte, die die Vermutung einer alsbaldigen Verwirklichung erschüttern und deshalb einer näheren Überprüfung bedürfen, ergeben sich zum einen daraus, dass den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zufolge ein Weiterbau nach dem politischen Willen des Landes nur im Einvernehmen mit der Stadt Gladbeck erfolgen soll. Dazu ist aufzuklären, ob diese Hürde voraussichtlich überwunden werden kann, sei es, dass zwischenzeitlich ein Einvernehmen mit der Stadt hergestellt werden konnte, sei es, dass die Erteilung einer bundesaufsichtlichen Weisung (Art. 90 Abs. 2, Art. 85 Abs. 3 GG) konkret in Betracht kommt. Zum anderen bedarf der Aufklärung, ob die Annahme des Beklagten zutrifft, vor allem die Verwirklichung des nördlichen Abschnittes der A 52 (vom Kreuz Essen-Nord bis zur Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer-West) sei maßgeblich für die entlastende Wirkung auf die A 43. Nach der Klarstellung in der Revisionsinstanz kann insoweit nunmehr zu Grunde gelegt werden, dass das streitgegenständliche Verkehrsgutachten einen durchgehenden Lückenschluss der A 52 unterstellt hat. 25 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt hierfür ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Ergehens des Planfeststellungsbeschlusses. Bei der Überprüfung einer Prognose hängt deren Rechtmäßigkeit nicht davon ab, ob sie durch die spätere Entwicklung eher bestätigt oder widerlegt wird. Mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte von Prognosen ist nicht vereinbar, dass die Verwaltungsgerichte auf der Grundlage einer ""Aktualisierung"" eine eigene Prognose stellen (BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <121 f.> und vom 8. Juli 1998 - 11 A 53.97 - BVerwGE 107, 142 <146>). Das bedeutet, dass vorliegend die projektbezogene Verkehrsuntersuchung anhand des Bundesverkehrswegeplans 2004 zu beurteilen ist, in dem noch der gesamte Lückenschluss der A 52 im Vordringlichen Bedarf aufgeführt war. Der Umstand, dass der südliche Abschnitt (vom Kreuz Essen-Nord bis zum Autobahndreieck Essen-Ost) im aktuellen Bundesverkehrswegeplan in den Weiteren Bedarf abgestuft worden ist (lfd. Nr. 924 der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG i.d.F. vom 23. Dezember 2016 - BGBl. I S. 3354), bleibt grundsätzlich außer Betracht. 26 Abweichend von diesen Grundsätzen sind bei Planfeststellungsbeschlüssen allerdings nachträglich eingetretene Umstände zu Gunsten des Vorhabens zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - juris Rn. 20 m.w.N., zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Wenn in einem Fall wie hier zum Zeitpunkt des Ergehens des Planfeststellungsbeschlusses Anhaltspunkte gegen eine zeitgerechte Verwirklichung des anderen Vorhabens sprachen, diese aber im Zeitpunkt der (erneuten) Befassung des Oberverwaltungsgerichts ausgeräumt sind, besteht kein Anlass, die Verkehrsprognose und die darauf aufbauende Lärmermittlung zu beanstanden. Betroffene sind nicht schutzwürdig, wenn sich der Planfeststellungsbeschluss ihnen gegenüber im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig erweist. 27 b) Auch die Anschlussrevision der Kläger ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hätte, ohne den Klägern eine Präklusion entgegenzuhalten (aa), die fehlende Auslegung der Verkehrsuntersuchung nicht unbeanstandet lassen dürfen (bb). Der Auslegungsmangel wurde den Klägern gegenüber nicht geheilt (cc). Zur Beurteilung der Frage, ob der Verfahrensfehler unbeachtlich ist, müssen noch tatrichterliche Feststellungen getroffen werden (dd). Die Unbeachtlichkeit unterstellt, hat das Oberverwaltungsgericht einen materiellen Planungsfehler ohne Bundesrechtsverstoß verneint (ee). 28 aa) Vorschriften über eine materielle Präklusion von Einwendungen dürfen entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts bei UVP-pflichtigen Vorhaben wie hier nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 (C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683] - Rn. 78 ff.) generell nicht und damit auch nicht hinsichtlich der Auslegung des Verkehrsgutachtens angewendet werden (s. nunmehr § 7 Abs. 4 UmwRG sowie bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2017 - 9 A 8.16 - UPR 2017, 518 Rn. 5). 29 bb) Gemäß § 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG in der zum Zeitpunkt der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens gültigen Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94 - im Folgenden UVPG 2010) hatte die Planfeststellungsbehörde die Unterlagen nach § 6 UVPG 2010 über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (Nr. 1) sowie darüber hinaus die vorhandenen entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen betreffend das Vorhaben (Nr. 2) auszulegen. Nach heutiger Gesetzeslage ergeben sich entsprechende Anforderungen aus § 19 Abs. 1 Satz 2 UVPG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808 - UVPG 2017). Die Norm des § 9 Abs. 1b UVPG 2010 enthielt somit eine spezielle Regelung dazu, welche Unterlagen die Planfeststellungsbehörde zur Einsicht auszulegen hatte. Die Verweisung auf das Fachrecht in § 6 Abs. 2 UVPG 2010 (vgl. jetzt § 16 Abs. 4 UVPG 2017) bezog sich dagegen auf diejenigen Unterlagen, die vom Träger des Vorhabens der Planfeststellungsbehörde vorzulegen waren. 30 Zwar mag zweifelhaft sein, ob eine Verkehrsprognose zu den Unterlagen über die Umweltauswirkungen nach § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 UVPG 2010 gehört, weil sie nicht unmittelbar umweltrelevant ist. Jedenfalls gehört sie aber regelmäßig zu den entscheidungserheblichen Berichten und Empfehlungen betreffend das Vorhaben gemäß § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVGP 2010. Hierfür spricht bereits der Wortlaut, weil die Verkehrsuntersuchung für Straßenplanungen die voraussichtliche Verkehrsstärke ermittelt und damit nicht nur Basis für die Dimensionierung der Straße ist, sondern auch die Daten für die Lärmprognose und das gesamte darauf aufbauende Lärmkonzept sowie die Grundlagendaten für die Luftschadstoffprognose liefert. 31 Die mit dem späteren § 9 Abs. 1b UVPG 2010 gleichlautende Bestimmung wurde durch das Gesetz vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819) eingefügt. Mit ihr wollte der Gesetzgeber Art. 6 Abs. 3 der UVP-Richtlinie (i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu den Gerichten - ABl. L 156 S. 17) umsetzen (siehe BT-Drs. 16/2494 S. 22). Danach sollen der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne einer effektiven und transparenten Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. Erwägungsgrund 3 zur Richtlinie 2003/35/EG) neben den Unterlagen der UVP-Prüfung die ""wichtigsten Berichte und Empfehlungen"" zugänglich gemacht werden. Im nationalen Gesetzgebungsverfahren wurde dies im Interesse einer Präzisierung durch die Formulierung ""entscheidungserhebliche"" Berichte und Empfehlungen ersetzt (siehe BT-Drs. 16/2933 S. 2). Dem entspricht heute wortgleich § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG 2017. Der Gesetzgeber hatte dabei im Blick, dass auch Fachgutachten zu den Unterlagen über die zu erwartenden Umweltauswirkungen des Vorhabens gehören können. Er empfiehlt, nur die wichtigsten Inhalte der Fachgutachten in den UVP-Bericht zu übernehmen und im Hinblick auf die Einzelheiten auf das betreffende Gutachten zu verweisen, das ebenfalls auszulegen sei (so zum heutigen Recht BT-Drs. 18/11499 S. 88). Vor diesem Hintergrund kann es an der Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 (bzw. des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG 2017) zwar fehlen, wenn bestimmte Gutachten lediglich Detailfragen betreffen oder auf sie in anderen - ihrerseits ausgelegten - Gutachten Bezug genommen wird. Solche Gutachten gehören gegebenenfalls auch nicht zu den wichtigsten Berichten und Empfehlungen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 UVP-Richtlinie. Eine Verkehrsuntersuchung für ein Straßenbauvorhaben ist hiernach aber jedenfalls dann auszulegen, wenn - wie vorliegend - die Ermittlung der Verkehrszahlen im ausgelegten Erläuterungsbericht nicht hinreichend nachvollziehbar dargestellt ist. 32 Im Übrigen musste die Verkehrsuntersuchung hier auch auf der Grundlage des § 17a FStrG i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 VwVfG ausgelegt werden, um eine genügende Anstoßwirkung zu erzielen. Zwar muss danach die Auslegung nicht alle Unterlagen umfassen, die zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, sondern kann sich auf diejenigen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um den Grad seiner Betroffenheit abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können. Dazu gehören Gutachten dann, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ohne deren Kenntnis der mit der Auslegung bezweckte Anstoß zur Erhebung von Einwendungen verfehlt würde (BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.> und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 19). Das ist etwa der Fall, wenn die Behörde erkennt oder erkennen muss, dass ohne diese Unterlagen Betroffenheiten nicht oder nicht vollständig geltend gemacht werden können (BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2010 - 9 A 12.09 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 212 Rn. 12). Aus dem hier vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommenen ausgelegten Erläuterungsbericht ergibt sich zwar, dass für das Prognosejahr 2025 weitere Verkehrssteigerungen erwartet werden. Ohne das Verkehrsgutachten konnten die Kläger hieraus aber nicht den Anstoß entnehmen, die angenommene Verkehrsbelastung in Bezug auf den unterstellten Entlastungseffekt der A 52 zu hinterfragen. 33 cc) Der Verfahrensfehler ist nicht dadurch geheilt worden, dass den Klägern die Verkehrsuntersuchung nach dem Ende der Einwendungsfrist in digitalisierter Form übersandt worden ist. Um eine heilende Wirkung zu entfalten, muss die Nachholung der unterbliebenen Verfahrenshandlung derart ausgestaltet sein, dass der Betroffene so steht, wie er bei einem von Anfang an korrekten Verfahren gestanden hätte (Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 6. Aufl. 2018, Rn. 954). Dies erfordert bei unterbliebener Auslegung eines Gutachtens neben der späteren Übersendung etwa den Hinweis, dass zu dem Gutachten innerhalb einer bestimmten Frist nachträglich Stellung genommen werden kann (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - Buchholz 442.40 § 8 Luft-VG Nr. 6 S. 15 - in BVerwGE 75, 214 insoweit nicht abgedruckt). Hieran fehlt es. Denn die Planfeststellungsbehörde hat bei der Übersendung des Gutachtens nicht deutlich gemacht, dass eine eventuelle Stellungnahme zu dem Gutachten wie eine fristgerecht erhobene Einwendung behandelt und im Planfeststellungsbeschluss beschieden wird (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). 34 dd) Es bedarf noch weiterer Feststellungen des Tatsachengerichts zu der Frage, ob der Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich ist. Diese Vorschriften kommen zur Anwendung, weil kein absoluter Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG vorliegt. Die unterbliebene Auslegung der Verkehrsuntersuchung stellt keinen Fehler dar, der nach Art und Schwere mit dem Unterbleiben einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung oder mit dem Ausfall einer erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung vergleichbar ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b UmwRG). Vielmehr hat eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Auslegung wesentlicher Unterlagen stattgefunden, deren Defizit lediglich darin bestand, dass eine weitere - wenn auch ebenfalls wichtige - Unterlage nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (zur Einordnung eines derartigen Fehlers vgl. auch BT-Drs. 18/5927 S. 10). 35 Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes bzw. die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit kann wegen eines relativen Verfahrensfehlers im Sinne des § 4 Abs. 1a UmwRG nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 46 VwVfG). Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 VwGO) alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG vermutet. Dem Rechtsbehelfsführer darf in keiner Form die Beweislast für die Frage auferlegt werden, ob die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 41 und vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 19). 36 Es ist Aufgabe des Tatsachengerichts, sich gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Überzeugung zu verschaffen, dass ein Verfahrensfehler sich nicht ausgewirkt hat. Ein Verfahrensfehler ist beachtlich, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Fehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht. Nach § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. mit § 46 VwVfG unbeachtlich ist er nur, wenn das Tatsachengericht anhand der Akten und Planunterlagen und der sonst erkennbaren oder nahe liegenden Umstände zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 43; Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 21; s. dazu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2017 - 1 BvR 1026/13 - DVBl 2018, 175 Rn. 47 f.). 37 Der Senat vermag den Ausführungen der Vorinstanz, die Einwände der Kläger betreffend die Verkehrsbelastung seien nicht geeignet, die Möglichkeit aufzuzeigen, die Planfeststellungsbehörde hätte bei höherer Verkehrsbelastung eine konzeptionell andere Entscheidung getroffen und es bestehe ohne weiteres die Möglichkeit weitergehender Schallschutzmaßnahmen, keine den o.g. Anforderungen gerecht werdenden Feststellungen dafür zu entnehmen, dass der Verfahrensfehler sich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Die Ausführungen betreffen den Fehler bei der Abwägung der Lärmbelange, sie stehen nicht in Zusammenhang mit der Behandlung eines Verfahrensfehlers. 38 ee) Vorbehaltlich der Prüfung, ob der vorgenannte Verfahrensfehler beachtlich ist, hat das Oberverwaltungsgericht einen materiellrechtlichen Fehler, der zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen könnte, ohne Bundesrechtsverstoß verneint. Das Oberverwaltungsgericht nimmt an, dass die Variantenprüfung nicht zu Lasten der Kläger abwägungsfehlerhaft ist, weil sich keine andere als die gewählte Linienführung unter Berücksichtigung aller erheblichen Belange eindeutig als die bessere darstellt. Hierzu ist mit Bindungswirkung für die Revisionsinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass eine kleinräumige Verschiebung der A 43 nach Osten nur im Bereich der Kläger wegen der einzuhaltenden Planungsregeln für Kurvenradien nicht möglich ist. Ferner hat sich das Vordergericht mit den Einwänden gegen die Länge der südlichen Auffahrtsspur auseinander gesetzt (UA S. 44 f.) und auch ausführlich begründet, weshalb die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Böschungsgestaltung den anerkannten technischen Entwurfsmerkmalen entspricht und dass der Beklagte unabhängig davon auch aus Kostengründen von einer anderen Herstellung Abstand nehmen durfte. Zu allen genannten Punkten setzt die Anschlussrevision lediglich ihre eigene Bewertung an die Stelle der Abwägung im Planfeststellungsbeschluss und der gerichtlichen Abwägungskontrolle. Das Angebot des Beklagten schließlich, im Vergleichswege eine teurere und steilere Böschung zu errichten, macht die vorangegangene Abwägung nicht fehlerhaft. 39 Die Behauptung, in der unmittelbar an das klägerische Grundstück östlich angrenzenden Böschungszone finde sich Baumbestand, der Habitateignung für Fledermäuse aufweise, kann nicht dartun, dass das Oberverwaltungsgericht die §§ 34, 44 BNatSchG fehlerhaft angewendet hat. Die Kläger stellen auch insoweit den Feststellungen im angegriffenen Urteil dazu (§ 137 Abs. 2 VwGO) lediglich ihre abweichende Bewertung gegenüber. 40 Ohne Verstoß gegen Bundesrecht geht die Vorinstanz davon aus, dass die Einwände der Kläger zur Lärm- und Luftschadstoffproblematik ungeachtet der Frage, ob die Verkehrsprognose fehlerhaft ist, nicht zur Aufhebung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen. Lässt sich eine im Planfeststellungsbeschluss nicht angeordnete oder unzureichende Schutzauflage nachholen, ohne dass dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt und ohne dass in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen werden, so korrespondiert der objektiven Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein ein Anspruch auf Planergänzung (vgl. nur Urteile vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <133>, vom 5. März 1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 <129> und vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 59). Auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts liegen die Dinge hier so. Danach wird zwar der maßgebliche Lärmgrenzwert für die Nachtzeit an verschiedenen Immissionsorten des Wohnhauses der Kläger um 0,5 bis 2,3 dB(A) überschritten; ohne Berücksichtigung des Ausbaus der A 52 sei mit einer noch höheren Lärmbelastung auf der A 43 zu rechnen. Zugleich hat das Oberverwaltungsgericht aber festgestellt, dass die Anordnung weitergehender Maßnahmen des aktiven Schallschutzes oder einer Ausweitung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz für passiven Schallschutz ohne weiteres möglich wäre. 41 Hinsichtlich der Luftschadstoffe hält die Vorinstanz die Abwägung im Planfeststellungsbeschluss in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2012 - 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 38) für fehlerfrei. Die nach der 39. BImSchV maßgeblichen Grenzwerte seien sowohl für Stickstoffdioxid als auch für Feinstaub unterschritten. Selbst wenn ein neues Gutachten zur künftigen Verkehrsbelastung auf der A 43 erforderlich sei und dies zur Annahme einer höheren Verkehrsmenge führe, sei nicht mit einer so erheblichen Verschlechterung der Luftschadstoffsituation zu rechnen, dass ihr nicht mehr durch Maßnahmen der Luftreinhalteplanung begegnet werden könnte. 42 Allerdings enthält das angegriffene Urteil - nach seinem Rechtsstandpunkt konsequent - bisher keine Feststellungen zu der von den Klägern in mehrerer Hinsicht beanstandeten behördlichen Abwägung zwischen aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen auf der Grundlage der §§ 41, 42 BImSchG. Die Kläger verlangen die Prüfung nach innen zur Fahrbahn gebogener Lärmschutzwände, einer Lärmschutzwand auf dem Mittelstreifen sowie einer Geschwindigkeitsbeschränkung. Gegebenenfalls sind die Feststellungen nachzuholen. 43 3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist der Schlussentscheidung vorzubehalten." bverwg_2018-60,06.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 60/2018 vom 06.09.2018 EN Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B durch nachträgliche Ausstellung eines EU-Führerscheins der Klasse C geheilt Mit der Ausstellung eines EU-Führerscheins der Klasse C (LKW) wird die Fahreignung des Inhabers bestätigt; diese Bestätigung umfasst auch die hierfür vorausgesetzte Eignung zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B (PKW). Der Inhaber eines EU-Führerscheins der Klassen B und C darf deshalb auch dann Kraftfahrzeuge dieser Klassen im Bundesgebiet führen, wenn ihm vor Ausstellung des EU-Führerscheins der Klasse C wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis der Klasse B entzogen worden war und er in Deutschland nicht nachgewiesen hatte, wieder fahrgeeignet zu sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist lettischer Staatsangehöriger und seit 1997 im Besitz einer Fahrerlaubnis für die Klasse B. Wegen einer Trunkenheitsfahrt bei einem Besuchsaufenthalt in Deutschland verurteilte ihn ein deutsches Strafgericht im Jahr 2002 zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von zehn Monaten an. Im Jahr 2012 erhielt der Kläger in Lettland einen neuen, bis zum Jahr 2022 gültigen Führerschein. Dieser wies für die Klasse C ein Erteilungsdatum 2012 aus, für die Klasse B war das Jahr 1997 vermerkt. Später zog der Kläger nach Deutschland und beantragte 2013 die Ausstellung eines deutschen Führerscheins im Wege des Umtauschs. Die zuständige Fahrerlaubnisbehörde gab dem Kläger auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage vorzulegen, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Nachdem der Kläger dies abgelehnt hatte, lehnte sie seinen Antrag ab, stellte fest, dass der Kläger nicht berechtigt sei, mit seinem lettischen Führerschein in Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, und gab dem Kläger auf, seinen Führerschein zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte im Berufungsverfahren Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts müssen die deutschen Behörden den nach Ablauf der Sperrfrist in Lettland ausgestellten EU-Führerschein anerkennen. Für den Führerschein der Klasse C habe der Kläger auch seine Fahreignung nachweisen müssen. Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landkreises hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Ein Führerschein der Klasse C kann nur Fahrzeugführern ausgestellt werden, die zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind. Aufgrund dieses Stufenverhältnisses enthält die ordnungsgemäße Ausstellung eines Führerscheins der Klasse C zwingend auch die Bestätigung der Fahreignung für die Klasse B. Durch die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C in Lettland sind die in Deutschland durch den Verkehrsverstoß begründeten Fahreignungszweifel überholt. Deutsche Behörden sind zur Anerkennung des nach Ablauf der Sperrfrist ausgestellten EU-Führerscheins verpflichtet. Die in Deutschland bestehende Befristung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis der Klasse C auf fünf Jahre kann nach weiteren Vorgaben des Unionsrechts im Rahmen einer Erneuerung berücksichtigt werden. Von dieser Möglichkeit einer Erneuerung hat der deutsche Verordnungsgeber bislang aber nicht Gebrauch gemacht, sodass die im Führerschein des ursprünglichen Wohnsitzmitgliedstaats angegebene Geltungsdauer maßgeblich ist und von den deutschen Behörden anzuerkennen ist. BVerwG 3 C 31.16 - Urteil vom 06. September 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 1638/15 - Urteil vom 25. Oktober 2016 - VG Münster, 10 K 775/14 - Urteil vom 15. Juni 2015 -","Urteil vom 06.09.2018 - BVerwG 3 C 31.16ECLI:DE:BVerwG:2018:060918U3C31.16.0 EN Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B durch nachträgliche Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis der Klasse C geheilt Leitsätze: 1. Der Ausschluss der Inlandsfahrberechtigung aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV findet aufgrund des Anwendungsvorrangs der Anerkennungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG keine Anwendung, wenn der Betroffene nach Ablauf der in Deutschland angeordneten Sperrfrist im Mitgliedstaat seines ordentlichen Wohnsitzes einen Führerschein erhielt, dessen Ausstellung nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126/EG die Prüfung der Fahreignung voraussetzt. Dies gilt auch, wenn dem Betroffenen im Inland eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B entzogen wurde und er später einen EU-Führerschein der Klasse C erhielt. 2. Die in Art. 2 Abs. 2 RL 2006/126/EG eröffnete Möglichkeit, die in Art. 7 Abs. 2 RL 2006/126/EG festgelegte Gültigkeitsdauer von Führerscheinen auch auf alte, mit längerer Gültigkeit ausgestellte EU-Führerscheine im Wege der Erneuerung anzuwenden, ist im deutschen Fahrerlaubnisrecht nicht unionsrechtskonform umgesetzt worden. Rechtsquellen RL 2006/126/EG Art. 2 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 Buchst. b FeV § 11 Abs. 8 Satz 1, § 28 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 9, § 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Instanzenzug VG Münster - 15.06.2015 - AZ: VG 10 K 775/14 OVG Münster - 25.10.2016 - AZ: OVG 16 A 1638/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.09.2018 - 3 C 31.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:060918U3C31.16.0] Urteil BVerwG 3 C 31.16 VG Münster - 15.06.2015 - AZ: VG 10 K 775/14 OVG Münster - 25.10.2016 - AZ: OVG 16 A 1638/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2016 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft den Umtausch einer EU-Fahrerlaubnis in ein deutsches Führerscheindokument. 2 Der 1970 geborene Kläger ist lettischer Staatsangehöriger und seit 1997 im Besitz einer lettischen Fahrerlaubnis für die Klassen A und B. Wegen einer Trunkenheitsfahrt bei einem Besuchsaufenthalt in Deutschland verurteilte ihn das Amtsgericht Münster durch Strafbefehl vom 6. September 2002 zu einer Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von zehn Monaten an. Im Jahr 2012 zog der Kläger nach Deutschland und beantragte nachfolgend die Erteilung eines deutschen Führerscheins. Er legte hierzu einen am 6. Januar 2012 ausgestellten und bis zum 6. Januar 2022 gültigen lettischen Führerschein vor, der eine 1997 erworbene Fahrerlaubnis für die Klassen A und B sowie eine am 6. Januar 2012 erteilte Fahrerlaubnis für die Klasse C ausweist. Im Hinblick auf die in Deutschland unter Alkoholeinfluss begangene Verkehrsstraftat gab die Fahrerlaubnisbehörde des beklagten Kreises dem Kläger die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf. Der Kläger widersprach der Erforderlichkeit einer derartigen Prüfung und gab an, dass ihm die 2002 entzogene Fahrerlaubnis in Lettland erst nach einer Eignungsprüfung, die psychologische und medizinische Aspekte umfasst habe, wiedererteilt worden sei; dies müsse auch in Deutschland anerkannt werden. Im Übrigen habe er nachträglich die Fahrerlaubnis der Klasse C erworben. 3 Mit Bescheid vom 21. März 2014 lehnte der Beklagte den Umtausch der EU-Fahrerlaubnis ab, stellte fest, dass der Kläger keine Berechtigung habe, mit seinem lettischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, und gab dem Kläger auf, seinen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen. 4 Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, sie hat im Berufungsverfahren aber Erfolg gehabt: Das Berufungsgericht hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die lettische Fahrerlaubnis der Klassen A, B und C in einen deutschen Führerschein der entsprechenden Klassen umzutauschen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ablehnung des Umtauschs verstoße gegen den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz. Danach könne dem von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der in Deutschland verhängten Sperrfrist ausgestellten Führerschein die Anerkennung nicht versagt werden, wenn mit der neuerlichen Fahrerlaubniserteilung eine Eignungsprüfung verbunden gewesen sei. Diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers erfüllt, weil er im Zusammenhang mit dem zusätzlichen Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse C seine Eignung auch im Hinblick auf die Klasse B habe nachweisen müssen. Es könne daher offenbleiben, ob der Kläger auch bereits zuvor in Reaktion auf die in Deutschland verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis für eine Wiedererteilung oder zumindest Bestätigung der Fahrerlaubnis der Klasse B eine entsprechende Prüfung habe ablegen müssen. 5 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, auch das Unionsrecht lasse nach der von einem deutschen Strafgericht ausgesprochenen Entziehung der Fahrerlaubnis eine Nichtanerkennung ausländischer Führerscheine zu. Die in Lettland durchgeführte Eignungsprüfung bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C ändere hieran nichts, weil dem Kläger nach der Entziehung seiner Fahrerlaubnis in Deutschland keine neue Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden sei. Damit sei es weiterhin Aufgabe der Behörden des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zuwiderhandlung begangen wurde, zu ermitteln, ob der Betroffene zum Fahren in seinem Hoheitsgebiet wieder geeignet sei. Die hierfür angeordnete Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens habe der Kläger aber verweigert. Im Übrigen habe seine Fahrerlaubnis der Klasse C durch den zwischenzeitlichen Ablauf der auch für ausländische Führerscheine geltenden Fünfjahresfrist ihre Inlandsgültigkeit verloren und könne daher nicht mehr umgetauscht werden. Für eine Neuerteilung sei der Nachweis des erforderlichen Sehvermögens erforderlich, den der Kläger bislang nicht erbracht habe. 6 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 15. Juni 2015 zurückzuweisen. 7 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 8 Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht und steht im Einklang mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen lettischen Führerschein in ein deutsches Führerscheindokument umtauscht. Die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch ein deutsches Strafgericht im Jahr 2002 steht dem nicht entgegen, weil der Kläger nach Ablauf der damals angeordneten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat einen Führerschein erhielt, dessen ordnungsgemäße Ausstellung nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine Prüfung der Fahreignung voraussetzt (I.). Die nach deutschem Recht geltende Befristung einer Fahrerlaubnis der Klasse C auf längstens fünf Jahre ist auf die EU-Fahrerlaubnis des Klägers nicht anwendbar. Die in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG eröffnete Möglichkeit, die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG festgelegte Gültigkeitsdauer von Führerscheinen auch auf alte, mit längerer Gültigkeit ausgestellte EU-Führerscheine im Wege der Erneuerung anzuwenden, ist im deutschen Fahrerlaubnisrecht nicht unionsrechtskonform umgesetzt worden. Die im Führerschein des Ausstellungsmitgliedstaats angegebene Geltungsdauer muss von den deutschen Behörden daher anerkannt werden (II.). Damit sind auch die Feststellung der fehlenden Inlandsfahrberechtigung aus dem lettischen Führerschein und die Vorlageverpflichtung zur Eintragung eines Sperrvermerks aufzuheben (III.). 9 I. Der Kläger kann die Ausstellung eines deutschen Führerscheins verlangen. Die dem Anspruch entgegenstehende Aberkennung seiner Inlandsfahrberechtigung wurde durch die nachfolgende Erteilung einer Fahrerlaubnis in seinem Wohnsitzmitgliedstaat behoben (1.). Die ordnungsgemäße Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C enthält auch die Bestätigung der Fahreignung für die Klassen A und B (2.). Eine rechtliche Grundlage für die dem Kläger auferlegte Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens bestand damit nicht (3.). 10 1. Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) kann der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins, der seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, auf Antrag seinen Führerschein in einen gleichwertigen Führerschein des Aufnahmemitgliedstaates umtauschen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​050718U3C9.17.0] - Rn. 40). Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung vom 3. Mai 2018 (BGBl. I S. 566) setzt die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis voraus, dass der Antragsteller Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ist, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat. 11 a) Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall des Wohnsitzwechsels aus § 28 FeV. Danach dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt. 12 Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung nicht für Inhaber, denen die EU-Fahrerlaubnis im Inland rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist. Diese Voraussetzung wäre dem Wortlaut nach beim Kläger erfüllt, weil ihm das Amtsgericht Münster durch rechtskräftigen Strafbefehl die Fahrerlaubnis entzog. Durch die fehlende Inlandsfahrberechtigung für die Klasse B bestünde nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 i.V.m. § 9 Abs. 1 FeV zugleich ein Anerkennungsausschluss für die später erworbene Fahrerlaubnis der Klasse C. 13 b) Der Ausschlussgrund des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV findet aufgrund des Anwendungsvorrangs der Anerkennungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG aber keine Anwendung, wenn dem Betroffenen nach Ablauf der in Deutschland angeordneten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis durch einen anderen Mitgliedstaat ein Führerschein ausgestellt worden ist, der nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126/EG die Prüfung der Fahreignung voraussetzt (BVerwG, Urteile vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 22 und vom 5. Juli 2018 - 3 C 9.17 - Rn. 53). 14 In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat unter Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden ist, anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist und unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses erteilte EU-Fahrerlaubnis daher anerkennen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - Slg. 2008, I-4635 Rn. 54). In diesen Fällen ist der geahndete Fahreignungsmangel durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteile vom 19. Februar 2009 - C-321/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​104], Schwarz - Slg. 2009, I-1113 Rn. 92 f. und vom 26. April 2012 - C-419/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​240], Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 51). 15 2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn dem Betroffenen in Deutschland eine EU-Fahrerlaubnis der Klassen A und B entzogen wurde und er nach Ablauf der Sperrfrist im Mitgliedstaat seines ordentlichen Wohnsitzes einen Führerschein der Klasse C erworben hat. 16 a) Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG kann ein Führerschein der Klasse C nur Fahrzeugführern ausgestellt werden, die bereits zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind. Ist die Fahrerlaubnis für die Klasse B mit einer Unregelmäßigkeit behaftet, die ihre Nichtanerkennung rechtfertigt, kann sie daher auch keine geeignete Grundlage für den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse C sein (EuGH, Beschluss vom 22. November 2011 - C-590/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​765], Köppl - NJW 2012, 2018 Rn. 49). 17 Die hier umgekehrte Frage, wie sich die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C auf einen früher festgestellten Fahreignungsmangel hinsichtlich der Fahrerlaubnis der Klasse B auswirkt, hat der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht ausdrücklich entschieden. Sie kann, soweit alkoholbedingte Fahreignungsmängel in Rede stehen, anhand der geltenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/126/EG und der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union aber hinreichend sicher beantwortet werden: Aufgrund des in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG angeordneten Stufenverhältnisses lässt die ordnungsgemäße Ausstellung eines Führerscheins der Klasse C auch den Schluss auf eine Wiedererlangung der Fahreignung für die Klasse B zu. Die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Anhang II und III der Richtlinie 2006/126/EG festgelegten Anforderungen sehen einen gemeinsamen Grundstock an Mindestvoraussetzungen für alle Führerscheinklassen vor (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-224/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​655], Apelt - Slg. 2011, I-9601 Rn. 43). Vor der erstmaligen Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C müssen die Bewerber ärztlich untersucht werden (Anhang III Nr. 4 der Richtlinie 2006/126/EG). Dabei sind eine Alkoholabhängigkeit oder das fehlende Vermögen, das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss zu trennen (Anhang III Nr. 14.1 der Richtlinie 2006/126/EG), und die zusätzlichen Risiken und Gefahren des Alkoholgenusses besonders zu berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind (Anhang III Nr. 14.2 der Richtlinie 2006/126/EG). Die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C setzt damit eine Prüfung der Fahreignung voraus, die auch etwaige alkoholbedingte Fahreignungsmängel umfasst. Die mit der Revision vorgetragene Möglichkeit einer Teilbefreiung von der Kenntnisprüfung ändert hieran nichts. 18 Nach Anhang III Nr. 1.1 der Richtlinie 2006/126/EG sind für die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeuges keine Unterschiede zwischen den Klassen A und B gegeben. Die nachträgliche Ausstellung eines Führerscheins der Klasse C in einem anderen Mitgliedstaat erbringt damit auch den Nachweis, dass der Führerscheininhaber wieder zum Führen von Fahrzeugen der Klasse A und B im Bundesgebiet geeignet ist. 19 b) Ob der Ausschluss der Inlandsfahrberechtigung aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV auch wegen Ablaufs der in § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bestimmten Tilgungsfrist entfallen ist (§ 28 Abs. 4 Satz 3 FeV i.V.m. § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG), kann daher offenbleiben. 20 3. Berücksichtigungsfähige Tatsachen, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Fahreignung des Klägers begründet und den Beklagten berechtigt hätten, dem Kläger die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens aufzugeben, bestanden mithin nicht. Damit ist der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV nicht zulässig (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​171116U3C20.15.0] - BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.). 21 II. Dem begehrten Umtausch steht nicht entgegen, dass eine Fahrerlaubnis der Klasse C nach deutschem Recht auf längstens fünf Jahre befristet ist (1.). Diese Geltungsdauer kann auf eine davon abweichende EU-Fahrerlaubnis nicht ohne Änderung des Führerscheindokuments im Wege der Erneuerung übertragen werden (2). 22 1. Die Vorschriften des deutschen Fahrerlaubnisrechts sehen eine unmittelbare Anwendung der in Deutschland geltenden Vorschriften zur Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis der Klasse C auch für die von anderen Mitgliedstaaten mit einer abweichenden Gültigkeit ausgestellten Führerscheine vor. 23 Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 FeV gilt die in § 23 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordnete Geltungsdauer von längstens fünf Jahren auch für EU-Fahrerlaubnisse der Klasse C. Ausgehend von dem gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 FeV maßgeblichen Datum der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis am 6. Januar 2012 hätte der Kläger danach - unbeschadet der abweichend hiervon in seinem Führerschein ausgewiesenen Gültigkeit bis 6. Januar 2022 - mit Ablauf des 6. Januar 2017 die Berechtigung verloren, mit seinem lettischen Führerschein in Deutschland Kraftfahrzeuge der Klasse C zu führen. 24 Für den Umtausch einer abgelaufenen EU-Fahrerlaubnis der Klasse C werden gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 24 Abs. 2 FeV diejenigen Vorschriften für anwendbar erklärt, die für die Verlängerung einer deutschen Fahrerlaubnis maßgeblich sind. Abweichend von der grundsätzlich beim Umtausch bestehenden Regelung (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV) müsste der Kläger danach auch die Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen an das Sehvermögen nachweisen (§ 24 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV). 25 2. Diese Regelungen sind mit Unionsrecht nicht vereinbar. 26 a) Nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/126/EG haben die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine der Klassen C und D (und deren Unterklassen) ab dem 19. Januar 2013 eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren. Die Erneuerung eines Führerscheins dieser Klassen ist bei Ablauf seiner Gültigkeitsdauer von der anhaltenden Erfüllung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen der betreffenden Fahrzeuge abhängig zu machen, diese betreffen auch das Sehvermögen (vgl. Art. 7 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang III Nr. 6 der Richtlinie 2006/126/EG). 27 Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ergänzt dieses System durch die Möglichkeit einer Erneuerung für den Fall eines Wohnsitzwechsels. Danach kann der Aufnahmemitgliedstaat nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Tag, an dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats begründet hat, die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehene Gültigkeitsdauer auf den Führerschein anwenden, indem er den Führerschein erneuert. 28 Die Bestimmungen in § 28 Abs. 3 und § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 FeV entsprechen weder dieser Fristenregelung noch regeln sie die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehene Erneuerung des Führerscheins. 29 b) Die Erstreckung der im deutschen Recht vorgegebenen Geltungsdauer auf EU-Fahrerlaubnisse in § 28 Abs. 3 Satz 1 FeV geht auf die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) zurück, mit der die sogenannte Zweite Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 (ABl. L 237 S. 1) in nationales Recht umgesetzt wurde. Diese Richtlinie enthielt noch keine Vorgaben zur Gültigkeitsdauer von Führerscheinen. Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG konnte vielmehr jeder Mitgliedstaat die Gültigkeitsdauer der von ihm ausgestellten Führerscheine weiterhin nach seinen einzelstaatlichen Kriterien festlegen. Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG gewährleistete diese Befugnis auch im Fall des Wohnsitzwechsels: Danach konnte der Aufnahmemitgliedstaat seine nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gültigkeitsdauer auch auf den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein anwenden. Auf eben jene Möglichkeit nimmt die Begründung des Bundesministeriums für Verkehr zum Erlass der in § 28 Abs. 3 Satz 1 FeV enthaltenen Bestimmung Bezug (BR-Drs. 443/98 S. 283). 30 In der bis zum 31. Januar 2005 gültigen Fassung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) war überdies sichergestellt, dass der Inhaber des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins bei der Wohnsitzverlagerung über die deutschen Gültigkeitsvorschriften informiert wurde (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 287). Der Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis der Klasse C musste seinen Führerschein nach der Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes registrieren lassen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV a.F.), dabei trug die Fahrerlaubnisbehörde den nach deutschem Recht maßgeblichen Ablauf der Geltungsdauer in den Führerschein ein (§ 29 Abs. 3 Satz 1 FeV a.F.). Entsprechende Vorschriften enthält die Fahrerlaubnis-Verordnung seit der Aufhebung der Registrierungspflicht nicht mehr (vgl. zur Unionsrechtswidrigkeit einer Registrierungsverpflichtung EuGH, Urteil vom 9. September 2004 - C-195/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​498] - Slg. 2004, I-7857 Rn. 53 ff.). 31 Die mit der Richtlinie 2006/126/EG hinsichtlich der Geltungsdauer verbundenen Änderungen sind bei deren Umsetzung durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung sowie bei den nachfolgenden Novellierungen unberücksichtigt geblieben. Offenbar ist der Änderungsbedarf nicht erkannt worden, jedenfalls ist der Regelungsbedarf hinsichtlich der Gültigkeitsdauer in der Verordnungsbegründung nur hinsichtlich der nationalen Führerscheine thematisiert (vgl. BR-Drs. 660/10 S. 61 f.). 32 c) Die Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung zur Geltungsdauer einer EU-Fahrerlaubnis der Klasse C können nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden. 33 Dies folgt bereits aus den von den unionsrechtlichen Vorgaben abweichenden Fristenregelungen der in § 28 Abs. 3 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV enthaltenen Bestimmungen. Die Zweijahresfrist des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ist in den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht aufgegriffen worden (vgl. etwa § 28 Abs. 3 Satz 3 FeV zu einer Übergangsfrist von sechs Monaten). Insbesondere aber belässt Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG dem Mitgliedstaat Entscheidungsspielräume bei der Umsetzung, die nicht im Wege einer gerichtlichen Auslegung ausgefüllt werden können. 34 Eine unionsrechtskonforme Auslegung der in § 28 Abs. 3 Satz 1 FeV enthaltenen Regelung scheitert überdies daran, dass es der in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG angeordneten Anerkennung der von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine und der damit intendierten Erleichterung der Personenfreizügigkeit (vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2006/126/EG) widerspräche, wenn ihnen ohne Änderung des Führerscheindokuments im Aufnahmemitgliedstaat eine reduzierte Geltungsdauer beigemessen würde. Derartiges muss schon im Interesse einer klaren und rechtssicheren Handhabung der Inlandsfahrberechtigung aus ausländischen Führerscheinen vermieden werden. 35 Mangels Umsetzung der in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG eröffneten Erneuerungsbefugnis im deutschen Fahrerlaubnisrecht verbleibt es daher bei der in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vorgesehenen Anerkennung des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins der Klasse C mit der darin angeordneten Geltungsdauer. 36 III. Da der Berechtigung des Klägers, mit seinem lettischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, weder der Ausschlussgrund des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV noch derjenige aus Nr. 9 der Vorschrift entgegensteht, sind auch die Feststellung über die fehlende Berechtigung (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FeV) und die Verpflichtung, den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen (§ 47 Abs. 2 FeV), aufzuheben. 37 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-61,06.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 61/2018 vom 06.09.2018 EN Disziplinargerichtliche Entfernung eines ehemaligen Funktionsträgers und Wahlkandidaten von „PRO NRW“ aus dem Polizeidienst Das Bundesverwaltungsgericht hat mit heute den Verfahrensbeteiligten bekannt gegebenem Beschluss vom 20. August 2018 die Beschwerde eines ehemaligen Funktionsträgers und Wahlkandidaten der Partei „Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen“ (PRO NRW) gegen seine disziplinargerichtliche Entfernung aus dem Polizeidienst zurückgewiesen. Diese ist damit rechtskräftig geworden. Der Beschwerdeführer ist Polizeihauptkommissar im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er war Mitglied, Kreisvorsitzender und stellvertretender Landesvorsitzender von „PRO NRW“; zur Landtagswahl 2012 und zur Europawahl 2014 trat er als deren Kandidat auf vorderen Listenplätzen an. Inzwischen ist er aus der Partei ausgetreten und hat seine Parteiämter niedergelegt. Im Mai 2011 leitete der örtliche Polizeipräsident gegen den Beamten wegen seiner Aktivitäten für „PRO NRW“ ein Disziplinarverfahren ein. Das Verwaltungsgericht entfernte den Beamten aus dem Dienst. Das Oberverwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung des Beamten zurück. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beamte durch seine herausgehobenen Funktionen und als Wahlkandidat für „PRO NRW“ gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen habe. Dabei ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass „PRO NRW“ nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden ausweislich zahlreicher gegen Ausländer, insbesondere gegen solche muslimischen Glaubens, gerichteter Parteiaktionen und Äußerungen führender Parteifunktionäre verfassungsfeindliche Ziele verfolge, die mit der grundgesetzlich garantierten Menschenwürde und Religionsfreiheit nicht vereinbar seien. Wer sich wie der Beschwerdeführer in herausragender Funktion für seine Partei einsetze, müsse sich dies als Ausdruck eigener verfassungsfeindlicher Einstellung zurechnen lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Beamten gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Die Beschwerde beschränkte sich im Wesentlichen auf die Rüge von (vermeintlichen) Verfahrensfehlern im behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren. Dass solche vorlägen, hat das Bundesverwaltungsgericht verneint. Zu einer inhaltlichen Befassung mit dem Vorwurf, der Beamte habe gegen seine Verfassungstreuepflicht verstoßen, und mit der Beurteilung von „PRO NRW“ als verfassungsfeindlich gab die Beschwerde keinen Anlass. Zur Verfassungstreuepflicht von Beamten hat sich das Bundesverwaltungsgericht zuletzt mit Urteil vom 17. November 2017 - BVerwG 2 C 25.17 - rechtsgrundsätzlich geäußert (dort zur Entfernung aus dem Polizeidienst wegen Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt, vgl. Pressemitteilung 79/2017 vom selben Tage). BVerwG 2 B 6.18 - Beschluss vom 20. August 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 3 d A 1732/14.O - Urteil vom 27. September 2017 - VG Düsseldorf, 35 K 6592/12.O - Urteil vom 26. Mai 2014 -","1. Erfolglose Verfahrensrügen eines Funktionsträgers und Wahlkandidaten der Partei ""Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen"" (PRO NRW) gegen seine disziplinare Entfernung aus dem Polizeidienst wegen Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG).2. Ergänzungs- oder Indiztatsachen, die nicht selbst Handlungen des Beamten darstellen, sondern nur die Bewertung der Handlungen des Beamten ermöglichen, müssen nicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW (juris: DG NW) den Gegenstand der Einleitungsverfügung des behördlichen Disziplinarverfahrens bilden; ihre nachträgliche Ermittlung bedingt entsprechend keine Ausdehnung des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 19 Abs. 1 LDG NRW. Gründe Die auf die Zulassungsgründe der Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.1. Der Beklagte steht als Polizeihauptkommissar im Dienst des klagenden Landes. Er war Mitglied der Partei ""Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen"" (im Folgenden: PRO NRW). Seit Juni 2010 war er Kreisvorsitzender von PRO NRW im Bereich Aachen und seit dem 19. März 2011 stellvertretender Landesvorsitzender der Partei. Zur Landtagswahl 2012 trat er als Kandidat von PRO NRW auf Position 2 der Landesliste und zur Europawahl 2014 auf Listenplatz 4 an. Im Mai 2015 trat er aus der Partei aus und legte seine Parteiämter nieder.Im Juli 2010 setzte der Kläger den Beklagten vom Streifendienst in die Direktion Verkehr um. Nach etwa einjähriger Krankheit versah er dort seinen Dienst ab Oktober 2011 bis zu seiner Suspendierung im vorliegenden Disziplinarverfahren. Im März 2011 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass nach dem Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2010 Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen von PRO NRW bestünden. Der Beklagte erhalte Gelegenheit, seine Tätigkeit und seine Funktionen bei PRO NRW zu überdenken und hiervon Abstand zu nehmen. Hierauf erwiderte der Beklagte u.a., dass die Partei PRO NRW sich zum Wertekanon des Grundgesetzes bekenne und er sich dafür einsetze, dass die Partei die Weltreligion Islam nicht pauschal und undifferenziert mit Islamismus und Verfassungsfeindlichkeit gleichsetze.Im Mai 2011 leitete der Polizeipräsident gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen dessen Funktionen und Zugehörigkeit zur Partei PRO NRW ein. Nach dem aktuellen Verfassungsschutzbericht missachte PRO NRW mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot, indem Ausländer durch die Partei pauschal herabgesetzt und diffamiert würden. Der Beklagte stehe im Verdacht, sich entgegen seiner beamtenrechtlichen Pflichten nicht durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten.Den vom Beklagten gegen seine im Mai 2012 verfügte Suspendierung gerichteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz ab.Auf die Disziplinarklage des Klägers vom 20. September 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Seine Berufung hiergegen hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:Es lägen keine wesentlichen Mängel der Klageschrift oder des behördlichen Disziplinarverfahrens vor. Insbesondere sei die Klageerhebung nicht unwirksam, weil gegenüber dem Polizeipräsidenten die Besorgnis der Befangenheit bestanden habe. Seine vom Beklagten beanstandeten Ausführungen gegenüber dem Verwaltungsgericht im Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung seien nicht geeignet, den Eindruck mangelnder Unvoreingenommenheit zu erwecken. In der Klageschrift sei der dem Beklagten angelastete Sachverhalt mit hinreichender Bestimmtheit wiedergegeben. Das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten, nämlich seine Betätigung als Funktionsträger und Wahlkandidat für PRO NRW sei hinreichend konkret beschrieben. Es sei nicht zu beanstanden, dass Indiztatsachen, aus welchen sich die verfassungsfeindliche Zielsetzung von PRO NRW herleiten lasse, im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erst mitgeteilt worden seien. Auch habe der Beklagte im Berufungsverfahren, in dem erneut eine vollumfängliche Prüfung erfolge, die Möglichkeit gehabt, zu den maßgeblichen Umständen Stellung zu nehmen. Auch die Einleitungsverfügung sei bereits hinreichend bestimmt gewesen.Das Gericht lege seiner Entscheidung zunächst diejenigen Feststellungen zu Grunde, die das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 28. Mai 2013 - 22 K 2532/11 - in dem von der Partei PRO NRW gegen ihre Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten 2009 und 2010 angestrengten Verfahren festgestellt habe. Ergänzende vom Berufungsgericht getroffene Feststellungen betreffen eine Veröffentlichung des Beklagten im August 2010 auf den Internetseiten von PRO NRW zu dem geplanten Bau der Yusuf-Emre-Moschee in Aachen, die sog. ""Freiheit statt Islam""-Tour der Partei durch Nordrhein-Westfalen, einen Redebeitrag des Beklagten auf dieser Tour am 5. Mai 2012 sowie einen Facebook-Eintrag des Beklagten, der sich mit der Einführung des Rufs des Muezzin in einer Moschee in Würselen befasste.Durch seine Aktivitäten in der Partei PRO NRW in Gestalt des Ausübens der Funktionen eines Kreisvorsitzenden und eines stellvertretenden Landesvorsitzenden sowie der Übernahme einer Kandidatur für die Landtagswahl 2012 habe der Beklagte die ihm obliegende politische Treuepflicht in disziplinarwürdiger Weise missachtet, indem er sich aktiv durch die Übernahme von Parteiämtern und Kandidaturen in einer Partei betätige, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbare Ziele verfolge. Nach dem sich aus den Verlautbarungen der Partei und ihrer Funktionäre ergebenden Gesamtbild verfolge die Partei PRO NRW insbesondere Ziele, die mit dem Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde unvereinbar seien. In solchen Verlautbarungen würden einzelne Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer Herkunft bzw. ihres religiösen Bekenntnisses pauschal herabgewürdigt und ausgegrenzt. Das Programm der Partei sei aus Sicht eines objektiven Betrachters nach Inhalt und Wortwahl dazu angetan, Angst- und Neidgefühle der angesprochenen Wählerkreise zu schüren und die betreffenden Bevölkerungsgruppen, nämlich Menschen muslimischen Glaubens bzw. türkischer oder arabischer Herkunft, zum bloßen Objekt derartiger negativer Emotionen zu machen.Nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Er habe durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Trotz wiederholter Hinweise seines Dienstherrn auf die Verfassungsfeindlichkeit der Zielsetzungen der Partei PRO NRW, der Einleitung des Disziplinarverfahrens und der Erhebung der Disziplinarklage habe der Beklagte sein Engagement für PRO NRW fortgesetzt und sogar durch die Übernahme von Ämtern und Kandidaturen noch intensiviert. Er habe hieran selbst dann noch festgehalten, als das Oberverwaltungsgericht im Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für überwiegend wahrscheinlich erachtet und die Disziplinarkammer mit dem angefochtenen Urteil auf die Höchstmaßnahme erkannt habe. Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.2. Die Beschwerde zeigt zunächst keinen Verfahrensfehler auf.a) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, der Polizeipräsident, welcher die Disziplinarklageschrift unterzeichnet hat, sei befangen gewesen. Dies leitet der Beklagte daraus her, dass der Polizeipräsident etwa zwei Wochen vor der Vorlage des Untersuchungsberichts in dem gegen den Beklagten geführten Disziplinarverfahren in einem Schriftsatz an das Verwaltungsgericht in dem parallel geführten Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung (VG Düsseldorf - 35 L 999/12.O -) sich wie folgt geäußert hat: ""Das Vertrauensverhältnis ist im Übrigen unwiderruflich zerstört.""Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass diese Äußerung des Polizeipräsidenten eine die Befangenheit möglicherweise nach sich ziehende Vorfestlegung nicht enthält. Zu Recht führt das Oberverwaltungsgericht aus, dass nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW schon nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens die vorläufige Dienstenthebung verfügt werden kann, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Diese erfolgt im Rahmen der Maßnahmebemessung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW, wenn der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 25 ff.). Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass der Polizeipräsident in dem um die vorläufige Dienstenthebung geführten Rechtsstreit den genannten Vertrauensverlust in seine Argumentation aufgenommen hat. Die in der Antragsbegründung vom 28. Juni 2012 enthaltene Textpassage muss zudem in ihrem Zusammenhang gesehen werden. Danach hielt der Polizeipräsident einen Verbleib des Beamten im Polizeidienst unter gleichzeitiger Zugehörigkeit zur Partei PRO NRW in herausgehobener Stellung nicht für möglich. Dabei musste er zwingend zum Zeitpunkt dieser Antragsbegründung von denjenigen Erkenntnissen über die Tätigkeit des Beklagten in der Partei PRO NRW sowie über deren angenommene Verfassungsfeindlichkeit ausgehen, die ihm damals vorlagen. Mit der daraus gezogenen und für das seinerzeitige Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes formulierten Konsequenz hat der Polizeipräsident aber nicht gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass auch dann von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen ist, wenn die noch andauernde disziplinarrechtliche Untersuchung im Hinblick auf die Funktionen des Beklagten in der Partei PRO NRW oder im Hinblick auf deren Verfassungsfeindlichkeit zu neuen tatsächlichen Feststellungen gelangte, die entweder die Partei PRO NRW oder das Engagement des Beklagten in dieser Partei in einem milderen Lichte erscheinen ließe. Vor diesem Hintergrund stellt die Äußerung des Polizeipräsidenten in dem genannten Eilverfahren keinen Umstand dar, der bei dem auch seinerzeit anwaltlich beratenen Beklagten Anlass für eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf die Person des Polizeipräsidenten hätte geben können.b) Ein Verfahrensfehler folgt auch nicht aus der Annahme des Beklagten, die Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2011 verstoße gegen § 20 Abs. 1 LDG NRW. Gemäß Satz 1 dieser Vorschrift ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Nach Satz 2 muss hierbei eröffnet werden, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Nach Auffassung des Beklagten sind die Angaben in der Einleitungsverfügung im Hinblick auf den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Einstellung seiner Person unzureichend, weil insoweit hauptsächlich auf die Beobachtung von PRO NRW durch den Verfassungsschutz verwiesen werde.Durch das Aufzeigen eines Verstoßes gegen Vorschriften des behördlichen Disziplinarverfahrens kann ein Verfahrensmangel im Sinne von § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (noch) nicht begründet werden. Diese Norm erfasst nur Rechtsfehler des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor dem Berufungsgericht. Es muss sich um einen Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze handeln, die den äußeren Ablauf des gerichtlichen Verfahrens und die Art und Weise des Erlasses des Urteils betreffen. Nur derartige Rechtsfehler können sich auf das Berufungsurteil auswirken, weil sie die gerichtliche Entscheidungsfindung beeinflussen können. Endet das behördliche Disziplinarverfahren mit der Entscheidung, Disziplinarklage zu erheben (vgl. § 35 LDG NRW), ist das Verwaltungsgericht im Disziplinarklageverfahren verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der klagende Dienstherr einen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens nachträglich beseitigt, wenn der Mangel wesentlich ist und ihn das Gericht nicht unberücksichtigt lassen darf (§ 54 Abs. 2 und 3 LDG NRW). Dies gilt auch für das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren (§ 65 Abs. 1 und 2 LDG NRW). Gelingt es dem Dienstherrn nicht, einen wesentlichen Mangel innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zu beseitigen, hat das Gericht das Disziplinarklageverfahren einzustellen (§ 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW). Die Pflicht des Oberverwaltungsgerichts, den Dienstherrn zur nachträglichen Beseitigung von Mängeln des behördlichen Disziplinarverfahrens anzuhalten, betrifft den Ablauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Daher stellt (erst) die Verletzung dieser Pflicht einen Verfahrensmangel im Sinne von § 3 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 - 2 B 40.15 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 9 Rn. 10 und vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 28, jeweils m.w.N.).Ein Mangel der Disziplinarklageschrift und des behördlichen Disziplinarverfahrens ist dann wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis dieses Verfahrens, d.h. auf die Entscheidung für die Erhebung der Disziplinarklage und das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, ausgewirkt hat; maßgebend ist nicht der Zweck der verletzten Bestimmung des Disziplinarverfahrensrechts, sondern die Bedeutung des konkreten Verstoßes für den Fortgang des behördlichen Disziplinarverfahrens. Das folgt aus der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 19 und Beschluss vom 9. Februar 2016 - 2 B 84.14 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 41 Rn. 7).Hier besteht schon kein Mangel der Einleitungsverfügung. Sie informiert insbesondere hinreichend über Art, Umfang, Zeit und Ort der dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen. Eigene Handlungen des Beklagten bestehen nach der Einleitungsverfügung in seiner Mitgliedschaft und Funktionsträgerschaft in der Partei PRO NRW seit 2011 und davor. Insoweit ist zwischen den eigenen Handlungen des Beklagten, welche den Kern seines Dienstvergehens ausmachen, und solchen Umständen zu differenzieren, welche nur als Ergänzungs- oder Indiztatsachen die Bewertung der Handlungen des Beamten ermöglichen. Um solche Ergänzungs- oder Indiztatsachen handelt es sich hier bei denjenigen Umständen, mit denen der Kläger seine Annahme der Verfassungsfeindlichkeit der Partei PRO NRW begründet. Solche Umstände begründen nicht den Kern des Dienstvergehens; sie sind daher auch nicht zwingend vollständig in der Einleitungsverfügung anzugeben, zumal sie ggf. noch den Gegenstand der disziplinarischen Ermittlungen bilden können. Insoweit ist es ausreichend, wenn der Beamte von ihnen im Laufe des Verfahrens Kenntnis sowie die Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu erlangt. Deswegen genügt es den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW, dass der Kläger in der Einleitungsverfügung beschreibt, dass die Partei PRO NRW nach seiner Auffassung verfassungsfeindliche Ziele verfolge, indem sie u.a. Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot missachte und bestimmte Volks- und Religionsgruppen, insbesondere Muslime, als unerwünschte, nicht integrierbare Menschen zweiter Klasse darstelle sowie im Übrigen Bezug nimmt auf (mit Seitenzahlen näher bezeichnete) Passagen des Verfassungsschutzberichts sowie auf die tatsächlichen Feststellungen verwaltungsgerichtlicher Urteile.c) Die Beschwerde sieht des Weiteren einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 LDG NRW. Die Klageschrift beziehe sich auf Umstände, die nicht Gegenstand der Einleitungsverfügung gewesen seien, und die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW in das behördliche Untersuchungsverfahren hätten eingeführt werden müssen. Im Einzelnen handele es sich hierbei um den Umstand, dass sich der Beklagte als Kreisvorsitzender für die Partei PRO NRW betätigt habe, um die Verfassungsschutzberichte 2010 und 2011 sowie um ""verschiedene Aktivitäten des Beklagten für PRO NRW"", welche auf Seite 3 der Klageschrift aufgeführt seien.Bei diesen Umständen handelt es sich weitgehend nicht um neue Handlungen im Sinne des § 19 Abs. 1 LDG NRW, auf die das Disziplinarverfahren auszudehnen gewesen wäre. Soweit in einem Fall eine neue Handlung in diesem Sinne anzunehmen ist, derentwegen das Disziplinarverfahren nicht im Sinne des § 19 Abs. 1 LWG NRW ausgedehnt worden ist, ist der dadurch entstandene Mangel im behördlichen Disziplinarverfahren nicht als wesentlich im Sinne des § 54 LDG NRW anzusehen.aa) Der Umstand, dass der Beklagte als Kreisvorsitzender der Partei PRO NRW tätig war, ist bereits Gegenstand der Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2011 gewesen.bb) Bei den Verfassungsschutzberichten handelt es sich nicht um Handlungen des Beklagten, auf die das behördliche Disziplinarverfahren gegebenenfalls auszudehnen gewesen wäre. Zu Recht geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass es sich hierbei um sogenannte Indiztatsachen handelt, derentwegen zwar rechtliches Gehör zu gewähren ist, die aber nicht förmlich als dem Beamten vorzuwerfende Handlung im Sinne des § 19 Abs. 1 LDG NRW in das Verfahren einzuführen sind (vgl. oben, b).cc) Die ""verschiedenen Aktivitäten"", die auf Seite 3 der Klageschrift aufgeführt sind, betreffen zum einen den Umstand, dass die Intensität der Tätigkeit des Beklagten für PRO NRW zugenommen habe, was im Jahr 2012 - und damit zu einem Zeitpunkt, der nach der Erstellung der Einleitungsverfügung vom 19. Mai 2011 lag - zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Salafisten geführt habe. Zum anderen habe der Landesvorsitzende von PRO NRW eine despektierliche Erklärung über den seinerzeitigen Innenminister Jäger abgegeben, die dem Beklagten als stellvertretendem Landesvorsitzenden zuzurechnen sei.Die Erklärung des Landesvorsitzenden von PRO NRW und die vom Kläger angenommene Zurechnung dieser Erklärung zum Beklagten bildet ebenfalls bereits den Gegenstand der Einleitungsverfügung.Allein die gewalttätige Auseinandersetzung mit Salafisten im Jahr 2012 stellt eine neue Handlung im Sinne des § 19 Abs. 1 LWG NRW dar, auf die, soll sie den Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bilden, das behördliche (§ 19 Abs. 1 LDG NRW) oder das gerichtliche Disziplinarverfahren (§ 53 LDG NRW) hätte ausgedehnt werden müssen. Da dies unterblieben ist, muss insoweit ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens angenommen werden. Dieser ist jedoch unwesentlich im Sinne des § 54 Abs. 1 LDG NRW. Denn es kann ausgeschlossen werden, dass sich die angesprochene Auseinandersetzung mit Salafisten auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat dargestellt, welche Handlungen des Beklagten es für disziplinarwürdig erachtet hat (vgl. UA S. 40). Danach hat es einen Verstoß der politischen Treuepflicht durch den Beklagten in dem Ausüben der Funktionen eines Kreisvorsitzenden und eines stellvertretenden Landesvorsitzenden sowie in der Übernahme einer Kandidatur für die Landtagswahl 2012 gesehen. Auf weitere Handlungen hat das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt.d) Der Beklagte wendet sich des Weiteren dagegen, dass sich das erstinstanzlich entscheidende Verwaltungsgericht auf tatsächliche Feststellungen gestützt hat, die in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2013 - 22 K 2532/11 -, welches die Beobachtung der Partei PRO NRW durch den Verfassungsschutz zum Gegenstand hatte, getroffen worden waren. Das Verwaltungsgericht habe die Akten des genannten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich durch Benennung des Aktenzeichens in die mündliche Verhandlung eingeführt. Dies sei aus zwei Gründen fehlerhaft gewesen: Zum einen sei das Gericht verpflichtet gewesen, die dort enthaltenen und für relevant erachteten Tatsachen zu benennen und in das Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung einzuführen; der Verstoß gegen diese Pflicht führe zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) im Wege einer unzulässigen Überraschungsentscheidung. Zum anderen hätten die in dem früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen, welche sich auf Aktivitäten der Partei PRO NRW bezögen und dem Beklagten in seinem disziplinarrechtlichen Verfahren zugerechnet worden seien, im Wege der Nachtragsanklage gemäß § 53 LDG NRW in das Verfahren eingeführt werden müssen.Beide Einwände zeigen keinen relevanten Verfahrensfehler auf.aa) Es liegt zunächst kein Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) durch das Oberverwaltungsgericht vor. Ein solcher wird nicht einmal durch die Beschwerde behauptet. Die Beschwerde beschränkt sich darauf, einen vermeintlichen Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren aufzuzeigen. Auch der Sache nach liegt ein im Rahmen der hiesigen Beschwerde allein relevanter Verfahrensfehler beim Oberverwaltungsgericht nicht vor.Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m.w.N.).Spätestens durch das erstinstanzliche Urteil im vorliegenden Disziplinarklageverfahren war dem Beklagten klar, welche tatsächlichen Feststellungen des vorangegangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2013 auch in seinem Verfahren von Bedeutung sein könnten. Er hatte in der Folge hinreichend Gelegenheit, sich im Berufungsverfahren mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zu Beginn der mündlichen Verhandlung seinen schriftlichen Sachbericht, der die in Rede stehenden Tatsachen enthielt, an die Beteiligten verteilt und ihnen Gelegenheit gegeben, hiervon Kenntnis zu nehmen.bb) Die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil vom 28. Mai 2013, welche sich mit der Verfassungsfeindlichkeit der Partei PRO NRW befassen, mussten auch nicht im Wege der Nachtragsdisziplinarklage gemäß § 53 LDG NRW in das Verfahren eingeführt werden. Wie bereits erläutert (vgl. oben, b) und c)), handelt es sich bei den entsprechenden Feststellungen nicht um solche, die disziplinarrechtlich relevante Handlungen des Beklagten betreffen, sondern allein um Indiztatsachen, die die Verfassungswidrigkeit der Partei PRO NRW belegen sollen.e) Soweit der Beklagte geltend macht, die ""ergänzenden Feststellungen"", welche das Berufungsgericht getroffen habe (ab UA S. 38 ff.), seien für ihn überraschend gewesen und nicht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt worden, lässt sich hieraus kein relevanter Verfahrensfehler herleiten.Zum Teil ergeben sich die angesprochenen Informationen bereits aus den dem Beklagten bekannten Akten. So räumt er selbst ein, dass die angesprochene Internet-Veröffentlichung des Beklagten von August 2010 in der Stellungnahme des Polizeipräsidenten gegenüber dem Gericht vom 27. Januar 2015 angesprochen worden sei. Auch befindet sich die Rede des Beklagten vom 5. Mai 2012 entgegen seiner Darstellung in vollem Wortlaut in den Verwaltungsakten, und zwar an der von ihm selbst angegebenen, wenn auch bezweifelten Stelle (allerdings nicht auf Bl. 102 f., sondern auf Bl. 103 ff. des von ihm bezeichneten Verwaltungsvorgangs). Die Rede des Beklagten sowie die Kundgebung, auf der diese gehalten wurde, bilden zudem bereits den Gegenstand der Disziplinarklageschrift (Bl. 13 der Gerichtsakte).Hierauf kommt es letztlich jedoch nicht einmal an, weil das Oberverwaltungsgericht die entsprechende Feststellung zwar getroffen hat, seine Entscheidung hierauf aber nicht gestützt hat. Wie bereits ausgeführt, beschränken sich die dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen auf das Ausüben der Funktionen eines Kreisvorsitzenden und eines stellvertretenden Landesvorsitzenden sowie in der Übernahme einer Kandidatur für die Landtagswahl 2012.Die für die Argumentation des Berufungsgerichts maßgebliche Verfassungsfeindlichkeit der Partei PRO NRW sieht das Berufungsgericht bereits durch diejenigen Tatsachen hinreichend festgestellt, die sich aus dem Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2013 - 22 K 2532/11 - ergeben. Dies folgt aus der vom Berufungsgericht verwendeten Formulierung (UA S. 46), dass bereits diese in dem vorbezeichneten Urteil festgestellten und im Tatbestand wiedergegebenen Verlautbarungen in der Gesamtschau hinreichend deutlich Zielsetzungen der Partei PRO NRW zum Ausdruck bringen, die von mangelnder Achtung der Menschenwürde bestimmter Bevölkerungsgruppen gekennzeichnet und deshalb mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar seien. Weitere Umstände zieht das Gericht lediglich bestärkend heran; die von der Beschwerde kritisierten ""ergänzenden Feststellungen"" ab UA S. 38 ff. gehören nicht hierzu.f) Der Beklagte wendet sich des Weiteren gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und beanstandet insbesondere, dass dabei die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit nicht hinreichend zur Geltung gekommen sei. Ein konkreter Verfahrensfehler wird hierdurch nicht dargelegt. Die Beschwerde versäumt es, deutlich zu machen, inwieweit sie darin einen Fehler im gerichtlichen Verfahren des Berufungsgerichts sieht. Sollte die Beschwerde darauf abzielen, mit ihren Ausführungen einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO (Überzeugungsgrundsatz) geltend zu machen, so liegt ein solcher nicht vor.Nach § 108 Abs. 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (BVerwG, Beschlüsse vom 26. November 2013 - 8 B 20.13 - ZOV 2014, 48 Rn. 14 und vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 53).Die Beschwerde beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die von ihr bevorzugte und von den Ausführungen des Berufungsgerichts abweichende Beweiswürdigung derjenigen des Berufungsgerichts gegenüberzustellen. Sie argumentiert dabei im Stile eines bereits zugelassenen Rechtsmittels; ein Verfahrensfehler wird durch diese Argumentation nicht aufgezeigt.g) Soweit die Beschwerde schließlich beanstandet, dass die von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht gestellten Beweisanträge entgegen § 86 Abs. 2 VwGO nicht von diesem in der mündlichen Verhandlung beschieden worden seien, wird auch hierdurch kein Verfahrensfehler dargelegt. Das Gericht ist allein verpflichtet, unbedingt gestellte Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden. Ausweislich des auf Antrag des Beklagten berichtigten Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht hat der Beklagte seinen Beweisantrag aber unter der Bedingung gestellt, dass ""das Gericht aufgrund für den Beklagten nicht erkennbaren Tatsachen meinen sollte, den Nachweis für eine verfassungsfeindliche Einstellung von PRO NRW führen zu können und sich dabei auch auf die in der Berufungsbegründung Seiten 9 bis 14 erörterten Tatsachen stützen"". Damit war nach Auffassung des Beklagten nur in dem Fall (also unter der Bedingung) weiter Beweis zu erheben, dass das Gericht von der Verfassungsfeindlichkeit von PRO NRW ausgehe. Verstärkt wird dieses Verständnis dadurch, dass der Beklagte im Rahmen der Protokollergänzung auf seine Berufungsbegründung und die darin formulierten Beweisanträge Bezug genommen hat. Diese wurden dort ebenfalls rein ""vorsorglich"" gestellt.3. Die Beschwerde zeigt auch keine Divergenz im Sinne von § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschriften ist gegeben, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen divergenzfähigen Gerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung dieses Gerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.).Die Beschwerde genügt insoweit schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie verzichtet darauf einen abstrakten Rechtssatz zu benennen, auf den das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat und der gegen einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen divergenzfähigen Gerichts verstößt. Im Kern geht es der Beschwerde offenbar darum, dass in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG nicht hinreichend gewürdigt worden ist. Dies betrifft jedoch die Anwendung des Rechts im Einzelfall; ein abstrakter Rechtssatz, den das Oberverwaltungsgericht in Abweichung von divergenzfähiger Rechtsprechung aufgestellt haben soll, ist nicht erkennbar.Aus diesem Grunde ist es auch nicht möglich, die Divergenzrüge rechtsschutzfreundlich im Sinne einer Grundsatzrüge nach § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auszulegen.4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden." bverwg_2018-62,06.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 62/2018 vom 06.09.2018 EN Erhebung von Erschließungsbeiträgen ohne klare zeitliche Grenze verfassungswidrig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute beschlossen, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die Verjährungsregelung des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz, soweit sie die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage erlaubt, mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist. Der Kläger wendet sich gegen Erschließungsbeitragsbescheide i.H.v. insgesamt mehr als 70 000 €. Er ist Eigentümer mehrerer Grundstücke in einem Gewerbegebiet. Das abgerechnete Teilstück der Straße, an dem diese liegen, wurde bereits 1986 vierspurig erbaut. Die zunächst vorgesehene vierspurige Fortführung wurde 1999 endgültig aufgegeben. Der zweispurige Weiterbau erfolgte sodann 2003/2004. Erst im Jahr 2007 widmete die Gemeinde den Straßenzug in seiner gesamten Länge dem öffentlichen Verkehr. Die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide ergingen im August 2011. Der Einwand des Klägers, 25 Jahre nach Herstellung der seine Grundstücke erschließenden Straße dürften keine Beiträge mehr erhoben werden, blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hielt die Beitragserhebung für rechtmäßig, weil seit dem Eintritt der Vorteilslage noch nicht 30 Jahre vergangen seien und keine besonderen Umstände schon zuvor ein Vertrauen des Klägers darauf begründet hätten, von einem Beitrag verschont zu bleiben. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Das Landesrecht ermöglicht bislang, Erschließungsbeiträge zeitlich unbefristet nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Zwar verjähren Beitragspflichten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz in Verbindung mit §§ 169, 170 der Abgabenordnung in vier Jahren nach Entstehung des Anspruchs. Der Beginn der Verjährungsfrist setzt damit aber u.a. die öffentliche Widmung der Erschließungsanlage voraus, die auch noch geraume Zeit nach deren Fertigstellung erfolgen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt eine solche Regelung gegen das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Der Gesetzgeber hat danach die Aufgabe, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und der Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Er darf es aber nicht gänzlich unterlassen, der Abgabenerhebung eine bestimmte zeitliche Grenze zu setzen. Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Grenze von 30 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage entspricht diesen Anforderungen nicht. Denn sie findet keine hinreichende Grundlage in der Rechtsordnung. Im vorliegenden Fall waren zwischen der tatsächlichen Entstehung des Vorteils - spätestens im Jahr 1999 - und dem Erlass der Beitragsbescheide im Jahr 2011 mehr als 10 Jahre vergangen. Insofern besteht angesichts der in anderen Bundesländern bereits geltenden Vorschriften jedenfalls die Möglichkeit, dass die auch in Rheinland-Pfalz gebotene, aber bisher unvollständige gesetzliche Normierung eine Beitragserhebung hier ausschließen wird. Weil somit die Entscheidung in dem vorliegenden Revisionsverfahren von der Gültigkeit der beanstandeten Regelung abhängt, musste das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren aussetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. BVerwG 9 C 5.17 - Beschluss vom 06. September 2018 Vorinstanzen: OVG Koblenz, 6 A 11831/16 - Urteil vom 06. November 2017 - VG Koblenz, 4 K 41/15.KO - Urteil vom 25. Februar 2016 -","1. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers - und damit nicht der Gerichte -, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143).2. Dem § 53 Abs. 2 VwVfG kann weder im Wege der Analogie noch mittels des Grundsatzes von Treu und Glauben eine zeitliche Grenze für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen entnommen werden, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügt.3. Im Erschließungsbeitragsrecht entsteht die Vorteilslage (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 40), wenn die Erschließungsanlage dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm entspricht. Soweit die Entstehung der Beitragspflicht darüber hinaus die Widmung der Straße und die Wirksamkeit der Beitragssatzung erfordert, wirkt sich dies nicht auf den Eintritt der Vorteilslage aus. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz - KAG RP - vom 20. Juni 1995 (GVBl. S. 175) in der Fassung des Gesetzes vom 15. Februar 2011 (GVBl. S. 25) in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - in der Fassung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, ber. I 2003 S. 61), geändert durch das Gesetz vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266), mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar ist, soweit er die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage erlaubt. Gründe IDer Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung des rund 200 Meter langen östlichen Endes der G.-P.-Straße in M.Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke 325/4 und 5, 326/6 und 7 sowie 330/10 in der Gemarkung M., Flur 6, die durch die G.-P.-Straße erschlossen werden. Darüber hinaus ist er Eigentümer weiterer vier Flurstücke (320/4 und 5, 323/4 und 5), die - durch die vorgenannten Parzellen getrennt - ebenfalls an der G.-P.-Straße liegen; soweit ursprünglich auch die für diese Grundstücke ergangenen Beitragsbescheide Gegenstand des Rechtsstreits waren, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 6. September 2018 aufgrund der dortigen gesonderten Problematik der Erschließung von Hinterliegergrundstücken abgetrennt (nunmehr BVerwG 9 C 8.18).Die G.-P.-Straße verläuft in ost-westlicher Richtung zwischen der ...straße und der Straße ""In der P."". In den Jahren 1985/1986 wurde ihr östliches, an die klägerischen Grundstücke grenzendes Ende - seinerzeit noch unter der Bezeichnung ""1. Stichstraße ...straße"" - vierspurig erbaut, wobei die Beklagte das Eigentum an den Straßenparzellen erwarb. Mit Bescheiden vom 25. Oktober 1991 zog sie den Kläger zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag heran. Der Kläger zahlte für das Flurstück 330/10; im Übrigen wurden die Vorausleistungen ausgesetzt.Ursprünglich plante die Beklagte mit dem Bebauungsplan ""Gewerbegebiet D. II"", die G.-P.-Straße vierspurig weiterzuführen. Nachdem der Bebauungsplan mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Juni 1991 sowie des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 16. September 1993 für nichtig erachtet worden war, beschloss die Beklagte im Jahr 1999 den Bebauungsplan ""Gewerbegebiet D. III"", der eine nur noch zweispurige Fortführung der Straße vorsieht. In diesem Umfang wurde die G.-P.-Straße in den Jahren 2003/2004 weitergebaut und im Juli 2007 in ihrer gesamten Länge als Gemeindestraße gewidmet.Unter dem 4. September 2007 erließ die Beklagte gegen den Kläger drei Erschließungsbeitragsbescheide. Mit Urteil vom 17. Januar 2011 hob das Verwaltungsgericht Koblenz zwei der Bescheide mit der Begründung als nichtig auf, darin seien Flurstücke zu Unrecht als wirtschaftliche Einheit veranlagt worden; lediglich der allein das Flurstück 330/10 betreffende Bescheid sei rechtmäßig. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Koblenz mit Beschluss vom 9. Juni 2011 ab. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 24. August 2011 zog die Beklagte daraufhin den Kläger für acht der Flurstücke erneut zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 64 630,92 € - davon 24 450,43 € für die Flurstücke 325/4 und 5 sowie 326/6 und 7 - heran und veranlagte ihn bezüglich des Flurstücks 330/10 zu einem Nacherhebungsbetrag in Höhe von 5 674,56 €.Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Höhe der Beitragsbescheide unter Berücksichtigung eines kleinen Teils einer weiteren, nicht im klägerischen Eigentum stehenden Parzelle neu zu berechnen. Im Übrigen hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beitragspflicht sei weder verjährt noch aus Gründen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Sie sei erst mit der Widmung am 31. Juli 2007 entstanden. Eine Verwirkung setze zusätzlich zum Zeitablauf - hier indes nicht gegebene - Anhaltspunkte dafür voraus, dass die Gemeinde von einer Beitragserhebung absehen werde. Vor 2007 sei keine den Formerfordernissen genügende Widmung erfolgt.Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Die Festsetzungsfrist sei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO am 31. Dezember 2011 und damit nach Erlass der angefochtenen Bescheide abgelaufen. Maßgeblich für den Fristbeginn sei die Widmung als letzte Voraussetzung für die Entstehung des Beitragsanspruchs. Eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Die Beitragserhebung verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Der Gesetzgeber habe auf eine gesonderte Höchstfrist für die Beitragserhebung verzichten dürfen. Diese bestimme sich - im Wege der Analogie oder vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben - anhand der 30jährigen Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG, wobei nach den Umständen des Einzelfalls eine Abgabenerhebung auch vor Erreichen dieser Höchstgrenze unzulässig sein könne. Die fehlende Geltung der Vorschrift im Abgabenrecht schließe nicht aus, ihre Wertung heranzuziehen. Die Vorteilslage sei hier 1999 entstanden, weil die in Streit stehende Teilstrecke der G.-P.-Straße erst mit der Aufgabe ihrer vierspurigen Weiterführung als eine eigenständige Erschließungsstraße habe angesehen werden können. Doch auch dann, wenn man annehme, das Teilstück sei schon 1986 als eigenständige Verkehrsanlage fertiggestellt worden, seien bei Erlass der Bescheide erst 25 Jahre vergangen gewesen. Unabhängig davon bestünden keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Abgabenerhebung. Der Kläger habe aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen mit dem Erlass endgültiger Beitragsbescheide rechnen müssen. Nach der verwaltungsgerichtlichen Beanstandung des ursprünglichen Bebauungsplans habe die Beklagte mit dem Inkraftsetzen des Bebauungsplans ""G. I"" die planungsrechtlichen Grundlagen für die Beitragserhebung geschaffen. Dass sie danach bis zum Jahr 2007 mit der Widmung und Beitragserhebung gewartet habe, sei zwar bedenklich, führe aber nicht zur Unzumutbarkeit der Beitragserhebung.Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger unter anderem, der Heranziehung von § 53 Abs. 2 VwVfG stehe entgegen, dass die Vorschrift auf die Erhebung von Abgaben keine Anwendung finde. Bei Kommunalabgaben könne daher allenfalls auf die - deutlich kürzeren - Verjährungsregelungen der Abgabenordnung zurückgegriffen werden. Die Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber eine 30jährige Verjährung für angemessen erachte, seien mit der Erhebung kommunaler Abgaben nicht zu vergleichen. Es sei zudem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn Gerichte anstelle des Gesetzgebers Verjährungsbestimmungen erfänden. Schon die verschiedenen - zudem deutlich kürzeren - Verjährungsvorschriften anderer Bundesländer zeigten, dass es keine Frist gebe, die sich kraft Natur der Sache aufdränge.Der Kläger beantragt,die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. November 2017 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2016 zu ändern und die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 24. August 2011 hinsichtlich der Flurstücke Gemarkung M., Flur 6, Nr. 325/4 und 326/6 und Nr. 325/5 und 326/7 sowie den Nacherhebungsbescheid gleichen Datums hinsichtlich des Flurstücks Gemarkung M., Flur 6, Nr. 330/10, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2014, aufzuheben.Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen und beantragt,die Revision zurückzuweisen.IIDas Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (1.) vereinbar ist. Zwar setzt die vorgenannte Regelung der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen zeitliche Grenzen. Sie ermöglicht jedoch in bestimmten Fällen - wie vorliegend - eine unbefristete Beitragserhebung nach dem Eintritt der Vorteilslage. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die Regelung insoweit verfassungswidrig (2.) und somit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen ist (3.).1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit (a), der auch im Erschließungsbeitragsrecht gilt (b), schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (c).a) Der Grundsatz der Rechtssicherheit verpflichtet dazu sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Zwar besteht im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, ein weiter Gestaltungsspielraum. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 ff. und Kammerbeschluss vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15 - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.; BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 Rn. 8 f. und Beschluss vom 8. März 2017 - 9 B 19.16 - juris Rn. 7).b) Die vorgenannten Grundsätze gelten für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, und folglich auch für das Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteile vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 16 f., vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art 20 GG Nr. 218 Rn. 9; Beschluss vom 8. März 2017 - 9 B 19.16 - juris Rn. 7; VGH Mannheim, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 53; OVG Münster, Urteil vom 30. April 2013 - 14 A 213/11 - juris Rn. 36; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 Rn. 21; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182 f.>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 41; Schmitt, KommJur 2016, 86 <88>; zur Anwendung im Rahmen der Steuerfestsetzung vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15 - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.).aa) Die gegenteilige Ansicht (VGH Mannheim, Urteile vom 10. Juli 2014 - 2 S 2228/13 - BWGZ 2014, 1308 = juris Rn. 53, vom 27. Januar 2015 - 2 S 1840/14 - KStZ 2015, 192 = juris Rn. 45, vom 20. März 2015 - 2 S 1327/14 - KStZ 2015, 195 = juris Rn. 52 und vom 21. Juni 2017 - 2 S 1946/16 - DVBl. 2017, 1246 = juris Rn. 52; anders nunmehr Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 53), der zufolge im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Anschlussbeitragsrecht - eine endgültige tatsächliche Vorteilslage nicht schon mit Vornahme des Anschlusses oder bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit eintrete, weshalb vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht kein schützenswertes Vertrauen des Bürgers begründet werde, nicht mehr zu Beiträgen herangezogen zu werden, überzeugt nicht (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 42).Sie verkennt zunächst, dass das Rechtsstaatsprinzip unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann gewährleistet, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt unter Abwägung des staatlichen Interesses an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten nicht das Vertrauen, sondern das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Die verfassungsrechtliche Grenze der Beitragserhebung setzt folglich keinen Vertrauenstatbestand voraus, sondern knüpft allein an den seit der Entstehung der Vorteilslage verstrichenen Zeitraum an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 41, 43 f.).Darüber hinaus können sich Unterschiede der abgabenrechtlichen Tatbestände zwar auf den Zeitpunkt auswirken, in dem eine beitragsrelevante Vorteilslage entsteht und die Frist zur Beitragserhebung zu laufen beginnt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 16 und vom 22. November 2016 - 9 C 25.15 - BVerwGE 156, 326 Rn. 23). Maßgeblich ist indes auch insoweit stets der tatsächliche Abschluss der Vorteilserlangung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 41); rechtliche Gesichtspunkte können dessen Bestimmung ergänzen, ihn jedoch nicht ersetzen. Insofern geht, wie auch der vorliegende Fall zeigt (vgl. hierzu nachfolgend unter 3. b) cc) (1)), die Annahme fehl, im Erschließungsbeitragsrecht falle die tatsächliche Vorteilserlangung stets mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht zusammen.bb) Soweit darüber hinaus einer Verallgemeinerung der aus dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden Grundsätze Besonderheiten des dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 zugrunde liegenden Landesrechts entgegen gehalten werden (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 1. April 2014 - 1 L 207/13 - juris Rn. 67 ff.), beziehen sich diese Einwände auf Umstände, denen das Bundesverfassungsgericht bei seiner Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige Bedeutung beigemessen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 9).cc) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts erfassen schließlich nicht nur die Fälle, in denen sich die Entstehung der Beitragspflicht aufgrund der Nichtigkeit des ihr zugrunde liegenden Satzungsrechts verzögert. Sie gelten vielmehr für alle Fallgestaltungen, in denen die abzugeltende Vorteilslage in der Sache eintritt, die daran anknüpfenden Beitragsansprüche aber wegen des Fehlens einer sonstigen Voraussetzung nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können. Denn auch in solchen Fällen würde der Beitragsschuldner hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden tatsächlichen Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15 - NVwZ-RR 2016, 889 Rn. 6 ff.; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 21).c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers - und damit nicht der Gerichte -, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden berechtigten Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13; VGH Mannheim, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 54). Das Bundesverfassungsgericht hebt insoweit nicht nur die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung abgabenrechtlicher Belastungen hervor, sondern verlangt diesbezügliche Regelungen, deren Schaffung dem Gesetzgeber obliegt. Es ist dessen originäre Aufgabe, die vorgenannten Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 f., 45 f.; Martini, NVwZ-Extra 23/2014, 1 <9>; Schmitt/Wohlrab, KommJur 2014, 447 <450>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 53; Rottenwallner, KStZ 2014, 145 <147>).Diese Pflicht wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht durch die weitere Formulierung des Bundesverfassungsgerichts relativiert, alternativ zur Schaffung einer Verjährungsregelung müsse der Gesetzgeber jedenfalls im Ergebnis sicherstellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Damit nimmt das Gericht lediglich Bezug auf die - in Rn. 50 des Beschlusses beispielhaft aufgeführten - weiteren Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung der zeitlichen Obergrenze jenseits verjährungsrechtlicher Vorschriften im engeren Sinne. Auch im Rahmen dieser Möglichkeiten obliegt es aber dem Gesetzgeber, den gebotenen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beitragspflichtigen zu schaffen.Soweit das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ausführt, es sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 52), schließt dies die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ebenfalls nicht aus. Die Anordnung gilt vielmehr ausdrücklich nur für den Fall, dass der bayerische Landesgesetzgeber bis zu dem vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Stichtag, ab dem die als verfassungswidrig gerügte Vorschrift nicht nur mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar, sondern nichtig ist, keine verfassungskonforme Neuregelung getroffen hat. Die Pflicht der Verwaltungsgerichte zur verfassungskonformen Auslegung des Landesrechts trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Nichtigkeit der Vorschrift allein eine zeitlich unbeschränkte Inanspruchnahme nicht ausschließt. Sie knüpft folglich an einen fortbestehenden verfassungswidrigen Zustand an, ohne die Pflicht des Gesetzgebers zu dessen Beseitigung entfallen zu lassen.2. Den vorstehend dargelegten Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit genügt § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO nicht. Zwar setzt die Regelung der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen zeitliche Grenzen; sie schließt indes eine unbefristete Beitragserhebung nach dem Eintritt der Vorteilslage nicht aus und lässt insoweit das Interesse des Bürgers, Klarheit hinsichtlich seiner Heranziehung zu Beiträgen zu erlangen, unberücksichtigt (a). Eine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Rechnung tragende gesetzliche Regelung lässt sich auch nicht dem übrigen Landesrecht - weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung oder verfassungskonformer Auslegung - entnehmen (b). Soweit hierzu in Rechtsprechung und Literatur abweichende Ansichten vertreten werden, überzeugen diese nicht (c).a) Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO gewährleistet keine hinreichende Berücksichtigung des Interesses des Beitragsschuldners an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme. Zwar endet danach die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO). Indes dürfen gemäß § 127 Abs. 1, 2 Nr. 1 BauGB Erschließungsbeiträge nur für öffentliche, d.h. nach Maßgabe des Landesrechts öffentlich gewidmete Straßen, Wege und Plätze erhoben werden. Die Widmung ist neben der endgültigen Herstellung eine selbständige Voraussetzung der Beitragspflicht. Infolge dessen entsteht diese nach § 133 Abs. 2 BauGB nicht notwendig bereits mit der tatsächlichen Fertigstellung der Straße entsprechend dem zugrunde liegenden Bauprogramm und den Satzungsbestimmungen, sondern erst mit der Widmung (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juni 1968 - 4 C 65.66 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 3 S. 6 ff. und vom 12. Dezember 1969 - 4 C 100.68 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 34 S. 10; Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 8 B 194.97 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 88; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, August 2018, § 133 Rn. 28; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 127 Rn. 12). Geht die Herstellung der Widmung voraus, so beginnt daher ungeachtet der Dauer des dazwischen liegenden Zeitraums ohne diese keine Festsetzungsfrist zu laufen (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38). Folglich hat es die Gemeinde in der Hand, mit der Widmung auch die Heranziehung der Eigentümer erschlossener Grundstücke zeitlich unbegrenzt hinauszuzögern.Dementsprechend ist auch vorliegend die Beitragspflicht erst mit der Widmung im Jahr 2007 entstanden. Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf dieses Jahres zu laufen und endete nach Erlass der angefochtenen Bescheide vom 24. August 2011 am 31. Dezember 2011 (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO).b) Eine über § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO hinausgehende absolute, d.h. (allein) an den Zeitpunkt der Erlangung des Vorteils anknüpfende abgabenrechtliche Ausschlussfrist besteht in Rheinland-Pfalz nicht. Die gebotene gesetzliche Befristung folgt darüber hinaus weder aus einer verfassungskonformen Auslegung der vorgenannten Normen noch aus anderen Rechtsvorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Damit fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die der Abgabenerhebung eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.aa) § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 170 Abs. 1 AO kann nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Beginn der Festsetzungsfrist nicht an die Entstehung der Beitragspflicht, sondern an den Eintritt der Vorteilslage, d.h. die technische Herstellung der Straße anknüpft.Eine solche Auslegung überschritte die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01 u.a. - BVerfGE 110, 226 <267> und Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11 - NJW 2013, 3151 Rn. 77; BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 21; jeweils m.w.N.). Sie widerspräche dem eindeutigen Wortlaut sowohl der vorgenannten Vorschriften als auch des § 133 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, wonach die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, d.h. der öffentlichen und damit gewidmeten Straße entsteht. Zugleich missachtete sie den darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, die Festsetzungsfrist erst ab dem Zeitpunkt in Gang zu setzen, in dem der Beitragsanspruch entstanden und damit durchsetzbar ist, um den Kommunen einen hinreichenden Zeitraum zur Erhebung von Beiträgen, zu der sie gemäß § 127 Abs. 1 BauGB verpflichtet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - 8 C 14.94 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 125 S. 14), zu gewähren (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <6>). Darüber hinaus erfordert das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, schutzwürdigen Interessen nicht nur der Beitragsschuldner, sondern auch der Allgemeinheit an der Beitragserhebung Rechnung zu tragen. Eine Beschränkung des Zeitraums der Beitragserhebung auf vier Jahre selbst dann, wenn zu dessen Beginn - und möglicherweise sogar bis zu dessen Ende - noch keine Beitragspflicht entstanden ist, schützte indes einseitig Belange der Beitragsschuldner. Sie bliebe zudem deutlich hinter den Fristen von zehn bis 25 Jahren derjenigen Landesgesetze zurück, die in Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143) zur Gewährleistung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit eine zeitliche Obergrenze für die Abgabenerhebung festlegen.bb) Soweit das Berufungsgericht einer analogen Anwendung von § 1 Abs. 1 VwVfG RP i.V.m. § 53 Abs. 2 VwVfG sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben eine zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen auf 30 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage entnommen hat, entspricht dies gleichfalls nicht den Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Denn auch sie findet in der Rechtsordnung keine hinreichende Grundlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13).(1) Die Annahme einer 30jährigen Ausschlussfrist kann nicht auf eine Analogie zu § 1 Abs. 1 VwVfG RP i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gestützt werden (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, 1 <13>; Rottenwallner, KStZ 2014, 145 <147>; Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>; a.A. VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 50, 52).Planwidrige, zumal verfassungswidrige Regelungslücken dürfen von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, sofern er diesen bedacht hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 24 und vom 23. April 2015 - 2 C 35.13 - BVerwGE 152, 68 Rn. 23). Die Analogie setzt neben einer ungewollten Unvollständigkeit des Gesetzes eine vergleichbare Sach- und Interessenlage voraus (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2018 - 5 P 2.17 - LKV 2018, 360 Rn. 16 m.w.N.). Schon an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier.(a) Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, der dem revisiblen Recht angehört (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), beträgt die Verjährungsfrist für einen unanfechtbaren Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, 30 Jahre. Die Vorschrift bezweckt, wie auch das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, einen Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden einerseits und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung andererseits. Die insofern vergleichbare Zielsetzung allein rechtfertigt indes noch keine Analogie (so aber VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22). Denn die zugrundeliegenden Sachverhalte unterscheiden sich in einem Maße, das ohne eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers eine Erstreckung des in § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gefundenen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen auf die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausschließt (vgl. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <13>). § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG betrifft - vergleichbar § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB für rechtskräftig festgestellte Ansprüche - den Sonderfall eines titulierten und damit endgültig bestimmten, eindeutigen Anspruchs. Hiermit ist die Erhebung von Beiträgen, die dem Grunde wie auch der Höhe nach vor ihrer bestandskräftigen Feststellung ungewiss, insbesondere von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig sind, deren Ermittlung wiederum mit zunehmendem Zeitablauf erschwert wird, nicht ansatzweise vergleichbar. Vielmehr kommt dem Interesse des Abgabenschuldners, jedenfalls durch Zeitablauf Klarheit über seine Inanspruchnahme zu erlangen, deutlich größeres Gewicht zu als demjenigen des Betroffenen in den Fällen des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, in denen Grund und Höhe der Belastung bereits aufgrund der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts feststehen.Dementsprechend findet die Vorschrift gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG RP in Verfahren nach der Abgabenordnung keine Anwendung; vielmehr gelten dort die besonderen, deutlich kürzeren abgabenrechtlichen Festsetzungs- und Verjährungsfristen. Diese ausdrückliche gesetzgeberische Wertung, die durch die Beschränkung der Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf §§ 54 bis 62 VwVfG in § 3 Abs. 4 KAG RP unterstrichen wird, darf nicht im Wege der Analogie umgangen werden (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 3. Dezember 2014 - 4 L 59/13 - juris Rn. 49; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 53 Rn. 2).(b) Die Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kann auch nicht mit der Begründung analog angewendet werden, sie sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dem zufolge öffentlich-rechtliche Ansprüche regelmäßig erst nach 30 Jahren verjähren.Zwar hat die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass die Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. in Ermangelung einschlägiger spezieller Verjährungsregelungen eine zutreffende Konkretisierung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens in Abwägung gegen den Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung darstellen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 - BVerwGE 132, 324 Rn. 8, 13). Gleichwohl gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz einer 30jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Vielmehr ist nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch geltenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage zu beurteilen, welche Verjährungsregelungen als die ""sachnächsten"" entsprechend heranzuziehen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juli 2016 - 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 35 und vom 15. März 2017 - 10 C 3.16 - BVerwGE 158, 199 Rn. 18). Auch aus § 197 Abs. 1 BGB folgt kein allgemeiner Rechtsgedanke, der es erlauben würde, in nicht ausdrücklich geregelten Bereichen die frühere 30jährige Regelverjährung zu perpetuieren (vgl. Grothe, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2018, § 197 Rn. 5).(2) Der Grundsatz von Treu und Glauben vermittelt ebenfalls keine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügende Ausschlussfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (vgl. Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>).Das Berufungsgericht hat eine zeitliche Begrenzung der Erhebung von Erschließungsbeiträgen neben § 53 Abs. 2 VwVfG analog auch dem Grundsatz von Treu und Glauben entnommen. Danach sei eine Abgabenerhebung treuwidrig, wenn es - unter Zugrundelegung eines engen Maßstabs - aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren; sie sei spätestens ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen seien. Insoweit hat das Gericht zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf eine in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers abgestellt, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren zu beschränken (ebenso VGH Mannheim, Urteile vom 20. März 2015 - 2 S 1327/14 - VBlBW 2015, 385 Rn. 57 und vom 21. Juni 2017 - 2 S 1946/16 - DVBl. 2017, 1246 = juris Rn. 53 ff.; OVG Münster, Urteil vom 24. November 2017 - 15 A 1812/16 - juris Rn. 32 ff., 63; Driehaus, KStZ 2014, 181 <188>; Driehaus, in: BerlKommBauGB, März 2018, vor §§ 127-135 Rn. 24, 35; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, August 2018, § 133 Rn. 38a; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - VGHE 66, 205 Rn. 22; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 19 Rn. 50, 52; für die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 33).Dem folgt der Senat nicht. Der Grundsatz von Treu und Glauben gewährleistet zunächst keine hinreichend bestimmte zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner, als danach eine Beitragserhebung nur ausnahmsweise und einzelfallbezogen unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 48). Der von unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängige Einwand einer treuwidrigen Rechtsausübung knüpft nicht allein an den Ablauf einer bestimmten Frist an und verschafft dem Bürger daher keine Klarheit über den Zeitpunkt, ab dem seine Heranziehung ausgeschlossen ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 3. Dezember 2014 - 4 L 59/13 - juris Rn. 51). Dies gilt auch insoweit, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Grundsatz von Treu und Glauben beinhalte neben einer einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung eine absolute Höchstfrist von 30 Jahren. Diese Auslegung des Treuwidrigkeitstatbestandes beruht auf der Annahme einer in § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit der Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger (nur) auf die längstmögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren zu beschränken. Wie vorstehend dargelegt, gibt es indes keinen Grundsatz einer 30jährigen Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Vielmehr regelt § 53 Abs. 2 VwVfG einen Sonderfall, der nicht dergestalt auf die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen übertragen werden kann, dass diese nicht vor Ablauf einer Frist von 30 Jahren seit dem Eintritt der Vorteilslage ausgeschlossen ist. Die dahingehende Annahme des Berufungsgerichts findet daher im geltenden Recht keine Grundlage.c) Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen verkennen die Befürworter einer 30jährigen Ausschlussfrist, dass der ihr - sei es im Wege der Analogie, sei es über den Grundsatz von Treu und Glauben - zugrunde liegende schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG mit der Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen, nicht zu vereinbaren ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 - juris Rn. 55; VG Gera, Beschluss vom 29. November 2017 - 2 K 159/16 - juris Rn. 28).aa) Dies gilt nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 50, 52). Wäre diese ausreichend, eine zeitlich unbefristete Inanspruchnahme auszuschließen, hätte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit die Vorschriften des bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht beanstanden dürfen (s.a. Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 <5>).Die Unterschiedlichkeit der in acht Bundesländern in Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08) erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen zeigt ebenfalls, dass die pauschale Umdeutung der längstmöglichen Verjährungsfrist in eine frühestmögliche Ausschlussfrist dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie dem daraus folgenden Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers wie auch der Weite seines Gestaltungsspielraums nicht genügt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 13). Die vorgenannten Regelungen sehen - unter umfassender Abwägung der widerstreitenden Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich sowie der Einzelnen an Rechtssicherheit (vgl. bspw. Bayerischer Landtag, LT-Drucks. 17/370 S. 15 f.; Landtag Brandenburg, LT-Drucks. 5/7642 S. 8 f.) - für verschiedene Konstellationen und in unterschiedlicher Weise eine zeitliche Begrenzung der Heranziehung auf zehn Jahre (Sachsen-Anhalt; ebenfalls für eine höchstens zehnjährige Frist Beck/Neumann, DWW 2015, 362 <368 ff.>), zwölf Jahre (Thüringen), 15 Jahre (Brandenburg und Hessen) sowie 20 - bzw. im Falle wiedervereinigungsbedingter Besonderheiten oder eines Mitverschuldens des Beitragspflichtigen - 25 Jahre (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen) vor. Übereinstimmend haben die Landesgesetzgeber hierbei eine 30jährige Frist zwar als Ausgangspunkt ihrer Abwägung genommen, als deren Ergebnis jedoch ausdrücklich abgelehnt. Zwar schließt dies nicht aus, dass die Gesetzgeber anderer Länder im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums zu hiervon abweichenden - auch längeren - Fristen gelangen. Es zeigt jedoch den Umfang und die Bedeutung des legislativen Gestaltungsauftrags, dem sich der Gesetzgeber nicht entziehen und den die Rechtsprechung nicht ohne Anhaltspunkte im Gesetz durch letztlich gegriffene Fristen ersetzen darf.Allenfalls kann § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Grundsatz entnommen werden, dass, wenn selbst bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach 30 Jahren nicht mehr durchgesetzt werden können, spätestens nach Verstreichen dieser Frist auch vor Erlass einer dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit genügenden gesetzlichen Regelung die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausgeschlossen ist.bb) Der Senat ist durch die Ausführungen des 4. Senats in dessen Urteil vom 20. März 2015 (4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211), denen zufolge die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit durch Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden kann, nicht gehindert, ohne vorherige Entscheidung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 2 VwGO dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Anrufung des Großen Senats scheidet bereits deshalb aus, weil die vorstehend wiedergegebene Ansicht des 4. Senats für dessen Entscheidung nicht tragend war. Die diesbezüglichen Ausführungen erfolgten lediglich zur Darlegung, dass eine - dort von der Vorinstanz vertretene - verfassungskonforme Auslegung von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht nur die Grenzen verfassungskonformer Gesetzesauslegung überschreite, sondern darüber hinaus nicht notwendig sei. Die Frage, ob die dort in Streit stehende Erhebung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, hat der 4. Senat indes ausdrücklich offen gelassen und seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass aufgrund eines Ausfertigungsmangels der Aufhebungssatzung kein förmlicher Abschluss der Sanierung vorlag und schon deshalb ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden war (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 28, 35 f.). Mangels Entscheidungserheblichkeit scheidet daher eine Anrufung des Großen Senats aus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. März 1964 - Gr. Sen. 1.63 - Buchholz 310 § 11 VwGO Nr. 6 S. 13 und vom 11. März 1998 - 8 BN 6.97 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 144 S. 30).3. Danach ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.a) Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist statthaft. Zwar beruht die Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit der im Tenor genannten Vorschriften auf der Annahme, dass der Landesgesetzgeber unter Verstoß gegen das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davon abgesehen hat, der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen eine zeitliche Grenze zu setzen. Gleichwohl handelt es sich um keinen Fall schlichten gesetzgeberischen Unterlassens, der nicht Gegenstand einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sein kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 2013 - 1 BvR 2004/10 - NJW 2013, 1148 Rn. 21; E. Klein, in: Benda/Klein/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 790 f.). Denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung von Festsetzungsfristen Regelungen erlassen, die einer unbefristeten Abgabenerhebung entgegenwirken. Diese sind lediglich insofern unzureichend, als sie in bestimmten Fällen - wie vorliegend - gleichwohl eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ermöglichen.b) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Verzichts auf eine allgemeine Ausschlussfrist für die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens erheblich. Das Bundesverwaltungsgericht müsste bei Gültigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO anders entscheiden als im Falle der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung.aa) Sofern sie im Hinblick auf das gesetzgeberische Unterlassen mit der Verfassung unvereinbar ist, kann der Senat den Rechtsstreit nicht entscheiden, sondern muss das Verfahren aussetzen, bis der Gesetzgeber eine dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entsprechende zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung gesetzt hat. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Rechtsordnung, in dem die Klage allenfalls hinsichtlich der Höhe der Beiträge (siehe nachfolgend unter bb), nicht aber in Bezug auf die grundsätzliche Beitragspflicht des Klägers und damit vollumfänglich Erfolg haben könnte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1996 - 2 BvL 39/93 u.a. - BVerfGE 93, 386 <394>).bb) Der Entscheidungserheblichkeit der Vorlage stehen die weiteren im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen einfachrechtlichen Fragen nicht entgegen. Deren Beantwortung kann sich allenfalls auf die Höhe der Beitragsschuld auswirken, sie jedoch nicht - wie möglicherweise nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Erlass einer gesonderten Ausschlussfrist - bereits dem Grunde nach entfallen lassen.(1) Soweit der Kläger bezweifelt, dass es sich bei dem abgerechneten Teilstück der G.-P.-Straße um eine selbständige Erschließungsanlage handelt, ist seine Revision allerdings unbegründet. Für die Beurteilung der Frage, wo eine selbständige Erschließungsanlage beginnt und endet, ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild maßgebend. Abzustellen ist auf die tatsächlich sichtbaren Verhältnisse, wie sie zum Beispiel durch Straßenführung, -breite, -länge und -ausstattung geprägt werden und wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2017 - 9 C 20.15 - BVerwGE 158, 163 Rn. 12). Diesbezüglich hat das Berufungsgericht festgestellt, dass sich der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße hinsichtlich der Straßenbreite, der Zahl der Fahrspuren, der Fahrbahnoberfläche sowie der Gestaltung der Geh- und Radwege erkennbar von der westlichen Weiterführung der Straße unterscheidet, sodass er eine eigenständige Erschließungsanlage darstellt. Diese Feststellungen, gegen die der Kläger keine Revisionsgründe vorgebracht hat, sind im Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen im Übrigen keine Fehler erkennen. Der Einwand des Klägers, eine zu breite und damit fehlerhafte Trassenplanung könne nicht die Annahme der Eigenständigkeit der Erschließungsanlage rechtfertigen, ist unbegründet. Maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild. Auf eine rechtliche Bewertung kommt es folglich nicht an.(2) Die Frage, ob die Beklagte die Anlage vierspurig bauen durfte, ist daher lediglich für die Beurteilung der Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands maßgeblich. Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Hierbei verfügen die Gemeinden über einen weiten Entscheidungsspielraum (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 6.03 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 92 S. 9). Der Begriff der ""Erforderlichkeit"" markiert lediglich eine äußerste Grenze, die erst dann überschritten ist, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1979 - 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 <253>). Ungeachtet der Frage, ob danach vorliegend ein vierspuriger Ausbau erforderlich war, richten sich die Einwände des Klägers nicht gegen die Errichtung der Straße als solche, sondern nur gegen den Umfang ihrer Herstellung. Ihre Berechtigung ließe daher die Beitragspflicht nicht entfallen, sondern verringerte sie lediglich um die Mehrkosten des vierspurigen Baus.(3) Die weitere Frage, ob die - von der Erschließungsanlage gesehen - hinter den streitgegenständlichen Grundstücken gelegenen Flurstücke 320/4 und 5 sowie 323/4 und 5 als sogenannte Hinterliegergrundstücke durch die G.-P.-Straße erschlossen werden, lässt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage ebenfalls unberührt. Sollte die Frage entgegen der Annahme der Beklagten zu verneinen sein, dürften diese Flurstücke bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht berücksichtigt werden. Der Anteil des Erschließungsaufwands, der bislang auf sie entfiel, müsste dann auf die erschlossenen Grundstücke umgelegt werden mit der Folge, dass sich deren Beitragslast sogar erhöhen würde.cc) Die Vorlage ist schließlich nicht deshalb unzulässig, weil von vornherein auszuschließen wäre, dass der Gesetzgeber im Falle der Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG RP i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO eine Ausschlussfrist schafft, die eine Heranziehung des Klägers zu Erschließungsbeiträgen hindert.Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm dem Kläger zumindest die Chance offenhält, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen (BVerfG, Urteil vom 10. Februar 1987 - 1 BvL 18/81 u.a. - BVerfGE 74, 182 <195>). Dass diese vorliegend besteht, ergibt sich aus einem Vergleich der zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung verstrichenen Zeitspanne mit der Dauer der Ausschlussfristen derjenigen Landesgesetze, welche in Reaktion auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143) erlassen wurden, um die Abgabenerhebung dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entsprechend zeitlich zu begrenzen.(1) Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Klarheit darüber, ob ein Vorteilsempfänger die erlangten Vorteile durch Beiträge auszugleichen hat, und damit eine für den Beitragsschuldner konkret bestimmbare Frist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 43, 45). Dieser muss daher selbst feststellen können, bis zu welchem Zeitpunkt er mit seiner Heranziehung rechnen muss. Dies wiederum setzt die Erkennbarkeit des Zeitpunkts voraus, in dem der beitragsrechtliche Vorteil entsteht und die Frist für eine mögliche Inanspruchnahme zu laufen beginnt.Maßgeblich kommt es daher im Erschließungsbeitragsrecht auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme, nicht jedoch darauf an, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen. Beurteilungsmaßstab hierfür ist die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Entscheidend ist, ob diese sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung nur provisorisch her- oder schon endgültig technisch fertiggestellt ist, d.h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (vgl. VGH München, Urteil vom 24. Februar 2017 - 6 BV 15.1000 - BayVBl. 2017, 522 Rn. 30 f. und Beschluss vom 30. März 2016 - 6 ZB 15.2426 - BayVBl. 2016, 558 Rn. 9; Driehaus, KStZ 2014, 181 <183 f.>; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 11 Rn. 42, 55). Soweit die Entstehung der Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 BauGB darüber hinaus die Widmung der Straße oder die Wirksamkeit der Beitragssatzung erfordert, wirkt sich dies indes nicht auf den Eintritt der Vorteilslage aus. Ungeachtet der fehlenden Erkennbarkeit jedenfalls der Wirksamkeit der Satzung könnten andernfalls die Erlangung des Vorteils und die Entstehung der Beitragspflicht zeitlich unbegrenzt zusammenfallen. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit liefe dann leer.(2) Danach trat im vorliegenden Fall die Vorteilslage nicht erst mit der Widmung der Straße im Jahr 2007, sondern spätestens mit der endgültigen Aufgabe ihrer durchgehend vierspurigen Herstellung im Jahr 1999 ein. Zwar wurde nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße bereits im Jahr 1986 satzungsgemäß hergestellt. Indes kann auf diesen Zeitpunkt nicht abgestellt werden, weil seinerzeit noch die vierspurige Fortführung geplant und somit die Anlage nicht in ihrer gesamten Länge fertiggestellt war. Hierauf aber kommt es an, da andernfalls für Teilstrecken einer einheitlichen Erschließungsanlage unterschiedliche Ausschlussfristen gelten würden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juni 2011 - 9 S 38.10 - juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 2. September 2015 - 9 LA 316/14 - KStZ 2016, 33 <34> und vom 13. Februar 2017 - 9 LA 170/16 - n.v.; VGH Mannheim, Urteil vom 20. März 2015 - 2 S 1327/14 - KStZ 2015, 195; VGH München, Beschluss vom 23. Juli 2013 - 6 BV 13.1273 - juris Rn. 10).(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der abgerechnete Teil der G.-P.-Straße möglicherweise schon zuvor in die Eigenschaft einer selbständigen Erschließungsanlage hineingewachsen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. März 2017 - 9 C 20.15 - BVerwGE 158, 163 Rn. 14). Denn jedenfalls lag hier zwischen der Vorteilserlangung und der Beitragserhebung ein Zeitraum von mindestens zwölf Jahren. Maßgeblicher Endzeitpunkt ist insoweit der Erlass der angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide sowie des Nacherhebungsbescheids am 24. August 2011. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte bereits unter dem 4. September 2007 Beitragsbescheide für die streitgegenständlichen Grundstücke erlassen hat. Denn das Verwaltungsgericht Koblenz hat die seinerzeit u.a. für die Flurstücke 325/4 und 5 sowie 326/6 und 7 erlassenen Bescheide rechtskräftig für nichtig erklärt. Damit konnten sie eine etwaige Ausschlussfrist für die Beitragserhebung nicht unterbrechen (vgl. zur fehlenden Verjährungshemmung nichtiger Verwaltungsakte VGH München, Urteil vom 10. Februar 1999 - 7 B 98.1071 - NVwZ 2000, 83 <84>; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 53 Rn. 29; s. auch BFH, Beschluss vom 16. Juli 2015 - IV B 72/14 - juris Rn. 17). Der für das Flurstück 330/10 nacherhobene Beitrag war ohnehin nicht Gegenstand der Bescheide vom 4. September 2007.Dem Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, schon durch den Erlass der Bescheide vom 4. September 2007 oder gar aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen habe er nicht darauf vertrauen können, dass er nicht mehr zu Erschließungsbeiträgen herangezogen wird. Denn das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet Rechtssicherheit sogar dann, wenn Umstände einem dahingehenden Vertrauen des Betroffenen entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 41).Erfolgte mithin die Beitragserhebung mehr als zehn Jahre nach Eintritt der Vorteilslage, so ist angesichts der Spanne der in anderen Bundesländern geltenden Höchstfristen zwischen zehn und 20 (bzw. in Sonderfällen 25) Jahren nicht von vornherein auszuschließen, dass eine vom rheinland-pfälzischen Landesgesetzgeber noch zu erlassende, dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Rechnung tragende Regelung die Heranziehung des Klägers hindert und somit seine Beitragspflicht bereits dem Grunde nach entfällt." bverwg_2018-63,19.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 63/2018 vom 19.09.2018 EN Keine Befristung der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass es für die Befristung der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen keine Rechtsgrundlage gibt. Konformitätsbewertungsstellen prüfen, ob Produkte, Verfahren und Dienstleistungen jeweils einschlägigen Anforderungen - etwa bestimmten Qualitätsstandards - genügen. Dazu bedürfen sie einer Akkreditierung. Sie ist zu erteilen, wenn der Bewerber seine Kompetenz für die Durchführung der entsprechenden Prüfungen nachweist. Die beklagte Akkreditierungsstelle erteilte dem Kläger, einem Landesgesundheitsamt, Akkreditierungen für ein Prüflabor und ein medizinisches Labor jeweils befristet auf fünf Jahre. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die Befristung stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Für die Befristung der Akkreditierungen fehlt die erforderliche Rechtsgrundlage. Weder die unionsrechtliche Akkreditierungsverordnung - Verordnung (EG) Nr. 765/2008 - noch das hierzu ergangene Gesetz über die Akkreditierungsstelle ermächtigen diese dazu, Akkreditierungen zu befristen. Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz wäre die Befristung nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift zugelassen wäre oder dazu diente, die Erfüllung der Voraussetzungen für die Akkreditierung zu sichern. Beides ist nicht der Fall. Die Allgemeinen Regeln zur Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen sehen zwar eine regelmäßige fünfjährige Befristung der Akkreditierung vor, sind aber keine Rechtsvorschriften. Sie werden als interne Verwaltungsvorschriften vom Akkreditierungsbeirat bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermittelt und binden nur die Behörden. Nach außen - gegenüber den betroffenen Antragstellern - entfalten sie keine Wirkung. Daher können sie den gesetzlichen Anspruch, bei Nachweis der erforderlichen Kompetenz eine Akkreditierung zu erhalten, nicht einschränken. Eine fünfjährige Befristung der Akkreditierung ist auch nicht erforderlich, um die Erfüllung der Akkreditierungsvoraussetzungen zu sichern. Dies geschieht nach der Akkreditierungsverordnung und den gesetzlichen Bestimmungen durch eine laufende Überwachung der akkreditierten Stellen. Werden dabei Mängel festgestellt, kann dies zur Beschränkung, Aussetzung oder Aufhebung der Akkreditierung führen. BVerwG 8 C 6.17 - Urteil vom 19. September 2018 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 1 B 26.14 - Urteil vom 14. Dezember 2016 - VG Berlin, 4 K 512.13 - Urteil vom 03. April 2015 -","Urteil vom 19.09.2018 - BVerwG 8 C 6.17ECLI:DE:BVerwG:2018:190918U8C6.17.0 EN Keine Befristung der Akkreditierung nach dem Akkreditierungsstellengesetz Leitsätze: 1. Weder Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 (ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 30) noch §§ 2 und 5 des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz - AkkStelleG) ermächtigen zur Befristung von Akkreditierungen. 2. Eine Verwaltungsvorschrift ohne Außenwirkung stellt keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG dar. 3. § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG rechtfertigt keine Befristung von Akkreditierungen im Sinne des Art. 5 VO (EG) 765/2008, § 2 AkkStelleG. Rechtsquellen AkkStelleG § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 2 Abs. 2, §§ 3, 5, 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 Art. 5 und 39 VwVfG § 36 Abs. 1 Alt. 1 und 2 VwVO § 80 Abs. 1, § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Instanzenzug VG Berlin - 03.04.2014 - AZ: VG 4 K 512.13 OVG Berlin-Brandenburg - 14.12.2016 - AZ: OVG 1 B 26.14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.09.2018 - 8 C 6.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:190918U8C6.17.0] Urteil BVerwG 8 C 6.17 VG Berlin - 03.04.2014 - AZ: VG 4 K 512.13 OVG Berlin-Brandenburg - 14.12.2016 - AZ: OVG 1 B 26.14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Böhmann für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Befristung seiner Akkreditierung als Konformitätsbewertungsstelle durch die beklagte A. GmbH. 2 Die Beklagte nimmt seit 2010 als Beliehene die Aufgaben der zentralen Akkreditierungsstelle für die Überprüfung der Kompetenz von Konformitätsbewertungsstellen in Deutschland wahr. Der Kläger betreibt ein Laboratorium. Auf seinen Antrag erteilte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 22. November 2012 eine Akkreditierung als medizinisches Laboratorium und mit Bescheid vom 6. Dezember 2012 eine Akkreditierung als Prüflabor. Beide Akkreditierungen befristete die Beklagte jeweils auf fünf Jahre. 3 Auf die nach erfolglosem Widerspruch gegen die Befristungen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Befristungen aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Eine Rechtsgrundlage für die Befristung der Akkreditierungen könne weder dem Unionsrecht noch dem nationalen Recht entnommen werden. Die regelmäßige Befristung auf fünf Jahre nach Ziffer 3.3.2 der von der Beklagten herangezogenen Allgemeinen Regeln zur Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen verstoße gegen § 36 VwVfG. Die Allgemeinen Regeln seien keine Rechtsvorschriften im Sinne von § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG, da ihnen keine Außenwirkung zukomme. Der Gesetzgeber habe eine Befristungsmöglichkeit für Akkreditierungen auch nicht als selbstverständlich vorausgesetzt, nachdem er in anderen Gesetzen ausdrückliche Regelungen zur Zulässigkeit von Befristungen getroffen habe. 4 Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (EG-Akkreditierungsverordnung) lasse Raum für eine Befristung von Akkreditierungen nach nationalem Recht und lege diese auch nahe. Bei der gebotenen Auslegung des nationalen Rechts im Sinne einer größtmöglichen Wirksamkeit des Unionsrechts sei eine Befristung deshalb zulässig. Die Beklagte sei nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Akkreditierungsstellengesetzes (AkkStelleG) verpflichtet, die vom Akkreditierungsbeirat ermittelten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bekannt gemachten Allgemeinen Regeln zur Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen anzuwenden und damit auch die dort für den Regelfall vorgesehene Befristung der Akkreditierung auszusprechen. Die Allgemeinen Regeln stellten normkonkretisierende oder normergänzende Verwaltungsvorschriften mit Außenwirkung dar. Darüber hinaus sehe auch die einschlägige Norm DIN ISO/IEC 17011 eine Befristung von Akkreditierungen vor. Sie sei jedenfalls als ""soft law"" für die Beklagte und für Konformitätsbewertungsstellen verbindlich. Schließlich lasse sich die Befristung auch auf § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG stützen. Ein Widerruf der Akkreditierung bei Feststellung von Kompetenzmängeln sei jedenfalls keine evident mildere Maßnahme als eine anfängliche Befristung. 5 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Dezember 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. April 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen. 6 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, das Akkreditierungsstellengesetz sehe auch nach dessen zwischenzeitlicher Novellierung nach Ergehen des Berufungsurteils keine ausdrückliche Befristungsmöglichkeit vor. II 8 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht mit revisiblem Recht in Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). 9 1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann die Befristung als Nebenbestimmung der ihm erteilten Akkreditierungen isoliert anfechten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 22. November 2000 - 11 C 2.00 - BVerwGE 112, 221 <224>, vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 55 Rn. 20 f. und vom 17. Oktober 2012 - 4 C 5.11 - BVerwGE 144, 341 Rn. 5). Sein Rechtsschutzbedürfnis besteht ungeachtet des zwischenzeitlichen Ablaufs der durch die Befristung begrenzten Gültigkeitsdauer seiner Akkreditierungen fort, da seine Klage nach § 80 Abs. 1, § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO auch während des Revisionsverfahrens aufschiebende Wirkung gegenüber der angegriffenen Befristung hat. 10 2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die angefochtenen Befristungen rechtswidrig sind, weil ihnen die erforderliche Rechtsgrundlage fehlt. Die Befristungen bedürfen einer Ermächtigungsgrundlage, weil sie den unionsrechtlich begründeten und gesetzlich normierten Anspruch auf Erteilung der Akkreditierung einschränken. Der Kläger hat nach Art. 5 der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 30, im Folgenden: EG-Akkreditierungsverordnung) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz - AkkStelleG - vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2625, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2540) bei Vorliegen der Akkreditierungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Akkreditierung. Die angegriffenen Befristungen der Akkreditierungen schränken diesen Anspruch ein und bedürfen daher einer Ermächtigungsgrundlage im Unionsrecht oder in unionsrechtskonformen nationalen Rechtsvorschriften. Daran fehlt es jedoch. 11 a) Die EG-Akkreditierungsverordnung enthält keine Ermächtigung zur Befristung der Akkreditierung. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung stellt die nationale Akkreditierungsstelle eine Akkreditierungsurkunde aus, die der nach Satz 1 der Regelung festgestellten Kompetenz des Antragstellers, bestimmte Konformitätsbewertungen durchzuführen, entspricht. Die Vorschrift regelt keine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit der Akkreditierung und verleiht der Akkreditierungsstelle auch keine Befugnis, eine solche zu verfügen. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung normiert lediglich eine laufende Überwachung der akkreditierten Konformitätsbewertungsstellen. Wird dabei festgestellt, dass eine solche Stelle nicht mehr über die erforderliche Kompetenz verfügt oder ihre Verpflichtungen gravierend verletzt hat, ermächtigt und verpflichtet Art. 5 Abs. 4 der Verordnung die Akkreditierungsstelle, die Akkreditierungsurkunde einzuschränken, auszusetzen oder zurückzuziehen. Eine Befugnis zur anlasslosen Befristung trotz Kompetenznachweises ist diesen Regelungen nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für Art. 39 der Verordnung, wonach vor dem Geltungsbeginn der Verordnung ausgestellte Akkreditierungsurkunden bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer, jedoch nicht nach dem 31. Dezember 2014, gültig bleiben. Diese Übergangsregelung bezieht sich auf Alt-Akkreditierungen, die nach nationalem Recht ausgestellt und gegebenenfalls befristet wurden. 12 b) Eine Grundlage für die Befristung von Akkreditierungen ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten eingereichten Mitteilung der EU-Kommission vom 28. April 2013 an die Expertengruppe zum Binnenmarkt für Produkte (CERTIF 2013-04-REV2). Diese Mitteilung ist kein Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 AEUV; sie ist nicht an die Mitgliedstaaten gerichtet und bindet diese nicht. Ausweislich der Zusammenfassung auf der ersten Seite der Mitteilung wollte die Kommission mit ihr nicht geltendes Unionsrecht auslegen, sondern einen rechtspolitischen Vorschlag zur künftigen Befristung von Akkreditierungen und Notifizierungen von Konformitätsbewertungsstellen abgeben. 13 c) Es kann offen bleiben, ob der unionsrechtliche Rahmen Raum für eine Befristung von Akkreditierungen nach Maßgabe des nationalen Rechts lässt. Denn auch im deutschen Recht besteht für sie keine Rechtsgrundlage. 14 aa) Eine Befristung der Akkreditierung ist nicht nach § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG zulässig. Danach darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Dies setzt voraus, dass die Befugnis zur Befristung in einem Gesetz oder einem anderen Rechtssatz mit Außenwirkung normiert ist. Eine Verwaltungsvorschrift, die nur die Behörden bindet, kann einen gesetzlichen Anspruch nicht verkürzen und reicht als Befristungsermächtigung nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 - 2 BvR 883.73 u.a. - BVerfGE 40, 237 <247>; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 36 Rn. 2 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 6). Andernfalls könnte sich die Exekutive mit ihrem Erlass selbst die Grundlage zur Einschränkung parlamentsgesetzlicher Ansprüche verschaffen. Das Erfordernis einer gesonderten Rechtsvorschrift für die Beifügung einer Nebenbestimmung aus § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG verlöre damit seine Funktion die Befugnis der Behörde zur Beschränkung des gesetzlichen Anspruchs des Bürgers zu begrenzen. 15 Hier ergibt sich eine Befristungsermächtigung weder aus dem Akkreditierungsstellengesetz noch aus anderen Rechtsvorschriften im Sinne des § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG. 16 (1) Das Akkreditierungsstellengesetz sieht keine Befristung der Akkreditierung vor. § 2 Abs. 1 Satz 1 AkkStelleG verweist für die Durchführung des Akkreditierungsverfahrens auf Art. 5 der EG-Akkreditierungsverordnung, der keine solche Befugnis normiert. § 3 AkkStelleG verleiht der Akkreditierungsstelle lediglich Befugnisse zur Feststellung und Überwachung der fachlichen Kompetenz der Konformitätsbewertungsstellen. Zu einer zeitlichen Einschränkung der Feststellung der Kompetenz ermächtigt diese Norm nicht. Dementsprechend ist im Verzeichnis der akkreditierten Konformitätsbewertungsstellen nach § 2 Abs. 2 AkkStelleG nur der akkreditierte fachliche Umfang, nicht aber eine Geltungsdauer der Akkreditierung anzugeben. 17 (2) Eine Befristungsermächtigung im Sinne des § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung der Akkreditierungsstelle gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG, bei der Akkreditierung die nach § 5 Abs. 3 AkkStelleG bekannt gemachten, nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AkkStelleG ermittelten Allgemeinen Regeln anzuwenden. Zwar bestimmt Ziffer 3.3.2 der Allgemeinen Regeln zur Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen vom 1. März 2013 (Bundesanzeiger AT vom 14. Mai 2013 B1; im Folgenden: Allgemeine Regeln), dass die Akkreditierung in der Regel auf fünf Jahre zu befristen ist. Sie stellt jedoch keine Rechtsvorschrift im Sinne von § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG dar, weil ihr keine Außenwirkung zukommt. 18 (a) Die Allgemeinen Regeln sind Verwaltungsvorschriften, die die Verwaltungstätigkeit der Beklagten als Beliehene (vgl. § 8 Abs. 1 AkkStelleG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Beleihung der Akkreditierungsstelle nach dem Akkreditierungsstellengesetz - AkkStelleG-Beleihungsverordnung - vom 21. Dezember 2009, BGBl. I S. 3962, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 3. November 2017, BGBl. I S. 3732) und damit als Behörde im funktionalen Sinne steuern. § 2 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG bindet nur die Akkreditierungsstelle - und nicht auch die Antragsteller oder Dritte - an die vom Akkreditierungsbeirat ermittelten und nach § 5 Abs. 3 AkkStelleG bekannt gemachten Allgemeinen Regeln im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AkkStelleG. Dementsprechend geht Ziffer 1 der Allgemeinen Regeln davon aus, dass diese für die Antragsteller und Dritte nur den Charakter einer Information - und nicht den bindender Vorschriften - haben. 19 (b) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei Ziffer 3.3.2 der Allgemeinen Regeln auch nicht um eine normkonkretisierende oder normergänzende Verwaltungsvorschrift, die Bindungswirkung über den behördlichen Bereich hinaus entfalten könnte. Dazu genügt nicht, dass der Akkreditierungsbeirat nach § 5 Abs. 4 AkkStelleG bei dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als pluralistisch zusammengesetztes Gremium aus sachkundigen Personen verschiedener betroffener Kreise eingerichtet wurde (§ 5 Abs. 4 AkkStelleG), um die Bundesregierung und die Beklagte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG in Fragen der Akkreditierung zu unterstützen und zu beraten. Vielmehr müsste der Gesetzgeber den Akkreditierungsbeirat wegen dessen Expertise zur abschließenden Konkretisierung bestimmter unbestimmter Rechtsbegriffe ermächtigt oder ihm die Ausfüllung eines gesetzlich eröffneten Beurteilungsspielraums übertragen haben (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1998 - 8 C 16.96 - BVerwGE 107, 338 <341>, vom 20. Dezember 1999 - 7 C 15.98 - BVerwGE 110, 216 <219> und vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12). Beides ist § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 AkkStelleG nicht zu entnehmen. 20 Bei § 2 AkkStelleG handelt es sich um eine Aufgabenzuweisung, aus der nicht auf eine Erweiterung der in § 3 AkkStelleG geregelten Befugnisse geschlossen werden darf und die nicht zur Einschränkung des Akkreditierungsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 EU-Akkreditierungsverordnung ermächtigt. Das Akkreditierungsstellengesetz unterscheidet systematisch klar zwischen Regelungen von Aufgaben und Regelungen von Befugnissen der Akkreditierungsstelle. Die Verpflichtung zur Anwendung der vom Akkreditierungsbeirat ermittelten Regeln hat es der Aufgabennorm des § 2 AkkStelleG zugeordnet und nicht der Regelung in § 3 AkkStelleG über Eingriffsbefugnisse gegenüber den Konformitätsbewertungsstellen. Darüber hinaus wäre die ausdrückliche Normierung einer Verpflichtung der Akkreditierungsstelle zur Anwendung der Regeln überflüssig und unverständlich, wenn sich die Behörde und Dritte schon wegen ihrer Rechtsverbindlichkeit an sie halten müssten. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Anwendung einheitlicher Regeln durch die Akkreditierungsstelle ein einheitliches Konformitätsbewertungssystem und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Prüfungen fördern (BT-Drs. 16/12983, S. 15). Das wird durch die in § 2 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG vorgesehene verwaltungsinterne Bindung der Akkreditierungsstelle an die nach § 5 Abs. 2 AkkStelleG ermittelten Regeln erreicht. Eine Blankettverweisung auf Verwaltungsvorschriften, die der Behörde die Entscheidung über das Ob und Wie einer Beschränkung gesetzlicher Ansprüche überlässt, wäre außerdem ungeeignet, den Vorbehalt einer Zulassung der jeweiligen Nebenbestimmung durch Rechtsvorschrift gemäß § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG auszufüllen. 21 § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AkkStelleG sind schon dem Wortlaut nach ebenfalls nur Aufgabenzuweisungen. Überdies fällt die außenverbindliche Regelung der Befristung von Akkreditierungen nicht unter den Tatbestand dieser Vorschriften. 22 Die Befristung einer Akkreditierung stellt keine Anforderung an Konformitätsbewertungsstellen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 AkkStelleG dar. Hierunter sind allein Anforderungen zu verstehen, die Konformitätsbewertungsstellen zu erfüllen haben, um nach Art. 5 Abs. 1 EG-Akkreditierungsverordnung als fachlich kompetent bewertet zu werden. 23 § 5 Abs. 2 Nr. 2 AkkStelleG ermächtigt ebenfalls nicht zur außenverbindlichen Regelung einer Befristung. Dabei kann offen bleiben, ob zu den Anforderungen für Akkreditierungstätigkeiten auch Verfahrensregeln gehören. Jedenfalls sollen nur Regeln ermittelt werden, die entsprechende Anforderungen, insbesondere aus Rechtsvorschriften, konkretisieren und ergänzen. Schon die Gegenüberstellung von Regeln und Rechtsvorschriften deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die zu ermittelnden Regeln nicht in den Rang von Rechtsvorschriften erheben und den Akkreditierungsbeirat auch nicht dazu ermächtigen wollte, insoweit Rechtsvorschriften zu erlassen. Jedenfalls ergibt sich aus dem Begriff des Ermittelns und aus den Gesetzesmaterialien, dass nur bereits bestehende Regeln festgestellt und keine neuen geschaffen werden sollten. Die Vorschrift gibt dem Beirat also keine Befugnis, neue, den materiell-rechtlichen Akkreditierungsanspruch beschränkende außenwirksame Normen zu erlassen (BT-Drs. 16/12983 S. 16; vgl. Bloehs, in: Bloehs/Frank, Akkreditierungsrecht, 1. Aufl. 2015, § 2 AkkStelleG Rn. 21). 24 (c) Auch das von der Beklagten in Ansatz gebrachte unionsrechtliche Effektivitätsprinzip gebietet es nicht, die Regelungen in § 5 Abs. 2 Nr. 2 und § 2 Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG so auszulegen, dass Ziffer 3.3.2 der Allgemeinen Regeln ein außenrechtsverbindlicher Charakter zukommt. Aus der Verpflichtung, nationale Rechtsvorschriften so weit wie möglich dahin auszulegen, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteile vom 2. Oktober 2003 - C-147/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​533], Weber’s Wine World - Rn. 103, 117 und vom 13. März 2007 - C-432/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​163], Unibet - Rn. 43 f.), lässt sich hier für die Beklagte nichts gewinnen. Denn eine Auslegung nationalen Rechts, nach der eine Befristung von Akkreditierungen zulässig wäre, würde die Ausübung des durch Art. 5 der EG-Akkreditierungsverordnung verliehenen Rechts der Klägerin auf kompetenzgemäße Akkreditierung nicht begünstigen, sondern sie beschränken. 25 (3) Dass der Gesetzgeber in anderen Gesetzen die Befristung von Anerkennungen oder Notifizierungen ausdrücklich geregelt hat (vgl. etwa § 13 Abs. 1 Satz 4 des Mess- und Eichgesetzes vom 25. Juli 2013, BGBl. I S. 2722, § 15 Abs. 1 Satz 3 des Produktsicherheitsgesetzes vom 8. November 2011, BGBl. I S. 2011, 2178), belegt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit einer Befristung von Akkreditierungen nach dem Akkreditierungsstellengesetz in Verbindung mit der EG-Akkreditierungsverordnung als selbstverständlich vorausgesetzt und deshalb auf eine ausdrückliche Regelung verzichtet hätte. Die speziellen Ermächtigungen zur Befristung in anderen Gesetzen lassen vielmehr erkennen, dass der Gesetzgeber bereichsspezifisch in unterschiedlicher Weise über eine zeitliche Begrenzung der Anerkennung der Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit den für sie geltenden fachlichen Anforderungen entschieden hat. 26 (4) Weder die von der Beklagten angeführte Akkreditierungssymbolverordnung (vom 15. Dezember 2009, BGBl. I S. 3870) noch die Kostenverordnung der Akkreditierungsstelle (vom 21. Dezember 2009, BGBl. I S. 3964) ermächtigen sie zur Befristung von Akkreditierungen. Die gesetzliche Grundlage für den Erlass dieser Verordnungen in § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AkkStelleG sieht auch keine entsprechende Regelungsbefugnis des zuständigen Bundesministeriums vor. Im Übrigen folgt aus Bezugnahmen auf die Dauer der Akkreditierung einer Konformitätsbewertungsstelle (vgl. § 4 Abs. 3 Akkreditierungssymbolverordnung) und der Verwendung des Begriffs der Reakkreditierung in Tarifstelle 2 der Kostenverordnung noch nicht die Befugnis zur Befristung der Akkreditierung. Deren Dauer kann auch durch eine nachträgliche Aufhebung infolge von Überwachungsmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 4 EG-Akkreditierungsverordnung begrenzt werden, sodass eine erneute Akkreditierung erforderlich wird. 27 (5) Die von der Beklagten zur Begründung der Befristung der Akkreditierungen des Klägers herangezogene Norm DIN EN ISO/IEC 17011:2004 ist ebenfalls keine Rechtsvorschrift im Sinne von § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG. DIN-Normen sind rein private Regelwerke mit Empfehlungscharakter, die allenfalls als Orientierungshilfe im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung technisch-wissenschaftlicher Sachverhalte dienen können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. September 1996 - 4 B 175.96 - Buchholz 445.4 § 18b WHG Nr. 2 S. 3 und vom 1. September 1999 - 4 BN 25.99 - NVwZ-RR 2000, 146 ebenda; Urteil vom 12. April 2001 - 4 C 5.00 - NVwZ 2001, 1048 <1049>; Beschluss vom 30. Juli 2003 - 4 B 16.03 - juris Rn. 5; BGH, Urteile vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184.97 - juris Rn. 14, vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45.06 - juris Rn. 32 und vom 24. Mai 2013 - V ZR 182.12 - juris Rn. 26). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 2016 - C-613/14 ([ECLI:​EU:​C:​2016:​821], James Elliott Construction Limited). Der Europäische Gerichtshof misst darin einer harmonisierten Norm eines europäischen privaten Normierungsgremiums, die in einen sekundär-unionsrechtlichen Mechanismus der Vermutung der Brauchbarkeit eines Produkts einbezogen würde, keine unmittelbare Außenwirkung oder gar den Rang einer Außenrechtsvorschrift zu. Verbindlichkeit hat er der Norm nur insoweit zugesprochen, als ihre Erfüllung die Vermutung der - auch auf andere Weise zu belegenden - Erfüllung der einschlägigen technischen Anforderungen begründet und die Mitgliedstaaten den Marktzugang deshalb nicht mit der Begründung verweigern dürfen, die Anforderungen seien nicht erfüllt. Dagegen hat er eine Bindung der (im betreffenden Fall zivil-)richterlichen Beurteilung der Brauchbarkeit des Produkts an die harmonisierte Norm ausdrücklich verneint (vgl. Rn. 3, 52 ff., 73). Die vom Beklagten angeführte DIN-Norm hat auch nicht durch eine Verweisung in einer nationalen oder unionsrechtlichen Rechtsvorschrift Verbindlichkeit erlangt. Art. 5 der EG-Akkreditierungsverordnung sieht keine Berücksichtigung privater harmonisierter Normen bei der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen vor. Harmonisierte Normen, die in Art. 2 Ziff. 9 der Verordnung allgemein definiert werden, erlangen nach deren Art. 11 lediglich für das vom Akkreditierungsverfahren zu unterscheidende Verfahren der Beurteilung unter Gleichrangigen für Akkreditierungsstellen Bedeutung. Dort kann die Übereinstimmung mit den Kriterien harmonisierter Normen die Vermutung begründen, dass eine Akkreditierungsstelle die für sie geltenden unionsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Im Übrigen sieht auch die DIN EN ISO/IEC 17011:2004 keine Befristung von Akkreditierungen vor, sondern lediglich Wiederholungsbegutachtungen. 28 bb) § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG ermächtigt die Beklagte ebenfalls nicht zur Befristung der Akkreditierungen des Klägers. Nach dieser Regelungsalternative darf ein Verwaltungsakt zur Sicherstellung des Vorliegens seiner Anspruchsvoraussetzungen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Die Ablehnung des Erlasses eines begünstigenden Verwaltungsakts kann danach vermieden werden, indem das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses durch Beifügung einer Nebenbestimmung überbrückt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 6 C 37.14 - BVerwGE 153, 301 Rn. 18 f.). Die Befristung der Akkreditierungen des Klägers diente weder zu diesem noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt der Sicherstellung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Akkreditierung. Sie soll vielmehr die Tätigkeit der Behörde dadurch erleichtern, dass sich die Konformitätsbewertungsstelle vor Ablauf der befristeten Geltungsdauer um eine erneute Akkreditierung bemühen und deren Voraussetzungen nachweisen muss, während es bei einer unbefristeten Akkreditierung der sie ausstellenden Behörde obliegt, im Rahmen der Überwachung Erkenntnisse über den Fortbestand der fachlichen Kompetenz der Konformitätsbewertungsstelle und die Einhaltung von deren Verpflichtungen zu gewinnen. Kompetenzmängel des Klägers, deren Überbrückung die Befristung seiner Akkreditierung dienen könnte, hat die Beklagte weder behauptet noch sind sie vom Berufungsgericht festgestellt worden. Darüber hinaus dürfte eine Befristung allenfalls in atypischen Fallkonstellationen geeignet sein, das Fehlen von Anspruchsvoraussetzungen zu überbrücken. Unabhängig hiervon wäre sie hier auch nicht erforderlich, weil der Beklagten die Befugnisse zur Einschränkung, Aussetzung oder Aufhebung einer Akkreditierung nach Art. 5 Abs. 4 EG-Akkreditierungsverordnung und die Befugnisse im Rahmen der Überwachung der Konformitätsbewertungsstelle nach Art. 5 Abs. 3 i.V.m. § 3 AkkStelleG zur Verfügung stehen, um die Fortdauer der Kompetenz des Klägers zur Konformitätsbewertung zu gewährleisten. 29 3. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV bedurfte es nicht, weil keine vernünftigen Zweifel im Sinne der sogenannten acte-clair-Doktrin (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​EU:​C:​1982:​335], CILFIT - Rn. 16) daran bestehen, dass die EG-Akkreditierungsverordnung keine Ermächtigung zur Befristung einer Akkreditierung regelt. Auf die Frage, ob Unionsrecht einer solchen Ermächtigung nach nationalem Recht entgegenstünde, kam es nicht an. 30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-66,27.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 66/2018 vom 27.09.2018 EN Unentgeltliche Beförderung von schwerbehinderten Menschen im Fährverkehr Bei dem Fährverkehr zwischen Emden und Borkum handelt es sich um Nahverkehr im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Menschen mit Behinderungen, die über einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „G“ und eine erforderliche Wertmarke verfügen, steht daher ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung zu. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt. Weil er wegen einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfreiheit erheblich beeinträchtigt ist, weist sein Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ auf. Die Fähren des beklagten Unternehmens verkehren auf der Verbindung zwischen Emden und Borkum mehrmals täglich in beide Richtungen. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Anspruch auf unentgeltliche Nutzung dieser Fährverbindung zusteht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen sei nur dann anzunehmen, wenn es um die im Alltag anfallende Bewältigung von Entfernungen gehe, wie etwa zu Schulen, Arbeitsstätten, Behörden oder zum Einkauf. Dazu zähle die über zweistündige Fahrt mit der Fähre nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und der Feststellungklage des Klägers stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nahverkehr ist nach der gesetzlichen Regelung der öffentliche Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen. Den Nachbarschaftsbereich definiert das Gesetz als den Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinandergrenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind. Dieser Definition ist die Anforderung, dass es sich typischerweise um alltäglichen Verkehr handeln muss, nicht zu entnehmen. Hinreichende Gründe für eine solche Einschränkung ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik oder dem Zweck des Gesetzes. Der mit der gesetzlichen Vergünstigung beabsichtigte Nachteilsausgleich für behinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt sind, ist nicht auf den Alltagsverkehr begrenzt, sondern geht darüber hinaus. Die benachbarten Gemeinden sind durch den Fährverkehr auch wirtschaftlich miteinander verbunden. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht gebunden ist, nutzen sowohl die Bewohner der Insel Borkum als auch Touristen, welche die Insel kurzzeitig besuchen oder dort ihren Urlaub verbringen, die Fähren und es werden zur Versorgung der Insel erforderliche Waren und Güter über diese Fährverbindung transportiert. BVerwG 5 C 7.17 - Urteil vom 27. September 2018 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 4 LC 217/14 - Beschluss vom 31. August 2016 - VG Oldenburg, 13 A 1942/13 - Beschluss vom 23. Juni 2014 -","Urteil vom 27.09.2018 - BVerwG 5 C 7.17ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U5C7.17.0 EN Unentgeltliche Beförderung von schwerbehinderten Menschen im Fährverkehr Leitsätze: 1. Aus dem Schwerbehindertenrecht lässt sich nicht die Anforderung ableiten, dass öffentlicher Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr nur dann als Nahverkehr im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zu qualifizieren ist, wenn dabei (typischerweise) Verkehre entstehen, die der Beförderung von Personen dienen, um die im Alltag anfallenden Entfernungen zu bewältigen. 2. Durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Fährverkehr sind benachbarte Gemeinden jedenfalls dann im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX wirtschaftlich verbunden, wenn die Fährverbindung in einem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Umfang von Gemeindeangehörigen und sonstigen Personen genutzt wird und zur Versorgung einer Gemeinde mit Wirtschaftsgütern beiträgt. Rechtsquellen SGB IX § 228 Abs. 1, § 229 Abs. 1 Satz 1, § 230 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 SGB IX a.F. § 145 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Nr. 7 PBefG § 8 Abs. 1 RegG § 2 Satz 1 UnBefG 1965 § 1 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Instanzenzug VG Oldenburg - 23.06.2014 - AZ: VG 13 A 1942/13 OVG Lüneburg - 31.08.2016 - AZ: OVG 4 LC 217/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 - 5 C 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U5C7.17.0] Urteil BVerwG 5 C 7.17 VG Oldenburg - 23.06.2014 - AZ: VG 13 A 1942/13 OVG Lüneburg - 31.08.2016 - AZ: OVG 4 LC 217/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. August 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als schwerbehindertem Menschen gegenüber der Beklagten ein Anspruch zusteht, von dieser auf der Fährverbindung zwischen Em. und B. unentgeltlich befördert zu werden. 2 Der Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt und verfügt über einen Schwerbehindertenausweis, der das Merkzeichen ""G"" aufweist. Die Beklagte betreibt die Fährverbindung zwischen Em. und B.. Ihre Fähren verkehren dort mehrmals täglich in beide Richtungen und benötigen für die einfache Strecke eine Fahrzeit von 2 1/4 Stunden. 3 Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Eine nach den Regelungen des Schwerbehindertenrechts als unentgeltlich zu gewährende Beförderung im Nahverkehr liege nicht vor. Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen sei nur dann gegeben, wenn es um die im Alltag anfallende Bewältigung von Entfernungen gehe, wie dies zum Beispiel der Fall sei für Fahrten zum Einkauf, zu Behörden, zur Arbeitsstätte, zu Verwaltungseinrichtungen sowie zu Gemeinschafts-, Kultur- oder Freizeitveranstaltungen. Dazu zähle die über zweistündige Fahrt mit der Fähre von Em. nach B. nicht, weil unter anderem schon aufgrund der Reisedauer eine Nutzung dieser Verbindung etwa zur täglichen Fahrt zur Arbeitsstätte oder zur Schule ausscheide. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und der Klage stattgegeben. Der Fährverkehr von Em. nach B. sei Nahverkehr im Sinne des Gesetzes, weil er der Personenbeförderung in dem gesetzlich definierten Nachbarschaftsbereich diene. Es handle sich um einen stetigen, mehrmals täglich durchgeführten Verkehr, durch den die benachbarten Gemeinden wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden seien. Für eine wirtschaftliche Verbindung zwischen Gemeinden genüge es, dass die Fähren sowohl von den Inselbewohnern als auch von Touristen, die die Insel B. kurzzeitig besuchen oder dort ihren Urlaub verbringen, genutzt werden und dass über diese Fährverbindung zur Versorgung der Insel erforderliche Waren und Güter transportiert werden. Die einschränkenden Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht mit dem Erfordernis des Alltagsverkehrs aufgestellt habe, seien dem Gesetz nicht zu entnehmen. 5 Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der im Streit stehenden schwerbehindertenrechtlichen Regelung zum Begriff des Nahverkehrs (§ 147 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX a.F.; nunmehr § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX). Das vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis dieser Bestimmung werde weder ihrem Wortlaut, ihrer Systematik noch ihrem Sinn und Zweck gerecht. Mit der gesetzlichen Formulierung des Nachbarschaftsbereichs werde darauf abgestellt, dass zwischen den Gemeinden Verkehre bestehen müssten, die in ihrer Ausgestaltung und Qualität sowie in ihrem Anlass den Verkehren in einem Ortsbereich vergleichbar seien. Eine wirtschaftliche und verkehrsmäßige Verbundenheit zwischen Gemeinden sei nur anzunehmen, wenn es sich dabei um einen Verkehr handle, der der Beförderung von Personen diene, um die im Alltag anfallenden Verkehre zu bewältigen. Denn solche ""Bedarfsverkehre"" entstünden typischerweise im Orts- und Nahverkehr. Eine solche Verbindung bestehe zwischen B. und Em. nicht. Unter anderem gebe es auf dieser Fährstrecke weder Berufspendler noch fänden tägliche Schülerbeförderungen statt. Die Orte seien auch nicht durch eine gemeinsame Raum- oder Fachplanung verbunden. 6 Der Kläger und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts. II 7 Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in Einklang. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch gegen das Vorzeigen des mit dem Merkzeichen ""G"" gekennzeichneten Schwerbehindertenausweises mit gültiger Wertmarke von der Beklagten auf der Fährverbindung zwischen B. und Em. unentgeltlich zu befördern ist. Denn bei dieser Fährverbindung handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um Nahverkehr im Sinne des § 228 Abs. 1 i.V.m. § 230 Abs. 1 Nr. 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) in der Fassung, die dieses Gesetz durch das am 1. Januar 2018 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) erhalten hat. 8 1. Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht noch die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung und bis zum 31. Dezember 2017 geltende Bestimmung des § 145 Abs. 1 i.V.m. § 147 Abs. 1 Nr. 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch i.d.F. vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046, 1047), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3057, bereinigt durch BGBl. 2012 I S. 670) - SGB IX a.F. - heranzuziehen. Der Senat hat jedoch für die Revisionsentscheidung die - wenn auch im Wesentlichen inhaltsgleichen - Bestimmungen der seit 1. Januar 2018 geltenden Gesetzesfassung zugrunde zu legen. Denn das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, im gleichen Umfang zu beachten, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt anstelle des Revisionsgerichts zu entscheiden hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1993 - 1 C 45.90 - BVerwGE 92, 116 <128>, vom 12. März 2002 - 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <120> und vom 23. Januar 2018 - 5 C 9.16 - NVwZ-RR 2018, 621 Rn. 6 m.w.N.). Dies gilt auch für die Entscheidung über Feststellungsbegehren (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <248>). Da der Feststellungsantrag des Klägers zukunftsgerichtet ist, hätte das Oberverwaltungsgericht, wenn es aktuell zur Entscheidung berufen wäre, die nunmehr geltende Fassung des Gesetzes anzuwenden. 9 2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung aus § 228 Abs. 1 i.V.m. § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zu. 10 Nach § 228 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert, soweit der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, zurückzulegen vermag (§ 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). 11 a) Die Beteiligten gehen mit den Vorinstanzen zu Recht davon aus, dass der Kläger die zuvor genannten persönlichen Voraussetzungen des § 228 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erfüllt. Denn er ist nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung in der Tatsacheninstanz als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. anerkannt gewesen und hat über den nach § 152 Abs. 5 SGB IX erforderlichen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen ""G"" verfügt, so dass ihm bei Vorlage seines Schwerbehindertenausweises, sofern dieser mit einer gültigen Wertmarke versehen ist, ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr zusteht. 12 b) Die sachliche Anspruchsvoraussetzung des § 228 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX ist ebenfalls erfüllt. Denn die Fährverbindung zwischen Em. und B. ist als Nahverkehr im Sinne dieser Bestimmungen zu qualifizieren. Nahverkehr ist der öffentliche Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen (§ 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 1 SGB IX). 13 Dabei steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass es sich bei der genannten Verbindung um öffentlichen Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Fährverkehr handelt, dessen Ausgangs- und Endpunkt in Em. bzw. B. liegt. 14 Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht auch zutreffend angenommen, dass die von ihr betriebene Fährverbindung der Beförderung von Personen im Nachbarschaftsbereich dient. Nach der gesetzlichen Definition des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX ist Nachbarschaftsbereich der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinandergrenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. 15 aa) Zu Recht unstreitig ist dabei, dass der Fährverkehr zwischen B. und Em. einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX darstellt. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Fähren zwischen den in Rede stehenden Orten mehrmals täglich in beide Richtungen verkehren. 16 Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren erstmals vorgebracht hat, der Nachbarschaftsbereich erfasse nach dem Gesetzeswortlaut nur den Verkehr im Raum zwischen benachbarten Gemeinden, so dass dies auf eine Fährverbindung nicht zutreffe, die - wie hier - ihren Ausgangs- und Endpunkt in der jeweiligen Gemeinde habe, greift dieses Argument ersichtlich nicht durch. Das Wort ""zwischen"" ist nicht isoliert zu betrachten, sondern steht im Sinnzusammenhang damit, dass benachbarte Gemeinden durch den im Raum zwischen ihnen stattfindenden (Fähr-)Verkehr verbunden sein können und müssen. Dieser Zwecksetzung könnte eine Verbindung von vornherein nicht gerecht werden, wenn sie nicht in den jeweiligen Ortsbereich hineinreichen dürfte, sondern an der Gemeindegrenze enden müsste. 17 bb) Die benachbarten Gemeinden Em. und B. sind durch den Fährverkehr der Beklagten auch wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden im Sinne des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX. 18 Dabei ist die Anforderung der verkehrsmäßigen Verbindung zwischen Gemeinden bereits dann erfüllt, wenn zuvor - wie auch hier - festgestellt worden ist, dass zwischen den Gemeinden eine stetige und mehr als einmal am Tag durchgeführte Fährverbindung besteht. Bei der verkehrsmäßigen Verbindung handelt es sich entsprechend dem klaren Wortsinn dieser Bestimmung um eine weitere Beschreibung des Gesetzgebers für den zuvor genannten Umstand. Aus dem Bestehen einer stetigen und mehrmals täglich durchgeführten Fährverbindung zwischen Gemeinden folgt notwendig, dass diese damit verkehrsmäßig verbunden sind. 19 Es kann dahinstehen, ob aus dem Bestehen einer solchen stetigen Fährverbindung zwischen Gemeinden ebenfalls bereits folgt, dass zwischen diesen Gemeinden - zumindest in aller Regel - auch eine wirtschaftliche Verbindung im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX besteht. Denn durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Fährverkehr sind benachbarte Gemeinden jedenfalls dann im Sinne dieser Vorschrift wirtschaftlich verbunden, wenn - wie hier - die Fährverbindung in einem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Umfang von Gemeindeangehörigen und sonstigen Personen genutzt wird und zur Versorgung einer Gemeinde mit Wirtschaftsgütern beiträgt. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung des § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX. Demgegenüber lässt sich aus dem Schwerbehindertenrecht nicht die von der Beklagten vertretene Anforderung ableiten, dass öffentlicher Personenverkehr mit Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr nur dann als Nahverkehr im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX zu qualifizieren ist, wenn dabei (typischerweise) Verkehre entstehen, die der Beförderung von Personen dienen, um die im Alltag anfallenden Entfernungen zu bewältigen. 20 (1) Der Wortlaut des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX bietet für die zuletzt genannte Eingrenzung keine Anhaltspunkte. Er deutet vielmehr in gewichtiger Weise darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Begrenzung auf den Alltagsverkehr nicht vorgenommen hat. Die Vorschrift setzt ihrem allgemeinen Wortsinn nach weder eine enge noch eine wirtschaftlich besonders bedeutsame Verbindung - etwa im Sinne einer gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit - zwischen den benachbarten Gemeinden voraus, sondern lässt es genügen, wenn die Gemeinden durch den Personenverkehr - hier mit Fähren - wirtschaftlich verbunden sind. Es bedarf deshalb auch nicht einer bereits unabhängig von dem Fährverkehr bestehenden (engen) wirtschaftlichen oder etwa einer - wie die Beklagte meint - (raum-)planerischen Verbindung der benachbarten Gemeinden oder eines täglichen Pendlerverkehrs von Gemeindeangehörigen zu Arbeitsstätten oder Schulen. Ihrem Wortsinn nach besteht eine durch einen Fährverkehr bedingte wirtschaftliche, d.h. nach allgemeinem Sprachgebrauch die Produktion oder den Konsum von Wirtschaftsgütern betreffende (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, S. 2032) Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden schon dann, wenn der Fährverkehr für diese von nicht ganz untergeordneter ökonomischer Bedeutung ist, weil dadurch in nicht völlig unbedeutendem Maße Personen und Wirtschaftsgüter befördert werden. 21 Etwas anderes lässt sich auch aus einem etwaigen gesetzesübergreifenden Fachsprachgebrauch nicht entnehmen. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob es - wovon die Beklagte ausgeht - einen den Alltagsverkehr als Merkmal aufweisenden allgemeinen Begriff des Personennahverkehrs, der anderen Gesetzen zugrunde liegen soll, überhaupt gibt. Denn jedenfalls hat sich der Gesetzgeber mit der schwerbehindertenrechtlichen Regelung des § 230 Abs. 1 SGB IX nicht dafür entschieden, den Nahverkehrsbegriff anderer Gesetze vollständig zu übernehmen oder darauf zu verweisen. Vielmehr hat er in dieser Regelung ausdrücklich den Nahverkehr ""im Sinne dieses Gesetzes"" eigens definiert und in den verschiedenen Ziffern der Vorschrift eigenständig konkretisiert. Dabei hat er für den hier betroffenen Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen allein die spezielle Regelung des § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX vorgesehen und den hier im Streit stehenden Begriff des Nachbarschaftsbereichs im zweiten Halbsatz legal definiert. 22 Der Beklagten ist auch nicht zu folgen, soweit sie aus dem Wortlaut des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 1 SGB IX, wonach der Verkehr mit Wasserfahrzeugen der Beförderung von Personen im ""Orts- und Nachbarschaftsbereich"" dienen muss, die Schlussfolgerung ziehen möchte, der Nachbarschaftsbereich sei nur einschlägig, wenn der dortige Verkehr demjenigen im Ortsbereich entspreche und sich typischerweise als Alltagsverkehr darstelle. Aus dem Umstand, dass § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX den Begriff des Nachbarschaftsbereichs legal definiert, ist vielmehr zu folgern, dass sich dieser Verkehr von demjenigen im Ortsbereich unterscheidet und als gesondertes Merkmal neben diesem selbständig zum Tragen kommen soll. 23 (2) Aus der Gesetzessystematik lassen sich keine Schlüsse ziehen, die dem im Wege der grammatischen Auslegung ermittelten Auslegungsergebnis entgegenstehen. Vielmehr sprechen insbesondere binnensystematische Erwägungen dagegen, eine durch einen Fährverkehr erzeugte wirtschaftliche Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX nur dann anzunehmen, wenn dieser Verkehr der Bewältigung der im Alltag erforderlichen Verkehre der Gemeindeangehörigen dient. Denn keinem der sonstigen in § 230 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB IX legal definierten Tatbestände des Nahverkehrs lässt sich entnehmen, dass die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen auf diejenigen Verkehrsverbindungen beschränkt worden ist, die der Bewältigung von Alltagsentfernungen dienen. 24 So sehen etwa die Bestimmungen über die schienen- bzw. oberleitungsgebundenen Verkehrsmittel der Nahverkehrsformen des § 230 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB IX - Straßenbahnen, Obusse und S-Bahnen - keine Beschränkungen hinsichtlich der Beförderungsdauer, der Beförderungsstrecke oder des Beförderungszwecks vor. § 230 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX eröffnet allgemein eine Freifahrtberechtigung auf Eisenbahnstrecken im Nahverkehrsbund. Diese erstreckt sich unabhängig vom Wohnort des einzelnen Schwerbehinderten auf das gesamte Verbundstreckennetz und räumt den von der Anspruchsnorm des § 228 Abs. 1 SGB IX erfassten schwerbehinderten Menschen unabhängig von der Länge der Beförderungsstrecke ein Recht auf unentgeltliche Beförderung ein (vgl. etwa Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 230 Rn. 13, Stand August 2017; Vogl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 230 Rn. 30). Insoweit wird diesen schwerbehinderten Menschen im Verbundverkehr ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung über erhebliche Distanzen gewährt, der nicht daran gebunden ist, dass damit die Besorgung alltäglicher Angelegenheiten bewältigt wird. Vielmehr kann der Verbundverkehr auch zu anderen (weitergehenden) Zwecken von ihnen genutzt werden. Selbst wenn - wie die Beklagte ohne hinreichende Substantiierung vorbringt - der Gesetzgeber den Verbundverkehr und den S-Bahn-Verkehr für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen gerade in der Vorstellung eröffnet hätte, dass hiermit die Bewältigung von im Alltag anfallenden Entfernungen erleichtert werden sollte, folgte aus diesem Motiv noch keine tatbestandliche Begrenzung, welche die Freifahrtberechtigung allein auf den Bereich des Alltagsverkehrs erstreckt. Denn eine solche Einschränkung hätte jedenfalls keinen Eingang in die Nahverkehrsdefinitionen des § 230 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX gefunden. 25 Gleiches gilt für die Begriffsbestimmungen des § 230 Abs. 1 Nr. 2 und 6 SGB IX. Die dort dem Nahverkehrsbegriff des Neunten Buches Sozialgesetzbuch unterworfenen Verkehrsformen des Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen und des sonstigen insbesondere privaten Eisenbahnverkehrs unterliegen zwar nur dann der Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung, wenn die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometern nicht übersteigt bzw. überschreitet. Dieser längenmäßigen Beschränkung der Beförderungsstrecke lässt sich jedoch gleichwohl nicht entnehmen, dass damit die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen auf diejenigen Verkehrsverbindungen beschränkt werden sollte, die der Bewältigung von Alltagsentfernungen dienen. Denn zum einen hat der Gesetzgeber die Freifahrtberechtigung nicht auf den unmittelbaren Umkreis um den Lebensmittelpunkt der Berechtigten begrenzt, sondern darüber hinaus weite Teile des Verkehrs im näheren und mittleren Nahbereich der Pflicht der Beförderungsunternehmen zur unentgeltlichen Beförderung unterworfen. Schwerbehinderte Menschen, welche die persönlichen Voraussetzungen des § 228 Abs. 1 i.V.m. § 229 SGB IX erfüllen, können die Nahverkehrssysteme nicht nur im Umfeld ihres Wohnsitzes, sondern im gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes unentgeltlich nutzen. Zum anderen finden auch innerhalb einer Strecke von 50 Kilometern Nutzungen statt, die über den Zweck der Bewältigung von Alltagsentfernungen hinausgehen können und dürfen. 26 Dies gilt auch, soweit der Begriff des Nahverkehrs in anderen Gesetzen definiert worden ist und dort Beschränkungen der Streckenlänge aufgenommen worden sind. Aussagekräftige systematische Hinweise darauf, dass § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX eine Zweckbegrenzung auf einen Alltagsverkehr beinhaltet, lassen sich entgegen der Rechtsansicht der Beklagten weder dem Nahverkehrsbegriff des § 2 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378), zuletzt geändert durch Art. 19 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), noch dem des § 8 Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808), entnehmen. Nach diesen Vorschriften ist öffentlicher Personennahverkehr im Sinne des jeweiligen Gesetzes die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr (§ 2 Satz 1 RegG) bzw. mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr (§ 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG), die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen, was wiederum im Zweifel der Fall ist, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. 27 Zum einen ist es bereits zweifelhaft, ob diesen Nahverkehrsbegriffen die von der Beklagten angenommene Zweckbegrenzung überhaupt zu entnehmen ist. Dagegen spricht, dass die vom Begriff des Regionalverkehrs erfassten Verkehre deutlich über die Bewältigung von Alltagsentfernungen hinausgehen. Auch die zuletzt genannte Zweifelsregelung über die Reiseweite und Reisezeit gibt keine starre Grenze vor und kann insbesondere als Hilfsmittel für die Abgrenzung von Regionen von nur begrenztem Nutzen sein (vgl. dazu Oebbecke, NVwZ 2017, 1084 <1087 f.>). Zum anderen könnten selbst dann, wenn der jeweilige Gesetzgeber bei der Schaffung der vorgenannten Regelungen von dem Verständnis ausgegangen sein sollte, dass sich der dort jeweils definierte Nahverkehr als ein Verkehr darstellt, der sich (zumindest typischerweise) in der Zwecksetzung der Bewältigung von Alltagsentfernungen erschöpft, aus diesem Umstand nicht ohne Weiteres Folgerungen für den gesetzlichen Begriff des Nahverkehrs im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch gezogen werden. Denn sie dienen anderen Zwecken als das Schwerbehindertenrecht und der Gesetzgeber hat nicht nur die Freiheit, sondern auch davon Gebrauch gemacht, in § 230 Abs. 1 SGB IX einen - wie oben bereits dargelegt - eigenständigen Nahverkehrsbegriff (""im Sinne dieses Gesetzes"") zu definieren. 28 (3) Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien lassen sich keine aussagekräftigen Hinweise dafür entnehmen, dass der Begriff des Nahverkehrs im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 1 SGB IX und insbesondere die hier im Streit stehende Voraussetzung einer durch einen stetigen Fährverkehr zwischen benachbarten Gemeinden bewirkten wirtschaftlichen Verbindung im Sinne des § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX nur erfüllt ist, wenn dieser Verkehr der Bewältigung von im Alltag anfallenden Verkehren dient. 29 Historische Vorgänger der §§ 228 ff. SGB IX, die erstmals eine Freifahrtberechtigung schwerbehinderter Menschen im Nahverkehr vorsahen, fanden sich ursprünglich in der Verordnung über Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte im öffentlichen Personenverkehr vom 23. Dezember 1943 (RGBl. 1944 I S. 5). In dem Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978) - UnBefG 1965 - ist erstmals das Recht auf eine unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen aufgenommen worden. Im Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz - SchwbG) i.d.F. vom 29. April 1974 (BGBl. I S. 1006) waren die Bestimmungen über die unentgeltliche Beförderung zunächst noch nicht enthalten. Sie wurden jedoch durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 (BGBl. I S. 989) - UnBefG 1979 - in die Neufassung des Schwerbehindertengesetzes (BGBl. 1979 I S. 1650) integriert. Das Schwerbehindertengesetz ist später durch Gesetz vom 19. Juni 2001 als das Neunte Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) (BGBl. I S. 1046, 1047) in das Sozialgesetzbuch übernommen worden. 30 Im Hinblick auf die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im Orts- und Nachbarortslinienverkehr mit Obussen und Kraftfahrzeugen definierte § 1 Abs. 3 Satz 1 UnBefG 1965 zwar den Nachbarortslinienverkehr als den ""zugelassene[n] Linienverkehr zwischen benachbarten Gemeinden, die zwar nicht unmittelbar aneinandergrenzen müssen, aber wirtschaftlich und verkehrsmäßig eng miteinander verbunden sind, wenn der Verkehr entsprechend dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis nach Häufigkeit und Tarifgestaltung einem Ortslinienverkehr vergleichbar ist und Ausgangs- und Endpunkt des Linienverkehrs in den benachbarten Gemeinden liegen."" Hieraus lassen sich jedoch nicht die von der Beklagten angenommenen Folgerungen für den geltenden Begriff des Nahverkehrs mit Wasserfahrzeugen und insbesondere die Definition des Nachbarschaftsbereichs (im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX) ziehen. 31 Zwar hat der historische Gesetzgeber bei der vorgenannten Bestimmung des Nachbarortslinienverkehrs die Vergleichbarkeit mit innerörtlichen Verkehrsgegebenheiten als Begriffsmerkmal aufgenommen. Er hat hierbei jedoch lediglich auf das öffentliche Verkehrsbedürfnis nach Häufigkeit des Verkehrs und Tarifgestaltung abgestellt, nicht aber auf eine bestimmte Funktion des Ortsverkehrs (im Sinne eines Alltagsverkehrs). Zudem ist selbst das Merkmal der Vergleichbarkeit mit dem Ortsverkehr schon vom historischen Gesetzgeber nicht als Begriffsmerkmal für den unentgeltlichen Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen vorgesehen worden. Vielmehr lautete die entsprechende Definition des § 1 Abs. 2 Nr. 4 UnBefG 1965, dass Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes auch ""der Linien- und Übersetzverkehr mit Verkehrsmitteln der Küsten- und Binnenschiffahrt [ist], wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt des Linien- und Übersetzverkehrs innerhalb des Nachbarschaftsbereichs liegen."" Eine Legaldefinition des Nachbarschaftsbereichs war zu jenem Zeitpunkt im Gesetz noch nicht enthalten. 32 Die Begriffsbestimmung des Nachbarschaftsbereichs hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Nahverkehr mit Wasserfahrzeugen erstmals mit der Vorschrift des § 59 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SchwbG in das Regelungssystem des Schwerbehindertengesetzes integriert und in den Folgeregelungen bis heute inhaltlich unverändert gelassen. Dabei hat er gerade nicht das eingrenzende Merkmal des Vergleichs mit dem Ortsverkehr (im Sinne des Nachbarortslinienverkehrs nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 UnBefG 1965) in die Definition aufgenommen. Selbst wenn man daher mit der Beklagten davon ausginge, dass mit der Definition des Nachbarortslinienverkehrs im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 UnBefG 1965 ursprünglich die Vorstellung des Gesetzgebers verbunden gewesen wäre, dass es sich bei diesem Nahverkehr um einen auf den Ortsbereich beschränkten oder diesem vergleichbaren Verkehr handelt, welcher typischerweise der Bewältigung von Alltagsverkehren dient, könnte daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Vorstellung auch der Regelung des Nahverkehrs mit Wasserfahrzeugen mit der Definition des Nachbarschaftsbereichs in § 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX zugrunde liegt. Vielmehr spricht die historische Entwicklung dafür, dass eine solche Begrenzung gerade keinen Eingang in dieses Gesetz und dessen Vorläufer gefunden hat. 33 Dafür lässt sich auch ein weiterer Gesichtspunkt heranziehen. Dem Umstand, dass es in Anbetracht der verschiedenen Erscheinungsformen des örtlichen Schifffahrtsverkehrs einer Eingrenzung der Freifahrtberechtigung bedurfte, wollte der Gesetzgeber insbesondere durch die Aufnahme des Erfordernisses Rechnung tragen, dass Ausgangs- und Endpunkt dieses Verkehrs innerhalb des Nachbarschaftsbereichs liegen müssen. Damit sollen der Gelegenheits- und Ausflugsverkehr auf Schiffen von der unentgeltlichen Beförderung im Nahverkehr ausgenommen werden (vgl. BT-Drs. 4/2433 S. 5 f. zu § 1 UnBefG 1965; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 230 Rn. 19, Stand August 2017). Für die Annahme, dass zugleich auch der Nahverkehrs- bzw. Nachbarschaftsbereich seinerseits mittels einer Beschränkung der Verkehrsfunktionen der jeweiligen Strecken auf die Bewältigung von Alltagsentfernungen eingegrenzt werden sollte, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt. 34 (4) Auch mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen über die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr lässt sich eine Begrenzung des Nahverkehrsbegriffs des § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX auf die Bewältigung von im Alltag anfallenden Entfernungen nicht begründen. 35 Zwar bezwecken die Bestimmungen über die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr, schwerbehinderten Menschen auch deshalb einen gewissen Ausgleich für die Beeinträchtigung ihrer Orientierungs- und Bewegungsfähigkeit und dadurch bedingter Mehrkosten zu gewähren, weil die begünstigten Personen die allgemeinen öffentlichen Nahverkehrsmittel oftmals auch auf solchen Strecken benutzen müssen, die ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt oder zurücklegen kann (vgl. BT-Drs. 8/2453 S. 11 zum UnBefG 1979; BVerwG, Urteil vom 27. November 1981 - 7 C 71.79 - Buchholz 442.010 UnBefG Nr. 16; BSG, Urteile vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 Rn. 40 und vom 11. August 2015 - B 9 SB 1/14 R - SGb 2016, 653 Rn. 17 ff.). Soweit diese Zwecksetzung den Regelungen der §§ 228 ff. SGB IX zugrunde liegt, bezieht sie sich allerdings auf die Auswahl des von der unentgeltlichen Beförderung begünstigten Personenkreises, d.h. auf die Bestimmung der persönlichen Voraussetzungen (§ 228 Abs. 1 i.V.m. § 229 SGB IX), die erfüllt sein müssen, um schwerbehinderten Menschen eine Freifahrtberechtigung im Nahverkehr zuzuerkennen. Dementsprechend hat dies in den in § 229 SGB IX genannten Voraussetzungen seinen Ausdruck im Gesetzestext gefunden. 36 Diese Zwecksetzung ist jedoch nicht zugleich maßgeblich für die Bestimmung, wie weit der Begriff des Nahverkehrs und damit der für den behinderten Menschen, der die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, unentgeltlich nutzbare Beförderungsbereich reicht. Diese sachlich-räumliche Reichweite hat der Gesetzgeber in den besonderen Begriffsbestimmungen des Nahverkehrs festgelegt (§ 230 Abs. 1 SGB IX) und mit der hier in Rede stehenden Nahverkehrsdefinition des § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX abgegrenzt, so dass für die Frage ihrer teleologischen Erweiterung vorrangig auf deren Zielsetzung abgestellt werden kann. Ausweislich der Gesetzesmaterialien will der Gesetzgeber hinsichtlich dieser Rechtsfolgen der Vergünstigung allgemein dazu beitragen, die Belastungen von schwerbehinderten Menschen, die durch die erhebliche Beeinträchtigung in der Beweglichkeit im Straßenverkehr entstehen und die Lebensführung wesentlich erschweren, zum Teil auszugleichen und damit die Lebensverhältnisse zu erleichtern (vgl. BT-Drs. 8/2453 S. 10). Dementsprechend sieht auch die Nahverkehrsdefinition des § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX eine Prüfung, ob bestimmte Strecken (nur) zur Bewältigung von Alltagserfordernissen zurückgelegt werden, nicht vor. Ihre Zwecksetzung reicht weiter. 37 Die sachlich-räumliche Reichweite des Anspruchs auf unentgeltliche Beförderung beschränkt sich nicht nur auf den Ausgleich von Mobilitätsdefiziten im Nahbereich der Wohnung des Berechtigten, sondern erfasst innerhalb der definierten Bereiche des Nahverkehrs etwa auch Freizeitwege jeglicher Art. Mit den erweiterten Nahverkehrsdefinitionen will der Gesetzgeber daher nicht nur die Nachteile in Bezug auf die Grundbedürfnisse des behinderten Menschen im Vergleich zu Nichtbehinderten kompensieren, sondern die ""nahezu unbegrenzten Möglichkeiten"", über die ein Nichtbehinderter im Mobilitätsbereich verfügt, behinderten Menschen zumindest ansatzweise mittels Erleichterungen finanzieller Art zukommen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 Rn. 40; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 228 Rn. 1, Stand August 2017). Dementsprechend hat der Gesetzgeber die sachliche Reichweite des von ihm beabsichtigten Nachteilsausgleichs allein über die Nahverkehrsdefinitionen des § 230 Abs. 1 SGB IX gesteuert, die wiederum die Freifahrtberechtigung ausschließlich an bestimmte Verkehrsverbindungen koppeln und dem individuell verfolgten Mobilitätszweck keine maßgebliche Bedeutung beimessen (vgl. Dau, jurisPR-SozR 26/2016 Anm. 5). Ziel der Vergünstigung ist es, allgemein die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr durch erleichterten Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu fördern, da Mobilität als Grundbedürfnis der modernen Gesellschaft anerkannt wird (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 1/12 R - Behindertenrecht 2013, 122 <124>). Dieser Zweck der erleichterten Teilnahme am öffentlichen Leben rechtfertigt es, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, indessen nicht, die Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich auf die Fälle zu begrenzen, in denen es um die im Alltag anfallende Bewältigung von Entfernungen geht. 38 (5) Die Auslegung des Begriffs des Nahverkehrs im Sinne von § 230 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX und insbesondere der dortigen Definition des Nachbarschaftsbereichs (§ 230 Abs. 1 Nr. 7 Halbs. 2 SGB IX) ergibt nach alledem, dass es für eine durch den Fährverkehr bedingte wirtschaftliche Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden ausreicht, wenn die Fährverbindung in einem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Umfang von Gemeindeangehörigen und sonstigen Personen genutzt wird und zur Versorgung einer Gemeinde mit Wirtschaftsgütern beiträgt. 39 Diese Voraussetzungen sind für die von der Beklagten betriebene Fährverbindung zwischen den Gemeinden Em. und B. erfüllt. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts werden die Fähren sowohl von den Inselbewohnern genutzt, die auf das Festland und zurück fahren, als auch von Touristen, welche die Insel B. kurzzeitig besuchen oder dort ihren Urlaub verbringen. Ferner werden über diese Fährverbindung zur Versorgung der Insel erforderliche Waren und Güter transportiert. Diese tatsächlichen Feststellungen sind von der Revision der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Soweit die Beklagte dem im Revisionsverfahren abweichende Sachverhaltsschilderungen (etwa im Hinblick auf die Versorgung der Insel B. mit Waren über die Verbindung nach Ee. in N.) entgegenhält, sind diese, sofern sie nicht ohnehin - wie zum Beispiel das Vorbringen zu einer fehlenden planungsrechtlichen Verbindung zwischen B. und Em. - für die Entscheidung unerheblich sind, jedenfalls wegen der dem entgegenstehenden bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts revisionsrechtlich nicht beachtlich. 40 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2018-67,28.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 67/2018 vom 28.09.2018 EN Abfallverbrennungsanlage Rostock: Oberverwaltungsgericht muss erneut entscheiden Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 27. September 2018 den Rechtsstreit über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerkes im Rostocker Überseehafen an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen. Im Jahr 2000 war die Errichtung einer Abfallbehandlungsanlage mit einem mechanischen und einem thermischen Teil immissionsschutzrechtlich genehmigt worden. Die mechanische Anlage wird seit 2006 betrieben. Im März 2007 wurde dem Betreiber ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung eine Änderungsgenehmigung für die Errichtung eines Sekundärbrennstoff-Heizwerkes anstelle der ursprünglichen thermischen Anlage erteilt. Der Kläger, Eigentümer eines Wohngrundstücks in 1,6 km Entfernung von der Anlage, wandte sich gegen die Genehmigung. Diese habe nicht ohne eine Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt werden dürfen.  Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Genehmigung aufgehoben. Unabhängig davon, ob es sich um eine Neuerrichtung oder eine Änderung handele, hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem Oberverwaltungsgericht darin gefolgt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Öffentlichkeitsbeteiligung hätten durchgeführt werden müssen. Allerdings führen allein diese Verfahrensfehler nach der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht mehr automatisch zur Aufhebung der Genehmigung; sie können vielmehr in einem ergänzenden Verfahren behoben werden. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird das Oberverwaltungsgericht zu entscheiden haben.  BVerwG 7 C 24.16 - Urteil vom 27. September 2018 Vorinstanz: OVG Greifswald, 5 K 4/14 - Urteil vom 05. April 2016 -","Urteil vom 27.09.2018 - BVerwG 7 C 24.16ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C24.16.0 EN Unterlassen einer UVP Leitsätze: 1. Das Unterlassen einer aufgrund der unmittelbaren Anwendung einer Richtlinienbestimmung erforderlichen UVP ist ein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG. 2. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG zur Nachholung von unterlassenen Verfahrensschritten kommt in der Revisionsinstanz nicht in Betracht. Rechtsquellen BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG a.F. § 4 Abs. 1b UmwRG n.F. § 4 Abs. 1 und 1b VwVfG § 45 Abs. 2 UVPG a.F. § 3b Abs. 1 Satz 1, § 3e Abs. 1 Nr. 1 und 2, Anlage 1 Ziffer 8.1.1 UVP-RL 2003 Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 und 2, Anhang I Nr. 10 und 22 ZPO § 557 Abs. 2 VwGO § 152 Abs. 1 Instanzenzug OVG Greifswald - 05.04.2016 - AZ: OVG 5 K 4/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 - 7 C 24.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C24.16.0] Urteil BVerwG 7 C 24.16 OVG Greifswald - 05.04.2016 - AZ: OVG 5 K 4/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. April 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. September 2016 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Abfallverbrennungsanlage durch die Beigeladene im ... Seehafen. 2 Mit Bescheid vom 4. September 2000 wurde der E. GmbH ... die Errichtung und der Betrieb einer Restabfallbeseitigungsanlage mit einer jährlichen Gesamtkapazität von 230 000 Mg/a (Megagramm pro Jahr), bestehend aus einer mechanisch-biologischen Behandlungsanlage und einer thermischen Abfallbehandlungsanlage mit 166 440 Mg/a Anteil an der Gesamtkapazität immissionsschutzrechtlich genehmigt. Die mechanisch-biologische Behandlungsanlage wurde am 1. Juni 2005 in Betrieb genommen. Die thermische Abfallbehandlungsanlage wurde nicht errichtet, jedoch die Inbetriebnahmefrist bis zum 1. Juni 2008 verlängert. 3 Die ehemalige Genehmigungsinhaberin und Betreiberin beantragte im April 2006 die Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3e UVPG a.F. für die Errichtung und den Betrieb einer thermischen Abfallbehandlungsanlage. Das ehemalige Staatliche Amt für Umwelt und Natur ... stellte im Januar 2007 fest, dass von dem Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien und eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht erforderlich sei. 4 Am 10. November 2006 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG zur Errichtung und Inbetriebnahme eines Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerkes. Gegenstand der Änderung gegenüber der im Jahr 2000 genehmigten thermischen Abfallbehandlungsanlage war die Erhöhung der Feuerungswärmeleistung durch den Einsatz geänderter Brennstoffe und eine Erhöhung der Annahmekapazität von 166 440 Mg/a auf 230 000 Mg/a für die thermische Behandlungsanlage. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung wurde antragsgemäß nicht durchgeführt. 5 Mit Bescheid vom 12. März 2007 erteilte das Staatliche Amt für Umwelt und Natur ... der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Genehmigung zur wesentlichen Änderung der im Jahr 2000 genehmigten Restabfallbeseitigungsanlage mit den Anlagenteilen mechanisch-biologische Behandlungsanlage und thermische Abfallbehandlungsanlage durch die Errichtung und Inbetriebnahme eines Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerkes mit der beantragten Annahmekapazität/Durchsatz von maximal 230 000 Mg/a bei täglich 24-stündigem Betrieb. Auf Grundlage der am 21. März 2007 angeordneten sofortigen Vollziehung der Genehmigung wurde die Anlage errichtet und seitdem betrieben. 6 Der Kläger ist Miteigentümer eines von ihm bewohnten Hausgrundstücks, das etwa 1,6 km östlich der Anlage liegt. Zur Begründung seiner nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage machte er geltend, die Genehmigung habe nicht als Änderungsgenehmigung ohne Durchführung einer UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt werden dürfen. 7 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 5. April 2016 die Genehmigung aufgehoben. 8 Der Kläger habe einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG i.d.F. vom 20. November 2015 wegen Fehlens der erforderlichen UVP. Bei dem Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerk handele es sich nicht lediglich um eine Änderung der bereits geplanten und genehmigten thermischen Abfallbehandlungsanlage, sondern um die immissionsschutzrechtliche Neuerrichtung einer solchen Anlage. Hierfür sei nach § 3b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Ziffer 8.1.1 der Anlage zum UVPG i.d.F. des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes vom 9. Dezember 2006 eine UVP zwingend vorgesehen. Bei der Einordnung als Neuerrichtung falle wesentlich ins Gewicht, dass das Vorhaben nach seiner Verwirklichung nicht mehr Teil der ursprünglich genehmigten Restabfallbeseitigungsanlage sei. Entscheidend seien insoweit die Unterschiede zwischen den Anlagen bzw. ihren Teilen, insbesondere die Kapazitätserhöhung und der Einsatz heizwertreicherer Ersatz- oder Sekundärbrennstoffe, was nahezu zu einer Verdoppelung der maximalen Feuerungswärmeleistung führe. Insgesamt sei der Gesamtcharakter der thermischen Abfallbehandlungsanlage derart geändert worden, dass die gesamte Anlage als neue Anlage qualifiziert werden müsse. 9 Die Durchführung einer UVP wäre aber auch dann erforderlich gewesen, wenn es sich nur um ein Änderungsvorhaben handeln würde. Für diesen Fall habe das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung zwar nur die Pflicht zur Vorprüfung eines Einzelfalls vorgesehen. Die Pflicht ergebe sich jedoch aus der UVP-Richtlinie selbst, die insoweit unmittelbar anwendbar sei. Auch dieser Verfahrensfehler werde von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG erfasst. 10 Das Verfahren könne nicht zur Nachholung der erforderlichen UVP nach § 4 Abs. 1b Satz 2 UmwRG a.F. ausgesetzt werden. Auch nach dieser Regelung könne eine erforderliche, aber unterlassene UVP im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden. 11 Die Genehmigung sei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG a.F. zudem wegen der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 10 BImSchG aufzuheben, die sowohl bei der Neuerrichtung als auch bei einer wesentlichen Änderung der bereits genehmigten Anlage aus unionsrechtlichen Gründen erforderlich gewesen sei. 12 Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beigeladene Verfahrensmängel und trägt des Weiteren vor, dass das Urteil zu Unrecht eine UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens und eine Verpflichtung des Beklagten zur Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung angenommen habe. Aber auch wenn man insoweit von einem Fehler des Verwaltungsverfahrens ausgehe, führe dies nach der mittlerweile in Kraft getretenen Vorschrift des § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG n.F. wegen der Heilbarkeit des unterstellten Verfahrensfehlers in einem ergänzenden Verfahren nicht zur Aufhebung der Genehmigung. Noch im Revisionsverfahren könne das Gericht die Verhandlung bis zur Heilung der Verfahrensfehler aussetzen. Die Aussetzung sei hier im Interesse der Verfahrenskonzentration sachdienlich. 13 Die Beigeladene beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. April 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. September 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Verhandlung bis zur Heilung von Verfahrensfehlern auszusetzen. 14 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. 15 Er verteidigt das angefochtene Urteil und wendet sich gegen die beantragte Aussetzung des Verfahrens. 16 Der Beklagte unterstützt die Revision der Beigeladenen. Dem Kläger stehe bei unterstellter Richtigkeit der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zu den Verfahrensfehlern kein Anspruch auf Aufhebung nach § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG n.F. sondern nur ein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 UmwRG n.F. zu. Sowohl die UVP als auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung könnten nachgeholt werden. Aufgrund dieser Heilungsmöglichkeit sperre § 4 Abs. 1b UmwRG die Aufhebung. II 17 Die zulässige Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg (1.). Die Aufhebung der verfahrensfehlerhaft erteilten Genehmigung durch das Oberverwaltungsgericht begründet wegen der nunmehr gebotenen Anwendung des § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG n.F. allerdings einen Bundesrechtsverstoß (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (2.). Ob sich die Aufhebung der Genehmigung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 2 VwGO), lässt sich mangels tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur materiellen Genehmigungsfähigkeit der Anlage nicht feststellen, sodass das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) (3.). 18 1. Die von der Beigeladenen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. 19 a) Das Oberverwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers nicht verfahrensfehlerhaft bejaht. 20 Das Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe die Nachbareigenschaft des Klägers im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG zu Unrecht angenommen, führt nicht auf einen Verfahrensmangel, sondern betrifft eine materiell-rechtliche Vorfrage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 25.09 - NVwZ 2010, 256 Rn. 30). Ein Bundesrechtsverstoß liegt insoweit nicht vor. Der Begriff der Nachbarschaft, die bei Errichtung und Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu schützen ist, knüpft an den Einwirkungsbereich der Anlage an und setzt eine räumliche Nähe voraus. Zur Nachbarschaft zählen nur solche Personen, die sich in dem Einwirkungsbereich der Anlage mehr als nur gelegentlich aufhalten bzw. Rechte an dort befindlichen Sachen haben. Voraussetzung ist eine sachliche und dauerhafte Bindung zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs im Sinne eines qualifizierten Betroffenseins, die sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 - BVerwGE 101, 157 <164 f.>). Zur Nachbarschaft gehören jedenfalls Eigentümer und Bewohner von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 - 7 C 50.78 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 6 S. 19 f.), der durch untergesetzliche Regelwerke näher konkretisiert wird. In der TA Luft wird die relevante Vorbelastung durch Messungen an festgelegten Beurteilungspunkten innerhalb des Beurteilungsgebietes bestimmt (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 3 Rn. 38), das sich aufgrund seiner Funktion mit dem Einwirkungsgebiet deckt (Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2018, § 3 BImSchG Rn. 28). Beurteilungsgebiet ist gemäß Nr. 4.6.2.5 TA Luft die Fläche, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befindet, der dem 50fachen der tatsächlichen Schornsteinhöhe entspricht und in der die Zusatzbelastung im Aufpunkt mehr als 3,0 vom Hundert des Langzeitkonzentrationswertes beträgt. 21 Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts liegt das 1,6 km von der Anlage entfernte Grundstück des Klägers im 2,5 km-Radius (50 m Schornsteinhöhe x 50) des Beurteilungsgebietes (UA S. 17). Zwar wird nach der Immissionsprognose in den Antragsunterlagen die Gesamtbelastung für die Beurteilungswerte mit Ausnahme von Benzo(a)pyren eingehalten; für Letztere wird die 3%-Marke gerade erreicht (GfBU-Gutachten vom 22. Januar 2007 S. 33 ff. unter 5.2.1). Das Oberverwaltungsgericht stellt bei der Annahme der Klagebefugnis aber darauf ab, dass danach genau die Grenze des Zulässigen erreicht werde und der Kläger bei einer derart knapp verfehlten Betroffenheit die Möglichkeit haben müsse, die Richtigkeit des Gutachtens im gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen (UA S. 17). Damit werden die prozessrechtlichen Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO nicht verfehlt. Mit dem von ihm im Widerspruchsverfahren vorgelegten Gutachten von Gebhardt vom 15. August 2008 hat der Kläger die Begutachtung aus den Genehmigungsunterlagen (GfBU-Gutachten) qualifiziert angezweifelt. Bei der knappen Einhaltung der 3%-Irrelevanzschwelle der Nr. 4.6.2.5 der TA Luft erscheint eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten nicht ausgeschlossen, sodass die Klagebefugnis bejaht werden kann. 22 b) Das Oberverwaltungsgericht hat kein unzulässiges Zwischen- bzw. Teilurteil erlassen, indem es ausdrücklich nur den Ausgangsbescheid vom 12. März 2007 und nicht auch den Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2009 aufgehoben hat. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), sodass der Widerspruchsbescheid grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung hat und die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes genügt. Da der Widerspruchsbescheid den Widerspruch lediglich (vollumfänglich) zurückweist, begründet er gegenüber dem Ausgangsbescheid keine eigenständige Beschwer des Klägers. Der Widerspruchsbescheid teilt in diesem Fall das Schicksal des Ausgangsbescheides (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 1975 - 7 B 38.75 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 29). 23 c) Die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens nach § 4 Abs. 1b Satz 2 UmwRG a.F. durch das Oberverwaltungsgericht ist einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. 24 Eine Aussetzungsentscheidung unterliegt in Folge der Sperrwirkung des § 557 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) regelmäßig nicht einer Beurteilung durch das Revisionsgericht, weil Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts über eine Verfahrensaussetzung gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar sind. Nichts anderes gilt, wenn über eine hilfsweise begehrte Aussetzung im Urteil entschieden und diese verweigert wird (BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 - 10 C 2.10 - BVerwGE 139, 272 Rn. 15). Da sich die Aussetzung nach § 4 Abs. 1b Satz 2 UmwRG a.F. zur Heilung von Verfahrensfehlern der Sache und ihrer Wirkung nach nicht von der Aussetzung nach § 94 VwGO unterscheidet, gelten diese Grundsätze entsprechend. Eine Überprüfung der Zwischenentscheidung kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Verweigerung der Aussetzung des Verfahrens zu einem verfahrensrechtlichen Folgemangel geführt hat, der dem angefochtenen Urteil weiter anhaftet (vgl. Naumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 11). Dies ist hier weder dargelegt noch sonst ersichtlich. 25 Ist dem Senat danach eine Überprüfung der Ablehnung der Aussetzung durch das Oberverwaltungsgericht verwehrt, kommt es auf die von der Revision aufgeworfene unionsrechtliche Frage nicht mehr entscheidungserheblich an, sodass die angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union schon deswegen ausscheidet. 26 2. Im Einklang mit Bundesrecht bejaht das Oberverwaltungsgericht eine UVP-Pflicht für das Vorhaben und die Erforderlichkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung (a). Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung rechtfertigt jedoch wegen des zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltenden § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG i.d.F. des Gesetzes vom 20. November 2015, zuletzt neu gefasst durch Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290 - UmwRG n.F.), nicht die Aufhebung der Genehmigung (b). 27 a) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für das Vorhaben sei zu dem für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt sowohl eine UVP als auch eine Öffentlichkeitbeteiligung erforderlich gewesen, sodass deren Unterlassen einen absoluten Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1a bzw. 2 UmwRG begründet, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 28 aa) Bei den für den Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 Nr. 1a und 2 i.V.m. Abs. 3 UmwRG maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen des Fehlens einer UVP und einer Öffentlichkeitsbeteiligung stellt das Oberverwaltungsgericht zutreffend auf die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 12. März 2007 geltende Rechtslage ab. Zwar ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Falle der Drittanfechtung auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier auf den Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2008 - abzustellen, zu dem die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 - Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5 S. 2). Bei der Aufhebung einer Entscheidung nach § 4 Abs. 1 UmwRG kommt es dagegen auf das Vorliegen eines (absoluten) Verfahrensfehlers an, sodass die für dieses Verfahren bis zu dessen Abschluss durch Genehmigungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist. Diese wird vorliegend durch das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz in der Fassung des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819 - UVPG a.F.) bestimmt. 29 bb) Zur Genehmigung des Vorhabens war eine UVP erforderlich. Dies gilt bei Beachtung des Unionsrechts unabhängig davon, ob das Vorhaben eine Neuerrichtung oder eine wesentliche Änderung der genehmigten Anlage darstellt, sodass es einer diesbezüglichen Festlegung nicht bedarf. 30 Die Neuerrichtung einer thermischen Abfallbeseitigungsanlage war nach § 3b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Ziffer 8.1.1 Spalte 1 der Anlage 1 zum UVPG a.F. UVP-pflichtig. 31 Die Änderung beziehungsweise Erweiterung der Anlage hatte nach nationalem Recht gemäß dem insoweit maßgeblichen § 3e Abs. 1 UVPG a.F. lediglich eine Pflicht zur Vorprüfung des Einzelfalls zur Folge. Nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG a.F. bestand eine UVP-Pflicht nur, wenn durch die Änderung oder Erweiterung die in der Anlage 1 zum UVPG für Vorhaben der Spalte 1 angegebenen Größen- oder Leistungswerte selbst erreicht oder überschritten werden. Das schied bei Ziffer 8.1.1 der Anlage 1 zum UVPG a.F. aber aus, weil darin - im Unterschied zu der am 30. Oktober 2007 durch das Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470) geänderten Rechtslage - solche Werte nicht festgelegt waren. Die Pflicht zur Vorprüfung des Einzelfalls führte zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen hat, sodass gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG a.F. eine UVP nicht erforderlich war. 32 Bei Annahme einer Änderung der Anlage gebietet indes das Unionsrecht die Durchführung einer UVP. Dies folgt, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, aus der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der maßgeblichen Fassung der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (UVP-RL 2003). Die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung der Richtlinie sind gegeben. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie 97/11/EG, die in Nr. 10 des Anhangs I zu Art. 4 Abs. 1 bereits eine UVP-Pflicht für Abfallbeseitigungsanlagen zur Verbrennung ungefährlicher Abfälle mit Kapazität von mehr als 100 t/d enthielt, war am 14. März 1999 abgelaufen. Die Umsetzungsfrist für die Änderungen durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG lief bis zum 25. Juni 2005. Die maßgeblichen Vorschriften der Richtlinie sind für eine unmittelbare Anwendung auch hinreichend bestimmt. Ein Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bezüglich der Begründung einer UVP-Pflicht nach Art. 4 Abs. 2 UVP-RL 2003 besteht nur für Projekte des Anhangs II. Hier handelt es sich aber um ein Projekt nach Nr. 10 beziehungsweise Nr. 22 des Anhangs I, das gemäß Art. 4 Abs. 1 UVP-RL 2003 zwingend einer UVP zu unterziehen ist, sodass insoweit kein mitgliedstaatlicher Umsetzungsspielraum besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. August 1995 - C-431/92 [ECLI:​EU:​C:​1995:​260], Großkrotzenburg - Rn. 37 ff.). Die mit dem Vorhaben Sekundärbrennstoff-Heizkraftwerk einhergehende Kapazitätserweiterung gegenüber der thermischen Abfallbehandlungsanlage überschreitet den Schwellenwert der Nr. 10 des Anhangs I der UVP-RL 2003 von 100 t/d, der gemäß Nr. 22 für jede Änderung oder Erweiterung von Projekten gilt, die für sich genommen die Schwellenwerte erreicht. Danach ist eine an den genannten Grenzwerten orientierte typisierende Betrachtung der Anlage anzustellen, sodass mit dem Oberverwaltungsgericht allein auf die Größe der Anlage unter Berücksichtigung des genehmigten Umfangs der Kapazitätserweiterung und nicht mit der Revision auf den angeblich tatsächlich nur nutzbaren Teil abzustellen ist. 33 Zu Unrecht wendet die Revision ein, das Oberverwaltungsgericht überschreite die Grenzen der unionsrechtskonformen Auslegung, indem es § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG über den Wortlaut hinaus nicht nur bei einer sich nach dem nationalen Recht, sondern auch bei einer sich aus der unmittelbaren Anwendung des Unionsrechts ergebenden UVP- und Öffentlichkeitsbeteiligungspflicht anwendet (UA S. 30 f.). Angesichts der dargelegten unionsrechtlichen Vorgaben der UVP-RL 2003 einerseits und unter Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes (Art. 197 Abs. 1 AEUV) sowie des Äquivalenzprinzips (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Dezember 1995 - C-312/93 [ECLI:​EU:​C:​1995:​437], Peterbroeck - Rn. 12 und vom 16. Mai 2000 - C-78/98 [ECLI:​EU:​C:​2000:​247], Preston u.a. - Rn. 31) andererseits ist eine unionsrechtskonforme Auslegung dahingehend geboten, dass das Unterlassen auch einer bei unmittelbarer Anwendung einer Richtlinienbestimmung vorgeschriebenen UVP als absoluter Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG anzusehen ist. Hierfür spricht der Umstand, dass die Vorschrift der europarechtskonformen Umsetzung von Artikel 10a der geänderten UVP-Richtlinie dient (BT-Drs. 16/2495 S. 14). 34 cc) Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht auch eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung für das Vorhaben angenommen. Besteht nach obigen Ausführungen eine UVP-Pflicht, folgt diese bereits unmittelbar aus § 9 Abs. 1 UVPG a.F. 35 b) Der durch die unterlassene UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung begründete Verfahrensfehler rechtfertigt nicht die Aufhebung der Genehmigung. Auf Grundlage des zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltenden § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG i.d.F. des Gesetzes vom 20. November 2015, zuletzt neu gefasst durch Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290 - UmwRG n.F.), der nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in laufenden Gerichtsverfahren anzuwenden ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung, weil nicht auszuschließen ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschriften über die UVP-Pflicht und die Öffentlichkeitsbeteiligung durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. 36 aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung der Entscheidung u.a. dann verlangt werden, wenn eine erforderliche UVP (Nr. 1 Buchst. a) oder eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG (Nr. 2) weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist. Diese Fehler sind erheblich, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (BVerwG, Urteile vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 - Buchholz 451.91 EuropUmwR Nr. 55 Rn. 21 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34). 37 Die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG gilt in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage; sie ist aber gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO entsprechend anwendbar mit der Folge, dass die Verfahrensfehler ungeachtet der sonst geltenden einschränkenden Maßgaben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zur Begründetheit der Klage führen (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 21 f., vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 34 und vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 16 Rn. 23). 38 bb) Nach § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG n.F. führt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. 39 Die vorliegend unterlassenen Verfahrenshandlungen können nachgeholt werden, indem das ursprüngliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren wieder aufgenommen und insoweit wiederholt wird, als es fehlerhaft war. Dieser Bezug auf das ursprüngliche Verfahren verbietet es, das Vorhaben im ergänzenden Verfahren in seinen Grundzügen oder in wesentlichen Teilen zu modifizieren (vgl. Seibert, NVwZ 2018, 97 <100>). Hierfür ist nichts ersichtlich. Soweit der Kläger mit Blick auf den von der Beigeladenen nunmehr gestellten Antrag auf Neugenehmigung gemäß § 4 BImSchG einwendet, eine Heilung sei nicht möglich, weil der Antrag, der der fehlerbehafteten Genehmigung zugrunde liege, im Hinblick auf die geänderten materiellen Genehmigungsvoraussetzungen wesentlich geändert werden müsse und es dann an der Identität von ursprünglichem und zu heilendem Vorhaben fehle, verkennt er, dass seine Klage allein die Genehmigung des im Antrag vom 10. November 2006 beschriebenen und mit Bescheid vom 12. März 2007 genehmigten Vorhabens betrifft. 40 Insbesondere angesichts des Ergebnisses der UVP-Vorprüfung besteht auch kein Anlass für die Annahme, dass auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen UVP der Erlass eines rechtmäßigen Bescheids von vornherein ausgeschlossen ist. Nur dies hinderte die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2018, § 4 UmwRG Rn. 85). 41 Schließlich steht Unionsrecht der Nachholung der UVP nicht entgegen; dies gilt auch, wenn das Vorhaben vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens bereits errichtet worden ist (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - NVwZ 2018, 1647 Rn. 38 ff. m.w.N.; Fellenberg/Schiller, a.a.O. Rn. 101). 42 3. Der Senat hat eine das Revisionsverfahren abschließende Entscheidung zu treffen. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG n.F. zur Nachholung der unterlassenen Verfahrensschritte, wie von der Beigeladenen beantragt, kommt in der Revisionsinstanz nicht in Betracht (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2017, § 4 UmwRG Rn. 18). Nach § 45 Abs. 2 VwVfG, der nach § 4 Abs. 1b Satz 2 Nr. 1 UmwRG n.F. unberührt bleibt, kann die Verletzung von Verfahrensvorschriften nur bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Die Vorschrift ist erweiternd dahingehend zu verstehen, dass sie nicht auf Verfahrensfehler im Sinne von § 45 Abs. 1 VwVfG beschränkt ist (BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 24). Dies gilt auch bei Anwendung der vorliegend einschlägigen und mit dem Bundesrecht wortgleichen Bestimmung des Landesrechts, die als ""andere entsprechende Rechtsvorschrift"" heranzuziehen ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 - BauR 2015, 1138 <1148>). 43 Mangels Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur materiellen Genehmigungsfähigkeit der Anlage kommt weder eine Zurückweisung der Revision nach § 144 Abs. 4 VwGO noch eine Sachentscheidung des Senats (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) in Betracht, sodass die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Soweit eine Entscheidung auf der Grundlage des § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG n.F. zu treffen ist, wird das Oberverwaltungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob der Anspruch unter Verzicht auf die Erklärung der Nichtvollziehbarkeit auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Genehmigung zu beschränken ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - NVwZ 2018, 1647 Rn. 46)." bverwg_2018-68,28.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 68/2018 vom 28.09.2018 EN Bayerischer Landtag muss der Presse Auskunft über die Höhe der Vergütung der im häuslichen Abgeordnetenbüro beschäftigten Ehefrau erteilen Das Bundesverwaltungsgericht hat am 27. September 2018 entschieden, dass das Landtagsamt einem Journalisten Auskunft über das von einem Landtagsabgeordneten an seine Ehefrau für die Beschäftigung im häuslichen Abgeordnetenbüro gezahlte Bruttogehalt geben muss. Das Verwaltungsgericht München hatte der Klage auf Auskunftserteilung stattgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die schutzwürdigen Interessen des Abgeordneten und seiner Ehefrau stünden der begehrten Auskunft entgegen. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Nach der hier erforderlichen Abwägung gebührt dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse der Vorrang gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Freiheit des Mandats und dem Schutz personenbezogener Daten des Abgeordneten und seiner Ehefrau. BVerwG 7 C 5.17 - Urteil vom 27. September 2018 Vorinstanzen: VGH München, 7 B 16.454 - Urteil vom 24. November 2016 - VG München, M 10 K 13.4759 - Urteil vom 16. April 2015 -","Urteil vom 27.09.2018 - BVerwG 7 C 5.17ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C5.17.0 EN Auskunftsanspruch hinsichtlich einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Verwandtenbeschäftigung Leitsätze: 1. Ist die Entscheidung zur Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten in den privaten Bereich dem Grunde nach durch den Gesetzgeber getroffen worden, steht einer Übertragung der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO formulierten materiellen Anforderungen zur gebotenen inhaltlichen Ausformung der Datenverarbeitung nichts entgegen. 2. Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist - in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen - bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist. 3. Im Fall einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Verwandtenbeschäftigung im häuslichen Bereich eines Abgeordneten überwiegt das Informationsinteresse der Presse, die Höhe der gezahlten Bruttovergütung zu erfahren, die schutzwürdigen Belange des Abgeordneten und der von ihm beschäftigten Verwandten. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayPrG Art. 4 BayAbgG Art. 4a Abs. 3, Art. 6 Abs. 7 a.F., Art. 8 n.F. BayDSG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DS-GVO Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f, Unterabs. 2 Instanzenzug VG München - 16.04.2015 - AZ: VG M 10 K 13.4759 VGH München - 24.11.2016 - AZ: VGH 7 B 16.454 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 - 7 C 5.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C5.17.0] Urteil BVerwG 7 C 5.17 VG München - 16.04.2015 - AZ: VG M 10 K 13.4759 VGH München - 24.11.2016 - AZ: VGH 7 B 16.454 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2016 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. April 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, Journalist bei einer Tageszeitung, macht einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Landtagsamt des Beklagten geltend. 2 Mit Bescheid vom 12. September 2013 lehnte die Präsidentin des Bayerischen Landtags den Antrag des Klägers ab, ihm Auskunft über das von dem Beigeladenen zu 1 als Landtagsabgeordneten an die Beigeladene zu 2, seine Ehefrau, für ihre Tätigkeit als Sekretärin im häuslichen Abgeordnetenbüro gezahlte Bruttogehalt in der Zeit zwischen 1995 und 2013 zu erteilen. Diese Kosten wurden vom Landtag nach Maßgabe des Bayerischen Abgeordnetengesetzes erstattet. 3 Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Verwaltungsgericht den Beklagten, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche jährliche Bruttovergütung der Beigeladene zu 1 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 2 als Sekretärin im häuslichen Abgeordnetenbüro des Beigeladenen zu 1 zwischen 2000 und dem 30. September 2013 geltend gemacht hat. 4 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Bei der im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach Art. 4 BayPrG gebotenen Abwägung müssten die schutzwürdigen Interessen der Beigeladenen nicht hinter dem Informationsinteresse der Presse zurücktreten. Zwar komme eine Bewertung und Gewichtung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Der Schutz der Beigeladenen vor unbefugter Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten, der beim Beigeladenen zu 1 von der Freiheit des Mandats verstärkt werde, sei jedoch gesetzlich nicht eingeschränkt. Nach dem Bayerischen Abgeordnetengesetz bestehe keine Pflicht zur Anzeige und Veröffentlichung von Kosten, die einem Landtagsmitglied zur Unterstützung seiner parlamentarischen Arbeit durch Arbeits-, Dienst- und Werkverträge entstanden seien. Öffentlich bekannt seien lediglich die Erstattungshöchstbeträge, bis zu denen ein Landtagsabgeordneter Kostenerstattung verlangen könne, nicht jedoch die näheren persönlichen Lebenssachverhalte wie etwa die durch einzelne Mitarbeiter entstandenen Kosten. Es gebe schriftlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen die gesetzlichen Grenzen bei der Inanspruchnahme der Kostenerstattung überschritten hätten. 5 Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, dem Auskunftsanspruch stehe weder eine aus Beamtenrecht noch aus sonstigen gesetzlichen Vorschriften resultierende Verschwiegenheitspflicht entgegen. Eine Preisgabe geschützter personenbezogener Daten des Beigeladenen zu 1 komme nicht in Betracht. Gegenüber dem Interesse der Beigeladenen zu 2 an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten überwiege das öffentliche Informationsinteresse an der Aufklärung der Verwandtenaffäre des Bayerischen Landtags. Für von der öffentlichen Hand bezogene Gehälter gelte nicht das gleiche Schutzniveau wie für Gehaltszahlungen in der Privatwirtschaft. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2016 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. April 2015 zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass sich die Verurteilung zur Gewährung von Auskünften auf die Zeit ab dem 1. Juli 2004 bezieht. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. II 9 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den geltend gemachten presserechtlichen Auskunftsanspruch unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verneint (1.). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und die Berufung gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO; 2.). 10 1. Die Auslegung und Anwendung des landesrechtlichen Presseauskunftsanspruchs durch den Verwaltungsgerichtshof ist einer revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich (a). Die Ablehnung des Anspruchs ist nicht mit Bundesrecht vereinbar (b). 11 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat über den geltend gemachten Anspruch nach Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 2000 (GVBl 2000, 340) in Anwendung revisiblen Rechts entschieden. 12 Ein Instanzgericht wendet revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden sieht (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> und vom 1. Oktober 2014 - 6 C 35.13 - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 20). Der Kläger stützt seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch auf Art. 4 Abs. 1 BayPrG, wonach die Presse gegenüber Behörden ein Auskunftsrecht hat, das sie unter anderem durch ihre Redakteure ausüben kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Annahme einer dem Anspruch entgegenstehenden, aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften bestehenden Verschwiegenheitspflicht (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG) dahingehend begründet, dass die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der Beigeladenen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Auskunftsinteresse des Klägers überwögen. Insoweit beruht die Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des Art. 4 BayPrG auf einer bestimmten Gewichtung und Abwägung nach Maßgabe revisiblen Rechts. 13 b) Die Auslegung und Anwendung von Art. 4 BayPrG durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. 14 aa) Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf der Presseauskunftsanspruch nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich Verschwiegenheitspflichten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG aus Grundrechten Dritter, hier dem Recht der Beigeladenen, auf informationelle Selbstbestimmung ergeben können und in diesem Fall eine Abwägung des verfassungsrechtlich geschützten Interesses der Presse mit dem Interesse der Beigeladenen vorzunehmen ist (UA S. 5). Dies entspricht dem für den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch geltenden Maßstab, wonach ein solcher Anspruch besteht, soweit ihm berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit der Information nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 16 m.w.N.). Dabei sind die widerstreitenden Grundrechtspositionen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen; im Wege praktischer Konkordanz ist jeweils abzuwägen, ob dem Informationsinteresse der Presse aufgrund der Pressefreiheit oder einem schützenswerten Interesse betroffener Dritter der Vorzug zu geben ist. (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). 15 bb) Gleichfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Abwägung nur dann eröffnet ist, wenn der mit der Weitergabe personenbezogener Daten verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sich auf eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage stützen kann, die insbesondere den Anforderungen an die Normenklarheit genügt (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1<44>; BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 27). 16 Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit nur die Offenbarungspflichten nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bayerischen Landtags (Bayerisches Abgeordnetengesetz - BayAbgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 1996 (GVBl S. 82), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2017, in den Blick. Die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass damit die Offenlegung mandatsbezogener Informationen grundsätzlich abschließend geregelt werde, und der daraus folgende absolute Schutz der von diesen Vorschriften nicht erfassten Informationen verfehlt die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 17 (1) Nach Art. 4a Abs. 3 BayAbgG in Verbindung mit den vom Landtag erlassenen Verhaltensregeln ist der Abgeordnete zur Anzeige und Veröffentlichung bestimmter persönlicher Verhältnisse, etwa Art und Höhe bestimmter Einkünfte, verpflichtet. Der Verwaltungsgerichtshof weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Regelungen über die Erstattung der Kosten für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge zur Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeit des Abgeordneten eine Offenlegung der Sachverhalte nicht vorsehen und durch die Festlegungen im Haushaltsgesetz lediglich die Erstattungshöchstbeträge öffentlich bekannt sind. Ob dies im Gegenschluss die Annahme rechtfertigt, insoweit scheide eine weitere mandatsbezogene Transparenz aus, erscheint zweifelhaft. Denn Art. 4a Abs. 3 BayAbgG zielt auf die Offenlegung von Umständen, die auf mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten und damit auf eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Abgeordneten durch Loyalitätskonflikte sowie eine Beeinträchtigung der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Landtags schließen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1-4/06 - BVerfGE 118, 277 <352 ff.>), während es vorliegend um die sachangemessene Verwendung öffentlicher Gelder geht. An die Auslegung des Landesrechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist der Senat indessen nicht gebunden; ihr steht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen. 18 Der verfassungsrechtlich gewährleistete Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse gebietet, dass - von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen - die dem Auskunftsanspruch entgegenstehenden Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung getragen wird, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Ungeachtet seiner rechtlichen Verortung darf ein genereller, abwägungsfester Vorrang eines privaten oder öffentlichen Vertraulichkeitsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse nur dann normiert werden, wenn dies demjenigen Abwägungsergebnis entspricht, das in aller Regel in Einzelfällen tatsächlich erzielt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 30). Angesichts des Doppelstatus des Abgeordneten als Mandatsträger und Privatperson darf das Abgeordnetengesetz zwar sowohl der Freiheit des Mandats als auch den persönlichen Belangen des Abgeordneten als Schutzgütern Rechnung tragen. Dass insbesondere bei den individuellen Interessen des Abgeordneten ein Schutzbedarf anzunehmen ist, der sich generalisierend gegenüber dem Informationsinteresse der Presse sollte durchsetzen können, ist aber weder dargetan noch sonst ersichtlich. 19 (2) Ausgehend von seiner Rechtsauffassung verschließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Heranziehung weiterer Rechtsvorschriften, die den Anforderungen für einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht genügen und deswegen Grundlage einer umfassenden Abwägung sein können. 20 Eine solche Vorschrift findet sich zwar weder allein im presserechtlichen Normbestand, wovon der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeht, noch in Gestalt einer eigenständigen Rechtsgrundlage in den datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die presserechtliche Anspruchsgrundlage ist jedoch insoweit um datenschutzrechtliche Vorgaben zu ergänzen. 21 (2.1) Art. 4 Abs. 2 BayPrG ist insoweit unzureichend. Denn im Unterschied zu anderen in den Landespressegesetzen geregelten Auskunftsansprüchen werden die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Dritten nicht einmal erwähnt; ein Bezug auf diese Schutzgüter wird allein über die dort benannten Verschwiegenheitspflichten hergestellt, ohne dies zu konkretisieren (vgl. Hornung, AfP 2017, 390 <393>; Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Stand September 2003, Art. 19 BayDSG Rn. 11a). 22 (2.2) Diese Lücke wird nicht (mehr) durch eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage ausgefüllt. 23 Maßgeblich ist die Rechtslage nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Warenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DS-GVO; ABl. L 119 S. 1) und der hierauf bezogenen Anpassung des nationalen Rechts durch die Neufassung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) vom 15. Mai 2018 (GVBl S. 230). Diese Rechtsänderung ist im Revisionsverfahren zu beachten, denn das Berufungsgericht, entschiede es anstelle des Revisionsgerichts, hätte sie seinerseits zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 14 m.w.N.). Für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Auskunftsanspruch ist mangels abweichender Regelungen die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. 24 Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden. Diese Vorschrift, die nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG insbesondere das behördliche Handeln regelt und nach Art. 2 BayDSG auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Datenschutz-Grundverordnung - d.h. auch bei nicht automatisierter Verarbeitung der Daten und außerhalb einer Tätigkeit im Anwendungsbereich des Unionsrechts - an deren Vorgaben zu messen ist (siehe Bayerischer Landtag, Drs. 17/19628 S. 32), ist allerdings keine taugliche Rechtsgrundlage. Mit ihrem 1. Halbsatz tritt die Vorschrift zwar an die Stelle des im Wesentlichen gleichlautenden Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG a.F., der ebenso wie die vergleichbare Bestimmung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F. als Grundlage für Auskünfte an die Presse angesehen worden ist (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, a.a.O., Art. 19 BayDSG Rn. 11a, 14 f.; Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. 2015, § 16 Rn. 10; siehe auch Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 16 Rn. 13, 15). Vor dem Hintergrund der Änderungen im Unionsrecht kann die bisherige Rechtslage jedoch nicht fortgeschrieben werden (so aber etwa auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Parallelvorschrift in § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, BT-Drs. 18/11352 S. 96). 25 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist mit der Datenschutz-Grundverordnung nicht vereinbar. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar. Sie ist grundsätzlich weder auf eine Umsetzung angewiesen, noch ist dies überhaupt zulässig; selbst eine Normwiederholung im nationalen Recht ist dem Grunde nach ausgeschlossen. Nur im Rahmen ausdrücklicher Ermächtigungen können ihre Regelungen vom nationalen Gesetzgeber spezifiziert, präzisiert und konkretisiert werden (siehe Selmayr/Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Einführung Rn. 80 ff. sowie die Erläuterungen in BT-Drs. 18/11325 S. 73 f.). Nach dem Hinweis in der amtlichen Überschrift findet Art. 5 BayDSG seine Rechtfertigung in Art. 6 Abs. 2 bis 4 DS-GVO, soweit dem nationalen Gesetzgeber darin Regelungsspielräume eingeräumt werden. Jedenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG trifft dies nicht zu. 26 Auf die Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO kann diese Norm schon deswegen nicht gestützt werden, weil danach nur eine Konkretisierung der Regelungen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO erlaubt ist, während die landesrechtliche Bestimmung an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO anknüpft. Als Norm, die die Reichweite dieses Erlaubnistatbestands klarstellend verdeutlicht und deswegen nach Maßgabe von Erwägungsgrund 8 zur DS-GVO, d.h. wegen der Kohärenz und Verständlichkeit der Regelung, mit dem grundsätzlichen Normwiederholungsverbot ausnahmsweise vereinbar ist (so Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, a.a.O., Art. 5 BayDSG Rn. 15 f.), kann die Vorschrift ebenso wenig Bestand haben. Denn im Unterschied zur Vorgängervorschrift des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr - Datenschutz-Richtlinie - (ABl. L 281 S. 31) gilt Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO nach Unterabs. 2 nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung. Eine Unterscheidung nach ""eigennützigen"" und ""fremdnützigen"" Aufgaben ist nicht möglich. Erfasst sind vielmehr die durch Gesetz übertragenen Aufgaben im Rahmen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung. Damit fällt jegliche Datenverarbeitung in Erfüllung hoheitlicher Funktionen, wozu auch die Beantwortung von Presseanfragen zählt, unter den Ausschlusstatbestand und ist den Erlaubnistatbeständen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO zuzuordnen. Denn die hoheitliche behördliche Tätigkeit ist ausweislich von Erwägungsgrund 47 Satz 5 immer auf eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage angewiesen. Dieses Erfordernis kann nicht durch einen umfassenden Auffangtatbestand überspielt werden. Demgegenüber ist der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO einschlägig, wenn die Behörde als Teilnehmer im Privatrechtsverkehr auftritt (Albers/Veit, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1. Mai 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 46; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 51 f.; Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, Art. 6 DS-GVO Rn. 56; Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 26). 27 Auch Art. 6 Abs. 4 DS-GVO ermöglicht dem nationalen Gesetzgeber nicht, den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereichs zu erweitern. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber von einem solchen Verständnis des Art. 6 Abs. 4 DS-GVO ausgegangen ist. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insofern auf eine Ergänzung der spezifischen Zweckänderungserlaubnisse in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 BayDSG (Bayerischer Landtag, Drs. 17/19628 S. 34), die sich an Art. 6 Abs. 4 DS-GVO messen lassen müssen. Auch bei der bundesrechtlichen Parallelvorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG fehlt in der Begründung des Gesetzentwurfs - im Unterschied zu §§ 23 und 24 BDSG - ein entsprechender Hinweis (BT-Drs. 18/11325 S. 95 f.; anders die ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 4 DS-GVO in der Begründung des Gesetzentwurfs zur gleichlautenden Vorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 2 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vom 3. Mai 2018 , LT-Drs. 19/5726 S. 127 f.). Jedenfalls ist Art. 6 Abs. 4 DS-GVO keine neben Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO stehende übergreifende Öffnungsklausel; er bezieht sich vielmehr allein auf die Zweckänderungsbefugnis im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO zulässigen Datenverarbeitung (vgl. Albers/Veit, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 71 f., 77; Heberlein, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 48; Reimer, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 67; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 182 f., 199 f.; siehe aber auch Schulz, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 216, 239 ff.). 28 (2.3) Scheiden hiernach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG und in gleicher Weise die vorrangige Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO als eigenständige Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs aus, kann letztere gleichwohl zur inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung dieses Anspruchs herangezogen werden, der dann den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügt. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO ist, wie dargelegt, auf behördliche Tätigkeiten nicht anwendbar, weil die Übermittlung von personenbezogenen Daten in den privaten und folglich weniger kontrollierten Bereich einer ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung bedarf. Ist diese Entscheidung allerdings dem Grunde nach durch den Gesetzgeber getroffen worden, steht einer Übertragung der dort formulierten materiellen Anforderungen zur gebotenen inhaltlichen Ausformung der Datenverarbeitung, die grundlegenden datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt, nichts entgegen. 29 2. Die auf dieser Grundlage eröffnete umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zugunsten des Auskunftsanspruchs des Klägers aus, so dass das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 30 a) Der Kläger hat unter Berufung auf seine Tätigkeit als Journalist und die Berichterstattung über die sogenannte Verwandtenaffäre im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Familienangehörigen durch Landtagsabgeordnete ein berechtigtes Interesse an der Informationsübermittlung dargelegt. Mit Blick auf die Garantie der institutionellen Eigenständigkeit der Presse (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 - 7 C 139.81 - BVerwGE 70, 310 <311>) und das Verbot einer publizistischen Relevanzprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 18) ist mehr nicht zu fordern. Insbesondere ist unbeachtlich, ob der Kläger bereits jetzt Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kostenerstattung durch den Beigeladenen zu 1 aufzeigen kann. Das ist der journalistischen Bewertung nach der begehrten Auskunftserteilung vorbehalten. 31 Nichts Abweichendes ergibt sich aus dem Hinweis des Beklagten auf das Urteil des Europäischen Gerichts vom 25. September 2018 - T-639/15 u.a. [ECLI:​EU:​T:​2018:​602], Psara/Parlament. Die dortigen Ausführungen zu den engen Voraussetzungen, unter denen eine Herausgabe personenbezogener Daten von Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Betracht kommt (Rn. 52 ff., 71 ff.), beziehen sich auf eine andere Rechtslage. Das Erfordernis des Nachweises der Notwendigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten ergibt sich ausdrücklich aus Art. 8 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr - EU-DatenschutzVO - (ABl. 2001, L 8 S. 1), der bei der Prüfung eines Antrags auf Informationszugang auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission - TransparenzVO - (ABl. L 145 S. 43) bei dem absoluten Ablehnungsgrund nach deren Art. 4 Abs. 1 Buchst. b (Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen) heranzuziehen und in vollem Umfang anwendbar ist (EuGH, Urteile vom 29. Juni 2010 - C-28/08 P [ECLI:​EU:​C:​2010:​378], Bavarian Lager - Rn. 63 ff., 77 und vom 16. Juli 2015 - C-615/13 P [ECLI:​EU:​C:​2015:​489], Client Earth u.a. - Rn. 44 ff.). Ansatzpunkte für eine Übertragbarkeit der dortigen Erwägungen ergeben sich nicht daraus, dass das Erfordernis der Notwendigkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verstanden wird (EuG, Urteil vom 25. September 2018 - T-639/15 u.a. - Rn. 72), der auch in anderen unionsrechtlich determinierten Regelungszusammenhängen zu beachten ist. Soweit die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der EU-DatenschutzVO auch eine Prüfung des mit der Datenübermittlung verfolgten Ziels umfasst und damit den Ansatz der TransparenzVO jedenfalls ergänzt, wird dem im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO durch das Erfordernis eines berechtigten Interesses Rechnung getragen. Im Übrigen findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO seinen Niederschlag in der Regelung, dass die Datenübermittlung erforderlich sein muss. Danach müssen sich die Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - C-13/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​336], Rigas satiksme - Rn. 30 m.w.N.; siehe auch Erwägungsgrund 39 zur DS-GVO). Dem ist hier Genüge getan; denn das journalistische Aufklärungsinteresse ist zwingend auf die begehrten Auskünfte zu den gezahlten und erstatteten Bruttogehältern angewiesen; ein milderes Mittel zur Interessenwahrung gibt es nicht. 32 b) Demgegenüber ist das schutzwürdige Interesse der Beigeladenen am Ausschluss der Datenübermittlung geringer zu bewerten. 33 Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist - in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen - bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 10 S 33/11 - NVwZ-RR 2012, 107 Rn. 25; Hornung, AfP 2017, 390 <994 f.>; Gersdorf, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. Mai 2017, GG Art. 2 Rn. 42 ff.). In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 - BVerfGE 65, 1 <45>). Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, so dass der Persönlichkeitsschutz weniger weit reicht als in den Fällen der Betroffenheit der Intim- und Privatsphäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 1974/93, 1 BvR 1987/93 - NJW 1997, 2669 <2700> und vom 21. August 2006 - 1 BvR 2606/04 u.a. - NJW 2006, 3406 <3408>). 34 Die Angaben zu dem vom Beigeladenen zu 1 an die Beigeladene zu 2 für die Beschäftigung im häuslichen Abgeordnetenbüro gezahlten Bruttogehalt sind der Sozialsphäre zuzurechnen. Diese umfasst die gesamte Teilnahme am öffentlichen Leben, also die Gegebenheiten, in denen der Einzelne in Kontakt mit anderen tritt. 35 Auch wenn öffentliche Stellen am betreffenden Arbeitsverhältnis nicht beteiligt sind und es folglich nicht dem öffentlichen Dienst zuzuordnen ist, haben die Angaben als Grundlage für eine Kostenerstattung aus Steuermitteln einen gesteigerten Öffentlichkeitsbezug. Die Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten entfällt zwar nicht allein deswegen, weil Leistungen aus öffentlichen Kassen bezahlt und Aufwendungen daraus beglichen werden. Das Informationsinteresse überwiegt aber wegen der besonderen Umstände, die das Beschäftigungsverhältnis prägen. Die Vorgaben der Kostenerstattung an Abgeordnete für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge in Art. 6 Abs. 7 BayAbG a.F., Art. 8 Abs. 1 BayAbgG n.F. zeichnen sich durch eine gegenüber der sonstigen Spesenverwendung aus öffentlichen Mitteln vergleichsweise freie Verfügbarkeit aus. Zu diesem Vertrauensvorschuss hinzu trat - unmittelbar oder aufgrund der sogenannten Altfallregelung - die Möglichkeit einer sogenannten Verwandtenbeschäftigung im häuslichen Bereich, die durch die Möglichkeit einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und insbesondere der Bezahlung ein gewisses abstraktes Missbrauchspotenzial in sich trägt. Diese Missbrauchsanfälligkeit rechtfertigt ein Aufklärungsinteresse der Presse, die aufgrund der begehrten Auskünfte überprüfen kann, ob sich die Vergütung im Rahmen des Angemessenen bewegt. Dabei ist die Höhe der im Haushalt für die Kostenerstattung bereitgestellten Mittel nach der verbindlichen Wirkung der Erläuterungen zum Haushalt ein Indiz für die Angemessenheit der Beschäftigungsvergütung. Danach waren die Mittel mit einer Vollzeitstelle nach TVL Entgeltgruppe 6 für eine Büroarbeitskraft und eine 2/3-Stelle nach TVL Entgeltgruppe 13 für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter bemessen (vgl. Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes vom 12. August 2013, S. 17). 36 Die Schutzwürdigkeit der Belange der Beigeladenen zu 2 ist nicht abweichend zu bewerten. Sie steht zwar nicht wie der Mandatsträger im Lichte der Öffentlichkeit. Sie ist jedoch ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen, das - wie ausgeführt - Besonderheiten aufweist und insoweit keine ""reine Privatangelegenheit"" darstellt, was die Schutzwürdigkeit darauf bezogener persönlicher Daten mindert. Die Finanzierung des Beschäftigungsverhältnisses aus öffentlichen Mitteln und der wegen der Orientierung der Erstattungsregelungen an den Kosten für eine Büroarbeitskraft und zusätzlich einen wissenschaftlichen Mitarbeiter bestehende Rechtfertigungsdruck führen auch bei ihr dazu, dass der Schutz ihres Persönlichkeitsrechts hinter der Pressefreiheit zurücktreten muss. Eine ""Stigmatisierung"" der Beigeladenen zu 2 ist mit der Offenlegung der Bruttobezüge nicht verbunden. Sollten sich aus der Bewertung der Angemessenheit der Vergütung kritische Nachfragen ergeben, muss sie sich dem als Folge einer selbst gewählten Vertragsgestaltung stellen. Schließlich ist das Steuergeheimnis nicht betroffen, denn das Bruttogehalt lässt Rückschlüsse auf persönliche Steuermerkmale nicht zu. 37 Durch die Offenlegung der Daten wird auch die Freiheit des Abgeordnetenmandats des Beigeladenen zu 1 nicht verletzt. Die Inanspruchnahme von Leistungen für die Amtsausstattung berührt zwar nicht die politische Willensbildung im parlamentarischen Raum, die den Kern der Mandatsausübung bildet; sie ermöglicht aber die Ausübung des Mandats (vgl. zur Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale für die Amtsausstattung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AbgG im Rahmen der Mandatsfreiheit nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 22 f. m.w.N.), die grundsätzlich nicht durch störende Einflüsse beeinträchtigt werden soll. Auf den Schutz der Freiheit des Mandats kann sich der Beigeladene zu 1 auch nach dem Ausscheiden aus dem Landtag berufen. Es kommt insoweit nicht auf konkrete Nachwirkungen aus dem Mandatsverhältnis im Zeitpunkt der Erfüllung des Auskunftsanspruchs an; entscheidend sind vielmehr die ""Vorwirkungen"" einer auch nachträglich drohenden Veröffentlichung bestimmter Angaben. Der Abgeordnete soll sein Mandat grundsätzlich ungestört ausüben können, ohne eine spätere Offenlegung befürchten zu müssen. Die oben dargestellte landesrechtliche Ausgestaltung der Erstattung von Auslagen für Beschäftigungsverhältnisse, schränkt die Schutzwürdigkeit der Freiheit des Mandats jedoch ein. Anders als in dem dem Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall der allgemeinen Amtsausstattung für Schreibgeräte und Digitalkameras im Wege einer Sachleistungspauschale, gibt es im vorliegenden Fall konkrete an die Qualifikation der Mitarbeiter anknüpfende Vorgaben für die Angemessenheit der Beschäftigungsverhältnisse, die wegen des dadurch möglichen Fremdvergleichs die Schutzwürdigkeit der Freiheit des Mandats geringer erscheinen lassen. 38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2018-69,28.09.2018,"Pressemitteilung Nr. 69/2018 vom 28.09.2018 EN Kein Klagerecht für den als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Eine Anstalt des öffentlichen Rechts, der die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers übertragen sind, kann nicht gerichtlich geltend machen, dass die Abfallbehörde zum Schutz ihrer Funktionsfähigkeit gegen eine gewerbliche Abfallsammlung einschreitet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am 27. September 2018 entschieden. Das beigeladene Entsorgungsunternehmen zeigte die Sammlung von Altkleidern und -schuhen im Bereich der Klägerin an. In der von der Abfallbehörde angeforderten Stellungnahme wandte die Klägerin ein, dass der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden, insbesondere werde die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durch die Verringerung der möglichen Sammlungsmenge beeinträchtigt. Die Abfallbehörde lehnte ein Einschreiten gegen das Entsorgungsunternehmen ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts fehlt der Klägerin die Klagebefugnis. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsansicht bestätigt. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz nimmt bei der Regelung der Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen zwar auch den Schutz der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in den Blick. Damit wird diesem aber keine wehrfähige Rechtsposition zugebilligt, die er im Klageweg geltend machen kann. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ist auch im gemischten System von gewerblicher und öffentlicher Abfallsammlung Teil der öffentlichen Verwaltung und dient so dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Abfallentsorgung. Eigene Rechte sind ihm insoweit nicht eingeräumt. BVerwG 7 C 23.16 - Urteil vom 27. September 2018 Vorinstanzen: OVG Magdeburg, 2 L 63/14 - Beschluss vom 01. Juni 2016 - VG Halle, 2 A 218/13 HAL - Beschluss vom 29. April 2014 -","Urteil vom 27.09.2018 - BVerwG 7 C 23.16ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C23.16.0 EN Keine Klagebefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers Leitsätze: 1. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz vermittelt dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger keine Klagebefugnis für eine auf die Untersagung einer gewerblichen Sammlung durch die Abfallbehörde gerichtete Verpflichtungsklage. 2. Eine Subjektivierung der Rechtsposition des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 KrWG nicht zu entnehmen. Der Schutz der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist der für die Entscheidung nach § 18 Abs. 5 KrWG zuständigen Abfallbehörde aufgegeben. Rechtsquellen KrWG § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3, § 18 Abs. 4 und 5 Satz 2 Alt. 2 VwGO § 42 Abs. 2 Instanzenzug VG Halle - 29.04.2014 - AZ: VG 2 A 218/13 HAL OVG Magdeburg - 01.06.2016 - AZ: OVG 2 L 63/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.09.2018 - 7 C 23.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:270918U7C23.16.0] Urteil BVerwG 7 C 23.16 VG Halle - 29.04.2014 - AZ: VG 2 A 218/13 HAL OVG Magdeburg - 01.06.2016 - AZ: OVG 2 L 63/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Böhmann und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, gegen die Beigeladene eine abfallrechtliche Untersagungsverfügung zu erlassen. 2 Die Klägerin nimmt im X.landkreis die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wahr. Seit dem 1. Januar 2014 führt sie eine Getrenntsammlung von Alttextilien und -schuhen in einem Bring- und Holsystem in ihrem Entsorgungsgebiet durch. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, die dort seit 1997 Altkleider sammelte, zeigte am 31. Mai 2012 eine gewerbliche Sammlung von Alttextilien und -schuhen an. In ihrer Stellungnahme gegenüber der beklagten oberen Abfallbehörde machte die Klägerin u.a. geltend, dass der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstünden, und beantragte die Befristung bis zum 31. Dezember 2013. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4. September 2013 ab. 3 Das Verwaltungsgericht wies die nach Ablauf des Befristungszeitraums auf Untersagung der Sammlung gerichtete Klage als unbegründet ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 1. Juni 2016 zurückgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Es bestehe kein subjektiv-öffentliches Recht, das der Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch einräume. Weder die Eingriffsbefugnis nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG noch die darin in Bezug genommene Sachnorm des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 17 Abs. 3 KrWG gebe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern ein subjektiv-öffentliches Recht auf staatliches Einschreiten. § 17 Abs. 3 KrWG sei keine Schutznorm, sondern diene lediglich den im Rahmen der Abfallentsorgung zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen. Auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG könne die Klägerin sich nicht berufen. 4 Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Sie habe aus § 18 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG einen Anspruch auf Einschreiten. Die Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG weise insbesondere im Bereich lukrativer Abfallfraktionen, in dem der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der wettbewerblichen Konkurrenz durch gewerbliche Sammlungen ausgesetzt sei, individualschützende Elemente auf. Während der Begriff des öffentlichen Interesses in § 17 Abs. 1 Satz 3 KrWG rein ordnungsrechtlicher Natur sei, weise die Konkretisierung dieses Begriffs in Gestalt der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers über die Gewährleistung der Entsorgungssicherheit zum Wohle der Allgemeinheit hinaus. Es gehe auch um das betriebswirtschaftliche Auslastungs- und Amortisationsinteresse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, der damit als Institution geschützt werde. Dies werde durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Des Weiteren liege der Verfahrensbeteiligung nach § 18 Abs. 4 KrWG ebenfalls die Vorstellung zugrunde, dass durch eine konkurrierende gewerbliche Sammlung in eine Rechtsposition des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eingegriffen werden könne. Die Klage sei schließlich auch begründet; sie habe einen Anspruch auf Erlass einer Untersagungsverfügung. 5 Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Juni 2016, das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. April 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die gewerbliche Sammlung der Beigeladenen zu untersagen. 6 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigen das angefochtene Urteil und führen ergänzend aus, dass die Klage jedenfalls unbegründet sei. 8 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision. II 9 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet und demnach zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). In Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wegen Unzulässigkeit der Klage zurückgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Klägerin für die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Untersagung der gewerblichen Sammlung der Beigeladenen die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehlt. 10 1. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein, und wenn nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich erscheint. Eine Verpflichtungsklage ist nur begründet, wenn ein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts gegeben ist; dies setzt einen Rechtssatz voraus, der die Behörde zum Erlass dieses Verwaltungsakts verpflichtet oder wenigstens ermächtigt und zugleich einen subjektiven Anspruch darauf gewährt sowie den jeweiligen Kläger in den Kreis der Berechtigten einbezieht (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1997 - 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115 <118>). Für die Klagebefugnis reicht es dabei aus, dass ein solcher Anspruch auf der Grundlage des Klagevorbringens nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 36.13 - BVerwGE 151, 138 Rn. 38 m.w.N.). 11 2. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht diese Voraussetzungen wegen des Fehlens einer die Klägerin begünstigenden Anspruchsgrundlage verneint. 12 a) Das von der Klägerin begehrte abfallbehördliche Einschreiten findet zwar in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eine Rechtsgrundlage. Danach hat die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Nach der letztgenannten Bestimmung besteht eine Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht, wenn dieser Abfall durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt wird, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Überwiegende öffentliche Interessen stehen einer gewerblichen Sammlung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet. Dies ist anzunehmen, wenn die Erfüllung der bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG). Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG). 13 b) Neben die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende objektiv-rechtliche Handlungspflicht der Behörde tritt aber nur dann ein Anspruch eines Dritten auf Einschreiten, wenn dieser durch den rechtswidrigen Zustand in seinen Rechten verletzt wird und er folglich die Abwehr der Beeinträchtigung verlangen kann. Das ist hier nicht der Fall. 14 aa) Eine Verletzung in subjektiven Rechten liegt vor, wenn der Verstoß gegen eine Schutznorm, d.h. eine Vorschrift geltend gemacht wird, die den von ihrem Regelungsgehalt Betroffenen nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm zu schützen bestimmt ist und ihm die Rechtsmacht verleiht, eine Verletzung der Norm insbesondere vor Gericht geltend zu machen. Fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, setzt dies, soweit es um ein subjektiv-öffentliches Recht im Verhältnis Bürger-Staat geht, bei dem die Klagbarkeit durch Art. 19 Abs. 4 GG sichergestellt wird, zum einen voraus, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit hinreichend unterscheidet. Aus dem Schutzzweck der Norm muss sich zum anderen ergeben, dass sie unmittelbar (auch) dem rechtlichen Interesse dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, seine Rechte berührt (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <99>). Entsprechendes gilt ungeachtet der Reichweite des Begriffs des subjektiv-öffentlichen Rechts, wenn Rechte im staatlichen Binnenbereich in Rede stehen. Aufgabenzuweisungen an und Zuständigkeiten von Hoheitsträgern sind zwar - vorbehaltlich einer ausnahmsweise begründeten Grundrechtsträgerschaft (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 19. März 1997 - 6 C 8.95 - BVerwGE 104, 170 <176 ff.>) - keine Rechte im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG, so dass deren gerichtliche Durchsetzung verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand April 2018, Art. 19 Abs. 4 Rn. 147 f.). Sie können gleichwohl Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO sein, sofern die Rechtsordnung einzelnen Rechtsträgern oder deren Organen verselbständigte Rechtspositionen im ""organschaftlichen Rechtskreis"" einräumt, die im Konfliktfall auch gegenüber anderen Hoheitsträgern durchsetzbar sein sollen (vgl. Gärditz, in: ders., VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 55; Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, vor § 42 Abs. 2 Rn. 118 ff.; R.-P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 80). Solche Rechtspositionen sind nicht beschränkt auf die Sicherung von Mitwirkungs- und Verfahrensrechten zur Optimierung von Entscheidungen (zum Organstreit zwischen sog. Kontrastorganen siehe Scherzberg, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 12 Rn. 27 und Burgi, ebd., § 8 Rn. 53 ff.), sondern können sich auch auf das von der Verwaltungseinheit wahrgenommene Sachinteresse beziehen. Diese wehrfähigen Rechtspositionen unterscheiden sich insoweit von den sonstigen subjektiv-öffentlichen Rechten, die Ausdruck von Individualität und Personalität sind, als sie durch ihre Gemeinwohlorientierung gekennzeichnet sind (vgl. Wahl, a.a.O., Rn. 120). 15 bb) Eine solche Rechtsposition ist der Klägerin, der auf der Grundlage der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen (§ 3 Abs. 1 Abfallgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Februar 2010, GVBl. LSA S. 44, zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 2015, GVBl. LSA S. 610, § 3 Satz 1 des Gesetzes über die kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts vom 3. April 2001, GVBl. LSA S. 136) die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Wege der Delegation übertragen sind, nicht eingeräumt. Der Wortlaut von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 KrWG schließt dies zwar nicht aus (1); eine Regelung, die der Klägerin erlaubt, sich gegen eine Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit gerichtlich zur Wehr zu setzen, kann der Norm jedoch nicht entnommen werden (2). 16 (1) Mit der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wird ein dessen Rechtskreis betreffendes Schutzgut vom Gesetz ausdrücklich benannt, dem bei der Entscheidung über die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen Rechnung zu tragen ist. Als normativer Ansatzpunkt für eine subjektive Rechtsposition ist dies entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht deswegen untauglich, weil in § 17 Abs. 3 KrWG lediglich der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG aufgeführte Begriff des öffentlichen Interesses abschließend konkretisiert wird, was wiederum nur das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung, nicht aber ein Interesse am Schutz des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ""um seiner selbst willen"" erfasst. Denn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger verfolgt keine eigennützigen und insoweit privaten Interessen, die dem durch das öffentliche Interesse umschriebenen Gemeinwohl gegenüberzustellen sind. Vielmehr sind das öffentliche Interesse und das Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers an der Gewährleistung der Voraussetzungen einer effektiven Aufgabenerfüllung aufgrund der dann gegebenen Orientierung am aufgabenbezogenen Gemeinwohl gleichgerichtet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Funktionsfähigkeit auch betriebswirtschaftliche Aspekte umfasst. 17 (2) Die Subjektivierung einer Rechtsposition ist mit der Erwähnung eines die Klägerin betreffenden Schutzguts nicht verbunden. Den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist eine solche Ausgestaltung nicht zu entnehmen. 18 Bei der Ermittlung des zutreffenden Verständnisses von § 17 Abs. 3 KrWG ist unbeachtlich, dass die Klägerin als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und die Abfallbehörde verschiedenen Rechtsträgern zugeordnet sind und es sich insoweit um einen Außenrechtsstreit handelt. Denn eine Vermutungsregel zugunsten eines Drittschutzes (vgl. hierzu Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 63) kann daraus bereits deswegen nicht folgen, weil diese verwaltungsorganisatorische Einbettung vom Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht vorgegeben wird. Vielmehr eröffnet das Gesetz in § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG dem Landesgesetzgeber insoweit Regelungsspielräume. Von diesen kann er auch in einer Weise Gebrauch machen, die wegen der zulässigen Doppelzuständigkeit einer Behörde (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2017 - 7 C 36.15 - LKV 2018, 69 Rn. 16 ff.) auf einen Innenrechtsstreit führt, der gegebenenfalls eine gegenteilige Vermutung nach sich ziehen könnte. Diese unterschiedliche organisationsrechtliche Ausgestaltung ist für die gebotene einheitliche Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmung ohne Belang. 19 Demgegenüber ist von entscheidender Bedeutung, dass § 17 Abs. 3 KrWG nicht die Abgrenzung von unmittelbar auf die Bewältigung einer Verwaltungsaufgabe bezogener Zuständigkeiten zweier Hoheitsträger bzw. Verwaltungseinheiten regelt, sondern die Trennlinie zwischen den Zugriffsmöglichkeiten des gewerblichen Sammlers und der verbleibenden (Auffang-)Zuständigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zieht. Nach Maßgabe dieser Bestimmung ist dem gewerblichen Sammler eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition zugewiesen, über deren Reichweite (zunächst) die Abfallbehörde entscheidet. Die reale Ausnutzung dieser materiellen Rechtsposition kann beeinträchtigt werden, wenn dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hiergegen ein Klagerecht eingeräumt und der gewerbliche Sammler einem gegebenenfalls mit zeitlichen Verzögerungen und sonstigen Unwägbarkeiten verbundenen Prozessrisiko ausgesetzt wird. Der hierin liegende Grundrechtseingriff fordert, sofern - wie hier - das konkurrierende Interesse des Dritten nicht seinerseits grundrechtlich geschützt und schon deswegen gemäß Art. 19 Abs. 4 GG prozessual bewehrt ist, wegen des Vorbehalts des Gesetzes eine hinreichend deutliche normative Entscheidung gerade für die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung des Gegenrechts (vgl. Gärditz, a.a.O. § 42 Rn. 66 f.). Daran fehlt es. 20 Der Schutz der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist der für die Entscheidung nach § 18 Abs. 5 KrWG zuständigen Abfallbehörde aufgegeben. Der Bedeutung der damit bezweckten institutionellen Sicherung der dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zugewiesenen Verwaltungsaufgabe wird durch das Recht zur Stellungnahme nach § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG Rechnung getragen, das zur Aufbereitung der Entscheidungsgrundlage beiträgt. Soweit der sachliche Gegenstand dieses Schutzauftrags in den Gesetzesmaterialien als Rechtsposition bezeichnet worden ist (BT-Drs. 17/6052 S. 88) - und dies durch den weiteren Verlauf der Beratungen (BT-Drs. 17/7505 S. 4, 48) nicht überholt sein sollte -, bezieht sich das nur auf das Verhältnis zur Abfallbehörde; zu prozessualen Folgen verhalten sie sich nicht. 21 Eine ausdrückliche Aussage, wonach der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben einklagen und folglich ein Vorgehen gegen den gewerblichen Sammler verlangen kann, enthält das Gesetz nicht. Dieser Befund wird nicht durch hinreichend deutliche, bei der Auslegung zu beachtende Anhaltspunkte ausgeglichen, die für die Gewährung eines solchen Klagerechts streiten könnten. Vielmehr belegt nicht zuletzt die Entstehungsgeschichte der Neuregelung des Abfallrechts, dass der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf die Bewertung der und die Entscheidung über die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Vorgaben zurückgedrängt werden sollte. Diese gebieten in einer solchen durch wettbewerbliche Elemente gekennzeichneten Situation die Neutralität der entscheidenden Behörde (BT-Drs. 17/6052 S. 88, 17/6645 S. 4 f.). Auf eine bundesrechtliche Normierung zur Sicherung einer neutralen Entscheidung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zwar verzichtet, am Regelungsziel aber festgehalten und dessen Verwirklichung organisationsrechtlichen Vorkehrungen auf Landesebene überlassen (BT-Drs. 17/7505 S. 47; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2017 - 7 C 36.15 - LKV 2018, 69 Rn. 16 ff.). Der Wechsel hin zur Entscheidung durch die zur Neutralität verpflichtete Abfallbehörde bliebe unvollkommen, wenn sich der gewerbliche Sammler nicht nur mit der zur Entscheidung berufenen Abfallbehörde, sondern auch mit dem in der Sache betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gerichtlich auseinandersetzen müsste. Ein abweichender Regelungswille hätte einen nachvollziehbaren Niederschlag finden müssen. Eine nicht dokumentierte allgemeine Übereinstimmung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten über die Klagebefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, auf die der Vertreter des Bundesinteresses verweist, ist hierfür unzureichend. Im Übrigen kann entgegen dem Einwand der Klägerin auch keine Rede davon sein, dass der öffentlich-rechtlich Entsorgungsträger ohne ein Klagerecht ""schutzlos gestellt"" würde; dieser Einwand verkennt die Gesetzesbindung der Abfallbehörde. 22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2018-7,22.02.2018,"Pressemitteilung Nr. 7/2018 vom 22.02.2018 EN Einbürgerung scheitert bei Unbeachtlichkeit der verhängten Strafe nicht an zusätzlicher Entziehung der Fahrerlaubnis Bleibt eine strafgerichtliche Verurteilung - z.B. wegen einer Verkehrsstraftat - wegen der geringen Höhe der verhängten Geld- oder Bewährungsstrafe bei der Anspruchseinbürgerung außer Betracht, kann die zusätzlich (unselbständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung (hier: Entziehung der Fahrerlaubnis und Wiedererteilungssperre, §§ 69, 69a StGB) der Einbürgerung nicht entgegengehalten werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1984 geborene Kläger, ein brasilianischer Staatsangehöriger, lebt seit 2002 im Bundesgebiet und ist seit 2009 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. 2011 beantragte er seine Einbürgerung. Mit Strafbefehl aus dem Jahr 2012 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für deren Wiedererteilung bis Mai 2013 angeordnet. Da er im Einbürgerungsverfahren diese Strafe nicht angegeben hatte, wurde er im Jahr 2014 zu einer weiteren Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Die Staatsangehörigkeitsbehörde lehnte den Einbürgerungsantrag im August 2015 ab. Die Strafurteile blieben zwar im Einbürgerungsverfahren außer Betracht, weil die Strafhöhe unterhalb der im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelten Unbeachtlichkeitsgrenze liege. Die mit Strafbefehl von 2012 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis sei aber bis zur Tilgungsreife im Bundeszentralregister einbürgerungsrechtlich relevant. Die im Rahmen der gebotenen Einzelfallentscheidung vorzunehmende Abwägung der betroffenen Interessen führe hier dazu, dass das öffentliche Interesse an der Nichteinbürgerung überwiege. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die im Strafbefehl unselbständig angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung bereits nicht zu berücksichtigen sei, so dass es keiner Ermessensentscheidung bedürfe. Der 1. Revisionssenat hat diese Rechtsauffassung bestätigt und die Revision der Landesanwaltschaft Bayern zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG setzt u.a. voraus, dass der Ausländer weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG). Bleiben, wie hier, Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht, weil sie die im StAG geregelten Unbeachtlichkeitsgrenzen (§ 12a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StAG) nicht überschreiten, bleibt die in einem Strafurteil zusätzlich (unselbständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung unberücksichtigt. Bereits nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG sind bei schuldfähigen Tätern nur Verurteilungen zu Strafen zu berücksichtigen und nicht zusätzlich angeordnete Maßregeln. Maßregeln der Besserung und Sicherung hat der Gesetzgeber einbürgerungsrechtlich nur bei schuldunfähigen Straftätern Bedeutung beigemessen, bei denen es mangels einer verhängten Strafe an einem anderweitigen Kriterium für die Bemessung des Gewichts der Straftat fehlt. Die 2007 erfolgte Neuregelung des einbürgerungsrechtlichen Unbescholtenheitserfordernisses knüpft schon in ihrem Wortlaut an das zweispurige System von Strafen (§§ 38 ff. StGB) einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) andererseits an, welches das Strafrecht prägt. Auch Gesetzessystematik und Normzweck sprechen dafür, dass gegenüber schuldfähigen Tätern unselbständig angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung von vornherein nicht einbürgerungshindernd sind und nicht erst im Rahmen einer Ermessensentscheidung (§ 12a Abs. 1 Satz 4 StAG) außer Betracht bleiben können. Der ordnungsrechtliche Zweck des sog. Unbescholtenheitserfordernisses des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, die Einbürgerung von Personen zu verhindern, die straffällig geworden sind und sich nicht erfolgreich in Staat und Gesellschaft integriert haben, erfordert bei schuldfähigen Tätern nicht die einbürgerungsrechtliche Berücksichtigung von zusätzlich zu einer Strafe angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung. Denn diese sind keine zusätzliche Bestrafung oder Nebenstrafe, die auf die Verletzung eines strafrechtlich bewehrten Schutzgutes reagieren, sondern dienen der Gefahrenabwehr, beim Fahrerlaubnisentzug der Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese präventive Funktion behalten die Maßregeln der Besserung und Sicherung auch dann, wenn sie zusätzlich (unselbständig) zu einer Strafe angeordnet worden sind. BVerwG 1 C 4.17 - Urteil vom 22. Februar 2018 Vorinstanzen: VGH München, 5 B 16.1007 - Urteil vom 23. Januar 2017 - VG München, M 25 K 15.4003 - Urteil vom 20. Januar 2016 -","Urteil vom 22.02.2018 - BVerwG 1 C 4.17ECLI:DE:BVerwG:2018:220218U1C4.17.0 EN Einbürgerung scheitert bei Unbeachtlichkeit der verhängten Strafe nicht an zusätzlicher Entziehung der Fahrerlaubnis Leitsatz: Bleiben Strafurteile bei der Einbürgerung außer Betracht, weil sie die im Staatsangehörigkeitsgesetz geregelten Unbeachtlichkeitsgrenzen (§ 12a Abs. 1 Satz 1 bis 3 StAG) nicht überschreiten, bleibt die in einem Strafurteil zusätzlich (unselbständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung (hier: Entziehung der Fahrerlaubnis, § 61 Nr. 5 und § 69 StGB) bei der Einbürgerung ebenfalls unberücksichtigt. Rechtsquellen StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 12a Abs. 1 StGB § 61 Nr. 5 und 6, §§ 69, 69a Instanzenzug VG München - 20.01.2016 - AZ: VG M 25 K 15.4003 VGH München - 23.01.2017 - AZ: VGH 5 B 16.1007 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 22.02.2018 - 1 C 4.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:220218U1C4.17.0] Urteil BVerwG 1 C 4.17 VG München - 20.01.2016 - AZ: VG M 25 K 15.4003 VGH München - 23.01.2017 - AZ: VGH 5 B 16.1007 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Dr. Fleuß sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Beteiligten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2017 wird zurückgewiesen. Die Beteiligte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten, die diese selbst trägt. Gründe I 1 Der im Jahr 1984 geborene Kläger ist brasilianischer Staatsangehöriger und begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. 2 Er reiste im September 2002 mit einem Visum zum Zwecke des Studiums in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Ma. schloss er im Juli 2004 mit einem Tanzdiplom ab. Von September 2004 bis 2009 war er am ... Staatsballett in M. beschäftigt. Seit Februar 2009 verfügt der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis. Im April 2010 eröffnete er in M. ein Café, an dem ein sogenannter atypischer stiller Gesellschafter beteiligt war. Gemäß Vertrag mit diesem erhielt der Kläger seit Oktober 2011 eine monatliche Vergütung in Höhe von 2 000 €. Seit April 2012 arbeitet er zusätzlich bei einer Unternehmensberatung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1 940 €; daneben studiert er an einer privaten Hochschule Betriebswirtschaftslehre. 3 Am 11. August 2011 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Am 8. April 2012 fuhr er in B. unter Einfluss von Marihuana mit dem Auto. Das Amtsgericht verurteilte ihn mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 30. Juli 2012 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen, entzog ihm die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bis zum 2. Mai 2013 an (§§ 69, 69a StGB). Der Kläger hat seine Fahrerlaubnis - nach einer erfolgreichen medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) - im Mai 2014 wieder erhalten. 4 Im Einbürgerungsverfahren verneinte der Kläger die Frage nach Verurteilungen und anhängigen strafrechtlichen Ermittlungen. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts M. vom 16. Juni 2014 wurde er deshalb wegen unrichtiger Angaben im Einbürgerungsverfahren und Erschleichens einer Einbürgerung nach § 42 StAG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. 5 Mit Bescheid vom 18. August 2015 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG ab. Die Verurteilungen zu den Geldstrafen überstiegen zwar auch bei Kumulierung nicht den Strafrahmen des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG und blieben somit für die Einbürgerung außer Betracht. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis handele es sich jedoch um eine Maßnahme der Besserung und Sicherung, die bis zur Tilgungsreife der Einbürgerung entgegengehalten werden könne. Nach § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG sei im Einzelfall nach Ermessen zu entscheiden, ob sie außer Betracht bleiben kann. Das private Interesse des Klägers an der Einbürgerung müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse, die verhängte Maßregel der Besserung und Sicherung im Einbürgerungsverfahren zu berücksichtigen, zurückstehen. 6 Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 20. Januar 2016 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Urteil vom 23. Januar 2017 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG seien erfüllt. Dies gelte auch für die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, weil die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers wegen ihres Bagatellcharakters nach § 12a Abs. 1 StAG zwingend außer Betracht zu bleiben hätten. Ebenfalls bleibe die im Strafbefehl angeordnete unselbständige Maßregel der Besserung und Sicherung unberücksichtigt, ohne dass hierbei eine gesonderte behördliche Ermessensentscheidung erforderlich oder auch nur möglich wäre. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus systematisch-teleologischen Erwägungen. Aus der Gesamtschau der Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG und des § 12a Abs. 1 StAG folge, dass die gegen den Kläger unselbständig, d.h. zusammen mit einer strafrechtlichen Verurteilung im Strafbefehl vom 30. Juli 2012 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis als von vornherein einbürgerungsrechtlich irrelevant anzusehen sei. Die erste Tatbestandsalternative des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG knüpfe an die Verurteilung ""zu einer Strafe"" an und setze damit die Schuldfähigkeit des Betroffenen voraus. Demgegenüber betreffe die zweite Tatbestandsalternative nur den Fall, dass gegen den Täter aufgrund seiner Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) eine selbständige Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden sei. Die vorliegende Konstellation, dass gegen den schuldfähigen Kläger zusätzlich zu seiner strafrechtlichen Verurteilung eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 StGB angeordnet worden sei, unterfalle dem Gesetzeswortlaut nicht. Auch wenn § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auf die gegen Schuldunfähige angeordneten Maßregeln beschränkt sei, sei zu berücksichtigen, dass § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG an das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG anknüpfe und dieses als ""Rückausnahme"" mit Leben erfülle. § 12a StAG stelle eine Ausformung und Ergänzung, nicht aber eine Verschärfung des Unbescholtenheitserfordernisses dar. Systematisch-teleologische Argumente stritten ebenfalls für eine Auslegung dahingehend, dass unselbständige Maßregeln der Besserung und Sicherung von vornherein als einbürgerungsunschädlich außer Betracht blieben. 7 Die Landesanwaltschaft Bayern rügt mit der Revision eine Verletzung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 12a Abs. 1 Satz 1 und 4 StAG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werde die vorliegende Konstellation einer gegenüber einem schuldfähigen Täter zusätzlich (unselbständig) zu einer Geldstrafe angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG erfasst. Dass diese Vorschrift auch Verurteilungen erfasse, in denen nicht nur eine Strafe ausgesprochen, sondern zusätzlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden sei, ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der Norm als auch aus der Gesetzgebungsgeschichte. Das vom Berufungsgericht vorgebrachte Argument zum Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 StAG, der jetzige Gesetzestext differenziere im Gegensatz zur Vorgängerfassung zwischen der Verurteilung ""zu einer Strafe"" (zuvor: ""wegen einer Straftat"") und der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, vermöge zur Lösung der Streitfrage nichts beizutragen. Insbesondere könne hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass, wenn beides im Urteil zusammentreffe, es nach der ersten Tatbestandsalternative des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nur auf die strafrechtliche Verurteilung des schuldfähigen Täters ankomme. Vielmehr sei der Begriff ""Verurteilung"" nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht strafprozessual, sondern staatsangehörigkeitsrechtlich auszulegen. Die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (BT-Drs. 16/5065 S. 228) lasse keinerlei Absicht des Gesetzgebers erkennen, die Reichweite dieser Alternative verändern zu wollen. Der Gesetzgeber habe sich in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG für die strenge Regelung dieser negativen Einbürgerungsvoraussetzung und eine weite Fassung des Tatbestandes entschieden, wonach jede strafrechtliche Verurteilung gegen einen Schuldfähigen zu einer Strafe und jede Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gegen einen Schuldunfähigen einer Einbürgerung entgegenstünden. Von diesem ordnungsrechtlichen Ansatz ausgehend habe für den Gesetzgeber keine Veranlassung bestanden, bestimmte vom Strafgericht ausgesprochene Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Tat bereits im Grundnormtatbestand von dem seit jeher weit verstandenen Unbescholtenheitserfordernis auszunehmen. Ob das grundsätzliche Einbürgerungshindernis im konkreten Fall überwunden werden könne, bestimme demgegenüber § 12a Abs. 1 StAG. Das Berufungsgericht charakterisiere das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander unzutreffend, indem es die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG lediglich als ""Rückausnahme"" zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 StAG ansehe. Richtigerweise stelle die Bestimmung des § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG zum einen eine Ausnahme zur Einbürgerungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG dar, und zwar sowohl bei selbständigen als auch bei unselbständigen Maßregeln der Besserung und Sicherung, und zum anderen sei sie im Rahmen des § 12a Abs. 1 StAG eine vorrangige Sondervorschrift zu § 12a Abs. 1 Satz 1 bis 3 StAG für Maßregeln der Besserung und Sicherung. Auch der Gesetzeszweck spreche für eine Berücksichtigung sogenannter unselbständiger Maßregeln der Besserung und Sicherung. Die Rechtsfolge der Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG sei die rechtliche Reaktion auf eine gescheiterte Integration in Staat und Gesellschaft. Bei der Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung sei eine gelungene Integration grundlegend in Frage gestellt, weil mit deren Anordnung als in die Zukunft gerichtete Sanktion eine positive Prognose über die zukünftige Gefährlichkeit des Täters verbunden sei. 8 Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. II 9 Die Revision der Beteiligten ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) davon ausgegangen, dass die gegen den Kläger im Strafbefehl von 2012 unselbständig angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis einbürgerungsrechtlich nicht zu berücksichtigen ist und es einer gesonderten behördlichen Ermessensentscheidung gemäß § 12a Abs. 1 Satz 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes - StAG -, ob diese Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann, nicht bedarf. 10 1. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG regelt die herkömmliche Einbürgerungsvoraussetzung der strafrechtlichen Unbescholtenheit. Danach setzt ein Anspruch auf Einbürgerung voraus, dass der Ausländer weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. 11 a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die gegen den Kläger verhängten Geldstrafen von 30 bzw. 60 Tagessätzen auch bei der gebotenen Zusammenrechnung (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG) nicht die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG überschreiten, weshalb die Geldstrafen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben. 12 b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist darüber hinaus auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die im Strafbefehl vom 30. Juli 2012 unselbständig angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung (Entziehung der Fahrerlaubnis und Sperre für deren Wiedererteilung) der Einbürgerung bereits nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht entgegensteht. 13 aa) Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG begründen nach der ersten Tatbestandsalternative bei schuldfähigen Tätern nur Verurteilungen zu Strafen ein Einbürgerungshindernis, nicht aber zusätzlich (unselbständig) angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung. Demgegenüber betrifft die zweite Tatbestandsalternative die selbständig angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung bei schuldunfähigen Tätern. Der Einbürgerung steht in der ersten Tatbestandsalternative die Verurteilung ""zu einer Strafe"" entgegen, soweit diese nicht nach § 12a Abs. 1 StAG außer Betracht bleibt. Die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) - EU-RichtlinienumsetzungsG 2007 - neugefasste Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG knüpft schon ihrem Wortlaut nach an das zweispurige System von Strafen (§§ 38 ff. StGB) einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 ff. StGB) andererseits an, welches das Strafrecht prägt. Bei schuldfähigen Tätern, die von der ersten Tatbestandsalternative erfasst werden, ist der einbürgerungsrechtlich relevante Anknüpfungspunkt nur die Verurteilung zu einer Strafe und nicht auch eine zusätzlich (unselbständig) angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung. Maßregeln der Besserung und Sicherung hat der Gesetzgeber einbürgerungsrechtlich nur bei schuldunfähigen Straftätern Bedeutung beigemessen, bei denen es mangels einer verhängten Strafe an einem anderweitigen Kriterium für die Bemessung des Gewichts der Straftat fehlt. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen Verurteilungen bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, weil sie die Unbeachtlichkeitsgrenze (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 1 bis 3 StAG) nicht überschreiten, kommt unselbständig angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung im Rahmen der Einbürgerung keine eigenständige Bedeutung zu. Nur wenn eine strafgerichtliche Verurteilung mangels Schuldfähigkeit des Täters ausscheidet und eine Maßregel der Besserung und Sicherung selbständig angeordnet wird, schließt diese die Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 StAG im Grundsatz aus und wird bei Maßregeln nach § 61 Nr. 5 oder 6 StGB im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel außer Betracht bleiben kann (§ 12a Abs. 1 Satz 4 StAG). Da Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht nach Maßgabe der strafmaßbezogenen Unbeachtlichkeitsregeln des § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG unbeachtlich sein können, sieht der Gesetzgeber in Fällen von geringem Gewicht (etwa der selbständigen Entziehung der Fahrerlaubnis) in § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG eine nach der Maßgabe der Umstände des Einzelfalls zu treffende Ermessensentscheidung darüber vor, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleibt (vgl. Berlit, in: GK-StAR, Stand April 2017, § 10 Rn. 301). 14 Diese Auslegung wird durch den Vergleich mit der Vorgängerfassung bekräftigt. Im Gegensatz zur Vorgängerfassung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, die voraussetzte, dass der Ausländer ""nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist"", verlangt die Neufassung der Vorschrift mit der Verurteilung ""zu einer Strafe"" eine spezielle Rechtsfolge und knüpft damit nunmehr klarer als zuvor an die strafrechtliche Terminologie an. Diese in Abweichung zur bisherigen Gesetzesfassung gewählte Formulierung wäre überflüssig, wenn alle ""Rechtsfolgen der Tat"", die im Dritten Abschnitt des StGB geregelt werden (also auch Maßregeln der Besserung und Sicherung) hiervon erfasst werden sollten. Ferner hat der Gesetzgeber in der zweiten Tatbestandsalternative des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nunmehr die Maßregeln der Besserung und Sicherung in den Blick genommen und hierdurch eine Klärung der strittigen Frage herbeigeführt, ob auch aufgrund der Schuldunfähigkeit des Täters angeordnete selbständige Maßregeln der Besserung und Sicherung einbürgerungshindernd sind (BT-Drs. 16/5065 S. 228). Indem er die anspruchshindernde Wirkung von Maßregeln der Besserung und Sicherung auf Fälle begrenzte, in denen diese aufgrund der Schuldunfähigkeit eines Einbürgerungsbewerbers angeordnet wurden, brachte er deutlich zum Ausdruck, dass unselbständige Anordnungen von Maßregeln in Fällen der Unbeachtlichkeit der verhängten Strafe einbürgerungsrechtlich nicht beachtlich sein sollen. Der Zusatz ""auf Grund seiner Schuldunfähigkeit"" wäre entbehrlich, wenn die unselbständigen Maßregeln bereits nach der ersten Tatbestandsalternative zu berücksichtigen wären. Hierfür spricht auch, dass sich die im Gesetzentwurf des Bundesrates vom 25. April 2007 (BT-Drs. 16/5107 S. 5) vorgeschlagene Fassung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (""weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist""), die diesen Zusatz nicht enthält, im Gesetzgebungsverfahren gerade nicht durchgesetzt hat (vgl. die Ablehnung des Gesetzentwurfs in BR-Drs. 911/08 vom 28. November 2008). 15 bb) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG sprechen dafür, bei Unbeachtlichkeit der verhängten Strafe eine unselbständig angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung nicht als einbürgerungshindernd zu berücksichtigen. Mit der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er demjenigen keinen Anspruch auf Einbürgerung einräumen will, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die Bundesrepublik Deutschland als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist (vgl. bereits zur Vorgängerfassung: BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 5 C 31.05 - juris Rn. 11). Das Unbescholtenheitserfordernis dient daher der rechtlichen Reaktion auf eine im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gescheiterte Integration in Staat und Gesellschaft (BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 5 C 33.05 - BVerwGE 128, 271 Rn. 19). Bei schuldfähigen Personen ist Kriterium für das Misslingen der Integration allein die (schuldangemessene) Strafe. Dieser ordnungsrechtliche Zweck des Unbescholtenheitserfordernisses des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG zielt nicht auf die Eindämmung einer Wiederholungsgefahr, sondern darauf die Einbürgerung von Personen zu verhindern, die straffällig geworden sind und bei denen daher nicht von einer erfolgreichen Integration in Staat und Gesellschaft ausgegangen werden kann. Vor diesem Hintergrund erweist sich die einbürgerungsrechtliche Berücksichtigung unselbständig angeordneter Maßregeln der Besserung und Sicherung als nicht erforderlich. Denn Letztere sind keine zusätzlichen Bestrafungen oder Nebenstrafen (§ 44 StGB), die auf die Verletzung eines strafrechtlich bewehrten Schutzgutes reagieren, sondern dienen der Gefahrenabwehr insbesondere durch Schutz vor zukünftigen, vom Täter zu erwartenden rechtswidrigen Handlungen. Der Zweck der hier angeordneten Fahrerlaubnisentziehung nach § 61 Nr. 5 StGB ist es, ungeeignete Kraftfahrer (zumindest zeitweise) aus dem Straßenverkehr auszuschließen und somit die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten (Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn. 1 und 2). Diese präventive Funktion behalten die Maßregeln der Besserung und Sicherung auch dann, wenn sie zusätzlich (unselbständig) zu einer Strafe angeordnet worden sind. Eine darüber hinausgehende integrationspolitische Schädlichkeit der unselbständig angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung, die ihre Berücksichtigung als Einbürgerungshindernis erfordern würde, besteht daher nicht. 16 cc) Die Nichtberücksichtigung unselbständiger Maßregeln der Besserung und Sicherung führt auch nicht zu in sich widersprüchlichen Ergebnissen mit Blick auf § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG. Diese Vorschrift modifiziert das Unbescholtenheitserfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, indem sie regelt, welche strafrechtlichen Verurteilungen und Maßregeln außer Betracht bleiben. Aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 12a Abs. 1 StAG ist systematisch nicht davon auszugehen, dass § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG den Umfang der einbürgerungsschädlichen Maßregeln der Besserung und Sicherung erweitert bzw. dem Grunde nach mitregeln soll. Vielmehr knüpft die Eröffnung des Nichtberücksichtigungsermessens gemäß § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG an das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG an und betrifft von vornherein nur diejenigen Maßregeln der Besserung und Sicherung, die in dieser Grundnorm als einbürgerungsschädlich aufgeführt sind. Es bedurfte daher keiner nochmaligen Beschränkung auf selbständige, wegen der Schuldunfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers angeordnete Maßregeln, weil diese bereits unmittelbar aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 StAG folgt. Nach § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG wird im Einzelfall entschieden, ob eine selbständig angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis) oder nach § 61 Nr. 6 StGB (Berufsverbot) außer Betracht bleiben können. Insoweit wurde durch die Neufassung der Regelungen durch das EU-RichtlinienumsetzungsG 2007 die weitergehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts korrigiert, wonach auch bei Maßregeln nach § 61 Nr. 1 bis 4 StGB ein Nichtberücksichtigungsermessen nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. in Betracht kam (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 5 C 33.05 - BVerwGE 128, 271 Rn. 25). Da sich die selbständig angeordneten Maßregeln nach § 61 Nr. 5 und 6 StGB mangels Bezugs zu einem bestimmten Strafmaß einer § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG vergleichbaren, typisierenden Regelung entziehen, wird der Staatsangehörigkeitsbehörde in § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG ein Ermessen darüber eingeräumt, ob der zugrunde liegende Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat unter Berücksichtigung der vom Gesetz für Freiheits- und Geldstrafen getroffenen Wertung einer Einbürgerung entgegensteht (vgl. BT-Drs. 16/5107 S. 11). Bei selbständig angeordneten Maßregeln nach § 61 Nr. 1 bis 4 StGB wird damit eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen; deren unselbständige Anordnung setzt ein Strafmaß voraus, das eine Anwendung des § 12a Abs. 1 Satz 1 bis 3 StAG ausschließt. Ein möglicherweise nur schmaler Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG entspricht einem wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Einbürgerungsbewerbern, deren Schuldunfähigkeit eine Prognose ihrer Gefährlichkeit erschwert. 17 dd) Der Gesetzgebungshistorie lassen sich keine eindeutigen Anhaltspunkte für einen Willen des Gesetzgebers entnehmen, unselbständig angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung bei der Einbürgerung zu berücksichtigen. Die Gesetzesmaterialien sind jedenfalls nicht so eindeutig, dass sich ein etwa erkennbarer Wille des Gesetzgebers gegen Wortlaut, Sinn und Zweck und Systematik der einschlägigen Vorschriften durchsetzen könnte. 18 Der Bundesrat konnte sich mit seiner umfassenden Formulierung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG (BT-Drs. 16/5107 S. 5), wonach für die Maßregeln der Besserung und Sicherung auf die Anknüpfung an eine Verurteilung wegen Schuldunfähigkeit verzichtet worden war, gerade nicht durchsetzen. Soweit die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme hierzu ausführt, der Bundesratsentwurf entspreche ""im Wesentlichen"" dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/5107 S. 13), bleibt gerade offen, in welchen Punkten die Entwürfe einander nicht entsprechen. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 16/5065 S. 228) nimmt unselbständige Anordnungen von Maßregeln der Besserung und Sicherung jedenfalls nicht ausdrücklich in den Blick, indem formuliert wird: ""Mit der Ergänzung der Nummer 5 wird der bisherige Satz 1 dahingehend präzisiert, dass Personen, die trotz Begehens einer rechtswidrigen Tat wegen Schuldunfähigkeit nicht zu einer Strafe verurteilt werden konnten, sondern gegen die das Gericht eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 StGB), z.B. Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus, angeordnet hat, von einem Einbürgerungsanspruch ausgeschlossen sind (...)"". Der hier angesprochene Präzisierungswille spricht dafür, dass der Gesetzgeber sich der strafrechtlichen Terminologie anpassen und bewusst zwischen Strafen und Maßregeln unterscheiden wollte sowie bei Letzteren nur die selbständig angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung in den Blick nehmen wollte. 19 Etwas anderes folgt auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus der Einzelbegründung zu § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG (BT-Drs. 16/5065 S. 230). Zwar wird hierin (Satz 1) ausgeführt, dass als Maßregel der Besserung und Sicherung sowohl bei schuldfähigen als auch bei schuldunfähigen Tätern die Entziehung der Fahrerlaubnis oder der Berufsverbot in Betracht kämen. In Satz 3 der Gesetzesbegründung heißt es aber: ""Soweit es sich bei den zugrunde liegenden Straftaten um sog. Bagatellstraftaten i. S. d. Absatzes 1 Satz 1 handelt, die bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben, muss die Staatsangehörigkeitsbehörde daher im Einzelfall nach Ermessen entscheiden, ob die isolierte Anordnung einer Maßregel eine Einbürgerung hindert."" Das Wort ""isoliert"" spricht indes dafür, dass ein Ermessensspielraum lediglich bei selbständig angeordneten Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG eröffnet werden soll. Insgesamt betrachtet bleibt die Begründung zu § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG mithin unklar. 20 2. Ergibt sich hiernach aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 12a Abs. 1 StAG, dass unselbständig angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG erfasst werden, ist das Berufungsgericht daher zutreffend davon ausgegangen, dass auch kein Raum mehr besteht für eine Ermessensentscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 4 StAG, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann. 21 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-72,17.10.2018,"Pressemitteilung Nr. 72/2018 vom 17.10.2018 EN Kein Auslands-BAföG für den Besuch eines in Indonesien gelegenen angegliederten Instituts einer deutschen Hochschule Auszubildende haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Auslands-BAföG für den Besuch eines der Universität Flensburg angegliederten Instituts mit Sitz in Indonesien. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin absolvierte 2014/2015 im Rahmen ihres Studiums an der Universität Flensburg im Studiengang International Management ein Auslandssemester am European Overseas Campus (EOC) in Indonesien. Der EOC ist eine nach indonesischem Recht gegründete Stiftung zu Bildungszwecken. Eine staatliche indonesische Akkreditierung besteht nicht und die in Indonesien üblichen Hochschulgrade können am EOC nicht erworben werden. Das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein verlieh dem EOC 2006 die Stellung als angegliederte Einrichtung der Universität Flensburg (sog. An-Institut). Das zuständige Ausbildungsförderungsamt lehnte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Auslands-BAföG ab. Das Berufungsgericht wies die in erster Instanz erfolgreiche Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Ausbildung am EOC u.a. deshalb nicht einer Hochschulausbildung in Deutschland gleichwertig i.S.d. § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BAföG sei, weil dort kein Abschluss erworben werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis bestätigt. Dem Anspruch auf Auslands-BAföG steht bereits entgegen, dass der EOC ausbildungsförderungsrechtlich keine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist. Eine solche Ausbildungsstätte liegt nur vor, wenn die Einrichtung geographisch im Ausland gelegen ist und die dort vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist, sodass diese sich insoweit als selbstständig erweist. So verhält es sich hier nicht. Zwar ist der EOC als An-Institut der Universität Flensburg hochschulrechtlich eigenständig. Ausbildungsförderungsrechtlich ist dies bei der insoweit gebotenen materiellen Betrachtung aber nicht der Fall. Nach den für das Bundesverwaltungsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich um eine „Zweigstelle“ der Universität Flensburg, mit der diese das Ziel verfolgt, jenseits ihres eigentlichen Standortes Studierenden aus Deutschland die Absolvierung eines Auslandssemesters zu ermöglichen. Die fehlende Selbstständigkeit kommt insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, dass weder der EOC noch die dort angebotenen Studienmodule eine staatliche indonesische Akkreditierung aufweisen, alle Studierenden am EOC an der Universität Flensburg eingeschrieben sind, die Lehr- und Prüfungsinhalte am EOC den akkreditierten Studienmodulen des Studiengangs International Management der Universität Flensburg entsprechen, der EOC und dessen Programm in die Akkreditierung dieses Studiengangs einbezogen sind, von dem EOC betreute Abschlussarbeiten solche der jeweiligen Universität bleiben und der EOC keine eigene Studienordnung besitzt. Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob der Klägerin für den Besuch des EOC ein Anspruch auf Inlands-BAföG zusteht. BVerwG 5 C 8.17 - Urteil vom 17. Oktober 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 12 S 699/16 - Urteil vom 25. April 2017 - VG Sigmaringen, 1 K 3751/14 - Urteil vom 24. Februar 2016 -","Urteil vom 17.10.2018 - BVerwG 5 C 8.17ECLI:DE:BVerwG:2018:171018U5C8.17.0 EN Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte liegt nur vor, wenn die vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist. Leitsatz: Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG liegt nur vor, wenn die vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist, sodass diese sich insoweit als selbstständig erweist, was anhand einer materiellen, auf die Ausbildungsinhalte bezogenen Betrachtungsweise festzustellen ist. Rechtsquellen BAföG § 5 Abs. 2 und 4 Instanzenzug VG Sigmaringen - 24.02.2016 - AZ: VG 1 K 3751/14 VGH Mannheim - 25.04.2017 - AZ: VGH 12 S 699/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 17.10.2018 - 5 C 8.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:171018U5C8.17.0] Urteil BVerwG 5 C 8.17 VG Sigmaringen - 24.02.2016 - AZ: VG 1 K 3751/14 VGH Mannheim - 25.04.2017 - AZ: VGH 12 S 699/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. April 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Auslandssemester, das sie im Rahmen ihres Bachelor-Studiums International Management an der Europa-Universität Flensburg von September 2014 bis Februar 2015 am European Overseas Campus (EOC) in Indonesien absolvierte. 2 Der EOC ist eine unter Beteiligung der Universität Flensburg nach indonesischem Recht gegründete Stiftung zu Bildungszwecken. Das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein verlieh dem EOC 2006 die Stellung als angegliederte Einrichtung der Universität Flensburg (An-Institut). 3 Die nach Ablehnung der begehrten Förderung durch den Beklagten erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Besuch des EOC dem Besuch einer im Inland gelegenen Ausbildungsstätte nach § 2 BAföG nicht im Sinne von § 5 Abs. 4 BAföG gleichwertig sei. Weder sei der EOC eine in Indonesien anerkannte Hochschule noch könne dort ein Hochschulabschluss erworben werden. 4 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass angesichts der unbestrittenen Förderlichkeit des Auslandssemesters für ihr Studium auf das Merkmal der institutionellen Gleichwertigkeit verzichtet werden könne. Ferner sei für dieses Merkmal zu berücksichtigen, dass das Hochschulrecht einzelner Länder die Möglichkeit vorsehe, angegliederte Einrichtungen von Universitäten zu schaffen, die nicht Teil der Hochschule seien, gleichzeitig aber der Lehre, Forschung und Kunst dienten. Der EOC sei ein gegenüber der Universität weisungsunabhängiges und auch finanziell unabhängiges An-Institut außerhalb Deutschlands, an dem während des Fachsemesters für Studenten aus Deutschland elementare universitäre Aufgaben im Bereich der Lehre durchgeführt würden. Es könne von einer materiellen Gleichwertigkeit ausgegangen werden, da die Studieninhalte mit der Universität abgestimmt seien. 5 Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses treten der Revision entgegen. II 6 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderung ihres Studienaufenthalts am EOC. 7 1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG). Diese Vorschrift ist hier für den Zeitraum September bis Dezember 2014 in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des BAföG vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952) und für die Monate Januar und Februar 2015 in der Fassung des 25. BAföGÄndG vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2475) anzuwenden. Nach dieser Vorschrift wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, unter näher genannten Voraussetzungen Ausbildungsförderung für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte geleistet. Bereits an einer solchen Ausbildungsstätte fehlt es hier. 8 Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass der EOC nach indonesischem Recht nicht als z.B. eine Hochschule im Sinne der mit ihr vergleichbaren deutschen Rechtsform anerkannt ist. Eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 BAföG liegt aber nur vor, wenn die Einrichtung geographisch im Ausland gelegen ist und die dort vermittelte Ausbildung dieser Einrichtung förderungsrechtlich zuzurechnen ist, sodass diese sich insoweit als selbstständig erweist. Für eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte ist also eine Selbstständigkeit im förderungsrechtlichen Sinne erforderlich, aber auch ausreichend. Ob eine solche gegeben ist, ist anhand einer materiellen, auf die Ausbildungsinhalte bezogenen Betrachtungsweise zu ermitteln. Maßgeblich ist danach, dass die Ausbildung der ausländischen Einrichtung nach ausbildungsförderungsrechtlichen Kriterien zuzurechnen ist. Das ist insbesondere zu bejahen, wenn diese die Ausbildungsinhalte im Wesentlichen selber bestimmt und verantwortet. Hingegen reicht es nicht aus, wenn die Ausbildungseinrichtung nur einzelne Ausbildungsabschnitte einer anderenorts absolvierten Ausbildung durchführt. 9 Das Erfordernis der förderungsrechtlichen Selbstständigkeit ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 BAföG. Der in dieser Vorschrift angeordnete institutionelle Vergleich (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - BVerwGE 143, 314 Rn. 18) setzt zwingend voraus, dass der im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte die dort vermittelte Ausbildung selber zuzurechnen ist. Andernfalls wäre die Prüfung, ob der Besuch der ausländischen Ausbildungsstätte dem Besuch einer im Inland gelegenen Ausbildungsstätte der in § 5 Abs. 4 BAföG genannten Art gleichwertig ist, nicht möglich. Das war unausgesprochen schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt. Die so zu verstehende Selbstständigkeit brauchte in den bisherigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts lediglich deshalb nicht eigens hervorgehoben zu werden, weil in allen bislang entschiedenen Fällen die betreffenden Auszubildenden eine im Ausland für dort ansässige Auszubildende ohnehin nach dortigem Recht eingerichtete Ausbildungsstätte besuchten, der die dort vermittelte Ausbildung ohne jeden Zweifel förderungsrechtlich zuzurechnen war (BVerwG, Urteile vom 29. April 1982 - 5 C 78.80 - Buchholz 436.36 § 5 BAföG Nr. 2, vom 4. Dezember 1997 - 5 C 3.96 - BVerwGE 106, 1, vom 5. Dezember 2000 - 5 C 25.00 - BVerwGE 112, 248 und vom 12. Juli 2012 - 5 C 14.11 - BVerwGE 143, 314; Beschluss vom 28. Juli 1982 - 5 B 83.81 - Buchholz 436.36 § 5 BAföG Nr. 3). Mit der hier in Rede stehenden Fallkonstellation einer unter maßgeblicher Beteiligung einer deutschen Universität gegründeten Einrichtung, zu der im Ausland ansässige Auszubildende keinen Zugang haben, hatte sich das Bundesverwaltungsgericht bislang noch nicht zu befassen. 10 Gemessen an den dargelegten rechtlichen Anforderungen ist der EOC keine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte. Ihm fehlt die Selbstständigkeit im vorbezeichneten Sinn. Die am EOC gelehrten Ausbildungsinhalte sind ausbildungsförderungsrechtlich nicht diesem, sondern der Universität Flensburg zuzurechnen, die insoweit die Federführung hat. Der EOC ist zwar eine nach indonesischem Recht gegründete Stiftung und hochschulrechtlich als An-Institut der Universität Flensburg nach § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in der Fassung vom 5. Februar 2016 (GVOBl. Schl.-H. 2016, 40) eigenständig. Auch unterliegt er keinen Weisungen der Universität Flensburg und erhält von dort keine finanziellen Zuwendungen. Gleichwohl ist er ausbildungsförderungsrechtlich lediglich Teil eben dieser Universität. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), handelt es sich um eine ""Zweigstelle"" der Universität Flensburg, mit der diese das Ziel verfolgt, jenseits ihres eigentlichen Standortes Studierenden aus Deutschland die Absolvierung eines Auslandssemesters zu ermöglichen. 11 Die ausbildungsförderungsrechtliche Unselbstständigkeit des EOC beruht insbesondere darauf, dass die am EOC angebotenen Studienmodule keine staatliche indonesische Akkreditierung aufweisen, sondern in die Akkreditierung des Studiengangs International Management an der Universität Flensburg einbezogen sind und ihre Inhalte den akkreditierten Studienmodulen dieses Studiengangs entsprechen. Da sie somit Teil der Akkreditierung dieses Studiengangs der Universität Flensburg und inhaltlich hierauf abgestimmt sind, erscheinen die einsemestrigen Studienmodule des EOC (lediglich) als integrale Bestandteile dieses Studiengangs. Dies kommt auch durch das Fehlen einer eigenen Studienordnung des EOC, durch die die Rahmenbedingungen und Regelungen für ein ordnungsgemäßes Studium festgelegt werden, zum Ausdruck. In dieses Bild fügt sich ein, dass die von dem EOC betreuten Abschlussarbeiten solche der Universität Flensburg oder einer anderen Kooperationsuniversität sind. Davon abgesehen zeigt sich der Charakter einer ""Zweigstelle"" auch dadurch, dass alle dort Studierenden, einschließlich derer, die zuvor an einer anderen Universität studierten, während des Auslandssemesters an der Universität Flensburg eingeschrieben sind, und damit den an der Universität Flensburg geltenden Regelungen unterliegen. 12 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2018-73,23.10.2018,"Pressemitteilung Nr. 73/2018 vom 23.10.2018 EN Abfrage eines Verzichts auf Reisekosten für eine Klassenfahrt kann gegen den beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz verstoßen Die Abfrage der Schulleitung, ob eine Lehrkraft im Falle nicht ausreichender Haushaltsmittel auf eine ihr zustehende Reisekostenvergütung für eine Klassenreise teilweise verzichtet, kann dazu führen, dass sich der Dienstherr auf eine solche Verzichtserklärung nicht berufen kann. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, der als beamteter Realschullehrer im Dienst des beklagten Landes stand, hatte im Jahr 2013 bei seiner Schulleitung die Genehmigung einer Abschlussfahrt nach Berlin beantragt. Das dafür verwendete Antragsformular entsprach der Verwaltungsvorschrift des Dienstherrn für außerunterrichtliche Veranstaltungen. Darin wurde u.a. abgefragt, ob die Lehrkraft ganz oder teilweise auf Reisekostenvergütung verzichte. Der Kläger verzichtete teilweise. Nach seiner Rückkehr wurden ihm unter Hinweis auf seine Teilverzichtserklärung statt der beantragten Reisekostenvergütung i.H.v. rund 197,00 € vom Beklagten lediglich 88,00 € bewilligt. Während das nach erfolglosem Widerspruch angerufene Verwaltungsgericht den Beklagten zur Zahlung weiterer Reisekosten in Höhe des Differenzbetrages von rund 109,00 € verurteilt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Beklagte kann sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf den Teilverzicht des Klägers auf Reisekostenvergütung berufen. Dabei handelt es sich um eine unzulässige Rechtsausübung. Die entsprechende Abfrage verletzt den beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz, weil sie die wohlverstandenen Interessen des Klägers nicht in gebührender Weise berücksichtigt. Sie dient der Umsetzung der Verwaltungsvorschrift des Dienstherrn. Danach sind Genehmigungen außerunterrichtlicher Veranstaltungen durch den Schulleiter nur im Rahmen der verfügbaren Mittel möglich, es sei denn, der teilnehmende Lehrer verzichtet vorher ganz oder teilweise auf Reisekostenvergütung. Diese Koppelung zwischen Genehmigung und Verzicht bei - wie im vorliegenden Fall - nicht ausreichenden Haushaltsmitteln für alle im Schuljahr vorgesehenen Veranstaltungen setzte den Kläger einem Konflikt aus. Er musste entweder auf seinen Anspruch auf Reisekostenvergütung (teilweise) verzichten oder verantworten, dass die Abschlussfahrt nicht stattfindet. Dass eine Abschlussfahrt stattfinden sollte, entsprach den von der Gesamtlehrerkonferenz beschlossenen Grundsätzen, an die der Kläger gesetzlich gebunden war. Nach der vom Dienstherrn erlassenen Verwaltungsvorschrift kommt außerunterrichtlichen Veranstaltungen bei der Erfüllung der erzieherischen Aufgaben der Schule besondere Bedeutung zu. Dem Kläger wurde so auch die Verantwortung dafür zugewiesen, ob er eine staatliche Aufgabe unter Verzicht auf seinen ungeschmälerten Anspruch auf Reisekostenvergütung erfüllt. Hinzu kommt, dass der Kläger mit seinem Teilverzicht diese staatliche Aufgabe mit privaten Mitteln finanziert. Dies läuft dem Zweck des Anspruchs auf Reisekostenvergütung zuwider, nach dem der Dienstherr in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht seinen Bediensteten notwendige dienstliche Reiseaufwendungen abnehmen soll. BVerwG 5 C 9.17 - Urteil vom 23. Oktober 2018 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 4 S 830/15 - Urteil vom 20. Juli 2016 - VG Karlsruhe, 9 K 842/14 - Urteil vom 19. Februar 2015 -","Urteil vom 23.10.2018 - BVerwG 5 C 9.17ECLI:DE:BVerwG:2018:231018U5C9.17.0 EN Unwirksamkeit des Verzichts auf Reisekostenvergütung für eine Klassenfahrt Leitsatz: Die Abfrage der Schulleitung, ob eine Lehrkraft im Falle nicht ausreichender Haushaltsmittel auf Reisekostenvergütung für die Teilnahme an einer Klassenfahrt zumindest teilweise verzichtet, verstößt gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wenn sie die Genehmigung der Veranstaltung an den Verzicht koppelt. Rechtsquellen GG Art. 33 Abs. 5 BeamtStG § 45 VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 154 Abs. 1 LRKG BW § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SchG BW § 44 Abs. 3 Satz 1 Instanzenzug VG Karlsruhe - 19.02.2015 - AZ: VG 9 K 842/14 VGH Mannheim - 20.07.2016 - AZ: VGH 4 S 830/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.10.2018 - 5 C 9.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:231018U5C9.17.0] Urteil BVerwG 5 C 9.17 VG Karlsruhe - 19.02.2015 - AZ: VG 9 K 842/14 VGH Mannheim - 20.07.2016 - AZ: VGH 4 S 830/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 2016 geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Februar 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten um die Vergütung von Reisekosten für eine Schulabschlussfahrt. 2 Der Kläger stand 2013 als beamteter Realschullehrer im Dienst des beklagten Landes. Er beantragte in diesem Jahr bei seiner Schulleitung die Genehmigung einer Abschlussfahrt nach Berlin. Das an der Schule verwendete Antragsformular enthielt unter anderem den Hinweis, dass ein Verzicht auf Reisekostenvergütung nicht erwartet werde, aber bei bereits verbrauchten Reisekostenmitteln die Veranstaltung ermöglichen könne. Im Anschluss daran enthielt das Antragsformular auch die Formulierung ""Ich verzichte auf den ___ EUR übersteigenden Betrag"". Der Kläger entschied sich für diesen Teilverzicht auf Reisekostenvergütung, wobei er den von ihm beanspruchten Betrag offenließ. Die Schulleitung genehmigte die Fahrt, ermittelte entsprechend einer bestehenden Praxis eine Zuteilungsquote für die durch Klassenfahrten an der Schule angefallenen Reisekosten und setzte den sich hieraus für den Kläger ergebenden Betrag in Höhe von 88 € in das Antragsformular ein. 3 Nach Durchführung der Klassenfahrt beantragte der Kläger die Vergütung von Reisekosten in Höhe von 197,54 €. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Beklagten bewilligte unter Hinweis auf die Teilverzichtserklärung eine Reisekostenvergütung von 88 €. Das nach erfolglosem Widerspruch angerufene Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung weiterer Reisekosten in Höhe des Differenzbetrages von 109,54 € verurteilt. 4 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe wirksam auf die Vergütung verzichtet und könne sich auch nicht auf die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung berufen. Die Schulen und ihre Gremien seien nach baden-württembergischem Landesrecht haushaltsrechtlich an die ihnen zugewiesenen Haushaltsmittel und die sich aus sonstigem Landesrecht ergebenden Grenzen gebunden. Obwohl diese Mittel derzeit sehr knapp bemessen seien, obliege es rechtlich der einzelnen Schule und ihren Gremien sowie einzelnen Beamten, auch in diesem Bereich so zu planen und zu entscheiden, dass die Schule nicht mehr Ausgaben leiste, als sie haushaltsrechtlich zu leisten berechtigt sei. Wenn an einer Schule der Wunsch bestehe, Veranstaltungen durchzuführen, die diesen Rahmen sprengten, falle dies in den Verantwortungsbereich der daran beteiligten Personen des Schullebens und nicht (mehr) des Dienstherrn. Dieser stelle die Frage nach einem Verzicht nur für den Fall, dass an der Schule aus eigenem Entschluss der gesetzesgebundenen Bediensteten die Möglichkeit gegeben sein solle, die der Schule haushaltsrechtlich gesetzten Grenzen zu überschreiten. 5 Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers. Er habe nicht wirksam auf die Reisekosten verzichtet. Außerdem sei dem Dienstherrn die Berufung auf die Verzichtserklärung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt. 6 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. II 7 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht im Einklang. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung weiterer Reisekostenvergütung (1.). Der Verwaltungsgerichtshof geht zu Unrecht davon aus, dass diesem Anspruch der von dem Kläger erklärte Teilverzicht entgegensteht (2.). 8 1. Der Kläger hat gemäß § 3 Abs. 1 des Landesreisekostengesetzes Baden-Württemberg (LRKG BW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1996 (GBl. 1996 S. 465), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2013 (GBl. 2013 S. 476) Anspruch auf die geltend gemachte weitere Reisekostenvergütung. Danach haben Dienstreisende Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LRKG BW) in dem zur Erledigung des Dienstgeschäfts notwendigen Umfang (vgl. § 3 Abs. 2 LRKG BW). Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass diese Voraussetzungen hier sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorliegen. 9 2. Diesem Anspruch steht der von dem Kläger erklärte teilweise Verzicht auf eine Reisekostenvergütung nicht entgegen. Die Berufung des Beklagten auf den Teilverzicht stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar. 10 Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn voraus, das zwar nicht immer schuldhaft zu sein braucht, das aber unter gebotener Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles das Verhalten als gegen Treu und Glauben verstoßend und damit als unzulässig erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1982 - 2 C 32.81 - BVerwGE 66, 256 <259> und vom 15. Juni 2006 - 2 C 14.05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12 Rn. 23). Ein solches qualifiziertes Fehlverhalten ist unter anderem im Falle eines Verstoßes gegen die von Art. 33 Abs. 5 GG und § 45 BeamtStG verbürgte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu bejahen. Diese gebietet insbesondere, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise berücksichtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - Buchholz 232.01 § 48 BeamtStG Nr. 1 Rn. 22 m.w.N.). Daran fehlt es hier. 11 Der Kläger wurde durch die mit der Genehmigung der Klassenfahrt als einer Dienstreise verbundene Abfrage, ob er für den Fall nicht ausreichender Haushaltsmittel auf die ihm zustehende Reisekostenvergütung (teilweise) verzichte, einem Interessenkonflikt ausgesetzt, der mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht vereinbar war. Mithin erweist sich auch die Berufung auf diesen Verzicht als Verletzung der Fürsorgepflicht (a). Diese Fürsorgepflichtverletzung ist dem Beklagten zuzurechnen (b). 12 a) Die Verzichtsabfrage war fürsorgewidrig, weil sie die Genehmigung der Klassenfahrt und Dienstreise an den (Teil-)Verzicht auf die Reisekostenvergütung koppelte und dem Kläger damit die Verantwortung zuwies, dass die Klassenfahrt stattfinden konnte (aa). Dieser Grundkonflikt wurde dadurch verstärkt, dass es sich um eine staatliche Aufgabe handelte, weil die Durchführung der Klassenfahrt zu den erzieherischen Aufgaben der Schule gehörte (bb) und der Kläger zu ihrer Durchführung verpflichtet war (cc). Eine Vertiefung erfuhr die Fürsorgepflichtverletzung hier dadurch, dass dem Kläger außerdem die Finanzierung einer staatlichen Aufgabe mit privaten Mitteln abverlangt wurde, was dem Zweck der Reisekostenvergütung zuwiderläuft (dd). 13 aa) Die in dem Antragsformular enthaltene Abfrage des (Teil-)Verzichts auf Reisekostenvergütung koppelte die Genehmigung der Klassenfahrt und Dienstreise an den erklärten Kostenverzicht. Dies stand im Einklang mit der Verwaltungsvorschrift ""Außerunterrichtliche Veranstaltungen der Schulen"" des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg vom 6. Oktober 2002 - Az. 41-6535.0/323 - (Kultus und Unterricht 2002 S. 324), - VwV -. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), entsprach das dem Kläger vorgelegte Antragsformular der Anlage 1 der Verwaltungsvorschrift und war für den Antrag auf Genehmigung einer außerunterrichtlichen Veranstaltung zu verwenden (Nr. III Abs. 3 Satz 3 VwV). Zum Inhalt der Verwaltungsvorschrift hat die Vorinstanz auch festgestellt, dass die außerunterrichtlichen Veranstaltungen gemäß Nr. II Abs. 3 Satz 1 VwV vom Schulleiter genehmigt werden, wobei Genehmigungen nur im Rahmen der verfügbaren, den Schulen vorab mitgeteilten (vgl. Nr. III Abs. 1 VwV) Mittel möglich sind, es sei denn, die teilnehmenden Lehrer und Begleitpersonen verzichten ganz oder teilweise auf Reisekostenvergütung (Nr. II Abs. 3 Satz 2 VwV). Die Verzichtsabfrage stimmt nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils mit der üblichen Praxis an der Schule des Klägers überein, weil die dort jährlich durchgeführten außerunterrichtlichen Veranstaltungen regelmäßig mehr Reisekosten verursachen als der Schule haushaltsmäßig zur Verfügung stehen. In dieser Situation setzte die Verzichtsabfrage den Kläger einem Interessenkonflikt aus (vgl. auch BAG, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - BAGE 143, 194 Rn. 28 ff.; VGH München, Urteil vom 2. August 2007 - 14 B 04.3576 - BayVBl. 2008, 208 Rn. 35 und OVG Münster, Urteil vom 14. November 2012 - 1 A 1579/10 - NWVBl. 2013, 137 <138>). Er musste entweder zumindest teilweise auf seinen Anspruch auf Reisekostenvergütung verzichten oder verantworten, dass die Abschlussfahrt mangels Genehmigung nicht stattfinden kann. 14 bb) Dieser Grundkonflikt wurde in erheblichem Maße dadurch verstärkt, dass es sich bei der Abschlussfahrt gemessen an dem vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Inhalt der Verwaltungsvorschrift auch aus Sicht des Beklagten um eine wichtige staatliche Aufgabe im Rahmen des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags handelt, die zum Kernbereich der dienstlichen Tätigkeit des Klägers gehört. Denn gemäß Nr. I Abs. 1 VwV kommt außerunterrichtlichen Veranstaltungen bei der Erfüllung der erzieherischen Aufgaben der Schule besondere Bedeutung zu. Sie dienen der Vertiefung, Erweiterung und Ergänzung des Unterrichts und tragen zur Entfaltung und Stärkung der Gesamtpersönlichkeit des einzelnen Schülers bei. 15 cc) Eine weitere Verschärfung erfährt der Konflikt dadurch, dass der Kläger verpflichtet war, die in Rede stehende Abschlussfahrt durchzuführen. Die Durchführung der Klassenfahrt geht auf einen Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz zurück ((1.)), an den der Kläger gesetzlich gebunden war ((2.)). 16 (1.) Die von dem Kläger unternommene Klassenfahrt war eine Veranstaltung, die nach dem Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz über die für das betreffende Schuljahr geltenden Grundsätze stattfinden sollte. Dies ergibt sich aus den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs. Gemäß Nr. II Abs. 1 VwV berät und beschließt die Gesamtlehrerkonferenz mit Einverständnis der Schulkonferenz über die Grundsätze der in einem Schuljahr stattfindenden schulischen Veranstaltungen. Die Verzichtsabfrage dient unter anderem der Umsetzung von Nr. II Abs. 1 VwV, deren Anwendungsbereich nur eröffnet ist, wenn die Veranstaltung auf einen Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz über die Grundsätze der stattfindenden Veranstaltungen zurückzuführen ist. Ferner wird die Frage nach einem Verzicht nur gestellt, wenn entweder die Gesamtlehrerkonferenz gemäß Nr. II Abs. 1 VwV Grundsätze für außerunterrichtliche Veranstaltungen beschlossen hat, nach denen die Veranstaltungen nicht mit den der Schule haushaltsrechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln durchgeführt werden können, oder - wofür sich in den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs keine Anhaltspunkte finden - die Grundsätze zwar dem Haushaltsrecht Rechnung tragen, das vorhandene Budget aber in einem Einzelfall mit einer Veranstaltung überschritten werden soll. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass der Genehmigungspraxis der Schule ein Modell der anteiligen Mittelverteilung zugrunde liegt, nach dem die vorhandenen Mittel möglichst gleichmäßig auf alle Veranstaltungen verteilt werden, die nach den von der Gesamtlehrerkonferenz gemäß Nr. II Abs. 1 VwV beschlossenen Grundsätzen in einem Schuljahr durchgeführt werden sollen. Da die Reisekosten für die in Rede stehende Klassenfahrt nach diesem Modell abgerechnet wurden, beinhaltet dies zugleich die Feststellung, dass die Klassenfahrt von diesen Grundsätzen gedeckt war. 17 (2.) Der Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz über die Grundsätze der außerunterrichtlichen Veranstaltungen war für die Lehrkräfte und damit auch für den Kläger verbindlich. Dies folgt aus § 44 Abs. 3 Satz 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG BW) in der Fassung vom 1. August 1983 (GBl. 1983 S. 397), für den hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2012 (GBl. 2012 S. 209). Der Senat ist insoweit zur Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht befugt, weil der Verwaltungsgerichtshof sich hierzu nicht geäußert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2014 - 4 CN 6.12 - BVerwGE 149, 373 Rn. 25 m.w.N.). Nach § 44 Abs. 3 Satz 1 SchG BW sind die Beschlüsse der Gesamtlehrerkonferenz für Schulleiter und Lehrer bindend. Der Kläger war daher verpflichtet, die Klassenfahrt als Abschlussfahrt des 10. Jahrgangs durchzuführen. 18 dd) Das Gewicht der hier in der Abfrage liegenden Fürsorgepflichtverletzung wurde weiter dadurch erhöht, dass die Abschlussfahrt nur stattfinden konnte, wenn der Kläger für die Aufwendungen, die ansonsten von der Reisekostenvergütung abgedeckt wären, eigene Mittel aufwendete, ihm also die Finanzierung einer staatlichen Aufgabe durch Einsatz privater Mittel abverlangt wurde. Dies läuft dem Zweck des Reisekostenvergütungsanspruchs zuwider, der gerade darin liegt, dass der Dienstherr in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht seinen Bediensteten notwendige dienstlich veranlasste Reiseaufwendungen abnimmt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. November 1992 - 10 C 2.91 - BVerwGE 91, 159 <163> m.w.N. und vom 26. Juni 2014 - 5 C 28.13 - BVerwGE 150, 108 Rn. 10). 19 b) Die Fürsorgepflichtverletzung ist dem Beklagten zuzurechnen. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die Abfrage des Reisekostenverzichts zu den dienstlichen Aufgaben der Schulleitung gehört, die insofern als Organ des Dienstherrn handelt. Ferner setzt die Abfrage lediglich die Verwaltungsvorschrift des Beklagten vom 6. Oktober 2002 um, die für die Schulleitung verbindlich ist und für den Fall nicht ausreichender Haushaltsmittel die Genehmigung der außerunterrichtlichen Veranstaltung an den Verzicht der Lehrkraft auf Reisekostenvergütung koppelt. Aus dem Umstand, dass der Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz über die Grundsätze der in einem Schuljahr stattfindenden außerunterrichtlichen Veranstaltungen den Rahmen der dafür bewilligten Haushaltsmittel übersteigt, folgt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichthofs nichts anderes. Die Beschlüsse der Gesamtlehrerkonferenz als einem Organ der Schule, das die ihm übertragenen Aufgaben wahrnimmt, sind dem Beklagten vollumfänglich zuzurechnen, und zwar auch, soweit sie haushaltsrechtliche Vorgaben nicht beachtet haben. 20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2018-74,23.10.2018,"Pressemitteilung Nr. 74/2018 vom 23.10.2018 EN Kein Kostenerstattungsanspruch wegen Unterbringung eines Kindes in einer Tageseinrichtung gegen den zuvor zuständigen Jugendhilfeträger Ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich ein Kind in einer Tageseinrichtung untergebracht ist, hat keinen Anspruch auf Erstattung dafür angefallener Kosten gegenüber dem Jugendhilfeträger, in dessen Zuständigkeitsbereich das Kind zuvor in einer Kindertagesstätte betreut worden war. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Das dreijährige Kind nahm zunächst in einer Kindertagesstätte im örtlichen Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises, in dem beide Eltern wohnten, einen Betreuungsplatz in Anspruch. Im Zuge der Trennung der Eltern, die weiterhin gemeinsam sorgeberechtigt sind, zog die Mutter mit dem Kind in den örtlichen Zuständigkeitsbereich der klagenden Stadt. Deshalb wurde der bisherige Betreuungsplatz gekündigt und das Kind nach dem Umzug in einer trägereigenen Tageseinrichtung der Klägerin untergebracht. Für die hierfür aufgewendeten Kosten, die nicht durch Elternbeiträge und Landesförderung abgedeckt sind, begehrte die Klägerin von dem Beklagten Kostenerstattung. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Weil der jugendhilferechtliche Bedarf in gleicher Weise fortbestanden habe, handle es sich bei der Aufnahme der Kinderbetreuung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin lediglich um die Fortsetzung der bisherigen Jugendhilfeleistung des Beklagten, so dass dieser weiterhin zur Kostentragung verpflichtet sei. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht dessen Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hätte nur dann einen Erstattungsanspruch, wenn ihre Leistung und die zuvor von dem Beklagten gewährte Betreuung zuständigkeitsrechtlich als Einheit anzusehen wären. Dies ist nicht der Fall, weil die Leistung des Beklagten beendet war. Für den bundesrechtlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz kommt es neben dem Alter des Kindes maßgeblich darauf an, ob und in welchem Umfang die Eltern einen Bedarf geltend machen und eine Förderung ihres Kindes in einer Tageseinrichtung in Anspruch nehmen möchten. Dieses Bestimmungsrecht setzt sich bei der Beendigung der Förderungsleistung fort. Sie wird dann zuständigkeitsrechtlich beendet, wenn die Sorgeberechtigten das Betreuungsverhältnis zu der Kindertagesstätte auflösen. Dies geschah hier durch die Abmeldung aus der Einrichtung im Zuständigkeitsbereich des bislang zuständigen Jugendhilfeträgers. Deshalb ist nach den gesetzlichen Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilferechts die örtliche Zuständigkeit für den Jugendhilfefall auf die Klägerin übergegangen, so dass dieser kein Kostenerstattungsanspruch gegen den beklagten Landkreis zusteht. BVerwG 5 C 15.17 - Urteil vom 23. Oktober 2018 Vorinstanz: VG Hannover, 3 A 5588/15 - Urteil vom 22. August 2017 -","Urteil vom 23.10.2018 - BVerwG 5 C 15.17ECLI:DE:BVerwG:2018:231018U5C15.17.0 EN Jugendhilferechtlicher Kostenerstattungsstreit zwischen Jugendhilfeträgern Leitsätze: 1. Maßgeblich für die Bestimmung des jugendhilferechtlichen Bedarfs, den die Gewährleistungen über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 24 SGB VIII) zu decken bestimmt sind, ist der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und damit deren subjektive Bewertung des Betreuungsbedarfs. 2. Die Jugendhilfeleistung der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) wird regelmäßig schon dann zuständigkeitsrechtlich im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII beendet, wenn die Sorgeberechtigten das Betreuungsverhältnis zu der Tageseinrichtung auflösen. Rechtsquellen SGB VIII § 2 Abs. 2 Nr. 3, § 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3, §§ 27, 86 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 SGB X § 105 Abs. 1 Satz 1 VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1 Instanzenzug VG Hannover - 22.08.2017 - AZ: VG 3 A 5588/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.10.2018 - 5 C 15.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:231018U5C15.17.0] Urteil BVerwG 5 C 15.17 VG Hannover - 22.08.2017 - AZ: VG 3 A 5588/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22. August 2017 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten als Träger der öffentlichen Jugendhilfe um die Erstattung von Aufwendungen für die Förderung eines Kindes in einer Tageseinrichtung. 2 Das im September 2007 geborene Kind besuchte ab März 2011 eine kommunale Kindertagesstätte im beklagten Landkreis mit einem Betreuungsumfang von 25 Stunden in der Woche. Anfang 2012 trennten sich die bis dahin im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wohnenden Eltern. Sie behielten gemeinsam das Sorgerecht für das Kind. Dieses wurde mit Wirkung zum 31. Januar 2012 aus der Betreuung in der Kindertagesstätte abgemeldet. Während der Vater am bisherigen Wohnsitz verblieb, war die Mutter mit dem Kind am 26. Januar 2012 in den örtlichen Zuständigkeitsbereich der klagenden Stadt gezogen. Dort schloss sie mit der Klägerin einen Vertrag über die Betreuung des Kindes in einer städtischen Kindertagesstätte, in der das Kind ab März 2012 eine Ganztagsbetreuung in Anspruch nahm. Im Mai 2013 wechselte es in eine andere, ebenfalls von der Klägerin betriebene Kindertageseinrichtung, wo seine Betreuung am 31. Juli 2013 endete. 3 Für ihre im Zeitraum vom 9. März 2012 bis zum 31. Juli 2013 für die Kindertagesbetreuung erbrachten Aufwendungen, die nicht durch Elternbeiträge und Landesförderung abgedeckt gewesen sind, begehrte die Klägerin von dem Beklagten Kostenerstattung. Nachdem dieser die Erstattung abgelehnt hatte, nahm die Klägerin den Beklagten klageweise auf Zahlung der im genannten Zeitraum von ihr aufgewendeten Jugendhilfekosten in Anspruch. 4 Das Verwaltungsgericht hat der auf Zahlung von 4 262,60 € zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit gerichteten Klage stattgegeben. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergebe sich dem Grunde nach aus § 105 Abs. 1 SGB X. Es handele sich bei der Wiederaufnahme der Kinderbetreuung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin lediglich um die Fortsetzung der bisherigen Jugendhilfeleistung des Beklagten. Es liege eine einheitliche Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vor. Deshalb sei die örtliche Zuständigkeit für den Jugendhilfefall nicht auf die Klägerin übergegangen. Einschlägig sei vielmehr § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, wonach die bisherige Zuständigkeit bestehen bleibe, wenn die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen, solange unter anderem die Personensorge beiden Elternteilen zustehe. Die Leistungspflicht gegenüber dem Kind sei damit bei dem Beklagten verblieben. 5 Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch zu, weil er - der Beklagte - ab dem 31. Januar 2012 nicht mehr zuständiger Jugendhilfeträger gewesen sei. Bei der Kindertagesbetreuung komme dem Gesichtspunkt der Kontinuität einer bedarfsgerechten Hilfegewährung nur ein geringeres Gewicht zu, das es nicht rechtfertige, bei einem Ortswechsel eine einheitliche Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne anzunehmen. Zudem stelle gerade ein umzugsbedingter Wechsel der Kindertageseinrichtung, zumal mit einer zeitlichen Unterbrechung, eine gravierende Änderung der Lebensumstände dar, die eine neue Entscheidung über die Bedarfsdeckung erfordere. Ein Bedarf am Fortbestand der ursprünglichen örtlichen Zuständigkeit des bisherigen Jugendhilfeträgers bestehe in diesen Fällen nicht. Die Inanspruchnahme der Betreuung in einer anderen Kindertagesstätte am neuen Wohnort stelle sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als neue, eigenständige Jugendhilfeleistung dar. Für diese sei hier die Klägerin gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII selbst zuständig gewesen. 6 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts. II 7 Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Das Verwaltungsgericht hat das Bestehen eines Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin zu Unrecht entscheidungstragend auf die Annahme gestützt, dass es sich bei der von der Klägerin gewährten Förderung in einer Tageseinrichtung um die Fortsetzung einer einheitlichen Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne gemäß §§ 86 ff. des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII) i.d.F. der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134) und vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) handelte. 8 1. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 105 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) i.d.F. der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130). 9 Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs setzt nach dieser Regelung unter anderem voraus, dass die Klägerin als unzuständiger Leistungsträger eine Sozialleistung - hier die im Streit stehende Förderung des Kindes in einer Tageseinrichtung im Zeitraum vom 9. März 2012 bis zum 31. Juli 2013 - erbracht hat. Das ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin selbst gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII für die Erbringung der Leistung örtlich zuständig gewesen ist. Die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII sind auch auf Leistungen der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege anwendbar (BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - 5 C 57.01 - BVerwGE 117, 184 <186 ff.>). Nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ist in Fällen, in denen die Eltern eines Kindes oder Jugendlichen verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und beide personensorgeberechtigt sind, der gewöhnliche Aufenthalt des Elternteiles maßgeblich, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 10 Die Merkmale des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII liegen insoweit unstreitig vor, als die Elternteile, denen die Personensorge gemeinsam zugestanden hat, infolge des Umzugs der Mutter ab 26. Januar 2012 verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besaßen. Des Weiteren steht zu Recht nicht im Streit, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor Beginn der in den Tageseinrichtungen der Klägerin ab März 2012 erbrachten Betreuungsleistungen bei seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich der Klägerin hatte. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob es sich bei dieser von der Klägerin gewährten Förderung des Kindes um eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne handelt, so dass es auf den vorgenannten Zeitpunkt des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vor Beginn dieser Leistung im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ankommt. Dies ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts der Fall. 11 Zwar hat bereits der Beklagte mit der in seinem Zuständigkeitsbereich dem anspruchsberechtigten Kind gewährten Förderung in einer Tageseinrichtung eine Leistung der Jugendhilfe erbracht, auf die der zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff (im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII) Anwendung findet, so dass sie grundsätzlich fortsetzungsfähig ist (a). Die im März 2011 einsetzende Jugendhilfeleistung des Beklagten ist jedoch dadurch, dass die Eltern das dortige Betreuungsverhältnis zum 31. Januar 2012 beendet haben, auch zuständigkeitsrechtlich im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII beendet worden (b). Dementsprechend handelte es sich bei der von der Klägerin ab März 2012 in ihrem Zuständigkeitsbereich gewährten Förderung des Kindes in einer Tageseinrichtung um eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne, für deren Erbringung nicht der Beklagte, sondern die Klägerin selbst gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständig gewesen ist (c). 12 a) Das Verwaltungsgericht hat, ohne dass dies von den Beteiligten in Zweifel gezogen worden ist, zu Recht angenommen, dass mit der von März 2011 bis Ende Januar 2012 andauernden Förderung des Kindes in einer Tageseinrichtung eine Leistung der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) gegenüber dem anspruchsberechtigten Kind erbracht worden ist, deren Gewährung dem Beklagten zuzurechnen ist. 13 Dabei ergab sich - was zwischen den Beteiligten ebenfalls zu Recht nicht im Streit steht - der gegenüber dem Beklagten bestehende und von den vertretungsberechtigten Eltern geltend gemachte Anspruch des Kindes aus § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Danach hat ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung. Der wesentliche Inhalt dieser Norm findet sich zwar nunmehr in der ab dem 1. August 2013 geltenden Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) - SGB VIII n.F. Diese Regelung ist hier jedoch noch nicht anwendbar, weil sie erst nach dem streitigen Förderungszeitraum wirksam geworden ist. 14 Für die Gewährung der vorgenannten Leistung der Jugendhilfe war der Beklagte gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig, weil die Eltern in seinem Zuständigkeitsbereich wohnten und mithin beide während des Leistungszeitraums von März 2011 bis Ende Januar 2012 dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. 15 Die Klägerin hat - wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend angenommen hat - mit dem Nachweis eines Platzes und der tatsächlichen Ermöglichung der Betreuung des Kindes in ihren trägereigenen Kindertagesstätten in der Zeit von März 2012 bis Ende Juli 2013 ebenfalls eine Leistung der Jugendhilfe gewährt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3, § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob damit die bisherige Leistung des Beklagten lediglich fortgesetzt worden ist oder ob die Klägerin eine neue Leistung der Jugendhilfe erbracht hat, mit der die Zuständigkeitsfrage neu aufgeworfen worden ist, im Grundsatz nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff (der §§ 86 ff. SGB VIII) beurteilt. 16 ""Leistung"", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpfen, sind danach unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne zwischenzeitliche Beendigung oder beachtliche Unterbrechung gewährt worden sind. Unter den vorgenannten Voraussetzungen lassen Verschiebungen der Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs und Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen in der Ausgestaltung der Hilfe bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart den Leistungszusammenhang grundsätzlich unberührt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119>, vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22, vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 Rn. 20 und vom 13. Dezember 2012 - 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 17 m.w.N.). 17 Aus dem Umstand, dass Angebote der Förderung in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege als Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) zuständigkeitsrechtlich von den §§ 86 ff. SGB VIII erfasst werden, ergibt sich zugleich, dass sie im Grundsatz auch im zuständigkeitsrechtlichen Sinne fortsetzungsfähig sind (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - 5 C 57.01 - BVerwGE 117, 184 <190 f.> sowie ferner Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 86 Rn. 11; Eschelbach, JAmt 2014, 652 <653>; DIJuF-Rechtsgutachten vom 16. Januar 2018, JAmt 2018, 33 <33 f.>; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 86 Rn. 67). 18 b) Die Leistung der Klägerin und die des Beklagten stehen jedoch nicht in einem zuständigkeitsrechtlichen Leistungszusammenhang, der sie als einheitliche Leistung im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs erscheinen lässt, weil die Jugendhilfeleistung des Beklagten bereits vor dem Einsetzen der Förderungsleistung der Klägerin beendet gewesen ist. 19 Die zuständigkeitsrechtliche Wirkung der Beendigung einer Leistung liegt darin, dass das einer wirksamen Beendigung folgende erneute Einsetzen der Leistungsgewährung stets eine neue Jugendhilfeleistung im Sinne des § 86 SGB VIII darstellt und die Zuständigkeitsfrage neu aufwirft (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 5 C 35.15 - BVerwGE 157, 96 Rn. 31). Eine solche Beendigung der Jugendhilfeleistung des Beklagten ist hier eingetreten. 20 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats liegt regelmäßig eine Beendigung einer Leistung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII vor, wenn der Jugendhilfeträger die von ihm bisher gewährte Hilfeleistung aufgrund eines Verwaltungsakts tatsächlich einstellt und dies in belastbarer Weise auf der Annahme beruht, dass ein objektiv erkennbarer und qualitativ unveränderter, kontinuierliche Hilfe gebietender jugendhilferechtlicher Bedarf nicht mehr fortbesteht. Kennzeichnend für die Beendigung ist also die Entscheidung des Jugendhilfeträgers, den bisherigen Hilfeleistungsvorgang nicht nur zeitweise zu unterbrechen, sondern abzuschließen, sofern dies auf der durch Tatsachen hinreichend gerechtfertigten Einschätzung gründet, dass ein entsprechender Hilfebedarf entfallen oder eine neue Hilfemaßnahme erforderlich ist, die zur Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfs dient (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 5 C 35.15 - BVerwGE 157, 96 Rn. 31). 21 Daran hält der Senat fest, stellt aber klar, dass sich dies auf den der vorgenannten Entscheidung zugrunde liegenden Typus von Jugendhilfeleistungen bezieht, der - wie z.B. die im entschiedenen Streitfall problematisierte Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) oder etwa die Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) - regelmäßig auf einer Jugendhilfeplanung (§ 36 SGB VIII) beruht, individuell zugeschnitten und an einem von dem Jugendhilfeträger festgestellten objektiven Hilfebedarf auszurichten ist sowie regelmäßig mittels eines Bewilligungsbescheides des Jugendhilfeträgers, d.h. in Gestalt eines gegenüber dem Berechtigten ergehenden Verwaltungsakts, gewährt wird. 22 bb) Hiervon unterscheidet sich die in Rede stehende Leistung der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen so maßgeblich ((1)), dass sich dies bei der Bestimmung des Tatbestands der Beendigung dieser Leistung auswirkt ((2)). 23 (1) Die zu den Angeboten zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) gehörende Jugendhilfeleistung deckt typischerweise einen Hilfebedarf ab, der anders zu bestimmen ist und sich insofern anders darstellt, als dies bei den oben genannten Hilfen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 SGB VIII) der Fall ist. Maßgeblich für die Bestimmung des Bedarfs bei dem hier in Rede stehenden Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege ist der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Personensorgeberechtigten (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII) und damit ihre subjektive Bewertung des Betreuungsbedarfs. Das unterscheidet diese Förderungsleistung in zuständigkeitsrechtlich bedeutsamer Weise von den anderen genannten Jugendhilfeleistungen. 24 Dagegen spricht nicht die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass - von der Maßnahme der Inobhutnahme abgesehen - auch die Inanspruchnahme anderer Jugendhilfeleistungen wie der Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) insofern ""freiwillig"" ist, als sie den Bedürftigen grundsätzlich nicht gegen den Willen der Sorgeberechtigten aufgedrängt werden dürfen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 5 C 35.15 - BVerwGE 157, 96 Rn. 46 m.w.N.). Denn anders als bei der Inanspruchnahme von Förderleistungen in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege bestimmen in diesen Fällen nicht die Sorgeberechtigten maßgeblich darüber, ob und in welchem Umfang ein jugendhilferechtlicher Bedarf besteht oder nicht. Vielmehr ist die Bedarfsbestimmung anhand objektiver Kriterien durch den Jugendhilfeträger vorzunehmen. Hat dieser einen grundsätzlich durch eine Jugendhilfeleistung - wie die Hilfe zur Erziehung - zu deckenden Bedarf ermittelt, also eine objektive und von den Eltern nicht zu behebende erzieherische Mangellage festgestellt, ist er trotz (zwischenzeitlicher) Weigerung der Berechtigten, Hilfeangebote anzunehmen, gehalten, auf eine Bedarfsdeckung hinzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 5 C 35.15 - BVerwGE 157, 96 Rn. 52). Dies trifft auf die Jugendhilfeleistung der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege nicht zu. 25 Dass es für die Bestimmung des Bedarfs im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs (§§ 86 ff. SGB VIII), den die Gewährleistungen über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 24 SGB VIII) zu decken bestimmt sind, entscheidend auf den subjektiv determinierten und von den Erziehungsberechtigten bzw. Eltern angemeldeten Bedarf ankommt, erschließt sich aus den entsprechenden Regelungen. 26 Das gilt insbesondere für die hier einschlägige Anspruchsnorm (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII n.F.), wonach ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung hat. Für die Inanspruchnahme des Grundanspruchs von Kindertagesbetreuung ab dem vierten Lebensjahr des Kindes wird danach über die Erfüllung der Altersgrenze hinaus weder ein spezifischer Hilfe- oder Förderbedarf des Kindes noch eine objektiv festzustellende Betreuungsnotwendigkeit vorausgesetzt. Vielmehr bleibt es den Erziehungsberechtigten bzw. Eltern überlassen, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit sie eine Betreuung für notwendig erachten. Hinsichtlich dieses Angebotes der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) definieren mithin die Eltern bzw. sorgeberechtigten Personen den individuellen Hilfebedarf selbst. 27 Dies entspricht dem vom Gesetzgeber verfolgten Anliegen, ""Wege für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu öffnen, die dem Wohle der Kinder dienen"" (BT-Drs. 16/9299 S. 1), und gilt - was im Hinblick auf die weitere Rechtsentwicklung hier bestätigend heranzuziehen ist - im Grundsatz ebenso für die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII n.F., wonach ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege hat. Auch für diesen Rechtsanspruch, der darauf gerichtet ist, dem anspruchsberechtigten Kind einen Betreuungsplatz nachzuweisen, der dem konkret-individuellen Bedarf des Kindes und seiner Erziehungsberechtigten insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entspricht, ist stets der durch die Erziehungsberechtigten definierte individuelle Bedarf, begrenzt durch das Wohl des zu betreuenden Kindes, maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 5 C 19.16 - BVerwGE 160, 212 Rn. 34, 42 m.w.N.). 28 Dies gilt - was weiter bestätigend zu berücksichtigen ist - selbst im Hinblick auf die objektiv-rechtliche Gewährleistung des § 24 Abs. 1 SGB VIII n.F., wonach ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter bestimmten Voraussetzungen in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern ist. Auch insoweit steht den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten ein ""Interpretationsprimat"" hinsichtlich der Festlegung des (Fremd-)Betreuungsbedarfs ihres Kindes im Sinne einer subjektiv determinierten Bedarfseinschätzung zu, die sich als solche der Überprüfung anhand objektiver Kriterien durch den Jugendhilfeträger entzieht und bis zur äußersten Grenze der Kindeswohlgefährdung zu respektieren ist (vgl. Rixen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Aufl. 2018, § 24 Rn. 10, 15 m.w.N.). 29 (2) Im Hinblick auf die Anforderungen an die Beendigung der von einem Träger der Jugendhilfe gewährten bisherigen Förderungsleistung in Tageseinrichtungen ist aus dem Vorstehenden zu schließen, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob die Erziehungsberechtigten das Betreuungsverhältnis zu dem Erbringer der Leistung beenden bzw. auflösen. Denn bei diesen Angeboten der Jugendhilfe bemisst sich auch die Kontinuität des Bedarfs im Verhältnis zum Jugendhilfeträger im Wesentlichen nach der Willensbekundung der Eltern oder sonst Erziehungsberechtigten. Die Jugendhilfeleistung der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) wird regelmäßig schon dann zuständigkeitsrechtlich im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII beendet, wenn die Sorgeberechtigten das Betreuungsverhältnis zu der Tageseinrichtung auflösen. Denn damit bringen sie typischerweise zum Ausdruck, dass sich der bislang in bestimmter Weise konkretisierte Betreuungsbedarf verändert hat bzw. nicht mehr besteht oder dessen Deckung gegenüber dem bislang leistenden öffentlichen Träger der Jugendhilfe nicht mehr beansprucht wird. 30 Die Auflösung des Betreuungsverhältnisses zu der Tageseinrichtung führt unter den vorgenannten Umständen nicht nur dann zu einer Beendigung des bisherigen Leistungsverhältnisses zum örtlichen Träger der Jugendhilfe, wenn dieser selbst Träger der Tageseinrichtung ist. Die zuständigkeitsrechtliche Beendigung zum Träger der Jugendhilfe tritt aufgrund der genannten Umstände auch dann ein, wenn es sich bei dem Leistungserbringer um eine nicht von dem Träger der Jugendhilfe betriebene kommunale Einrichtung oder einen freien Träger der Jugendhilfe handelt, mit welchem ein (gegebenenfalls privatrechtlicher) Betreuungsvertrag geschlossen worden ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in den zuletzt genannten Fällen ebenfalls, dass die Eltern dieses (Vertrags-)Verhältnis auflösen (z.B. durch ""Abmeldung"" bzw. Kündigung). Die Beendigung des Betreuungsverhältnisses schlägt dann in der Regel auf das Leistungsverhältnis zu dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe durch. Während die Eltern bzw. Sorgeberechtigten mit der ursprünglichen Inanspruchnahme des nachgewiesenen oder von ihnen selbst verschafften (ortsnahen) Betreuungsplatzes in einer Einrichtung im Zuständigkeitsbereich des (bisher) örtlich zuständigen Jugendhilfeträgers zum Ausdruck gebracht haben, dass ein entsprechender Betreuungsbedarf besteht, zu dessen dem Jugendhilfeträger zuzurechnenden Deckung sie diesen in Anspruch nehmen möchten, verhält es sich bei der Auflösung dieses Betreuungsverhältnisses umgekehrt. Mit der Beendigung des Betreuungsverhältnisses zu der leistungserbringenden Einrichtung bringen sie regelmäßig zugleich zum Ausdruck, dass entweder ein Fremdbetreuungsbedarf nicht mehr besteht (z.B., weil sie das Kind selbst betreuen möchten) oder der Bedarf in einer anderen Tageseinrichtung bzw. in Kindertagespflege - insbesondere im Zuständigkeitsbereich eines anderen Jugendhilfeträgers - gedeckt werden soll. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein fortbestehender Betreuungsbedarf im Zuständigkeitsbereich des bisherigen Jugendhilfeträgers nicht (mehr) geltend gemacht wird. In den vorgenannten Fällen tritt mithin im Hinblick auf den subjektiv determinierten und auf die Bedarfsdeckung in einer bestimmten Einrichtung konkretisierten Betreuungsbedarf eine Zäsur ein, die den bisherigen Leistungszusammenhang entfallen lässt. 31 c) In Anwendung des vorgenannten Maßstabs lag hier eine Beendigung der von dem Beklagten ab März 2011 erbrachten Jugendhilfeleistung vor. Denn die Eltern haben, indem sie das Kind in der kommunalen Kindertagesstätte im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ""abgemeldet"" haben, das Betreuungsverhältnis mit dem kommunalen Leistungserbringer zum 31. Januar 2012 aufgelöst und damit zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der insoweit konkretisierte Bedarf nicht mehr bestand, sondern von einer weiteren (ortsnahen) Bedarfsdeckung im Zuständigkeitsbereich des beklagten öffentlichen Trägers der Jugendhilfe Abstand genommen werde. War damit die Jugendhilfeleistung des Beklagten beendet, so handelte es sich bei der von der Klägerin ab März 2012 gewährten Förderungsleistung um eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne, für deren Erbringung nicht (mehr) der Beklagte, sondern die Klägerin selbst gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständig gewesen ist. 32 2. Aus dem vorgenannten Grund liegen auch die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten aus § 89c Abs. 1 i.V.m. § 86d SGB VIII nicht vor. 33 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO." bverwg_2018-75,25.10.2018,"Pressemitteilung Nr. 75/2018 vom 25.10.2018 EN Kein Anspruch auf Auskunft zu Immunitätsangelegenheiten des Deutschen Bundestages Der Deutsche Bundestag muss einem Journalisten keine Auskunft zu Immunitätsangelegenheiten geben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, Redakteur einer Tageszeitung, beantragte die Erteilung von Auskünften zu Immunitätsangelegenheiten des Deutschen Bundestages. Das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht aufgehoben. Immunitätsangelegenheiten als eigene Angelegenheiten des Parlaments seien vom Anwendungsbereich des auf Verwaltungshandeln beschränkten presserechtlichen Auskunftsanspruchs ausgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der presserechtliche Auskunftsanspruch richtet sich gegen Bundesbehörden. Parlamentarische Angelegenheiten wie Immunitätsangelegenheiten sind von dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch nicht erfasst. BVerwG 7 C 6.17 - Urteil vom 25. Oktober 2018 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 84.15 - Urteil vom 29. November 2016 - VG Berlin, 27 K 110.04 - Urteil vom 30. September 2015 -","Urteil vom 25.10.2018 - BVerwG 7 C 6.17ECLI:DE:BVerwG:2018:251018U7C6.17.0 EN Grenzen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs Leitsatz: Parlamentarische Angelegenheiten sind von dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse nicht erfasst. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 3, Art. 46 Abs. 2, 3, 4, Art. 48 Abs. 3 EMRK Art. 10 Instanzenzug VG Berlin - 30.09.2015 - AZ: VG 27 K 110.04 OVG Berlin-Brandenburg - 29.11.2016 - AZ: OVG 6 B 84.15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.10.2018 - 7 C 6.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:251018U7C6.17.0] Urteil BVerwG 7 C 6.17 VG Berlin - 30.09.2015 - AZ: VG 27 K 110.04 OVG Berlin-Brandenburg - 29.11.2016 - AZ: OVG 6 B 84.15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2016, berichtigt durch Beschluss vom 6. Januar 2017, wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Gründe I 1 Der Kläger, Redakteur einer Tageszeitung, begehrt Auskünfte zu Immunitätsangelegenheiten des Deutschen Bundestages. 2 Im März 2014 beantragte der Kläger beim Deutschen Bundestag, ihm für die abgelaufene und die laufende Legislaturperiode Auskünfte zu Immunitätsangelegenheiten zu erteilen. Die Beklagte verwies den Kläger hinsichtlich der Zahl der Immunitätsfälle auf das Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages und lehnte unter Hinweis auf die derzeitige Beschlusslage des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Erteilung weiterer Auskünfte ab. 3 Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. November 2016 das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen: Der Anwendungsbereich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, sei nicht eröffnet. Die begehrten Auskünfte bezögen sich unmittelbar auf Immunitätsangelegenheiten als eigene Angelegenheiten des Parlaments und seien als solche von dem Anwendungsbereich des auf Verwaltungshandeln beschränkten presserechtlichen Auskunftsanspruchs ausgenommen. Für einen presserechtlichen Auskunftsanspruch unmittelbar gegen den Deutschen Bundestag als Organ der Legislative sei unabhängig davon, ob sich der verfassungsrechtliche Anspruch auch auf Organe der Legislative erstrecke, dann kein Raum, wenn und soweit der Gesetzgeber von seiner Kompetenz zur Regelung von Auskunftsansprüchen Gebrauch gemacht habe. Dies habe der Deutsche Bundestag getan, indem er in § 107 GO-BT geregelt habe, in welchen Immunitätsfällen ein Beschluss des Plenums ergehe, und damit zugleich festgelegt habe, in welchem Umfang Informationen über Immunitätsangelegenheiten zugänglich gemacht würden. 5 Der Kläger hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Die begehrten Auskünfte seien vom Anwendungsbereich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nicht ausgenommen. Sie seien nicht geeignet, die Belange des Parlaments zu beeinträchtigen. Sie beträfen allgemeine statistische Daten, die mit dem Inhalt und dem Sinn der Immunitätsregelungen nicht in einem direkten Zusammenhang stünden. Die Kompetenz des Deutschen Bundestages zur Regelung seiner Geschäftsordnung schließe nicht die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu bestimmen, unter denen der Öffentlichkeit und der Presse Informationen zu erteilen seien. Das Oberverwaltungsgericht habe eine Einzelfallabwägung unterlassen und einen abwägungsfesten Vorrang der Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten bejaht. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2016, berichtigt durch Beschluss vom 6. Januar 2017, aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. II 9 Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat das Oberverwaltungsgericht den gegen den Deutschen Bundestag geltend gemachten verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch abgelehnt (1.). Ein Auskunftsanspruch aus Art. 10 EMRK besteht gleichfalls nicht (2.). 10 1. Der Kläger kann als Journalist und Träger des Grundrechts der Pressefreiheit einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegen den Deutschen Bundestag zu Immunitätsangelegenheiten nicht geltend machen. 11 a) Das Grundrecht der Pressefreiheit verleiht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers, soweit die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 13 m.w.N.). 12 Der in § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes (PresseG BE) i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Juni 1965 (BGBl I S. 744), neu gefasst durch Art. 1 des Gesetzes vom 4. April 2016 (BGBl I S. 150), landesrechtlich normierte Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden ist nicht anwendbar. Die Regelung behördlicher Auskunftspflichten gegenüber der Presse lässt sich wesensmäßig dem Presserecht zuordnen, für das die Länder zuständig sind, da Art. 73 f. GG es nicht dem Bund zuweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 18). Das Grundgesetz weist die Regelungskompetenz für Auskunftsansprüche zur Rechtsstellung der Abgeordneten allerdings als Annexkompetenz dem Bundesgesetzgeber zu. Nach Art. 38 Abs. 3 und Art. 48 Abs. 3 Satz 3 GG sind Einzelheiten der Rechtsstellung der Abgeordneten durch Bundesgesetz zu bestimmen. Die dort zur Rechtsstellung des Abgeordneten ausgesprochenen Gesetzgebungsaufträge setzen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes voraus bzw. regeln eine solche selbst inzident. Die Regelung der Parlamentsangelegenheiten des Deutschen Bundestages ist Teil der Selbstorganisation des Bundes. Auskunftspflichten, die diesen Bereich betreffen, beziehen sich hiernach auf die Rechtsstellung der Abgeordneten. Über Gegenstand und Reichweite solcher Auskunftspflichten hat der Bundesgesetzgeber in Ausübung seiner Kompetenz nach Art. 38 Abs. 3 GG zu entscheiden und dabei die betroffenen Rechtsgüter einem angemessenen Ausgleich zuzuführen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 13 f.). Von dieser Kompetenz hat er bisher keinen Gebrauch gemacht. 13 Aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29 und vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 24; Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 - NVwZ 2015, 1383 Rn. 6). Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs wird maßgeblich durch die Funktionen bestimmt, die die Presse in der freiheitlichen Demokratie erfüllt. Ihr kommt neben einer Informations- insbesondere eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 16). Die effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 30). Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse hat diesen Funktionen Rechnung zu tragen. 14 b) Allerdings ist der Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nicht eröffnet, wenn parlamentarische Angelegenheiten wie Immunitätsangelegenheiten betroffen sind. 15 Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch allein gegenüber Bundesbehörden im funktionalen Sinne geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 25 f., 30, vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 30, vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 13 und vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 62 ff.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG sowie hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 13 ff.). 16 Auch das Bundesverfassungsgericht geht von keinem weitergehenden verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse aus. Es hat offengelassen, ob ein Auskunftsanspruch unter Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann und wie weit dieser gegebenenfalls reicht. Denn für eine Verletzung der Pressefreiheit ist jedenfalls dann nichts ersichtlich, solange die Fachgerichte den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einräumen, der hinter dem Gehalt der - untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf einer Abwägung zielenden (vgl. § 4 PrG BW; Art. 4 PrG BY; § 4 PrG BE; § 5 PrG BB; § 4 PrG HB; § 4 PrG HH; § 3 PrG HE; § 4 PrG MV; § 4 PrG NI; § 4 PrG NW; § 6 LMG RP; § 5 SMG; § 4 PrG SN; § 4 PrG ST; § 4 PrG SH; § 4 PrG TH) - Auskunftsansprüche der Landespressegesetze nicht zurückbleibe (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 12). Das jeweilige Landespresserecht gewährleistet indes allein einen Anspruch auf Auskunft gegenüber Behörden im Hinblick auf Verwaltungshandeln. 17 Immunitätsangelegenheiten sind demgegenüber Teil der parlamentarischen Angelegenheiten des Deutschen Bundestages. Dass eine Anfrage der Presse zu Immunitätsangelegenheiten in der Bundestagsverwaltung bearbeitet und nur Auskunft über statistisch aufbereitete und nicht auf identifizierbare Abgeordnete bezogene Angaben begehrt wird, macht deren Beantwortung noch nicht zu einer Verwaltungsangelegenheit. Materiell steht Immunitätsrecht nach Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG als Teil des Parlamentsrechts in Rede. Die Immunität dient dem Schutz des Abgeordneten vor Beeinträchtigungen seiner parlamentarischen Tätigkeit und damit der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2001 - 2 BvE 2/00 - BVerfGE 104, 310 <329>; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Januar 2018, Art. 46 Rn. 50 f.). Sie findet ihre Rechtfertigung vor allem im Repräsentationsprinzip. Der Bundestag nimmt seine Aufgaben und Befugnisse nicht losgelöst von seinen Mitgliedern, sondern in der Gesamtheit seiner Mitglieder wahr. Demgemäß ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188 <217 f.>). Die Immunität soll davor schützen, dass Abgeordnete durch Strafverfolgungsmaßnahmen oder sonstige Eingriffe der anderen Gewalten in dieser Arbeit behindert werden. Im Übrigen sind selbst korrekte, nicht in politischer Absicht veranlasste behördliche Maßnahmen geeignet, die Arbeit des Parlaments zu beeinträchtigen. Das gilt gleichermaßen für jene Ermittlungen, die entweder durch Anzeigen, die Streitlust Privater oder durch Verdächtigungen seitens der Medien ausgelöst worden sind (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2001 - 2 BvE 2/00 - BVerfGE 104, 310 <328 f.>). Die Immunitätsangelegenheiten gehören mithin zum Kernbereich der verfassungsrechtlich begründeten Parlamentsautonomie (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2000 - 2 BvH 3/91 - BVerfGE 102, 224 <236 f.>). Eine Unterscheidung zwischen auskunftspflichtigen ""rein statistischen Daten"" und anderen Daten widerspräche der umfassenden Zuweisung der Immunitätsangelegenheiten in die autonome Sphäre des Parlaments. Immunitätsangelegenheiten unterfallen daher insgesamt und ohne Differenzierungen nach der Qualität der Daten der Parlaments- und Geschäftsordnungsautonomie, ohne dass es darauf ankäme, ob gleichzeitig auch Rechtspositionen einzelner Abgeordneter berührt werden oder die Weitergabe von Daten die Funktionsfähigkeit des Parlaments oder dessen Ansehen beeinträchtigen kann. Indem es vorliegend nicht um die administrative Tätigkeit der Bundestagsverwaltung, sondern um eine Tätigkeit im Rahmen der Parlamentsautonomie geht, unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von derjenigen der Urteile zu Auskünften zum Sachleistungskonsum von Abgeordneten oder der Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten vorgelagerter Unterstützungsleistungen des Wissenschaftlichen Dienstes (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 20 ff. und vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 13 ff.). 18 2. Ein Anspruch auf die begehrten Auskünfte besteht schließlich nicht gemäß Art. 10 EMRK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EMRK ein Recht auf Informationszugang ergeben kann (vgl. EGMR, Urteil der Großen Kammer Nr. 18030/11 vom 8. November 2016; auszugsweise in dt. Übersetzung in NLMR 2016, 536 Rn. 155 f., 158 ff.), spricht zwar viel dafür, dass das vom Kläger in seiner Rolle als Journalist und somit in seiner Funktion als ""public watchdog"" geltend gemachte Auskunftsbegehren von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst wird. Es ist allerdings nichts dafür ersichtlich, dass die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Grenzen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (""in einer demokratischen Gesellschaft notwendig"") gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht genügen (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 29 und vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45). 19 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2018-78,15.11.2018,"Pressemitteilung Nr. 78/2018 vom 15.11.2018 EN Maßnahmemilderung wegen verspäteter Einleitung des Disziplinarverfahrens und unterbliebener frühzeitiger Ahndung von Pflichtverstößen Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, ist der Dienstherr verpflichtet, zeitnah ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Ihn trifft die Pflicht, Dienstpflichtverletzungen gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stufenweise durch angemessene Disziplinarmaßnahmen zu ahnden. Unterbleibt dies, ist das bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Mit der Disziplinarklage legte der Dienstherr der Kreisbeamtin u.a. zur Last, in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2015 entgegen dienstlichen Weisungen des Vorgesetzten in mindestens fünf Fällen unentschuldigt nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, außerdem in zahlreichen Fällen dienstinterne Korrespondenz an außerhalb der Kreisverwaltung stehende Dritte weitergeleitet zu haben und sich in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über Kollegen geäußert zu haben. Eingeleitet hatte der Landkreis das Disziplinarverfahren gegen die Beamtin im April 2014. Auf die Disziplinarklage ist die Beamtin im vorinstanzlichen Verfahren aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beamtin habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem sie schuldhaft gegen ihr obliegende Dienstpflichten, insbesondere zum Erscheinen bei Dienstterminen und zum innerdienstlichen Wohlverhalten, verstoßen habe. Dadurch habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Zum 1. November 2018 setzte der Dienstherr die Beamtin antragsgemäß wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision der Beamtin die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und kraft eigener disziplinarer Maßnahmebemessung das monatliche Ruhegehalt der Beamtin für drei Jahre um ein Fünftel gekürzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beamtin hat zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, v.a. weil sie über einen längeren Zeitraum wiederholt dienstliche Anordnungen nicht befolgt hat (insbesondere durch das Nichterscheinen zu Terminen), aber auch weil sie darüber hinaus vielfach die Pflicht zu innerdienstlichem Wohlverhalten verletzt hat. Die disziplinare Höchstmaßnahme - bei einer Ruhestandsbeamtin die Aberkennung des Ruhegehalts - ist aber nicht gerechtfertigt. Denn mildernd ist zu berücksichtigen, dass das Disziplinarverfahren gegen die Beamtin wesentlich zu spät eingeleitet worden ist. Der Dienstherr hätte bereits nach der ersten disziplinarwürdigen Dienstpflichtverletzung das behördliche Disziplinarverfahren einleiten und auf diese mit einer eigenen Disziplinarmaßnahme oder der Erhebung der Disziplinarklage reagieren müssen. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, dass der Dienstherr auf die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen - etwa durch Verweis nach dem unentschuldigten Nichterscheinen zu einem Diensttermin - auf die Beamtin pflichtenmahnend einwirkt. BVerwG 2 C 60.17 - Urteil vom 15. November 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 3d A 641/16.O - Urteil vom 09. November 2016 - VG Münster, 13 K 1959/15.O - Urteil vom 18. Februar 2016 -","Urteil vom 15.11.2018 - BVerwG 2 C 60.17ECLI:DE:BVerwG:2018:151118U2C60.17.0 EN Maßnahmemilderung wegen verspäteter Einleitung des Disziplinarverfahrens Leitsätze: 1. Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ist ein Mangel, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein kann. 2. § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW kann als zwingende Schutzvorschrift zugunsten des Beamten durch den Lauf eines Mediationsverfahrens nicht außer Kraft gesetzt werden. 3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt. Rechtsquellen LDG NW §§ 5, 6, 7, 11, 13 Abs. 1 und 2, § 17 Abs. 1 Satz 1, §§ 19, 24 Abs. 4, § 54 Abs. 1, 2 und 3, § 59 Abs. 3, § 67 BeamtStG § 33 Abs. 2, § 34 Satz 3, § 35 Satz 2 BDG § 13 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 4, § 55 MediationsG § 1 Instanzenzug VG Münster - 18.02.2016 - AZ: VG 13 K 1959/15.O OVG Münster - 09.11.2016 - AZ: OVG 3d A 641/16.O Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.11.2018 - 2 C 60.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:151118U2C60.17.0] Urteil BVerwG 2 C 60.17 VG Münster - 18.02.2016 - AZ: VG 13 K 1959/15.O OVG Münster - 09.11.2016 - AZ: OVG 3d A 641/16.O In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel für Recht erkannt: Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2016 und des Verwaltungsgerichts Münster vom 18. Februar 2016 werden aufgehoben. Das Ruhegehalt der Beklagten wird ab Dezember 2018 für drei Jahre um ein Fünftel gekürzt. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Beklagte - eine im Verlauf des Revisionsverfahrens wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Leitende Kreisrechtsdirektorin (B 2 LBesO NW) - wendet sich gegen die disziplinare Höchstmaßnahme. 2 Die 1963 geborene Beklagte absolvierte zunächst eine Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst und erwarb sodann die beiden juristischen Staatsexamen. Im Jahr 2000 ernannte der Kläger sie zur Kreisrechtsrätin, es folgten Beförderungen zur Kreisoberrechtsrätin (2002), zur Kreisrechtsdirektorin (2004), zur Leitenden Kreisrechtsdirektorin (2006) und schließlich als solche in ein Amt der Besoldungsgruppe B 2 (2008). Ab März 2012 unterstand sie allein dem Landrat als unmittelbarem Dienstvorgesetzten; im dreiköpfigen Verwaltungsvorstand des Kreises war sie für raum- und umweltrelevante Strategien zuständig. 3 Ab Dezember 2011 fielen bei der Beklagten wiederholt krankheitsbedingte Fehlzeiten an (Tinnitus, Schwindel); sie führte diese Erkrankungen auf Mobbingverhalten des Landrats und seines Führungsstabes zurück, indes ohne dies durch ärztliche Befundberichte oder ähnliches näher zu belegen. Während des Jahres 2012 war die Beklagte an 179 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Zwischen März und November 2013 unterzogen sich die Beklagte und der Landrat einer auswärtigen Mediation, die sie im November 2013 ergebnislos abbrachen. 4 Mit schriftlichen Weisungen vom 15. Januar 2013, 19. Februar 2014, 25. Februar 2014 und 16. April 2014 untersagte der Landrat der Beklagten, internen Schriftverkehr und sämtliche Belange, die das Dienstverhältnis der Beklagten betreffen, per E-Mail oder auf sonstige Weise an Dritte - etwa die SPD Kreistagsfraktion - weiterzuleiten. Außerdem wies er die Beklagte darauf hin, dass die Teilnahme an angeordneten Dienstgesprächen mit Dienstvorgesetzten zu den dienstlichen Kernpflichten eines Beamten gehöre und Dienstunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen sei. 5 Mit Verfügung vom 25. April 2014 leitete der Landrat gegen die bis dahin disziplinar nicht vorbelastete Beklagte ein Disziplinarverfahren ein, mit der er ihr vorhielt, seit Januar 2013 folgende Dienstpflichten verletzt zu haben: in elf Fällen interne Korrespondenz an Außenstehende weitergeleitet zu haben, in drei Fällen nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, in zwei Fällen entgegen einer Weisung je eine ihr Dienstverhältnis betreffende E-Mail versandt zu haben, in fünf Fällen angekündigt zu haben, zu dienstlichen Terminen nicht zu erscheinen und Tätigkeitsberichte nicht mehr abzugeben, sich in 14 Fällen in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über den Landrat und seine Mitarbeiter geäußert zu haben, in 14 Fällen in E-Mails den Landrat und andere Kreismitarbeiter bezichtigt zu haben, Straftaten begangen zu haben, und in drei Fällen in E-Mails dienstliche und politische Belange vermischt sowie dazu aufgefordert zu haben, den Landrat nicht zu wählen, oder ihn diskreditiert zu haben. 6 Im Juli 2014 und im Januar 2015 dehnte der Kläger das Disziplinarverfahren auf weitere Vorwürfe aus. Darin legte der Kläger der Beklagten zur Last, in zwei weiteren Fällen rechtswidrig dienstinterne Korrespondenz an außenstehende Dritte weitergeleitet zu haben und in weiteren zwölf Fällen durch E-Mails, Schreiben, Telefonate sowie durch das Fernbleiben an einem Rücksprachetermin mit dem Landrat und einer Verwaltungsvorstandssitzung Dienstpflichten verletzt zu haben. 7 Im Februar 2015 enthob der Kläger die Beklagte vorläufig des Dienstes unter Kürzung ihrer Dienstbezüge um 50 v.H. Der dagegen gerichtete Eilrechtsschutz der Beklagten blieb erfolglos. 8 Mit der Disziplinarklage vom September 2015 hat der Dienstherr der Beklagten unter anderem zur Last gelegt, während des aktiven Dienstes in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2015 entgegen dienstlichen Weisungen des Vorgesetzten in mindestens fünf Fällen unentschuldigt nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, außerdem in zahlreichen Fällen dienstinterne Korrespondenz an außerhalb der Kreisverwaltung stehende Dritte weitergeleitet zu haben und sich in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über kommunale Bedienstete geäußert zu haben. 9 Auf die Disziplinarklage ist die Beklagte vom Verwaltungsgericht aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem sie schuldhaft gegen ihr obliegende Dienstpflichten zum Befolgen und Ausführen dienstlicher Anordnungen und zum innerdienstlichen Wohlverhalten sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung verstoßen habe. Zwar sei jede der einzelnen Dienstpflichtverletzungen bei isolierter Betrachtung von eher geringem Gewicht. Demgemäß sei es nicht angezeigt, bei der Maßnahmebemessung von einer einzelnen, schwersten Verfehlung auszugehen. Bei einer Gesamtschau wiege das einheitliche Dienstvergehen der Beklagten aber sehr schwer. Unter Berücksichtigung seiner Dauer, der Vielzahl von Pflichtverletzungen sowie der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit der Beamtin führe es dazu, dass sie untragbar geworden sei. Dadurch habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. 10 Mit Verfügung vom 31. Oktober 2018 hat der Dienstherr die Beamtin mit Wirkung zum 1. November 2018 antragsgemäß wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt. 11 Die Beklagte beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichts Münster vom 18. Februar 2016 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. November 2016 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. 12 Der Kläger beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt wird. II 13 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG und §§ 13, 59, 65, 67 Satz 1 Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004, GV NRW S. 624 - LDG NW -), nämlich § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 bis Satz 4 i.V.m. §§ 5, 17 Abs. 1 Satz 1 und § 19 LDG NW. 14 Die Beklagte hat ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Bei der grundsätzlichen Zuordnung dieses Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 LDG NW ist zu beachten, dass der Kläger ungeachtet des durchgeführten Mediationsverfahrens seine aus den §§ 17 und 19 LDG NW folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens verletzt hat. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel (2.). Darüber hinaus hat der Kläger es rechtsfehlerhaft unterlassen, die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen gegenüber der Beklagten zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen pflichtenmahnend zu ahnden (3.). Diese wesentlichen Verfahrensfehler des behördlichen Disziplinarverfahrens sind bei der Maßnahmebemessung nach § 13 LDG NW mildernd zu berücksichtigen (4.). Bei der eigenen Maßnahmebemessung hat der Senat infolge zwischenzeitlicher Zurruhesetzung der Beklagten § 5 Abs. 2 LDG NW zu beachten (5.). 15 1. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NW ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Dabei ist sowohl das Persönlichkeitsbild der Beamtin ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist. Wer durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das Ruhegehalt ist abzuerkennen, wenn die Beamtin als noch im Dienst befindliche Beamtin aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LDG NW). 16 Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte ein Dienstvergehen begangen, vor allem weil sie über einen langen Zeitraum - von annähernd zwei Jahren - wiederholt dienstliche Anordnungen nicht befolgt sowie die Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten und zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung verletzt hat. 17 Die Beklagte ist fünf vom Landrat festgelegten Terminen für Dienstgespräche - am 11. Februar 2014, am 25. Februar 2014, am 8. April 2014, am 13. Januar 2015 und am 14. Januar 2015 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 2.) - unentschuldigt fern geblieben. Hierdurch hat sie ihre sich aus § 35 Satz 2 BeamtStG ergebende Pflicht, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen, verletzt. Durch die Übersendung der E-Mail-Nachrichten vom 17. Januar 2013, 5. Februar 2014, 11. Februar 2014, 17. Februar 2014, 27. Februar 2014, 7. April 2014, 15. April 2014 (9:00 Uhr und 11:38 Uhr), 16. April 2014, 17. April 2014 (10:06 Uhr und 11:29 Uhr), 21. Mai 2014 und 26. Mai 2014 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 1.) hat die Beklagte gegen die ihr durch den Landrat am 15. Januar 2013 erteilte und die am 19. Februar 2014 wiederholte Weisung, dienstinterne Korrespondenz nicht an Dritte - vorliegend die SPD-Kreistagsfraktion - weiterzuleiten, verstoßen. Durch Übersendung der im Berufungsurteil in den Entscheidungsgründen unter II. 3. im Einzelnen aufgeführten E-Mail-Nachrichten hat die Beklagte gegen die ihr durch den Landrat am 16. April 2014 erteilte Weisung, ihr Dienstverhältnis betreffende Korrespondenz nicht per E-Mail an Dritte zu übersenden, verstoßen. Auch dadurch hat sie die Folgepflicht verletzt (§ 35 Satz 2 BeamtStG). 18 Darüber hinaus ist ihr Verhalten insbesondere durch ihre dienstliche Kommunikation in den E-Mails vom 17. Mai 2013, 6. Juni 2013, 8. Juni 2013, 12. Juni 2013, 24. Juli 2013, 24. Oktober 2013, 27. Oktober 2013, 20. November 2013, 5. Februar 2014, 27. Februar 2014, 7. März 2014 (10:1o Uhr und 11:53 Uhr), 7. April 2014, 16. April 2014, 21. Juli 2014, 31. Juli 2014, 1. August 2014, 8. Dezember 2014, 12. Dezember 2014 und 22. Dezember 2014 (Berufungsurteil, Entscheidungsgründe unter II. 5.) nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die ihr Beruf nach § 34 Satz 3 BeamtStG erfordert. Dadurch hat sie die Pflicht zum Wohlverhalten verletzt. Mit den in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils unter II. 8. näher bezeichneten Äußerungen hat die Beklagte schließlich gegen ihre Pflicht zur politischen Zurückhaltung verstoßen. Gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Soweit es das dienstliche Umfeld betrifft, darf das Betriebsklima nicht durch politische Aktivitäten des Beamten beeinträchtigt werden. 19 Das Dienstvergehen hat die Beklagte innerdienstlich begangen, weil ihr pflichtwidriges Verhalten in ihr Amt und in ihre dienstlichen Pflichten eingebunden gewesen ist (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 10). 20 2. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat die dienstvorgesetzte Stelle nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die höhere dienstvorgesetzte Stelle hierüber unverzüglich zu unterrichten. Diese Pflicht hat der Kläger verletzt. Dadurch ist das behördliche Disziplinarverfahren wesentlich defizitär. 21 a) Zwar besteht die Pflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, noch nicht, solange es noch etwaiger Verwaltungsermittlungen bedarf, um einen bloß vagen Verdacht aufzuklären, der personell oder sachlich noch nicht hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum BDG). Den Dienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 15). Zweck der Vorschrift ist der Schutz des Beamten. Die disziplinarischen Ermittlungen sollen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Verfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zugunsten des Beamten, insbesondere dem Recht auf Beweisteilhabe nach § 24 Abs. 4 LDG NW (§ 24 Abs. 4 BDG), geführt werden. Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln. Verzögert der Dienstvorgesetzte entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 LDG NW (§ 13 BDG) als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 2o zum BDG). 22 Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens stellt einen Mangel i.S.v. § 54 Abs. 1 LDG NW (§ 55 Abs. 1 BDG) dar. Der Begriff des Mangels der Vorschrift erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254> und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 22). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung, also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zu dem Erlass einer Disziplinarverfügung, betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 14). 23 Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne der Einleitungsvorschrift (§ 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW, § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG), wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. BT-Drs. 14/4659 S. 49 zur Abgrenzung wesentlicher Mängel von der Verletzung ""bloßer Ordnungsbestimmungen""). Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NW (§ 55 Abs. 3 Satz 3 BDG), bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert haben könnten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 19). Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist danach eine nach Auswertung aller Umstände des Einzelfalls zu treffende Wertungsentscheidung. 24 Wesentliche Mängel, die nicht oder nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage geltend gemacht werden, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn ihre Berücksichtigung nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und der Beamte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist; dies gilt nicht, wenn zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft gemacht werden (§ 54 Abs. 2 LDG NW). 25 § 17 Abs. 1 LDG NW (§ 17 Abs. 1 BDG) kann als zwingende Schutzvorschrift zugunsten des Beamten durch den Lauf eines Mediationsverfahrens nicht außer Kraft gesetzt werden. Nach § 1 Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577) handelt es sich bei der Mediation um ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt. Für eine solche freiwillige und eigenverantwortliche konsensuale Konfliktbeilegung ist im Recht des öffentlichen Dienstes ab dem Zeitpunkt kein Raum mehr, in dem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Ab diesem Moment muss die dienstvorgesetzte Stelle zum Disziplinarverfahren übergehen, einerseits um den Beamten vor möglichen disziplinaren Rechtsverlusten zu schützen und andererseits die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Wahrung der beamtenrechtlichen Dienstpflichten nach den §§ 33 ff. BeamtStG durchzusetzen. 26 b) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger als dienstvorgesetzte Stelle das gegen die Beklagte gerichtete behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet. 27 Die Einleitungsverfügung datiert auf den 25. April 2014. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW hätte das Verfahren aber schon am 12. Juni 2013 eingeleitet werden müssen, weil seit diesem Tag der hinreichende Verdacht eines Disziplinarvergehens bestanden hat, der keiner weiteren Verwaltungsermittlungen mehr bedurfte und sich nicht nur auf eine Bagatelle bezog. Am 12. Juni 2013 hat die Beklagte an den Landrat und zur Kenntnis von drei weiteren Bediensteten des Landratsamtes um 11:11 Uhr eine E-Mail versandt, in der sie u.a. wörtlich ausführt: ""C. ist keine Akademikerin. Sie kann nicht strukturiert und differenziert denken. Sie missversteht beinahe alles und verdreht es dann. Zudem hat sie inzwischen mit beinahe jedem Probleme auf der Beziehungsebene und fühlt sich dann - ihrer Meinung nach zu Unrecht - angegriffen"". Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt. Auf diesen Pflichtenverstoß hätte der Kläger - gerade weil schon zuvor jedenfalls an der Grenze zur Dienstpflichtverletzung liegende E-Mails versandt worden waren - etwa durch die Erteilung eines Verweises nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 LDG NW oder durch die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW zeitnah reagieren müssen. Diesen Mangel hinweggedacht, ist es nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass er das Ergebnis eines fehlerfreien Verfahrens verändert hätte. Denn die rechtzeitige Eröffnung des förmlichen Disziplinarverfahrens im Juni 2013 oder die unverzügliche Ahndung der Pflichtverletzung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme hätte die Beklagte pflichtenmahnend anhalten können, solche Pflichtverletzungen künftig zu vermeiden. Damit begründet die verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens ebenso wie die unterlassene zeitnahe Ahndung vorliegend einen wesentlichen Verfahrensmangel. 28 Die Beklagte ist über ihre Pflicht, wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens binnen Monatsfrist nach Zustellung der Klage zu rügen, ordnungsgemäß belehrt worden. Dem ist sie nicht nachgekommen, ohne zwingende Gründe für die Verspätung der Geltendmachung glaubhaft zu machen (§ 54 Abs. 2 Halbs. 2 LDG NW). Der Senat darf den wesentlichen Mangel gleichwohl berücksichtigen, weil seine Berücksichtigung die Erledigung des Disziplinarverfahrens nicht verzögert. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils hat sich das Oberverwaltungsgericht mit dieser Frage zwar tatsächlich nicht befasst. Diese Entscheidung trifft nun der erkennende Senat, da er - die Tatsachenfeststellung ausgenommen - im revisionsrechtlichen Verfahren an die Stelle des Berufungsgerichts tritt. 29 Das im Zeitraum zwischen März und November 2013 zwischen der Beklagten und dem Landrat durchgeführte auswärtige Mediationsverfahren hat der rechtzeitigen Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW oder der sofortigen disziplinaren Ahndung nach der ersten relevanten Dienstpflichtverletzung der Beklagten am 12. Juni 2013 nicht entgegengestanden. Vielmehr wäre die Mediation abzubrechen gewesen, um der Beklagten nicht die verfahrensrechtlichen Garantien des behördlichen Disziplinarverfahrens - insbesondere ihr Recht auf Beweisteilhabe (§ 24 Abs. 4 LDG NW) - vorzuenthalten. 30 3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt. 31 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bemessung einer Disziplinarmaßnahme ist anerkannt, dass zum Persönlichkeitsbild des Beamten i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NW (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) insbesondere frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen gehören, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, und dass diese Verfehlungen bei der Würdigung sämtlicher Umstände belastend zu berücksichtigen sind. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen, sodass eine stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2014 - 2 B 9.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 24 Rn. 10). Das Gewicht der Vorbelastung im Einzelfall, die als erschwerender Umstand auch zur Höchstmaßnahme führen kann, hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 22 und Beschluss vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 33; aus der Rechtsprechung des Disziplinarsenats: Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 D 2.01 - juris Rn. 31 m.w.N.). 32 Bei einem Dienstvergehen der vorliegenden Art, das sich durch - dem Beamten zuzurechnende - leichtere bis schwerere einzelne Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum auszeichnet, ist es unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach dem Gedanken der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen geboten, auf den Beamten rechtzeitig, d.h. alsbald nach Kenntniserlangung von der disziplinar relevanten Pflichtverletzung, pflichtenmahnend einzuwirken und ihn so zur Wiederaufnahme der pflichtgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben anzuhalten. Dazu gehören - über mögliche dienstliche Weisungen (Anordnungen) hinaus - zunächst die Verhängung niederschwelliger Disziplinarmaßnahmen wie Verweis oder Geldbuße (vgl. § 5 Nr. 1 und Nr. 2, §§ 6, 7 LDG NW). Hingegen ist das Sammeln einzelner Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die schärfsten Disziplinarmaßnahmen - die Entfernung aus dem Dienst oder die Aberkennung des Ruhegehalts - zu verhängen, unzulässig. 33 Im Fall der Beklagten ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die zeitnahe angemessene disziplinare Ahndung ihrer Dienstpflichtverletzungen - etwa die Erteilung eines Verweises beim erstmaligen unentschuldigten Nichterscheinen zu einem angeordneten dienstlichen Termin und die Auferlegung einer Geldbuße bei einem zweitmaligen oder weiteren unentschuldigten Fernbleiben - auf sie in dem Sinn pflichtenmahnend eingewirkt hätte, dass sie künftig dienstliche Anordnungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) zum Erscheinen befolgt hätte. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die Zahl der Pflichtverletzungen nach der Verfahrenseinleitung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NW im April 2014 gegenüber der Zeit zuvor deutlich reduziert hat. 34 4. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren zu beachten sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 10). 35 An diesem Maßstab orientiert, ist bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung einerseits zu berücksichtigen, dass die Beklagte - wie gezeigt - über den langen Zeitraum von Juni 2013 bis Januar 2015 in einer Vielzahl von Einzelfällen die Pflicht, dienstliche Anordnungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG), und die Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensgerechten innerdienstlichen Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) sowie zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) verletzt hat. Die einzelnen Pflichtverletzungen wiegen dabei unterschiedlich schwer. Für den Senat liegt in dem unentschuldigten Nichterscheinen zu fünf angeordneten Dienstgesprächen in den Jahren 2014 und 2015 die schwerste Pflichtverletzung. Der wiederholte Verstoß gegen die beamtenrechtliche Kernpflicht die Anordnung auszuführen - zu Gesprächsterminen zu erscheinen - wiegt auch deshalb besonders schwer, weil die Beklagte - eine Juristin - rechtsfehlerhaft meinte, ärztliche Atteste nicht vorlegen zu müssen, da sie keine gesundheitlichen Gründe geltend mache, sondern sich durch das Fernbleiben gesund erhalten wolle (an den Landrat adressierte E-Mail vom 6. März 2014, 11:13 Uhr). Die anderen Pflichtverletzungen wiegen jeweils für sich genommen leicht (Verletzung des Mäßigungsgebots, vgl. oben Rn. 18) bis mittelschwer (Verletzung der Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten, vgl. Rn. 18). 36 Andererseits ist in die Gesamtschau einzustellen, dass der Kläger entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG das Disziplinarverfahren erst im April 2014 - und damit deutlich verspätet - eingeleitet hat und er darüber hinaus einzelne Verletzungshandlungen der Beklagten auch nicht durch mögliche niederschwellige Maßnahmen - wie Verweis oder Geldbuße - unverzüglich geahndet und so auf die Beklagte pflichtenmahnend eingewirkt hat. Da nicht auszuschließen ist, dass bei ordnungsgemäßer Einleitung und Durchführung des Disziplinarverfahrens das weitere Fehlverhalten der Beklagten unterblieben wäre, ist es bei der Maßnahmebemessung als mildernder Umstand einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 20 zum BDG). Dies schließt es aus, das Dienstvergehen der Beklagten mit der disziplinaren Höchstmaßnahme zu ahnden. 37 5. Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt (§ 137 Abs. 2 VwGO und § 67 Satz 1 LDG NW) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Vorschriften wie § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW) übertragen den Verwaltungsgerichten im Falle einer Disziplinarklage die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme unabhängig von den Wertungen des Dienstherrn in der Disziplinarklage. Diese Befugnis steht, wie sich Vorschriften wie § 70 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG entnehmen lässt, auch dem Berufungs- und auch dem Revisionsgericht zu (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 9 m.w.N.). 38 Dass das hier maßgebliche Landesrecht zwar eine § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG vergleichbare Vorschrift enthält (§ 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NW), aber eine dem § 70 Abs. 1 BDG vergleichbare Regelung nicht kennt, ist unerheblich. Die rudimentäre Vorschrift des § 67 Satz 1 LDG NW ist auf diese Weise auszulegen, um die auf der Ebene der Länder rechtsvereinheitlichend wirkende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Disziplinarsachen zu gewährleisten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, Landtag Nordrhein-Westfalen Drs. 13/5220 S. 133). Dementsprechend sind auch die für die Revision maßgeblichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, wie etwa § 132 Abs. 2 oder § 137 Abs. 2 VwGO, zu berücksichtigen, obwohl § 67 Satz 1 LDG NW - im Gegensatz zu Vorschriften anderer Länder (z.B. § 68 BremDG, § 65 HmbDG oder § 66 Abs. 1 ThürDG) - insoweit keine Regelung enthält. 39 Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils reichen für eine eigene Maßnahmebemessung des Senats gemäß § 13 Abs. 2 LDG NW aus. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden; sie haben keine Einwendungen erhoben. 40 Der Senat kommt bei seiner Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass die Beklagte auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Nichtbefolgung dienstlicher Anordnungen und die Verletzung der Wohlverhaltenspflicht ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Kürzung des Ruhegehalts zu ahnden ist. 41 Da die Beklagte zum 1. November 2018 infolge dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden ist, der Kläger diese Verfügung aufrecht erhält und die Beklagte auf Rechtsmittel gegen die Zurruhesetzung verzichtet, kommen als Disziplinarmaßnahmen gegen die Ruhestandsbeamtin kraft Gesetzes nur eine Kürzung oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht (§ 5 Abs. 2 LDG NW). Wegen des Vorliegens eines Milderungsgrundes ist die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme - die Aberkennung des Ruhegehalts - ausgeschlossen. Die Kürzung des Ruhegehalts ist nach § 11 LDG NW die bruchteilmäßige Verminderung des monatlichen Ruhegehalts um höchstens ein Fünftel auf längstens drei Jahre. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens, der dienstlichen Stellung der Beklagten im Gefüge des Landratsamtes als Leitende Kreisrechtsdirektorin (Besoldungsgruppe B 2 LBesO NW) und ihrer damit verbundenen Vorbildfunktion bemisst der Senat die Kürzung des Ruhegehalts auf ein Fünftel auf drei Jahre ab Dezember 2018. 42 6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 43 Da für das Gerichtsverfahren eine Festgebühr erhoben wird (§ 75 LDG NW i.V.m. Gebührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz), bedarf es keiner gerichtlichen Streitwertfestsetzung." bverwg_2018-80,20.11.2018,"Pressemitteilung Nr. 80/2018 vom 20.11.2018 EN Vorübergehende Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet nicht allein wegen Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen vertriebenenrechtlich unzumutbar Der Zwang, für die Dauer des Aufnahmeverfahrens in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, begründet für einen Aufnahmebewerber, der sich ohne Aufnahmebescheid auf der Grundlage eines von seinem ausländischen Ehegatten abgeleiteten Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, nicht stets eine besondere Härte. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die in Kiew geborene Klägerin hielt sich mit Unterbrechungen im Zeitraum von April 2010 bis September 2014 zu Studienzwecken erlaubt im Bundesgebiet auf. Nach ihrer Eheschließung im Oktober 2014 wurde ihr der Aufenthalt zur Herstellung bzw. Wahrung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem ukrainischen Ehemann erlaubt. Bereits im Juli 2012 hatte sie ihre Aufnahme als Spätaussiedlerin aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem Bundesvertriebenengesetz beantragt. Aufnahmeantrag, Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Mit Blick auf die Eheschließung und den Umstand, dass ihrem Ehemann nachfolgend zu Erwerbszwecken (wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, bewirke eine Verweisung der Klägerin auf die Rückkehr in ihr Herkunftsland für die Dauer der Durchführung des Aufnahmeverfahrens eine besondere Härte. Denn sie stelle die Klägerin vor die Entscheidung, entweder die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland beizubehalten und auf den Aussiedlerstatus zu verzichten oder aber auf nicht absehbare Zeit von einem ehelichen Zusammenleben abzusehen, um nach Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet von dort das Aufnahmeverfahren mit dem Ziel durchzuführen, den Spätaussiedlerstatus zu erwerben. Die Rechtsprechung, die dies bei einer Ehe mit einem Ehepartner deutscher Staatsangehörigkeit anerkenne, sei auf die Ehe mit einem Ausländer, der über eine länger als ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis verfügt, zu übertragen. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zur neuerlichen Prüfung des Vorliegens einer besonderen Härte i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 des Bundesvertriebenengesetzes zurückverwiesen. Das Bestehen einer besonderen Härte beurteilt sich für einen Aufnahmebewerber, der - wie die Klägerin - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, nicht nach denselben Kriterien, die in Bezug auf einen volksdeutschen Aufnahmebewerber anzulegen sind, dessen Ehegatte Deutscher ist. Entscheidet sich jener, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf ausländerrechtlicher Grundlage zu nehmen, so sind ihm die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen dieser freien Entscheidung grundsätzlich zuzurechnen. Ob es im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG ausnahmsweise unzumutbar ist, den Aufnahmebewerber, der zunächst auf ausländerrechtlicher Grundlage im Bundesgebiet Aufenthalt genommen hat, darauf zu verweisen, für die Dauer des Aufnahmeverfahrens entweder seine eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen oder aber auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten, ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung im Einzelfall zu beurteilen. Hierbei sind neben dem Schutz öffentlicher Interessen u.a. die zu erwartende Dauer des Aufnahmeverfahrens, die Verfestigung des ausländerrechtlichen Status des Aufnahmebewerbers und seines Ehegatten, ein etwaiges besonderes Angewiesensein eines Ehegatten auf den zwingend im Bundesgebiet zu leistenden Beistand des anderen Ehegatten und die Personensorge für minderjährige Kinder zu berücksichtigen. BVerwG 1 C 5.17 - Urteil vom 20. November 2018 Vorinstanzen: OVG Münster, 11 A 1298/15 - Urteil vom 22. Februar 2107 - VG Köln, 7 K 842/14 - Urteil vom 15. April 2015 -","Urteil vom 20.11.2018 - BVerwG 1 C 5.17ECLI:DE:BVerwG:2018:201118U1C5.17.0 EN Zur besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG Leitsätze: 1. Das Bestehen einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG beurteilt sich für einen Aufnahmebewerber, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, nicht nach denselben Kriterien, die in Bezug auf Ehen von Aufnahmebewerbern anzulegen sind, in denen mindestens einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 2. Für einen nicht mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Aufnahmebewerber, der auf zunächst aufenthaltsrechtlicher Grundlage im Bundesgebiet Aufenthalt genommen hat, kann es nur ausnahmsweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG bedeuten, entweder für die Dauer des Aufnahmeverfahrens seine eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen oder aber (zeitweilig) auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Rechtsquellen GG Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 116 Abs. 1 EMRK Art. 8 Abs. 1 und 2 AufenthG § 18 Abs. 4 Satz 2 BVFG §§ 4, 6, 26, 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Alt. 1 Instanzenzug VG Köln - 15.04.2015 - AZ: VG 7 K 842/14 OVG Münster - 22.02.2017 - AZ: OVG 11 A 1298/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 20.11.2018 - 1 C 5.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:201118U1C5.17.0] Urteil BVerwG 1 C 5.17 VG Köln - 15.04.2015 - AZ: VG 7 K 842/14 OVG Münster - 22.02.2017 - AZ: OVG 11 A 1298/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob einer Aufnahmebewerberin, die sich auf der Grundlage eines von ihrem ausländischen Ehemann abgeleiteten Aufenthaltsrechts im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes aufhält, wegen des Vorliegens einer besonderen Härte ein Aufnahmebescheid zu erteilen ist. 2 Die im April 1990 in Kiew geborene Klägerin reiste zunächst im April 2010 zur Durchführung eines universitären Auslandssemesters und sodann im Oktober 2010 zum Studium in das Bundesgebiet ein. Ihr Aufenthalt wurde jeweils auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 AufenthG erlaubt. Im November 2014 wurde die Klägerin rückwirkend zum 30. September 2014 exmatrikuliert. Nachdem sie im Oktober 2014 die Ehe mit ihrem ukrainischen Lebensgefährten eingegangen war, erteilte ihr die Ausländerbehörde nach zwischenzeitlicher Aus- und Wiedereinreise im Dezember 2014 auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die in der Folge, zuletzt bis zum Mai 2019, verlängert wurde. Der Aufenthalt ihres Ehemannes wurde im Anschluss an die im April 2016 erfolgte Absolvierung eines Masterstudiums zunächst zur Ausübung einer bis Ende September 2019 befristeten nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität nach § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erlaubt. 3 Im Juli 2012 beantragte die Klägerin, der im Juni 2006 ein Inlandspass mit dem Nationalitäteneintrag ""Deutsche"" ausgestellt worden war, ihre Aufnahme als Spätaussiedlerin nach dem Bundesvertriebenengesetz. Im Verwaltungsverfahren führte sie aus, eine familiäre Vermittlung der Sprache sei nicht möglich gewesen; die deutsche Sprache habe sie in der Schule erlernt. Das Bundesverwaltungsamt lehnte ihren Aufnahmeantrag mit der Begründung ab, es könne dahinstehen, ob sie das Erfordernis der deutschen Abstammung erfülle und ob sie sich von der Ausstellung ihres ersten Inlandspasses bis in die Gegenwart zur deutschen Nationalität erklärt habe, da sie die Vermittlung der deutschen Sprache innerhalb ihrer Familie nicht dargetan habe. Ihren Widerspruch wies es mit der Begründung zurück, sie verfüge nicht mehr über einen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten. Ebenso wenig begründe die Durchführung des Aufnahmeverfahrens vom Herkunftsstaat aus für sie eine besondere Härte. Im Übrigen könne ein Aufnahmebescheid nur Personen erteilt werden, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler hätten verlassen wollen, um im Geltungsgebiet des Bundesvertriebenengesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen; dies sei im Falle einer Antragstellung erst zwei Jahre nach der Verlegung des Lebensmittelpunktes in die Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin das Wohnsitzerfordernis erfülle. Jedenfalls habe nicht mit dem hinreichenden Grad an Gewissheit festgestellt werden können, dass sie von einem deutschen Volkszugehörigen abstamme. 4 Mit dem angegriffenen Urteil vom 22. Februar 2017 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide des Bundesverwaltungsamts verpflichtet, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Die Klägerin habe gemäß § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids. Dessen Versagung bedeutete eine besondere Härte. Eine Verweisung der Klägerin auf die Rückkehr in die Ukraine für die Dauer der Durchführung des Aufnahmeverfahrens sei nicht verhältnismäßig, da sie zur Folge hätte, dass die Ehegatten in einen ihre Entscheidungsfreiheit beeinflussenden Zwiespalt gerieten, entweder die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland zu begründen und auf den Aussiedlerstatus zu verzichten oder aber auf nicht absehbare Zeit von einem ehelichen Zusammenleben abzusehen, um der Klägerin zu ermöglichen, den Spätaussiedlerstatus zu erwerben. Die Vorschriften des Vertriebenenrechts über das Aufnahmeverfahren seien in einer den Entschluss der Ehegatten zur Begründung ihres gemeinsamen Lebensmittelpunkts in Deutschland respektierenden Weise dahin auszulegen, dass der volksdeutsche Ehegatte die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet jedenfalls dann nicht abzuwarten brauche, wenn die Eheleute bei Befolgung dieser Regel auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten. Dass der Ehemann der Klägerin Ausländer sei, gebiete mit Blick auf seinen - im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung - noch für die Dauer von mehr als zwei Jahren erlaubten Aufenthalt keine abweichende Betrachtung. Ein solcher Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Ehegatten sei weder mit Blick auf den Schutzzweck des Aufnahmeverfahrens noch zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich. Der Aufnahmeantrag bleibe auch nicht deshalb ohne Erfolg, weil sich die Klägerin schon seit April 2010 im Bundesgebiet aufhalte. Der Aufnahmebescheid sei der Klägerin nachträglich bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Härtegrunds, hier der Eheschließung im Oktober 2014, zu erteilen und stehe einem bei Verlassen des Aussiedlungsgebiets bereits ergangenen Aufnahmebescheid gleich. Die Klägerin habe das Aussiedlungsgebiet auch nicht schon im April 2010 verlassen. Bis zu ihrer Eheschließung im Oktober 2014 beziehungsweise bis zu ihrer Exmatrikulation nur einen Monat zuvor habe sie sich zwar schon im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes aufgehalten. Sie habe bis dahin aber weder in der Bundesrepublik Deutschland einen (ausschließlichen) Wohnsitz begründet noch ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet schon aufgegeben gehabt. Allein der Umstand, dass ein Studium im Ausland aufgenommen werde, führe weder zur Aufgabe des Wohnsitzes im Inland noch zur Begründung eines neuen (ausschließlichen) Wohnsitzes im Ausland. Bis zum September 2014 habe sich die Klägerin (nur) zum Zwecke und für die Dauer des Studiums im Bundesgebiet aufgehalten. Der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse habe bis dahin immer noch in der Ukraine gelegen. Dieser Umstand habe sich erst durch ihre Eheschließung geändert. Die Klägerin erfülle auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen. Sie stamme von einem deutschen Volkszugehörigen ab und habe sich durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung und den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse zum deutschen Volkstum bekannt. 5 Zur Begründung ihrer Revision führt die Beklagte aus, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Die Klägerin könne sich hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nicht auf eine besondere Härte berufen. Ein Aufnahmebewerber werde seiner vertriebenenrechtlichen Obliegenheit, die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, nicht dadurch enthoben, dass er auf der Grundlage befristeter Aufenthaltstitel nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten dürfe. Dass der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem ebenfalls mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebenden Ausländer erteilt worden sei, rechtfertige keine abweichende Würdigung. Dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG werde durch die der Klägerin erteilte Aufenthaltserlaubnis entsprochen. Der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen oder einem Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, aus der sich nach der Rechtsprechung ein Härtegrund im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG ergeben könne, stehe die Ehe von zwei Ausländern, die sich allein auf der Grundlage einer regelmäßig auf Antrag zu verlängernden aufenthaltsrechtlichen Erlaubnis in Deutschland aufhielten, nicht gleich. Der Klägerin seien die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen der freien Entscheidung zuzurechnen, ihren Aufenthalt in Deutschland infolge der Eheschließung auf ausländerrechtlicher Grundlage fortzusetzen und sich gemeinsam mit ihrem Ehemann zwei Jahre nach der Eheschließung über einen Arbeitsvertrag des Ehemannes länger als ein Jahr währende Aufenthaltserlaubnisse zu beschaffen. 6 Die Klägerin, die im Oktober 2017 eine Tochter geboren hat, verteidigt das angefochtene Urteil. Unabhängig davon, ob ihr Ehemann, dem im Juli 2018 eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 18b AufenthG erteilt worden ist, deutscher Staatsangehöriger oder nur im Besitz eines gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status sei, werde sie gleichermaßen vor die Entscheidung gestellt, entweder temporär auf die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder aber auf den Aufnahmeanspruch zu verzichten. Es sei ihr unzumutbar, darauf verwiesen zu werden, ihren Ehemann dazu zu bewegen, auf sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu verzichten. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. II 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es davon ausgeht, dass sich das Bestehen einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG für einen Aufnahmebewerber, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, nach denselben Kriterien beurteilt, die in Bezug auf Ehen von Aufnahmebewerbern anzulegen sind, in denen mindestens einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu dem Vorliegen einer besonderen Härte war der Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des von der Klägerin verfolgten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids ist im Ausgangspunkt § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). Diese Rechtslage ist allerdings nur insoweit zugrunde zu legen, als nicht Gründe des materiellen Rechts eine andere Betrachtung gebieten. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall, soweit bei der Anwendung des § 26 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BVFG zu beurteilen ist, ob eine Person Spätaussiedler im Sinne der §§ 4 und 6 BVFG ist. Letzteres bestimmt sich grundsätzlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der ständigen Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 29.14 - BVerwGE 152, 283 Rn. 28 und 38 m.w.N.). 10 1. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BVFG Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Das Berufungsgericht hat das Bestehen einer Härte auf der Grundlage eines mit Bundesrecht unvereinbaren Maßstabes bejaht. 11 1.1 Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift kann auch durch Umstände begründet werden, die erst nach dem Verlassen des Aussiedlungsgebiets eintreten, sofern diese eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens in hohem Maße unzumutbar machen (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <104>). Sie liegt in der Regel unter anderem dann vor, wenn die Obliegenheit, die Erteilung des Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, mit Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht in Einklang stünde (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <103 und 105>). 12 Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates und bringt damit zugleich eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts zum Ausdruck. Diese Wertentscheidung ist bei der Auslegung des einfachen Rechts und insbesondere bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Billigkeits- oder Härtefallregelung vorliegen, zu beachten. Die Anwendung einer Härteklausel darf nicht zu einem Ergebnis führen, welches mit der in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck gelangenden Wertentscheidung nicht in Einklang steht (BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <105>). Das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben unterfällt dem Schutz nicht nur des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch des Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 3. Dezember 2009 - Nr. 22028/04, Zaunegger/Deutschland - Rn. 37). Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Art. 6 Abs. 1 GG wie auch Art. 8 Abs. 1 EMRK schützen das eheliche Zusammenleben sowohl zwischen Deutschen (im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG) als auch zwischen Ausländern, aber nicht gleichermaßen die Entscheidung zur Führung der Ehe im Bundesgebiet. 13 Das Ansinnen des Staates, der die Aufnahme begehrende Ehegatte eines sich im Bundesgebiet rechtmäßig aufhaltenden Ausländers müsse zum Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren und von dort aus das reguläre Aufnahmeverfahren betreiben, ist grundsätzlich geeignet, das Eheleben zu beeinträchtigen. Es stellt die Ehegatten vor die Alternative, entweder die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet auf ausländerrechtlicher Grundlage zu führen und auf den Spätaussiedlerstatus des die Aufnahme begehrenden Ehegatten zu verzichten oder aber, sofern nicht der gemeinsame Lebensmittelpunkt für die Dauer des Aufnahmeverfahrens in die Aussiedlungsgebiete verlagert werden kann, für einen begrenzten Zeitraum von einem ehelichen Zusammenleben abzusehen. 14 In einer Ehe zwischen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG steht es grundsätzlich allein den Ehepartnern zu, eigenverantwortlich und frei von staatlicher Einflussnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen. Die freie Entscheidung beider Eheleute, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, genießt besonderen staatlichen Schutz, wenn mindestens einer der Ehepartner Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist; Art. 11 GG schützt mit der Freizügigkeit neben der Einreise in das Bundesgebiet zum Zwecke der Wohnsitznahme auch das Beibehalten von Wohnsitz und Aufenthaltsort (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139, 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 254). Dies erfasst grundsätzlich auch die Bestimmung, von welchem Zeitpunkt an das eheliche Leben im Bundesgebiet seinen Mittelpunkt haben soll. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverwaltungsgericht die Vorschriften des Vertriebenenrechts über das Aufnahmeverfahren in einer die Freiheit der Ehegatten zur Begründung ihres gemeinsamen Lebensmittelpunkts im Bundesgebiet respektierenden Weise dahin ausgelegt, dass dem die Aufnahme begehrenden deutschen Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet jedenfalls dann nicht angesonnen werden kann, wenn die Ehegatten dadurch während der Dauer des Aufnahmeverfahrens auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten (zum Fall einer Ehe zwischen zwei deutschen Ehepartnern BVerwG, Urteil vom 18. November 1999 - 5 C 3.99 - BVerwGE 110, 99 <105 f.>). 15 1.2 Auf die Ehe zwischen Ausländern, von denen einer Aufnahmebewerber ist, ist diese Rechtsprechung nicht zu übertragen; die Eheleute können sich für die Entscheidung, die Ehe im Bundesgebiet zu führen, nicht auf Art. 11 GG berufen. 16 Anders als Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, denen Art. 11 Abs. 1 GG Freizügigkeit garantiert, vermitteln Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK Aufnahmebewerbern und deren ausländischen Ehegatten kein uneingeschränktes Recht zur eigenverantwortlichen und freien Bestimmung des räumlichen und sozialen Lebensmittelpunkts ihres Ehelebens (vgl. OVG Münster, Urteil vom 9. Juni 1998 - 2 A 6944/95 - juris Rn. 12 f. m.w.N.). Zwar ist die Verweisung auch jener Aufnahmebewerber auf eine vorgängige Prüfung ihrer Spätaussiedlereigenschaft vor dem Verlassen des Aussiedlungsgebiets geeignet, das grund- und menschenrechtlich geschützte eheliche und familiäre Zusammenleben zu berühren. Dem volksdeutschen Aufnahmebewerber, der die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitzt und dessen Ehegatte sich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz befindet, ist es indes nicht per se unzumutbar, in das Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens zurückzukehren. Entscheidet sich ein Aufnahmebewerber, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf ausländerrechtlicher Grundlage zu nehmen oder fortzusetzen, so sind ihm die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen dieser freien Entscheidung regelmäßig zuzurechnen. 17 Allerdings kann es einem Aufnahmebewerber im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ausnahmsweise unzumutbar sein, darauf verwiesen zu werden, für die Dauer des Aufnahmeverfahrens entweder seine eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen oder aber auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten. Dies ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung im Einzelfall zu beurteilen. Hierbei kommt neben dem Schutz öffentlicher Interessen unter anderem dem Umstand Bedeutung zu, ob der Aufenthalt des Aufnahmebewerbers im Bundesgebiet die einzige zumutbare Möglichkeit darstellt, ein Familienleben zu entwickeln. Dies kann der Fall sein, falls Hindernisse für eine (gemeinsame) Wohnsitzbegründung im Ausland bestehen oder eine solche Wohnsitzbegründung auf Grund besonderer Umstände nicht erwartet werden kann. Dabei ist auch die zu erwartende Dauer des Aufnahmeverfahrens zu berücksichtigen. In den Blick zu nehmen sind ferner der ausländerrechtliche Status des Aufnahmebewerbers und seines Ehegatten, ein etwaiges besonderes Angewiesensein eines der Ehegatten auf den zwingend im Bundesgebiet zu leistenden Beistand durch den anderen Ehegatten sowie die Personensorge für minderjährige Kinder. Allein wirtschaftliche, berufliche oder soziale Nachteile des Aufnahmebewerbers oder von diesem zwingend zu berücksichtigende Nachteile des Ehegatten, aber auch aufenthaltsrechtliche Nachteile haben dabei regelmäßig nicht das Gewicht, eine auch ""besondere"" Härte zu begründen. 18 1.3 Diesen Maßstäben wird das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht, soweit darin angenommen wird, auch ein Aufnahmebewerber - wie die Klägerin -, der nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und eine eheliche Lebensgemeinschaft mit einem im Bundesgebiet für die Dauer von mehr als zwei Jahren auf der Grundlage von § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG rechtmäßig aufhältigen Ausländer führe, brauche die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet dann nicht abzuwarten, wenn die Eheleute bei Befolgung dieser Regel auf ungewisse Zeit getrennt leben müssten; für ihn gelte nichts anderes als für einen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. 19 2. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 20 Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts rechtfertigen in Anwendung der vorstehenden Maßstäbe nicht die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Der Umstand, dass der Aufenthalt ihres Ehemannes, der seit Juni 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf der Grundlage eines bis Ende September 2019 befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt ist, in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Berufungsurteils auf der Grundlage des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG und damit im öffentlichen Interesse bis zum 14. Mai 2019 erlaubt war, bildet für sich keinen Grund, der Klägerin nicht die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen ihrer Entscheidung zuzurechnen, ihren Aufenthalt auch nach der Eheschließung auf ausländerrechtlicher Grundlage fortzusetzen. Dass sich die Klägerin im Besitz einer gültigen und verlängerbaren Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet befand, ihr Aufenthalt weder Belastungen, wie sie durch die Betreuung nichtberechtigter Personen auftreten, noch etwaige in naher Zukunft bevorstehende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer zwangsweise durchzuführenden Rücksiedlung noch sonstige Lasten für die Allgemeinheit erwarten ließ und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Ehe allein deshalb eingegangen wurde, um das Aufnahmeverfahren nicht aus dem Aussiedlungsgebiet weiterbetreiben zu müssen, belegt zunächst nur, dass die Klägerin eine realistische Perspektive hat, mit ihrem Ehemann auf aufenthaltsrechtlicher Grundlage im Bundesgebiet leben zu können. Auf eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG weist dies nicht. Dies gilt umso mehr, als Tatsachen, die darauf hindeuteten, dass sich die Lebensumstände der Klägerin oder ihres Ehemannes in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung in familiärer und/oder beruflicher Hinsicht bereits in erheblicher Weise verfestigt hätten, nicht festgestellt sind. 21 3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen indes auch nicht aus, um die Möglichkeit einer ""besonderen Härte"" eindeutig auszuschließen. Da das Bundesverwaltungsgericht in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Entscheidung in der Sache selbst im Sinne des § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO weder zu Gunsten noch zu Lasten der Klägerin treffen kann, ist nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 22 Bei dieser Sachlage bedarf es keiner näheren Prüfung, ob die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin habe nicht bereits im April 2010, sondern erst mit der Eheschließung im Oktober 2014 einen ausschließlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik begründet und ihren Wohnsitz in der Ukraine aufgegeben, in Einklang mit Bundesrecht steht (vgl. zum Wohnsitzbegriff BVerwG, Urteil vom 9. November 1967 - 8 C 141.67 - BVerwGE 28, 193 <195 f.> und Beschluss vom 19. Juni 2013 - 5 B 87.12 - juris Rn. 4, jeweils m.w.N.) und von den tatsächlichen Feststellungen wie auch den weiteren Umständen des Einzelfalles getragen wird. Allerdings wird das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner neuerlichen Prüfung unter anderem zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin ihren Aufnahmeantrag bereits im Juli 2012 gestellt hatte, sie nach ihren Angaben ihr Bachelor-Studium an der Nationalen Vadim-Getman-Wirtschaftsuniversität Kiew abgeschlossen hatte und nähere Feststellungen zu Art, Dauer und Häufigkeit der Besuche während der Semesterferien bei ihrer Familie und Freunden nicht getroffen worden sind. Das Ergebnis der Prüfung kann auch für den für die Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft maßgeblichen Zeitpunkt und die Umstände des Spracherwerbs Bedeutung haben. 23 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2018-84,28.11.2018,"Pressemitteilung Nr. 84/2018 vom 28.11.2018 EN Keine Schalldämpfer für Jagdwaffen Jäger haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen der Erwerb eines Schalldämpfers für ihre Jagdwaffen gestattet wird. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Inhaber eines Jahresjagdscheins. Er wohnt in Berlin und übt die Jagd in einem Revier in Brandenburg aus. Er will mit einer schallgedämpften Jagdwaffe auf Wild schießen, um Schädigungen seines Gehörs durch den lauten, über der Schmerzgrenze liegenden Mündungsknall beim Abfeuern der Waffe auszuschließen. Seinen Antrag, ihm die Erlaubnis für den Erwerb eines Schalldämpfers für seine Jagdlangwaffen zu erteilen, lehnte der Polizeipräsident in Berlin ab. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, auch Jäger benötigten für den Erwerb eines Schalldämpfers für ihre Jagdlangwaffen eine gesonderte Erlaubnis, deren Erteilung ein waffenrechtliches Bedürfnis voraussetze. Der Schutz des Gehörs der Jäger könne ein solches Bedürfnis nicht begründen.  Die dagegen gerichtete Sprungrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen, wobei es die Gründe des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen bestätigt hat. Die Berechtigung von Jägern, Jagdlangwaffen und zwei Kurzwaffen zu erwerben, zu besitzen und für das jagdliche Schießen zu benutzen, erstreckt sich nicht auf Schalldämpfer. Ein waffenrechtliches Bedürfnis für den Erwerb von Schalldämpfern für das jagdliche Schießen besteht nicht. Zum einen gehören Schalldämpfer nach der Wertung des Gesetzgebers nicht zu der Ausstattung, die Jäger für die Ausübung der Jagd benötigen. Zum anderen kann nur ein besonders gelagertes persönliches Interesse ein Bedürfnis begründen; das Interesse an dem Schutz des Gehörs beim Abfeuern der Jagdwaffe besteht aber bei allen Jägern in gleicher Weise. Darüber hinaus kommt dem Schutz des Jägers vor den nachteiligen Auswirkungen des Schießens kein Vorrang vor dem Zweck des Waffengesetzes zu, den privaten Besitz schallgedämpfter Schusswaffen soweit als möglich zu verhindern. Dieser zentrale waffengesetzliche Grundsatz muss nicht zurücktreten, um die Selbstgefährdung des Schützen durch das Schießen zu vermeiden. Schließlich sind Schalldämpfer nicht erforderlich, um das Gehör der Jäger vor dem Mündungsknall zu schützen. Das Verwaltungsgericht hat bindend festgestellt, dass andere Mittel des Gehörschutzes gleich wirksam sind (Ohrkapseln, Im-Ohr-Schutz). BVerwG 6 C 4.18 - Urteil vom 28. November 2018 Vorinstanz: VG Berlin, 1 K 545.16 - Urteil vom 25. Januar 2018 -","Urteil vom 28.11.2018 - BVerwG 6 C 4.18ECLI:DE:BVerwG:2018:281118U6C4.18.0 EN Schalldämpfer für Jagdwaffen Leitsätze: 1. Die Berechtigung von Jägern zum Erwerb, Besitz und Führen von Jagdwaffen ohne Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses erstreckt sich nicht auf Schalldämpfer, die für diese Schusswaffen bestimmt sind. 2. Ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse von Jägern für Schalldämpferwaffen besteht nicht, weil der Bundesgesetzgeber Schalldämpfer nicht als notwendig für die Ausübung der Jagd ansieht. 3. Das Interesse der Jäger, mögliche Schädigungen ihres Gehörs durch das Abfeuern von Jagdlangwaffen auszuschließen, kann den waffengesetzlichen Grundsatz nicht außer Kraft setzen, privaten Besitz an Schalldämpfern, die für Schusswaffen bestimmt sind, auch bei legalem Schusswaffenbesitz möglichst zu verhindern. 4. Aus den Feststellungen der großen Mehrzahl der Verwaltungsgerichte ergibt sich, dass die Verwendung einer schallgedämpften Waffe zum Schutz des Gehörs nicht erforderlich ist, weil gleich wirksame Schutzvorkehrungen zur Verfügung stehen. Rechtsquellen WaffG 2002 §§ 8, 13, Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG 1972 § 3 Abs. 1 Instanzenzug VG Berlin - 25.01.2018 - AZ: VG 1 K 545.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.11.2018 - 6 C 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:281118U6C4.18.0] Urteil BVerwG 6 C 4.18 VG Berlin - 25.01.2018 - AZ: VG 1 K 545.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Hahn, Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Januar 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der in Berlin wohnhafte Kläger ist Jäger. Er ist im Besitz eines Jahresjagdscheins, der noch bis zum 31. März 2020 gültig ist, und geht in einem Revier in Brandenburg auf die Jagd. Er will mit einer schallgedämpften Jagdlangwaffe auf Wild schießen, um Schädigungen seines Gehörs durch den lauten, über der Schmerzgrenze liegenden Mündungsknall beim Abfeuern der Waffe auszuschließen. Seinen Antrag, ihm die Erlaubnis für den Erwerb eines Schalldämpfers zu diesem Zweck zu erteilen, lehnte der Polizeipräsident in Berlin ab. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Erwerb, Besitz und Führen eines Schalldämpfers für das jagdliche Schießen mit Jagdlangwaffen zu gestatten, hat das Verwaltungsgericht mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: 2 Die Klage sei unzulässig, soweit sie darauf gerichtet sei, einen Schalldämpfer besitzen und bei der Jagd führen zu dürfen. Der behördliche Erlaubnisantrag des Klägers sei ausdrücklich auf die Erteilung der Erwerbserlaubnis beschränkt. Die waffengesetzlichen Voraussetzungen für deren Erteilung lägen nicht vor. Auch Jäger im Besitz eines Jahresjagdscheins benötigten für den Erwerb eines Schalldämpfers für ihre Jagdlangwaffen eine gesonderte Erlaubnis, deren Erteilung ein waffenrechtliches Bedürfnis voraussetze. Die Freistellung dieser Jäger von dem allgemeinen Bedürfnisnachweis für Erwerb und Besitz von Langwaffen und zweier Kurzwaffen für das jagdliche Schießen erstrecke sich nicht auf dafür bestimmte Schalldämpfer. Nach der gesetzlichen Wertung würden Schalldämpfer für die Jagd nicht benötigt. Im deutschen Waffenrecht schließe die Berechtigung zum Schusswaffenbesitz seit jeher nicht die Berechtigung ein, die Schusswaffen mit Schalldämpfern auszustatten. Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung sei auf waffenrechtliche Erlaubnisse nicht anwendbar. 3 Das Interesse der Jäger, ihr Gehör zu schützen, könne ein Bedürfnis für das jagdliche Schießen mit einer schallgedämpften Waffe nicht begründen. Der waffengesetzliche Grundsatz, so wenige Schusswaffen wie möglich in privaten Besitz gelangen zu lassen, gelte in gleicher Weise für den Nachweis eines Bedürfnisses für dafür bestimmte Schalldämpfer. Dem liege die gesetzgeberische Annahme zugrunde, Schalldämpfer könnten die Gefährlichkeit der Schusswaffe erhöhen. Diese Einschätzung könne nicht durch statistische Erkenntnisse über die geringe Deliktsrelevanz von schallgedämpften Waffen erschüttert werden. Aufgrund der restriktiven Zulassungspraxis seien Schalldämpfer wenig verbreitet. Demgegenüber habe der Kläger kein besonders anzuerkennendes Interesse an dem Erwerb des Schalldämpfers geltend gemacht. Hierfür sei ein besonders gelagertes, aus individuellen Umständen hergeleitetes Interesse erforderlich; das Interesse an dem Schutz des Gehörs beim Abfeuern der Jagdwaffe bestehe aber bei allen Jägern in gleicher Weise. Auf den Schutz Dritter vor Beeinträchtigungen durch Schusslärm könne sich der Kläger nicht berufen. Im Übrigen fehlten Anhaltspunkte für die Annahme, der Lärm könne die Gesundheit der in der Nähe des Jagdreviers des Klägers wohnenden Personen beeinträchtigen. 4 Schließlich sei ein Bedürfnis nicht gegeben, weil Jäger für den Schutz ihres Gehörs nicht auf Schalldämpfer angewiesen seien. Ohrkapseln oder Geräte des sog. Im-Ohr-Schutzes minderten die Lautstärke des Mündungsknalls für das Gehör mindestens ebenso stark wie Schalldämpfer. Der Beklagte habe deren Funktionsweise und Wirksamkeit plausibel dargelegt. Der sog. Im-Ohr-Schutz sei für das Richtungshören geeignet. Die Möglichkeit, Ohrkapseln könnten bei der Suche nach angeschossenem Wild im Dickicht abgestreift werden, stelle keine ernstzunehmende Erschwernis der Jagd dar. Es gebe keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Schalldruck, der beim Abfeuern der Schusswaffe über die Knochenleitbahnen weitergeleitet werde, das Gehör schädigen könne. 5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision beantragt der Kläger festzustellen, dass er für den Erwerb eines Schalldämpfers und dessen Gebrauch bei der Jagd keine Erlaubnis benötige. Hilfsweise beantragt er den Beklagten zu verpflichten, ihm die hierfür erforderlichen Erlaubnisse zu erteilen. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor: Die Berechtigung der Inhaber von Jahresjagdscheinen, Jagdlangwaffen ohne Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses zu erwerben, zu besitzen und zu führen, umfasse auch die dafür bestimmten Schalldämpfer. Dies folge aus deren waffengesetzlicher Gleichstellung mit denjenigen Schusswaffen, für die sie bestimmt seien. 6 Jedenfalls hätten Jäger ein waffenrechtliches Bedürfnis für Schalldämpfer zu Jagdzwecken. Die gesetzliche Anerkennung des Waffenbesitzes für das jagdliche Schießen schließe auch das Interesse ein, die Lautstärke des Mündungsknalls beim Abfeuern der Waffen auf ein gesundheitsverträgliches Maß zu senken. Die Schutzstandards der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung für die Ausstattung von Arbeitsplätzen seien generell für die Jagd von Bedeutung. Schalldämpfer erhöhten die Gefährlichkeit von Schusswaffen nicht; ihre Deliktsrelevanz sei verschwindend gering. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Schutz des Gehörs durch Ohrkapseln oder sog. Im-Ohr-Schutz stellten unbelegte Behauptungen dar. Der Kläger habe die Erfahrung gemacht, dass der Im-Ohr-Schutz ein zuverlässiges Richtungshören verhindere. In mehreren Bundesländern würden Schalldämpfer für Jagdlangwaffen generell zugelassen. 7 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses weist darauf hin, dass die Freistellung der Jäger vom Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses auf die für die Jagd benötigte Ausstattung beschränkt sei; hierzu gehörten Schalldämpfer nicht. Für diese müsse ein darauf gerichtetes Bedürfnis nachgewiesen werden. II 8 Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsmittel im Urteil zugelassen; daran ist der Senat gebunden (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 VwGO). Der Kläger hat die Sprungrevision form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 139 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO). Insbesondere hat er die erforderliche schriftliche Erklärung des Beklagten über dessen Zustimmung zu der Einlegung rechtzeitig vorgelegt (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO). 9 Die Sprungrevision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 10 1. Der Kläger hat erstmals in der Revisionsinstanz beantragt festzustellen, er sei berechtigt, Schalldämpfer, die für seine Jagdlangwaffen bestimmt sind, erlaubnisfrei zu erwerben und für das jagdliche Schießen zu verwenden. Darin liegt keine nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Klageänderung, weil das Rechtsschutzziel des Klägers und der Prozessstoff unverändert bleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Oktober 1993 - 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 306 und vom 8. Dezember 1995 - 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <102>; stRspr). Die Feststellungsanträge können keinen Erfolg haben, weil die Inhaber von Jahresjagdscheinen wie der Kläger nur für den Erwerb und das Führen von Jagdlangwaffen zur Ausübung der Jagd von den waffengesetzlichen Erlaubnisvorbehalten freigestellt sind. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich diese Freistellung nicht auf den Erwerb von Schalldämpfern für diese Schusswaffen und auf die Ausübung der Jagd mit schallgedämpften Waffen erstreckt. 11 a) Nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 - WaffG - (BGBl. I S. 3970) bedarf der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 (Waffenliste) Abschnitt 2 zu diesem Gesetz genannt sind, der Erlaubnis. Hierzu gehören insbesondere Schusswaffen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG; Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 der Anlage 2). Erlaubnispflichtigen Umgang mit Waffen hat unter anderem, wer sie erwirbt, besitzt, führt oder damit schießt (§ 1 Abs. 3 WaffG). Nach dem Regelungskonzept des Waffengesetzes unterliegt jede Art des Umgangs mit einer bestimmten Waffe einem gesonderten Erlaubnisvorbehalt. Die Erteilung einer Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG unter anderem voraus, dass ein Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG nachgewiesen ist. Aufgrund des zentralen Anliegens des Waffengesetzes, möglichst zu verhindern, dass Waffen in die Hände Privater gelangen, setzt ein solches Bedürfnis von Personen, die keiner der in § 8 WaffG genannten Gruppen angehören, voraus, dass sie sich in einer Ausnahmesituation befinden. Dies ist anerkannt, wenn sie aufgrund individueller Lebensumstände einer erheblich höheren Gefährdung ausgesetzt sind als die Bevölkerung im Allgemeinen und zur Gefahrenabwehr eine Waffe benötigen (vgl. unter 2.a) und b)). 12 b) Demgegenüber erkennt das Waffengesetz das Interesse der Angehörigen der in § 8 genannten Gruppen, insbesondere der Sportschützen und Jäger, am zweckgebundenen Waffenbesitz grundsätzlich als berechtigt an. Demnach können Jäger, d.h. Inhaber eines Jagdscheins, nach Maßgabe des § 13 WaffG jagdrechtlich nicht verbotene Schusswaffen für das jagdliche Schießen erwerben, besitzen und benutzen, ohne ein Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG nachweisen zu müssen. Vielmehr ist ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz von Jagdwaffen und der dafür bestimmten Munition schon dann gegeben, wenn sie glaubhaft machen, die Schusswaffe zur Jagdausübung zu benötigen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 WaffG). Inhaber eines Jahresjagdscheins wie der Kläger sind berechtigt, Langwaffen und zwei Kurzwaffen zu erwerben und zu besitzen, ohne dass geprüft wird, ob ein jagdliches Bedürfnis vorliegt (§ 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG). Bei diesen Jägern wird ein solches Bedürfnis für Erwerb und Besitz von Jagdlangwaffen unwiderleglich vermutet (BT-Drs. 14/8886 S. 11). Sie können Langwaffen unter Vorlage ihres Jahresjagdscheins ohne zahlenmäßige Begrenzung erlaubnisfrei erwerben und sie nach Erteilung der Besitzerlaubnis ohne weitere Erlaubnis bei der Jagd und bestimmten damit zusammenhängenden Tätigkeiten mit sich führen und damit schießen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 WaffG). 13 c) Nach dem Waffengesetz stehen wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer den Schusswaffen, für die sie bestimmt sind, gleich, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist (Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG). Daraus folgt, dass das Waffengesetz Schalldämpfer als eigenständige Regelungsgegenstände ansieht, so dass sich Berechtigungen zum Erwerb, Besitz und Führen einer Schusswaffe nicht auf dafür bestimmte Schalldämpfer erstrecken. Vielmehr sind für Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers sowie für das Führen einer schallgedämpften Waffe gesonderte Berechtigungen erforderlich. Deren Voraussetzungen richten sich nach den für die Schusswaffe geltenden waffengesetzlichen Voraussetzungen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dies gilt sowohl für Berechtigungen, die durch Erteilung der waffengesetzlich vorgesehenen Erlaubnis, als auch für Berechtigungen, die unmittelbar durch das Waffengesetz verliehen werden. Durch den Vorbehalt der anderweitigen gesetzlichen Bestimmung wird klargestellt, dass Regelungen, die bestimmten Personengruppen Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen ohne Nachweis eines Bedürfnisses im Sinne von § 8 WaffG gestatten, nicht ohne weiteres auf Schalldämpfer angewendet werden können. Der legale Schusswaffenbesitz bestimmter Personengruppen zieht nicht ohne weiteres den legalen Besitz eines für die Schusswaffe bestimmten Schalldämpfers nach sich. Vielmehr ist durch Auslegung der Bestimmungen, die den Schusswaffenbesitz abweichend von den allgemeinen waffengesetzlichen Regeln ermöglichen, zu ermitteln, ob sie auch Geltung für Schalldämpfer beanspruchen. 14 d) Dies ist bei den Bestimmungen des sog. Jägerprivilegs nach § 13 WaffG nicht der Fall. Diese Vorschrift ist aufgrund des sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Normzwecks und des Regelungszusammenhangs mit dem Bundesjagdgesetz nicht auf Schalldämpfer anwendbar: 15 Nach § 13 Abs. 1 WaffG soll Jägern diejenige Ausstattung mit Schusswaffen ermöglicht werden, die sie benötigen, um die Jagd ausüben zu können. Hierzu gehören Schalldämpfer für diese Waffen nicht; der Bundesgesetzgeber hat schallgedämpfte Waffen nicht als für die Jagd notwendig angesehen. Damit steht er in der Tradition des deutschen Waffenrechts, das die Freistellung der Jäger vom Bedürfnisnachweis für Jagdwaffen nicht auf dafür bestimmte Schalldämpfer erstreckt. 16 Bis zum Ende des Jahres 1972 waren Inhaber eines Jagdscheins zwar ohne Einschränkungen zum Besitz und Führen von Jagd- und Faustfeuerwaffen berechtigt. Dagegen galt auch für sie das allgemeine Verbot, Schalldämpfer zu besitzen und zu führen (§ 12 Nr. 7, § 21, 25 Abs. 1 Nr. 2 des Reichswaffengesetzes vom 18. März 1938 - RWG -, RGBl. I S. 265). Die Vereinbarkeit dieses Schalldämpferverbots mit dem Grundgesetz stand außer Frage, so dass es bis zum Inkrafttreten des Waffengesetzes des Bundes vom 19. September 1972 (BGBl. I S. 1797) am 1. Januar 1973 nach Art. 123 ff. GG als Landesrecht fortgalt (BVerwG, Urteil vom 9. November 1959 - 1 C 107.57 - Buchholz 402.5 Waffenrecht Nr. 1; BT-Drs. VI/2678 S. 23). 17 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WaffG 1972 standen wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer den Schusswaffen gleich. Damit unterstellte der Bundesgesetzgeber Schalldämpfer generell den allgemeinen waffengesetzlichen Erlaubnisvorbehalten und damit dem Erfordernis, für Erwerb, Besitz und Führen eines für eine Schusswaffe bestimmten Schalldämpfers ein waffenrechtliches Bedürfnis nach § 32 Abs. 1 WaffG 1972 nachzuweisen. Von diesem Bedürfnisnachweis waren Inhaber von Jahresjagdscheinen nach § 28 Abs. 4 Nr. 7 und § 32 Abs. 1 Nr. 1 WaffG 1972 in Bezug auf Jagdwaffen, nicht aber in Bezug auf dafür bestimmte Schalldämpfer freigestellt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 9. Dezember 2003 - 11 UE 2912/00 [ECLI:​DE:​VGHHE:​2003:​1209.11UE2912.00.0A] - juris Rn. 15). Durch die Einführung des Bedürfnisnachweises für Schalldämpfer sollte Erfordernissen der Lärmbekämpfung Rechnung getragen werden, ohne Sicherheitsinteressen zu gefährden (BT-Drs. VI/2678 S. 25). Die Bedeutung der Belange der öffentlichen Sicherheit, deren Berücksichtigung der Bedürfnisnachweis dient, sollte in Bezug auf Schalldämpfer nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht relativiert werden. Damit galt der hergebrachte waffengesetzliche Grundsatz, den Waffenbesitz von Privatpersonen möglichst zu verhindern und nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen zu ermöglichen, gleichermaßen für Schalldämpfer (vgl. unter 2.b)). Der bestimmten Personengruppen wie den Jägern gestattete Schusswaffenbesitz sollte nicht den Besitz dafür bestimmter Schalldämpfer erfassen; hierfür sollten auch diese Personengruppen ein gesondertes Bedürfnis nachweisen müssen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2017 - 11 B 11.16 [ECLI:​DE:​OVGBEBB:​2017:​0406.OVG11B11.16.0A] - juris Rn. 30). Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers stand in Einklang mit den Vorstellungen der Interessenverbände der Jäger, die die Verwendung von Schalldämpferwaffen für die Jagd ablehnten (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 9. Dezember 2003 - 11 UE 2912/00 - juris Rn. 16 unter Hinweis auf entsprechende Stellungnahmen u.a. des Deutschen Jagdschutz-Verbands e.V.). 18 Diese Rechtslage hat das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 - WaffG - (BGBl. I S. 3970) übernommen. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 WaffG 1972 über die waffenrechtliche Behandlung von Schalldämpfern findet sich nunmehr in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG; inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2017 - 11 B 11.16 - juris Rn. 31). Für einen vom Gesetzgeber beabsichtigten Paradigmenwechsel, dass sich bei Inhabern von Jahresjagdscheinen die unwiderlegliche Bedürfnisvermutung des § 13 Abs. 2 Satz 2 WaffG für Jagdwaffen (BT-Drs. 14/8886 S. 111) auf den Erwerb und Besitz von Schalldämpfern sowohl für Langwaffen als auch auf die von diesem Jägerprivileg erfassten zwei Kurzwaffen erstreckt werden sollte, bieten die Gesetzesmaterialien keinen Anhalt: Dass sich die Freistellung der Jäger von dem Erfordernis, ein Bedürfnis für Erwerb, Besitz und Führen von Jagdwaffen nachweisen zu müssen, nach wie vor nicht auf dafür bestimmte Schalldämpfer erstreckt, macht vor allem die Amtliche Begründung der Regelungen des sog. Jägerprivilegs in § 13 WaffG deutlich (BT-Drs. 14/7758 S. 61 f.). Daraus ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber keinen Anlass gesehen hat, die für Schalldämpfer geltenden Regelungen inhaltlich zu ändern. Er hat auch in Bezug auf die Ausübung der Jagd Schalldämpfer nicht in den Blick genommen, sondern sich ausschließlich mit Jagdwaffen befasst. So wird der Verzicht auf den Bedürfnisnachweis für den Umgang mit Langwaffen und zwei Kurzwaffen für die Jagd damit begründet, dass die Jägerprüfung anspruchsvoll und schwierig und die Ausübung der Jagd detailliert reglementiert sei. Jägern soll Erwerb und Besitz von Langwaffen zur jagdlichen Verwendung, nicht aber zum Waffensammeln oder einem anderen Zweck ermöglicht werden (BT-Drs. 14/7758 S. 61 und 62). Die Beibehaltung des allgemeinen Bedürfnisnachweises für Schalldämpfer entsprach der weiterhin ablehnenden Haltung der Interessenverbände der Jäger gegenüber der Jagd mit schallgedämpften Waffen (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 9. Dezember 2003 - 11 UE 2912/00 - juris Rn. 16). Deren Haltung begann sich erst einige Jahre nach der Neuregelung des Waffenrechts im Jahr 2002 zu ändern. 19 Schließlich steht der Geltung des Jägerprivilegs nach § 13 WaffG für Schalldämpfer von Jagdwaffen die gesetzessystematische Erwägung entgegen, dass der Bundesgesetzgeber die Landesgesetzgeber ermächtigt hat, die Ausübung der Jagd mit schallgedämpften Waffen zu verbieten. Die Möglichkeit, ein solches Verbot anzuordnen, wird durch § 19 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG - i.d.F. des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2557) eröffnet, wonach die Länder die sachlichen Verbote für die Ausübung der Jagd nach § 19 Abs. 1 BJagdG erweitern können. Davon haben mehrere Bundesländer Gebrauch gemacht (vgl. z.B. das Verbot der Verwendung von Schalldämpfern bei der Jagd nach Art. 29 Abs. 2 Nr. 7 des Bayerischen Jagdgesetzes, von dem die Jagdbehörde nach Art. 29 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes nur in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zulassen kann). Zwar ist das Waffenrecht mit Wirkung vom 1. Januar 2007 nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes übergegangen, die bundesgesetzliche Öffnungsklauseln für die Landesgesetzgeber ausschließt. Die zuvor erlassenen landesgesetzlichen Verbotsregelungen gelten jedoch nach Art. 125a Abs. 3 Satz 1 GG fort. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers, wegen der großen Zahl an Anträgen auf Erwerb und Besitz von Waffen das Bedürfnis der Jäger in § 13 WaffG zu konkretisieren und hierdurch einen bundeseinheitlichen Vollzug zu gewährleisten (BT-Drs. 14/7758 S. 57), kommt deshalb in Bezug auf Schalldämpfer nicht zum Tragen. 20 2. Der in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, den Beklagten zur Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb eines Schalldämpfers für seine Jagdlangwaffen zu verpflichten, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb eines für seine Jagdlangwaffen bestimmten Schalldämpfers hat, weil hierfür kein waffenrechtliches Bedürfnis besteht. 21 a) Der geltend gemachte Anspruch setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG den Nachweis eines Bedürfnisses im Sinne des § 8 WaffG voraus. Nach dieser Vorschrift ist der Nachweis erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen, etwa als Jäger (Nr. 1), sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffe für den beantragten Zweck (Nr. 2) glaubhaft gemacht sind. Es handelt sich um unbestimmte bundesgesetzliche Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Anwendung durch die Waffenbehörden der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte, letztinstanzlich des Bundesverwaltungsgerichts, unterliegt; ein behördlicher Beurteilungsspielraum besteht nicht. 22 b) Der Begriff der Belange der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 8 WaffG bringt das zentrale Anliegen des Waffengesetzes zum Ausdruck, den Waffenbesitz von Privatpersonen, die keiner der in § 8 WaffG genannten Gruppe angehören, möglichst zu verhindern. Dadurch begegnet der Bundesgesetzgeber dem Risiko, dass Waffen missbräuchlich verwendet werden, bereits im Vorfeld möglicher Gefahrenlagen. Angesichts des Gefahrenpotentials, das insbesondere von Schusswaffen für Leben und Gesundheit Dritter ausgeht, steht die Verhältnismäßigkeit dieser Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes außer Frage (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. April 2003 - 1 BvR 539/03 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2003:​rk20030401.1bvr053903] - NVwZ 2003, 855; BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1975 - 1 C 25.73 - BVerwGE 49, 1 <4 f.>; vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 65; Beschluss vom 26. März 2008 - 6 B 11.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 95 Rn. 12; stRspr). 23 Dieser gesetzliche Zweck des Bedürfnisnachweises bringt es mit sich, dass Personen, die keiner der in § 8 WaffG genannten Gruppen angehören, nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Recht auf Waffenbesitz haben. Auch ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse kann ein Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG für Erwerb, Besitz und Führen einer Waffe regelmäßig nur begründen, wenn sich die betreffende Person aufgrund individueller Umstände, etwa der besonderen Gefährlichkeit der Berufsausübung, in einer Gefahrenlage befindet, die im Vergleich zur Allgemeinheit erheblich erhöht ist. Für normale Verhältnisse ist der polizeiliche Schutz als ausreichend anzusehen. Hinzukommen muss, dass der Besitz einer Waffe erforderlich ist, weil der Gefahr nicht auf andere Weise wirkungsvoll begegnet werden kann (BVerwG, Urteile vom 9. November 1959 - 1 C 107.57 - Buchholz 402.5 Waffenrecht Nr. 1 S. 2 f.; vom 24. Juni 1975 - 1 C 25.73 - BVerwGE 49, 1 <8 ff.>, - 1 C 2.74 -, - 1 C 48.74 - und - 1 C 6.75 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 8a, 8b und 8c; stRspr). 24 c) Wie unter 1.c) dargelegt, finden diese gesetzlichen Vorgaben nach Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 Satz 1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG auch Anwendung auf Schalldämpfer, die für Schusswaffen bestimmt sind. Für deren Erwerb und Besitz sowie für das Führen von schallgedämpften Waffen muss ein auf den Schalldämpfer bezogenes Bedürfnis nach § 8 WaffG nachgewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer der in § 8 WaffG genannten Gruppen für einen bestimmten Zweck ohne Bedürfnisnachweis nach § 8 WaffG Zugang zu Schusswaffen hat. 25 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Schusswaffen mit Schalldämpfern einer erhöhten Gefahr missbräuchlicher Verwendung unterliegen, weil sie generell als gefährlicher gelten können als Schusswaffen ohne Schalldämpfer. Der Schusswaffengebrauch kann besser verheimlicht werden oder unbemerkt bleiben, weil ein Schalldämpfer eine lautlose Schussabgabe ermöglicht oder jedenfalls die Lautstärke des Mündungsknalls beim Abfeuern der Waffe erheblich vermindert. Diese Einschätzung liegt der restriktiven Behandlung von Schalldämpfern im Waffenrecht seit jeher zugrunde (vgl. Hoche, RWG, 2. Aufl. 1938, § 25 Anm. 3.b)). Für die Jagd kommt hinzu, dass die Verwendung von schallgedämpften Waffen die Jagdwilderei erleichtern und den Warneffekt des Knalls bei der Schussabgabe für Unbeteiligte, etwa für Spaziergänger, vermindern oder beseitigen kann (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 4. April 2016 - 8 K 1470/15 - juris Rn. 106). Diese Annahmen sind von dem weiten gesetzgeberischen Spielraum für die Regelung des Waffenrechts gedeckt. Hierfür reicht aus, dass der Bedürfnisnachweis für Schalldämpfer nicht als offensichtlich ungeeignet angesehen werden kann, um einen Beitrag zu dem beabsichtigten Rechtsgüterschutz im Vorfeld konkreter Gefahrenlagen zu leisten (vgl. zum Eignungsmaßstab BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1971 - 2 BvR 326 u.a./69 - BVerfGE 30, 250 <262 f.> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2001:​ls20010403.1bvl003297] - BVerfGE 103, 293 <307>; zur Einschätzung von schallgedämpften Waffen VG Sigmaringen, Urteil vom 24. April 2015 - 8 K 1781/13 [ECLI:​DE:​VGSIGMA:​2015:​0424.8K1781.13.0A] - juris Rn. 34 ff.). 26 d) Mit dem Vortrag, das jagdliche Schießen mit Langwaffen ohne Schalldämpfer könne sein Gehör schädigen, hat der Kläger bereits kein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse im Sinne von § 8 WaffG geltend gemacht. Bei der Auslegung dieses gesetzlichen Begriffs muss berücksichtigt werden, dass der Bundesgesetzgeber nach den Ausführungen unter 1.c) Schalldämpfer generell als nicht für die Jagd erforderlich ansieht. Nach der gesetzlichen Wertung gehören sie nicht zu der für die Jagd benötigten Ausstattung nach § 13 Abs. 1 WaffG. Es widerspräche dieser gesetzlichen Entscheidung gegen die Ausübung der Jagd mit schallgedämpften Waffen, ein Interesse von Jägern an dem Erwerb von Schalldämpfern anzuerkennen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Schutz des Gehörs durch Verwendung von Schalldämpfern um ein Interesse handelt, das bei allen Jägern in gleicher Weise besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. April 2017 - 11 B 11.16 - juris Rn. 38). 27 e) Doch auch bei Anerkennung des Gehörschutzes als persönliches Interesse im Sinne von § 8 WaffG ist ein waffenrechtliches Bedürfnis nicht nachgewiesen, weil dieses Interesse den Belangen der öffentlichen Sicherheit nicht vorgeht. Der waffengesetzliche Grundsatz, möglichst keine Schalldämpfer für Schusswaffen in privaten Besitz gelangen zu lassen, beschränkt auch deren Erwerb in aller Regel auf die unter 2.b) dargestellten Ausnahmefälle, in denen ein Privater aufgrund individueller Umstände einer anders nicht abwendbaren Gefährdung ausgesetzt ist, die ihn von der Allgemeinheit abhebt. Demgegenüber wollen sich Jäger vor einer gesundheitlichen Gefahr schützen, die sie selbst durch das jagdliche Schießen herbeiführen. Es geht nicht um den Schutz durch eine Waffe als Mittel der Verteidigung vor einem rechtswidrigen Angriff, sondern um den Schutz des Schützen vor Nachteilen des Schießens für ihn selbst. Das Interesse, die Möglichkeit nachteiliger Folgen einer Selbstgefährdung auszuschließen, vermag regelmäßig nicht zu rechtfertigen, die gesetzgeberische Entscheidung, auch bei legalem Schusswaffenbesitz Privater möglichst keine Ausstattung der Schusswaffen mit Schalldämpfern zuzulassen, für die gesamte Gruppe der Jäger generell außer Kraft zu setzen. Dies gilt erst recht, weil Schalldämpfer nach der weit überwiegenden Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Schutz des Gehörs regelmäßig nur benötigt werden, wenn der Schütze freiwillig darauf verzichtet, das Gehör durch andere Vorkehrungen zu schützen (vgl. unter 2.f)). 28 Daran können statistische Erkenntnisse über die geringe Deliktsrelevanz von schallgedämpften Waffen nichts ändern. Die Deliktsrelevanz von Schusswaffen und dafür bestimmten Schalldämpfern ist für den Bedürfnisnachweis nach § 8 WaffG ohne Bedeutung. Ihre Berücksichtigung widerspräche der grundlegenden Entscheidung des Bundesgesetzgebers gegen den privaten Besitz von schallgedämpften Waffen und für den Schutz der Allgemeinheit insbesondere vor Missbrauchsgefahren. Diese Entscheidung beansprucht nicht erst dann Geltung, wenn eine - wie auch immer zu bestimmende - gewisse Deliktsrelevanz belegt ist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass die statistischen Erkenntnisse darauf beruhen, dass Schalldämpfer wegen der bisherigen restriktiven Zulassungspraxis wenig verbreitet sind (vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2016 - 22 K 4721/14 - juris Rn. 67 ff.). Die gesetzgeberische Entscheidung entfaltet mithin die von ihr bezweckte Wirkung. 29 f) Schließlich hat der Kläger kein Bedürfnis für den Erwerb eines Schalldämpfers für seine Jagdlangwaffen, weil ein Schalldämpfer nicht erforderlich ist, um Schädigungen des Gehörs durch den Mündungsknall beim Abfeuern der Waffen auszuschließen (§ 8 Nr. 2 WaffG). Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass auch Ohrkapseln oder Geräte des sog. Im-Ohr-Schutzes die Lautstärke des Mündungsknalls beim Abfeuern auf einen Wert reduzierten, der deutlich unterhalb der Schmerzgrenze liege. Ihre Wirkung stehe derjenigen von Schalldämpfern nicht nach. Der sog. Im-Ohr-Schutz sei für das Richtungshören geeignet. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass das Gehör durch die Übertragung des Schalldrucks über die Knochenleitbahnen geschädigt werden könne. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, zumal der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt im Verfahren der Sprungrevision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden kann (§ 134 Abs. 4 VwGO). Danach ist es Jägern möglich, ihr Gehör beim jagdlichen Schießen durch Ohrkapseln oder den sog. Im-Ohr-Schutz ebenso wirksam zu schützen wie durch die Verwendung eines Schalldämpfers. 30 Die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stimmen im Übrigen mit den tatrichterlichen Feststellungen anderer Verwaltungsgerichte überein, die sich mit dem Schutz des Gehörs der Jäger befasst haben. Danach steht die Wirksamkeit von Ohrkapseln und Im-Ohr-Schutz Schalldämpfern nicht nach. Davon ausgehend nimmt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung weit überwiegend an, dass es keines Schalldämpfers bedarf, um das Gehör der Jäger wirksam vor möglichen Beeinträchtigungen durch das jagdliche Schießen zu schützen, weil dieser Schutz anderweitig gewährleistet werden kann (vgl. nur VG Stuttgart, Urteil vom 14. Januar 2009 - 5 K 151/08 [ECLI:​DE:​VGSTUTT:​2009:​0114.5K151.08.0A] - juris Rn. 20; VG Sigmaringen, Urteil vom 24. April 2015 - 8 K 1781/13 - juris Rn. 43 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 4. April 2016 - 8 K 1470/15 - juris Rn. 79 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2016 - 22 K 4721/14 - juris Rn. 39 ff.; VG Münster, Urteil vom 27. März 2017 - 1 K 1271/15 [ECLI:​DE:​VGMS:​2017:​0327.1K1271.15.00] - juris Rn. 38 ff.). 31 Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Für die Eignung der Schutzvorkehrungen für das Richtungshören kommt es auf deren generelle Tauglichkeit, nicht auf die Einschätzung des einzelnen Jägers an. Auch ist das Verwaltungsgericht - in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - zutreffend davon ausgegangen, dass die Eignung von Ohrkapseln nicht deshalb in Frage steht, weil sie bei der Nachsuche abgestreift werden können. Diese Möglichkeit erscheint auch deshalb fernliegend, weil weidmännisch vorgehende Jäger darauf achten, nur dann zu schießen, wenn sie das Wild voraussichtlich mit einem Schuss erlegen können. Schließlich kann die Eignung von Ohrkapseln und sog. Im-Ohr-Schutz für den Schutz des Gehörs der Jäger nicht davon abhängen, ob Jäger bei der Jagd von einem Hund begleitet werden. Es ist Sache der Jäger, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Jagdhund hinreichend schussfest ist. 32 g) Der Schutz Dritter, die in der Nähe eines Jagdreviers wohnen, vor Lärmbeeinträchtigungen des jagdlichen Schießens kann ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse des Jägers im Sinne von § 8 WaffG an der Verwendung einer schallgedämpften Waffe und damit ein Bedürfnis für den Erwerb eines Schalldämpfers in aller Regel nicht begründen. Die Interessenkonflikte können nicht durch Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse für Schalldämpfer, sondern müssen mit anderen rechtlichen Mitteln bewältigt werden. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn der Jäger für die Ausübung der Jagd in seinem Revier auf die Verwendung einer schallgedämpften Waffe angewiesen ist, weil gesundheitliche Beeinträchtigungen von Anwohnern durch den Schusslärm infolge des besonderen Zuschnitts des Reviers ernsthaft zu besorgen und nicht auf andere Weise vermeidbar sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen angesichts des Umstands, dass die Jagd auch mobil ausgeübt wird und waffenrechtliche Erlaubnisse keinen Gebietsbezug aufweisen, erfüllt werden können. Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen von Anwohnern festgestellt. Daran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. 33 h) Die Regelungen der Verordnung der Bundesregierung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen - LärmVibrationsArbSchV - vom 6. März 2007 (BGBl. I S. 261) i.d.F. vom 18. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3584) sind nicht in die Bedürfnisprüfung nach § 8 WaffG einzubeziehen. Die Rechtsverordnung setzt die Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 (ABl. Nr. L 42) um. Nach § 1 der Verordnung dient sie dem Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Lärm oder Vibrationen bei der Arbeit. Nach § 7 Abs. 1 LärmVibrationsArbSchV hat der Arbeitgeber gegebenenfalls Schutzmaßnahmen durchzuführen, die in dem Katalog des § 7 Abs. 2 LärmVibrationsArbSchV beispielhaft angeführt sind. Diese Maßnahmen betreffen die Ausstattung betrieblicher Arbeitsplätze, deren Schutzstandard jedem der dort eingesetzten Beschäftigten zugutekommt. Danach stellt die Erlaubnis für den Erwerb eines für Schusswaffen bestimmten Schalldämpfers bereits keine Maßnahme im Sinne von § 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung dar. Sie bezieht sich nicht auf einen bestimmten Arbeitsplatz, sondern wird einer bestimmten Person erteilt; die Erlaubnisvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 WaffG sind höchstpersönlicher Natur. Dementsprechend kann sie weder auf andere Personen übertragen werden noch diesen zugutekommen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27. April 2015 - 20 A 1444/13 - juris Rn. 6; VG Minden, Urteil vom 26. April 2013 - 8 K 2491/12 - juris Rn. 43; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Mai 2016 - 22 K 4721/14 - juris Rn. 55 ff.). 34 3. Die hilfsweise gestellten Anträge, den Beklagten zur Erteilung von Erlaubnissen für Besitz und Führen eines Schalldämpfers für die Jagdlangwaffen des Klägers zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht zu Recht als unzulässig angesehen. Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätzlich davon abhängt, dass der Kläger bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Vornahme des angestrebten Verwaltungsakts gestellt hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. August 1995 - 5 C 11.94 - BVerwGE 99, 158 <160> und vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - BVerwGE 130, 39 Rn. 23; stRspr). Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der beim Beklagten gestellte Antrag des Klägers umfasse nur die Erteilung der Erlaubnis für den Erwerb eines Schalldämpfers, weil darin nur von einer Erwerbserlaubnis die Rede war. Dies lässt einen Verstoß gegen allgemeine bundesrechtliche Auslegungsgrundsätze nicht erkennen. Im Übrigen ist der Kläger nach den Ausführungen unter 2. nicht zum Besitz und Führen eines Schalldämpfers für das jagdliche Schießen berechtigt, weil es auch hierfür an einem Bedürfnis im Sinne von § 8 WaffG fehlt. 35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-10,31.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 10/2019 vom 31.01.2019 EN Haar- und Barterlass bedarf gesetzlicher Ermächtigung Der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 „Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ fehlt eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Für eine Übergangszeit ist diese Dienstvorschrift, die allgemein als „Haar- und Barterlass“ bekannt ist, aber auch zum Beispiel Regelungen zu Tätowierungen und Piercings trifft, bis zu einer entsprechenden Neuregelung weiterhin anzuwenden. Dies hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden. Dem Verfahren liegt die Wehrbeschwerde eines Stabsfeldwebels zu Grunde, der nach eigenen Angaben ein Anhänger der Gothic-Kultur ist und lange Haare tragen möchte. Er hält die Regelung in Nr. 202 der ZDv A-2630/1 für diskriminierend, nach der männliche Soldaten die Haare kurz geschnitten tragen müssen. Dieselbe Dienstvorschrift gestatte es Soldatinnen, die Haare lang und am Hinterkopf zusammengebunden zu tragen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Den Antrag des Soldaten auf Aufhebung der Dienstvorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis zurückgewiesen. Wie bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, schließt es das Gleichberechtigungsgebot nicht aus, für Soldatinnen und Soldaten unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Dienstkleidung und Haartracht bei der Dienstausübung vorzusehen (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12, 1 WRB 3.12 - BVerwGE 149, 1). Allerdings bedürfen Regelungen, die in die Freiheit des Einzelnen, seine äußere Erscheinung individuell zu gestalten, eingreifen, einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Dies folgt aus der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit, die auch den Soldaten davor schützt, ohne gesetzliche Grundlage durch dienstliche Weisung Einschränkungen seines persönlichen Erscheinungsbildes hinnehmen zu müssen, die sich auch auf sein Aussehen außerhalb des Dienstes auswirken. Eine solche ausreichende gesetzliche Grundlage enthält – wie der 1. Wehrdienstsenat nunmehr festgestellt hat -  § 4 Abs. 3 Satz 2 SG nicht. Die Norm ermächtigt jedenfalls in der seit 2017 geltenden Fassung nur zu Bestimmungen über die Uniform und die Kleidungsstücke, die mit der Uniform getragen werden. Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzgebungsmaterialien ist eindeutig zu entnehmen, dass der Erlassgeber im Sachzusammenhang mit der Festlegung einer Kleiderordnung auch zu notwendig in den privaten Lebensbereich hineinwirkenden Regelungen über die Gestaltung von Körperbestandteilen von Soldatinnen und Soldaten ermächtigt wird. Da die früher geltende Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 SG aber weiter ausgelegt worden ist und ein einheitliches Auftreten der Bundeswehr im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit geboten ist, sind die Dienstvorschriften bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig weiter anzuwenden. Der Gesetzgeber wird auch darüber zu befinden haben, ob eine unterschiedliche Regelung der Haartracht von Männern und Frauen in der Bundeswehr künftig weiterhin geboten ist.  Fußnote: § 4 Abs. 3 Soldatengesetz  (SG) alter Fassung: „Der Bundespräsident setzt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten fest. Er erlässt die Bestimmungen über die Uniform der Soldaten. Er kann die Ausübung dieser Befugnisse auf andere Stellen übertragen.""   § 4 Abs. 3 SG neuer Fassung: „Der Bundespräsident setzt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten fest. Er erlässt die Bestimmungen über die Uniform der Soldaten und bestimmt die Kleidungsstücke, die mit der Uniform getragen werden dürfen, ohne Uniformteile zu sein. Er kann die Ausübung dieser Befugnisse auf andere Stellen übertragen.""   Aus der ZDv A-2630/1 „Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“: 202. Die Haare von Soldaten müssen kurz geschnitten sein. Ohren und Augen dürfen nicht bedeckt sein. Das Haar ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden.   204. Die Haartracht von Soldatinnen darf die Augen nicht bedecken. Haare, die bei aufrechter Körper- und Kopfhaltung die Schulter berühren würden, sind am Hinterkopf komplett gezopft (Fußnote) auf dem Rücken oder gesteckt zu tragen. Dabei sind Form und Farbe der Haarspangen/Bänder dezent zu halten.""   Die Fußnote definiert: „Ein Zopf ist ein Haarstrang, der durch Flechten, Knüpfen oder Zusammenbinden entsteht. Auch ein offener Zopf, der durch ein Haarband am Zopfansatz zusammengehalten wird (sog. „Pferdeschwanz“), kann den allgemeinen Grundsatz einer „sauberen“ und „gepflegten“ Haartracht (Nr. 201 Satz 2) erfüllen. Dies ist im Einzelfall auch unter Beachtung der jeweiligen Haarlänge zu entscheiden."" BVerwG 1 WB 28.17 - Beschluss vom 31. Januar 2019","Die Vorgaben für die Haartracht von Soldaten in Nr. 202 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 haben in § 4 Abs. 3 Satz 2 SG keine den Vorgaben des Gesetzesvorbehaltes genügende, hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Sie dürfen aber für eine Übergangszeit weiter angewandt werden. Tatbestand Der Antragsteller wendet sich gegen die unterschiedlichen Regelungen für Frauen und Männer hinsichtlich der Haartracht in der Bundeswehr.Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit dem März .... Mit Wirkung vom 1. März 2010 wurde er zum Stabsfeldwebel befördert. Nach vorangegangener Kommandierung wurde er zum Juli ... an das ... versetzt. Dort wird er im IT-Bereich verwendet.Er ist verpflichtet, im Dienst Uniform zu tragen, und unterliegt zusätzlich der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 ""Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr"" (Stand Januar 2016). Diese Dienstvorschrift beinhaltet verschiedene Anordnungen zum äußeren Erscheinungsbild und trifft zum Beispiel auch Regelungen zu Tätowierungen und Piercings. Sie ist allgemein auch als ""Haar- und Barterlass"" bekannt und enthält folgende Vorgaben für die Haartracht:""1 Allgemeines(...)106. Die geschlechterspezifisch unterschiedliche Behandlung von Soldatinnen und Soldaten steht im Einklang mit der aktuellen Rechtslage. Differenzierende Betrachtungsweisen bei der Beurteilung der Haartracht von Soldatinnen und Soldaten berücksichtigen darüber hinaus gesellschaftliche Gepflogenheiten und Wertmaßstäbe. Mit den nachfolgenden Regelungen wird Rücksicht darauf genommen, dass Frauen das Tragen von Schmuck und langen Haaren als besonderen Ausdruck ihrer Weiblichkeit empfinden.(...)2 Haar- und Barttracht201. (...)202. Die Haare von Soldaten müssen kurz geschnitten sein. Ohren und Augen dürfen nicht bedeckt sein. Das Haar ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden.203. (...)204. Die Haartracht von Soldatinnen darf die Augen nicht bedecken. Haare, die bei aufrechter Körper- und Kopfhaltung die Schulter berühren würden, sind am Hinterkopf komplett gezopft (Fußnote) auf dem Rücken oder gesteckt zu tragen. Dabei sind Form und Farbe der Haarspangen/Bänder dezent zu halten.Die Fußnote definiert:Ein Zopf ist ein Haarstrang, der durch Flechten, Knüpfen oder Zusammenbinden entsteht. Auch ein offener Zopf, der durch ein Haarband am Zopfansatz zusammengehalten wird (sog. 'Pferdeschwanz'), kann den allgemeinen Grundsatz einer 'sauberen' und 'gepflegten' Haartracht (Nr. 201 Satz 2) erfüllen. Dies ist im Einzelfall auch unter Beachtung der jeweiligen Haarlänge zu entscheiden.""Mit einem - nicht handschriftlich unterzeichneten - Schreiben vom 17. Januar 2017 an einen Referatsleiter des Bundesministeriums der Verteidigung erhob der Antragsteller ""Beschwerde wegen Diskriminierung"". Die Nr. 106, 202 und 204 der ZDv A-2630/1 bewirkten eine Diskriminierung von Männern, was Art. 3 Abs. 2 GG und § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (SGleiG) widerspreche. Er wolle seine Haare ebenso wie Frauen tragen dürfen. Nur für die Arbeit an gefährlichem Gerät oder aus hygienischen Gründen könne kurzes Haar vorgeschrieben werden. Die Bundeswehr sei ein moderner Arbeitgeber und wolle eine ""Kultur der Vielfalt"" fördern. Sie müsse daher auch bei der Haartracht auf veralteten gesellschaftlichen Anschauungen beruhende Ungleichbehandlungen abbauen. So wie das Tragen langer Haare für Frauen Ausdruck ihrer Weiblichkeit sei, könne es für Männer Ausdruck ihrer Virilität sein. Männern längere Haare zu gestatten, könne die Akzeptanz für den Dienst in der Bundeswehr bei potentiellen Bewerbern, insbesondere unter IT-Fachleuten, erhöhen.Das Bundesministerium der Verteidigung hat die ""Beschwerde wegen Diskriminierung"" vom 17. Januar 2017 nach entsprechender Rückfrage als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet, diesem nicht abgeholfen und ihn zusammen mit seiner Stellungnahme vom 21. August 2017 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.Der Antragsteller wies ergänzend darauf hin, privat Anhänger der Gothic-Kultur zu sein. Daher präferiere er längere Haare. Er werde entgegen Art. 3 Abs. 2 GG und § 1 Abs. 1 SGleiG als Mann unzulässig diskriminiert. Soldatinnen und Soldaten täten den gleichen Dienst und könnten dies daher auch mit der gleichen Haartracht. Unterschiedliche Regelungen zur Haartracht von Männern und von Frauen seien nicht durch das Ziel der Frauenförderung zu rechtfertigen. Er zieht die Brauchbarkeit der vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten Angaben zur Erhöhung des Frauenanteils in der Bundeswehr seit 2012 in Zweifel. Es gebe nicht nur einen Frauen- sondern auch einen Männermangel, dem durch eine Aufhebung der Vorschriften über die Haartracht abgeholfen werden könnte. Der Frauenanteil sei auch nicht allein wegen der Möglichkeit von Frauen, die Haare im Dienst lang zu tragen, sondern wegen der allgemein schlechten Arbeitsmarktsituation höher geworden.Der Antragsteller beantragt,Nr. 202 der ZDv A-2630/1 aufzuheben.Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,den Antrag zurückzuweisen.Der Antrag sei trotz der fehlenden eigenhändigen Unterschrift zulässig, da nach den Umständen der Einreichung die Urheberschaft des Antragstellers feststehe. Die ZDv A-2630/1 sei eine unmittelbar an Soldatinnen und Soldaten gerichtete verbindliche Weisung. Als Daueranordnung könne sie ohne Wahrung einer Frist Gegenstand eines Rechtsbehelfs sein. Der Antrag sei aber unbegründet. Die angegriffene Regelung verletze weder das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit noch den Gleichbehandlungsgrundsatz. § 4 Abs. 3 SG sei in der aktuellen wie in der ursprünglichen Fassung eine dem Gesetzesvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage. Die Änderung des § 4 Abs. 3 Satz 2 SG diene der deklaratorischen Klarstellung und habe keinen eigenen Regelungscharakter. Dass Frauen ihre Haare im Dienst lang tragen dürften, sei als Förderung von Frauen in der Bundeswehr nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und § 1 SGleiG zulässig. Frauen seien nach den Richtwerten des § 4 Abs. 2 SGleiG noch nicht ausreichend repräsentiert. Zwischen Ende Dezember 2012 und November 2017 sei der Frauenanteil absolut von 9,65 % auf 11,82 %, mithin relativ um 22,5 % erhöht worden. Ende 2018 betrage der Frauenanteil in allen Teilstreitkräften und allen Laufbahnen 12,1 %. Dieser Anstieg zeige die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen, zu deren Erfolg auch die Möglichkeit von Frauen, im Dienst die Haare lang zu tragen, beitrage.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen. Gründe Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt ohne Erfolg. Nr. 202 ZDv A-2630/1 fehlt es zwar an einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz. Der Erlass darf aber für eine Übergangszeit weiter angewandt werden. Seine Anwendung in dieser Zeit verletzt den Antragsteller nicht in dessen Rechten.1. Der Antrag ist zulässig.a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte (nur) anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken.Hiernach ist der Antrag statthaft, weil die in Nr. 202 ZDv A-2630/1 enthaltene Pflicht männlicher Soldaten, ihre Haare kurz geschnitten zu tragen, eine unmittelbar anfechtbare Anordnung darstellt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - 1 WB 24.99 - Buchholz 236.1 § 6 SG Nr. 1 S. 1, vom 8. Mai 2001 - 1 WB 25.01 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 42, vom 19. Juni 2002 - 1 WB 26.02 -, vom 6. Februar 2015 - 1 WB 31.14 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 92 Rn. 13 und vom 27. August 2015 - 1 WB 25.15 - juris Rn. 14). Der Pflicht, im Einzelnen darzulegen, inwieweit er durch die angefochtene Regelung in eigenen Rechten verletzt wird, ist der Antragsteller nachgekommen, indem er geltend macht, die Haare lang tragen und hiermit seine Zugehörigkeit zur Gothic-Kultur zum Ausdruck bringen zu wollen. Damit ist dargetan, dass es ihm nicht nur um eine abstrakte Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bestimmung geht.b) Da es sich um eine Daueranordnung handelt, ist der Antrag an keine Frist gebunden (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - 1 WB 24.99 - Buchholz 236.1 § 6 SG Nr. 1 S. 1, vom 19. Juni 2002 - 1 WB 26.02 - und vom 6. Februar 2015 - 1 WB 31.14 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 92 Rn. 13). Die Rechtsprechung zur Frage der Anfechtungsfrist für ein durch Verkehrszeichen bekannt gegebenes Verkehrsverbot (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21 Rn. 18) gibt keinen Grund zur Modifikation dieser Rechtsauffassung (offen noch in BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2018 - 1 WNB 8.17 - juris Rn. 8). Weder sind komplexe innerdienstliche Weisungen mit einer Vielzahl von Einzelregelungen wie die ZDv A-2630/1 mit Verkehrszeichen vergleichbar, noch gibt es einen Bekanntgabeakt der Anordnung der der Annäherung an ein Verkehrsschild gleichkommen würde.c) Das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift unter dem zur Akte gelangten Schreiben des Antragstellers vom 17. Januar 2017 steht der Wahrung des Schriftformerfordernisses gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ausnahmsweise nicht entgegen. Aus den Umständen der Einreichung steht zweifelsfrei fest, dass das Schreiben vom Antragsteller stammt, dass es nicht nur einen Entwurf darstellt und dass der Antragsteller den Antrag in den Rechtsverkehr bringen wollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1983 - 1 WB 27.81 - NJW 1984, 444; GmS-OGB, Beschluss vom 30. April 1979, NJW 1980, 172 Rn. 31). Der Antragsteller hat sein als ""Beschwerde"" gekennzeichnetes Schreiben über einen ihm bekannten Vorgesetzten weitergeleitet und in einem persönlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter des Referates R II 2 des Bundesministeriums der Verteidigung seine Absicht, eine Entscheidung des zuständigen Wehrdienstgerichts herbeizuführen, deutlich gemacht. Es ist daher unerheblich, ob ein vom Antragsteller unterzeichnetes Schreiben vom Antragsteller nicht zur Akte gelangt ist.2. Der Antrag des Soldaten, sein Haar lang zu tragen, bleibt aber im Ergebnis ohne Erfolg. Die Regelungen der Nr. 202 ZDv A-2630/1 greifen zwar in sein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) ein, ohne dass § 4 Abs. 3 Satz 2 SG hierfür eine den Anforderungen des Vorbehaltes des Gesetzes genügende normative Grundlage enthält. Dennoch können die Regelungen für eine Übergangszeit ohne unzumutbare Belastungen für den Antragsteller weiterhin angewandt werden.a) Die Vorgaben für die Haartracht von Soldaten in Nr. 202 ZDv A-2630/1 greifen unmittelbar in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 43 m.w.N.). Sie beschränken zum einen sein Recht, über die Gestaltung seiner äußeren Erscheinung auch im Dienst eigenverantwortlich zu bestimmen (§ 6 SG). Zum anderen beschränken sie damit notwendig zugleich sein Recht, sein äußeres Erscheinungsbild einschließlich der Haartracht im Rahmen seiner privaten Lebensführung außerhalb des Dienstes zum Ausdruck seiner individuellen Identität zu machen. Die Regelung zwingt dazu, auch in der Freizeit einen Kurzhaarschnitt zu tragen, und wirkt damit in den Bereich der Privatsphäre hinein. Sie hat für die Betroffenen - wie hier für den Antragsteller - besondere Bedeutung, die lange Haare aus modisch-ästhetischen Gründen in ihrer Freizeit tragen wollen oder eine längere Haartracht als Ausdruck der privaten Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Lebenseinstellungen verbundenen Gruppierung oder kulturellen Szene verstehen.b) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Es kann daher aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes entspricht und inhaltlich hinreichend bestimmt ist, wenn der Eingriff auf Gründe des Gemeinwohls gestützt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 921/85 - BVerfGE 80, 137 <153> und vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145 <171 f.>; stRspr). Hieran fehlt es vorliegend, weil der Erlassgeber für den Eingriff in die Freiheit von Soldaten, das äußere Erscheinungsbild ihres Körpers nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, nicht in hinreichend bestimmter Weise durch den parlamentarischen Gesetzgeber ermächtigt wurde.aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <142> und Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24 <58>, jeweils m.w.N.). Die Tragweite dieses Grundsatzes wird durch die - in Kurzform so bezeichnete - Wesentlichkeitstheorie näher bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <226>). Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss; sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im Einzelnen gehen müssen. Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 - BVerfGE 139, 19 Rn. 54 m.w.N.). Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Schon aus der Ermächtigung muss daher erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 <47> Rn. 55 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 42).bb) § 4 Abs. 3 Satz 2 SG enthält keine diesen Anforderungen genügende Ermächtigung des Erlassgebers zur Regelung der Haartracht von Soldaten. Soweit der Senat zu § 4 Abs. 3 Satz 2 SG a.F. und zum früheren ""Haar- und Barterlass"" (Anlage 1 zu ZDv 10/5), etwas anderes vertreten hat (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 49), hält er hieran nicht fest.aaa) Bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG) vom 19. März 1956 (BGBl. I S. 114) hat der Bundespräsident die Befugnis, die Bestimmungen über die Uniform der Soldaten zu erlassen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 SG a.F.). Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 SG kann er die Ausübung dieser Befugnis auf andere Stellen übertragen. Der Bundespräsident hat von dieser Ermächtigung durch die Anordnung über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldaten vom 14. Juli 1978 (BGBl. I S. 1067, zuletzt geändert durch Anordnung vom 31. Mai 1996, BGBl. I S. 746) teilweise Gebrauch gemacht und im Übrigen durch Art. 2 Abs. 2 der Anordnung die Befugnis zur Bestimmung der Uniform des Soldaten dem Bundesminister der Verteidigung mit der Maßgabe übertragen, dass Änderungen oder Neueinführungen erst nach seiner zustimmenden Kenntnisnahme erfolgen. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium der Verteidigung in der Vergangenheit mehrfach durch Zentrale Dienstvorschriften auch über die Haar- und Barttracht der Soldaten Gebrauch gemacht. Seit dem 21. Dezember 2015 gilt die ZDv A-2630/1 ""Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr"". Durch Art. 3 Nr. 1 des ""Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften"" vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) ist § 4 Abs. 3 Satz 2 SG neu gefasst worden. Hiernach erlässt der Bundespräsident nunmehr die Bestimmungen über die Uniform der Soldaten und bestimmt die Kleidungsstücke, die mit der Uniform getragen werden dürfen. An der Befugnis zur Delegation auf andere Stellen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 SG hat sich nichts geändert.bbb) § 4 Abs. 3 Satz 2 SG enthält keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den genannten Grundrechtseingriff, weil er unter Berücksichtigung seines Wortlautes und der Gesetzgebungsmaterialien keinen hinreichenden Bezug zur Regelung der Haartracht von Soldatinnen und Soldaten aufweist und ihm auch keine Maßstäbe zu Art, Inhalt und Ausmaß von Eingriffen zu entnehmen sind, die das äußere Erscheinungsbild des Körpers von Soldatinnen und Soldaten auch in deren Privatsphäre notwendig mitbestimmen.(1) Die Reichweite der Regelungskompetenz des Erlassgebers ist in § 4 Abs. 3 Satz 2 SG in jeder Fassung der Norm allein durch den Begriff ""Uniform"" charakterisiert. Dem allgemein üblichen Sprachgebrauch folgend wird die Uniform als ""besonders beim Militär und bei der Polizei im Dienst getragene, in Material, Form und Farbe einheitlich gestaltete Kleidung"" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden, Band 9, 1999) definiert. Das Wort stammt aus dem Französischen (uniforme), besitzt eine lateinische Sprachwurzel (uniformis - einförmig) und hat sich seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland als Bezeichnung für Dienstkleidung eingebürgert (vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25. Aufl. 2011, S. 942). Hierbei geht es um eine ""nach einheitlichen Richtlinien hergestellte (Dienst)Kleidung, die, anders als die Livree, die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Institution (Militär, Polizei, Zoll, Eisenbahn, Feuerwehr, Post u.a.) äußerlich kennzeichnet"" (Brockhaus, Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006, Band 28).Diesem Sprachgebrauch entspricht auch der Gebrauch des Begriffes in der Rechtssprache. So ist ""Uniform"" im Sinne von § 3 VersammlG eine nach Form, Farbe, Schnitt oder Ausstattung gleichartige Bekleidung, die von der allgemein üblichen (zivilen) Kleidung abweicht (BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - 3 StR 427/17 - BayVBl 2018, 750, <751>). Auch der Begriff Uniform im Sinne von § 132 Abs. 1 Nr. 4 StGB bezeichnet die aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen eingeführte einheitliche Dienstkleidung (Krauß, in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2008, § 132a Rn. 50). In gleicher Weise verwenden Vorschriften über das Tragen der Uniform durch frühere Soldaten einen rein kleidungsbezogenen Uniformbegriff (vgl. § 3 ResG, Verordnung über die Berechtigung zum Tragen der Uniform außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses - Uniformverordnung - vom 20. April 2008, BGBl. I S. 778).Für ein enges Verständnis des Uniformbegriffes spricht zudem, dass die Erlasskompetenz durch § 4 Abs. 3 Satz 2 SG grundsätzlich dem Bundespräsidenten eingeräumt worden ist, dem traditionell die ""Symbolsetzungsgewalt"" zugestanden wird (Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 27). Zu den Symbolen der Staatsgewalt mag das einheitliche, von Zivilkleidung deutlich unterscheidbare Dienstkleid des Soldaten gehören, nicht aber sein Haar.Indem § 4 Abs. 3 Satz 2 SG in der Fassung von Art. 3 Nr. 1 des ""Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften"" vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) von Kleidungsstücken spricht, die nicht Uniformteile sind, aber mit der Uniform getragen werden, geht er ebenfalls von einem Wortverständnis aus, nach dem eine Uniform aus Kleidungsstücken besteht. Auch die Begründung der Neufassung (BT-Drs. 18/11180 S. 11 f.) befasst sich allein mit Gefährdungen der Funktion einer Uniform durch Verwendung nicht zur Uniform gehörender Kleidungsstücke, die eine vertrauensvolle Kommunikation des Uniformträgers mit Bürgern, Vorgesetzten und Kameraden im Wege stehen und damit die Achtung und das Vertrauen beeinträchtigen können, die die dienstliche Stellung eines Soldaten erfordert. Damit wird der Zweck der Neufassung in Bezug auf Kleidungsbestandteile in einer Weise erläutert, die keinen Anlass gibt, den Begriff der Uniform anders als dem Sprachgebrauch folgend als einheitliche Zusammenstellung von Kleidungsstücken zu verstehen. Dies spricht für eine Beschränkung der Regelungskompetenz des Erlassgebers auf Kleidungsfragen.Der Bundespräsident und die von ihm ermächtigten Stellen können im Rahmen dieser Kompetenz, das Aussehen und die Zusammensetzung der militärischen Dienstkleidung im Einzelnen bestimmen. Neben der Festlegung, welche Soldaten im Dienst oder bei bestimmten Anlässen Uniform zu tragen haben, umfasst die Regelungskompetenz des § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG auch das Recht, eine einheitliche Tragweise anzuordnen. Dies umfasst - wie die Neufassung klarstellt - die Befugnis festzulegen, welche privaten Kleidungsstücke mit der Dienstuniform getragen werden dürfen (BT-Drs. 18/11180 S. 11 f.). Eine ""Uniform"" i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 2 SG besteht dabei aus einer Gesamtheit von einheitlichen Kleidungsstücken von Soldatinnen und Soldaten, deren Tragung die völkerrechtlich gebotene Kennzeichnung als Kombattant und die sichtbare Einbindung in die militärische Gemeinschaft durch ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild der Trägerinnen und Träger gewährleistet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 60). Das Haar des Uniformträgers ist jedoch nicht Bestandteil seiner Uniform und damit kein ausdrücklich genannter Regelungsgegenstand des § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG.(2) Soweit bislang angenommen worden ist, die Befugnis, einen uniformverträglichen Haar- und Barterlass anzuordnen, sei in § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG gleichsam stillschweigend kraft Sachzusammenhangs mitgegeben, überzeugt dies nicht. Zwar ist es unbestreitbar, dass die militärische Uniform auch dem einheitlichen Auftreten der Truppe im In- und Ausland dient und dass stark unterschiedliche Haarlängen, Haarfarben, Barttrachten etc. das damit bezweckte geschlossene Erscheinungsbild einer Einheit massiv beinträchtigen können. Deshalb gibt es in fast allen Armeen der westlichen Welt Bestimmungen über den zulässigen Haar- und Bartschnitt. Da das erfolgreiche Auftreten der Bundeswehr im In- und Ausland auch von ihrem Aussehen abhängt und ein einheitliches Aussehen als sichtbares Zeichen der Einbindung in die militärische Gemeinschaft auch der inneren Geschlossenheit der Truppe dient, kommt den Regelungen über ein einheitliches Erscheinungsbild eine zwar nur dienende, aber nach wie vor unerlässliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte zu (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 2 WRB 2.12. u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 60).Daraus folgt jedoch nicht, dass die Befugnis zur Regelung der Dienstbekleidung in § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG zugleich auch die Ermächtigung zum Erlass aller für ein einheitliches Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr für notwendig angesehenen Regelungen in Bezug auf Haar- und Barttracht, Fingernägel, Kosmetik, Schmuck, Tätowierungen, Piercings oder andere Körpermodifikationen umfasst (vgl. Nr. 201-604 ZDv A-2630/1). Denn eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage kann nur insoweit zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen dienen, als sie in ihr nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt angelegt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 - BVerfGE 139, 19 Rn. 55 und BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 34). Daran fehlt es.Weder dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG noch den Gesetzgebungsmaterialien zu den verschiedenen Fassungen der Norm ist mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass der Erlassgeber im Sachzusammenhang mit bzw. als Annex zu Regelungen der Dienstuniform auch zu solchen Eingriffen ermächtigt werden soll, die - wie Vorgaben zur Haar- und Barttracht von Soldaten - nicht nur den dienstlichen, vielmehr notwendig auch den privaten Lebensbereich von Soldaten betreffen. Anhaltspunkte dafür sind der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) vom 23. September 1955 (BT-Drs. 2/1700 S. 18) nicht zu entnehmen. Die Neufassung des § 4 Abs. 3 Satz 2 SG durch das ""Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften"" vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) ermöglicht zwar eine Sachzusammenhangsregelung zur Sicherung der Funktion der Uniform, beschränkt dies aber auf Kleidungsstücke. Dies soll dem Erlassgeber Trageverbote bezüglich von privaten Kleidungsstücken und damit eine Ausgestaltung der Dienstpflicht, die Uniform zu tragen, ermöglichen (BT-Drs. 18/11180 S. 11 f.). Damit ist gerade nichts darüber ausgesagt, dass auch andere Regelungsbereiche von der Ermächtigung erfasst sind, die - wie Vorgaben zu seinen nicht ohne Weiteres kurzfristig veränderbaren Körperbestandteilen - intensiver in die grundrechtlich geschützte Sphäre eines Soldaten - insbesondere seine außerdienstliche Lebensgestaltung - eingreifen als Vorgaben für seine Kleidung.Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber im Rahmen dieser Novelle durch § 17 Abs. 2 Satz 2 SG über ein Verbot der Gesichtsverhüllung innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen, aber außerhalb der Dienstzeit selbst entschieden hat. Er hat damit ein Bekleidungsverbot in dem Grenzbereich zwischen Dienst und privater Lebensgestaltung als so wesentlich angesehen, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber daneben den Erlassgeber zu Eingriffen ermächtigen wollte, die zum einen als Regelung über Körpergestaltung intensiver in die Lebensführung eingreifen als Bekleidungsvorschriften und zum anderen auch räumlich über den noch dem Dienstherrn zugewiesenen Bereich der Kaserne hinaus in den allein der Privatsphäre des Soldaten zugewiesenen Bereich notwendig hineinwirken.(3) Hiernach reicht die Vorprägung des Regelungsgegenstandes der Ermächtigungsnorm durch seit langem bestehende Regelungen über das äußere Erscheinungsbild von Soldaten (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 49) nicht mehr aus, um den Anforderungen aus dem Gesetzesvorbehalt und dem Wesentlichkeitsprinzip zu genügen. Die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage kann sich unter einem aktualisierten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders darstellen als noch vor einigen Jahren oder gar Jahrzehnten (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 57). Vorliegend gibt nicht nur die Fortentwicklung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Gesetzesvorbehalt Anlass zu einer Überprüfung der Auffassung, mit der Kompetenz zur Regelung der Uniform sei auch die Kompetenz zur Regelung der Haar- und Barttracht von Soldaten verbunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - Buchholz 232.01 § 33 BeamtStG Nr. 2 S. 11). Die Neufassung der Grundlage für das Tätigwerden des Erlassgebers in vorliegendem Fall verändert auch die für ihre Auslegung maßgeblichen Aspekte und schließt es aus, allein wegen der Vorprägung der Norm durch die langjährige Praxis des Erlassgebers diesem noch ohne ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers eine das gesamte Erscheinungsbild des Soldaten betreffende Regelungskompetenz zuzubilligen.Vor diesem Hintergrund ist die gesellschaftspolitische Frage, ob die Regelungen zur Haar- und Barttracht männlicher Soldaten in ihrer traditionellen Prägung noch einem in den Streitkräften verbreiteten und durch gesellschaftliche und verfassungsrechtliche Entwicklungen nicht überholten Modell entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 61) und deswegen zur Gewährleistung eines einheitlichen äußeren Erscheinungsbildes der Streitkräfte von Soldaten gefordert werden können, auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 53). Damit sind die wesentlichen Grundentscheidungen für dieses Regelungsmodell dem parlamentarischen Gesetzgeber zugewiesen. Diesem kommt nicht nur die grundsätzliche Entscheidung darüber zu, wieviel Individualität des einzelnen Soldaten neben der für die Streitkräfte charakteristischen Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes zum Ausdruck kommen darf. Im pluralistisch besetzten Parlament ist auch die öffentliche Debatte darüber zu führen, ob die unterschiedliche Behandlung von Soldatinnen und Soldaten bei der Haartracht durch das Ziel, Benachteiligungen von Frauen abzubauen, gerechtfertigt ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 21. September 2017 - 6 A 916/16 - ZBR 2018, 53 <56 f.> zur Forderung nach unterschiedlichen Mindestkörpergrößen für Polizistinnen und Polizisten durch Erlass).b) Das Fehlen einer ausreichenden normativen Grundlage ist aber für eine Übergangszeit hinzunehmen. Zwar führt der Mangel einer erforderlichen gesetzlichen Grundlage in der Regel zur Unbeachtlichkeit darauf gestützter Verwaltungsvorschriften. Die Abweichung von der Unanwendbarkeitsfolge kommt vor allem in Betracht, wenn die Rechtsprechung - wie hier - in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit eines Handelns durch Verwaltungserlass ausgegangen ist und wenn durch die mangelnde Beachtung einer Verwaltungsvorschrift in einer Übergangszeit ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2019 - 2 BvL 1/09 - juris Rn. 81 zu Steuergesetzen und BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 S. 111 zu Beihilfevorschriften). Hier müssen für die Dauer des parlamentarischen Verfahrens gravierende Beeinträchtigungen der Funktion der Uniform, die durch einen ungeregelten Zustand entstehen können, ausgeschlossen werden. Einem einheitlichen Erscheinungsbild als sichtbares Zeichen der Einbindung in die militärische Gemeinschaft kommt - wie ausgeführt - eine unerlässliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte zu (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 60). Eine andere Beurteilung ist erst dann angezeigt, wenn der Gesetzgeber in einem überschaubaren Zeitraum nicht tätig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 S. 111). Derzeit ist davon auszugehen, dass noch in der laufenden Legislaturperiode eine Ergänzung der Ermächtigungsgrundlage möglich ist.c) Für diese Übergangszeit ist auch dem Antragsteller die Anwendung der Vorgaben zu seiner Haartracht in Nr. 202 ZDv A-2630/1 zumutbar, weil die von ihm beanstandete Regelung ihrem Inhalt nach verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt und bislang in gefestigter Rechtsprechung stets vom Ausreichen der Ermächtigungsgrundlage des Erlassgebers ausgegangen worden ist.aa) Die mit der angegriffenen Regelung verbundenen Eingriffe in seine Grundrechte dienen legitimen Erfordernissen des militärischen Dienstes und genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 52 ff.). Das Vorbringen des Antragstellers wirft keine durchgreifenden Zweifel daran auf, dass Nr. 202 ZDv A-2630/1 durch das Regelungsziel eines - für deren Selbstverständnis und die öffentliche Wahrnehmung bestimmenden - einheitlichen äußeren Erscheinungsbildes und Auftretens der deutschen Streitkräfte im In- und Ausland bei der Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages gerechtfertigt ist. Entgegen der Einschätzung des Antragstellers unterscheiden sich die Streitkräfte von anderen staatlichen Hoheitsträgern dadurch, dass sie typischerweise nach außen im geschlossenen Verband handeln und in hohem Maße durch nach außen einheitliches Auftreten und einen nach innen engen Zusammenhalt ihrer Angehörigen geprägt sind (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 59). Die hiermit verbundenen Unterschiede in der Funktion der jeweiligen Uniformen schließen es aus, die Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit einer ""Hemdkragengrenze"" für uniformierte Polizeibeamte (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 <91>) auf Soldaten zu übertragen.bb) Die angegriffenen Bestimmungen verletzen zudem den Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 Satz 1 SGleiG) nicht. Die von den Vorgaben für Soldaten abweichende Regelung über die Haartracht von Soldatinnen ist eine zulässige Maßnahme zur Förderung von Frauen in der Bundeswehr (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVerwGE 149, 1 Rn. 66 ff.). Nach dem Zweck der Regelung ist eine Gleichbehandlung des Antragstellers nicht geboten. Eine Diskriminierung im Sinne einer unzulässigen Ungleichbehandlung liegt darin nicht.Nach den vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten statistischen Angaben zum Frauenanteil in den Streitkräften ist dieser seit Dezember 2012 von damals absolut 9,65 % auf aktuell 12,10 % erhöht worden. Frauen sind trotzdem im Sinne von § 4 Abs. 2 und 5 SGleiG immer noch unterrepräsentiert. Auch unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung ist mithin die Einschätzung des Dienstherrn, die Regelung über die Haartracht von Soldatinnen könne einen Beitrag zum Ziel der Förderung von Frauen in der Bundeswehr nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und § 1 Abs. 1 Satz 2 SGleiG leisten, nicht widerlegt. Ob es für die Erhöhung des Frauenanteils in den Streitkräften - wie der Antragsteller anführt - auch andere Gründe - etwa eine allgemein schwierige Arbeitsmarktsituation - gibt, ist unerheblich. Die Mitursächlichkeit weiterer Faktoren zeigt keine Überschreitung des Einschätzungsspielraumes des Dienstherrn auf." bverwg_2019-11,07.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 11/2019 vom 07.02.2019 EN Bundesverwaltungsgericht bestätigt hessische Abschiebungsanordnung gegen einen türkischen Gefährder Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Klage eines islamistischen Gefährders gegen eine Abschiebungsanordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport abgewiesen. Der Kläger, ein im Jahr 1997 im Bundesgebiet geborener türkischer Staatsangehöriger, wurde im Dezember 2017 bei dem Versuch, auf dem Luftweg in die Türkei auszureisen, am Flughafen festgenommen. Von dem strafrechtlichen Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat wurde er in erster Instanz freigesprochen; über die hiergegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft ist bislang nicht entschieden worden. Im November 2018 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport die Abschiebung des Klägers gemäß § 58a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) an. Das bei Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG in erster und letzter Instanz zuständige Bundesverwaltungsgericht hat die Anordnung im Klageverfahren als rechtmäßig bestätigt. Nach § 58a AufenthG kann ein Ausländer zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorherige Ausweisung abgeschoben werden. Für die hierfür erforderliche, auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose bedarf es einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann. Diese Voraussetzungen sieht der Senat im Fall des Klägers auf der Grundlage einer Gesamtschau vielfältiger Anhaltspunkte und Indizien als erfüllt an. Der Kläger gehörte seit längerem der radikal-salafistischen Szene in Deutschland an. Er beteiligte sich an der unter der Bezeichnung „LIES!"" organisierten Koran-Verteilaktion und unterhielt umfangreiche Kontakte zu anderen Salafisten. Bei ihm wurden zahlreiche Mediendateien aufgefunden, in denen u.a. die Pflicht, in den Jihad zu ziehen, unterstrichen und jihadistische Märtyrer glorifiziert werden. Zur Überzeugung des Senats wollte der Kläger im Dezember 2017 über die Türkei nach Syrien reisen, um dort in den (militärischen) Jihad zu ziehen. Abschiebungsverbote stehen einer Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Insbesondere drohen diesem in der Türkei weder Folter noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Art. 3 EMRK). Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er dort wegen der in Deutschland gegen ihn auch im Rahmen des Strafverfahrens erhobenen Vorwürfe inhaftiert wird. BVerwG 1 A 3.18 - Urteil vom 06. Februar 2019","Urteil vom 06.02.2019 - BVerwG 1 A 3.18ECLI:DE:BVerwG:2019:060219U1A3.18.0 EN Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder Leitsatz: Eine terroristische Gefahr im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG setzt eine unmittelbare räumliche Beziehung zwischen den terroristischen Aktivitäten und der Bundesrepublik Deutschland nicht voraus. Rechtsquellen ARB 1/80 Art. 7, 13 und 14 AsylG § 4 Abs. 1 AufenthG § 11 Abs. 1, 2 und 5, § 58a Abs. 1 Satz 1 und 2 Halbs. 1 und 2, Abs. 3 Satz 3, § 60 Abs. 1, 2 und 5 BGB §§ 133, 157 EMRK Art. 3 und 8 Abs. 1 GG Art. 6 Abs. 1 HVwVfG § 28 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 3 Richtlinie (EU) 2017/541 Art. 3, 9 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3 VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 3 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 06.02.2019 - 1 A 3.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:060219U1A3.18.0] Urteil BVerwG 1 A 3.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in der Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 (Ziffer I) wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein 21 Jahre alter türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei. 2 Er ist als zweitjüngstes von fünf Kindern seiner Eltern im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen. Seine Eltern und seine beiden Schwestern leben im Bundesgebiet, seine beiden älteren Brüder waren zuletzt in der Türkei aufhältig, in der auch weitere Verwandte leben. Er besuchte nach der Grundschule zunächst die Hauptschule. Zur siebten Klasse wechselte er auf eine Förderschule. Nach deren Abschluss und der Absolvierung eines Berufsvorbereitungsjahres erwarb er den qualifizierten Hauptschulabschluss. Den Besuch einer Berufsfachschule beendete er vorzeitig. Hiernach war er in der Zeit von März 2016 bis Ende 2016 als Aushilfe und in der Zeit von März 2017 bis Dezember 2017 als Kurierfahrer und Lagerarbeiter tätig. Im November 2013 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt. 3 Der Kläger wurde am 18. Dezember 2017 am Flughafen bei der Ausreise festgenommen. Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 4. Juni 2018 sprach ihn das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - im Zusammenhang mit der von ihm beabsichtigten Ausreise vom Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 2a StGB frei. Über die seitens der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden worden. 4 Mit einer ohne Briefkopf ausgefertigten Verfügung vom 24. Oktober 2018 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Noch am gleichen Tag wurde dieser festgenommen und gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung Haft angeordnet. Am 2. November 2018 stellte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten eine mit Briefkopf ausgefertigte inhaltsgleiche Verfügung vom gleichen Tag zu. Darin ordnete es erneut die Abschiebung des Klägers in die Türkei an (Ziffer I). Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG, die seiner Abschiebung in die Türkei entgegenstehen könnten, nicht vorlägen (Ziffer II) und dass das mit seiner Abschiebung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 5 AufenthG unbefristet gilt und keine Ausnahme hiervon zugelassen wird (Ziffer III). Zur Begründung der von dem Kläger ausgehenden besonderen Gefahrenlage führte es aus, dieser identifiziere sich mit dem jihadistischen Islamismus, pflege enge Kontakte zu wenigstens gleichgesinnten Personen, sei bereit, nach Syrien oder in den Nordirak auszureisen, um sich an der Waffe ausbilden zu lassen und dort in einem vermeintlich religiösen Krieg zu kämpfen, und heiße den Märtyrertod gut. Er habe umfangreiches Ton- und Videomaterial besessen, das als Propagandamaterial jihadistischer (Terror-)Organisationen bewertet worden sei, und nicht nur ein reges Interesse, sondern eine Begeisterung für und den Willen zur Teilnahme an dem Jihad entwickelt. Er habe beabsichtigt, zum Zwecke der Teilnahme an einem solchen Kampf nach Syrien oder in den Nordirak auszureisen. Der Freispruch von dem Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat widerstreite der Annahme eines entsprechenden beachtlichen Risikos nicht, da sich die gefahrenabwehrrechtlichen Prüfungsmaßstäbe von denen des Strafrechts unterschieden. Die persönliche und charakterliche Entwicklung des Klägers sei von einer zunehmenden Radikalisierung geprägt. So sei er Mitglied des Vereins ""Die wahre Religion"" gewesen und habe sich im Jahr 2016 wiederholt an der Koranverteilaktion ""LIES!"" beteiligt. Die Mitgliedschaft in dem Verein ""Ansaar International e.V."" habe er angestrebt. Er habe religiöse Vorträge unter anderem des salafistischen Predigers Pierre Vogel besucht und die Aufmerksamkeit von Bernhard Falk, einer bundesweit bekannten Größe in der salafistischen und islamistischen Szene, auf sich gezogen. Intensiven Kontakt habe er mit einem Koranlehrer gepflegt, der ihn als ""geistiger Führer"" mit seinem zumindest fundamentalistischen Islamverständnis und salafistischer Religiosität beeinflusst habe. Über seinen Facebook-Account habe er im Internet ein Zitat eines D. D. kundgetan, dass, wer den Propheten beleidige, getötet werden müsse. Er habe zeitweise einen Salafistenbart getragen und wiederholt den Tauhid-Finger gezeigt. Das Ausmaß seiner Radikalisierung lasse es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, dass er seiner Überzeugung Taten folgen lassen und im Einklang mit dieser Überzeugung zu jihadistischen, mithin terroristischen Maßnahmen auch im Bundesgebiet greifen werde. Seine Unterweisung in einem Ausbildungslager etwa im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengvorrichtungen lasse für den Fall einer Rückkehr eine massive Bedrohungslage für die innere Sicherheit besorgen. 5 Am 30. November 2018 hat der Kläger bei dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die in der Verfügung vom 2. November 2018 zur Begründung der Abschiebungsanordnung angeführten Tatsachen rechtfertigten nicht die Prognose, von seiner Person gehe eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr aus. Sämtliche Erkenntnisse datierten aus dem Zeitraum 2016 und 2017. Die Aktion ""LIES!"" habe er nur einmalig beziehungsweise für die Dauer von zwei Monaten beziehungsweise fünf bis sechs Mal unterstützt. An der Aktion ""We love Mohammed"" habe er sich niemals beteiligt. Über Gespräche und Kontakte mit den in der Abschiebungsanordnung bezeichneten Personen sei er in die salafistische Szene hineingeraten. Zu der Person des Bernhard Falk habe es nur einen einmaligen Kontakt gegeben, der zudem nicht von ihm ausgegangen sei und in dessen Rahmen er diesen um die Benennung eines geeigneten Rechtsanwalts gebeten habe. In diese Zeit sei auch die Äußerung ""Wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden"" einzuordnen. Diese stamme nicht von ihm, sondern sei der Titel eines Vortrages. Er habe bekundet, dass die betreffende Aussage falsch sei. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es sich bei dem Tauhid-Finger um ein Symbol für den islamischen Monotheismus handle. Von radikalen salafistischen Kräften habe er sich abgegrenzt; von dem Terrorismus distanziere er sich; die Terrororganisation IS lehne er ab. Ein Foto, welches ihn gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern mit einer Langwaffe seines Großvaters zeige, sei ein Familienfoto. Nur ein Teil der abgehörten Telefonate sei in das Verfahren eingeführt worden. Kommunikationen, die er vor der Polizei habe verheimlichen wollen, habe er ohnehin über andere Dienste geführt. Die Befürchtung seiner Eltern, er habe im Dezember 2017 beabsichtigt, nach Syrien zu reisen, sei unbegründet gewesen. Mit der Behauptung, er werde ""zum Jihad gehen"", habe er lediglich seine Mutter provozieren wollen. Er sei noch nie in Syrien gewesen. Der in Telefonaten verwendete Begriff ""Honig"" habe als Umschreibung seines seinerzeit regelmäßigen Besuchs bei Prostituierten beziehungsweise dazu gedient, die Polizei zu verwirren. Der Umstand, dass er mit einem One-Way-Ticket in die Türkei habe fliegen wollen, rechtfertige nicht die Annahme, er habe sich seinerzeit nach Syrien begeben wollen. Auch bei einem Türkei-Aufenthalt im Jahr 2016 habe er sein Rückflugticket in der Türkei erworben. Sein Ankunftsort N. liege mehr als 550 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Mit dem bei dem Ausreiseversuch im Dezember 2017 mitgeführten Bargeld habe er seinen Unterhalt bestreiten, Geschenke für seine Familienmitglieder kaufen, Unterkünfte bezahlen, das Rückflugticket erwerben und sich gegebenenfalls von der Einziehung zum Militärdienst freikaufen wollen. Seiner Einordnung als radikaler Salafist widerstreite auch, dass er einen Hund halte, der ihm äußerst wichtig sei. Er sei im Bundesgebiet in das Leben seiner Familie integriert. Seine Eltern beabsichtigten nicht, ihr Hausgrundstück zu verkaufen, um in die Türkei zurückzukehren. Er habe sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft in Kooperation mit der Arbeitsverwaltung um eine Weiterbildung zum LKW-Fahrer bemüht. Zudem gebe er Sportunterricht für Jugendliche. In der Abschiebungshaft führe er sich vorbildlich. Aufgrund seines beanstandungsfreien Verhaltens seien ihm Vergünstigungen zugestanden worden. Die Türkei kenne er allein aus Urlaubsreisen und Besuchsaufenthalten bei seinen Verwandten. 6 Der Kläger beantragt, die Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 aufzuheben. 7 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Er verteidigt die angegriffene Verfügung. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht an dem Verfahren. 10 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beteiligten eine Liste mit Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Januar 2019) zur Kenntnis gebracht. 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses und des Verfahrens BVerwG 1 VR 12.18 , den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Ausländerakte, die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft (im Folgenden: Ermittlungsakte) und die Gefangenenpersonalakte. II 12 Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 13 1. Alleiniger Gegenstand des von dem Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Rechtsstreits ist die in Ziffer I der Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 erlassene Abschiebungsanordnung. Mit dieser hat die Erlassbehörde zugleich konkludent ihre Verfügung vom 24. Oktober 2018 mit Wirkung ex nunc aufgehoben. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes in entsprechender Anwendung der §§ 133 und 157 BGB zu ermitteln (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 27 m.w.N.). Danach stellte sich die Ordnungsverfügung vom 2. November 2018 aus der Perspektive ihres Adressaten nicht als bloße Wiederholung eines bereits erlassenen Verwaltungsakts ohne erneute Sachentscheidung, sondern ob des neu gewählten Erlassdatums als eigenständiger neuer Verwaltungsakt dar, der die zuvor ohne Briefkopf erlassene Verfügung vom 24. Oktober 2018 mit Wirkung für die Zukunft ersetzen sollte. Hierfür streitet entscheidend, dass der Erlass der zweiten Verfügung dazu bestimmt war, das Risiko einer etwaigen Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) in der Fassung vom 15. Januar 2010 (GVBl. I S. 18), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. September 2018 (GVBl. I S. 570), auszuschließen und zugleich zu vermeiden, der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Oktober 2018 nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1147), angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung des Klägers nachträglich die Grundlage zu entziehen. 14 Der in Ziffer II der Ordnungsverfügung vom 2. November 2018 getroffenen Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG, die der Abschiebung des Klägers in die Türkei entgegenstehen könnten, nicht vorlägen, kommt keine eigenständige Regelungswirkung bei. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung ist Teil der gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung. 15 Die sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ergebende erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts über Streitigkeiten gegen Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG und deren Vollziehung erstreckt sich nicht auf das von dem Beklagten zusammen mit der Abschiebungsanordnung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. insoweit den Trennungs- und Verweisungsbeschluss des Senats vom 6. Februar 2019 - 1 A 1.19 <1 A 3.18 > -). 16 2. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer weder abgeschoben wurde noch freiwillig ausgereist ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO in erster und letzter Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14). 17 Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. 18 2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). 19 Art.  13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 - steht der Anwendbarkeit von § 58a AufenthG unabhängig davon, ob der Kläger sich (noch) auf den Schutz dieser Regelung berufen kann, nicht entgegen. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit dieser Norm auf den Kläger und der Annahme, dass es sich bei § 58a AufenthG um eine ""neue Beschränkung"" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 handelt, wäre eine daraus resultierende Verschlechterung der rechtlichen Situation des Klägers jedenfalls gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Schaffung einer ""neuen Beschränkung"" nämlich dann nicht verboten, wenn diese zu den in Art. 14 ARB 1/80 aufgeführten Beschränkungen gehört oder ""durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet [ist], die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und [...] nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus[geht]"" (EuGH, Urteil vom 29. März 2017 - C-652/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​239] - Rn. 33). Dies ist vorliegend der Fall. § 58a AufenthG dient dem Schutz höchster Schutzgüter, ist geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, und geht nicht über das notwendige Maß hinaus. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 58a AufenthG mit der Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385), da eine Aufenthaltsbeendigung nach § 58a AufenthG durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 A 16.17 - juris Rn. 18 m.w.N.). 20 2.2 Die Abschiebungsanordnung vom 2. November 2018 ist formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung nicht angehört worden ist. 21 a) Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anhörung des Klägers nach nationalem Verfahrensrecht entbehrlich war, da eine solche jedenfalls nachgeholt worden ist. 22 § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, sodass § 28 HVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 HVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). 23 Einer abschließenden Würdigung des Umstandes, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Ergehens der hier angegriffenen Verfügung vom 2. November 2018 bereits auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft befand, im Lichte des § 28 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG bedarf es hier nicht, da ein nach dieser Norm nicht gerechtfertigtes Unterbleiben einer Anhörung des Klägers zwischenzeitlich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG geheilt worden wäre. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 HVwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Eine entsprechende Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene Gelegenheit hat, seine Einwendungen vorzubringen, und die Behörde diese nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Von Letzterem ist auszugehen, wenn sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 C 5.14 - BVerwGE 153, 367 Rn. 17 m.w.N.). Gemessen daran ist eine funktionsgerechte Anhörung hier nachgeholt und ein etwaiger Anhörungsmangel dadurch geheilt worden. Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2019 Gelegenheit gegeben, zu den für die Entscheidung über die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erheblichen Tatsachen und rechtlichen Wertungen Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit hat der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht wahrgenommen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, auch in Ansehung des bisherigen Vortrages des Klägers und nach neuerlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage an der Abschiebungsanordnung und den diese stützenden Gründen festzuhalten. 24 b) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, genügt die Nachholung der Anhörung auch den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben. 25 Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2336], Mukarubega - Rn. 40 bis 45). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 45). 26 Sind - wie im Ausgangsverfahren - weder die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte von Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten ist, noch die Folgen der Missachtung dieser Rechte unionsrechtlich festgelegt, richten sich diese Bedingungen und Folgen nach nationalem Recht, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen denen entsprechen, die für den Einzelnen in vergleichbaren unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 51 ff.). 27 Gemessen daran wurde den Erfordernissen in Bezug auf die Äquivalenz und Effektivität durch die Ermöglichung der nachträglichen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG entsprochen. 28 2.3 Die Abschiebungsanordnung vom 2. November 2018 ist auch materiell nicht zu beanstanden. Sie ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr, die auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr zielt. Eine solche Gefahr geht von dem Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus. 29 a) Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21). 30 Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im ""politischen/ideologischen Kampf"" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23). 31 Der Begriff der ""terroristischen Gefahr"" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet, in den letzten Jahren zugenommen und sich seither rasch gewandelt haben. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3), dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 S. 6) gewonnen werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22). Die Bedrohungen sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt. Sie gefährden die Sicherheitsinteressen der Staatengemeinschaft. Die Nationalstaaten sind aufgerufen, terroristischen Gruppen, die Möglichkeit zu verwehren, Wurzeln zu schlagen und sichere Zufluchtsorte zu schaffen (UN-Sicherheitsrat, Resolution 2178 <2014> vom 24. September 2014, S/RES/2178 <2014> S. 1). Eine akute und zunehmende Bedrohung geht von terroristischen Kämpfern, mithin von Personen aus, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat der Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen (UN-Sicherheitsrat, Resolution 2178 <2014> vom 24. September 2014, S/RES/2178 <2014> S. 2 und 5). Die Rückkehr terroristischer Kämpfer in Staaten ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit erhöht die Sicherheitsbedrohung weiter (Erwägungsgrund 4 Satz 3 der Richtlinie 2017/541). Die vorstehenden Ausführungen lassen deutlich werden, dass die Annahme einer terroristischen Gefahr eine unmittelbare räumliche Beziehung zwischen den terroristischen Aktivitäten und der Bundesrepublik Deutschland nicht voraussetzt (so auch Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 58a AufenthG Rn. 23; a.A. Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier , Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Januar 2019, § 58a AufenthG Rn. 19). Terroristische Bedrohungen gefährden die Sicherheitsinteressen der Staatengemeinschaft und nicht allein desjenigen Staates, in dessen Gebiet sie nach dem Willen der terroristischen Kämpfer Platz greifen sollen. 32 Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 24). 33 Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25). 34 Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 26). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Jihad als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). Gefahrerhöhende Umstände können sich auch aus einem freiwilligen Aufenthalt im Ausland im unmittelbaren Umfeld jihadistischer oder sonstiger terroristischer oder extremistischer Vereinigungen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - juris Rn. 21). Eine hinreichend konkretisierte terroristische Gefahr kann überdies anzunehmen sein, wenn sich eine solche Person mit dem Ziel, am militärischen Jihad teilzunehmen und/oder sich in Fertigkeiten unterweisen zu lassen, die der Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten dienen, ins Ausland zu begeben sucht. 35 Für eine entsprechende ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen beziehungsweise Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27). 36 Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Als ein derartiger Umstand ist die vollendete oder versuchte Ausreise einer salafistisch radikalisierten Person anzusehen, die mit dem Ziel erfolgt, an dem militärischen oder terroristischen ""Kampf zur Verteidigung des Islams"" teilzunehmen und/oder sich für terroristische Zwecke ausbilden zu lassen, um sodann als ""Märtyrer"" ins Paradies einzuziehen. Ist eine solche Reise für diese oder andere terroristische Zwecke bestimmt, so ist es für die Annahme jedenfalls einer terroristischen Gefahr grundsätzlich unerheblich, dass diese Person noch keine konkreten Vorstellungen von dem Ort der Begehung terroristischer Straftaten entwickelt hat. 37 In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen. Dies gilt auch, wenn dieser Kampf zunächst im Ausland erfolgen soll. 38 Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29). 39 b) In Anwendung dieser Grundsätze ist aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose davon auszugehen, dass von dem Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein beachtliches Risiko einer terroristischen Gefahr im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgeht, auch wenn den Sicherheitsbehörden noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es besteht ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass der Kläger, im Falle seiner Entlassung aus dem öffentlichen Gewahrsam neuerlich versuchen wird, seine religiös motivierten Ziele durch gewaltsame oder terroristische Handlungen im syrischen Konfliktgebiet durchzusetzen. 40 Der Kläger ist der radikal-salafistischen Szene in Deutschland zuzurechnen (aa). Zum Ende des Jahres 2017 kulminierte die von ihm infolge seiner zunehmend radikal-salafistischen Grundhaltung ausgehende Bedrohungssituation in dem Versuch, sich im Ausland einer Terrormiliz anzuschließen und sich in der Herstellung von oder im Umgang mit inkriminierten Gegenständen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten dienen, unterweisen zu lassen (bb). Die insoweit hinreichend konkretisierte terroristische Gefahr wird auch nicht durch sonstige Umstände relativiert (cc). 41 aa) Die Zugehörigkeit des Klägers zu dem radikal-salafistischen Milieu im Bundesgebiet belegen insbesondere seine nach außen bekundete Einstellung (1), seine Teilnahme an Aktionen und Veranstaltungen (2), die von ihm gepflegten Kontakte (3) sowie die bei ihm aufgefundenen Gegenstände und Dokumente (4). 42 (1) Der Kläger hat in den zurückliegenden Jahren eine radikal-salafistische Einstellung angenommen. 43 Er bekennt sich offen zur Scharia (Bl. 1343 der Ermittlungsakte) und bekundet, als Muslim glaube er ""an Gottes Gesetz und nicht"" an ""von Menschen gemachte Gesetze"" (Bl. 116 der Ermittlungsakte). Über sein Facebook-Profil appellierte er an andere, sich nicht ""von Menschen gemachten Gesetzen"" zu beugen (Blatt 18 der Ermittlungsakte). Desgleichen gab er im Einklang mit dem salafistischen Islamverständnis zu verstehen, dass er als Muslim nichts von Demokraten halte (Bl. 418, 450 und 534 der Ermittlungsakte). 44 Seiner salafistischen Prägung hat er in diversen Äußerungen Ausdruck verliehen. Gegenüber seinem Freund P. W. bekundete er, ""Hidschra machen"" und ""nie wieder komm[en]"" zu wollen (Bl. 255 der Ermittlungsakte). Aus der ""Hidschra"" (wörtlich übersetzt: Migration/Auswanderung) wurde von der Terrororganisation ""Islamischer Staat"" die Verpflichtung abgeleitet, als Jihadist speziell ins ""IS""-Kalifat zu reisen (https://de.wikipedia.org/wiki/Hidschra m.w.N.; https://de.qantara.de/inhalt/dschihadismus-wie-der-islamische-staat-den-sinn-der-hidschra-pervertiert). Seinen Eltern gegenüber zitierte er den ""heiligen Propheten"" mit den Worten, ""[d]er Urlaub meiner Glaubensgemeinschaft ist der Jihad"" (Bl. 248 der Ermittlungsakte). Seiner Mutter eröffnete er, bereit zu sein, in den Jihad zu ziehen (Bl. 584 und 587 der Ermittlungsakte). Aufgrund dieser Äußerungen ging sie davon aus, er wolle ""in das Paradies, indem er Märtyrer [werde]"" (Bl. 344 der Ermittlungsakte). Aussagen wie ""Wir lieben den Tod, so wie die das Leben"" (Bl. 421 und 537 der Ermittlungsakte) unterstreichen die Realitätsnähe dieses Befundes. Sie offenbaren, wie sehr sich der Kläger dem salafistischen Islamverständnis verschrieben hat, dem zufolge diesseitige Werte und profane Erfolge wertlos sind, da sie nicht zum Erreichen des Paradieses beizutragen vermöchten (vgl. insoweit auch die islamwissenschaftliche Stellungnahme des polizeilichen Staatsschutzes vom 29. September 2017, Bl. 453 der Ermittlungsakte). Seinem Freund P. W. gegenüber rezitierte der Kläger den Koran-Vers ""Ich bin mit denen als Märtyrer, egal was kommt"" (Bl. 321, 323 und 715 der Ermittlungsakte). Die sich darin widerspiegelnde Bereitschaft, den Märtyrertod zu erleiden, klingt auch in der Äußerung an, er habe aufgrund von Träumen das Gefühl, dass er bald sterben werde, und hoffe, dass er entweder auf dem Weg zur Moschee, bei einem Gebet oder woanders sterben werde (Bl. 312 und 718 der Ermittlungsakte). Dass er innere Vorbehalte gegenüber dem Märtyrertod nicht kennt, belegt auch der wohl scherzhaft geäußerte Satz ""Machen wir Istis[hhad] in Frankfurt."" (Istishhad = Märtyrertod) (Bl. 341 der Ermittlungsakte). Unter anderem die Legitimation jihadistischer Gewalt ist Gegenstand der Sure 8 (""al-Anfal""/""die Beute"") des Korans, die der Kläger auswendig zu lernen beabsichtigte (Bl. 418 und 450 der Ermittlungsakte). In einem Telefonat mit einem Bekannten singt er ""Bedirler uhudlar örnektir bana"", einen religiösen Sprechgesang, der unter anderem die Verse ""Ich soll für den Weg Gottes sterben, Mutter!"", ""Mein Blut soll fließen ..., Mutter."" und ""Es werden auf jeden Fall die Köpfe der Ungläubigen abgeschlagen."" beinhaltet (Bl. 447 f. der Ermittlungsakte). Eine islamwissenschaftliche Stellungnahme des polizeilichen Staatsschutzes weist dieses Lied als projihadistisch aus (Bl. 918 der Ermittlungsakte). Während die Märtyrer im Jenseits paradiesische Belohnungen erwarteten, seien den Ungläubigen die Köpfe abzuschlagen, bevor sie zur Hölle führen (Bl. 449 der Ermittlungsakte). 45 (2) Seine Nähe zum radikalen Salafismus dokumentierte der Kläger zudem durch die Teilnahme an verschiedenen Aktionen und Versammlungen. 46 In I. nahm er wiederholt an der maßgeblich von dem salafistischen Prediger Ibrahim Abou-Nagie unter der Bezeichnung ""LIES!"" organisierten Koran-Verteilaktion teil, die erst durch das in Bestandskraft erwachsene Verbot der salafistischen Vereinigung ""Die wahre Religion"" alias ""LIES!Stiftung""/""Stiftung LIES"" einschließlich ihrer Teilorganisationen durch das Bundesministerium des Innern mit Verfügung vom 25. Oktober 2016 beendet wurde (Bl. 22 der Ermittlungsakte). Dabei hat er auch Ibrahim Abou-Nagie ""erlebt"" (Bl. 423 der Ermittlungsakte). Die Richtigkeit der Darstellung, er habe nur vier beziehungsweise fünf bis sechs Mal, verteilt auf einen Zeitraum von zwei Monaten, bei dieser Aktion geholfen (S. 1 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018), unterliegt zumindest Zweifeln und ändert jedenfalls nichts an der Indizwirkung der zugestandenen Aktivitäten. Der Kläger wurde als vielfacher Teilnehmer an der Aktion identifiziert (Bl. 22 der Ermittlungsakte). Bei seiner Vernehmung am 28. Dezember 2016 wusste er nicht, wie häufig er teilgenommen hat (Bl. 123 der Ermittlungsakte); im Strafverfahren hat er dann eine achtmalige Mitwirkung angegeben (Bl. 1339 der Ermittlungsakte). Die auf die Frage, ob die Verteilung immer durch die gleichen Personen durchgeführt worden sei, getätigte weitere Äußerung, ""von einer Woche zur dritten/vierten Woche [sei] es mal gleich [gewesen] und dann [sei] jemand anderes dazu[gekommen]"" (Bl. 123 der Ermittlungsakte), deutet ebenfalls nicht darauf hin, dass sich das Engagement des Klägers auf vier Einsätze beschränkte. Der Kläger hatte Kenntnis davon, dass diverse Teilnehmer der LIES!-Aktion ""nach Syrien gegangen"" sind (Bl. 593 und 688 der Ermittlungsakte). 47 Des Weiteren besuchte er eigenen Angaben zufolge im Jahr 2016 in K. eine Veranstaltung des bundesweit bekannten salafistischen ""Predigers"" Pierre Vogel (Abu Hamza), der als eine der einflussreichsten Personen der Konvertitenszene gilt (Bl. 101 f., 112 der Ermittlungsakte). Seine Sympathie bekundete er auch für den ebenfalls zum Islam konvertierten salafistischen ""Prediger"" Sven Lau (Abu Adam), der wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Jahr 2017 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Zugleich äußerte er die Absicht, ""zu [diesem zu] gehen"" und ""dort einen Antrag [zu] stellen"" (Bl. 332 der Ermittlungsakte). 48 Dass der Kläger weitere Veranstaltungen besucht hat, legen die Worte seiner Mutter nahe, die in einem Gespräch mit seinem Vater am 6. Mai 2017 bekundete, ""[d]er"" - gemeint ist der Kläger - ""soll[e] nicht zu diesen Versammlungen [gehen]"" (Bl. 343 der Ermittlungsakte). 49 (3) Durch sein salafistisches Engagement zog der Kläger die Aufmerksamkeit des Konvertiten Bernhard Falk (= Bernhard Uzun, Muntasir bi-Ilah) auf sich, einer in der salafistischen und islamistischen Szene bundesweit bekannten Größe, die, so der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf im September 2014, ""Gefangenenhilfe"" für terrorverdächtige Islamisten betreibt (https://www.ruhrbarone.de/wo-terrorverdachtige-islamisten-hilfe-finden/89997#more-89997, Bl. 212 der Ermittlungsakte). Einer gelöschten Konversation in Facebook ist zu entnehmen, dass der Kläger dem Falk auf dessen ""Möge ALLAH dich beschützen"" mit einem ""Möge Allah dich im Jannah Firdaus eintreten lassen!"" den Zugang zu dem höchsten und besten Platz im Paradies wünschte (Bl. 143 der Ermittlungsakte). Dass es sich hierbei um eine möglicherweise nur kurzzeitige Kommunikation gehandelt haben mag, ändert nichts an dem Befund, dass dem Kläger aufgrund seines Engagements für die salafistische Sache in der Szene Aufmerksamkeit zuteil wurde. 50 Eine enge Lehrer-Schüler-Beziehung unterhielt der Kläger zu seinem Koranlehrer M. N. Dieser bezeichnete die Scharia als ""[s]eine Lebensregel"" (Bl. 1065 der Ermittlungsakte), für die es zu kämpfen gelte (Bl. 423 der Ermittlungsakte), und pries das salafistische Engagement von Pierre Vogel (Bl. 420 der Ermittlungsakte). Er bestärkte den Kläger, von dem er sagte, er sei ""auf der Suche und sehr beeinflussbar"" beziehungsweise ""sehr belehrbar"" (Bl. 1068 der Ermittlungsakte), mittelbar und subtil (vgl. Bl. 1069 der Ermittlungsakte) sowohl in dem Willen, für die Scharia zu kämpfen (Bl. 423 der Ermittlungsakte), als auch in dem Bestreben, in den militärischen Jihad zu ziehen (Bl. 383 der Ermittlungsakte). Dafür zeugen verschiedene zumindest mehrdeutige Bemerkungen wie ""Jede[r] Tag ist Jihad, verstehst Du?"" (Bl. 589 der Ermittlungsakte) oder ""Guck mal Bruder, wir haben Trainingslager in Afghanistan, wir haben Trainingslager in Syrien, wir haben Trainingslager in Irak ... verstehst Du? Wir haben Trainingslager in Philippinen, in Süd-Philippinen ... weißt Du das?"" (Bl. 420 der Ermittlungsakte). In der Erkenntnis, dass er einen starken Einfluss auf den Kläger ausübte (Bl. 983 der Ermittlungsakte), propagierte er gegenüber diesem, ""Wir terrorisieren euren Kufr"" (= Unglauben), eure Schwulen, eure Lesben, eure pornographische Gesellschaft, eure ekelhaften und gelogenen Regeln, weißt Du. Ja, das terrorisieren wir!"" (Bl. 423 der Ermittlungsakte). Der Kläger erwiderte, ""Wir sind nicht umsonst hier Bruder, in diesem Land, denn es gibt überall 'Dschundullah' (= Soldaten Gottes) und jeder Dschundullah hat seine Aufgabe, der Eine so, der Andere so"" (Bl. 423 der Ermittlungsakte), und äußerte, in der G.-Moschee könne er nicht so handeln wie gewünscht, da die Verantwortlichen für diesen Fall ihm gegenüber ein Moschee-Verbot aussprächen und ihm Radikalität vorwürfen (Bl. 424 und 540 der Ermittlungsakte). 51 Der Kläger nahm zudem wahr, dass sich auch sein Freund P.W., ein syrischer Staatsangehöriger, dem Jihad zugewandt hatte. Im Zusammenhang mit einer Reise, die sein Freund nach Georgien in Gebiete unweit der Grenze der Türkei unternommen hatte, hielt der Kläger Dritte an, diese Reise in Befragungen durch die Polizei als Urlaubsreise oder den Besuch von Freunden zu deklarieren (Bl. 515 der Ermittlungsakte). Tatsächlich hatte ihn sein Koranlehrer darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Reise seines Freundes dazu gedient habe, ""die Türkei-Grenze [zu] probieren/[zu] testen"" (Bl. 519 der Ermittlungsakte) beziehungsweise ""einen Weg [zu] such[en], um nach Syrien zu kommen"" (Bl. 1074 der Ermittlungsakte). Die Einlassung des P.W., seine Reise habe darauf abgezielt, mit einem Syrer eine Vereinbarung über den Import von Honig und Bekleidung zu treffen, ist schon deshalb nicht glaubhaft (Bl. 1215 der Ermittlungsakte), weil nicht erkennbar ist, weshalb es für diesen Fall der ihm seitens des Klägers angeratenen Datenlöschungen bedurft hätte (Bl. 517 der Ermittlungsakte). 52 (4) Weitere - für die Gefahrenprognose relevante - Erkenntnisse ergeben sich aus den bei dem Kläger sichergestellten Gegenständen und Dokumenten. 53 Der Kläger hat eine grundsätzliche Offenheit im Umgang mit Waffen. Aus abgehörten Telefonaten und der Durchsuchung der von ihm genutzten Räumlichkeiten wurde bekannt, dass er eine Softair-Pistole des Typs Walter P99 (Bl. 763 und 958 der Ermittlungsakte) besaß, die er nach eigenen Angaben für 20 € bei dem Portal amazon erworben und mit der er seinem Vorbringen zufolge bereits geschossen hatte (Bl. 303, 325, 585, 595 und 1341 f. der Ermittlungsakte; vgl. aber auch Bl. 806 der Ermittlungsakte). In dem von ihm in seinem Elternhaus bewohnten Zimmer wurde des Weiteren ein Foto aufgefunden, das ihn zeigt, wie er eine Langwaffe auf ein unbestimmbares Ziel richtet (Bl. 59, 91 und 177 f. der Ermittlungsakte). Selbst wenn es sich hierbei - so die Einlassung des Klägers im polizeilichen Ermittlungsverfahren (Bl. 196 der Ermittlungsakte) - nur um eine Softair-Waffe gehandelt hätte, was seitens der Ermittlungsbehörden nicht bestätigt werden konnte (Bl. 178 der Ermittlungsakte), ist die in seiner Vernehmung am 28. Dezember 2016 getätigte Äußerung, es sei ""[et]was Gruseliges"", ""eine Waffe in der Hand zu halten und jemanden zu erschießen"" (Bl. 122 der Ermittlungsakte), als Schutzbehauptung zu würdigen, da er im Rahmen seiner verantwortlichen Vernehmung vom 19. Dezember 2017 und bestätigend in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angab, als Kind und im Urlaub mit einem Jagdgewehr auf Vögel geschossen zu haben, und sich ohne Skrupel als ""sehr treffsicher"" rühmte (Bl. 693 der Ermittlungsakte) sowie in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht bekundete, er habe es ""cool"" gefunden, sich mit der Waffe ablichten zu lassen (Bl. 1342 der Ermittlungsakte). 54 Der Kläger beherrscht als Kampfsportler zudem Techniken, andere Personen unschädlich zu machen. Neben weiteren Kampfsportarten betreibt er - unter anderem in Wettkämpfen - Mixed Martial Arts, eine Vollkontakt-Kampfsportart (Bl. 390 der Ermittlungsakte). 55 Bezüge zu islamistisch legitimierter Gewalt weisen auch bei dem Kläger aufgefundene Bücher auf. In ihnen wird etwa der islamrechtliche Hintergrund des Jihads erläutert und das jihadistische Engagement eines Jihad-Führers beschrieben (Bl. 142 der Ermittlungsakte). 56 In einer bei der Durchsuchung des von dem Kläger im Elternhaus bewohnten Zimmers vorgefundenen Tasche fand sich ein handschriftlich verfasster Brief, der die Aussage ""Der Anfang der Angelegenheit ist der Islam, seine Säule ist das Gebet. Und sein Gipfel ist der Jihad"" enthielt (Bl. 59 der Ermittlungsakte). 57 Wie der Kläger selbst einräumt, waren auf seinem Laptop Kampfvideos der Terrororganisation ""Islamischer Staat"" gespeichert. Seine Einlassung, er zeige diese in seinem Umfeld, um die Brutalität des ""IS"" vorzuführen (Bl. 102 der Ermittlungsakte), widerstreitet der Annahme seiner Einbindung in die radikal-salafistische Szene und dessen Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zur Verteidigung des Islams nicht. 58 Auf seinem Mobiltelefon wurden diverse Dateien aufgefunden, die einen Bezug zu der ""Islamischen Bewegung Usbekistan"" (IBU), einer militanten islamistischen Organisation aus Usbekistan, aufweisen. In jihadistischen Propagandavideos werden unter anderem Gewalt religiös legitimiert, die Pflicht, in den Jihad zu ziehen, unterstrichen und jihadistische Märtyrer glorifiziert. In islamwissenschaftlichen Stellungnahmen des polizeilichen Staatsschutzes werden die Darstellungen - vom Kläger unwidersprochen - als geeignet angesehen, die Grundhaltung bezüglich religiös motivierter Gewalt zu manipulieren, eine projihadistische Einstellung anzuregen oder zu begünstigen (Bl. 160 ff., 1050, 1098, 1241 ff., 1404 ff. und 1476 ff. der Ermittlungsakte). Dass ein erheblicher Teil dieser Dateien bereits aus der Zeit bis zum Jahr 2012 datiert, nimmt den in ihnen vermittelten Aussagen nichts an ihrer Aktualität. 59 Unter seinem Facebook-Profil veröffentlichte der Kläger einen Beitrag mit der Überschrift ""Tod der Pro NRW"". Dieser Überschrift fügte er die einem D. D. zugeschriebene Äußerung ""Wer den Propheten beleidigt, ob Muslim oder Kafir, muss getötet werden"", hinzu. Durch dieses Hinzufügen machte er sich die Äußerung konkludent zu eigen (Bl. 18 der Ermittlungsakte). 60 Bei der Würdigung der Fundstücke und Äußerungen des Klägers kann nicht außer Betracht bleiben, dass diesem spätestens seit seiner Vernehmung als Beschuldigter am 28. Dezember 2016 positiv bekannt war, dass seine Kommunikation polizeilich überwacht wurde (vgl. nur Bl. 212, 216, 264 und 332 der Ermittlungsakte), und er seine diesbezügliche Kenntnis auch in verschiedener Weise in sein Verhalten hat einfließen lassen. So hat er vereinzelt Unterhaltungen geführt, die offensichtlich darauf gerichtet waren, mit den Sicherheitsbehörden ""zu spielen"" (Bl. 212 und 515 der Ermittlungsakte) oder diese zu provozieren (Bl. 213 der Ermittlungsakte). Der Großteil seiner Äußerungen vermittelt indes den Eindruck, dass es ihm ein tiefes inneres Bedürfnis war, seiner salafistischen Überzeugung Ausdruck zu verleihen. 61 Angesichts seiner Einbindung in die radikal-salafistische Szene stellt sich die Darstellung des Klägers, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es sich bei dem sogenannten ""Tauhid-Finger"", mit dem er verschiedentlich abgebildet wird (Bl. 144, 173 und 203 der Ermittlungsakte), (jedenfalls auch) um ein Symbol für den islamischen Monotheismus handelt (""Es gibt keinen Gott außer Allah""), als gänzlich unglaubhaft dar. Der Umstand, dass er mit dieser Bekundung zugleich konkludent vermittelt, er wisse nicht, dass diese Geste in den zurückliegenden Jahren von Anhängern des politischen Islamismus und Jihadisten für Propagandazwecke verwendet wurde, stellt auch seine Glaubwürdigkeit infrage. 62 bb) Das Verhalten des Klägers im zweiten bis vierten Quartal des Jahres 2017 lässt zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass er konkret beabsichtigte, sich einer Terrormiliz anzuschließen und sich in der Herstellung von oder im Umgang mit inkriminierten Gegenständen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten dienen, unterweisen zu lassen. 63 Hierauf weist zunächst das starke Interesse hin, welches er an entsprechenden Kampfgruppen zeigte. So wies er etwa am 5. Juni 2017 seinen Bekannten P. W. konspirativ auf ""Tahrirus Sam Özel Kuvvetler (= Komitee zur Befreiung der Levante), eine seinerzeit in Syrien aktive salafistisch-jihadistische Miliz, hin (Bl. 307 f. und 346 ff. der Ermittlungsakte). Am Folgetag fragte er seinen Freund, ob sich dieser das bei YouTube eingestellte Video dieser Kampfgruppe angesehen habe. Im gleichen Kontext bekundete er, er wolle ""mit der zusammen sein"" (Bl. 349 der Ermittlungsakte). 64 Davon, dass der Kläger eine Ausreise nach Syrien plante, gingen seinerzeit auf der Grundlage abgehörter Telefongespräche auch seine Eltern aus. Ihre gegenteiligen Aussagen im Strafverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat lassen eine starke Ausweich- und Entlastungstendenz erkennen, welche die Glaubhaftigkeit der jetzigen Bekundungen nachhaltig infrage stellt. Die Mutter des Klägers hatte noch am 6. Mai 2017 ihrem Ehemann gegenüber bekundet, er, der Kläger, habe sich ""wieder verändert"", sie ""sollten ihn nicht aus den Augen [...] und nirgends hingehen lassen"" (Bl. 343 f. der Ermittlungsakte). In einem am 3. Juni 2017 geführten Telefonat klagte sie ihm, dem Kläger, gegenüber, es wäre [viel] besser, wenn seine Reise nach Syrien nicht wäre, wenn er die Reise nach Syrien nicht im Kopf hätte (Bl. 247 und 546 der Ermittlungsakte). Wie ernst es diesem mit der Umsetzung seines Plans war, verdeutlicht auch, dass er sich von dessen Realisierung auch nicht durch die Klagen seiner Mutter, sie werde sterben, wenn er weg sei, werde wie eine lebende Tote leben (Bl. 344 und 545 der Ermittlungsakte), abhalten ließ. Am 25. November 2017 war sich seine Mutter nach einem neuerlichen Gespräch mit dem Kläger sicher, dass dieser ""zum Jihad gehen"" werde (Bl. 587 der Ermittlungsakte). Am 11. Dezember 2017 mutmaßte sie gegenüber ihrem Ehemann und ihrem Sohn V., dass der Kläger ""wahrscheinlich wieder zu [der] gleichen Ortschaft gehen [werde]"", wo er schon einmal gewesen sei; im Folgesatz äußerte sie, der Kläger habe ihr gesagt, er werde ihr ""Honig aus Syrien schicken"" (Bl. 1121 der Ermittlungsakte). Soweit die Mutter später in Vernehmungen äußerte, sie habe nichts davon gewusst, dass ihr Sohn in den Jihad zu gehen beabsichtigte (vgl. aber auch Bl. 706 der Ermittlungsakte), änderte selbst ein diesbezügliches Nichtwissen nichts daran, dass sie - wie auch ihr Ehemann - zumindest erwartete, dass der Kläger beabsichtigte, von der Türkei aus nach Syrien weiterzureisen (vgl. nur Bl. 771 und 775 der Ermittlungsakte). Im Lichte dessen ist die nicht näher substantiierte Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, man habe Angst gehabt, weil man mitbekommen habe, dass ""ein Sohn einer anderen Person dort hingegangen"" sei, in Bezug auf ihren Sohn habe man sich vor dessen Ausreiseversuch indes keine Sorgen gemacht, als gänzlich unglaubhaft zu würdigen. Dass der Vater des Klägers am 19. Dezember 2017 vorgab, der Vorhalt, sein Sohn wolle in den Jihad ziehen, überrasche ihn (Bl. 669 und 801 der Ermittlungsakte), und sodann äußerte, der Kläger gehe nicht ""in den Jihad"" (Bl. 802 der Ermittlungsakte), entspricht nicht nur in Anbetracht der zuvor geführten Gespräche nicht der Wahrheit, sondern spiegelte auch nicht dessen Erwartung wider (vgl. insoweit auch Bl. 982 f. der Ermittlungsakte). Gleiches gilt für die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigte Aussage, seine Frau und er hätten sich im Herbst 2017 keine Sorgen gemacht, dass der Kläger beabsichtigt habe, nach Syrien weiterzureisen, er selbst habe niemals das Gefühl gehabt, sein Sohn habe sich radikalisiert. Noch am 9. Dezember 2017 hatte er gegenüber seinem Sohn V. geäußert, ""der Gedanke [des Klägers sei], dass er da als Märtyrer [sterbe], wenn er hingeh[e]"" (Bl. 1122 der Ermittlungsakte). Der Kläger selbst verabschiedete sich von seinem Vater in einem mit diesem am 14. Dezember 2017, mithin vier Tage vor seiner geplanten Ausreise in die Türkei, geführten Telefonat mit den Worten ""Wir sehen uns im Jenseits"" (Bl. 759 und 1123 der Ermittlungsakte). Dass dieser diese Worte - seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - als Spaß aufgefasst haben will, ist geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen nachhaltig infrage zu stellen. Am 9. Dezember 2017 bekundete der Kläger gegenüber seinem Bruder V., ""wie der Sohn von Bin Laden, der würde jetzt auch kämpfen"" (Bl. 788 der Ermittlungsakte). Dieser Äußerung ist besonderes Gewicht beizumessen, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, die Thematik mit seinem Bruder offen erörtert zu haben. Seine am 9. Dezember 2017 getätigten Äußerungen stehen in einem auch auf Vorhalt unaufgelösten Widerspruch zu der in der mündlichen Verhandlung bekräftigten Behauptung, er habe nicht nach Syrien gehen wollen. Im Lichte dieser Ausführungen können seine Einlassung in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht, warum habe er sich dem Jihad anschließen sollen, er habe doch im Bundesgebiet ein gutes Leben und einen Job (Bl. 1338 der Ermittlungsakte), ebenso wie die Darstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, er habe seine Mutter nur provozieren wollen, nur als Schutzbehauptungen gewürdigt werden. 65 Die Deutung der von dem Kläger in einem Telefonat mit seinem Freund P. W. am 14. Dezember 2017 gesprochenen Sätze ""da gibt’s einen Mann, der kennt ein Restaurante, ok? Diese Restaurante ist geheim, da kann nicht jeder hin, und wenn er dich dahin zum Essen bringt, dann musst du dem 500 Euro geben"", ""kostet 500 Euro, [d]as[s] der dich zum Restaurante bringt"", ""Alles zusammen 500. Aber dafür gibt’s gutes Essen."", ""aber ich hab einen Freund gefragt, der hat gesagt, ja, das ist ein normaler Preis. Das ist ein guter Preis."" (Bl. 658 f. der Ermittlungsakte), als Umschreibung für die Schleusung des Klägers in ein Ausbildungslager einer Miliz in Syrien (Bl. 1124 der Ermittlungsakte) ist im Lichte der vorstehenden Erkenntnisse zumindest plausibel. Eine dieser Deutung widerstreitende schlüssige Auflösung des verwendeten Codes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen des Klägers. Während er auf eine sexuelle Verbindung zu einer Frau, mit der er sich vergnügt habe, verwiesen hat (Bl. 691 der Ermittlungsakte), war sein Freund P. W. im gleichen Zusammenhang bemüht, einen sportlichen Kontext herzustellen (Bl. 660 der Ermittlungsakte). Diese beiden ""Verschlüsselungssachverhalte"" sind nicht nachvollziehbar zusammenzuführen. Auf die Frage, was es mit dem Betrag von 500 € auf sich habe, der in beiden Kontexten Erwähnung fand, hat der Kläger nur dargelegt, dass es in dem einen Gespräch um ein Restaurant und in dem anderen um Training gegangen sei (Bl. 692 der Ermittlungsakte), ohne den Einsatz des Geldbetrages nachvollziehbar zu erläutern. Seine Einlassung, der Betrag sei für das Essen und das Training zu zahlen gewesen (Bl. 693 der Ermittlungsakte), steht in einem unaufgelösten Widerspruch zu seiner Behauptung, den Betrag erhalte derjenige, der ihn ""zum Restaurante"" bringe (Bl. 658 der Ermittlungsakte). Nachdem ihm sein Freund P. W., der in dem Telefonat erkennbar Anstoß an dem Preis von 500 € nahm, nur wenige Stunden später eröffnete, er habe nunmehr ""alles klar gemacht"", der Kläger ""brauch[e] gar kein[en] Cent"", bekundete dieser, er freue sich schon, ""wenn [er] kämpfen d[ü]rf[e]"" (Bl. 660 und 670 der Ermittlungsakte). 66 Keine nachvollziehbare Erklärung ergibt sich auch für die in einem Gespräch am 11. Dezember 2017 getätigte Äußerung des Klägers, in einer Woche ""Honig essen [zu] gehen"" (Bl. 691 und 727 der Ermittlungsakte). Mag ein sexueller Kontext (Bl. 691 und 727 der Ermittlungsakte) im Gespräch mit seinem Freund P. W. noch vorstellbar sein, so ist ein solcher im Rahmen einer Konversation mit seiner Mutter schlechthin nicht nachzuvollziehen. Dem Erklärungsversuch widerstreitet zudem, dass auch der Vater des Klägers in einem Telefonat mit seinem Sohn V., der seinerzeit in der Türkei Militärdienst leistete und befürchtete, im Nordirak eingesetzt zu werden, diesem sagte, er könne sich demnächst mit dem Kläger in Mossul treffen, der dort ""Honig essen"" werde (Bl. 708 der Ermittlungsakte). Dass angesichts der Sorgen, die die Eltern seinerzeit plagten, diese Unterhaltung ein ""Spaß"" gewesen sei (Bl. 804 der Ermittlungsakte) oder - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet - dazu gedient habe, der Polizei ein Rätsel aufzugeben, liegt ebenso fern wie die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Klägers in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht, ""es [gebe] kein Restaurant, kein[en] Honig, kein[en] Teller, es war nur[,] um die Polizei zu ärgern"" (Bl. 1344 der Ermittlungsakte). 67 Die Absicht des Klägers, sich in das Kampfgebiet in Syrien schleusen zu lassen, wird auch aus einem Gespräch offenbar, dass er am 9. Dezember 2017 mit seinem in der Türkei aufhältigen Bruder V. führte. Auf seine Frage, was dieser machen würde, wenn er ""heute nach Syrien"" ginge, und ob er ihn aufhielte (Bl. 753 der Ermittlungsakte), antwortete der Bruder, er hätte nichts dagegen, wenn der Kläger ""für so was kämpfen"" ginge, sofern er zuvor sorgsam recherchiere, ""wohin er [gehe]"" (Bl. 753 der Ermittlungsakte). Hierauf erwiderte der Kläger, ""das [sei] ja das Problem, das habe [er] ja schon gemacht, [s]chon seit drei Jahren, [j]eden Tag"". Diese Aussage offenbart, dass die Absicht des Klägers, ""endlich"" aktiv zu werden, auf gefestigter, reiflicher Überlegung gründet. Im Lichte dessen ist die Einlassung im Rahmen seiner verantwortlichen Vernehmung am 19. Dezember 2017, Syrien sei ein schwieriges Thema, ""da sollte man in dieser Zeit nicht hingehen"", als ausweichende Schutzbehauptung zu würdigen (Bl. 685 der Ermittlungsakte). 68 Für die Absicht des Klägers, nicht lediglich in einen Urlaub aufzubrechen, streitet zudem, dass er seine Schwester unter Überlassung seiner Bankkarte gebeten hatte, wöchentlich einen Betrag in Höhe von 150 € an die in N. lebende Frau seines Bruders V. zu überweisen (Bl. 774 und 1008 der Ermittlungsakte). Eine solche Übergabe machte nur für den Fall Sinn, dass der Kläger - anders als von ihm bekundet - nicht vorhatte, seine Familie in N. zu besuchen und nach zweieinhalb Wochen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (Bl. 1126 der Ermittlungsakte). In gleicher Weise lassen die vorstehenden Erkenntnisse seine Einlassung, er habe in der Türkei gemeinsam mit einer Cousine Urlaub machen wollen (Bl. 684, 1336 und 1338 der Ermittlungsakte), als unglaubhaft erscheinen. Dies gilt umso mehr, als diese Kenntnis nicht einmal von dem Kommen des Klägers, geschweige denn von einem unmittelbar bevorstehenden gemeinsamen Urlaub hatte (Bl. 1347 der Ermittlungsakte). Der Einlassung in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht, er habe allein Urlaub machen, also die Familie besuchen wollen (Bl. 1335 f. der Ermittlungsakte), widerspricht, dass es gerade das Bestreben des Klägers war, seine in N. lebenden Verwandten zumindest überwiegend in Unkenntnis über seine Reise zu lassen (Bl. 785, 1006 und 1190 der Ermittlungsakte). Die Behauptung, er habe in Aussicht genommen (Bl. 1338 der Ermittlungsakte), eventuell auch mit seinem Bruder weiterzureisen, kann in Anbetracht des Vorstehenden nur ebenfalls als unglaubhaft gewürdigt werden. Dem widerspricht auch nicht der nicht näher substantiierte Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sein Großvater, sein Vater, seine Cousine und sein Bruder hätten von seiner Reise Kenntnis gehabt, da auch sein Bruder von seinen Reiseabsichten nur über seine Eltern Kenntnis erlangte. Die Darstellung, er habe zwei Nächte in einem Hotel in N. gebucht, um ""sich spontan zu halten"", niemandem zur Last fallen und nicht in einer ausgekühlten Wohnung schlafen zu müssen, ist allenfalls für die auf die Ankunft nachfolgende Nacht nachvollziehbar. Dass der Kläger Bargeld in Höhe von 2 700 € mit sich geführt hat, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar erläutert. Die Angabe des Klägers, davon habe er während des Urlaubs seinen Unterhalt bestreiten, Geschenke für seine Familienmitglieder kaufen, seine Unterkünfte bezahlen und ein Rückflugticket erwerben wollen (vgl. auch Bl. 697, 1336, 1353 und 1360 der Ermittlungsakte), erklärt die Höhe des mitgeführten Betrages nur unzureichend. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sich zudem dahin eingelassen, mit dem Betrag habe er sich im Bedarfsfall von der Einziehung zum Militärdienst freikaufen wollen. Diese Einlassung ist vor dem Hintergrund, dass dieser Verwendungszweck in seinen vorherigen Äußerungen nicht einmal ansatzweise erwähnt worden ist und es sich um ""gesteigerten Vortrag"" handelt, unglaubhaft. Als unrichtig erwies sich schließlich die Darstellung, er habe eine Eintrittskarte für ein nach seiner Rückkehr stattfindendes DFB-Pokalspiel zwischen den Vereinen Eintracht Frankfurt und FC Schalke 04 besessen (Bl. 1349 und 1415 f. der Ermittlungsakte). 69 Der Einlassung, seine geplante Reise in die Türkei habe dem Besuch seiner Familienangehörigen und Urlaubszwecken gedient, widerstreitet zudem, dass der Kläger, der wusste, dass seine Telefonate abgehört wurden (Bl. 1337 und 1341 der Ermittlungsakte), stets sehr darauf bedacht war, seine Aktivitäten zu verschleiern. Bereits anlässlich eines Türkei-Aufenthalts in der Zeit vom 28. Oktober 2016 bis zum 28. Dezember 2016 ließ er eigenem Bekunden zufolge sowohl seine zuvor benutzte deutsche SIM-Karte als auch eine in der Türkei eingesetzte türkische SIM-Karte dort zurück (Bl. 127 der Ermittlungsakte). In Telefonaten mit Familienangehörigen und Bekannten mahnte er wiederholt, über bestimmte Themen, insbesondere solchen im Zusammenhang mit seiner für den 18. Dezember 2017 geplanten Ausreise, nicht am Telefon zu sprechen (Bl. 247, 593 und 657 der Ermittlungsakte), ""schlau [zu] antworten"" (Bl. 518 der Ermittlungsakte) und Mitteilungen, Kommunikationen beziehungsweise ""alles"" zu löschen (vgl. nur Bl. 347, 515 und 517 der Ermittlungsakte). In gleicher Weise sind in Bezug auf die Reise seines Freundes P. W. getätigte Äußerungen wie ""Sie sollen aufpassen, was sie gegenüber der Polizei sagen. Sie sollen sagen, dass er [= P.] Urlaub gemacht habe und dort bei Freunden gewesen sei."" (Bl. 515 der Ermittlungsakte) zu würdigen. Dass die Angst seiner Mutter, er werde in den Jihad ziehen, begründet war, sie die Lage richtig beurteilte (vgl. auch Bl. 705, 709, 790, 1006 der Ermittlungsakte) und - entgegen der auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholten Schutzbehauptung des Klägers (Bl. 668, 688 und 1348 der Ermittlungsakte) - keineswegs unter Paranoia litt, indiziert auch die durch den Kläger vorgenommene Löschung sämtlicher Kommunikationen auf WhatsApp und Telegram und seine Ankündigung, unter der Mobilrufnummer, mit der er bei diesen Diensten angemeldet war, nicht mehr erreichbar zu sein (Bl. 656 der Ermittlungsakte). Im Lichte der vorstehenden Erkenntnisse ist ein solches Verhalten selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Mobiltelefon seinem seinerzeitigen Arbeitgeber gehörte und dieser es ihm untersagt hatte, das Gerät mit auf Auslandsreisen zu nehmen (Bl. 687 der Ermittlungsakte), nicht nur ungewöhnlich, sondern mit der angeblichen Planung einer zweieinhalbwöchigen Urlaubsreise nicht plausibel zu erklären. Gleiches gilt für die Löschung der Navigationsdaten in dem von ihm genutzten Fahrzeug seines Arbeitgebers (vgl. Bl. 909 der Ermittlungsakte). Vorstehendes wird nicht relativiert durch eine vom Kläger geltend gemachte Selektivität der Auswahl der in das behördliche, polizeiliche, staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Verfahren eingeführten Protokolle der Überwachung seiner Kommunikationen. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Zeugin vernommene KOK’in X. hat überzeugend dargelegt, dass auch eine neuerliche Überprüfung der Protokolle der in den zwei Monaten vor der am 18. Dezember 2017 versuchten Ausreise geführten Telefonate keine Hinweise auf entlastende Erkenntnisse zu Tage gefördert hätte. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. 70 Dass sich der Kläger seinen Vollbart mit rasiertem Oberlippenbart (sogenannter ""Salafistenbart"") (Bl. 21 der Ermittlungsakte) im Vorfeld der für den 18. Dezember 2017 beabsichtigten Ausreise in die Türkei stutzte, diente auf den durch seinen Bruder eingeholten Rat einer türkischen Sicherheitskraft hin allein der Vermeidung einer Festnahme bei der Einreise in die Türkei wegen seines äußeren Erscheinungsbildes (Bl. 381 und 404 der Ermittlungsakte) und streitet nicht für einen Wandel seiner Anschauungen. 71 cc) Umstände, welche das Risiko einer von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr verringern, sind ebenso wenig ersichtlich wie Anhaltspunkte für eine Deradikalisierung. 72 In seiner verantwortlichen Vernehmung am 18. Dezember 2017 bekundete der Kläger gegenüber der vernehmenden Beamtin, diese brauche keine Ehrlichkeit von ihm zu erwarten (Bl. 694 der Ermittlungsakte). Er stehe zu seinen mit einer Zuwendung zu Scharia und Jihad einhergehenden religiösen Überzeugungen. Bei einem Besuch seines Vaters in der Justizvollzugsanstalt am 25. Januar 2018 äußerte er, er habe seinen Glauben zuvor aufgrund der Lebensumstände, insbesondere seiner täglichen Arbeit und seines regelmäßigen Trainings nicht richtig ausleben können, in der Haft lese er jeden Tag ein Buch über den Islam, über das er sich in Ruhe seine Gedanken machen könne (Bl. 980 der Ermittlungsakte). Dass er auf der Basis dieses Studiums zu gemäßigteren Erkenntnissen gelangt wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich und wird auch nicht durch sein beanstandungsfreies Verhalten im Vollzug oder in der Abschiebungshaft indiziert. Vielmehr ist er in seinem Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erkennbar bemüht, seine Radikalisierung zu verharmlosen. So führt er etwa aus, er habe seinen Koranlehrer ""des Öfteren getroffen und auch zur Beantwortung religiöser Fragen angesprochen"" (S. 2 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018). Dass der Tauhid-Finger ein Symbol für den islamischen Monotheismus darstellt, sei ihm auch Ende des Jahres 2018 noch nicht bekannt gewesen (S. 4 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018). Seine gegenüber seiner Mutter getätigte Äußerung, er werde zum Jihad gehen, habe er ""so nicht gemeint"", vielmehr habe er lediglich seine Mutter provozieren wollen (S. 5 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018). Eine Radikalisierung habe er abgelehnt (S. 6 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018). All dies weist nicht auf einen Wandel der radikal-salafistischen Überzeugungen des Klägers. 73 Die von dem Kläger ausgehende terroristische Gefahr wird auch nicht durch dessen geltend gemachte Integration in das Familienleben gemindert, da es weder seinen Eltern noch seiner jüngeren Schwester gelungen ist, der Radikalisierung des Klägers etwas entgegenzusetzen. Dass der Kläger seine Eltern zur Einhaltung der Gebetsvorschriften mahnte (Bl. 431, 587 und 759 der Ermittlungsakte) und seine Schwester wegen des Tragens einer Hose, die deren Knöchel nicht verdeckte, als ""Schlampe"" titulierte (Bl. 687 f., 703 f. und 1123 der Ermittlungsakte), unterstreicht, wie wenig Gewicht der Kläger selbst engsten familiären Bindungen in Abwägung mit seinen salafistischen Überzeugungen beimaß. Seine Mutter äußerte seinem Vater gegenüber, der Kläger ""ha[be] die Nase voll[,] mit [ihnen] zusammenzuleben"" (Bl. 587 der Ermittlungsakte). Dass Freunde und eine in dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 2. November 2018 erwähnte Freundin hierzu einen Beitrag zu leisten vermöchten, ist nicht erkennbar, zumal sich der Kläger in der Vergangenheit im Wesentlichen mit Bekannten aus dem radikal-salafistischen Spektrum umgab. 74 Auf eine gewisse Ambivalenz deutet das Vorbringen des Klägers, er setze sich bewusst über das islamische Verbot hinweg, einen Hund zu halten (S. 4 f. des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018). Indes bekundete er in einem am 3. Juni 2017 geführten Gespräch mit seinem Vater, er wolle seinen Hund nicht mehr (Bl. 246, 269 und 298 der Ermittlungsakte). In einem am 3. August 2017 geführten Telefonat mit seinem Koranlehrer gab er an, den Hund über das Portal Ebay-Kleinanzeigen zum Verschenken angeboten zu haben, der Portalanbieter habe jedoch das Inserat entfernt (Bl. 507 der Ermittlungsakte). Am 11. Oktober 2017 bekundete er, die Welpen seiner Hündin verkaufen zu wollen (Bl. 385 und 590 der Ermittlungsakte). Am 9. Dezember 2017 gab er an, das Tier bei seiner Ausreise zurücklassen zu wollen (Bl. 753 der Ermittlungsakte). 75 Der Anzeige der beabsichtigten Ausreise bei der Polizei ist angesichts der dem Kläger bekannten polizeilichen Überwachungsmaßnahmen letztlich kein Gewicht beizumessen. 76 dd) Die Gesamtwürdigung der den Kläger betreffenden Erkenntnisse, seiner Persönlichkeit, seines Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren Einstellung und der Verbindung zu anderen radikal-islamischen Personen ergibt, dass der Grad seiner Radikalisierung, der nicht zuletzt in dem gescheiterten Vorhaben, für terroristische Zwecke über die Türkei nach Syrien zu reisen, zum Ausdruck gelangt, konkret besorgen lässt, dass er weiterhin bereit ist, seiner islamistischen Überzeugung durch terroristische Aktivitäten Ausdruck zu verleihen. 77 Der Kläger hat sich seit Ende des Jahres 2016 (vgl. Bl. 773 der Ermittlungsakte) zunehmend islamistisch radikalisiert. Seine Aussagen, seine Kontakte und die bei ihm aufgefundenen Erkenntnisse zeigen in aller Deutlichkeit, dass er dem radikalen jihadistisch-salafistischen Spektrum zuzuordnen ist. Er beließ es indes nicht bei einer innerlichen Identifikation mit dem jihadistischen Salafismus, sondern trug seine extreme ideologische Überzeugung bewusst nach außen. Wer, wie er, den Bereich einer rein innerlichen Identifikation mit einer Ideologie verlässt, die seine Anhänger zum Handeln (""Jihad"") auffordert, hat einen großen Schritt dahin getan, seiner Einstellung auch eigene Taten folgen zu lassen. Die bei ihm aufgefundenen Bilder und Videos, seine Kontakte zu bekannten Salafisten, der Einfluss, den sein ebenfalls dem salafistischen Spektrum zuzurechnender Koranlehrer auf ihn ausübte, und seine Freundschaft mit dem gleichgesinnten P. W. trieben ihn dazu, seinen über einen mehrjährigen Zeitraum gewonnenen radikal-salafistischen Überzeugungen Taten folgen zu lassen. In der zweiten Hälfte des Jahres 2017 verspürte der Kläger einen stetig zunehmenden inneren Druck, sich wie viele andere jihadistische Salafisten als ""Gotteskrieger"" am gewaltsamen Kampf der Muslime gegen die ""Feinde des Islams"" zu beteiligen. Die Gefahr, in Kampfhandlungen zu sterben, schreckte ihn nicht, verhieß der Märtyrertod für ihn doch, mit dem Einzug ins Paradies belohnt zu werden. Mit dem am 18. Dezember 2017 unternommenen Versuch, sein Vorhaben zu realisieren, ist sein Verhalten von einer einstmals passiven Ausrichtung ins Aktive umgeschlagen. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass sich der hohe innere Druck, ""für die Sache Allahs"" zu kämpfen, infolge des Umstands, dass er seinerzeit an der Ausreise in die Türkei gehindert wurde und ihm dadurch eine Teilnahme an Kampfhandlungen in einer Krisenregion gegen seinen Willen verwehrt blieb, vermindert hätte, sind nicht erkennbar. In Ansehung seiner Orientierung an der Scharia, der für sich als gottgefällige Tat und religiöse Pflicht empfundenen Teilnahme an dem Jihad und der Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist vielmehr konkret zu besorgen, dass er weiterhin bemüht sein wird, seinen radikal-salafistischen Anschauungen terroristische Straftaten folgen zu lassen. Nicht zuletzt mit Blick auf den Umstand, dass der Kläger dem Einsatz von Waffen zumindest offen gegenübersteht, ist davon auszugehen, dass sich die von ihm ausgehende Bedrohungssituation jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr umschlagen kann. 78 Auch die persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die auf einer soliden Tatsachengrundlage fußende Gefahrenprognose nicht zu entkräften vermocht. Seine Angaben hat der Senat zur Kenntnis genommen, würdigt sie aber angesichts der zahlreichen Unstimmigkeiten und inneren Brüche nicht in dem vom Kläger erkennbar angestrebten Sinne. 79 Der Senat war bei seiner Gefahrenprognose auch nicht an die Einschätzung des Jugendschöffengerichts in dem nicht rechtskräftigen Urteil vom 4. Juni 2018 gebunden, mit dem es den Kläger vom Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte auch im Zusammenhang mit dem Erlass und der Überprüfung von Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG von erheblichem tatsächlichen Gewicht. Eine Bindungswirkung geht von ihnen im ausländerrechtlichen Verfahren jedoch nicht aus. Die aufenthaltsrechtliche Prognose, ob von dem Ausländer eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr ausgeht, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen obersten Landesbehörden und bei der gerichtlichen Überprüfung das Bundesverwaltungsgericht eine eigenständige Prognose über die von dem Ausländer ausgehende Gefahr anzustellen (vgl. zum Ausweisungsrecht BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 20.11 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15 Rn. 23 m.w.N.). Dabei haben sie auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Sie können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Im vorliegenden Fall ist der Senat auf der Grundlage einer Würdigung der Erkenntnisse sowohl des straf- als auch des ausländerrechtlichen Verfahrens und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu einer abweichenden Einschätzung der Gefährlichkeit des Klägers gelangt. Die tatsächlichen Feststellungen und deren tatrichterliche Würdigung ermöglichen dem Senat die eigenständige rechtliche Beurteilung, dass von dem Kläger eine terroristische Gefahr im Sinne des § 58 a AufenthG ausgeht. 80 c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Der Kläger war mit Bekanntgabe der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung illegal aufhältig, weil seine Niederlassungserlaubnis damit erlosch (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG). Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 2008/115/EG erlaubt es, die Entscheidung über die Beendigung des legalen Aufenthalts zugleich mit der Rückkehrentscheidung zu treffen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​465], Gnandi - Rn. 49 f.); damit ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtsfolgen dieser beiden - kombinierbaren - Entscheidungen nicht durch eine einzige behördliche Entscheidung (die noch dazu auch die Abschiebung anordnet), bewirkt werden können sollen. 81 Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger nach Unionsrecht wegen der von ihm ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG; vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 35). 82 d) Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte mit der Abschiebungsanordnung keine Ausnahme nach § 11 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Dauer des nach nationalem Recht mit dem Vollzug einer Abschiebungsanordnung entstehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot zugelassen hat. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser gegebenenfalls zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie 2008/115/EG auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung 2017/2338 der Kommission vom 16. November 2017 für ein gemeinsames ""Rückkehr-Handbuch"" , das von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist). 83 Diese Frage ist hier aber nicht entscheidungserheblich. Denn es geht im vorliegenden Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des hier unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da unionsrechtlich ein Einreiseverbot zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1a der Richtlinie 2008/115/EG: ""gehen ... einher""), aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung darstellt, die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 36 sowie vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - InfAuslR 2019, 3). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie 2018/115/EG Anhaltspunkte für einen ""Rechtswidrigkeitszusammenhang"" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen (BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 - InfAuslR 2019, 3 Rn. 22). 84 e) Die Abschiebungsanordnung ist weder unverhältnismäßig (aa) noch sonst ermessensfehlerhaft (bb) noch widerstreitet ihr höherrangiges Recht (cc). 85 aa) Sie steht im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 86 Die Maßnahme verfolgt mit der Abwehr der von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgehenden Gefahr einen legitimen Zweck. Das Interesse der Staatengemeinschaft erstreckt sich ausdrücklich auch darauf, Reisen, die dem Erhalt einer Ausbildung für terroristische Zwecke zu dienen bestimmt sind (vgl. Art. 3 und 4 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 22. Oktober 2015, SEV 217 S. 2), zum einen zu unterbinden (UN-Sicherheitsrat, Resolution 2178 <2014> vom 24. September 2014, S/RES/2178 <2014> S. 2) und zum anderen unter Strafe zu stellen (vgl. Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2017/541). 87 Auch die Anordnung der Abschiebung von Ausländern, die den Versuch unternehmen, in ein anderes Land zu reisen, um sich dort in spezifischen Methoden oder Verfahren der Begehung terroristischer Straftaten unterweisen zu lassen oder unmittelbar terroristische Zwecke zu verfolgen (vgl. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 oder 8 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 der RL 2017/541), in den Staat ihrer Staatsangehörigkeit kann geeignet sein, die Realisierung einer terroristischen Gefahr nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Hiervon kann, so auch hier, etwa auszugehen sein, wenn der Ausländer durch die Abschiebung gezwungen wird, sein ihn negativ beeinflussendes, seine terroristischen Aktivitäten begünstigendes, wenn nicht gar ermöglichendes soziales Umfeld zu verlassen (vgl. auch Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 58a AufenthG Rn. 23) und sich in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit eine neue Existenz aufzubauen. In diesem Sinne führt der Beklagte in der angegriffenen Ordnungsverfügung hier noch frei von Rechtsfehlern aus, dass die Erreichung des Zwecks vorliegend dadurch begünstigt werde, dass der Kläger schon räumlich durch eine Abschiebung in die Türkei dem Einfluss derjenigen Personen, die maßgeblich für seine Radikalisierung verantwortlich seien, entzogen werde, und die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht werde, dass er von seinem Vorhaben, in ein Jihad-Gebiet auszureisen, Abstand nehme. Dessen ungeachtet verfügten die türkischen Behörden über hinreichende Möglichkeiten, eine Weiterreise nach Syrien zu verhindern. 88 Der Erlass der Abschiebungsanordnung war auch erforderlich. Da sich der Kläger nicht nur entschlossen hatte, sich auf eine Reise für terroristische Zwecke zu begeben, sondern konkret versuchte, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen und ihm Taten folgen zu lassen, gab es gegenüber dem Erlass der Abschiebungsanordnung kein gleich geeignetes, aber weniger belastendes Mittel. Für das Erreichen des auch angestrebten Zwecks, der Verhinderung jihadistischer Akte in der Bundesrepublik Deutschland, kommt dabei dem vom Beklagten angeführten, mit dem Erlass der Abschiebungsanordnung gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gesetzlich verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbot besondere Bedeutung zu. 89 Dass der Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland, ist auch nicht unangemessen. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96 und 132; Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>). Die Abwehr der von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr steht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs. 90 Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach deutscher Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht allerdings noch nicht abschließend geklärt ist - im Falle einer Abschiebung mit einem grundsätzlich unbefristeten Fernhalten vom Bundesgebiet verbunden ist (§ 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 5 AufenthG). Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von dem Beklagten angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist. Denn bei einer nachhaltigen Verhaltensänderung des Klägers besteht nach § 11 Abs. 4 und 5 AufenthG jedenfalls die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. 91 bb) Die Ausübung des behördlichen Ermessens ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. 92 Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Kläger einerseits im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen ist, auf der Grundlage eines durchgängig rechtmäßigen Aufenthalts sein gesamtes Leben verbracht hat, die deutsche Sprache beherrscht und über enge Kontakte zu seiner Familie verfügt, mit der er bis zuletzt zusammengelebt hat, dass er andererseits ledig und kinderlos ist. Weiter wurde berücksichtigt, dass er sich für die Scharia und gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung als gesellschaftliches Ordnungssystem ausspricht und wiederholt davon gesprochen hat, dauerhaft in die Türkei auswandern zu wollen, sowie dass sich seine sozialen Kontakte weit überwiegend auf Personen und Einrichtungen beschränken, die ebenfalls Teil der radikal-islamistischen Szene sind, und er mit seinen Eltern über deren religiöse Lebensführung wiederholt in Streit geraten ist. 93 Mit Recht hat der Beklagte zudem angenommen, dass sich der Kläger auch wirtschaftlich nicht nachhaltig im Bundesgebiet integriert hat. Beide von ihm begründeten Beschäftigungsverhältnisse währten nur mehrere Monate. Die nach seinem Vorbringen zuletzt in Kooperation mit der Arbeitsverwaltung in Aussicht genommene Ausbildung zum LKW-Fahrer war noch nicht beendet und sollte im Hinblick auf die zur Überzeugung des Senats bestehenden Ausreiseabsichten auch nicht beendet werden. Eine Eingliederung in die Lebensverhältnisse seines Herkunftsstaates ist ihm möglich und zumutbar. Es spricht nichts dafür, dass er seine Existenzgrundlage in der Türkei nicht auf einem bescheidenen Niveau wird sichern können. Er ist einundzwanzig Jahre alt, ledig, kinderlos und der türkischen Sprache mächtig. Wenngleich er die Republik Türkei nur von Verwandtenbesuchen und Urlaubsreisen her kennen mag, verfügt er dort über umfangreiche verwandtschaftliche Beziehungen (vgl. Bl. 2 des Jugendgerichtshilfeberichts vom 28. Mai 2018), die ihm einen Neuanfang etwa in der Heimat seiner Eltern in jeder Hinsicht zu erleichtern vermögen. Dies gilt umso mehr als sich auch seine Eltern seit längerer Zeit mit dem Gedanken tragen, ihren Wohnsitz zumindest teilweise in die Türkei zu verlegen. Die Darstellung, die Schlussfolgerung des Beklagten, man habe ""die Wohnung verkaufen wollen, um in die Türkei auszuwandern"", sei ""falsch"" (S. 3 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018), steht - ohne dass es hierauf letztlich ankommt - im Widerspruch zu diversen Äußerungen im Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren (vgl. Bl. 15, 16, 23, 37, 38, 40, 59, 106 f., 130, 261, 305, 756 f. der Ermittlungsakte). Jedenfalls leben seine Großeltern und seine beiden Brüder gegenwärtig in der Türkei. 94 Für die Verhältnismäßigkeit der Abschiebungsanordnung ist es ohne Aussagekraft, dass sich der Kläger während der Abschiebungshaft beanstandungsfrei verhält und ihm Vollzugslockerungen gewährt werden. Gleiches gilt für den Umstand, dass er in der Vergangenheit Jugendliche in Kampfsportarten unterrichtet habe. 95 cc) Die Aufenthaltsbeendigung steht im Einklang mit dem grund- und menschenrechtlichen Schutz der Familie und des Privatlebens (Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK). Der Beklagte durfte angesichts der vom Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr von einem Überwiegen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem von ihm erkannten und rechtsfehlerfrei gewichteten Privat- und Familienleben des Klägers ausgehen. 96 dd) Für den Fall, dass der Kläger als Kind seiner Eltern neben seiner Niederlassungserlaubnis ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 erworben hat, konnte die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 beendet werden. Danach muss sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Aufenthaltsbeendigung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:​EU:​C:​2011:​809], Ziebell - NVwZ 2012, 422 Rn. 80 ff.; siehe auch § 53 Abs. 3 AufenthG). Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da der vom Kläger ausgehenden Gefahr nicht auf andere Weise gleich wirksam begegnet werden konnte wie durch die Beendigung des Aufenthalts. Das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu erfüllende Erfordernis einer gegenwärtigen ""konkreten Gefährdung"" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 - NVwZ 2012, 422 Rn. 84 f.) bedeutet, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht auf vergangenes strafbares Verhalten gestützt werden dürfen, sondern gegenwärtig noch eine konkrete Bedrohung für hochrangige Rechtsgüter vorliegen muss. Eine ""konkrete Gefahr"" im Sinne des deutschen Polizeirechts wird damit nicht gefordert, vielmehr reicht eine terroristische Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 AufenthG aus, die gegenwärtig ist und sich jederzeit realisieren kann. 97 2.4 Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht wegen eines Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). 98 a) Für eine Verfolgung des Klägers wegen dessen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG liegen keine Anhaltspunkte vor. Selbst wenn dem Kläger in der Türkei eine Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder terroristischer Betätigung drohte, wofür keine Anhaltspunkte bestehen, stellte dies grundsätzlich keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dar. Auch eine etwaig drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung ist nicht schon für sich genommen eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung. Die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 S. 63; Beschluss vom 2. Juni 2017 - 1 B 108.17 u.a. - juris Rn. 10 m.w.N.). Anderes folgt hier auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), wonach eine Verfolgungshandlung vorliegt bei ""Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen"". Selbst wenn der Kläger den Militärdienst verweigern sollte - wofür sich in Anbetracht der auf seinem Smartphone sichergestellten Bilder und Videos mit Jihad-Szenen, des Besitzes einer Softair-Waffe und der Bereitschaft, sich mit einer Langwaffe ablichten zu lassen, schutzwürdige Gründe nicht aufdrängen -, lässt sich den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nichts Substantiiertes dafür entnehmen, dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in einem ""Konflikt"" eingesetzt würde, in dem der Militärdienst die genannten Verbrechen oder sonstigen Handlungen umfassen würde. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass eine Bestrafung wegen (unterstellter) Wehrdienstverweigerung - wie nach § 3a Abs. 3 und § 3b AsylG gefordert - an einen tatsächlich vorhandenen oder dem Kläger zugeschriebenen Verfolgungsgrund anknüpfen würde (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 u.a. - juris Rn. 12). 99 b) Es bestand auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG oder nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dem Kläger droht bei Abschiebung weder die Gefahr der Todesstrafe (aa), noch die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung (bb). 100 aa) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht schon deshalb nicht, weil die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft ist. Seit dem Jahr 2004 ist in Art. 38 der Verfassung der Republik Türkei verankert, dass die Todesstrafe unzulässig ist. Zudem hat die Türkei die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ebenso wie die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet und ratifiziert. Zwar wird seit dem Putschversuch im Juli 2016 um die Wiedereinführung der Todesstrafe debattiert. Die Realisierung einer solchen Wiedereinführung ist indes gegenwärtig nicht absehbar (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht vom 3. August 2018 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, Stand Juli 2018, S. 26). 101 bb) Dem Kläger drohte im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer islamistisch-extremistischen terroristischen Vereinigung beziehungsweise wegen der Gründe der Abschiebungsanordnung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG und/oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen werden selbst Anhänger der Terrororganisation ""Islamischer Staat"", von der sich der Kläger ausdrücklich distanziert, in der Türkei zwar grundsätzlich strafrechtlich verfolgt. Aus der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 auf Fragen des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - ergibt sich, dass sich im Februar 2017 nach Angaben des türkischen Justizministeriums insgesamt 498 ausländische ""IS""-Anhänger in türkischen Haftanstalten befunden haben sollen, davon 470 in Untersuchungshaft und 28 im Strafvollzug. Zahlen zu türkischen Staatsangehörigen liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Es verfügt auch nicht über offizielle Angaben zu den angewandten Strafvorschriften und zur Strafhöhe. Nach Pressemeldungen zu Einzelfällen seien Art. 309 und 314 tStGB angewandt worden. Amnesty International hat auf eine Anfrage des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 mit Schreiben vom 29. August 2017 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - mitgeteilt, die Organisation verfüge über keine eigenen Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß, mit welcher Konsequenz und ab welchem Grad der Unterstützungsaktivität ""IS""-Anhänger in der Türkei verfolgt würden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes geht der Senat allerdings davon aus, dass eine Strafverfolgung auch wegen Aktivitäten außerhalb der Türkei grundsätzlich möglich erscheint. 102 Nach einem Bericht von Tahiroglu/Schanzer, Islamic State Networks in Turkey, March 2017, S. 17 ff., auf den das Auswärtige Amt in der vorgenannten Auskunft für aktuellere Angaben verwiesen hat, wird die Strafverfolgung von ""IS""-Anhängern in der Türkei allerdings nicht mit Nachdruck betrieben. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums hätten türkische Sicherheitskräfte im Jahr 2016 22 größere terroristische Vorfälle mit ""IS""-Bezug verhindert; 1 338 ""IS""-Verdächtige, darunter 694 ausländische Staatsangehörige, seien im Laufe des Jahres 2016 verhaftet worden; Anfang Februar 2017 seien 820 ""IS""-Verdächtige in einer ""Zwei-Tages-Kampagne"" verhaftet worden. Die Bemühungen der Türkei, die jihadistische Gefahr einzudämmen, seien aber zu gering und kämen zu spät. Die seit 2016 ansteigende Zahl von Verhaftungen sei irreführend, da viele ""IS""-Verdächtige binnen Tagen oder Wochen wieder freigelassen worden seien. Während sich die Türkei damit brüste, 1 338 ""IS""-Verdächtige verhaftet zu haben, sei es nur zu sieben Verurteilungen gekommen. Die gesetzlichen Standards für die Verurteilungen von Jihadisten in der Türkei lägen zu hoch. Türkische Kämpfer, die aus ""IS""-Kampfgebieten im Irak oder Syrien zurückkehrten, würden nur verurteilt, wenn ihnen nachgewiesen werde, dass sie das Staatsgebiet oder Bürger der Türkei direkt angegriffen hätten. Ein früherer ""IS-Henker"" lebe ausweislich eines im Juli 2015 gegebenen Interviews derzeit unbehelligt in Ankara und arbeite dort als Parkplatzwächter. Ein anderer ""IS""-Angehöriger, der beim Erschießen eines Menschen in Syrien gefilmt worden sei, sei im Juli 2016 wegen ""guter Führung"" nur zu einer reduzierten Freiheitsstrafe verurteilt worden. ""IS""-Mitglieder, die Anschläge gegen die Türkei verübt haben, würden weder zeitnah noch mit der vollen Härte des Gesetzes verurteilt. So seien die Verantwortlichen für den ""IS""-Anschlag von März 2014 in Zentralanatolien erst 2016 verurteilt worden. Die Verhandlung sei mehrmals verschoben und der Richter viermal ausgetauscht worden. Überdies würden dieselben Verdächtigen oft mehrmals verhaftet und wieder freigelassen, wofür mehrere Beispiele genannt werden. Dieses nachlässige Vorgehen stehe in auffälligem Kontrast zur Behandlung kurdischer Nationalisten und anderer Oppositioneller in der Türkei. Kurdische Politiker und Zivilpersonen würden häufig unter dubiosen Terrorismusvorwürfen verhaftet und verurteilt. 103 Angesichts dieser Lageeinschätzung ist in Bezug auf den Kläger, der sich in den zurückliegenden Jahren wiederholt ablehnend gegenüber der Terrororganisation des ""IS"" geäußert hat und in der Türkei bislang erkennbar keinerlei Engagement für diese oder andere Terrororganisationen entfaltet hat, im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (""real risk"") davon auszugehen, dass gegen ihn bei Rückführung in die Türkei aufgrund der in Deutschland erhobenen Terrorismusvorwürfe und des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens ein Strafverfahren geführt oder es über eine Befragung hinaus sonst zu einer Inhaftierung kommen würde. 104 Zwar interessieren sich die türkischen Behörden ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 (- 508-31-516.80/49703 -) für Strafverfahren gegen eigene Staatsangehörige, die Terrorismusvorwürfe zum Gegenstand haben. Ein solches wird gegen den Kläger im Bundesgebiet im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geführt; das insoweit ergangene erstinstanzliche Urteil, das einen Freispruch vorsieht, ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Allein dieses Interesse begründet indes keine beachtliche Gefahr Art. 3 EMRK nichtachtender behördlicher Maßnahmen. 105 Auch aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes, wonach sich die türkischen Behörden für die Gründe derartiger Abschiebungen interessierten, ergibt sich keine andere Einschätzung, weil durch die deutschen Behörden auf Nachfrage der türkischen Behörden keine näheren Angaben zu den Gründen gemacht werden, die über die Feststellung des unrechtmäßigen Aufenthalts hinausgehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 - 508-31-516.80/49703 -), sodass insbesondere davon auszugehen ist, dass jenseits eines möglichen Hinweises auf eine beabsichtigte Weiterreise nach Syrien Einzelheiten über die hier vorliegenden Ermittlungserkenntnisse und Beweismittel nicht an die türkischen Behörden weitergegeben werden. Zudem weisen die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe keinen unmittelbaren Bezug zur Republik Türkei auf; namentlich ist bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht davon auszugehen, dass der Kläger aus der Sicht der türkischen Strafverfolgungsbehörden bereits spezifisch türkische Interessen verletzt hatte. 106 Sofern der Kläger in der Türkei Terrororganisationen unterstützende Aktivitäten entfalten beziehungsweise Terroranschläge planen oder unterstützen sollte, wäre ein solches Verhalten nach der Abschiebung nicht geeignet, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot zu begründen. 107 Soweit er in einem Telefonat am 2. August 2017 unter Bezugnahme auf seinen Türkeiaufenthalt im Herbst 2016 ausführte, die türkische Polizei suche ihn ""jetzt"", sie habe bei seinem Bruder angerufen und nach ihm, dem Kläger, gefragt (Bl. 402 der Ermittlungsakte), hat er dieses in keiner Weise substantiierte Vorbringen im vorliegenden Verfahren nicht aufgegriffen. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er vielmehr bekundet, die Suche habe nicht ihm, sondern einer anderen Person gegolten. 108 Ist nach dem Vorstehenden nicht damit zu rechnen, dass der Kläger nach seiner Abschiebung - über eine kurzzeitige Befragung im Zusammenhang mit der Abschiebung hinaus - in den Fokus der türkischen Sicherheitsbehörden geraten wird, bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung drohen würden. Ebenso wenig rechtfertigen Tatsachen die Annahme einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung. Die Richtigkeit dieser Prognose wird letztlich auch durch das Verhalten des Klägers selbst bestätigt, der jedenfalls am 18. Dezember 2017 nach vorheriger Rücksprache mit seinem in der Türkei aufhältigen Bruder und dessen Kontaktaufnahme mit einer Sicherheitsperson das Risiko, in der Türkei festgenommen zu werden, als nicht so hoch einschätzte, dass es ihm Veranlassung gegeben hätte, von einer Ausreise Abstand zu nehmen. 109 Mangels beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Klägers nach seiner Abschiebung bedurfte es auch keiner Zusicherung bezüglich der Gestaltung der Haftbedingungen und der Ermöglichung von Besuchen eines Rechtsbeistandes. Insofern ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2017 - 2 BvR 2259/17 - (NVwZ 2018, 318) kein weiterer Aufklärungsbedarf zu den Haftbedingungen in der Türkei. 110 c) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 oder 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK folgt auch nicht aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in die Türkei zur Ableistung des Wehrdienstes einberufen wird. Für eine im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits erfolgte Wehrdienstverweigerung, die eine Bestrafung nach sich ziehen könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass er, insbesondere während seines Aufenthalts in der Türkei von Ende Oktober bis Ende Dezember 2016, bereits gemustert bzw. einberufen worden wäre oder er sogar schon gegenüber den türkischen Behörden erklärt hätte, den Wehrdienst zu verweigern. Auch aus der möglichen Annahme einer künftigen, erst nach der Rückkehr des Klägers in die Türkei erklärten Wehrdienstverweigerung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Bestrafung, folgt hier nichts anderes. Zwar kann sich aus einem erst künftig zu erwartenden Geschehen ein Abschiebungsverbot ergeben, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Kausalverlauf in Gang gesetzt worden ist, der bei ungehindertem Ablauf zwingend dazu führt, dass die Gründe für ein Abschiebungsverbot eintreten werden. Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat für das türkische System, das keinen Ersatzdienst und kein Verfahren vorsieht, in dem dargelegt werden kann, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorliegen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern trifft. Die Wehrdienstverweigerern in der Türkei drohende Mehrfachbestrafung verletzt nach dieser Rechtsprechung Art. 3 EMRK (EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 - Nr. 42730/05, Savda/Türkei -). Danach kommt ein Abschiebungsverbot allerdings nur dann in Betracht, wenn der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert (zu einem solchen Fall vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - OVG 10 B 10.12 -). Daran fehlt es bei dem Kläger. Eine Gewissensentscheidung in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine sittliche Entscheidung, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1972 - 8 C 46.72 - BVerwGE 41, 53 <55> und vom 1. Februar 1989 - 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239 <240 f.>). Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 5. Februar 2016 - 9 B 16/16 - juris Rn. 30). Hierfür bietet das Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte. Die Behauptung einer ernsthaften Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen wird hier überdies durch die auf den beschlagnahmten Datenträgern vorgefundenen zahlreichen Aufnahmen unter anderem von Hinrichtungen und getöteten Kämpfern sowie die im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme sichergestellte Softair-Pistole wie auch ein Foto, das den Kläger mit einer angelegten Langwaffe zeigt, widerlegt. Seit der Änderung von Art. 63 tMilStGB ist bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich (Auswärtiges Amt, Bericht vom 3. August 2018 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei, Stand Juli 2018, S. 20). Sollte der Kläger wider Erwarten den Wehrdienst verweigern und aus diesem Grund in der Türkei nicht zu einer Geld-, sondern zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, wäre dieses künftige - nicht auf einer bindenden Gewissensentscheidung beruhende - Verhalten nicht geeignet, im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot zu begründen (zur Relevanz ""zumutbaren Alternativverhaltens"" vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2018 - 1 B 8.18 - juris Rn. 17 m.w.N.). 111 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-12,21.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 12/2019 vom 21.02.2019 EN Privilegierung im Bauplanungsrecht nur für öffentlich verantwortete Unterbringung von Geflüchteten Die planungsrechtliche Begünstigung nach § 246 Abs. 9 BauGB für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, kommt nur Bauvorhaben zugute, mit denen die öffentliche Hand ihrer Unterbringungsverantwortung genügen will. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin verlangte von der beklagten Stadt Kassel eine Baugenehmigung für den Bau einer Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende im Außenbereich. Die Stadt sah keinen Bedarf für eine solche Einrichtung und lehnte den Bauantrag ab. Die auf Erteilung der Baugenehmigung gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ließ der Bau die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten und war daher unzulässig. Die Klägerin könne sich nicht auf § 246 Abs. 9 BauGB berufen, der - befristet bis zum 31. Dezember 2019 - den Bau von Flüchtlingsunterkünften erleichtert. Die Norm begünstige allein die Flüchtlingsunterbringung in öffentlicher Verantwortung. Private Vorhaben seien nur privilegiert, wenn die öffentliche Hand einer eigenen Unterbringungsverpflichtung in dem privaten Vorhaben nachkommen wolle. Daran fehle es. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. § 246 Abs. 9 BauGB begünstigt Vorhaben, die der „Unterbringung“ von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen. Unterbringung ist nur die öffentlich verantwortete Unterbringung, sei es in Bauten der öffentlichen Hand, sei es in privaten Unterkünften. Dies folgt aus dem fachsprachlichen Wortlaut und den Gesetzgebungsmaterialien. Es muss daher durch Abstimmung mit der öffentlichen Hand oder in sonstiger Weise hinreichend gesichert sein, dass ein Bau für die öffentlich verantwortete Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden genutzt werden wird. Anderenfalls kommt § 246 Abs. 9 BauGB einem Vorhaben nicht zugute. BVerwG 4 C 9.18 - Urteil vom 21. Februar 2019 Vorinstanzen: VGH Kassel, 4 A 1837/17 - Urteil vom 22. Februar 2018 - VG Kassel, 2 K 278/16.KS - Urteil vom 03. Mai 2017 -","Urteil vom 21.02.2019 - BVerwG 4 C 9.18ECLI:DE:BVerwG:2019:210219U4C9.18.0 EN Bauplanungsrechtliche Begünstigung einer Flüchtlingsunterkunft Leitsatz: Der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden im Sinne des § 246 Abs. 9 BauGB dienen nur Vorhaben, mit denen die öffentliche Hand ihre Unterbringungsverantwortung wahrnimmt. Vorhaben privater Bauherrn sind nur begünstigt, wenn sie in Abstimmung mit der öffentlichen Hand errichtet werden oder in zumindest vergleichbarer Weise gesichert ist, dass sie der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe dienen werden. Rechtsquellen BauGB § 246 Abs. 9 Instanzenzug VG Kassel - 03.05.2017 - AZ: VG 2 K 278/16.KS VGH Kassel - 22.02.2018 - AZ: VGH 4 A 1837/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.02.2019 - 4 C 9.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:210219U4C9.18.0] Urteil BVerwG 4 C 9.18 VG Kassel - 03.05.2017 - AZ: VG 2 K 278/16.KS VGH Kassel - 22.02.2018 - AZ: VGH 4 A 1837/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Prof. Dr. Külpmann für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin. Gründe I 1 Die Klägerin verlangt eine Baugenehmigung für eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber. 2 Das eingeschossige Gebäude mit vier Bewohnerzimmern, einer Küche sowie zwei Bädern soll auf einem unbeplanten Grundstück errichtet werden. Die Grundstücke auf der gegenüberliegenden, nördlichen Straßenseite sind unbebaut, ebenso die in südlicher Richtung an das Vorhabengrundstück anschließende Fläche. Nach Osten folgen, getrennt durch einen Stichweg, ein Grundstück mit einem Villengebäude und weitere Bebauung. Auf dem westlich gelegenen Grundstück steht im hinteren Bereich eine kleine Villa, dem schließt sich eine regellose und kleinteilige Bebauung auf großen Grundstücken an. 3 Die beklagte Gemeinde sieht keinen Bedarf für die Unterkunft und lehnt es ab, der Klägerin Ausländer zuzuweisen, für die sie - die Beklagte - die Unterbringungsverantwortung trägt. 4 Ausgangs- und Widerspruchsbehörde lehnten den Bauantrag ab. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos (VG Kassel, Urteil vom 3. Mai 2017 - 2 K 278/16.KS -; VGH Kassel, Urteil vom 22. Februar 2018 - 4 A 1837/17 - ZfBR 2018, 482 = BauR 2018, 1697 = ESVGH 68, 189). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Vorhaben als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es die Erweiterung und Verfestigung der westlich liegenden Splittersiedlung befürchten lasse. Dieser Belang könne dem Vorhaben entgegengehalten werden. Denn § 246 Abs. 9 BauGB begünstige nur die Flüchtlingsunterbringung in öffentlicher Verantwortung. Errichtet ein privater Bauherr eine solche Unterkunft, müsse das Vorhaben in Abstimmung mit dem öffentlich-rechtlichen Unterbringungsverpflichteten errichtet werden. Daran fehle es. 5 Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie hält ihr Vorhaben für begünstigt nach § 246 Abs. 9 BauGB. Dem tritt die Beklagte entgegen. II 6 Die Revision bleibt erfolglos. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) in Einklang. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Baugenehmigung, weil ihr Vorhaben gegen Bauplanungsrecht verstößt. 7 Nach Auffassung der Vorinstanz nimmt das unbeplante Baugrundstück nicht am Bebauungszusammenhang teil. Die Unterkunft ist ein sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB und beeinträchtigt einen öffentlichen Belang, weil es die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten lässt. § 246 Abs. 13 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB kommt ihm nicht zugute, weil es jedenfalls an einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage fehlt. Dies nimmt die Revision hin. 8 Die Beteiligten streiten um die Auslegung des § 246 Abs. 9 BauGB. Danach gilt bis zum 31. Dezember 2019 die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB für Vorhaben entsprechend, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Abs. 1 oder § 34 BauGB zu beurteilenden Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs steht. Einem nach § 246 Abs. 9 BauGB begünstigten Vorhaben kann daher nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht entgegengehalten werden, dass es die Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. § 246 Abs. 9 BauGB greift indes nicht zugunsten der Klägerin ein, weil ihr Vorhaben nicht der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dient. 9 ""Unterbringung"" in § 246 Abs. 9 BauGB bezeichnet weder eine herkömmliche noch eine neue Art der baulichen Nutzung (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2018, § 246 Rn. 56), sondern eine Aufgabe, die öffentlich-rechtliche Träger erfüllen. Im allgemeinen Sprachgebrauch mag das Wort die Gewährung von Obdach durch Private bezeichnen, maßgebend ist seine fachsprachliche Bedeutung. Das Asylgesetz benennt in der amtlichen Überschrift von § 53 AsylG (""Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften"") eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Auch Ländergesetze bezeichnen als Unterbringung eine staatliche oder kommunale Aufgabe, so etwa das bayerische Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Aufnahmegesetz - AufnG) vom 24. Mai 2002 (GVBl S. 192), das hessische Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen (Landesaufnahmegesetz) vom 5. Juli 2007 (GVBl I S. 399), das sächsische Gesetz zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Flüchtlingsaufnahmegesetz - SächsFlüAG) vom 25. Juni 2007 (SächsGVBl S. 190) und das Thüringer Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Flüchtlingen (Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz - ThürFlüAG) vom 16. Dezember 1997 (GVBl. S. 541). Unterbringung meint damit eine Aufgabe öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften, auch wenn diese in § 246 Abs. 9 BauGB nicht ausdrücklich erwähnt werden. 10 Diese Sicht entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers. § 246 Abs. 9 BauGB geht zurück auf den Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (BR-Drs. 419/14 ) und den dort vorgeschlagenen § 2 Abs. 3 eines Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetzes. Nach dem Allgemeinen Teil der Begründung sollten Regelungen geschaffen werden, ""mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert wird"" (BT-Drs. 18/2752 S. 7). Die Bundesregierung erkannte an, dass ""das massive Ansteigen der Flüchtlingszahlen Länder und Kommunen vor vielfältige Herausforderungen"" stelle (BT-Drs. 18/2752 S. 9). Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages ging davon aus, dass das Gesetz ""auf die Unterbringung von Personen zielt, die im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt haben oder für deren Unterbringung Bund, Länder oder Kommunen aus sonstigen Gründen Verantwortung tragen"" (BT-Drs. 18/3070 S. 10). 11 Das Bestehen einer Unterbringungsverantwortung grenzt den in der Norm genannten Personenkreis ab. Asylbegehrende sind Ausländer, die einen Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG gestellt haben und die sich während des Verwaltungsverfahrens zunächst in Aufnahmeeinrichtungen (vgl. §§ 47 ff. AsylG) aufhalten und im Anschluss in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Ein (anerkannter) Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist zwar nach § 53 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AsylG nicht verpflichtet, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, sofern durch ihn eine anderweitige Unterkunft nachgewiesen wird und der öffentlichen Hand dadurch Mehrkosten nicht entstehen. Die öffentliche Hand kann aber dennoch eine Unterbringungsverantwortung treffen, sei es als fortwirkende Unterbringungsverantwortung (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 23. Februar 2017 - 3 S 149/17 - NVwZ-RR 2017, 602 Rn. 15; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2018, § 246 Rn. 54; a.A. Scheidler, ZfBR 2016, 27 <28>; Roeser, in: Berliner Kommentar, Stand August 2018, § 246 Rn. 23), sei es zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Die Kommunen sind darüber hinaus regelmäßig für die Aufnahme und Unterbringung der Ausländer zuständig, die nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt sind (zusammenfassend Ritgen, in: Meyer/Ritgen/Schäfer, Handbuch Flüchtlingsrecht und Integration, 2. Aufl. 2018, S. 222). Dies erfasst auch Personen, die im aufenthaltsrechtlichen Sinn weder Flüchtlinge noch Asylbegehrende sind, für deren Unterbringung die Praxis aber entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/3070 S. 10 ""... aus sonstigen Gründen ..."") die Begünstigung des § 246 Abs. 9 BauGB in Anspruch nimmt (Fachkommission Städtebau, Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen , beschlossen am 15. Dezember 2015 unter 1., abgedruckt bei Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2018, § 246 Anh. II). 12 Die Errichtung eines Vorhabens nach § 246 Abs. 9 BauGB nimmt das jeweilige Außenbereichsgrundstück dauerhaft in Anspruch. Denn nach § 246 Abs. 17 BauGB bezieht sich die Befristung in § 246 Abs. 9 BauGB nicht auf die Geltungsdauer der Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende in bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Angesichts dieser Rechtsfolge berücksichtigt die Beschränkung des § 246 Abs. 9 BauGB auf die Unterbringung in öffentlicher Verantwortung den Charakter der Norm als Ausnahmevorschrift, wie er in ihrer systematischen Stellung und amtlichen Überschrift zum Ausdruck kommt. Zugleich genügt sie dem Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs, der als Leitgedanken den gesamten § 35 BauGB beherrscht (stRspr, zuletzt BVerwG, Urteil vom 1. November 2018 - 4 C 5.17 - NVwZ 2019, 243 Rn. 16). 13 Zwar darf die öffentliche Hand ihre Unterbringungsverantwortung im Zusammenwirken mit privaten Trägern wahrnehmen. Die jeweilige Gebietskörperschaft und nicht ein privater Bauherr entscheidet aber darüber, ob und welcher Bedarf für öffentliche Unterbringungseinrichtungen und damit für die Inanspruchnahme des § 246 Abs. 9 BauGB besteht. Vorhaben privater Bauherren sind nur begünstigt, wenn diese in Abstimmung mit der öffentlichen Hand errichtet werden oder in zumindest vergleichbarer Weise gesichert ist, dass sie der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe dienen werden. Daran fehlt es beim Vorhaben der Klägerin. Sie will ihre Einrichtung ohne Abstimmung mit der öffentlichen Hand errichten und belegen, während die Beklagte keinen Bedarf für eine Unterkunft in ihrem Gemeindegebiet erkennt. 14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-13,26.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 13/2019 vom 26.02.2019 EN Unwirksame Asylantragsrücknahme im Dublin-Verfahren Nimmt ein Asylbewerber seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Aufrechterhaltung eines Antrags auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zurück, setzt die Wirksamkeit der Rücknahme die Darlegung voraus, dass das aufrechterhaltene Abschiebungsschutzbegehren nicht auf Gründe gestützt wird, die dem internationalen Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz) unterfallen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Kläger, eine Familie iranischer Staatsangehörigkeit, reisten im September 2014 mit einem gültigen österreichischen Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein und stellten Asylanträge. Einem im Oktober 2014 an die Republik Österreich gerichteten Übernahmeersuchen nach der Dublin III-Verordnung stimmte diese zu. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Asylanträge mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Österreich an. Nach Klageerhebung nahmen die Kläger ihre Asylanträge zurück und hielten nur noch das Begehren aufrecht, ein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, die Dublin III-Verordnung bleibe auch dann weiter anwendbar, wenn ein Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zurücknehme, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat dem Aufnahmegesuch zugestimmt hat. Die Revision der Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Kläger ihre Asylanträge nicht wirksam zurückgenommen haben und die Zuständigkeit Österreichs für die Asylverfahren bereits aus diesem Grund fortbesteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat ein schutzsuchender Ausländer, der sich auf Gründe beruft, die materiell dem internationalen Schutz unterfallen, kein Wahlrecht hinsichtlich der begehrten Schutzform. Er ist vielmehr hinsichtlich aller zielstaatsbezogener Gefahren, die geeignet sind, einen Anspruch auf internationalen Schutz zu begründen, auf das Asylverfahren beim Bundesamt verwiesen. Bei einem förmlichen Asylantrag ist grundsätzlich von der Geltendmachung derartiger Gefahren auszugehen. Die Rücknahme eines solchen Antrags ist daher in einem Fall, in dem der Antragsteller ein Begehren auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote aufrechterhält, nur wirksam, wenn der Antragsteller darlegt, dass er keine vom internationalen Schutz umfassten Schutzgründe (mehr) geltend macht. Daran fehlte es hier. Über die Wirksamkeit der Rücknahme ist für die Zwecke des Dublin-Verfahrens nach hiesigem nationalem Recht zu befinden. BVerwG 1 C 30.17 - Urteil vom 26. Februar 2019 Vorinstanzen: OVG Hamburg, 1 Bf 50/15.A - Urteil vom 30. Januar 2017 - VG Hamburg, 10 A 5341/14 - Urteil vom 17. Februar 2015 -","Urteil vom 26.02.2019 - BVerwG 1 C 30.17ECLI:DE:BVerwG:2019:260219U1C30.17.0 EN Unwirksame Asylantragsrücknahme im Dublin-Verfahren Leitsätze: 1. Ein Antragsteller ist mit einem Schutzersuchen, mit dem er zielstaatsbezogene Gefahren geltend macht, die ihrer Art nach objektiv geeignet sind eine Anerkennung als Asylberechtigter oder eine Zuerkennung internationalen Schutzes zu begründen (materielles Asylbegehren im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG), auf das Asylverfahren vor dem Bundesamt zu verweisen. Er hat kein Wahlrecht zwischen einer Prüfung durch die Ausländerbehörde und einer Prüfung durch das Bundesamt (Bestätigung der Rechtsprechung zu § 13 Abs. 1 AsylVfG a.F., vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 11.08 - BVerwGE 134, 124 Rn. 34). 2. Nimmt ein Asylbewerber seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Aufrechterhaltung eines Antrags auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zurück, setzt die Wirksamkeit der Rücknahme die Darlegung voraus, dass das aufrechterhaltene Abschiebungsschutzbegehren nicht auf Gründe gestützt wird, die dem internationalen Schutz (Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz) unterfallen. 3. Über die Wirksamkeit der Rücknahme eines Asylantrags befindet für die Zwecke des Dublin-Verfahrens der Mitgliedstaat, der dieses Verfahren durchführt, nach seinem nationalen Recht. Rechtsquellen AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3c, 4, 13 Abs. 1 und 2, §§ 14, 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 31 Abs. 3, §§ 32, 34a AufenthG § 60 Abs. 5 und 7, § 72 Abs. 2 Dublin III-VO Art. 2 Buchst. b und e, Art. 3 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 21, 22, 27 Abs. 3 Buchst. c, Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 49 Richtlinie 2013/32/EU Art. 2 Buchst. b VwGO § 80 Abs. 5, § 80b Instanzenzug VG Hamburg - 17.02.2015 - AZ: VG 10 A 5341/14 OVG Hamburg - 30.01.2017 - AZ: OVG 1 Bf 50/15.A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 26.02.2019 - 1 C 30.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:260219U1C30.17.0] Urteil BVerwG 1 C 30.17 VG Hamburg - 17.02.2015 - AZ: VG 10 A 5341/14 OVG Hamburg - 30.01.2017 - AZ: OVG 1 Bf 50/15.A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2017 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig und die Anordnung ihrer Abschiebung nach Österreich. 2 Die Kläger, eine Familie iranischer Staatsangehörigkeit, reisten im September 2014 mit Schengen-Visa in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge. Die Visa waren von der österreichischen Botschaft in Teheran ausgestellt worden. 3 Am 14. Oktober 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an die Republik Österreich. Die österreichischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO. 4 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge gemäß § 27a AsylVfG a.F. wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Österreich an. Dagegen erhoben die Kläger fristgerecht Klage und beantragten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. November 2014 an das Bundesamt gaben die Kläger folgende Erklärung ab: ""Der Asylantrag der Mandanten wird hiermit beschränkt auf das Begehren, es möge ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festgestellt werden. Im Übrigen wird der Asylantrag zurückgenommen."" Zur Begründung ihrer Rechtsschutzgesuche machten die Kläger geltend, dass nunmehr keine Asylanträge im Sinne der Dublin III-VO mehr vorlägen und diese mithin nicht mehr anwendbar sei. 5 Das Verwaltungsgericht lehnte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab und wies mit Urteil vom 17. Februar 2015 auch die Klage ab. Es sei schon nicht erkennbar, dass die Kläger ihr Schutzgesuch wirksam auf das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote beschränkt hätten. Ungeachtet dessen habe die Rücknahme jedenfalls dann keine Auswirkungen auf die bereits begründeten Zuständigkeiten nach der Dublin III-VO, wenn sie - wie hier - erst nach der Zustimmung des anderen Mitgliedstaats zur Übernahme erfolgt sei. 6 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 9. Juni 2015 unter Abänderung des ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Die Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Januar 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Republik Österreich für die Asylverfahren der Kläger sei nicht nachträglich auf Deutschland übergegangen. Die sechsmonatige Frist für die Überstellung sei noch nicht abgelaufen. Österreich bleibe auch nach der Erklärung der Kläger über die Rücknahme der Asylanträge und Beschränkung auf nationalen Abschiebungsschutz zuständig. Die Aufnahmeverpflichtung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO sei nicht daran geknüpft, dass ein gestellter Antrag später nicht zurückgenommen worden sei. Die Anwendbarkeit der Dublin III-VO sei durch die Rücknahme nicht entfallen, weil diese erst nach der durch die Zustimmung zur Übernahme verbindlich gewordenen Feststellung der Zuständigkeit Österreichs erfolgt sei. In einem solchen Fall könne der Hauptzweck des Dublin-Systems noch erreicht werden, denn der zuständige Mitgliedstaat habe auf der Grundlage seiner Rechtsvorschriften über die Wirksamkeit der Rücknahme zu befinden und das Asylverfahren einer Beendigung durch abschließende Entscheidung zuzuführen. Das Dublin-System würde unterlaufen, wenn es der Antragsteller auch dann, wenn bereits eine - konstitutive - Zuständigkeitsregelung durch Abgabe der Übernahmeerklärung erfolgt sei, in der Hand hätte, die Zuständigkeit durch eine Rücknahmeerklärung zu beeinflussen. Die Änderungen der Dublin III-VO gegenüber der Dublin II-VO - insbesondere die gemäß der Rechtsprechung des EuGH mit der Dublin III-VO einhergehende Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten - berührten die vorliegende Fallkonstellation nicht. Nach allem komme es nicht darauf an, ob die Rücknahme der Asylanträge durch die Kläger nach deutschem Recht wirksam erfolgt sei. 7 Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 34a Abs. 1 AsylG. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil die Dublin III-VO infolge der Rücknahme der Anträge auf internationalen Schutz keine Anwendung mehr finde. Die Folgen einer solchen Rücknahme seien in der Dublin III-VO nicht ausdrücklich geregelt. Angesichts der eindeutigen Vorgabe des Art. 1 Dublin III-VO entspreche es nicht dem Hauptzweck der Verordnung, auch Entscheidungen wie diejenige über die Wirksamkeit einer Rücknahme auf den ersuchten Mitgliedstaat zu verlagern. Der Annahme, dass der Zustimmungserklärung des ersuchten Mitgliedstaates auch nach der Dublin III-VO konstitutive Wirkung zukomme, stehe die Rechtsprechung des EuGH zur Dublin III-VO entgegen, nach der ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs nunmehr auch die fehlerhafte Anwendung der Zuständigkeitskriterien geltend machen könne. Eine Zustimmungserklärung solle demnach gerade keine Zuständigkeit begründen können. Nicht überzeugend sei auch die Annahme des Berufungsgerichts, es widerspreche dem Dublin-System, wenn der Antragsteller es in der Hand habe, sein Verfahren der Dublin-Verordnung zu unterstellen oder nicht. Dies lasse sich ohnehin nicht verhindern, da es einem Antragsteller freistehe, sein Begehren von vornherein auf nationalen Abschiebungsschutz zu beschränken. Dahinstehen könne, ob von einem Antrag auf internationalen Schutz ungeachtet der Dispositionsmaxime auszugehen sei, wenn ein Antragsteller sich zwar nicht förmlich auf internationalen Schutz berufe, aber Gründe anführe, die dem internationalen Schutz unterfielen. Denn die Kläger hätten zur Begründung ihres Antrags bisher nichts vorgetragen, so dass für eine vom förmlichen Antrag, der auf nationalen Abschiebungsschutz beschränkt worden sei, abweichende Auslegung kein Raum bleibe. Die Richtlinie 2013/32/EU erlaube es einem Antragsteller, anstelle des internationalen Schutzes ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes zu ersuchen. § 32 AsylG sehe in Rücknahmefällen zudem ausdrücklich vor, dass das Bundesamt noch die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG prüfe. Jedenfalls könne der angefochtene Bescheid nicht ohne Vorlage des Verfahrens an den EuGH als rechtmäßig bestätigt werden. 8 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Kläger ihre Asylanträge bereits nicht wirksam zurückgenommen hätten. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt. II 10 Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob - wozu er neigt - die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Rücknahme eines Asylantrags stehe der weiteren Anwendbarkeit der Dublin-Regeln nicht entgegen, wenn sie erst nach der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Aufnahme des Antragstellers erfolge, im Einklang mit Bundesrecht steht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und ob sich dies hinreichend eindeutig aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Unzulässigkeitsentscheidung (1.) und die Abschiebungsanordnung (2.) im Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 2014 sind schon deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Kläger ihre Asylanträge nicht wirksam zurückgenommen haben und die Zuständigkeit Österreichs für die Asylverfahren bereits aus diesem Grund fortbesteht. 11 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren sind das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 , zuletzt geändert durch das während des Revisionsverfahrens am 12. Dezember 2018 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 ). Derselbe Anwendungsbereich verbleibt für die nach (wirksamer) Rücknahme eines Asylantrags mit der Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 32 Satz 1 AsylG zu treffende Feststellung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. In allen Fällen, in denen geltend gemachte zielstaatsbezogene Gefahren grundsätzlich (auch) in den Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes fallen, liegt hingegen ein materieller Asylantrag vor und ist der Ausländer zwingend auf das Asylverfahren beim Bundesamt zu verweisen. 25 Ohne Erfolg wenden die Kläger hiergegen ein, nach der oben zitierten unionsrechtlichen Definition des Antrags auf internationalen Schutz (Art. 2 Buchst. h Richtlinie 2011/95/EU, Art. 2 Buchst. b Richtlinie 2013/32/EU) liege ein Antrag auf internationalen Schutz nicht vor, wenn ein Antragsteller ""ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs"" der genannten Richtlinien ersucht. Ob und inwieweit eine Schutzform außerhalb des Anwendungsbereich der Richtlinien zum internationalen Schutz gesondert beantragt werden kann, ist unionsrechtlich nicht vorgegeben. Der nationale Abschiebungsschutz stellt nach deutschem Asylverfahrensrecht in der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung aber gerade keine ""gesondert zu beantragende"" Schutzform dar, soweit es um Gefahrenlagen geht, die vom internationalen Schutz erfasst sind. 26 c) Die Wirksamkeit einer Asylantragsrücknahme setzt hiervon ausgehend jedenfalls dann die plausible Darlegung voraus, dass keine Schutzgründe (mehr) geltend gemacht werden sollen, die thematisch vom internationalen Schutz umfasst sind, wenn - wie hier - ein Antragsteller zunächst ohne Einschränkung auf bestimmte Schutzgründe um internationalen Schutz nachgesucht hat und er sich auch nach der Rücknahme auf nationale Abschiebungsverbote beruft. Das gilt auch dann, wenn er - wie die Kläger hier - im Zeitpunkt der Rücknahme zur Begründung seines Asylantrages noch nichts vorgetragen hatte. Mit der förmlichen Stellung eines Asylantrags gemäß § 14 AsylG erklärt ein Antragsteller sinngemäß, dass er solche Schutzgründe geltend machen will. An dieser Erklärung muss er sich in Ermangelung weiterer Angaben bis auf Weiteres festhalten lassen. Eine wirksame Rücknahme setzt dann die nachvollziehbare Darlegung voraus, dass und warum diese Einordnung seines Schutzbegehrens unzutreffend war oder sich die Schutzgründe nachträglich dergestalt verändert haben, dass sie nunmehr eindeutig nur unter den nationalen Abschiebungsschutz fallen können. Daran fehlt es hier. Die Kläger haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem unstreitigen Akteninhalt nicht mitgeteilt, was sie bewogen hat, ihre Asylanträge zurückzunehmen. Dies war nicht deshalb entbehrlich, weil sie auch zur Begründung ihrer Asylanträge bisher nichts vorgetragen hatten. 27 d) Unionsrecht steht der Bewertung der Asylantragsrücknahmen als unwirksam nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten können danach frei entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sie die ausdrückliche Rücknahme eines Antrags auf internationalen Schutz zulassen (aa). Es obliegt auch den deutschen Behörden und Gerichten, im Rahmen des Dublin-Verfahrens und beschränkt auf dessen Zwecke über die Wirksamkeit der Rücknahme nach deutschem Recht zu befinden (bb). 28 aa) Art. 2 Buchst. e Dublin III-VO definiert die ""Rücknahme eines Antrags auf internationalen Schutz"" als die vom Antragsteller im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU ausdrücklich oder stillschweigend unternommenen Schritte zur Beendigung des Verfahrens, das aufgrund des von ihm gestellten Antrags auf internationalen Schutz eingeleitet worden ist. Das Verfahren bei (ausdrücklicher) Rücknahme des Antrags regelt Art. 27 der Richtlinie 2013/32/EU. Diese Vorschrift enthält Verfahrensvorgaben für den Fall (""soweit""), dass die Mitgliedstaaten ""nach nationalem Recht die Möglichkeit einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrags vorsehen"". Damit steht es den Mitgliedstaaten frei, davon abzusehen, die Möglichkeit einer ausdrücklichen Rücknahme überhaupt zu gewähren. Vor diesem Hintergrund ist es ihnen unionsrechtlich (""erst recht"") auch nicht verwehrt, an die materielle Beachtlichkeit einer solchen Rücknahme bestimmte, selbstdefinierte Anforderungen zu stellen. 29 bb) Über die Wirksamkeit der Rücknahme hat der Senat als deutsches Gericht nach seinem nationalen Recht zu befinden. Ob ein Antrag auf internationalen Schutz überhaupt gestellt ist, hat in Zweifelsfällen die zuständige Behörde bzw. das zuständige Gericht desjenigen Staates zu entscheiden, der das Dublin-Verfahren durchführt (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-620/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​265], Kastrati - Rn. 37 f.). Darum geht es letztlich auch bei der - hier relevanten - Frage nach der Wirksamkeit einer Antragsrücknahme. Die insoweit von dem Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren durchführt, nach seinem nationalen Recht durchgeführte Prüfung beschränkt sich dabei auf die Zwecke des Dublin-Verfahrens und hat unionsrechtlich keine Bindungswirkung für die nach Überstellung von den österreichischen Behörden durchzuführende Antragsprüfung. 30 1.4 Die Zuständigkeit war im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung schließlich nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO) auf Deutschland übergegangen (und ist dies auch weiterhin nicht). 31 Die zunächst nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 Dublin III-VO mit der Annahme des Aufnahmegesuchs ausgelöste sechsmonatige Überstellungsfrist begann am 29. Oktober 2014 zu laufen. Noch vor ihrem Ablauf wurde diese Frist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO unterbrochen durch die am 12. November 2014 fristgerecht gestellten Anträge der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Abschiebungsanordnung, welche kraft Gesetzes ein Überstellungsverbot auslösten (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Buchst. c Satz 2 Dublin III-VO). Wegen dieses verfahrenssichernden Überstellungsverbots handelt es sich bei dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO nach der ständigen Rechtsprechung des Senats um einen Rechtsbehelf, der gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin III-VO). Die Überstellungsfrist wird mithin bereits durch die Stellung des Eilantrags unabhängig davon unterbrochen, ob dieser Erfolg hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 - 1 C 16.18 - juris Rn. 17). Aus den Gründen seines Beschlusses vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - (Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 81 Rn. 18 ff.) hält es der Senat in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiterhin für geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​41], Petrosian - Rn. 40 ff., 44), dass auch in Fällen, in denen eine Überstellung kraft Gesetzes oder kraft wirksamer Einzelfallentscheidung lediglich zeitweise ausgeschlossen war, die Mitgliedstaaten über eine zusammenhängende Frist von sechs Monaten verfügen müssen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung sollen nutzen dürfen. 32 Mit Ergehen der ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz durch Beschluss vom 12. Dezember 2014 begann die sechsmonatige Überstellungsfrist zunächst neu zu laufen, wurde aber vor ihrem Ablauf erneut unterbrochen. Eine solche neuerliche Unterbrechung der Überstellungsfrist lag entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht in der - mit einem Schreiben vom 27. Mai 2015 erklärten - bloßen Einverständniserklärung der österreichischen Behörden mit einer Überstellung nach Fristablauf. Die Fristen der Verordnung sind auch im Einvernehmen der Mitgliedstaaten nicht verlängerbar (EuGH, Urteile vom 26. Juli 2017 - C-670/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​587], Mengesteab - Rn. 59 - 62 mit Anm. Vogt/Nestler, ZAR 2017, 418 <420> und vom 25. Oktober 2017 - C-201/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​805], Shiri - Rn. 30, 34). Aufgrund des Beschlusses vom 9. Juni 2015, mit dem das Oberverwaltungsgericht gemäß § 80 Abs. 7 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klagen angeordnet hat, kam dem Rechtsbehelf der Kläger aber erneut aufschiebende Wirkung zu und wurde die Überstellungsfrist daher abermals unterbrochen. 33 Nicht zu vertiefen ist, ob der Senat einen Ablauf der Überstellungsfrist während des Revisionsverfahrens berücksichtigen könnte (ebenfalls offenlassend BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 - 1 C 16.18 - Rn. 34), weil auch während des Revisionsverfahrens kein Ablauf erfolgt ist. Die Unterbrechung wirkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klagen fort, weil die aufschiebende Wirkung gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts fortdauert. Die in § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO getroffene Regelung, wonach die aufschiebende Wirkung bei Abweisung der Klage im ersten Rechtszug drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels endet, ist hingegen nicht einschlägig. Sie erfasst nicht den hier vorliegenden Fall, in dem zwar eine Klageabweisung im ersten Rechtszug vorliegt, die aufschiebende Wirkung aber (erst) durch das Berufungsgericht angeordnet wurde und dieses dann die Klage auch im zweiten Rechtszug abweist. Einer analogen Anwendung auf diese Fallgestaltung steht hier jedenfalls der Ausnahmecharakter der - belastenden - Regelung entgegen. 34 2. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG beruhende Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Soll ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Bundesamt hat eine rechtmäßige Unzulässigkeitsentscheidung getroffen. Für zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die die Durchführbarkeit der Abschiebung nach Österreich hindern würden, haben die Kläger zu keinem Zeitpunkt etwas geltend gemacht; hierfür drängt sich auch sonst nichts auf. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Abschiebungsanordnung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als rechtmäßig bestätigt hat, ohne insoweit weitere ausdrückliche Feststellungen zu treffen. 35 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2019-14,27.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 14/2019 vom 27.02.2019 EN Prüfberichte des Bundesrechnungshofs unterliegen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle Betroffene können Ansprüche auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger war bis ins Jahr 2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn (KAH). Er wendet sich gegen die Feststellung von Mängeln in der Geschäftsführung der KAH im Bericht des Bundesrechnungshofs vom 15. Mai 2007 und begehrt den Widerruf und die Richtigstellung einzelner Äußerungen. Gegenstand des Revisionsverfahrens war allein die Zulässigkeit der Klage, die das Berufungsgericht vorab im Wege eines Zwischenurteils bejaht hatte. Die Beklagte hat dagegen im Wesentlichen geltend gemacht, die in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübte und vertrauliche Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofs sei einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Jedenfalls gelte dies für Beschäftigte der von der Prüfung betroffenen staatlichen Stelle. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigt. Die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofs für den Bundestag ist einer gerichtlichen Überprüfung nicht entzogen. Ein in dem Bericht identifizierbarer Beschäftigter kann geltend machen, durch die sein Handeln betreffenden Aussagen in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen zu sein. Die mögliche Rechtsbetroffenheit wird bereits mit der Weiterleitung des Berichts an den Bundestag und nicht erst durch eine spätere Presseberichterstattung oder eine Veröffentlichung durch den Bundesrechnungshof ausgelöst. Für in den Akten dokumentierte ehrschutzrelevante Äußerungen kommt ein Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses durch bloßen Zeitablauf nicht in Betracht. BVerwG 6 C 1.18 - Urteil vom 27. Februar 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 16 A 2447/12 - Urteil vom 05. Dezember 2016 - VG Köln, 26 K 7929/10 - Urteil vom 20. September 2012 -","Urteil vom 27.02.2019 - BVerwG 6 C 1.18ECLI:DE:BVerwG:2019:270219U6C1.18.0 EN Zulässigkeit einer Klage auf Widerruf und Richtigstellung von Äußerungen in einem Bericht des Bundesrechnungshofs Leitsatz: Die in Art. 114 Abs. 2 GG begründete Sonderstellung des Bundesrechnungshofs schließt eine gerichtliche Überprüfung seiner Berichtstätigkeit nicht aus. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 1 und 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1, Art. 114 Abs. 2 BHO § 88 Abs. 2, § 96 Abs. 4 VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2 analog, §§ 109, 138 Nr. 3 Instanzenzug VG Köln - 20.09.2012 - AZ: VG 26 K 7929/10 OVG Münster - 05.12.2016 - AZ: OVG 16 A 2447/12 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.02.2019 - 6 C 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:270219U6C1.18.0] Urteil BVerwG 6 C 1.18 VG Köln - 20.09.2012 - AZ: VG 26 K 7929/10 OVG Münster - 05.12.2016 - AZ: OVG 16 A 2447/12 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Hahn, Dr. Tegethoff und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt den Widerruf und die Richtigstellung einzelner Aussagen in einem Bericht des Bundesrechnungshofes. Er war zunächst Verwaltungsdirektor und seit 2001 kaufmännischer Geschäftsführer der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn (Bundeskunsthalle). Die Bundeskunsthalle ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung des Bundes und der Länder und wird aus öffentlichen Mitteln durch den/die Bundesbeauftragten/-e für Kultur und Medien (Bundesbeauftragter) gefördert. 2 Auf Bitten des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags führte der Bundesrechnungshof ab 2004 eine Prüfung der bestimmungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung dieser Bundesmittel durch. Im vorliegend streitigen ""Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO"" vom 15. Mai 2007 unter dem Titel ""Ausgewählte Aspekte der Bundeszuwendungen an die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH sowie ihrer Geschäftstätigkeit"" stellte der Bundesrechnungshof erhebliche Mängel in der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung der Bundeskunsthalle fest. Er empfahl, der Bundesbeauftragte solle die aufgezeigten Verstöße unter allen rechtlichen Gesichtspunkten prüfen und angemessene Folgerungen ziehen. Der Bericht trug auf dem Deckblatt die Hinweise ""Dieser Bericht enthält zu schützende unternehmensbezogene Daten nach § 395 AktG!"" und im Kleindruck ""Dieser Bericht des Bundesrechnungshofes ist urheberrechtlich geschützt. Eine Veröffentlichung ist nicht zulässig."" Der Bundesrechnungshof sandte den Bericht an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses (mit 160 Abdrucken), an den Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses, an den Bundesbeauftragten, an das Bundesministerium der Finanzen und an das Prüfungsamt des Bundes Frankfurt. Das Polizeipräsidium Bonn wurde schriftlich über einen Teilaspekt (Freikarten für Vollzugskräfte) informiert. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit veranlasste der Bundesrechnungshof nicht, dennoch waren die Beanstandungen Gegenstand der Presseberichterstattung unter namentlicher Hervorhebung der Verantwortlichkeit des Klägers. In der Folge wurde der Kläger bis auf weiteres von seinem Amt freigestellt. Er kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Bundeskunsthalle. Ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren wurde 2012 eingestellt. 3 Mit seiner am 31. Dezember 2010 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, ihm werde im Bericht fälschlicherweise pflichtwidriges und strafbares Handeln unterstellt. Dadurch habe er einen massiven Ansehensverlust erlitten, der ihm eine berufliche Entwicklung im Kulturbereich unmöglich mache. In der Folge sei er schwer und dauerhaft erkrankt, seine Kreditwürdigkeit habe Schaden genommen. Er forderte Unterlassung, Widerruf und Richtigstellung mehrerer im Prüfbericht getätigter Aussagen gegenüber dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestags und dem Bundesbeauftragten. 4 Mit Urteil vom 20. September 2012 wies das Verwaltungsgericht die Klage, soweit sie in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden war, als unzulässig ab. Bezüglich des Unterlassungsbegehrens fehle es an einem Rechtsschutzinteresse, eine Wiederholung der streitgegenständlichen Äußerungen könne ausgeschlossen werden. Für die Widerrufs- und Richtigstellungsbegehren sei der Kläger nicht klagebefugt, weil eine Rechtsverletzung nicht möglich erscheine. Der Bundesrechnungshof habe sich nicht öffentlich oder für die Öffentlichkeit bestimmt geäußert. Im Übrigen sei der Kläger vom Prüfbericht lediglich in seiner Funktion als kaufmännischer Geschäftsführer betroffen, daher beschränke sich seine Rechtsschutzmöglichkeit auf die Anhörung im Prüfverfahren. Die im Grundgesetz begründete Prüf- und Berichtspflicht des Bundesrechnungshofs bezwecke eine effektive parlamentarische Haushaltskontrolle und dürfe nicht durch zwischengeschalteten Rechtsschutz verschleppt oder gar unmöglich gemacht werden. Die beanstandeten Passagen enthielten keine Schmähkritik oder offenkundig falsche Tatsachenbehauptungen, für die ggf. eine andere Betrachtung geboten sei. Für die geforderte Richtigstellung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Dem in richterlicher Unabhängigkeit prüfenden Bundesrechnungshof könnten keine Wertungen des Klägers aufgezwungen werden. Das Verwaltungsgericht hielt die Klage im Übrigen aus den genannten Gründen auch für unbegründet. Schließlich fehle es angesichts des verstrichenen Zeitraums an einer fortbestehenden Rufbeeinträchtigung. 5 Die erstinstanzlich noch geltend gemachten Unterlassungsansprüche und einen Teil der Widerrufs- und Richtigstellungsansprüche hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgt. Er begehrt aber weiterhin, dass der Bundesrechnungshof einzelne Aussagen etwa zu unter seiner Leitung eingetretenen Verlusten der Bundeskunsthalle, zur Vergabe von Freikarten für Freiluftkonzerte, zur Wirtschaftlichkeit der von der Bundeskunsthalle durchgeführten Großveranstaltungen oder zur privaten Verwendung dienstlich erworbener Bonusmeilen widerrufe oder richtigstelle. 6 Mit Zwischenurteil vom 5. Dezember 2016 (DVBl. 2017, 520) hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Prüfbericht sei kein gerichts- bzw. justizfreier Hoheitsakt. Als oberste Bundesbehörde sei der Bundesrechnungshof an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte gebunden, seine Tätigkeit unterliege gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht greife nicht in die Genese eines in richterlicher Unabhängigkeit festzustellenden und zu beschließenden Prüfungsergebnisses ein, denn Rechtsschutz komme erst in Betracht, wenn die zuständigen Mitglieder des Bundesrechnungshofs das Ergebnis der Prüfung abschließend festgestellt, beraten und den vorgesehenen Adressaten zugeleitet hätten. Während des Verfahrens bestehe dagegen eine äußerungsrechtliche Privilegierung im Sinne eines ""beleidigungsfreien Raums"". Es erscheine auch möglich, dass der Kläger durch die beanstandeten Passagen des Prüfberichts, die sich kritisch mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Bundeskunsthalle beschäftigten, in seiner persönlichen Ehre verletzt sei. Der Prüfbericht könne nicht als reines Verwaltungsinternum behandelt werden. Jedenfalls mit dem Inkrafttreten des § 96 Abs. 4 BHO und der damit eröffneten Zugangsmöglichkeit für Dritte sei damit zu rechnen, dass Prüfungsergebnisse und -berichte veröffentlicht werden könnten. Ein Folgenbeseitigungsanspruch scheitere auch nicht offensichtlich am Fehlen einer fortwirkenden Beeinträchtigung des Klägers wegen Zeitablaufs. Es sei angesichts der gerichtlichen Auseinandersetzungen und der Berichterstattung darüber durchaus denkbar, dass der Inhalt des Berichts dem Ansehen des Klägers weiterhin schaden könne. Die mögliche Rechtsverletzung beruhe auch auf hoheitlichem Handeln, denn der Bundesrechnungshof müsse sich die Berichterstattung in der Presse zurechnen lassen. Sie sei angesichts der das Prüfungsverfahren begleitenden Presseartikel zu erwarten gewesen und der Bundesrechnungshof sei einer Weitergabe an Dritte nicht in ausreichender Weise entgegengetreten. Der Kläger müsse sich nicht darauf verweisen lassen, seine Rechte im Rahmen einer künftigen Entscheidung über die Veröffentlichung des Prüfberichts geltend zu machen. Weder sei ihm zumutbar, bis zur eventuellen Anhörung zur Veröffentlichung durch den Bundesrechnungshof in einer ""Hab Acht""-Stellung zu bleiben, noch sei ein solches Verfahren vom Rechtsschutzziel und den Voraussetzungen her deckungsgleich mit dem vorliegend verfolgten Anspruch. Ebenso wenig entfalle ein Rechtsschutzbedürfnis infolge der Äußerungsmöglichkeiten im Prüfungsverfahren, denn diese schütze den Betroffenen nicht hinreichend vor Rechtsverletzungen. Der Kläger müsse auch nicht vorrangig gegen die Presseberichterstattung vorgehen. Eine Klage gegen eine korrekte Wiedergabe der Inhalte des Prüfberichts verspreche keinen Erfolg. 7 Mit ihrer Revision macht die Beklagte weiterhin die Unzulässigkeit der Klage geltend. Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO seien einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dies ergebe sich aus der staatsorganisationsrechtlichen Stellung des Bundesrechnungshofs als unabhängiges Organ der externen Finanzkontrolle und der seinen Mitgliedern verbürgten richterlichen Unabhängigkeit. Die in Art. 114 Abs. 2 GG begründete Berichtsautonomie des Bundesrechnungshofs entfalte auch gegenüber der Judikative Wirkung und entziehe die Wertungen des Bundesrechnungshofs zu Fragen der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung einer gerichtlichen Überprüfung. Damit sei dem Bundesrechnungshof ein im Wege eines Urteils aufgezwungener Widerruf oder eine Richtigstellung nicht vereinbar. Jedenfalls sei Rechtsschutz im Wege der praktischen Konkordanz auf die Fälle der echten Drittbetroffenheit sowie der Schmähkritik oder offenkundigen Falschbehauptungen zu beschränken. Die Klage erweise sich auch deshalb als unzulässig, weil es sich bei dem vorliegend streitigen Bericht um eine vertrauliche, rein innerstaatliche Beratung handle. Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO richteten sich nicht an Dritte, sondern verblieben im ""forum internum"" des Staates. Auch die in § 96 Abs. 4 BHO mittlerweile geschaffene Zugangsmöglichkeit sehe keinen Automatismus für eine Veröffentlichung der Prüfberichte vor. Vielmehr sei einer Zugänglichmachung ein eigenständiges Verfahren vorgeschaltet, das die Wahrung der Rechte Dritter sichere und dem Kläger eine effektive und einfachere Rechtsschutzmöglichkeit biete. Der Kläger müsse als leitender Angestellter eines im staatlichen Eigentum stehenden Unternehmens eine sachlich kritische Bewertung seiner Tätigkeit hinnehmen, ihm stehe keine wehrfähige Rechtsposition zu. Das Berufungsurteil verkenne, dass die angeblichen Beeinträchtigungen seiner Rechtssphäre in der Öffentlichkeit nicht auf den Äußerungen des Bundesrechnungshofs im Prüfbericht beruhten, sondern auf einer öffentlichen Berichterstattung, die dem Bundesrechnungshof nicht zuzurechnen sei. Jedenfalls unterfielen die Feststellungen im Prüfbericht einer äußerungsrechtlichen Privilegierung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stünden dem Kläger auch presserechtliche Schritte offen. Die Beklagte macht zudem eine Versagung des rechtlichen Gehörs geltend, weil sich das Zwischenurteil nicht mit ihrem Vorbringen zum Fehlen einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung infolge der personellen Diskontinuität auf Seiten der Adressaten des Prüfberichts und mit der Frage befasse, ob die Klage zur Erreichung des auf Rehabilitation in der Öffentlichkeit gerichteten klägerischen Rechtsschutzziels geeignet sei. 8 Der Kläger verteidigt das Zwischenurteil. II 9 Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsurteil hat die Zulässigkeit der Klage ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) bejaht. Insbesondere ist für die vom Kläger verfolgten Begehren der Zugang zu den Gerichten und der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (1.). Der Kläger ist klagebefugt (2.) und ihm steht ein Rechtsschutzbedürfnis zu (3.). Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (4.). 10 1. Der Kläger kann seine in der Berufungsinstanz noch anhängigen Anträge, den Bundesrechnungshof zum Widerruf und zur Richtigstellung einzelner Äußerungen im Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO vom 15. Mai 2007 zu verpflichten, gerichtlich geltend machen. Für sein Begehren ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). 11 a. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet dem in seinen Rechten betroffenen Bürger ein Grundrecht auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle der Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2005:​rs20050718.2bvr223604] - BVerfGE 113, 273 <310>). Es dient der effektiven Durchsetzung der in Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundrechts- und Gesetzesbindung der Verwaltung. Die Grundrechte gelten gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern erfassen jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2011:​rs20110222.1bvr069906] - BVerfGE 128, 226 <244>). Auch die Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofs stellt sich daher ungeachtet der mangelnden Regelungs- oder Gestaltungswirkung gegenüber dem Bürger als Ausübung ""öffentlicher Gewalt"" dar. Der Bundesrechnungshof als oberste Bundesbehörde (§ 1 Abs. 1 BRHG) nimmt im Rahmen des verfassungsrechtlich in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Mandats ebenso wie bei Erfüllung der auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG einfachgesetzlich in § 88 Abs. 2 Satz 1 BHO zugewiesenen Beratungstätigkeit staatliche Aufgaben wahr. Die in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit seiner Mitglieder sichert dem Bundesrechnungshof die zur Aufgabenerfüllung als Organ der externen Finanzkontrolle erforderliche Eigenständigkeit, macht diese Tätigkeit aber nicht zur Rechtsprechung im Sinne des Art. 92 GG (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 31). Ebenso wenig gehört der Bundesrechnungshof infolge seines Verfassungsauftrags, den Bundestag bei der parlamentarischen Budgetkontrolle zu unterstützen, als dessen bloßer Diener der gesetzgebenden Gewalt an (BVerwG a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 9. Mai 1978 - XII A 687/76 - NJW 1980, 137 <138>; so auch Mähring, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: August 2018, Art. 114 GG Rn. 12). 12 Eine Exemtion von der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährten Rechtsschutzgewährung durch Gerichte lässt sich nicht aus der in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG gleichfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Stellung des Bundesrechnungshofs als Organ der externen Finanzkontrolle und der ihm und seinen Mitgliedern zur effektiven Aufgabenerfüllung gewährten Garantien ableiten. Art. 114 Abs. 2 GG enthält keinen Ausschluss der gerichtlichen Überprüfbarkeit, wie ihn die Verfassung etwa in Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG für Untersuchungsausschüsse (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2018, Art. 44 Rn. 234) oder Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG als Ausnahmebestimmungen zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ausdrücklich vorsieht. Art. 114 GG gewährleistet auf verfassungsrechtlicher Ebene die Institution des Bundesrechnungshofs und die Grundfunktion der externen Finanzkontrolle. Zudem sichert er die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofs und damit mittelbar die Unabhängigkeit der Institution als Voraussetzung ihrer Wirkkraft (vgl. Heun/Thiele, in: Dreier [Hrsg.], GG, 3. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 22). Die Garantien dienen der Erfüllung der dem Bundesrechnungshof obliegenden Aufgaben, gebieten aber keine Einschränkung des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen Akte öffentlicher Gewalt. Eine solche Einschränkung lässt sich insbesondere nicht aus der in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofs herleiten. Sie schützt die Mitglieder vor einer unzulässigen Einflussnahme auf ihre Aufgabenerfüllung, indem sie in persönlicher Hinsicht Schutz vor Beeinträchtigungen ihres Status etwa mittels Absetzung und Versetzung bietet, während die sachliche Unabhängigkeit vor allem Schutz vor Weisungen seitens der Gubernative und Exekutive sowie die Bindung allein an das Gesetz und die Verfassung umfasst (vgl. Heun/Thiele, in: Dreier [Hrsg.], a.a.O. Rn. 22; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2018, Art. 114 Rn. 4). Einen Schutz vor nachträglicher gerichtlicher Kontrolle der Aufgabenerfüllung gibt die richterliche Unabhängigkeit hiernach nicht. Vielmehr sind die Mitglieder des Bundesrechnungshofs gehalten, auch bei der Abfassung der Berichte die Gesetzesbindung zu beachten. Eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Berichte greift insoweit nicht in ihre richterliche Unabhängigkeit ein, sondern konkretisiert die Gesetzesbindung (vgl. zu den Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1961 - 2 BvL 25/60 - BVerfGE 12, 67 <71>; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2018, Art. 97 Rn. 87, 96). Auch der Einwand der Beklagten, im Falle einer gerichtlichen Kontrolle seien Einbußen bei der unbefangenen, autonomen und authentischen Berichterstattung des Bundesrechnungshofs zu befürchten, rechtfertigt es nicht, Prüfberichte als nicht justiziabel zu behandeln. Sollten solche Einbußen entgegen der berechtigten Erwartung des Berufungsgerichts an das Amtsverständnis der Mitglieder des Bundesrechnungshofs tatsächlich eintreten, so wäre dies im Lichte der Grundrechts- und Gesetzesbindung des Bundesrechnungshofs hinzunehmen. Den einer effektiven Erfüllung des Verfassungsauftrags geschuldeten Besonderheiten lässt sich mit einer Modifizierung der Kontrolldichte in der Sachprüfung hinreichend Rechnung tragen. Die Sonderstellung des Bundesrechnungshofs im Staatsgefüge (vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 29) schließt eine gerichtliche Überprüfung seiner Berichte daher nicht aus (so auch Rossi, Möglichkeiten und Grenzen des Informationshandelns des Bundesrechnungshofes, 2012, S. 45 m.w.N.; Schulze-Fielitz, VVDStRL Heft 55, 231 <269> m.w.N.). 13 b. Der Rechtsstreit ist nichtverfassungsrechtlicher Natur. Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann vor, wenn das streitige Rechtsverhältnis entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1976 - 7 A 1.76 - BVerwGE 50, 124 <130> m.w.N.). Maßgebend ist, ob der Klaganspruch in dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen Bund und Ländern oder aber in einem engeren Rechtsverhältnis wurzelt, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 15 m.w.N.). Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der vom Kläger reklamierte Anspruch auf Widerruf oder Richtigstellung ehrschutzrelevanter Inhalte, der mit seiner äußerungsrechtlichen Zielrichtung keinen unmittelbaren Verfassungsbezug aufweist. Dass für die Beantwortung der auftretenden Rechtsfragen auch verfassungsrechtliche Bestimmungen heranzuziehen sind oder der verwaltungsgerichtliche Kontrollmaßstab im Lichte des Art. 114 Abs. 2 GG zu modifizieren sein könnte, berührt nicht die grundsätzliche Zuweisung der Streitigkeit an die Verwaltungsgerichte in § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 18. Januar 1994 - 11 TG 1267/93 [ECLI:​DE:​VGHHE:​1994:​0118.11TG1267.93.0A] - DÖV 1994, 1015 (Leitsatz), juris Rn. 27; Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2018, Art. 114 Rn. 131). 14 2. Geeignete Klageart für die klägerischen Widerrufs- und Richtigstellungsansprüche ist die auf Folgenbeseitigung gerichtete allgemeine Leistungsklage (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 10.93 - BVerwGE 99, 56 <58>). Eine Klagefrist besteht hierfür nicht (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 68), jedoch ist in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich, dass der Kläger geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein (BVerwG, Urteile vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18 und vom 5. April 2016 - 1 C 3.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​050416U1C3.15.0] - BVerwGE 154, 328 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Zur Geltendmachung ist es in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass er Tatsachen vorträgt, die eine Verletzung rechtlich geschützter Positionen denkbar und möglich erscheinen lassen (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2014 - 3 B 70.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68). Diese Anforderung hat der Kläger erfüllt. Sollten die streitgegenständlichen Aussagen im Prüfbericht unrichtig sein, so erscheint eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG jedenfalls möglich und es könnte ihm daher Folgenbeseitigung in Form von Widerrufs- und Richtigstellungsansprüchen zustehen. Es bedarf daher im Rahmen der Zulässigkeit keiner weiteren Erörterung, ob der Kläger auch einen Eingriff in seine Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG rügen kann. 15 a. Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wurzelnde allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die soziale Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit auszuwirken (BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 - 1 BvR 1531/96 [ECLI:​DE:​BVerfG:​1998:​rs19981110.1bvr153196] - BVerfGE 99, 185 <193>). Dafür bedarf es keiner namentlichen Nennung des Betroffenen; es genügt, wenn dieser wie vorliegend der Kläger anhand der Funktionsbezeichnung ohne weiteres erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04 - NJW 2005, 2844 <2845>). Der soziale Achtungsanspruch des Einzelnen ist nicht erst dann betroffen, wenn eine ehrverletzende Äußerung in einer öffentlichen und allgemein zugänglichen Quelle wie etwa einem Presseartikel wiedergegeben wird, sondern es genügt die Ansehensminderung der Person in den Augen Dritter. Spätestens mit der Übermittlung des Prüfberichts an den Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses, an den Bundesbeauftragten, an das Bundesministerium der Finanzen und an das Prüfungsamt des Bundes Frankfurt und mit der Verteilung als Ausschussdrucksache im Haushaltsausschuss (vgl. zum Verfahren Mähring, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: August 2018, § 88 Rn. 24) haben die Äußerungen des Bundesrechnungshofs eine Vielzahl von Dritten erreicht, in deren Augen das Ansehen des Klägers geschmälert sein könnte. Für die Eröffnung des Schutzbereichs des Persönlichkeitsrechts bedarf es daher keiner näheren Prüfung, ob die Verbreitung der Inhalte durch spätere Presseveröffentlichungen dem Bundesrechnungshof zuzurechnen ist. Ob die Presseberichterstattung oder eine Zugangsgewährung nach § 96 Abs. 4 BHO eine neuerliche Betroffenheit des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auslösen könnten, ist vorliegend nicht zu entscheiden. 16 b. Jedenfalls nach Übermittlung des Prüfberichts an den Haushaltsausschuss des Bundestags ist auch kein Raum mehr für die Annahme eines ehrschutzrechtlich privilegierten staatlichen ""forum internum"" zulasten der klägerischen Grundrechtsposition. Weder ein zwischen Parlament und Bundesrechnungshof bestehendes Beratungsverhältnis noch eine vertrauliche Weiterleitung an den Haushaltsausschuss rechtfertigen die Annahme, der Prüfbericht könne infolge seines Verbleibs im innerstaatlichen Bereich keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte auslösen (so aber Haverkate, AöR 1982, 539 <554 f.>; dagegen Rossi, Möglichkeiten und Grenzen des Informationshandelns des Bundesrechnungshofes, 2012, S. 45 f.). Denn mit der Zuleitung des Prüfberichts gibt der Bundesrechnungshof das abschließende, in richterlicher Unabhängigkeit gewonnene Ergebnis seiner Prüfung gegenüber dem Verfassungsorgan Bundestag kund und schließt damit seine Beratungstätigkeit ab. Auch wenn man die Phase der Genese des Prüfberichts, also die erforderlichen Erhebungen, Feststellungen und Beratungen im Rahmen des Prüfungsverfahrens, noch als ehrschutzrechtlich privilegiert betrachten wollte, so widerspräche es doch der verfassungsrechtlich in Art. 114 Abs. 2 GG konstituierten Stellung des Bundesrechnungshofs als eigenständiges und unabhängiges Organ der externen Finanzkontrolle, seinen abschließenden Bericht als bloße verwaltungsinterne Beratungsunterlage für eine Entscheidung im Bundestag zu qualifizieren. Dieses Ergebnis wird auch durch die geänderte Rechtslage zu § 96 Abs. 4 BHO bestätigt. Mit der in Absatz 4 Satz 1 getroffenen Regelung, dass Dritten zu abschließend festgestellten Prüfergebnissen Zugang gewährt werden kann, nicht jedoch Einblick in die zur Prüfungs- und Beratungstätigkeit geführten Akten, hat der Gesetzgeber den für die Willensbildung des Bundesrechnungshofs schutzwürdigen Bereich in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht ausdrücklich abgegrenzt und begrenzt (vgl. dazu auch Engels, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: August 2018, § 96 Rn. 74). 17 c. Dem Kläger ist eine Berufung auf den Schutz des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch nicht infolge seiner Stellung als ehemaliger kaufmännischer Geschäftsführer und damit als Funktionsträger der von der Erhebung betroffenen Bundeskunsthalle versagt. Mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nimmt der Kläger ein subjektiv-öffentliches Recht in Anspruch, das seiner individuellen Rechtssphäre angehört, und tritt nicht als Sachwalter der Interessen der Bundeskunsthalle auf. Die Möglichkeit, Ehrschutz geltend zu machen, ist nicht durch die von der Beklagten angeführte Rechtsfigur des ""unechten Drittbetroffenen"" ausgeschlossen (so auch Engels, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: August 2018, § 96 Rn. 73 ff. <75>). Die von der Beklagten angeführten Gerichtsentscheidungen belegen nicht, dass Personen, die in das Prüfungsgeschehen, etwa als Beschäftigter einer geprüften Stelle oder einer Erhebungsstelle, unmittelbar eingebunden waren und in dessen Verlauf Gelegenheit hatten, auf das Prüfungsergebnis Einfluss zu nehmen, keine Klagemöglichkeit offen stünde (vgl. VGH München, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 5 ZE 98.3394 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​1998:​1204.5ZE98.3394.0A] - NVwZ-RR 1999, 549 <550>, VG München, Urteil vom 18. Juni 2009 - M 17 K 08.3479 [ECLI:​DE:​VGMUENC:​2009:​0618.M17K08.3479.0A] - juris Rn. 48 und VG Dessau, Urteil vom 24. Januar 2006 - 3 A 376/05 - LKV 2006, 426). 18 Auch sonst findet sich für die Annahme, Berichte des Bundesrechnungshofs könnten nicht in den persönlichen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der Mitarbeiter erhebungsunterworfener Stellen eingreifen, keine tragfähige Begründung. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis nicht die Geltung der Grundrechte außer Kraft setzen kann (BVerfG, Beschluss vom 14. März 1972 - 2 BvR 41/71 - BVerfGE 33, 1 <17>). Auch im Beamtenverhältnis ist die Ausübung von Grundrechten nur insoweit beschränkt, als sie mit der Erfüllung der in dem besonderen Dienst- und Treueverhältnis wurzelnden Pflichten unvereinbar wäre (Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2018, Art. 33 Rn. 61). Für eine Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers bietet seine Funktion als kaufmännischer Geschäftsführer der Bundeskunsthalle daher keine Rechtfertigung. 19 d. Die vom Kläger geltend gemachten Widerrufs- und Richtigstellungsansprüche sind auch nicht bereits deshalb offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, weil es an einem Andauern des rechtswidrigen Zustands als Anspruchsvoraussetzung einer Folgenbeseitigung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​190215U1C13.14.0] - BVerwGE 151, 228 <235>) fehlen würde. Der schriftlich verfasste Prüfbericht und die darin enthaltenen ehrschutzrelevanten Inhalte sind weiterhin existent und für die Adressaten zugänglich. 20 Dagegen kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob die Erinnerung an die Inhalte des Berichts bei den ursprünglichen Empfängern des Prüfberichts infolge Zeitablaufs bereits verblasst ist und ob Widerruf und Richtigstellung gegenüber den aktuellen Amtsinhabern geeignete Mittel für eine Rehabilitation des Klägers in der Öffentlichkeit sind, nicht an. Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch unterliegt keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie das etwa bei zivilrechtlichen Widerrufsansprüchen in Anerkennung der berechtigten Interessen des Äußernden der Fall ist (vgl. dazu Rixecker, in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, nach § 12 Rn. 282). Eine solche in den subjektiven Abwehrrechten begründete Abwägung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgebots kann der Staat als Grundrechtsverpflichteter nicht beanspruchen (so auch Faber, NVwZ 2003, 159 <163>). 21 3. Dem Kläger steht für seine Klage auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu. 22 a. Die streitigen Äußerungen im Prüfbericht des Bundesrechnungshofs unterfallen keinem verfahrensrechtlichen Äußerungsprivileg. Dieser Rechtsfigur liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein Verfahrensbeteiligter durch weitere Prozesse in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Rechtsprechung verneint für ein paralleles oder nachgelagertes gerichtliches Vorgehen gegen im Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gefallene Äußerungen das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 86/16 [ECLI:​DE:​BGH:​2018:​270218UVIZR86.16.0] - NJW 2018, 2489 <2490>). Eine Anwendung auf den vorliegenden Fall kommt aber mangels einer vergleichbaren Ausgangslage nicht in Betracht. Weder nimmt das gerichtliche Vorgehen des Klägers Einfluss auf den Entstehungsprozess des Prüfberichts oder dort getätigte Äußerungen, noch bieten die ihm während des laufenden Prüfverfahrens eingeräumten Äußerungsmöglichkeiten hinreichende prozessuale wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen. 23 b. Der Kläger muss sich auch nicht auf ein klageweises Vorgehen gegen eine künftige Zugangsgewährung nach § 96 Abs. 4 BHO als einfacheren Weg des Rechtsschutzes verweisen lassen. Denn sollte durch die Übermittlung des Prüfberichts an den Haushaltsausschuss bereits ein Grundrechtsverstoß eingetreten sein, so wäre dieser Eingriff durch das Unterbinden eines Zugangs für sonstige Dritte nicht beseitigt. 24 c. Schließlich ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers auch nicht infolge des seit der Weiterleitung des Prüfberichts verstrichenen Zeitraums entfallen. Denn es sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die die vorliegende Klage als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. zu dieser zusätzlich notwendigen Bedingung BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1991 - 6 ER 400.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 298). Auch hat der Kläger dargelegt, dass sein Name von Beschäftigten der Bundeskunsthalle und in informierten Kreisen weiterhin mit der Kritik des Bundesrechnungshofs im vorliegend streitigen Prüfbericht in Verbindung gebracht wird und ein Obsiegen jedenfalls mittelbar vorteilhaft für sein Ansehen in der Öffentlichkeit sein könnte. 25 4. Der von der Beklagten geltend gemachte absolute Revisionsgrund einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Er soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder in Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1985 - 1 BvR 933/84 - BVerfGE 70, 215 <218>). Er verpflichtet ein Gericht indes nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten, insbesondere auch ein solches, das nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich ist, in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>). 26 Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Berufungsurteil weder über das Vorbringen zum Fehlen einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung des Klägers infolge der personellen Diskontinuität auf Seiten der Adressaten des Prüfberichts noch über die Frage, ob die Klage zur Erreichung des auf Rehabilitation in der Öffentlichkeit gerichteten klägerischen Rechtsschutzziels geeignet ist, unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör hinweggegangen. Beide Aspekte sind im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben (UA S. 20) und haben in den Gründen Niederschlag gefunden. So erörtert das Berufungsgericht, ob eine fortdauernde Rufbeeinträchtigung auch in der Ansehensschädigung bei Personen jenseits des ursprünglichen Adressatenkreises liegen kann (UA S. 40). Dagegen kann die Beklagte den Umstand, dass das Berufungsurteil aus diesem Vorbringen nicht die von ihr reklamierte Unzulässigkeit der Klage abgeleitet hat, nicht im Gewande der Gehörsrüge geltend machen. Im Übrigen wäre ein etwaiger Gehörsverstoß vorliegend infolge der in vollem Umfang der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegenden Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen geheilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35). 27 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-15,28.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 15/2019 vom 28.02.2019 EN Anforderungen an die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit von prüfungsrechtlichen Sanktionen Landesrechtliche Vorschriften, die im Rahmen von berufsbezogenen Prüfungen Sanktionen vorsehen, unterliegen nach dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG strengen Anforderungen in Bezug auf ihre Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin war zu dem Termin für die mündliche Prüfung im Rahmen der als Teil der ersten juristischen Prüfung abzulegenden staatlichen Pflichtfachprüfung pünktlich erschienen und hatte den als Prüfungsleistung zu erbringenden Vortrag absolviert. Sie war dann jedoch aus einer Pause unentschuldigt nicht rechtzeitig zu dem Beginn des Prüfungsgesprächs als weiterem Bestandteil der mündlichen Prüfung zurückgekehrt. Ihr wurde die Teilnahme an dem bereits seit fünf Minuten laufenden Prüfungsgespräch verweigert. Auch nach einer Pause durfte sie an dem weiteren Prüfungsgespräch nicht teilnehmen. Das Justizprüfungsamt erklärte die staatliche Pflichtfachprüfung unter Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 des nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetzes (JAG NRW) für nicht bestanden. Die Vorschrift sieht diese Sanktion vor, wenn ein Prüfling ohne genügende Entschuldigung den Termin für die mündliche Prüfung nicht bis zum Ende der Prüfung wahrnimmt. Die von der Klägerin erhobene Klage ist vor dem Verwaltungsgericht Minden und dem Oberverwaltungsgericht Münster ohne Erfolg geblieben. Auf ihre Revision hat das Bundesverwaltungsgericht die vorinstanzlichen Urteile geändert und den angegriffenen Bescheid des Justizprüfungsamts aufgehoben. Nach der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW durch das Oberverwaltungsgericht kann deren Tatbestand nicht nur dadurch verwirklicht werden, dass ein Prüfling den Termin für die mündliche Prüfung ohne genügende Entschuldigung aus eigenem Entschluss verlässt. Erfasst werden auch Fälle, in denen einem Prüfling die weitere Teilnahme an dem Termin wegen eines vorwerfbaren Verhaltens zu Recht verweigert wird. Die Rechtsfolge besteht nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts im Regelfall entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift darin, dass die gesamte staatliche Pflichtfachprüfung für nicht bestanden zu erklären ist. Es kommt jedoch in Betracht, stattdessen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall den versäumten Prüfungsteil mit 0 Punkten zu bewerten. Nach dem prüfungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot müssen Sanktionsnormen nach ihrem Tatbestand und nach der vorgesehenen Rechtsfolge dem Prüfling ermöglichen, sich so zu verhalten, dass er jede Gefahr einer Sanktion vermeidet. Diesen Anforderungen wird § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht nicht gerecht, da seine Anwendung für die Prüflinge nicht vorhersehbar ist. Die Norm gewinnt tatbestandlich den Charakter einer sanktionsrechtlichen Generalklausel und kann Rechtsfolgen nach sich ziehen, die in ihrem Wortlaut in keiner Weise aufscheinen. Zudem verstößt die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW in ihrer Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht gegen den bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ermöglicht eine Sanktion nicht nur in Fällen, in denen ein Prüfling die laufende mündliche Prüfung abbricht, um in einem neuen Termin seine Erfolgschancen zu erhöhen. Erfasst werden vielmehr auch Fälle, in denen sich der Prüfling geringfügig verspätet und an der Prüfung teilnehmen will. In dieser Konstellation wiegen die von dem Oberverwaltungsgericht für möglich gehaltenen Sanktionen zu schwer. Das Bundesverwaltungsgericht hat § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Norm nach ihrem Tatbestand nur diejenigen Fälle erfasst, in denen ein Prüfling aus der begonnenen mündlichen Prüfung aus eigenem Entschluss aussteigt, und hieran die ausdrücklich vorgesehene Rechtsfolge des Nichtbestehens der staatlichen Pflichtfachprüfung geknüpft wird. Mit diesem Kerngehalt genügt die Vorschrift nicht nur dem prüfungsspezifischen Bestimmtheitsgebot, sondern steht, da sie dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit dient, auch mit dem an Art. 12 Abs. 1 GG ausgerichteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang. Der Fall der Klägerin wird von diesem verfassungsrechtlich unbedenklichen Regelungsgehalt nicht erfasst. BVerwG 6 C 3.18 - Urteil vom 27. Februar 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 14 A 2441/16 - Urteil vom 20. Juni 2017 - VG Minden, 8 K 1116/15 - Urteil vom 11. November 2016 -","Urteil vom 27.02.2019 - BVerwG 6 C 3.18ECLI:DE:BVerwG:2019:270219U6C3.18.0 EN Anforderungen an die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit von prüfungsrechtlichen Sanktionen Leitsatz: Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen unterliegen nach dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG strengen Anforderungen in Bezug auf ihre Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 116 Abs. 1 VwGO § 42 DRiG § 5 Abs. 1 JAG NRW §§ 10, 13, 15, 18, 20, 22 Instanzenzug VG Minden - 11.11.2016 - AZ: VG 8 K 1116/15 OVG Münster - 20.06.2017 - AZ: OVG 14 A 2441/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.02.2019 - 6 C 3.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:270219U6C3.18.0] Urteil BVerwG 6 C 3.18 VG Minden - 11.11.2016 - AZ: VG 8 K 1116/15 OVG Münster - 20.06.2017 - AZ: OVG 14 A 2441/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 11. November 2016 geändert. Der Bescheid des Vorsitzenden des Justizprüfungsamtes bei dem Oberlandesgericht Hamm vom 9. März 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung des für das beklagte Land Nordrhein-Westfalen handelnden Justizprüfungsamtes bei dem Oberlandesgericht Hamm (Justizprüfungsamt), wonach sie die staatliche Pflichtfachprüfung, die selbständiger Bestandteil der ersten juristischen Prüfung nach § 5 Abs. 1 DRiG, § 2 Abs. 1 JAG NRW ist, als Wiederholerin nicht bestanden hat. 2 Nachdem die Klägerin - seinerzeit türkische Staatsangehörige - die Aufsichtsarbeiten nach § 10 Abs. 2 und § 13 JAG NRW absolviert hatte, lud sie das Justizprüfungsamt unter dem 22. Dezember 2014 zur mündlichen Prüfung gemäß § 10 Abs. 3 und § 15 JAG NRW am 21. Januar 2015 in dem Landgericht Bielefeld. Die Klägerin erschien pünktlich zu der in dem Ladungsschreiben angegebenen Uhrzeit zu dem Vorstellungsgespräch bei dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses. Dieser unterrichtete sie über die zeitliche Abfolge der Vorträge und des Prüfungsgesprächs als den nach § 10 Abs. 3 Satz 1 JAG NRW in der mündlichen Prüfung zu erbringenden Prüfungsleistungen. Hiernach sollte die Prüfung, nachdem alle geladenen Prüfungskandidatinnen ihre Vorträge gehalten haben würden, um 11:30 Uhr mit dem Prüfungsgespräch fortgesetzt werden. Die Klägerin absolvierte ihren Vortrag als Erste. Um die für die Vorträge der anderen Kandidatinnen benötigte Zeit zu überbrücken, verließ sie kurz nach 10:30 Uhr das Landgerichtsgebäude und besuchte eine Bekannte in deren nahe gelegener Wohnung. Sie fand sich erst um 11:50 Uhr wieder vor dem Prüfungsraum ein, in dem das Prüfungsgespräch bereits seit 11:45 Uhr lief. Die Aufsicht führende Wachtmeisterin verweigerte ihr den Einlass. In der Pause des Prüfungsgesprächs versagte ihr der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Teilnahme an dem restlichen Prüfungsgespräch. 3 Das Justizprüfungsamt erklärte nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 9. März 2015 die staatliche Pflichtfachprüfung unter Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW für nicht bestanden. Die Klägerin habe im Sinne dieser Vorschrift den Termin für die mündliche Prüfung nicht bis zum Ende der Prüfung wahrgenommen. Sie habe das Landgericht Bielefeld nach ihrem Vortrag verlassen und sei nicht rechtzeitig zum Beginn des Prüfungsgesprächs zurückgekehrt, so dass die mündliche Prüfung ohne sie habe fortgesetzt werden müssen. Die Klägerin habe dieses Versäumnis nicht genügend entschuldigt. 4 Die von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 20. Juni 2017 - 14 A 2441/16 - (NWVBl. 2017, 484) zurückgewiesen: Die staatliche Pflichtfachprüfung sei nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW für nicht bestanden zu erklären gewesen, weil die Klägerin zwar den Vortrag als ersten Teil der mündlichen Prüfung absolviert, den restlichen Termin aber ohne genügende Entschuldigung nicht bis zum Ende wahrgenommen habe. Sie sei der Prüfung ab deren Fortsetzung mit dem Prüfungsgespräch um 11:45 Uhr unentschuldigt ferngeblieben. Da sie ihr verspätetes Erscheinen zu dem Prüfungsgespräch nicht entschuldigt habe, habe sie es auch zu vertreten, dass sie nach ihrem Erscheinen nicht an der weiteren Prüfung habe teilnehmen dürfen. Zunächst habe ihr die Aufsicht führende Wachtmeisterin den Zutritt zu dem Prüfungsraum und zu der bereits seit fünf Minuten laufenden Prüfung zu Recht verweigert. Es sei davon auszugehen gewesen, dass zumindest der dem ersten Teil des Prüfungsgesprächs zu Grunde liegende Sachverhalt bereits geschildert und eine erste Prüfungsfrage dazu gestellt gewesen sei. Der Zutritt der Klägerin und die Klärung seiner Berechtigung hätten eine Unterbrechung und einen Neubeginn der Prüfung erfordert. Die damit verbundene Störung der anderen Prüflinge habe im Interesse der Chancengleichheit der Prüflinge verhindert werden müssen. Sodann habe in der Pause des Prüfungsgesprächs der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Klägerin die Teilnahme an dem restlichen Prüfungsgespräch in rechtmäßiger Weise versagt. Obwohl es üblich sei, das Prüfungsgespräch in drei Abschnitte (bürgerliches Recht, öffentliches Recht und Strafrecht) zu unterteilen, habe der Prüfungsausschuss das Prüfungsgespräch als Prüfungsleistung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 JAG NRW einheitlich zu bewerten und nicht aus einzeln bewerteten Prüfungsabschnitten einen rechnerischen Gesamtwert zu bilden. Der Bewertung müsse ein vollständiges Prüfungsgespräch zu Grunde liegen. Das Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung wegen nicht genügend entschuldigter geringer Verspätung sei trotz der schwerwiegenden Auswirkungen auf die Berufsfreiheit der Klägerin nicht unverhältnismäßig. Die Erklärung des Nichtbestehens sei generell geeignet, einen Abbruch der staatlichen Pflichtfachprüfung zu unterbinden, den ein Prüfling missbräuchlich vornehme, um einen späteren Termin zur mündlichen Prüfung und damit mehr Vorbereitungszeit, einen anderen Prüfungsausschuss oder einen anderen Vortrag zu erhalten. Ein milderes Mittel zur Erreichung dieses Ziels sei zwar trotz der in § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW vorgesehenen gebundenen Nichtbestehensentscheidung grundsätzlich in Betracht zu ziehen, aber hier nicht gegeben. Selbst wenn der Vortrag der Klägerin, der nach § 18 Abs. 3 Satz 2 JAG NRW eine eigenständige Prüfungsleistung darstelle, mit der Höchstpunktzahl von 18 Punkten bewertet worden wäre, hätte die Klägerin nicht die nach § 18 Abs. 2 JAG NRW für das Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung erforderliche Gesamtnote von 4 Punkten, sondern lediglich 3,9 Punkte erreicht. Einer Bewertung des versäumten ersten Abschnitts des Prüfungsgesprächs mit 0 Punkten bei gleichzeitiger Zulassung der Klägerin zu dem Rest des Gesprächs habe entgegengestanden, dass nach § 18 Abs. 3 Satz 2 JAG NRW nicht ein solcher Abschnitt, sondern nur das Prüfungsgespräch als Ganzes als eigenständige Prüfungsleistung ausgestaltet sei. Eine Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne sei nicht gegeben, weil geringfügige Verspätungen auch sonst weitreichende Folgen haben könnten und die Möglichkeit zur Entschuldigung der Verspätung bestehe. 5 Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, die Erklärung ihrer staatlichen Pflichtfachprüfung für nicht bestanden aufzuheben. Sie macht geltend, die landesrechtliche Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW sei wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungswidrig, wenn sie in der von dem Justizprüfungsamt und den Vorinstanzen befürworteten Weise angewandt werde. 6 Das beklagte Land verteidigt das Berufungsurteil und begehrt die Zurückweisung der Revision. II 7 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil steht nur insoweit im Einklang mit Bundesrecht nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, als das Oberverwaltungsgericht das mit der Klage verfolgte Begehren der Klägerin im Anschluss an die Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts als statthafte und auch sonst zulässige Anfechtung des Bescheids des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 behandelt hat (1.). Bundesrecht verletzt das Oberverwaltungsgericht mit der sein Urteil tragenden Annahme, der Bescheid könne auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen - JAG NRW) vom 11. März 2003 (GV.NRW. S. 135), in der hier anwendbaren, zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 4. Februar 2014 (GV.NRW. S. 104) geänderten Fassung gestützt werden. Diese landesrechtliche Vorschrift verstößt in der für den Senat bindenden Auslegung, die sie durch das Oberverwaltungsgericht erfahren hat (2.), gegen die strengen Anforderungen, denen Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen nach dem bundesverfassungsrechtlichen Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG in Bezug auf ihre Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit unterliegen (3.). Von dem bundesverfassungsrechtlich unbedenklichen Regelungsgehalt, auf den die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW in verfassungskonformer Auslegung zu reduzieren ist, wird der Fall der Klägerin nicht erfasst (4.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar (5.). Der Senat kann nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO durch Aufhebung des Bescheids des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 in der Sache selbst entscheiden (6.). 8 1. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 ist nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die Klägerin ist für ihr Begehren, mit der staatlichen Pflichtfachprüfung nach Absolvierung der Aufsichtsarbeiten gemäß § 10 Abs. 2 und § 13 JAG NRW mit der - erneuten - Ableistung der mündlichen Prüfung im Sinne von § 10 Abs. 3 und § 15 JAG NRW fortfahren zu dürfen, nicht auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO verwiesen. Einem Prüfling erwächst im Rahmen des durch die Zulassung zu einer Prüfung begründeten Prüfungsrechtsverhältnisses zwischen ihm und der Prüfungsbehörde ein Anspruch auf Durchführung des Prüfungsverfahrens. Das Prüfungsrechtsverhältnis und der Prüfungsanspruch erlöschen mit dem Abschluss der Prüfung. Wird indes eine negative Prüfungsentscheidung - hier der Bescheid des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 - durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage beseitigt, leben das Prüfungsrechtsverhältnis und der Prüfungsanspruch wieder auf. Die Prüfung ist in dem Stand, in dem sie sich vor dem Ergehen des Verwaltungsakts befand, fortzusetzen (vgl. hierzu allgemein: BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1982 - 7 C 74.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 162 S. 92 und vom 6. September 1995 - 6 C 2.94 - BVerwGE 99, 208 <213> sowie Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 13 ff., 166 ff., 813, 821, 824). 9 Die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ist für die Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG herzuleiten. Zwar ergeben sich die im vorliegenden Fall relevanten bundesrechtlichen Maßgaben für Entscheidungen in berufsbezogenen Prüfungen, zu denen die staatliche Pflichtfachprüfung im Rahmen der ersten juristischen Prüfung gehört (entsprechend für das Pendant der universitären Schwerpunktbereichsprüfung: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 18), aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Dem Kreis der Träger dieses Grundrechts gehörte die Klägerin nach dem eindeutigen, nur auf Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG bezogenen Normwortlaut zu dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Nichtbestehensentscheidung als türkische Staatsangehörige nicht an. Jedoch genießen Ausländer für ihre berufliche Betätigung und deren Vorwirkungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundrechtlichen Schutz jedenfalls über das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. hierzu zuletzt: BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. November 2015 - 2 BvR 282/13 u.a. - NJW 2016, 1436 Rn. 10 f. m.w.N.). 10 2. Bei der landesrechtlichen Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW, auf die der angefochtene Bescheid vom 9. März 2015 gestützt ist, handelt es sich um eine prüfungsrechtliche Sanktionsnorm. Sie bestimmt, dass die staatliche Pflichtfachprüfung für nicht bestanden zu erklären ist, sobald ein Prüfling ohne genügende Entschuldigung den Termin für die mündliche Prüfung nicht bis zum Ende der Prüfung wahrnimmt. 11 Nach der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts kann der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW nicht nur dadurch verwirklicht werden, dass ein Prüfling den Termin für die mündliche Prüfung ohne genügende Entschuldigung aus eigenem Entschluss endgültig verlässt. Erfasst werden darüber hinaus alle Fälle, in denen einem Prüfling die (weitere) Teilnahme an dem Termin wegen eines auf diesen bezogenen vorwerfbaren Verhaltens verweigert wird. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war die Klägerin - wenn auch verspätet - aus der Pause, die sich nach der Absolvierung ihres Vortrags für sie ergeben hatte, in den Termin zurückgekehrt und hatte zunächst gegenüber der Aufsicht führenden Wachtmeisterin und später gegenüber dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nachdrücklich darum nachgesucht, sie an der mit dem Prüfungsgespräch fortgesetzten Prüfung teilnehmen zu lassen. Damit hatte sie kundgetan, dass sie den Termin bis zum Ende der Prüfung wahrnehmen wollte. Das Oberverwaltungsgericht hat den Tatbestand der Norm dadurch erfüllt gesehen, dass der Klägerin nach ihrer verspäteten Pausenrückkehr die Teilnahme an dem bereits begonnenen Prüfungsgespräch wegen des Anspruchs der übrigen Prüflinge auf ein ungestörtes Prüfungsgespräch bzw. wegen dessen normativer Ausgestaltung als einer Einheit zu Recht verweigert worden sei. Diesen Ausschluss von der weiteren Prüfungsteilnahme habe die Klägerin wegen ihrer unentschuldigten Verspätung in Bezug auf die ihr mitgeteilte Zeit für den Beginn des Prüfungsgesprächs zu vertreten. Anhaltspunkte dafür, dass der Normtatbestand nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts auf bestimmte Gründe für den Teilnahmeausschluss oder auf bestimmte Arten des dem jeweiligen Prüfling vorwerfbaren Verhaltens beschränkt sein könnte, finden sich in dem Berufungsurteil nicht. 12 Die Rechtsfolge eines hiernach tatbestandlichen Verhaltens besteht nach dem Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts nur im Regelfall in dem nach dem Wortlaut der Vorschrift bindend vorgeschriebenen Nichtbestehen der gesamten staatlichen Pflichtfachprüfung. Denn das Oberverwaltungsgericht hat es für möglich gehalten, dass im Einzelfall aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Vortrag oder das gesamte Prüfungsgespräch mit 0 Punkten bewertet werden, wenn ein Prüfling diese nach § 18 Abs. 3 Satz 2 JAG NRW eigenständigen Prüfungsleistungen ganz oder teilweise versäumt hat. Dies ergibt sich daraus, dass das Oberverwaltungsgericht eine Bewertung des gehaltenen, aber nicht mehr benoteten Vortrags der Klägerin mit 18 Punkten unterstellt und in Bezug auf das Prüfungsgespräch nur ausgeschlossen hat, den versäumten Abschnitt desselben isoliert mit 0 Punkten zu bewerten. 13 3. Ob das Oberverwaltungsgericht § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW als Landesrecht zutreffend ausgelegt hat, ist der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Der Senat ist gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO an den berufungsgerichtlich festgestellten Bedeutungsgehalt der irrevisiblen Vorschrift gebunden. Der Senat hat jedoch nachzuprüfen, ob das Ergebnis der Auslegung und Anwendung des Landesrechts mit Bundesrecht im Einklang steht, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sich das Normverständnis des Berufungsgerichts als unvereinbar mit Bundesverfassungsrecht erweist (vgl. allgemein nur: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​141216U6C19.15.0] - BVerwGE 157, 46 Rn. 6). Eine solche Unvereinbarkeit ist hier gegeben. 14 Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW steht mit dem Inhalt, den ihr das Oberverwaltungsgericht durch seine Auslegung beigemessen und auf den es für seine Entscheidung abgestellt hat, nicht im Einklang mit den Maßgaben, denen Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen als Ermächtigungen für Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl im Hinblick auf ihre Bestimmtheit (a.) und ihre Verhältnismäßigkeit (b.) genügen müssen. Diese Maßgaben sind auf die Klägerin, die sich - wie erwähnt - als türkische Staatsangehörige zu dem Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Justizprüfungsamtes nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen konnte, über Art. 2 Abs. 1 GG entsprechend anwendbar. Mit dieser veränderten grundrechtlichen Anknüpfung ist eine Absenkung des Schutzniveaus (vgl. zu dieser in anderem Zusammenhang: BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <196 f.>; Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337 <346>) schon wegen des in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnden Grundsatzes der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit und darüber hinaus im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht verbunden (in diesem Sinne ohne Beschränkung auf Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union: BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. November 2010 - 1 BvR 3389/08 - NVwZ 2011, 486 <488>). 15 a. Berufsbezogene Prüfungen sollen Aufschluss darüber geben, ob die Prüflinge über diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die einen Erfolg der Berufsausbildung und eine einwandfreie Berufsausübung erwarten lassen. Auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt es dem zuständigen Normgeber, den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem, das Prüfungsverfahren sowie die Bestehensvoraussetzungen festzulegen (BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 <45> und - 1 BvR 1529/84 u.a. - BVerfGE 84, 59 <72> sowie näher: BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 19 ff.; Beschluss vom 22. Juni 2016 - 6 B 21.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​220616B6B21.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 424 Rn. 10 und Urteil vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​150317U6C46.15.0] - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 11, 14). Dem Gesetzesvorbehalt unterfällt insbesondere auch jede Form der Sanktionierung des Fehlverhaltens eines Prüflings (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1979 - 1 BvR 1022/78 - BVerfGE 52, 380 <388>; BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1976 - 7 B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78 S. 59; Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 21 sowie Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 30, 221, 228). Dieser Gesetzesvorbehalt wird konkretisiert durch das prüfungsspezifische Bestimmtheitsgebot. Danach muss vor allem die Grenze zwischen dem Bestehen und dem Nichtbestehen einer Prüfung von dem Normgeber eindeutig gezogen sein (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 6 B 35.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 315 S. 286, vom 9. Juni 1995 - 6 B 100.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 350 S. 79 f. und vom 13. Mai 2004 - 6 B 25.04 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 66). Dementsprechend unterliegen die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Sanktionen, die sich auf das Bestehen einer Prüfung auswirken, besonders strengen Bestimmtheitsanforderungen. Sowohl das zu sanktionierende Verhalten als auch die an dieses geknüpfte Sanktionsfolge müssen so klar ersichtlich sein, dass jeder Prüfling sein Verhalten problemlos danach ausrichten und jede Gefahr des Eingriffs in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG vermeiden kann (BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1976 - 7 B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78 S. 59 f.; Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 21, 25 a.E.). 16 Diesen Anforderungen an die normative Bestimmtheit von Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen wird die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW in ihrer Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht nicht gerecht. Vielmehr verschwimmt als Folge dieser Auslegung die Grenze zwischen dem Bestehen und dem Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung in nicht hinnehmbarer Weise. Die Anwendung der Sanktionsnorm ist danach für die Prüflinge in keiner Weise vorhersehbar. 17 Nach der Interpretation des Normtatbestands durch das Oberverwaltungsgericht kann jedwedes auf den Termin für die mündliche Prüfung bezogene vorwerfbare Verhalten eines Prüflings dazu führen, dass ihm seine (weitere) Prüfungsteilnahme unter Berufung auf allgemeine prüfungsrechtliche Grundsätze verweigert und er mit einer Sanktion belegt wird. Dies führt nicht nur zu einer Überschneidung mit dem Anwendungsbereich der Sanktionsvorschrift des § 22 Abs. 1 und 3 JAG NRW für ordnungswidriges Verhalten. Die Norm gewinnt darüber hinaus ganz allgemein den Charakter einer sanktionsrechtlichen Generalklausel. Hinzu kommt, dass die Modifikationen der als zwingend vorgesehenen Rechtsfolge des Nichtbestehens der staatlichen Pflichtfachprüfung, die das Oberverwaltungsgericht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in Einzelfällen für möglich erachtet, als solche und in Bezug auf ihre Voraussetzungen im Wortlaut der Vorschrift in keiner Weise aufscheinen. Hierdurch wird nicht nur das Eingreifen der nach dem Normwortlaut zwingenden Rechtsfolge unkalkulierbar. Die Modifikationen stellen, weil sie zu der Bewertung des Vortrags bzw. des Prüfungsgesprächs mit 0 Punkten führen können, ihrerseits Grundrechtseingriffe von beträchtlichem Gewicht dar, die nach dem prüfungsspezifischen Bestimmtheitsgebot in der Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich benannt sein müssten. 18 b. Normative Regelungen von berufsbezogenen Prüfungen müssen, um als Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl gerechtfertigt zu sein, ferner dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, das heißt einem legitimen Zweck dienen und als Mittel zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei haben Sanktionsvorschriften als besonders sensibel zu gelten, wenngleich der zuständige Normgeber bei ihrer Ausgestaltung auch dem Gesichtspunkt der Generalprävention Rechnung tragen und in deren Sinne einen gewissen Abschreckungseffekt erzeugen darf (BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1976 - 7 B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78 S. 59 ff.; Urteile vom 13. Mai 1998 - 6 C 12.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 388 S. 212 f., vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 21 ff. und vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​210617U6C3.16.0] - BVerwGE 159, 148 Rn. 26). Auch zu diesen Maßgaben steht die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW mit dem Inhalt, den ihr das Oberverwaltungsgericht beigemessen hat, in Widerspruch. 19 Allerdings bestehen keine Bedenken gegen die Legitimität der gesetzgeberischen Zwecksetzung, die der Norm nach der für den Senat verbindlichen Feststellung des Oberverwaltungsgerichts zu Grunde liegt. Hiernach will der Landesgesetzgeber mit der Vorschrift unterbinden, dass ein Prüfling die mündliche Prüfung abbricht, um einen späteren Prüfungstermin und damit mehr Vorbereitungszeit oder einen anderen Prüfungsausschuss bzw. einen anderen Vortrag zu erhalten, und damit ein als missbräuchlich anzusehendes Verhalten an den Tag legt. Das gesetzgeberische Ziel, ein beliebiges Aussteigen eines Prüflings aus der Prüfung und eine damit verbundene einseitige Veränderung der Prüfungsbedingungen zu seinen Gunsten zu verhindern, ist vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG schon deshalb nicht zu beanstanden, weil es der Wahrung des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit dient (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1982 - 7 C 74.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 162 S. 90 f.; Beschluss vom 16. Februar 2017 - 6 B 58.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​160217B6B58.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 428 Rn. 8 ff.). Dass § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW in seiner weiten Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht - auch - zur Erreichung dieses Gesetzeszwecks geeignet ist, steht ebenfalls nicht in Frage. 20 Indes erfasst die Vorschrift mit dem ihr von dem Oberverwaltungsgericht beigemessenen weiten Anwendungsbereich auch Fallgestaltungen, in denen eine Sanktionierung weder mit dem nach dem Normwortlaut vorgesehenen Nichtbestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung noch mit der von dem Oberverwaltungsgericht für möglich erachteten Bewertung des Vortrags bzw. des gesamten Prüfungsgesprächs mit 0 Punkten erforderlich bzw. angemessen ist. Dies sind diejenigen Konstellationen, in denen es dem betroffenen Prüfling - wie hier der Klägerin - nicht um einen missbräuchlichen Ausstieg aus der mündlichen Prüfung geht, sondern in denen ein Fehlverhalten - wie hier eine verspätete Rückkehr aus einer Pause - in Rede steht, das den Normzweck des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW nicht berührt und das auch nicht dazu führt, dass die mündliche Prüfung in ihrer Gesamtheit oder im Hinblick auf die in ihr zu erbringenden Leistungen des Vortrags bzw. des Prüfungsgesprächs ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann. 21 Für die Sanktionierung derartiger Pflichtverstöße, die allein im Interesse eines störungsfreien Prüfungsverlaufs unterbunden werden müssen, ist der Landesgesetzgeber auf den Einsatz milderer und in ihrer grundrechtsbeeinträchtigenden Wirkung dem verfolgten Zweck angepasster Mittel verwiesen, etwa in Anlehnung an die differenzierten Regelungen des § 22 Abs. 1 JAG NRW. Was speziell Pflichtverstöße in Bezug auf das Prüfungsgespräch anbelangt, hält sich zwar die grundsätzliche Entscheidung des Landesgesetzgebers, dieses in Abkehr von der in der vormaligen ersten juristischen Staatsprüfung bewährten Aufteilung der mündlichen Prüfung in einzeln zu bewertende Teile bzw. Abschnitte als Einheit auszugestalten (LT-Drs. 13/3197 S. 74 f., 81 f.) - obwohl für die Transparenz der Leistungsbewertung nicht förderlich - im Rahmen des Einschätzungsspielraums, der dem zuständigen Normgeber im Prüfungsrecht zukommt (vgl. dazu: BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 29 und vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 12). Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch auf der Sanktionsebene eine separate Bewertung nur eines Abschnitts des Prüfungsgesprächs mit 0 Punkten als ein im Vergleich mit einer solchen Bewertung des gesamten Gesprächs milderes Mittel auszuscheiden hätte. Dem stehen beachtliche Umsetzungsschwierigkeiten schon deshalb nicht entgegen, weil das Prüfungsgespräch, wie von dem Oberverwaltungsgericht festgestellt sowie von dem Landesgesetzgeber vorausgesehen und toleriert (LT-Drs. 13/3197 a.a.O.), in der Praxis ohnehin üblicherweise für die Prüfung der drei großen Rechtsgebiete des Zivilrechts, des Strafrechts und des öffentlichen Rechts in drei Abschnitte aufgeteilt wird. 22 4. Verstößt eine Norm des Landesrechts in der Auslegung durch das angefochtene Urteil gegen Bundesverfassungsrecht, ist das Revisionsgericht nicht an die Auslegung gebunden, sondern zur eigenen Auslegung berechtigt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 31 m.w.N.). Die in ihrer Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht bundesverfassungswidrige Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW kann und muss verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass tatbestandlich nur diejenigen Fallgestaltungen erfasst werden, in denen ein Prüfling aus der begonnenen mündlichen Prüfung aus eigenem Entschluss ohne genügende Entschuldigung endgültig aussteigt, und hieran die Rechtsfolge des Nichtbestehens der staatlichen Pflichtfachprüfung geknüpft wird. 23 In dieser Auslegung weist die Norm weder in ihrem Tatbestand noch im Hinblick auf die vorgesehene Rechtsfolge eine Undeutlichkeit auf und genügt damit dem prüfungsspezifischen Bestimmtheitsgebot. Ebenso wenig verstößt sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist insbesondere nicht unangemessen, dass der nicht genügend entschuldigte einseitige und endgültige Ausstieg eines Prüflings aus der mündlichen Prüfung nicht nur das Nichtbestehen dieses Prüfungsteils, sondern das Nichtbestehen der gesamten staatlichen Pflichtfachprüfung zur zwingenden Folge hat. Insoweit trägt die Regelung dem verfassungsrechtlich fundierten prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit Rechnung und ist ferner deshalb hinnehmbar, weil Sanktionen im Prüfungsrecht - wie erwähnt - auch generalpräventiv wirken und einen Abschreckungseffekt erzeugen dürfen. 24 Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Lassen die anerkannten Auslegungsmethoden mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, ist diese geboten. Die verfassungskonforme Auslegung muss insbesondere von dem Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341 <358>, vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274> und vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 - BVerfGE 138, 64 Rn. 86). Diese Voraussetzungen sind für die hier gebotene einschränkende Norminterpretation erfüllt. 25 Die restriktive Deutung entspricht dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW sowohl im Hinblick auf den Tatbestand der Norm als auch hinsichtlich der vorgesehenen Rechtsfolge ohne weiteres und viel deutlicher als die weite Auslegung des Oberverwaltungsgerichts. Sie befindet sich darüber hinaus im Einklang mit der Gesetzessystematik, da - anders als dies bei der weiten Auslegung der Fall ist - eine Überschneidung mit dem Anwendungsbereich der Sanktionsvorschrift des § 22 Abs. 1 und 3 JAG NRW vermieden wird. Sie steht ferner in weitestgehender Übereinstimmung mit dem der Norm seitens des Landesgesetzgebers beigemessenen Zweck, weil der Kernbestand der in Frage kommenden Fälle, in denen ein Prüfling die Prüfungsbedingungen missbräuchlich zu seinen Gunsten verändern will, zuverlässig erfasst wird. 26 Der zur Entscheidung stehende Fall der Klägerin unterfällt dem auf diese Weise in verfassungskonformer Auslegung begrenzten Regelungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW nicht. 27 5. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich nicht deshalb im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar, weil der angegriffene Bescheid des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 anstelle der für ihn als Grundlage nicht tragfähigen Bestimmung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW auf die Sanktionsvorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 JAG NRW gestützt werden könnte. Nach der letztgenannten Norm kann als Folge eines ordnungswidrigen Verhaltens die staatliche Pflichtfachprüfung für nicht bestanden erklärt werden. Die Anordnung der in Rede stehenden Sanktion steht also im Ermessen des Justizprüfungsamtes. Ein solches Ermessen hat das Amt im vorliegenden Fall nicht ausgeübt. 28 6. Da es für den angegriffenen Bescheid des Justizprüfungsamtes vom 9. März 2015 an einer tragfähigen Rechtsgrundlage fehlt, ist dieser aufzuheben. Diese Entscheidung kann der Senat nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO selbst treffen. 29 Das Justizprüfungsamt hat die Klägerin in der Folge erneut zur mündlichen Prüfung im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung zu laden. Die Klägerin muss in der mündlichen Prüfung neben dem Prüfungsgespräch auch den Vortrag als Prüfungsleistung absolvieren. Ihr bereits am 21. Januar 2015 gehaltener Vortrag kann schon deshalb nicht mehr in Ansatz gebracht werden, weil er seinerzeit nicht bewertet worden ist und nach der inzwischen vergangenen Zeitspanne auch nicht mehr bewertet werden kann (vgl. dazu allgemein: BVerwG, Beschluss vom 11. April 1996 - 6 B 13.96 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 363 S. 132 ff.; Urteil vom 19. Dezember 2001 - 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38 f.). Es kann erwartet werden, dass das Justizprüfungsamt im Hinblick auf den Zeitpunkt der mündlichen Prüfung die besondere, durch die Dauer des Klageverfahrens bedingte Situation der Klägerin angemessen berücksichtigen wird. 30 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-17,28.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 17/2019 vom 28.02.2019 EN Keine Kürzung des Anspruchs von Tagespflegepersonen auf hälftige Erstattung ihrer nachgewiesenen Aufwendungen zu einer freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Jugendämter müssen selbstständigen Tagesmüttern und -vätern die Hälfte ihrer Aufwendungen für eine freiwillige gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung erstatten und dürfen sie nicht um Aufwendungen für Beitragsanteile kürzen, die rechnerisch auf die im Rahmen der Beitragsbemessung angerechneten Einnahmen ihres Ehe- oder Lebenspartners zurückzuführen sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die als Tagesmutter tätige Klägerin war im streitigen Zeitraum von Juni bis Dezember 2012 freiwillig gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Ihr Ehemann gehörte als Polizeibeamter keiner gesetzlichen Krankenversicherung an. Aus diesem Grund berücksichtigte die gesetzliche Krankenkasse entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben für die Beitragsbemessung neben den eigenen Einnahmen der Klägerin als Tagesmutter auch Einnahmen ihres Ehemannes und setzte für die Kranken- und Pflegeversicherung monatlich insgesamt rd. 253 € fest. Damit beliefen sich die sozialversicherungsrechtlichen Aufwendungen für die Klägerin in den streitigen Monaten auf rd. 1 771 €. Auf ihren Antrag, ihr diese zur Hälfte zu erstatten, gewährte ihr die beklagte Stadt rd. 496 €. Eine weitere Erstattung lehnte sie mit der Begründung ab, sie sei als Trägerin des Jugendamtes nur verpflichtet, die Hälfte der angemessenen Aufwendungen zu einer Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten. Hierzu gehörten nicht Aufwendungen für  Beitragsanteile, die auf die Einnahmen des Ehemannes zurückzuführen seien. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage der Klägerin ist vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die beklagte Stadt antragsgemäß zur Erstattung von weiteren rd. 390 € verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis bestätigt. Nach der Anspruchsgrundlage (§ 23 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch) sind die nachgewiesenen Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung zur Hälfte zu erstatten. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Angemessen ist jedenfalls eine freiwillige gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Nachgewiesen sind die hierfür mittels überprüfbarer Angaben und Belege bestätigten tatsächlichen Aufwendungen. Die Vorschrift verlangt schon nach ihrem Wortlaut nicht, dass auch die nachgewiesenen Aufwendungen angemessen sein müssen. Sie weist zwar eine planwidrige Regelungslücke auf, soweit sie keine Einschränkung bezüglich solcher Aufwendungen enthält, die durch andere eigene Einkünfte der Tagespflegeperson als solche aus der öffentlich finanzierten Kindertagespflege veranlasst sind. Um derartige eigene Einkünfte geht es hier aber nicht. BVerwG 5 C 1.18 - Urteil vom 28. Februar 2019 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 4 A 890/16 - Urteil vom 08. November 2017 - VG Leipzig, 5 K 36/14 - Urteil vom 15. September 2016 -","Urteil vom 28.02.2019 - BVerwG 5 C 1.18ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U5C1.18.0 EN Keine Kürzung des Erstattungsanspruchs nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII um auf angerechnete Einnahmen des Ehegatten der Tagespflegeperson zurückzuführende Anteile an den Versicherungsbeiträgen Leitsatz: Die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII setzt nicht die Angemessenheit der Aufwendungen voraus. Rechtsquellen SGB VIII § 23 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 2, 3 und 4, § 24 SGB V § 223 Abs. 2 Satz 1, § 240 SGB XI § 57 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Instanzenzug VG Leipzig - 15.09.2016 - AZ: VG 5 K 36/14 OVG Bautzen - 08.11.2017 - AZ: OVG 4 A 890/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 5 C 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U5C1.18.0] Urteil BVerwG 5 C 1.18 VG Leipzig - 15.09.2016 - AZ: VG 5 K 36/14 OVG Bautzen - 08.11.2017 - AZ: OVG 4 A 890/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt eine höhere Erstattung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für ihre Tätigkeit als selbstständige Tagesmutter. 2 Sie übte diese Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten von Anfang Juni 2012 bis Ende April 2014 aus. Da ihr Ehemann als Polizeibeamter keiner gesetzlichen Krankenversicherung angehört, berücksichtigte die gesetzliche Kranken- und Pflegekasse für die Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung neben den eigenen Einnahmen der Klägerin als Tagesmutter in Höhe von monatlich 875 € auch dessen Einnahmen in dem nach den einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Umfang. Auf der Grundlage der so ermittelten beitragspflichtigen Einnahmen setzte die Kranken- und Pflegekasse für den streitigen Zeitraum von Juni bis Dezember 2012 für die Krankenversicherung monatlich 224 € und für die Pflegeversicherung monatlich 29,32 € fest. Auf den Antrag der Klägerin, ihr diese Beiträge zur Hälfte zu erstatten, zahlte ihr die Beklagte insgesamt 496,16 €. Dies entspreche dem monatlichen Maximalbetrag der Aufwendungserstattung von 70,88 €. Eine weitere Erstattung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, sie sei nur zur hälftigen Übernahme der angemessenen Aufwendungen verpflichtet. Hierzu gehörten ausschließlich die Beitragsanteile, die aus den Einkünften der Klägerin als Tagesmutter resultierten, nicht aber solche, die auf Einnahmen des Ehemannes zurückzuführen seien. 3 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Erstattung von weiteren 390,46 € hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte zur Erstattung des beantragten Betrages verpflichtet. 4 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar seien nach der gesetzgeberischen Vorstellung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII lediglich diejenigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der Tagespflegeperson zu erstatten, die auf der öffentlich finanzierten Kindertagespflege beruhten. Dazu gehörten nur die Beiträge, die sich aus der laufenden Geldleistung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII ergäben. Die von der Klägerin entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erfüllten aber diese Vorgaben. Sie seien auf ihre Tätigkeit als Tagespflegeperson zurückzuführen. Der Klägerin habe insoweit keine Wahlmöglichkeit zugestanden. Sie hätte ihre Beitragspflicht nicht durch eigene Entscheidungen - etwa die, auf eine weitere berufliche Tätigkeit mit zusätzlichen Einkünften zu verzichten - beschränken können. Eine andere Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil sich die Höhe der Versicherungsbeiträge der Klägerin auch nach dem Einkommen ihres Ehemannes bemesse. Die Teile der Einnahmen des Ehemannes der Klägerin, die in die Beitragsbemessung eingeflossen seien, könnten nicht zusätzlichen - nicht mit der Tätigkeit als Tagesmutter im Zusammenhang stehenden - Einnahmen der Tagespflegeperson gleichgestellt werden. 5 Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII. 6 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt der Sache nach die Revision der Beklagten. II 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, gegenüber der Klägerin für den Zeitraum Juni bis Dezember 2012 einen weiteren Erstattungsbetrag von 390,46 € festzusetzen. 9 Das Verpflichtungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage in § 23 Abs. 1 und 2 Nr. 4 des Achten Buches des Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII) i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022). Danach umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII - soweit hier von Interesse - die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 1 SGB VIII), welche unter anderem die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung einschließt (§ 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. 10 Die Beteiligten streiten zu Recht weder darüber, dass die Klägerin anspruchsberechtigt ist, noch darüber, dass die Voraussetzungen des § 24 SGB VIII vorliegen. Ebenso ist zwischen ihnen zu Recht nicht streitig, dass die von der Klägerin abgeschlossene Kranken- und Pflegeversicherung angemessen im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII ist. Denn jedenfalls die freiwillige Versicherung einer selbstständigen Tagespflegeperson im Rahmen einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stellt eine dem Versicherungsschutz nach angemessene Absicherung für den Krankheits- und Pflegefall dar (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 14 f.; s.a. Lakies/Beckmann, in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 23 Rn. 34; Kaiser, in: LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 23 Rn. 14; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 23 Rn. 19; Struck, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 23 Rn. 35 b). Des Weiteren gehen die Beteiligten zutreffend davon aus, dass die geltend gemachten Aufwendungen im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII nachgewiesen sind. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Aufwendungen mittels überprüfbarer Angaben und Belege bestätigt werden. Der Streit der Beteiligten konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob die Träger der öffentlichen Jugendhilfe - und so auch die Beklagte - nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII befugt sind, die nachgewiesenen Aufwendungen um solche Aufwendungen zu bereinigen, die nicht als angemessen zu bewerten sind. Das ist zu verneinen. Der Vorschrift lässt sich nicht im Wege der Auslegung entnehmen, dass die Erstattungspflicht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf angemessene Aufwendungen beschränkt ist (1.). Auch eine richterliche Rechtsfortbildung im von der Beklagten dargelegten Sinne scheidet aus (2.). 11 1. Die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII setzt nicht die Angemessenheit der Aufwendungen voraus. Das gegenteilige Normverständnis der Beklagten überschreitet die Grenzen der Auslegung. Für eine Beschränkung der Erstattungspflicht auf angemessene Aufwendungen findet sich in der Vorschrift kein normativer Anknüpfungspunkt. 12 § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII verlangt schon nach seinem Wortlaut und seiner Binnensystematik nicht, dass auch die nachgewiesenen Aufwendungen angemessen sein müssen. Es wird zwischen ""nachgewiesenen Aufwendungen"" und ""einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung"" unterschieden. Das Kriterium der Angemessenheit bezieht sich nach der Wortstellung ausschließlich auf die Bezugsworte ""Krankenversicherung und Pflegeversicherung"". Der systematische Vergleich mit § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII bekräftigt diesen Befund. Während diese Vorschrift die Erstattung ausdrücklich auf ""angemessene Kosten"" reduziert, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen, fehlt eine entsprechende Begrenzung in § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII. 13 Damit mangelt es zugleich an dem erforderlichen normativen Anknüpfungspunkt für den von der Beklagten angenommenen Beurteilungsspielraum bei der Festsetzung der Höhe der nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII zu erstattenden Aufwendungen. Als solcher käme allein der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit in Betracht, der sich - wie dargelegt - nicht auf die (nachgewiesenen) Aufwendungen bezieht. Es liegt insoweit anders als bei § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII, dessen unbestimmter Rechtsbegriff ""Betrag zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung"" aus den Gründen des Urteils des Senats vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - (NVwZ-RR 2018, 529 Rn. 10) der Behörde einen der gerichtlichen Kontrolle nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum verleiht. Mithin ist diese Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Beklagten auf § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII nicht zu übertragen. 14 2. Die Anspruchsgrundlage des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII ist nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung dahin einzuschränken, dass sie nicht auf Aufwendungen für Beitragsanteile anzuwenden ist, die rechnerisch auf Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners der Tagespflegeperson zurückzuführen sind, welche nach Maßgabe der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (konkret des § 240 SGB V und des § 57 Abs. 4 SGB XI i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Einheitlichen Grundsätze des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge - Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - vom 27. Oktober 2008, zuletzt geändert am 28. November 2018) bis zu einer bestimmten Höchstgrenze (konkret in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze, § 2 Abs. 4 Satz 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) anzurechnen sind, wenn dieser keiner gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse angehört. Das methodische Mittel zu einer derart einengenden Rechtsfortbildung über die Auslegung hinaus wäre die teleologische Reduktion des Gesetzes. Deren Voraussetzungen liegen aber nicht vor. 15 Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten nur begrenzt zu. Sie ist unter anderem dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 25. März 2014 - 5 C 13.13 - Buchholz 436.36 § 8 BAföG Nr. 14 Rn. 25 und vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - BVerwGE 152, 60 Rn. 21). Danach ist die Regelung des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII zwar planwidrig unvollständig, soweit sie von der Erstattungspflicht überhaupt keine Ausnahme macht. Dieses Regelungsversäumnis des Gesetzgebers besteht aber nicht in Bezug auf die vorstehend skizzierte Fallkonstellation. 16 Entsprechend dem Plan des Gesetzgebers, wie er insbesondere im Gesetzgebungsverfahren in der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung seinen Ausdruck gefunden hat, sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht zur hälftigen Übernahme von Beitragsanteilen verpflichtet sein, die durch andere e i g e n e Einkünfte der Tagespflegeperson als solche aus der öffentlich finanzierten Kindertagespflege hervorgerufen werden. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf des Kinderförderungsgesetzes vorgeschlagen, in § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII nach dem Wort ""Pflegeversicherung"" die Wörter "", sofern die Beitragszahlungen durch die öffentlich finanzierte Kindertagespflege ausgelöst werden"" einzufügen, um klarzustellen, dass die Erstattungspflicht lediglich die tatsächlich nachgewiesenen Aufwendungen der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge umfasse, die ausschließlich aus den Einkünften aus öffentlich finanzierter Kindertagespflege resultierten, wozu erhöhte Beiträge, die auf anderen eigenen Einnahmen der Tagespflegeperson - so auch auf der (teilweisen) aus privaten Mitteln geleisteten Entlohnung für die Betreuungstätigkeit - beruhten, nicht gehörten (BT-Drs. 16/10173 S. 9). Diesem Vorschlag hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung nicht zugestimmt, weil sich aus dem Gesetz ohnehin ergebe, dass sich die ""Pflicht zur hälftigen Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung nur auf Beiträge bezieh(t), die durch die Tätigkeit in der öffentlich geförderten Kindertagespflege veranlasst sind"" (BT-Drs. 16/10173 S. 15). Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Erstattungspflicht nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf Beitragsanteile einer Kranken- und Pflegeversicherung erstreckt, die auf andere eigene Einkünfte der Tagespflegeperson als die vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Tätigkeit in der Kindertagespflege gewährte Geldleistung zurückzuführen sind. Den vorstehenden Äußerungen ist insbesondere nicht deshalb die Aussagekraft abzusprechen, weil der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28. August 2008 (BT-Drs. 16/10173) aufgrund der Empfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24. September 2008 (BT-Drs. 16/10357 S. 3, 5 und 21) in der Folgezeit für erledigt erklärt hat (Plenarprotokoll 16/180 S. 19259). Denn dies ist allein im Hinblick auf den zeitlich früher eingereichten Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27. Mai 2008 (BT-Drs. 16/9299) erfolgt, der in Wortlaut und Begründung mit dem Entwurf der Bundesregierung übereingestimmt hat und die Grundlage des Kinderförderungsgesetzes und damit des hier maßgeblichen § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII bildet. 17 In dieselbe Richtung wie die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung weist auch die Erwägung in der Begründung des Gesetzentwurfs, durch die hälftige Übernahme der Versicherungsbeiträge würden die Tagespflegepersonen in ihrer Absicherung für den Krankheits- und Pflegefall angestellten Arbeitnehmern angenähert (BT-Drs. 16/9299 S. 15). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII zu erstattenden Beitragsanteilen um solche handeln muss, die auf der Grundlage des aus öffentlichen Mitteln gezahlten ""Entgelts"" für die Tätigkeit in der Kindertagespflege zu zahlen sind. Denn bei der Bemessung der Beiträge angestellter Tagespflegepersonen werden die Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners ebenfalls nicht berücksichtigt (vgl. § 223 Abs. 2 Satz 1, §§ 226 ff. SGB V sowie § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). 18 Aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien lassen sich indessen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber darüber hinaus die von der Beklagten behauptete Einschränkung beabsichtigt hat. 19 Der Wortlaut des § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII ist somit zwar überschießend, soweit die Träger der öffentlichen Jugendhilfe danach auch die nachgewiesenen Aufwendungen für solche Versicherungsbeiträge zur Hälfte zu erstatten haben, die aus eigenen Einkünften der Tagespflegeperson außerhalb der öffentlich finanzierten Kindertagespflege herrühren. Um solche handelt es sich bei den streitgegenständlichen Beitragsanteilen aber nicht, die allein auf den angerechneten Einnahmen des Ehemannes der Klägerin beruhen. 20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2019-18,28.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 18/2019 vom 28.02.2019 EN Kein Anspruch auf Informationszugang gegen Generalbundesanwalt in einem Ermittlungsverfahren Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof muss keinen Informationszugang zu Unterlagen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewähren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Förderung der Informationsfreiheit, beantragte bei dem Generalbundesanwalt den Informationszugang zu einer Weisung des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz an den Generalbundesanwalt bzw. zu dem gesamten Schriftverkehr in diesem Ermittlungsverfahren. Der Generalbundesanwalt lehnte den Antrag unter Berufung auf vorrangige Regelungen der Strafprozessordnung über den Zugang zu amtlichen Informationen ab. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht eröffnet, weil er sich allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und der sonstigen Stellen des Bundes bezieht. Demgegenüber gehören die begehrten Informationen zum Tätigkeitsbereich des Generalbundesanwalts als Organ der Rechtspflege. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch und auf Art. 10 EMRK berufen. BVerwG 7 C 23.17 - Urteil vom 28. Februar 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 10 S 1478/16 - Urteil vom 16. Mai 2017 - VG Karlsruhe, 3 K 4229/15 - Urteil vom 16. Juni 2016 -","Urteil vom 28.02.2019 - BVerwG 7 C 23.17ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U7C23.17.0 EN Zugang zu Unterlagen des Generalbundesanwalts Leitsätze: 1. Der Generalbundesanwalt nimmt im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens keine materielle Verwaltungstätigkeit wahr und ist insoweit keine ""Behörde des Bundes"" im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. 2. Eine in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erteilte Weisung des Bundesjustizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt ist als Aktenbestandteil der Ermittlungsakte des Generalbundesanwalts dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes entzogen. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 EMRK Art. 10 IFG § 1 Abs. 1 StPO § 475 GVG § 147 Nr. 1 Instanzenzug VG Karlsruhe - 16.06.2016 - AZ: VG 3 K 4229/15 VGH Mannheim - 16.05.2017 - AZ: VGH 10 S 1478/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U7C23.17.0] Urteil BVerwG 7 C 23.17 VG Karlsruhe - 16.06.2016 - AZ: VG 3 K 4229/15 VGH Mannheim - 16.05.2017 - AZ: VGH 10 S 1478/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Gründe I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof. 2 Im August 2015 beantragte der Kläger beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Zugang zu einer an diesen ergangenen Weisung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zum Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landesverrats gegen Mitarbeiter der Organisation ""N.org"", zu dem Schriftverkehr hierzu sowie zu den vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt zu diesem Komplex gefertigten Gutachten. Unter dem 17. August 2015 teilte der Generalbundesanwalt dem Kläger mit, eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz komme wegen vorrangiger Regelungen der Strafprozessordnung nicht in Betracht. 3 Bereits am 14. September 2015 hatte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben, die ohne Erfolg blieb. Seine Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 16. Mai 2017 zurückgewiesen: Es könne offen bleiben, ob die Klage als Untätigkeitsklage zulässig sei, denn jedenfalls sei sie unbegründet. Ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz scheide aus. Sein Anwendungsbereich erstrecke sich ausgehend von dem funktionellen Behördenbegriff allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und sonstigen Stellen des Bundes. Deshalb sei der Generalbundesanwalt, der der Dritten Gewalt als Organ der Rechtspflege zuzuordnen sei, im vorliegenden Zusammenhang keine informationspflichtige Stelle. Dieser Konsequenz könne der Kläger nicht dadurch ausweichen, dass er sein Informationsbegehren auf einen hinter der Ermittlungsakte stehenden Verwaltungsvorgang beziehe. Auch sei es für den Erfolg des Antrags unerheblich, ob mit dem Informationszugang eine offensichtlich rechtswidrige Einzelfallweisung aufgedeckt werden solle. Eine strukturell bedingte Abschottung von staatsanwaltschaftlichen Akten, die rechtsstaatliche Mindeststandards der Transparenzanforderungen verfehle, gebe es zudem nicht. Informationsrechte könnten im Bereich der Strafrechtspflege aus § 475 StPO folgen. Der begehrte Informationszugang könne auch nicht auf das Grundrecht der Informationsfreiheit gestützt werden. Der Gesetzgeber habe amtliche Dokumente im Bereich der Strafrechtspflege von der Geltung des § 1 Abs. 1 IFG ausgenommen. Auch könne sich der Kläger nicht auf einen presserechtlichen Informationszugangsanspruch berufen, weil er weder vom sachlichen noch vom personellen Schutzbereich des Grundrechts der Pressefreiheit erfasst werde. Der Informationszugang sei auch nicht nach Art. 10 Abs. 1 EMRK begründet. 4 Der Kläger hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und macht geltend: Die Untätigkeitsklage sei zulässig. Auch wenn das Schreiben des Generalbundesanwalts vom 17. August 2015 als Verwaltungsakt anzusehen sei, habe kein Vorverfahren durchgeführt werden müssen. Die Beklagte habe ihre ablehnende Haltung im Gerichtsverfahren bekräftigt. 5 Das Berufungsgericht habe verkannt, dass es sich bei der Weisung nicht um eine Maßnahme der Strafrechtspflege, sondern um den bislang noch nie vorgekommenen Fall einer rechtswidrigen Weisung zur Verfahrenseinstellung durch den Bundesjustizminister handele; der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei daher eröffnet. Die begehrten Unterlagen stellen auch solche aus allgemein zugänglichen Quellen i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG dar. Die Auffassung des Berufungsgerichts zum presserechtlichen Auskunftsanspruch sei unzutreffend; bei der Auslegung der grundgesetzlichen Pressefreiheit sei Art. 10 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe Nichtregierungsorganisationen der Presse gleichgestellt. Die Europäische Menschenrechtskonvention vermittele zudem einen unmittelbaren Auskunftsanspruch. 6 Der Kläger beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Mai 2017 und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2016 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten bzw. zu verurteilen, ihm Zugang zu der Weisung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an den Generalbundesanwalt in Sachen Ermittlungsverfahren ""Landesverrat"" gegen Herrn B. und andere bzw. dem gesamten Schriftverkehr in dieser Angelegenheit zwischen diesen beiden Behörden und aller vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Generalbundesanwalt zu diesem Komplex gefertigten Gutachten durch Übersendung von Kopien zu gewähren. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das angegriffene Berufungsurteil. II 9 Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und demnach zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Bundesrechtsverstoß zurückgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2 VwGO). 10 1. a) Soweit die Klage auch auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes gerichtet ist, ist die dafür allein statthafte Klageart nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die Verpflichtungsklage (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG). Denn bei dem die Bezugszeile ""Ihr Antrag vom 12. August 2015 für die D. e.V."" aufweisenden Schreiben des Generalbundesanwalts vom 17. August 2015 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Mit der darin enthaltenen Formulierung, ""dass eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz durch die Bundesanwaltschaft nicht in Betracht kommt, da für den Bereich der Strafverfolgung besondere Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen den Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes vorgehen (§ 1 Abs. 3 IFG)"", hat der Generalbundesanwalt nicht nur auf die Rechtslage hingewiesen, sondern eine Entscheidung über den Antrag getroffen. Dass nicht ausdrücklich von einer Ablehnung des Antrages die Rede ist und der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthält, steht dieser Wertung nicht entgegen. 11 Ein Widerspruchsverfahren war ausnahmsweise entbehrlich. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus regelmäßig der Fall, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. August 1993 - 11 C 15.92 - Buchholz 436.36 § 46 BAföG Nr. 16 und BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 21.16 - NVwZ 2018, 1229 Rn. 19 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte durch den als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständigen Generalbundesanwalt (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO) auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 1980 - 2 A 4.78 - Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 14, vom 20. April 1994 - 11 C 2.93 - Buchholz 436.36 § 18 BAföG Nr. 13 und vom 19. Februar 2009 - 2 C 56.07 - NVwZ 2009, 924 Rn. 11). 12 b) Der Kläger macht mit dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch einen weiteren prozessualen Anspruch geltend; statthaft ist insoweit die allgemeine Leistungsklage (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Mai 2016 - 7 C 7.15 - AfP 2016, 564 Rn. 2 ff. und vom 22. März 2018 - 7 C 1.17 - juris Rn. 13). Dass das Klagebegehren vorliegend über eine bloße Auskunft hinausreicht und der Zugang zu bestimmten Dokumenten in Kopie geltend gemacht wird, ändert an dem Vorliegen eines eigenständigen, aus der Verfassung abgeleiteten Streitgegenstands nichts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Klagebegehren daher nicht lediglich im Sinne einer Anspruchsnormenkonkurrenz auf mehrere Rechtsgrundlagen gestützt. 13 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch des Klägers auf Zugang zu den Unterlagen des Generalbundesanwalts nach dem Informationsfreiheitsgesetz ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgelehnt (a). Ebenfalls zutreffend hat er einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Auskunftsrechte aus Art. 10 EMRK verneint (b). 14 a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen gilt das Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG). 15 Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG funktioneller Natur. Eine Behörde ist jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 22). Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich daher allein auf die materielle Verwaltungstätigkeit der Behörden und der sonstigen Stellen des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 15). Ob letzteres der Fall ist, bestimmt sich nach materiellen Kriterien in negativer Abgrenzung zu den anderen Staatsfunktionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 13). 16 Zwar ist die Staatsanwaltschaft unter dem Blickwinkel der Gewaltenteilung Teil der Exekutive (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 141 Rn. 8). Wenn sie als Organ der Rechtspflege tätig wird, nimmt sie aber eine andere Staatsfunktion als die der Verwaltung war und übt insoweit keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne aus (vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 141 Rn. 9; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 2 Rn. 202 und § 2 Rn. 75). Durch ihre vorbereitende Tätigkeit gemeinsam mit den Gerichten erfüllt die Staatsanwaltschaft die Aufgabe der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 - III ZR 320/12 - juris Rn. 24). Zutreffend weist der Verwaltungsgerichtshof insoweit darauf hin, dass diese Zuordnung einfachrechtlich ihren Ausdruck etwa in § 141 GVG findet, wonach bei jedem Gericht eine Staatsanwaltschaft bestehen soll. Auch § 142 Abs. 1 Nr. 1 GVG liegt dieses Verständnis zugrunde. Nach dieser Vorschrift wird das Amt der Staatsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof durch einen Generalbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte ausgeübt. Die Staatsanwaltschaften sind, ohne selbst Gerichte zu sein, organisatorisch aus der Verwaltung herausgelöst und bei den Gerichten mit der Aufgabe errichtet, sich an gerichtlichen Verfahren zu beteiligen und diese zu fördern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1961 - GrSen. 4.60 - NJW 1960, 1496 <1497>). 17 Danach ist der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes vorliegend nicht eröffnet. Der Generalbundesanwalt ist, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und damit als Teil der Justiz und nicht als Behörde im funktionellen Sinne tätig geworden. Die im Rahmen dieser justiziellen Tätigkeit beim Generalbundesanwalt angefallenen Aktenbestandteile sind damit dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes entzogen. Dies gilt - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat (UA. S. 14) - nicht nur für den ""gesamten Schriftverkehr"", sondern auch für die Gutachten, deren Übersendung der Kläger begehrt. Darauf, ob der Bundesjustizminister bei Erteilung einer auf ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bezogenen Weisung wegen des Funktionszusammenhangs mit der Strafrechtspflege ausnahmsweise nicht als Behörde im funktionellen Sinne anzusehen ist, kommt es hier - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 13 f.) - nicht an. Diese Frage stellt sich nur dann, wenn der Informationszugangsanspruch gegen das Bundesministerium gerichtet ist. Ein solcher Anspruch war Gegenstand des dem Urteil des Senats vom 22. März 2018 - 7 C 21.16 (NVwZ 2018, 1223) zugrunde liegenden Verfahrens. Vor diesem Hintergrund dringt die Klägerin auch mit ihrer nicht weiter substantiierten Aufklärungsrüge, das Berufungsgericht hätte Ermittlungen über die Existenz eines separierten Verwaltungsvorgangs anstellen müssen, nicht durch. Dies gilt auch für das weitere Revisionsvorbringen, es hätte weiterer Aufklärungsbemühungen bedurft, ob es entgegen dem Bekunden des Generalbundesanwalts doch eine schriftliche Weisung des Bundesjustizministers an den Generalbundesanwalt gegeben habe. Es spielt für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes keine Rolle, ob eine schriftliche Weisung oder ein Vermerk über eine mündliche Weisung zur Akte genommen worden ist. Unerheblich ist ferner, ob die Weisung oder der Vermerk hierüber zu den Ermittlungsakten genommen wurde oder in einem separaten Verwaltungsvorgang Eingang gefunden hat. In beiden Fällen hätte die Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege gehandelt, denn die Weisung ist ihr zu einem konkreten Ermittlungsverfahren erteilt worden. 18 Für die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes kommt auch der von der Revision geltend gemachten Rechtswidrigkeit der ministeriellen Weisung keine Bedeutung zu. Zutreffend weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass die rechtlichen Wertungen ""rechtmäßig"" oder ""rechtswidrig"" keine Kategorien im System des Informationsfreiheitsgesetzes seien. Es kommt deshalb grundsätzlich für den Zugang zu Informationen nicht darauf an, ob eine ministerielle Maßnahme der Aufsicht und Leitung (§ 147 Nr. 1 GVG) zu Recht ergangen ist. Allenfalls wenn ein Akt ""ultra vires"" ohne jeden Bezug zur Aufsicht und Leitung im Sinne von § 147 Nr. 1 GVG in Rede steht, mag eine andere Beurteilung geboten sein. Bedarf für eine vertiefte Erörterung dieser Frage besteht vorliegend nicht. 19 Die fehlende Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes auf die staatsanwaltliche Tätigkeit des Generalbundesanwalts führt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dazu, dass es im Bereich der Strafrechtspflege keine Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit gibt. § 475 StPO gewährleistet ein hinreichendes Informationszugangsniveau. Nach dieser Bestimmung kann auch eine Privatperson Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches Interesse hat der Bundesgerichtshof für das Einsichtsbegehren des Klägers mit Beschluss vom 8. November 2017 (1 BGs 461/17) verneint. 20 Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Begriff der ""allgemein zugänglichen Quellen"" in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG der Neuinterpretation bedürfe und das Informationsfreiheitsgesetz insoweit als Widmungsakt auch für die hier in Rede stehenden Unterlagen zu verstehen sei, übersieht sie, dass das Informationsfreiheitsgesetz seinen Anwendungsbereich gerade nicht auf amtliche Informationen erstreckt hat, die im Rahmen der Rechtspflege bei der Justiz und den Staatsanwaltschaften als einem Teil der Justiz anfallen und es insoweit gerade an einer ""Widmung"" fehlt. Nur wenn § 1 Abs. 1 IFG den geltend gemachten Anspruch auf Zugangsverschaffung zu den begehrten Informationen deckt, steht dieser Informationszugang unter dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 33). So liegt es hier nicht. 21 b) Ebenfalls ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verneint, weil der Kläger nicht Träger des Grundrechts der Pressefreiheit ist. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtsgerichtshof festgestellt, dass der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 seiner Satzung die Förderung des demokratischen Staatswesens durch die Förderung der Informationsfreiheit bezwecke und Bezüge zum Pressewesen nicht erkennbar seien. Diese alleinige Zielrichtung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Mit der Revision macht er zwar geltend, dass der personelle Schutzbereich der Pressefreiheit im Lichte von Art. 10 Abs. 1 EMRK zu erweitern sei und auch Vereine, die sich im öffentlichen Interesse um Auskunft bemühten, anspruchsberechtigt seien. Diese Argumentation verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg. Der Senat geht hierbei der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht weiter nach, eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 EMRK setze voraus, dass nach innerstaatlichem Recht kein Anspruch auf Erlangung der begehrten Informationen bestehe. Ferner lässt der Senat dahinstehen, ob der Kläger eine Nichtregierungsorganisation im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist. 22 Auch wenn das klägerische Zugangsbegehren von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst sein sollte, ist nichts dafür ersichtlich, dass die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz der Rechtspflege bestehenden Einschränkungen des Informationszugangsanspruchs im Informationsfreiheitsgesetz und die Ausgestaltung des Auskunftsrechts nach § 475 StPO bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht genügen (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 29, vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45 und vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - juris Rn. 18). 23 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-19,28.02.2019,"Pressemitteilung Nr. 19/2019 vom 28.02.2019 EN Zugang zu Unterlagen über Uwe Mundlos Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Bundesministerium der Verteidigung (Beklagte) einem Presseverlag (Klägerin) Zugang zu Unterlagen gewähren muss, die den Terroristen und ehemaligen Bundeswehrsoldaten Uwe Mundlos betreffen und in den Personalakten anderer (ehemaliger) Soldaten enthalten sind. Etwa enthaltene personenbezogene Daten der anderen Soldaten sind zu schwärzen. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Antrag der Klägerin auf Zugang zu allen Unterlagen, die die Beklagte dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags zu Uwe Mundlos zur Verfügung gestellt hatte. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zum überwiegenden Teil ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hin verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Beklagte, etwa 70 Personalakten anderer Soldaten, den Auszug des Einheitsaktenplans, der die Facharbeit des MAD und des Aufsichtsreferats betraf, sowie im Zusammenhang mit mutmaßlichen Munitionsdiebstählen Anfang der 90er Jahre stehende Unterlagen - jeweils unter Schwärzung personenbezogener Daten Dritter - der Klägerin in Kopie zur Verfügung zu stellen. Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Hinsichtlich des Zugangs zu Personalakten anderer Soldaten hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und auf diejenigen Unterlagen beschränkt, die Uwe Mundlos betreffen. Insoweit hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts im Ergebnis Bestand. Die erforderliche Abwägung zwischen dem postmortalen Persönlichkeitsschutz von Uwe Mundlos als Person der Zeitgeschichte und dem Informationsinteresse der Presse fällt zugunsten der Presse aus. Soweit die Klägerin darüber hinaus Zugang zu weiteren, als Verschlusssache eingestuften Unterlagen (Auszug aus dem Einheitsaktenplan sowie zu Munitionsdiebstählen), begehrt, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen nicht ohne die Durchführung eines sog. in-camera-Verfahrens, bei dem ein besonderer Spruchkörper diese Frage prüft, verneinen dürfen. BVerwG 7 C 20.17 - Urteil vom 28. Februar 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 1578/15 - Urteil vom 05. Mai 2017 - VG Köln, 13 K 3809/13 - Urteil vom 25. Juni 2015 -","Urteil vom 28.02.2019 - BVerwG 7 C 20.17ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U7C20.17.0 EN Zugang u.a. zu Informationen über Uwe Mundlos aus Personalakten Dritter Leitsätze: 1. § 5 Abs. 2 IFG zielt in erster Linie auf den Schutz der Personalakten im materiellen Sinne; die formelle Personalakte ist die Zusammenführung materieller Personalakten einer Person in einer einheitlichen Akte und unterfällt daher ebenfalls dem Schutz des § 5 Abs. 2 IFG. 2. Weisen die Darlegungen der anspruchsverpflichteten Behörde zur materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit der begehrten Informationen ein Mindestmaß an Plausibilität auf, darf das Gericht das Vorliegen fachgesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG nicht verneinen, ohne die zurückgehaltenen Unterlagen anzufordern und ein sogenanntes ""in-camera""-Verfahren einzuleiten. Rechtsquellen IFG § 1 Abs. 1 und 3, § 3 Nr. 1 Buchst. g, § 3 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 2 Satz 2, § 8 SG § 29 Abs. 1 Satz 3, § 29 Abs. 3 Satz 9, § 29 Abs. 7 Satz 3 und 4 VwGO § 99 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Köln - 25.06.2015 - AZ: VG 13 K 3809/13 OVG Münster - 05.05.2017 - AZ: OVG 15 A 1578/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 20.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280219U7C20.17.0] Urteil BVerwG 7 C 20.17 VG Köln - 25.06.2015 - AZ: VG 13 K 3809/13 OVG Münster - 05.05.2017 - AZ: OVG 15 A 1578/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Juni 2015 werden insoweit für wirkungslos erklärt. Im Übrigen wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2017 geändert, soweit es die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin den 1. Ordner zu BMVg-1, S. 1 bis 16, und den Ordner zu BMVg-4 in Kopie zur Verfügung zu stellen. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin ist Verlegerin von Presseerzeugnissen. Sie begehrt nach dem Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu den Unterlagen, die das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Person und dem Umfeld des verstorbenen mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos übermittelt hat, darunter unter anderem Unterlagen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Disziplinarakten, etwa 70 Personalakten anderer Soldaten, einen als Verschlusssache ""VS-Nur für den Dienstgebrauch"" (VS-NfD) eingestuften Auszug aus dem Einheitsaktenplan des BMVg und ebenso eingestufte Unterlagen über mutmaßliche Munitionsdiebstähle aus Beständen der Bundeswehr/NVA Anfang der 1990er Jahre. Mit einer Schwärzung von Daten zu dritten Personen hat sich die Klägerin einverstanden erklärt. 2 Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. November 2012 überwiegend ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2013 zurück. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nahm die Klägerin ihre Klage hinsichtlich des Zugangs zu der ihr bereits vorliegenden Personalakte des Uwe Mundlos zurück; hinsichtlich eines weiteren Teilantrags wurde das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Insoweit stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein; im Übrigen wies es die Klage ab. 3 Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Personalakten anderer Soldaten, den Auszug aus dem Einheitsaktenplan und die Unterlagen zu den Munitionsdiebstählen in Kopie zur Verfügung zu stellen; personenbezogene Daten Dritter dürfe die Beklagte schwärzen. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei auch hinsichtlich der Personalakten eröffnet. § 29 Abs. 3 Satz 9 SG stelle keine abschließende Spezialnorm im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG dar. Der Zugang zu den Personalakten sei nicht nach § 5 Abs. 2 IFG ausgeschossen. § 5 Abs. 2 IFG knüpfe an den in § 29 SG verwendeten und von diesem vorgeprägten Begriff der Personalakte an und inkorporiere auf diese Weise den speziell ausgeformten Vertraulichkeitsschutz, wonach Auskünfte an Dritte erteilt werden dürfen, wenn der Schutz deren berechtigter, höherrangiger Interessen dies erfordere. Dies sei hier der Fall. Hinsichtlich der mit ""VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH"" gekennzeichneten Unterlagen liege ein Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG nicht vor. Eine materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Der Durchführung eines ""in-camera""-Verfahrens habe es insoweit nicht bedurft. Bereits mit Hilfe des Akteninhalts und des Vortrags der Beklagten lasse sich hinreichend sicher beurteilen, dass und inwieweit Ablehnungsgründe gegeben bzw. nicht gegeben seien. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. 4 Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht geltend, bei § 29 SG handele es sich um eine abschließende Spezialregelung, die den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes verschließe. Jedenfalls sei der Informationszugangsanspruch hinsichtlich der Personalakten anderer Soldaten als Uwe Mundlos aufgrund des Abwägungsverbotes in § 5 Abs. 2 IFG ausgeschlossen. Dieses Zugangshindernis könne nicht durch eine Schwärzung personenbezogener Daten, sondern nur durch Einwilligung der Betroffenen überwunden werden. Der Zugang zu den als Verschlusssachen eingestuften Unterlagen sei nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. Die fortdauernde materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit dieser Unterlagen habe sie hinreichend konkret dargetan; insoweit habe das Oberverwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft von der Einleitung eines ""in-camera""-Verfahrens abgesehen. 5 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2017 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Juni 2015 zurückzuweisen. 6 Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. 8 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin erklärt, ihr Interesse sei darauf gerichtet, aus den Personalakten, die im Tenor des Urteils des Oberverwaltungsgerichts aufgeführt sind, diejenigen Blätter in Kopie zu erhalten, die Uwe Mundlos betreffen. Darauf enthaltene personenbezogene Daten Dritter dürfe die Beklagte schwärzen. Den darüber hinausgehenden Klageantrag hat die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. II 9 Soweit die Klägerin die Klage mit Einverständnis der Beklagten zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen und waren die Urteile der Vorinstanzen für wirkungslos zu erklären (§ 92 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). 10 Im Übrigen bleibt die Revision der Beklagten ohne Erfolg, soweit sie den Zugang zu in Personalakten anderer Soldaten enthaltenen Informationen über Uwe Mundlos betrifft. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt zwar insoweit gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO)(1.). Hinsichtlich des Auszugs aus dem Einheitsaktenplan (1. Ordner zu BMVg-1, S. 1 bis 16) und der Unterlagen über mutmaßliche Munitionsdiebstähle Anfang der 1990er Jahre (Ordner zu BMVg-4) hat die Revision Erfolg; insoweit war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.). 11 1. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Anlegung eines bundesrechtswidrigen Verständnisses von § 5 Abs. 2 IFG angenommen, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Zugang zu in Personalakten anderer Soldaten enthaltenen Informationen über Uwe Mundlos auf das Informationsfreiheitsgesetz stützen kann (a). Ein derartiger Zugangsanspruch ergibt sich jedoch aus § 29 Abs. 3 Satz 9 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2387), so dass sich die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit aus anderen Gründen als richtig erweist (b). Zu Unterlagen in Personalakten bereits verstorbener Soldaten besteht zudem ein Zugangsanspruch auch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (c). Auf die insoweit erhobene Verfahrensrüge kommt es nach der teilweisen Klagerücknahme nicht mehr an (d). 12 a) Den Anspruch auf Zugang zu in Personalakten anderer (lebender) Soldaten enthaltenen Informationen zu Uwe Mundlos kann die Klägerin entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG stützen. Zwar verdrängen die Vorschriften des Personalaktenrechts der Soldaten, wie vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt, nicht die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes (aa). Allerdings geht das Oberverwaltungsgericht von einem bundesrechtswidrigen Verständnis des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 IFG aus (bb). 13 aa) Das Oberverwaltungsgericht prüft das Zugangsbegehren zu Recht am Maßstab des Informationsfreiheitsgesetzes. Die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes wird von § 29 Abs. 3 Satz 9 SG nicht gesperrt, weil die Vorschriften des Personalaktenrechts der Soldaten der Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes nicht gemäß § 1 Abs. 3 IFG entgegenstehen. Danach gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme von § 29 VwVfG und § 25 SGB X vor. Diese Vorschrift dient der Sicherung des Vorrangs des Fachrechts gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz. Um dies zu erreichen, wird das Informationsfreiheitsgesetz (nur) durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG - abstrakt - identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 12 m.w.N.). Das ist bei den Vorschriften des Personalaktenrechts der Soldaten nicht der Fall. 14 (1) Der sachliche Anwendungsbereich des § 29 Abs. 3 Satz 9 SG ist eröffnet. Nach dieser Vorschrift dürfen Auskünfte aus Personalakten an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung ohne Einwilligung des Bewerbers, Soldaten oder früheren Soldaten nur erteilt werden, wenn zwingende Gründe der Verteidigung, die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen Dritter dies erfordern. 15 Die Klägerin begehrt Zugang zu Informationen über Uwe Mundlos, die sich in formell als Personalakten geführten Aktenbeständen (früherer) Soldaten befinden. Aus der Aufbewahrung der Unterlagen in den (formellen) Personalakten darf geschlossen werden, dass es sich dabei zugleich um materielle Personalaktendaten im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 3 SG handelt. Zudem erstreckt sich diese Vorschrift - ungeachtet der Art der Aufbewahrung - auch auf alle sonstigen Unterlagen, die für den Status der Soldatin oder des Soldaten von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 16). 16 (2) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts deckt sich der Regelungsgehalt der soldatenrechtlichen Bestimmung mit dem Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz. § 29 Abs. 3 Satz 9 SG enthält nicht lediglich eine an die aktenführende Stelle gerichtete Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Auskünften an Dritte, sondern normiert eine Anspruchsgrundlage für den privaten Dritten, die diesem im Falle eines berechtigten, höherrangigen Interesses ein Recht auf Auskunft vermittelt. Die Vorschrift ist eine drittgerichtete Schutznorm und soll den Dritten nicht lediglich reflexhaft begünstigen. Unbeachtlich ist, dass sich § 29 Abs. 3 Satz 9 SG seinem Wortlaut nach lediglich auf einen Auskunftsanspruch bezieht, weil § 1 Abs. 3 IFG keine bestimmte Art des Informationszugangs verlangt. § 29 Abs. 3 Satz 9 SG hat in seinem sachlichen Anwendungsbereich einen mit § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG identischen Regelungsgegenstand. Er verpflichtet eine Bundesbehörde zur Zugangsgewährung. Ob der Zugangsanspruch im jeweiligen Einzelfall durchgreift, ist für die Feststellung einer Normenkonkurrenz unerheblich (vgl. zur parallelen Vorschrift des § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 19 m.w.N.). 17 (3) § 29 Abs. 3 Satz 9 SG versteht sich jedoch nicht als abschließende und somit das Informationsfreiheitsgesetz verdrängende Regelung. Der Wortlaut des § 29 Abs. 3 Satz 9 SG verhält sich zu dieser Frage nicht. Die Systematik und die Teleologie des Gesetzes sind ebenfalls nicht aussagekräftig. Eine fachgesetzliche Regelung ist gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsanspruch immer spezieller, so dass allein daraus auf eine Verdrängung der letzteren nicht geschlossen werden kann. Auch der Entstehungsgeschichte der Norm, der in dieser Situation erhebliche Bedeutung zukommt, ist hierzu ausdrücklich nichts zu entnehmen. § 29 SG, dessen Regelungsinhalt sich seit jeher an den Vorschriften des Beamtenrechts zu Personalakten orientiert, wurde durch Art. 10 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) umfangreich geändert. Die Änderungen dienten der Nachbildung von Änderungen im Personalaktenrecht der Beamten in den §§ 106-114 BBG (vgl. BT-Drs. 16/7076 S. 173), das seinerseits in Bezug auf Einsichts- und Auskunftsrechte im Wesentlichen fortgeschrieben worden ist, ohne sich zum Informationsfreiheitsgesetz zu verhalten (vgl. BT-Drs. 16/7076, S. 125 ff.). Auch die Begründung zu weiteren Ergänzungen bzw. Änderungen des § 29 Abs. 3 SG durch Art. 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Professorenbesoldungsneuregelungsgesetz) vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1514) enthält keine Aussagen zu Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz und kann folglich im Sinne eines beredten Schweigens dahin verstanden werden, dass der Geltungsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes auch in Bezug auf Personalaktendaten weiter hingenommen wird. Aus § 8 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Führung der Personalakten der Soldaten und der ehemaligen Soldaten (Personalaktenverordnung Soldaten - SPersAV) vom 31. August 1995 (BGBl. I S. 1159), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462), wonach Auskünfte aus Personalakten an Dritte, soweit nicht gesonderte Rechtsvorschriften einen entsprechenden Anspruch gewähren, nur unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 SG erteilt werden, folgt nichts Anderes. 18 Das Informationsfreiheitsgesetz erstreckt seinen Regelungswillen nach seiner Entstehungsgeschichte gerade auch auf Personalaktendaten (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 13; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 24). Zwar bilden die den entsprechenden soldatenrechtlichen Regelungen als Vorbild dienenden beamtenrechtlichen Vorschriften über den Umgang mit personenbezogenen Daten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein umfassendes und abschließendes (Sonder-)Regelungs-system (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <12>). Diese Rechtsprechung, die auf die soldatenrechtlichen Vorschriften übertragbar ist, bezieht sich jedoch (nur) auf das Verhältnis zu den allgemeinen Datenschutzgesetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 24 m.w.N.). 19 bb) Der Anspruch ist aber entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nach § 5 Abs. 2 IFG ausgeschlossen. 20 Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf - vorbehaltlich einer Einwilligung des Betroffenen - Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt. Gemäß § 5 Abs. 2 IFG überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers nicht bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit dem Dienst- oder Amtsverhältnis des Dritten in Zusammenhang stehen. Insoweit kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen von Gesetzes wegen immer der Vorrang im Sinne eines abwägungsresistenten Versagungsgrundes zu (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 19 und vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 26). 21 Die Klägerin begehrt Zugang zu Unterlagen aus den (formellen) Personalakten anderer Soldaten, die zugleich einen Bezug zu Uwe Mundlos haben. Diese Unterlagen unterfallen dem absoluten Schutz des § 5 Abs. 2 IFG, der in erster Linie auf den Schutz der Personalakten im materiellen Sinne zielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 28). Personalakten im materiellen Sinne sind nach der Definition des § 29 Abs. 1 Satz 3 SG alle Unterlagen, die den Soldaten betreffen, soweit sie mit seinem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Der Ort der Aufbewahrung ist rechtlich bedeutungslos. Geht es - wie hier - um Unterlagen, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist, die aber in formellen Personalakten aufbewahrt werden, darf wie oben angegeben regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Personalakten im materiellen Sinne - hier sowohl des Dritten als auch möglicherweise des Uwe Mundlos - handelt. Die formelle Personalakte ist insoweit eine Zusammenführung materieller Personalakten einer Person in einer einheitlichen Akte und unterfällt daher ebenfalls dem Schutz des § 5 Abs. 2 IFG. Dieses Verständnis, wonach die besondere Vertraulichkeit der Personalakten aus ihrem inhaltlichen Bezug zum Dienstverhältnis folgt, liegt ausweislich der Entstehungsgeschichte der Norm auch § 5 Abs. 2 IFG zugrunde. Danach ist der in § 5 Abs. 2 IFG ursprünglich vorgesehene Einschub ""insbesondere aus Personalakten"" (BT-Drs. 15/4493 S. 4) nur zur redaktionellen Straffung des Wortlauts gestrichen worden; eine sachliche Änderung sollte damit nicht verbunden sein (vgl. BT-Drs. 15/5606 S. 6). 22 Der Umfang des durch § 5 Abs. 2 IFG vermittelten besonderen Schutzes ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit Blick auf das Maß des in § 29 SG ausgeformten Vertraulichkeitsschutzes und eine insoweit angestrebte ""Parallelführung"" zu beschränken. Für die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Inkorporation der Wertungen des Fachrechts - hier des Personalaktenrechts der Soldaten - und dort möglicher Durchbrechungen des Vertraulichkeitsschutzes fehlt es an einem normativen Anknüpfungspunkt. § 5 Abs. 2 IFG verweist zur Bestimmung seiner Reichweite nicht auf andere Vorschriften, die den Schutz personenbezogener Daten fachgesetzlich ausformen und gegebenenfalls einschränken, sondern setzt ihn für seinen Anwendungsbereich absolut (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 29). Dieser im Rahmen des Informationsfreiheitsrechts gewährleistete umfassende Schutz kann (nur) durch eine Einwilligung des betroffenen Soldaten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG überwunden werden. 23 Aus dem Umstand, dass die Klägerin sich mit der Schwärzung der personenbezogenen Daten Dritter einverstanden erklärt hat, folgt nichts Anderes. Zwar sieht § 7 Abs. 2 Satz 2 IFG diese Möglichkeit zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung vor, weil so ein Beteiligungsverfahren nach § 8 IFG entbehrlich wird. Der Gesetzgeber hatte dabei aber die Fälle vor Augen, in denen es dem Antragsteller nur auf die mit personenbezogenen Daten im Zusammenhang stehenden allgemeinen Informationen ankommt (BT-Drs. 15/4493 S. 15). Eine solche Fallgestaltung liegt beim Zugang zu materiellen Personalakten, die per definitionem einen unmittelbaren Bezug zu dem Dienstverhältnis einer konkreten Person haben, nicht vor. In solchen Fällen entzieht das Einverständnis zur Schwärzung dem Dritten seine - über das Drittbeteiligungsverfahren nach § 8 IFG abgesicherte - Dispositionsbefugnis und überantwortet die Wahrnehmung seiner Interessen der ""Schwärzungskunst und -sorgfalt"" der Behörde; damit wäre dem vom Gesetz gewollten Schutz nicht hinreichend Rechnung getragen. 24 b) Ein Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den in Personalakten anderer Soldaten enthaltenen Informationen zu Uwe Mundlos kann sich jedoch auf § 29 Abs. 3 Satz 9 SG stützen und besteht insoweit unabhängig von der Einwilligung der Betroffenen, weil diese Vorschrift anders als § 5 Abs. 2 IFG die Möglichkeit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen eröffnet. 25 Nach § 29 Abs. 3 Satz 9 SG dürfen Auskünfte an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung ohne Einwilligung des (früheren) Soldaten nur erteilt werden, wenn zwingende Gründe der Verteidigung, die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen Dritter dies erfordern; dabei unterscheidet das Gesetz, wie sich aus § 29 Abs. 7 Satz 3 und 4 SG ergibt, nicht zwischen lebenden und verstorbenen Soldaten. Die Vorschrift stellt - wie bereits dargelegt - eine Anspruchsgrundlage zugunsten eines privaten Dritten dar, die diesem im Falle eines berechtigten, höherrangigen Interesses ein Recht auf Auskunft vermittelt. § 29 Abs. 3 Satz 9 SG steht insoweit in Anspruchsnormenkonkurrenz zum Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz. 26 Der grundsätzlich (nur) auf die Gewährung einer Auskunft gerichtete Anspruch nach § 29 Abs. 3 Satz 9 SG kann sich zu einem Zugangsanspruch verdichten, wenn durch die Art und Weise der Zugangsgewährung sichergestellt ist, dass das unabhängig vom Vertraulichkeitsinteresse eines betroffenen Soldaten gegebenenfalls bestehende öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit von Aktenteilen nicht gefährdet wird. Eine solche Gefährdung ist ausgeschlossen, wenn von einem Zugangsbegehren nicht die gesamte Personalakte im formellen Sinne betroffen ist und eine zielgenaue Offenlegung derjenigen Aktenbestandteile, auf die sich der Auskunftsanspruch richtet, durch eine besondere technische Gestaltung - insbesondere durch die Fertigung von Kopien der betreffenden Seiten - problemlos möglich ist (vgl. zur parallelen Vorschrift des § 111 Abs. 3 Satz 1 BBG BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 38). Unter dieser Voraussetzung steht einer Verdichtung des Auskunfts- zu einem Zugangsanspruch auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Übermittlung der Personalakte des Soldaten selbst oder von Teilen der Personalakte an Dritte unzulässig ist, nicht entgegen (BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 <346 f.>). 27 Die im Rahmen von § 29 Abs. 3 Satz 9 SG vorzunehmende Abwägung zwischen dem Informations- und dem Geheimhaltungsinteresse fällt - wie das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat - hier zugunsten des Informationsinteresses aus. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das pressespezifische Informationsinteresse der Klägerin angesichts der Bedeutung einer freien Presse für einen freiheitlichen demokratischen Staat als bedeutsamer Belang in die Abwägung einzustellen ist und die Aufarbeitung der Straftaten der Terrorgruppe NSU einschließlich des dienstlichen Umfelds von Uwe Mundlos bei der Bundeswehr weiterhin eine hohe Bedeutung für das Gemeinwesen hat. Daran ändert der Hinweis der Beklagten, die streitgegenständlichen Unterlagen seien bereits vom (ersten) NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages erschöpfend gesichtet und - soweit relevant - im Abschlussbericht ausgewertet worden, nichts. Widmet sich die Presse einem Thema, darf sie nach publizistischen Kriterien grundsätzlich selbst darüber befinden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Es ist Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zwecke einer möglichen Berichterstattung im Rechercheweg aufzubereiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 41 m.w.N.). Nach Darstellung der Klägerin sollen die erbetenen Unterlagen unter anderem dazu dienen, die vom Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse auf Vollständigkeit zu überprüfen. Ob sie für diesen Zweck relevante Informationen enthalten, unterliegt nicht der Beurteilung der Beklagten. 28 Dem Persönlichkeitsschutz des Uwe Mundlos und der anderen Soldaten hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht kein hohes Gewicht beigemessen. Der einer Güterabwägung nicht zugängliche postmortale Persönlichkeitsschutz jedes Verstorbenen nach Art. 1 Abs. 1 GG, der diesen insbesondere davor bewahrt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 53 m.w.N.), wird durch das Zugangsbegehren der Klägerin nicht berührt. Der weiterreichende einfachgesetzlich gewährleistete postmortale Persönlichkeitsschutz ist mit Blick auf die Stellung von Uwe Mundlos als Person der Zeitgeschichte von geringerem Gewicht. Eine relevante Beeinträchtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der anderen Soldaten, in deren (formellen) Personalakten die Unterlagen aufbewahrt werden, kann ausgeschlossen werden. Nach der teilweisen Klagerücknahme begehrt die Klägerin keinen Zugang zu den vollständigen (formellen), großflächig zu schwärzenden Personalakten mehr, sondern nur noch zu einzelnen Unterlagen aus diesen Akten. Hinsichtlich dieser Unterlagen kann den Vertraulichkeitsinteressen der anderen Soldaten durch Schwärzung ihrer personenbezogenen Daten zuverlässig und ausreichend Rechnung getragen werden. 29 Der nach § 29 Abs. 3 Satz 9 SG bestehende Auskunftsanspruch verdichtet sich vorliegend zu einem Zugangsanspruch, weil eine Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Vertraulichkeit von Akten(-teilen) durch die Anfertigung und Teilschwärzung von Kopien einzelner Seiten ausgeschlossen werden kann. 30 c) Hinsichtlich der in Personalakten gegebenenfalls bereits verstorbener Soldaten enthaltenen Informationen zu Uwe Mundlos ergibt sich ein Zugangsanspruch neben § 29 Abs. 3 Satz 9 SG auch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Versagungsgründe bestehen insoweit nicht. 31 aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts vermittelt § 5 Abs. 1 und 2 IFG keinen postmortalen Persönlichkeitsschutz und ist daher auf Personalakten bereits Verstorbener nicht anwendbar. § 5 Abs. 1 IFG dient dem Schutz personenbezogener Daten. Der in § 5 Abs. 2 IFG verwendete Begriff der ""Informationen"" ist aufgrund des inhaltlichen Bezugs zu § 5 Abs. 1 IFG im gleichen Sinne zu verstehen. Die Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten richtet sich nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 49 m.w.N.). Maßgeblich ist die Begriffsbestimmung des Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 S. 1), wonach ""personenbezogene Daten"" alle Informationen sind, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Natürliche Personen in diesem Sinne sind nur lebende Personen (vgl. Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 26; Schild, in: Brink/Wolff, BeckOK Datenschutzrecht, Stand Februar 2019, Art. 4 DS-GVO Rn. 11). 32 bb) Sofern zu den von der Beklagten als ""VS-NfD"" eingestuften Teilen aus Personalakten (14. und 17. Ordner zu BMVg-3) Unterlagen gehören sollten, die andere bereits verstorbene Soldaten betreffen, ist der Zugang zu diesen Unterlagen auch nicht nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen. 33 Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang unter anderem dann nicht, wenn die Information einer durch die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung - VSA) geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass der Anspruch nicht allein deshalb nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen ist, weil die Information formal als Verschlusssache eingestuft ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die materiellen Gründe für eine solche Einstufung noch vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 16). Dies hat - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - die um Informationszugang ersuchte Behörde darzulegen und ist gerichtlich voll überprüfbar. 34 Daran gemessen kann sich die Beklagte hinsichtlich der oben genannten Unterlagen nicht auf eine fortbestehende materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732), ist eine Information als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad ""VS-Nur für den Dienstgebrauch"" einzustufen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Dies hat die Beklagte nicht ansatzweise dargetan. Nach ihren eigenen Angaben sind die streitgegenständlichen Aktenteile im Gegenteil als ""offen"" einzustufen; nur der Aktenordner, in dem sie aufbewahrt werden, ist dem Geheimhaltungsgrad des am höchsten eingestuften Dokuments in diesem Ordner entsprechend als ""VS-NfD"" eingestuft. Diese rein formale Anknüpfung an den Geheimhaltungsgrad eines anderen Dokuments reicht nicht aus. 35 cc) Schließlich ergibt sich ein Versagungsgrund auch nicht aus § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben kann. Vorliegend stehen keine Auswirkungen auf ein Gerichtsverfahren, sondern auf die Tätigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse (vgl. Art. 44 GG) in Rede. Ungeachtet dessen, dass die Tätigkeit der NSU-Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages zwischenzeitlich abgeschlossen ist und nachteilige Auswirkungen schon insoweit nicht ersichtlich sind, üben Untersuchungsausschüsse als Instrumente parlamentarischer Kontrolle keine rechtsprechende Gewalt aus (vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 126 m.w.N.). 36 d) Angesichts der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten Teilrücknahme der Klage kommt es auf die Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht sei hinsichtlich des Zugangs zu den Personalakten unter Verstoß gegen § 88 VwGO über das Klagebegehren hinausgegangen, nicht mehr an. 37 2. Dagegen hält die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, auch der begehrte Zugang zum Auszug aus dem Einheitsaktenplan und den Unterlagen über mutmaßliche Munitionsdiebstähle sei nicht nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG/§ 3 Nr. 4 VSA in der Fassung vom 26. April 2010 (GMBl 2010 S. 846) ausgeschlossen, weil die Beklagte deren fortbestehende materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt habe, revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausführungen der Beklagten insoweit zu Unrecht am Maßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gemessen und - ohne Einleitung eines sogenannten ""in-camera""-Verfahrens nach § 99 VwGO - als nicht hinreichend konkret erachtet. 38 a) Zwar besteht nach der Rechtsprechung des Senats in Streitigkeiten um Informationszugangsrechte keine generelle Pflicht zur Durchführung eines ""in-camera""-Verfahrens. Das gilt nicht nur für prozedurale Geheimhaltungsgründe; der konkrete Akteninhalt muss auch für die Feststellung materieller Geheimhaltungsgründe nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Gericht der Hauptsache ist deshalb gehalten, vor Erlass eines Beweisbeschlusses zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären und festzustellen, ob über das Vorliegen der geltend gemachten Geheimhaltungsgründe gegebenenfalls auch ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen entschieden werden kann. Zu diesem Zweck muss die Behörde, die den grundsätzlich gegebenen Informationszugang versagen will, soweit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen möglich ist, in nachvollziehbarer Weise Umstände darlegen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Versagungsgrundes vorliegen. Eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen wird dann entscheidungserheblich, wenn die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - für eine Prüfung der fachgesetzlichen Ausnahmegründe nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 - juris Rn. 8 f.). Insoweit dürfen die Darlegungsanforderungen angesichts des bei materiellen Geheimhaltungsgründen aus der Natur der Sache folgenden ""Darlegungs- und Beweisnotstands"" der Behörde nicht überspannt werden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es daher lediglich eines Mindestmaßes an Plausibilität (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 10.15 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70 Rn. 10 m.w.N.). Genügen die Darlegungen diesem Mindestmaß, dürfen Geheimhaltungsgründe nicht verneint werden, ohne die streitgegenständlichen Unterlagen zuvor anzufordern und ihre materiell zutreffende Einstufung in einem ""in-camera""-Verfahren nachprüfen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 2 Rn. 28). 39 b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts werden die im Nachgang zu dessen Aufklärungsverfügung ergänzten Darlegungen der Beklagten dem erforderlichen Mindestmaß an Plausibilität gerecht. 40 Danach betrifft der streitgegenständliche Auszug aus dem Einheitsaktenplan die Hauptgruppe 06 ""Militärische Sicherheit"" und berührt die Facharbeit des MAD sowie des im Verteidigungsministerium angesiedelten Aufsichtsreferats. Die im Einheitsaktenplan verwendeten besonderen Schlüsselbegriffe geben Aufschluss über konkrete sicherheitsempfindliche Aufgaben und Tätigkeiten der Bundeswehr und lassen Rückschlüsse auf Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen des MAD zu. Den Unterlagen über mutmaßliche Munitionsdiebstähle sind nach Darstellung der Beklagten verschiedene Dokumente mit Hintergrundinformationen und teilweise unveränderte Meldungen von ""Besonderen Vorkommnissen"" und ""Sicherheitsvorkommnissen"" beigefügt; einzelne Hintergrundinformationen beziehen sich auf die grundsätzliche oder auch konkrete Arbeitsweise des MAD oder der mit Fragen der militärischen Sicherheit befassten damaligen Referate. Alle Unterlagen stammen von Dienststellen und Arbeitsbereichen, die sich mit militärischer Sicherheit befasst haben. Durch eine gezielte Zusammenführung der Unterlagen kann nach den Angaben der Beklagten möglicherweise die Arbeitsweise des MAD oder der Bereiche, die sich mit militärischer Sicherheit befasst haben, zumindest teilweise offen gelegt werden. Nachteilige Auswirkungen sieht die Beklagte vor allem darin, dass durch die Kenntnis der Arbeitsweise dieser Bereiche der Bundeswehr Rückschlüsse auf zukünftige sicherheitsrelevante behördeninterne Abläufe gezogen werden können und die Funktionsfähigkeit der mit der militärischen Sicherheit befassten Bereiche sowie des MAD gezielt untergraben werden könne. 41 Vor diesem Hintergrund kann ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass eine Offenlegung der Unterlagen auch aktuell noch nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland sein kann. 42 Die Sache war daher insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 43 c) Auf die geltend gemachten Verfahrensfehler kommt es hiernach nicht mehr an. 44 3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-21,21.03.2019,"Pressemitteilung Nr. 21/2019 vom 21.03.2019 EN Kein presserechtlicher Auskunftsanspruch für Unternehmen mit vorwiegend außerpublizistischen Unternehmenszwecken Ein Unternehmen, das u.a. ein Printmedium herausgibt und - teilweise journalistisch-redaktionell gestaltete - Internetportale betreibt, kann sich nicht auf Auskunftsansprüche nach dem Landespressegesetz und dem Rundfunkstaatsvertrag berufen, wenn sein Unternehmensgegenstand von außerpublizistischen Zwecken geprägt wird. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit dem Unternehmenszweck „Informationslogistik für die Bauwirtschaft“, betreibt eine Reihe von Internetportalen. Zentrale Elemente dieser Internetportale sind Datenbanken, in denen sie Informationen und Softwaredienstleistungen zu öffentlichen Ausschreibungen und Beschaffungsmärkten für die Bau- und Gebäudewirtschaft vorhält. Zudem findet sich auf den Portalen die Rubrik „News zu den Beschaffungsmärkten“. Darüber hinaus gibt die Klägerin ein vierteljährlich erscheinendes Druckerzeugnis heraus, dessen elektronische Fassung auf einigen ihrer Internetportale verlinkt ist. Sie begehrt, gestützt auf das Landespressegesetz und den Rundfunkstaatsvertrag, vom Beklagten jeweils nach Abschluss des Vergabeverfahrens Auskünfte zum Auftragnehmer, der Auftragssumme, der Zahl der Bieter und dem Datum der Auftragsvergabe. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Die Klägerin sei keine Vertreterin der Presse im Sinne des Landespressegesetzes. Ihr Unternehmen werde nicht von der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Presse, sondern von außerpublizistischen Zwecken geprägt; ihre journalistisch-redaktionelle Tätigkeit sei nur „schmückendes Beiwerk“ für die kommerzielle Vermarktung von Informationen aus dem Vergabewesen. Auf den Rundfunkstaatsvertrag könne die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen. Sie biete zwar Telemedien an; auch insoweit fehle es aber an der erforderlichen journalistisch-redaktionellen Prägung. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Pressefreiheit verbietet es nicht, Wirtschaftsunternehmen Auskunftsansprüche nach dem Landespresserecht und dem Rundfunkstaatsvertrag zu versagen, wenn sie vorwiegend außerpublizistische Unternehmenszwecke verfolgen. BVerwG 7 C 26.17 - Urteil vom 21. März 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 1 S 1530/16 - Urteil vom 09. Mai 2017 - VG Stuttgart, 1 K 3376/13 - Urteil vom 23. Juni 2016 -","Urteil vom 21.03.2019 - BVerwG 7 C 26.17ECLI:DE:BVerwG:2019:210319U7C26.17.0 EN Kein presserechtlicher Auskunftsanspruch für ein Wirtschaftsunternehmen mit vornehmlich außerpublizistischem Geschäftszweck Leitsätze: 1. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Pressefreiheit verbietet nicht, § 4 Abs. 1 LPresseG BW dahin auszulegen, dass diese Vorschrift keinen Anspruch auf Erteilung von Auskünften an solche Unternehmen begründet, die damit vornehmlich außerpublizistische Zwecke verfolgen. 2. Bei der Konkretisierung des Kreises der anspruchsberechtigten ""Vertreter der Presse"" im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG BW steht dem Landesgesetzgeber kein Ausgestaltungsspielraum zu. 3. Die in § 4 Abs. 1 LPresseG BW geregelte Funktionsbindung des Auskunftsanspruchs an die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse ist schon im Grundgesetz angelegt; die öffentliche Aufgabe ist gleichbedeutend mit der vom Gewährleistungsauftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfassten Funktion der Presse für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess. 4. Ein Medium ist nur dann journalistisch-redaktionell gestaltet, wenn es nach Inhalt und Verbreitungsart jedenfalls dazu bestimmt und geeignet ist, zur öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung beizutragen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 RStV § 9a Abs. 1, § 55 Abs. 2 und 3, §§ 48, 57 LPresseG BW §§ 3, 4 Abs. 1, § 12 Instanzenzug VG Stuttgart - 23.06.2016 - AZ: VG 1 K 3376/13 VGH Mannheim - 09.05.2017 - AZ: VGH 1 S 1530/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 21.03.2019 - 7 C 26.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:210319U7C26.17.0] Urteil BVerwG 7 C 26.17 VG Stuttgart - 23.06.2016 - AZ: VG 1 K 3376/13 VGH Mannheim - 09.05.2017 - AZ: VGH 1 S 1530/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer und Dr. Günther für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin, eine im Jahr 2000 gegründete Aktiengesellschaft, begehrt vom Beklagten gestützt auf das Landespressegesetz Baden-Württemberg und den Rundfunkstaatsvertrag Auskünfte zu Vergabeverfahren. 2 Unternehmensgegenstand der Klägerin ist laut Handelsregisterauszug die ""Entwicklung, der Vertrieb und die Durchführung von Datenbanksystemen sowie damit zusammenhängende Beratungsleistungen und die Bereitstellung von Informations- und Softwaredienstleistungen über das Internet und damit zusammenhängende Technologien"". Sie betreibt zehn an die Bau- und Gebäudewirtschaft und damit verbundene Wirtschaftszweige gerichtete Internetportale. Seit dem 4. Quartal 2014 gibt sie zudem das Druckerzeugnis ""Auftragsvergabemonitor"" heraus, das vierteljährlich mit einer Auflage von 550 Stück erscheint. Die elektronische Fassung des ""Auftragsvergabemonitors"" ist auf zweien ihrer Internetportale verlinkt. 3 Zentrale Elemente von acht der zehn Internetportale sind zwei Datenbanken, das ""Adress-Center"" und das ""Projekt-Center"". Im ""Adress-Center"" werden Planern, Gutachtern, Bauunternehmen und Baudienstleistern, Baustoffhandel, Baustoff- und Baumaschinenherstellern, Verbänden und Behörden zehntausende recherchierte Kontaktdaten zur kostenlosen Nutzung bereitgestellt. Über das ""Projekt-Center"" und die dortigen Suchfunktionen können einige Daten frei recherchiert werden. Für weitere Informationen - etwa die namentliche Benennung der Interessenten für eine Ausschreibung - ist der Erwerb eines kostenpflichtigen ""Premium-Zugangs"" erforderlich. 4 Die Klägerin recherchiert diese Daten tagesaktuell in Hunderten öffentlicher Quellen und benachrichtigt ihre Nutzer bei einem Bedarf für ihre Leistung. Die Informationen werden nach ihren Angaben von ""Fachredakteuren"" aufbereitet und nach umfangreichen Gewerkelisten gegliedert in den Datenbanken gespeichert. Dabei werden alle Teilleistungen aus einem detaillierten Leistungsverzeichnis mit über 7 200 Gewerken verknüpft, um den Nutzern individuelle effiziente Informationsangebote zur Verfügung zu stellen. 5 Von Mai bis September 2013 richtete die Klägerin 377 Anfragen an 15 Dienststellen des Beklagten und ersuchte - jeweils nach Abschluss des betreffenden Vergabeverfahrens - um Auskunft über den Auftragnehmer, die Zahl der Bieter und die Auftragssumme. Mit Schreiben vom 20. August 2013 teilte der Beklagte ihr mit, dass die erbetenen Auskünfte nicht mehr erteilt würden, weil sie weder Vertreterin der periodischen Presse noch Anbieterin von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten sei. 6 Die Klage auf Erteilung von Auskünften zu 15 konkret benannten Vergabeverfahren wies das Verwaltungsgericht ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 9. Mai 2017 zurückgewiesen: 7 Die Klägerin sei keine Vertreterin der Presse im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG BW. Die Urheberschaft an einem Druckwerk reiche dafür nicht aus. Erforderlich sei die Zuordnung zu einem Presseunternehmen, das die Gewähr für die publizistische Verbreitung der Abhandlung zur Kenntniserlangung in einer breiten Öffentlichkeit, gegebenenfalls auch einer Fachöffentlichkeit, biete. Dies treffe regelmäßig nur auf solche Unternehmen zu, deren Gegenstand wie etwa bei Zeitschriften- oder Zeitungsverlagen die Herausgabe publizistischer Druckwerke sei. Unternehmen mit vornehmlich anderen Zwecken könnten sich dagegen nicht in gleicher Weise auf presserechtliche Auskunftsansprüche berufen. Auch das Presseprivileg nach § 12 LPresseG BW gelte nur für Unternehmen der Presse, die personenbezogene Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeiteten. Anderen Unternehmen komme es nur dann zugute, wenn sie über eine organisatorisch von den sonstigen (betrieblichen) Stellen abgeschottete und in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheit verfügten. 8 Die Klägerin werde zwar, soweit sie im ""Auftragsvergabemonitor"" und in den ""News zu den Beschaffungsmärkten"" Mitteilungen zu Vergabeverfahren veröffentliche und teils auch kommentiere, journalistisch-redaktionell tätig. Ihr Unternehmen sei aber davon geprägt, dass sie Daten zu Vergabeverfahren sammle, aufbereite und kundenorientiert in ihre Datenbanken einstelle. Dies sei keine journalistisch-redaktionelle Tätigkeit. Es fehle sowohl an einer redaktionellen Auswahl als auch an einem Beitrag zur Meinungsbildung. An der Prägung des Unternehmens durch außerpublizistische Zwecke änderten auch die beiden Internetportale ohne ""Projekt-Center"" nichts, die ebenfalls nur schmückendes Beiwerk für das kommerzielle Hauptangebot darstellten. Die Klägerin verfüge zudem nicht über eine abgeschottete und autonome Organisationseinheit. 9 Es bestehe auch kein Auskunftsanspruch nach § 55 Abs. 3 i.V.m. § 9a RStV. Die Klägerin biete zwar Telemedien an. Der Anspruch sei aber auf die ""elektronische Presse"" zugeschnitten und hänge daher wie der presserechtliche Auskunftsanspruch davon ab, ob die unternehmerische Tätigkeit primär auf Beiträge zur Meinungsbildung ausgerichtet sei, woran es hier - unabhängig davon, ob man eine Gesamtbetrachtung des Angebots anstelle oder eine funktionale Beurteilung abgrenzbarer Teilangebote vornehme - fehle. 10 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision der Klägerin, zu deren Begründung sie ausführt: 11 Die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Landespressegesetzes und des Rundfunkstaatsvertrages durch den Verwaltungsgerichtshof verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG - insbesondere in Gestalt des Willkürverbots - und den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Auskunftsansprüche stünden ihr schon deshalb zu, weil sie ein Druckerzeugnis herausgebe, dessen elektronische Fassung auf ihren Internetportalen verlinkt sei. Auf die Zuordnung zu einem Presseunternehmen und den prägenden Unternehmenszweck komme es nicht an. Der Auskunftsanspruch sei weder mit der Subventionierung von Presseerzeugnissen vergleichbar noch dürfe insoweit auf die datenschutzrechtliche Regelung zum Presseprivileg zurückgegriffen werden. Ungeachtet dessen sei sie ausschließlich publizistisch tätig, das gelte sowohl für ihre Druckerzeugnisse als auch ihre Internetportale. Publizistische Zielsetzung sämtlicher Medien sei die Erhöhung der Transparenz der Beschaffungsmärkte öffentlicher Auftraggeber durch Recherche, redaktionelle Aufbereitung und Verbreitung von Informationen zu Ausschreibungen, insbesondere für die durch die Vergabetätigkeit besonders betroffene Fachöffentlichkeit. Auch die Publikation reiner Informationen und Nachrichten leiste einen Beitrag zur Meinungsbildung. Die Informationen seien - wie andere Fachveröffentlichungen - Grundlage der Meinungsbildung und der unternehmerischen Entscheidungen ihrer Adressatenkreise. Zudem bliebe der Öffentlichkeit ohne die begehrten Auskünfte verborgen, an wen für welche Zwecke öffentliche Gelder flössen. 12 Die Klägerin beantragt, das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2016 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über den beauftragten Auftragnehmer, die Auftragssumme, die Zahl der Bieter und das Datum der Auftragsvergabe für die Vergabeentscheidungen: 1. Trockenbauarbeiten in Konstanz gemäß Anfrage vom 23. Dezember 2014 (Anlage K 16) 2. Los: Gas-, Wasser- und Entwässerungsanlagen, Sanierung Urinale, Hochschule Offenburg Gebäude B1 in Offenburg gemäß Anfrage vom 19. Dezember 2014 (Anlage K 22) 3. Los: Verglasung, Sonnenschutz und Beschlagarbeiten DIN 18361,18357,18358 BR General-Dr. Speidel-Kas.-Neubau Hundezwingeranlage Feldjäger in Bruchsal gemäß Anfrage vom 19. Dezember 2014 (Anlage K 23) 4. Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (SSDL) Art der Leistung: Laboreinrichtungen in Ludwigsburg gemäß Anfrage vom 19. Dezember 2014 (Anlage K 24) 5. BImA Dienstgebäude, Umbau ehem. KWEA und VBK: Elektroinstallation in Freiburg, Stefan-Meier-Straße 72 und 72a gemäß Anfrage vom 19. Dezember 2014 (Anlage K 26). 13 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 14 Er verteidigt das angegriffene Urteil. 15 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und trägt vor: 16 Der Verwaltungsgerichtshof habe den presserechtlichen Auskunftsanspruch in Einklang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf solche Auskünfte beschränkt, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienten. Im Leistungsbereich sei dem Staat eine Ausrichtung an meinungsneutralen Kriterien nicht verwehrt. Die Übertragung der für die Inanspruchnahme des Presseprivilegs maßgeblichen Voraussetzungen auf den Auskunftsanspruch sei unbedenklich. Auch das Presseprivileg stelle ein Sonderrecht der Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dar und dürfe nur zu diesem Zweck in Anspruch genommen werden. II 17 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin gegen das ihre Klage auf Auskunftserteilung abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu Recht zurückgewiesen. 18 1. Einen Auskunftsanspruch nach der dem irrevisiblen Landesrecht angehörenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 LPresseG BW hat der Verwaltungsgerichtshof verneint. Diese Regelung verpflichtet die Behörden, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs setzt die Anerkennung als Vertreter der Presse die Zuordnung zu einem Unternehmen der Presse voraus, das die Gewähr für die publizistische Verbreitung der Abhandlung zur Kenntniserlangung durch eine breite Öffentlichkeit - gegebenenfalls auch eine Fachöffentlichkeit - bietet. Presseunternehmen in diesem Sinne könnten nur solche Unternehmen sein, bei denen entweder der Unternehmenszweck von der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse geprägt werde, oder die über eine organisatorisch abgeschottete und autonome Organisationseinheit verfügten, die die Gewähr dafür biete, dass mit den erhaltenen Auskünften datenschutzrechtlich verantwortungsvoll und ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken umgegangen werde. 19 a) Der Senat ist an diese Auslegung des § 4 Abs. 1 LPresseG BW - und anderer Vorschriften des Landespressegesetzes - gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Auslegungsregeln und allgemeine Grundsätze über die Auslegung von Rechtsvorschriften sind ebenfalls Teil des irrevisiblen Landesrechts, wenn und soweit es sich um ihre Anwendung im Rahmen von Landesrecht handelt (BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 - 9 BN 3.08 - Rn. 11 m.w.N. und vom 28. Januar 2010 - 9 BN 5.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 40 Rn. 4). Die Nachprüfung durch den Senat beschränkt sich somit darauf, ob der festgestellte Bedeutungsgehalt des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere Bundesverfassungsrecht, vereinbar ist. Rechtsgebietsübergreifende bundesverfassungsrechtliche Maßstäbe für die Auslegung von Landesrecht stellen das Rechtsstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG und das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot dar. Hiergegen verstößt eine Auslegung, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich verständlich ist, weil sie eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder den Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet hat. Von einer Missdeutung kann nicht gesprochen werden, wenn die Rechtsanwendung das Ergebnis einer Beschäftigung mit der Rechtslage unter Anwendung juristischer Auslegungsmethoden ist und sich nicht außerhalb des sachlich Vertretbaren bewegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 6 B 43.16 - juris Rn. 22 m.w.N.). 20 b) Daran gemessen erweist sich die Auslegung des § 4 Abs. 1 LPresseG BW durch den Verwaltungsgerichtshof zwar nicht in allen Begründungselementen als verfassungsrechtlich unbedenklich. Seine die Entscheidung selbstständig tragende Annahme, diese Vorschrift begründe keinen Anspruch auf Erteilung von Auskünften an Unternehmen, die damit vornehmlich außerpublizistische Zwecke verfolgen, ist aber nicht zu beanstanden. 21 aa) Sie verstößt nicht gegen die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 22 (1) § 4 LPresseG BW gestaltet die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit aus, die - wie alle Garantien in Art. 5 Abs. 1 GG - der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert nach seinem objektiv-rechtlichen Gehalt auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - BVerfGE 80, 124 <133>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Neben der Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen schützt die Pressefreiheit auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle bei der demokratischen Meinungs- und Willensbildung wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - AfP 2000, 559 <260>, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 - BVerfGE 103, 44 <59> und Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 16). Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, die Rechtsordnung in einer Weise auszugestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung erlaubt. Dazu gehört auch die Schaffung behördlicher Auskunftspflichten, die es der Presse ermöglichen oder erleichtern, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten, und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 14; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04 - DVBl. 2005, 980 <981> m.w.N.). 23 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs steht dem Landesgesetzgeber bei der Bestimmung des Kreises der nach § 4 Abs. 1 LPresseG BW anspruchsberechtigten ""Vertreter der Presse"" kein Ausgestaltungsspielraum zu. Beim Erlass von Regelungen über die Erteilung von Auskünften geht es zwar nicht um die Abwehrfunktion der Pressefreiheit, sondern um die Umsetzung ihres objektiv-rechtlichen Gehalts. Die Auskunftsansprüche gehören aber wie dargelegt zu den rechtlichen Grundbedingungen für die Funktionsfähigkeit der Presse (vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum GG, Stand Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rn. 187). Grundsätzlich müssen daher alle, die sich in ihrer Eigenschaft als publizistisch Tätige auf die Pressefreiheit berufen können, in den Genuss des Auskunftsanspruchs - mit seinen einfachgesetzlich festgelegten Schranken - kommen. Die erforderliche Konkretisierung der Anspruchsberechtigten nach dem Landespressegesetz erschöpft sich somit darin, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nachzuzeichnen, ohne dabei den Kreis der Grundrechtsträger zu verengen. Anderenfalls schlüge die Verweigerung von Teilhabe und Leistung in eine Behinderung der Grundrechtsausübung um (vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum GG, Stand Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rn. 75; vgl. Chr. Starck/A.L. Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 146). Ein Ausgestaltungsspielraum besteht nur hinsichtlich der Gewichtung und des Austarierens der widerstreitenden Interessen bei der Formulierung von Versagungsgründen (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 und vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNVG Nr. 3 Rn. 22). 24 (2) Publizistisch tätig, d.h. Vertreter der Presse, ist nur, wer deren Funktion wahrnimmt. Von der Maßgeblichkeit dieses Funktionsbezugs für die Konkretisierung der Anspruchsberechtigten ist zutreffend auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Dies belegt sein Hinweis darauf, dass § 4 Abs. 1 LPresseG BW der Presse einen Auskunftsanspruch nur zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe (§ 3 LPresseG BW) vermittelt. Die einfachgesetzlich in den §§ 3 f. LPresseG BW geregelte Funktionsbindung des Auskunftsanspruchs ist der Sache nach bereits im Grundgesetz selbst angelegt, denn die öffentliche Aufgabe ist gleichbedeutend mit der vom Gewährleistungsauftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfassten Funktion der Presse für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Sie ist in diesem Sinne nur Umschreibung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Informations- und Kommunikationsfunktion der Presse und hat keinen eigenständigen normativen Gehalt. Grund, Inhalt und Grenzen der öffentlichen Aufgabe der Presse sind somit wesentlich verfassungsrechtlich geprägt (vgl. Cornils, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 3 Rn. 20, 26 und 31). Der Funktionsbezug als meinungsneutrales Differenzierungskriterium für die Begründung presserechtlicher Auskunftsansprüche vermeidet die Gefahr einer inhaltlichen Einflussnahme auf einzelne Presseerzeugnisse oder auf den publizistischen Wettbewerb (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - BVerfGE 80, 124 <135 f.>). 25 Ob der erforderliche Funktionsbezug vorliegt, hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen ab; das schließt typisierende Bewertungen nicht aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte der Verwaltungsgerichtshof einen Funktionsbezug nicht schon deshalb annehmen müssen, weil sie mit dem ""Auftragsvergabemonitor"" ein Druckerzeugnis herausgibt. Zwar knüpft der Schutz der Pressefreiheit nach Maßgabe des weiten und formalen Pressebegriffs an das sächliche Substrat einer Publikation in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form an. Damit hat es aber nicht sein Bewenden. Denn vorausgesetzt wird darüber hinaus in inhaltlicher Hinsicht, dass die Publikation am Kommunikationsprozess zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung teilnimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR 1183/90 - BVerfGE 95, 28 <35>). 26 Die Annahme, die Publikation eines Druckerzeugnisses diene der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - ohne Weiteres regelmäßig nur bei Presseunternehmen wie etwa Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen gerechtfertigt. Entsprechendes gilt für Journalisten und Redakteure, deren Berufsbild ebenfalls von der Wahrnehmung dieser Aufgabe geprägt wird. Bei anderen Unternehmen fehlt es an einer vergleichbar eindeutigen Verknüpfung zwischen Tätigkeit und publizistischem Zweck. In diesen Fällen bedarf daher näherer Prüfung, ob der erforderliche Funktionsbezug vorliegt. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insoweit darauf abzustellen, welche Tätigkeit das Unternehmen prägt und wofür die begehrten Auskünfte verwendet werden (sollen). Eine solche Ausrichtung am prägenden Unternehmenszweck ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar bisher ausdrücklich nur für die staatliche Subventionierung von Presseerzeugnissen mithilfe des sogenannten Postzeitungsdienstes anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - BVerfGE 80, 124 <134 f.>). Der Sache nach kann aber für den Auskunftsanspruch nichts anderes gelten. Mit dem Postzeitungsdienst verfolgte die Bundespost das Ziel, zur Förderung der Pressefreiheit Presseerzeugnisse dem Empfänger so günstig wie möglich zuzuführen. Diese Vergünstigung war auf periodisch erscheinende Druckschriften beschränkt, deren Herausgabezweck darauf gerichtet war, (ausschließlich) über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen zu unterrichten, weil nur sie, nicht aber Druckerzeugnisse, deren Herausgabezweck geschäftlicher Art ist, eine öffentliche Aufgabe erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 7 C 40.80 - BVerwGE 67, 117 <120>). Auch der Auskunftsanspruch knüpft an die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Presse an. Dieser verfassungsrechtlich begründete Funktionsbezug verhindert ein zweckwidriges Ausufern des Kreises der Anspruchsberechtigten; er stellt zugleich die sachliche Rechtfertigung für die Gebührenfreiheit des presserechtlichen Auskunftsanspruchs dar. Wer mithilfe der begehrten Auskünfte nicht oder nicht vorrangig die Funktion der Presse wahrnimmt, ist daher auf andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung - etwa die gebührenpflichtigen Ansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen - verwiesen. 27 (3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist - nicht im Hinblick auf alle daraus abgeleiteten Konsequenzen, aber im Grundsatz - verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Bestimmung der anspruchsberechtigten Vertreter der Presse auch § 12 LPresseG BW mit in den Blick genommen hat. Diese datenschutzrechtliche Vorschrift regelt das sogenannte Presseprivileg. Sie hob in ihrer bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung vom 4. Februar 2003 (GBl. BW S. 108) auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken ab; in der am 25. Mai 2018 in Kraft getretenen Neufassung vom 24. April 2018 (GBl. BW S. 129) ist von der Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken die Rede. 28 Das Presseprivileg gilt, obwohl § 12 LPresseG BW sich ausdrücklich nur auf Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse bezieht, für die Presse im verfassungsrechtlichen Sinne. Es ist Ausfluss der Pressefreiheit und stellt die Presse bei der Erfüllung ihrer in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK und Art. 11 Abs. 1 GRC zuerkannten und garantierten Aufgaben von der Einhaltung der Datenschutzvorschriften weitgehend frei, weil diese auf die Verwendung personenbezogener Daten zwingend angewiesen ist. Journalistische Arbeit wäre nicht möglich, wenn Daten nicht auch ohne Einwilligung der Betroffenen verarbeitet werden dürften (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 1 B 32.15 - Rn. 5; BGH, Urteile vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - BGHZ 181, 328 Rn. 20 und vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08 - AfP 2010, 162 Rn. 26). 29 Aufgrund seiner Verankerung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG findet das Presseprivileg nur auf solche Tätigkeiten Anwendung, die der Erfüllung der verfassungsrechtlich (gewährleisteten) Aufgaben der Presse dienen; maßgeblich ist der Zweck der Publikation (vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08 - AfP 2010, 162 Rn. 28 und vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09 - AfP 2011, 172 Rn. 26). Die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit - auch einer Fachöffentlichkeit - muss prägender Bestandteil und nicht nur schmückendes Beiwerk sein (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - BGHZ 181, 328 Rn. 21 m.w.N.). Eine Gewinnerzielungsabsicht schließt einen ""journalistischen"" Zweck nicht aus; der publizistische Zweck der Äußerung und Verbreitung von Meinungen und Informationen darf aber nicht außerpublizistischen Geschäftszwecken untergeordnet sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - BVerfGE 80, 124 <134 f.>; Westphal, in: Taeger/Gabel, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 85 DSGVO Rn. 14). 30 Die von der Klägerin herangezogenen Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 16. Dezember 2008 - C-73/07 [ECLI:​EU:​C:​2008:​727] und vom 14. Februar 2019 - C-345/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​122] zu Art. 9 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) erfordern - auch abgesehen von ihrer datenschutzrechtlichen Zielrichtung - kein abweichendes Verständnis. Der inzwischen aufgehobene und durch Art. 85 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. 2016, L 119, S. 1) ersetzte Art. 9 der Richtlinie 95/46/EG bildete die unionsrechtliche Grundlage für das sogenannte Medienprivileg. Der EuGH geht in den beiden Urteilen zwar im Grundsatz von einem weiten Verständnis des Begriffs ""journalistisch"" aus. Die Entscheidung darüber, ob die Verbreitung personenbezogener Daten ""allein zu journalistischen Zwecken"" im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 95/46/EG erfolgt, überlässt er aber den nationalen Gerichten (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008 - C-73/07 Rn. 56 und 62 sowie Urteil vom 14. Februar 2019 - C-345/17 Rn. 51 und 69). Daraus kann entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht geschlossen werden, dass jegliche Verbreitung von Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu journalistischen Zwecken erfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 1 B 32.15 - RDV 2016, 98 Rn. 5). 31 Werden danach sowohl der Auskunftsanspruch als auch das Presseprivileg vom verfassungsrechtlich begründeten Funktionsbezug der Tätigkeit der Presse geprägt, begegnet es keinen Bedenken, zur Beschreibung der inhaltlichen Vorgaben einer publizistischen Tätigkeit auf die Rechtsprechung zu dem in § 12 LPresseG BW a.F. (und § 57 RStV a.F.) verwendeten Begriff ""journalistisch-redaktionelle Zwecke"" zurückzugreifen. Damit wird lediglich der Funktionsbezug nochmals hervorgehoben und durch die Verdeutlichung des Pressebegriffs der - auch datenschutzrechtliche - Grund ihrer Sonderstellung illustriert. 32 Als verfassungsrechtlich bedenklich erweist sich dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof auch die vom 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 - 1 B 32.15 - (RDV 2016, 98 Rn. 5 m.w.N.) zu § 57 RStV aufgestellten organisatorischen Anforderungen für die Inanspruchnahme des Medienprivilegs unbesehen auf den Auskunftsanspruch übertragen hat. Nach der Auffassung des 1. Senats sind Vereine, Parteien oder sonstige Unternehmen nur dann tauglicher Adressat des Medienprivilegs, wenn sie über eine organisatorisch in sich geschlossene, gegenüber den sonstigen (betrieblichen) Stellen abgeschottete, in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheit verfügen. Diese organisatorischen Anforderungen dienen dem Schutz des Datengeheimnisses und dem sorgfältigen Umgang mit personenbezogenen Daten. Ihnen fehlt aber ein unmittelbarer Bezug zur Gewährleistung der Spezifika der publizistischen Tätigkeit als solcher. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass ihren Veröffentlichungen jedenfalls in aller Regel ein Bezug zu personenbezogenen Daten fehlen dürfte, weil davon auszugehen ist, dass es sich bei den Auftragnehmern auch im unterschwelligen Bereich regelmäßig um Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person handelt. 33 Ob das Erfordernis, die publizistischen Aktivitäten in einem organisatorisch eigenständigen Bereich zu konzentrieren bzw. dorthin auszugliedern, ungeachtet dessen bei Wirtschaftsunternehmen zumindest als Beleg für die Ernsthaftigkeit der pressemäßigen Betätigung dienen könnte, kann offen bleiben. Zwar mag der Schluss, ein Druckerzeugnis stelle nur schmückendes Beiwerk für außerpublizistische Zwecke dar, dann nicht mehr gerechtfertigt sein, wenn das betreffende Unternehmen nachweisen kann, dass es den organisatorischen Aufwand, den ansonsten ein eigenständiges Presseunternehmen verlangt, nicht scheut. Entscheidungserheblich kommt es hierauf aber vorliegend nicht an. Selbst eine entsprechende Organisationsstruktur der Klägerin würde nichts daran ändern, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. Juli 2017 (1 S 1530/16, S. 5) betont hat - die begehrten Auskünfte nur zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse verwendet werden dürften. 34 (4) Welches Maß an Aufbereitung bzw. Bearbeitung von Daten für die Anerkennung eines journalistisch-redaktionellen Zwecks im Sinne von § 12 LPresseG BW (und der entsprechenden Regelung in § 57 RStV) im Einzelnen erforderlich ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Insbesondere kann dahinstehen, ob eine journalistische Tätigkeit immer zugleich redaktionell ist und dieser Begriff vor allem auf die Auswahl und Zusammenstellung von Informationen nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz zielt (vgl. dazu etwa Held, in: Binder/Vesting, Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 54 RStV Rn. 15; Lent, ZUM 2013, 914 <915 f.> Schulz/Heilmann, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, BT Mediendatenschutz Rn. 34 f.; Micklitz/Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015 § 55 RStV Rn. 15 f.; Smid, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, § 54 RStV Rn. 7). Das Angebot muss nach Inhalt und Verbreitungsart jedenfalls dazu bestimmt und geeignet sein, zur öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung beizutragen (vgl. Smid a.a.O. § 54 Rn. 6; Micklitz/Schirmbacher a.a.O. § 55 Rn. 16). Daran fehlt es hier. 35 Der Verwaltungsgerichtshof hat unterstellt, dass die Herausgabe des Druckwerks ""Auftragsvergabemonitor"", dessen elektronische Fassung auf zwei Internetportalen der Klägerin verlinkt ist, und das Einstellen der ""News zu den Beschaffungsmärkten"" auf ihren übrigen Internetportalen journalistisch-redaktionelle Tätigkeiten darstellen, weil insoweit eine Auswahl - und teilweise auch Kommentierung - der gesammelten Daten erfolgt. Dem Recherchieren, Aufbereiten und Bereitstellen der Daten zu Vergabeverfahren in den Datenbanken hat er einen journalistisch-redaktionellen Zweck dagegen mit der Begründung abgesprochen, es fehle sowohl an einer redaktionellen Auswahl als auch an einem Beitrag zur Meinungsbildung. Ob Ersteres zutrifft, kann offenbleiben. Denn diese Tätigkeit leistet - wie der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis zu Recht angenommen hat - jedenfalls keinen Beitrag zur Meinungsbildung. 36 Zwar kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der insoweit den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - (BVerfGE 80, 124 <134>) missversteht, nicht nur die Wiedergabe eigener oder fremder Meinungen, sondern auch und gerade die Publikation von Informationen zur Meinungsbildung beitragen. Ungeachtet dessen stellt aber das Verschlagworten der recherchierten Daten, ihre Zuordnung zu Objektkategorien und einer umfangreichen Nomenklatur sowie das Verlinken von Leistungsverzeichnissen vorliegend keine Veröffentlichung von Informationen zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dar. Soweit die begehrten Auskünfte hierfür verwendet werden sollen, dienen sie daher nicht zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse. 37 Wie dargelegt ist die Aufgabe der Presse vornehmlich die Information der Bevölkerung als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 - AfP 2014, 521 <523>). Diese besondere Rolle der Presse für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess, der die Grundlage des freiheitlich-demokratischen Staates bildet, findet gerade Ausdruck in den landespresserechtlichen Auskunftsansprüchen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - AfP 2000, 559 <561>). Dabei ist die Meinungsbildung nicht auf den politischen Bereich beschränkt, mögen die gegen Behörden gerichteten Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen auch vorrangig auf Informationen aus diesem Bereich gerichtet sein. Ihr kommt dort zwar im Interesse einer funktionierenden Demokratie besondere Bedeutung zu. Auch Unterhaltung kann aber Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen, an die sich Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen, und so wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>). 38 Freie Meinungsbildung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation. Indem Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Menschenrechte gewährleistet, sucht er zugleich diesen Prozess verfassungsrechtlich zu schützen. Er begründet insoweit subjektive Rechte; im Zusammenhang damit normiert er die Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander durchdringen und ergänzen (BVerfG, Beschluss vom 24. März 1987 - 1 BvR 147/86, 1 BvR 478/86 - BVerfGE 74, 297, 323 f. = juris Rn. 74; vgl. auch Degenhart, Bonner Kommentar zum GG, Stand Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 57 f.). Gerade die Pressefreiheit ist auf die Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen ausgerichtet. Dabei stehen individuelle und öffentliche Meinungsbildung in einem ständigen Wechselspiel. Die Möglichkeit zu gemeinsamer Meinungsbildung ist eine notwendige Funktionsvoraussetzung der individuellen Meinungsbildung, zugleich gibt es ohne individuelle Meinungsbildung keine öffentliche Meinungsbildung. Die individuelle Meinungsbildung dient der - überindividuellen - öffentlichen Meinungsbildung und damit der Demokratie (vgl. Mengden, Zugangsfreiheit und Aufmerksamkeitsregulierung, 2018, S. 11, 54 und 288; vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum GG, Stand Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 58 f.). 39 Hieran sieht die Auffassung der Klägerin, die in den Datenbanken vorgehaltenen Informationen leisteten einen Beitrag zur Meinungsbildung für eine von der Vergabetätigkeit der öffentlichen Auftraggeber besonders betroffene Fachöffentlichkeit, vorbei. Die Datenbanken sind nach ihrer objektiven Funktionalität und der Selbstdarstellung der Klägerin weder darauf ausgerichtet noch dazu geeignet, das Interesse einer (Fach)Öffentlichkeit zu bedienen und die Vergabepraxis so abzubilden, dass sich daraus ein über die Interessen einzelner Nutzer hinausgehender öffentlicher Diskurs entwickeln könnte. 40 Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sollen den Nutzern der Datenbanken möglichst alle Daten zu den bundesweit durchgeführten Vergabeverfahren zur Verfügung gestellt werden; die Auswahl aus dieser Datenmenge bleibt mithilfe spezifischer Suchkategorien und -kriterien (z.B. Branchen, Gewerke, räumliche Bereiche oder ähnlichen Filtern) und individuellen Suchprofilen dem einzelnen Nutzer überlassen. Die sachgebietsbezogene Aufbereitung der Ausschreibungen einschließlich der Verlinkung von Leistungsverzeichnissen und der Zuordnung zu Objektkategorien sowie einer sehr umfangreichen Nomenklatur ist laut Verwaltungsgerichtshof ""der Nukleus des umfangreichen Angebots an individuell generierbaren dynamischen Abfragen, welche die diversen Portale bieten"". Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgerichtshof festgestellte Ausrichtung der Funktionalität an den individuellen Interessen der Nutzer im Revisionsverfahren nochmals eindrücklich beschrieben und auf die präzisen Navigationsmöglichkeiten, speziellen Datenmasken und verlinkten Leistungsverzeichnisse, die den Nutzern die Entscheidung über eine Beteiligung am Wettbewerb erleichterten, verwiesen. Zielgruppe der Klägerin sind nach ihrer vom Verwaltungsgerichtshof wiedergegebenen Selbstdarstellung Personen, die ein ""Interesse haben, mit öffentlichen Auftraggebern Geschäfte zu machen oder private Bauherrn, die Bauleistungen nachfragen"". Als Vorteile ihres Angebots hebt die Klägerin u.a. hervor, dass sie einen Nutzer bei einem Bedarf für seine Leistung informiere, eine ""aktive Aquise"" ermögliche, der Nutzer sich direkt als Subunternehmer oder Lieferant noch vor der Auftragsvergabe empfehlen könne und über die Portale ""Brancheninsiderwissen"" beziehen könne. Das Angebot ist danach offensichtlich in erster Linie auf die Geschäftsinteressen der gewerblichen Nutzer (Teilhabe an Aufträgen) und die eigenen Geschäftsinteressen der Klägerin (Gewinnung von Nutzern des kostenpflichtigen Premiumzugangs) zugeschnitten. 41 Solchermaßen an individuellen geschäftlichen Interessen ausgerichtete Datenbanken, die zuvörderst unternehmerische Entscheidungen ermöglichen sollen, tragen zur öffentlichen Meinungsbildung nichts bei. Sie bieten schon dem einzelnen Nutzer keine valide Aussage über die gesellschaftliche Relevanz einer Thematik (vgl. Paal/Hennemann, JZ 2017, 641 <644>); dies gilt erst recht für die Gesamtheit der Nutzer und die Öffentlichkeit. 42 Das Vorbringen der Klägerin, ihre Datenbanken stellten der Sache nach Fachzeitschriften und ihre Nutzer eine ""von Vergaben besonders betroffene Fachöffentlichkeit"" dar, liegt neben der Sache. Maßgebend ist wie ausgeführt der Zweck der Publikation. Der Zweck etwa der von einem Fachverlag herausgegebenen wissenschaftlichen Fachzeitschrift wird sich regelmäßig auf die Information der Fachöffentlichkeit beschränken, auch wenn die Information bestimmten Beziehern geschäftlich förderlich ist. Zudem dient nicht jede Unterrichtung über Fachfragen zwangsläufig auch den geschäftlichen Interessen dessen, der unterrichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 7 C 40.80 - BVerwGE 67, 117 <122>). Der von der Klägerin angestellte Vergleich ihrer Datenbanken mit Statistiken oder Börsentabellen kann ebenfalls nicht überzeugen. Statistische Daten und insbesondere Börsentabellen sind nicht auf einzelne Rezipienten zugeschnitten, sondern haben einen überindividuellen Informationswert. So vermitteln etwa die in Börsentabellen aufbereiteten Daten einen Überblick über die Entwicklung der Aktienkurse börsennotierter Unternehmen nach Branchen und geben damit zugleich Aufschluss über die auch für die Volkswirtschaft als Ganzes bedeutsame Wertentwicklung relevanter nationaler und internationaler Unternehmen. Auch der weitere Einwand der Klägerin, selbst Anzeigenteile einer Zeitung fielen in den Schutzbereich der Pressefreiheit, zielt an der maßgeblichen Frage, ob eine Publikation einen Beitrag zur Meinungsbildung leistet, vorbei. Der Anzeigenteil ist allgemein geeignet, die Anliegen der inserierenden Stellen zu offenbaren und lässt daher einen gewissen Schluss auf die kulturelle, politische und wirtschaftliche Lage im Bereich des Verbreitungsgebiets der Zeitung zu; eine Anzeige kann daher eine Nachricht darstellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1967 - 1 BvR 414/64 - BVerfGE 21, 271 <279>; Chr. Starck/A.L. Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 131). 43 Schließlich führt auch das Vorbringen der Klägerin, die übergeordnete publizistische Zielsetzung ihrer Internetportale und ihres Druckerzeugnisses liege darin, die Transparenz der Beschaffungsmärkte öffentlicher Auftraggeber für interessierte Bürger zu erhöhen und die Öffentlichkeit insgesamt besser über die Verwendung von öffentlichen Haushaltsmitteln zu informieren, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar dürfte die Vergabepraxis der öffentlichen Hand für die Öffentlichkeit regelmäßig von besonderem Interesse sein. Die Datenbanken stellen aber wegen ihres Zuschnitts auf die geschäftlichen Interessen individueller Nutzer kein Medium dar, mit dem sich die interessierte Öffentlichkeit zuverlässig etwa über das öffentliche Beschaffungswesen in einer bestimmten Region, insbesondere auffällige Auftragsvergaben, informieren und auf dieser Grundlage einen eigenen Standpunkt finden könnte. Sofern die Datenbanken für die interessierte Öffentlichkeit überhaupt Informationswert haben, ist dies allenfalls ein untergeordneter Nebeneffekt. 44 Von diesem Befund ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen, dass die Klägerin mit ihrem Unternehmen vornehmlich außerpublizistische Zwecke verfolgt. Ihre publizistische Tätigkeit - die Herausgabe des Auftragsvergabemonitors und die Einstellung der ""News zu den Beschaffungsmärkten"" - ist den Unternehmenszwecken, die sie mit den Datenbanken verfolgt, untergeordnet. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen der publizistische Tätigkeitsbereich der Klägerin nur ""schmückendes Beiwerk"" für ihr auf die unternehmerischen Interessen ihrer Adressaten bezogenes kommerzielles Hauptangebot darstellt. Daran ändern auch die beiden Internetportale ohne ""Projekt-Center"", die sich auf die Darstellung von ""ausgewählten Auftragsvergaben"" und ""Neuen Infos"" zum Vergabewesen beschränken, nichts. Wie der Verwaltungsgerichtshof für den Senat bindend festgestellt hat, wird auf beiden Internetportalen prominent auf das Druckerzeugnis ""Auftragsvergabemonitor"" verwiesen, das seinerseits auf alle übrigen Internetseiten der Klägerin hinweise. Der Nutzer, der auf den beiden Internetportalen eine der dort gemeldeten ""neuen Auftragsvergaben"" anklicke (Button ""Details""), werde auf zwei Internetportale mit ""Projekt-Center"" weitergeleitet und dort teils sogleich durch ein Pop-up-Fenster zum Erwerb eines Premiumzugangs für ""ihr Unternehmen"" aufgefordert. Bei lebensnaher Betrachtung verfolgten daher auch die Internetportale ohne ""Projekt-Center"" in erster Linie die beschriebenen kommerziellen Interessen der Klägerin, hinter denen etwaige publizistische Nebeneffekte zurückträten. Gegen diese Würdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. 45 bb) Aus alledem folgt zugleich, dass die Auslegung des Berufungsgerichts den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG ebenfalls nicht verletzt. Namentlich der Vorwurf der Klägerin, die Einordnung ihres Unternehmenszwecks durch den Verwaltungsgerichtshof sei willkürlich, ist nach dem Vorstehenden unbegründet. In diesem Zusammenhang ist zudem für einen verfahrensfehlerhaften Umgang mit dem Gutachten des Professors für Journalistik Dr. M. vom 14. Juli 2014 nichts dargetan. Unter welchen Voraussetzungen ein Angebot als ""journalistisch-redaktionell gestaltet"" qualifiziert werden kann, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - zuvörderst eine Rechtsfrage und als solche einem Beweis durch ein Sachverständigengutachten nicht zugänglich. Ungeachtet dessen verhält sich das Gutachten nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht dazu, wann die meinungsbildende Wirkung von Medien für die Allgemeinheit prägender Bestandteil oder außerpublizistischen Geschäftszwecken untergeordnet ist. 46 Auf die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, die Klägerin verfüge nicht über eine organisatorisch von den sonstigen betrieblichen Stellen abgeschottete und in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheit, kommt es entscheidungserheblich nicht an. Die Informationen werden zwar teilweise auch im ""Auftragsvergabemonitor"" und den ""News zu den Beschaffungsmärkten"" verarbeitet. Der Hauptzweck für ihre Beschaffung ist aber die Verwendung für die Datenbanken der Internetportale. 47 Der Gehörsverstoß, den die Klägerin darin erblicken will, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Vortrag zur meinungsbildenden Funktion der veröffentlichten Daten für ihre Rezipienten übergangen habe, ist schon nicht substantiiert dargetan. In Wahrheit greift die Klägerin mit ihrer Gehörsrüge die der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs an. 48 cc) Für einen - ohne nähere Begründung - geltend gemachten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG ist nichts ersichtlich. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht, weil Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der Berufsfreiheit als spezielleres Grundrecht vorgeht (vgl. Chr. Starck/A.L. Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 408 und G. Manssen, ebenda, Art. 12 Abs. 1 Rn. 280). Dass Unternehmen, die mit den begehrten Auskünften vornehmlich außerpublizistische Unternehmenszwecke verfolgen, sich nicht auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch berufen können, begründet auch keinen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Selbst wenn der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG unterfiele, würde eine Verletzung hier ausscheiden, weil der Gewerbebetrieb sich nur im Rahmen der von der Rechtsordnung eröffneten Möglichkeiten entfalten kann. 49 2. Einen Auskunftsanspruch nach den - gemäß § 48 RStV revisiblen - Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls zu Recht verneint. 50 a) Gemäß § 9a Abs. 1 Satz 1 RStV haben Rundfunkveranstalter gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft; die Vorschrift gilt gemäß § 55 Abs. 3 RStV für Anbieter von Telemedien nach Absatz 2 Satz 1 entsprechend. Telemedien nach § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV sind solche mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, dass die Internetportale der Klägerin zwar Telemedien im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV darstellen, aber nicht journalistisch-redaktionell geprägt sind. 51 Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, auch der rundfunkstaatsvertragliche Auskunftsanspruch hänge - nicht anders als im Presserecht - davon ab, ob die unternehmerische Tätigkeit primär auf Beiträge zur Meinungsbildung ausgerichtet oder dieser Bereich außerpublizistischen Geschäftszwecken untergeordnet sei, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Welche Angebote als journalistisch-redaktionell gestaltet anzusehen sind, definiert der Rundfunkstaatsvertrag nicht. Die Begründung zum 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften verweist auf ""alle Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die als elektronische Presse in Erscheinung treten"" bzw. ""Anbieter von massenkommunikativen Telemedien (elektronische Presse)"" (LT-Drs. 14/558, S. 38 f.). Vor diesem Hintergrund ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass die Auskunftsregelung auf die ""elektronische Presse"" zugeschnitten ist und daher - wie in dem Merkmal ""journalistisch-redaktionell gestaltet"" zum Ausdruck kommt - ebenso wie der presserechtliche Anspruch einen Bezug zur Funktion der Presse, öffentliche Kommunikation zu ermöglichen und am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben, verlangt. 52 Das Vorbringen der Klägerin, sie sei nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV schon deshalb als Anbieterin von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten zu qualifizieren, weil auf zweien ihrer Internetportale die elektronische Fassung des periodischen Druckwerks ""Auftragsvergabemonitor"" online gelesen werden könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist in § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV von Telemedien, ""in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden"", die Rede. Daraus folgt aber nur, dass die Digitalausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gesetzliche Regelbeispiele für typischerweise journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote darstellen. 53 Auch der Einwand der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht eine Gesamtbetrachtung aller innerhalb ihres Unternehmens publizierten Telemedien vorgenommen, greift nicht durch. Auf welche Weise zu bestimmen ist, wann bei einem Internetangebot die journalistisch-redaktionelle Gestaltung im Vordergrund steht, ist umstritten (vgl. Mann/Smid, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, Presserecht, S. 917 Rn. 13 ff.; Held, in: Binder/Vesting, Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 54 Rn. 56; Lent, ZUM 2013, 914 <917>). Vorliegend kann diese Frage dahinstehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich offen gelassen, ob das Internetangebot der Klägerin als Ganzes in den Blick genommen werden muss oder eine funktionale Beurteilung abgrenzbarer Teilangebote anzustellen ist, weil die Meinungsbildung in beiden Fällen außerpublizistischen Geschäftszwecken untergeordnet sei. Diese Würdigung ist selbst in Ansehung der beiden Internetportale ohne ""Projekt-Center"" nicht zu beanstanden; insoweit wird auf die Ausführungen unter Randnummer 34 ff. verwiesen. 54 Auf die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht auch im Rahmen der §§ 9a, 55 Abs. 3 RStV eine organisatorisch von den sonstigen betrieblichen Stellen abgeschottete und in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheit verlangt, kommt es aus den vorstehend unter Randnummer 27 ff. dargelegten Gründen nicht an. 55 b) Zur Vereinbarkeit dieser Auslegung der einschlägigen Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages mit Verfassungsrecht kann auf die Ausführungen zum Landespressegesetz verwiesen werden. Verfassungsrecht gebietet nicht, die Auskunftsregelungen für die Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestaltetem Angebot weiter zu verstehen als den Auskunftsanspruch nach dem Landespressegesetz. 56 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-22,27.03.2019,"Pressemitteilung Nr. 22/2019 vom 27.03.2019 EN Videoüberwachung in der Zahnarztpraxis regelmäßig nicht zulässig Eine Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis, die ungehindert betreten werden kann, unterliegt strengen Anforderungen an die datenschutzrechtliche Erforderlichkeit. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist Zahnärztin. Ihre Praxis kann durch Öffnen der Eingangstür ungehindert betreten werden; der Empfangstresen ist nicht besetzt. Die Klägerin hat oberhalb dieses Tresens eine Videokamera angebracht. Die aufgenommenen Bilder können in Echtzeit auf Monitoren angesehen werden, die die Klägerin in Behandlungszimmern aufgestellt hat (sog. Kamera-Monitor-System). Die beklagte Landesdatenschutzbeauftragte gab der Klägerin u.a. auf, die Videokamera so auszurichten, dass der Patienten und sonstigen Besuchern zugängliche Bereich vor dem Empfangstresen, der Flur zwischen Tresen und Eingangstür und das Wartezimmer nicht mehr erfasst werden. Insoweit ist die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin aus im Wesentlichen folgenden Gründen zurückgewiesen: Die seit 25. Mai 2018 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung findet keine Anwendung auf datenschutzrechtliche Anordnungen, die - wie im vorliegenden Fall - vor diesem Zeitpunkt erlassen worden sind. Entscheidungen, die vor diesem Stichtag getroffen wurden, werden nicht nachträglich an diesem neuen unionsrechtlichen Regelungswerk gemessen. Der Bundesgesetzgeber hatte die Zulässigkeit der Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) vor dem 25. Mai 2018 durch § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes a. F. auch für private Betreiber abschließend geregelt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift setzte die Beobachtung durch ein Kamera-Monitor-System auch ohne Speicherung der Bilder voraus, dass diese zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Privaten erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht überwiegen. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Klägerin bereits nicht dargelegt, dass sie für den Betrieb ihrer Praxis auf die Videoüberwachung angewiesen ist. Es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ihre Befürchtung, Personen könnten ihre Praxis betreten, um dort Straftaten zu begehen, berechtigt erscheinen lassen. Die Videoüberwachung ist nicht notwendig, um Patienten, die nach der Behandlung aus medizinischen Gründen noch einige Zeit im Wartezimmer sitzen, in Notfällen betreuen zu können. Schließlich sind die Angaben der Klägerin, ihr entstünden ohne die Videoüberwachung erheblich höhere Kosten, völlig pauschal geblieben. BVerwG 6 C 2.18 - Urteil vom 27. März 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 7.16 - Urteil vom 06. April 2017 - VG Potsdam, 9 K 725/13 - Urteil vom 20. November 2015 -","Urteil vom 27.03.2019 - BVerwG 6 C 2.18ECLI:DE:BVerwG:2019:270319U6C2.18.0 EN Leitsätze: 1. Die Rechtmäßigkeit von Anordnungen zur Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. ist nach der Rechtslage zu beurteilen, die zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung gilt. Nachträgliche Rechtsänderungen sind nicht zu berücksichtigen. 2. Die Zulässigkeit einer Videoüberwachung im Sinne von § 6b Abs. 1 BDSG a.F. zu privaten Zwecken setzt voraus, dass der Verantwortliche plausibel Gründe darlegt, aus denen sich die Erforderlichkeit der Maßnahme ergibt. 3. Die Videoüberwachung ist zur Verhinderung von Straftaten erforderlich, wenn in Bezug auf die beobachteten Räume eine erheblich über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdungslage besteht. 4. Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union gilt nicht für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Anordnungen zur Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße, die die Behörden vor deren Geltungsbeginn auf der Grundlage des nationalen Rechts getroffen haben. 5. Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen zu privaten Zwecken richtet sich nunmehr nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Rechtsquellen BDSG a.F. § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 6b Abs. 1, § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG n.F. § 4 DSGVO Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und f, Art. 58 Abs. 1 und 2 Instanzenzug VG Potsdam - 20.11.2015 - AZ: VG 9 K 725/13 OVG Berlin-Brandenburg - 06.04.2017 - AZ: OVG 12 B 7.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 27.03.2019 - 6 C 2.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:270319U6C2.18.0] Urteil BVerwG 6 C 2.18 VG Potsdam - 20.11.2015 - AZ: VG 9 K 725/13 OVG Berlin-Brandenburg - 06.04.2017 - AZ: OVG 12 B 7.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. April 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin, eine Zahnärztin, wendet sich gegen eine datenschutzrechtliche Anordnung zur Videoüberwachung in ihrer Praxis. Ihre Praxis befindet sich in einem Gebäude, in dem mehrere Arztpraxen und eine Tagesklinik für Psychiatrie untergebracht sind. Die Eingangstür der Praxis ist während der Öffnungszeiten nicht verschlossen; der Empfangstresen ist nicht besetzt. Oberhalb des Tresens befindet sich eine Digitalkamera, die laufende Bilder in Echtzeit herstellt. Die Bilder können auf Monitoren angesehen werden, die die Klägerin in den Behandlungszimmern aufgestellt hat (sog. Kamera-Monitor-System). Die Klägerin hat angegeben, dass sie die Möglichkeit, die Bildaufnahmen zu speichern, nicht nutzt. Durch die Kamera werden der Bereich hinter dem Empfangstresen sowie diejenigen Bereiche überwacht, in denen sich Besucher nach dem ungehinderten Betreten der Praxis aufhalten (Bereich vor dem Empfangstresen, Flur zwischen Eingangstür und Tresen und ein Teil des vom Flur abgehenden Wartebereichs). An der Außenseite der Eingangstür und am Tresen hat die Klägerin jeweils ein Schild mit der Aufschrift ""Videogesichert"" angebracht. 2 Die beklagte Landesdatenschutzbeauftragte gab der Klägerin im Jahr 2012 neben anderen Anordnungen auf, die Kamera so auszurichten, dass die Bereiche, die Besuchern offenstehen, während der Öffnungszeiten der Praxis nicht mehr erfasst werden. In Bezug auf diese Anordnung ist die Anfechtungsklage, die die Klägerin nach Zurückweisung ihres Widerspruchs im Januar 2013 erhoben hat, in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. 3 In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der von der Beklagten beanstandete Einsatz des Kamera-Monitor-Systems stelle eine unzulässige Videoüberwachung dar. Eine solche Maßnahme sei Privatpersonen nur gestattet, wenn die Betroffenen zustimmten oder die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall. Die Hinweisschilder berechtigten nicht zu der Annahme, die Besucher der Praxis seien damit einverstanden, mit Hilfe einer Digitalkamera beobachtet zu werden. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich nicht, dass die Videoüberwachung erforderlich sei, um schutzwürdige Interessen zu wahren. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Praxis einem erhöhten Risiko ausgesetzt sei, Ort von Straftaten zu werden. Die Klägerin könne Diebstähle verhindern, indem sie dafür Sorge trage, dass sich keine Wertgegenstände im Bereich des Empfangstresens befänden und die Patienten ihre Wertsachen in das Behandlungszimmer mitnähmen. Die Klägerin habe den Vortrag, ohne die Videoüberwachung entstünden erheblich höhere Kosten für den Betrieb der Praxis, in keiner Weise konkretisiert. Es sei ihr zumutbar, den Empfangstresen mit einer bereits in der Praxis tätigen Mitarbeiterin zu besetzen. Diese könne sich auch um ""eingespritzte"" Patienten im Wartebereich kümmern. Nach alledem überwögen die Interessen der Besucher, nicht durch eine Digitalkamera beobachtet zu werden, die gegenläufigen Interessen der Klägerin. 4 Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter, die Aufhebung der Anordnung der Beklagten über die Ausrichtung der Digitalkamera zu erreichen, um die Videoüberwachung nach ihren Vorstellungen fortführen zu können. Sie hält daran fest, dass die Maßnahme aus Sicherheits- und Kostengründen erforderlich sei. Demgegenüber fielen die Beeinträchtigungen für die Besucher nicht übermäßig ins Gewicht. 5 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil. Auch könne die Klägerin die Überwachung vermeiden, indem sie die Eingangstür ihrer Praxis verschlossen halte und bei einem Klingelzeichen öffne. II 6 Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die selbständig anfechtbare Anordnung der Beklagten, den für Besucher zugänglichen Bereich der Zahnarztpraxis durch eine entsprechende Ausrichtung der Digitalkamera von der Beobachtung durch ein Kamera-Monitor-System auszunehmen, von § 38 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 6b Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), hier anwendbar in der Fassung von Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) - BDSG a.F. -, gedeckt ist. 7 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids; damit hängt die Entscheidung über die Revision von dem damals geltenden Datenschutzrecht ab (1.). Die Beobachtung des Besuchern zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis stellt eine Videoüberwachung im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. dar (2.). Nach dieser Bestimmung ist die Beobachtung unzulässig, weil sie nicht erforderlich ist, um berechtigte Interessen der Klägerin zu wahren. Daran anknüpfend hat die Beklagte der Klägerin ermessensfehlerfrei eine andere Ausrichtung der Kamera aufgegeben (3.). Aufgrund des Beurteilungszeitpunkts ist die streitbefangene Anordnung nicht an der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 S. 1) - DSGVO - zu messen, die während des Revisionsverfahrens Geltung erlangt hat (4.). Ungeachtet dessen wäre die Videoüberwachung auch nach dieser Verordnung unzulässig (5.). 8 1.a) Die Beklagte hat die streitbefangene Anordnung auf § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. gestützt; dieses Gesetz war bis zum 24. Mai 2018 in Kraft (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie 2016/680 vom 30. Juni 2017 ). Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. konnte die Aufsichtsbehörde zur Gewährleistung der Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten anordnen. Die Bestimmung setzte die Aufsichtsbehörde in den Stand, jeden rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten zu beenden. Zu diesem Zweck ermächtigte sie die Aufsichtsbehörde, gegen jede Verhaltensweise und jeden Zustand vorzugehen, bei denen die Vorkehrungen des Datenschutzrechts zum Schutz personenbezogener Daten nicht beachtet wurden. Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 BDSG a.F. waren dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Aus den Angaben musste sich deren Identität jedenfalls feststellen lassen. 9 Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. hatte die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergriff, um den datenschutzrechtlich gebotenen Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen. Hierfür konnte sie derjenigen Person oder Stelle, die nach § 3 Abs. 7 BDSG a.F. für eine rechtswidrige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung solcher Daten verantwortlich war, Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegen. Das Vorgehen hatte sich daran zu orientieren, auf welche Weise den Belangen des Datenschutzes künftig am besten Rechnung getragen werden konnte (BT-Drs. 16/12011 S. 44). Auch musste die Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des konkreten Inhalts einer Maßnahme das Gebot der Verhältnismäßigkeit wahren. So konnte sie davon absehen, dem Verantwortlichen eine konkrete Handlungspflicht zur Beseitigung des Rechtsverstoßes aufzuerlegen, wenn es erfolgversprechend erschien, ihm die Art der Beseitigung zu überlassen (Plath, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 38 BDSG Rn. 62; von Lewinski, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, § 38 BDSG Rn. 75). 10 b) Ungeachtet des Umstands, dass sich Handlungsgebote wie die der Klägerin aufgegebene Änderung der Ausrichtung der Digitalkamera ständig aktualisieren, weil damit die Verpflichtung einhergeht, den neu geschaffenen Zustand auf Dauer beizubehalten, sind derartige Maßnahmen nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. nach demjenigen Recht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung galt. Dies folgt daraus, dass diese Bestimmung der Aufsichtsbehörde bei Feststellung eines Verstoßes gegen Datenschutzrecht einen Ermessensspielraum für das daran anknüpfende Vorgehen eröffnet. Die gerichtliche Nachprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Ausübung des Ermessens, wenn sich aus dem materiellen Recht nichts Abweichendes ergibt (vgl. zu einer solchen Ausnahme: BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.). Für eine Ermessensentscheidung ist kennzeichnend, dass die Behörde zwischen mehreren rechtlich zulässigen, weil von der Bandbreite des Ermessensspielraums gedeckten Handlungsalternativen wählen kann. Die Verwaltungsgerichte prüfen diese Auswahlentscheidungen nur eingeschränkt nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO nach. Insbesondere sind sie daran gehindert, ihre eigenen Auswahlerwägungen an die Stelle derjenigen der Behörde zu setzen. Dies schließt es grundsätzlich aus, Ermessensentscheidungen anhand von tatsächlichen und rechtlichen Erkenntnissen nachzuprüfen, die die Behörde nicht in ihre Erwägungen einbeziehen konnte, weil sie zum Zeitpunkt der Ermessensausübung noch nicht vorlagen (BVerwG, Urteile vom 20. Mai 1980 - 1 C 82.76 - BVerwGE 60, 133 <136> und vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <358>; BFH, Urteil vom 26. März 1991 - VII R 66/90 - BFHE 164, 7 <9>). 11 Nach dem Regelungsgehalt des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. ist kein anderer Beurteilungszeitpunkt geboten. Vielmehr hat sich die Ermessensausübung zur Bestimmung der dem Verantwortlichen als Beseitigungsmaßnahme aufzuerlegenden Handlungs- oder Unterlassungspflichten an der Art des datenschutzrechtlichen Verstoßes zu orientieren. Ob ein Verstoß vorliegt, ist wiederum nach demjenigen Recht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gilt. 12 Danach kommt es für die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Anordnung auf die Rechtslage an, die zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung der Beklagten im Januar 2013 galt. Denn die Beklagte hatte als Widerspruchsbehörde nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Recht- und Zweckmäßigkeit ihrer Anordnung nachzuprüfen, d.h. nochmals eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Dies bedeutet, dass danach eingetretene Rechtsänderungen für die Entscheidung über die Anfechtungsklage und damit über die Revision ohne Bedeutung sind. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung der Anordnung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn diese bei Erlass des Widerspruchsbescheids rechtswidrig war. 13 2. Die Beobachtung des Besuchern zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis durch ein Kamera-Monitor-System ist an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. zu messen, weil es sich um eine Videoüberwachung handelt. Die Bestimmung traf zwei abschließende Regelungen: Zum einen definierte sie den Begriff der Videoüberwachung. Hierfür müssen öffentlich zugängliche Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen beobachtet werden. Zum anderen legte § 6b Abs. 1 BDSG a.F. die Anforderungen für deren Zulässigkeit fest. Videoüberwachungen, die nicht durch § 6b Abs. 1 BDSG a.F. gedeckt sind, waren verboten. 14 a) Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung kann eine Videoüberwachung nur in öffentlich zugänglichen Räumen stattfinden. Der Berechtigte, d.h. der Inhaber des Hausrechts, muss den Raum für eine unbestimmte Anzahl von Personen geöffnet haben. Die Widmung kann sich darauf beschränken, den Aufenthalt in dem Raum nur zu einem bestimmten Zweck zu gestatten. Entscheidend ist, dass der Berechtigte ihm unbekannten Personen die Möglichkeit eröffnet hat, den Raum ungehindert, insbesondere ohne vorherige Einlasskontrolle, zu betreten und sich darin aufzuhalten. Dies ist typischerweise bei Geschäftsräumen mit Publikumsverkehr der Fall (Onstein, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, § 6b BDSG Rn. 12 ff.; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG Rn. 9 f.). Danach ist jedenfalls der Besucherbereich der Praxis der Klägerin, d.h. der Bereich vor dem Empfangstresen, der Flur zwischen Eingangstür und Empfangstresen und der vom Flur abgehende Wartebereich, öffentlich zugänglich. Die Klägerin hat sich dafür entschieden, dass jede Person diesen Bereich ihrer Praxis während der faktischen Besuchszeiten ungehindert durch Öffnen der unverschlossenen Eingangstür betreten kann. 15 b) Eine Videoüberwachung setzt weiterhin voraus, dass der öffentlich zugängliche Raum mit einer optisch-elektronischen Einrichtung beobachtet wird. Der Verantwortliche muss technische Mittel einsetzen, die dazu bestimmt sind, bewegte Bilder herzustellen und wahrnehmbar zu machen (Onstein, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, § 6b BDSG Rn. 17; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG Rn. 12). Ein Kamera-Monitor-System ist eine derartige Einrichtung. Unter Beobachtung im Sinne von § 6b Abs. 1 BDSG a.F. ist jede gewollte, auf einige Zeit angelegte Wahrnehmung äußerer Vorgänge zu verstehen. Die durch die Kamera aufgenommenen Bilder müssen nicht aufgezeichnet werden. Es reicht aus, dass die Bewegtbilder in Echtzeit auf einem Bildschirm betrachtet werden können. Allerdings muss der Verantwortliche durch die Beobachtung personenbezogene Daten erheben, d.h. sich beschaffen (vgl. § 3 Abs. 1 und 3 BDSG a.F.). Hierfür müssen auf den Bildern Personen so zu erkennen sein, dass sie identifiziert werden können. Dies ist bei den Bildaufnahmen, die das Kamera-Monitor-System der Klägerin liefert, der Fall, weil die Gesichter der beobachteten Personen erkennbar sind. 16 Dass eine Beobachtung keine Aufzeichnung der Bildaufnahmen voraussetzt, folgt zum einen daraus, dass die Zulässigkeit der Verarbeitung oder Nutzung der durch die Beobachtung gewonnenen Daten in § 6b Abs. 3 BDSG a.F. gesondert geregelt ist. Zum anderen belegen der Regelungsgehalt des § 6b Abs. 1 BDSG a.F., der die Zulässigkeit der Beobachtung letztlich von dem Ergebnis einer Abwägung der Interessen des Verantwortlichen und der Betroffenen abhängig macht, aber auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass der Bundesgesetzgeber den Einsatz einer optisch-elektronischen Einrichtung auch ohne Aufzeichnung des Bildmaterials als Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen angesehen hat (BT-Drs. 14/4329 S. 38; BR-Drs. 461/00 S. 92). 17 Damit hat der Bundesgesetzgeber den potenziell verhaltenslenkenden Wirkungen der Videotechnik für die Betroffenen Rechnung getragen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - BVerfGK 10, 330 <336>). Diese Wirkungen treten erfahrungsgemäß auch ohne Aufzeichnung der Bilder ein, zumal die Betroffenen häufig nicht wissen, ob aufgezeichnet wird (Onstein, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, § 6b BDSG Rn. 19; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG Rn. 13). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) betont, dass die Richtlinie 95/46/EG, deren Vorgaben der Bundesgesetzgeber in dem bis 24. Mai 2018 geltenden Bundesdatenschutzgesetz umgesetzt hat, wegen des spezifischen Eingriffsgehalts der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten so auszulegen ist, dass zugunsten der Betroffenen ein hohes Schutzniveau gewährleistet wird (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 2014 - C-212/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2428] - Rn. 27 f. und vom 5. Juni 2018 - C-210/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​388] - Rn. 26). 18 c) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. gelten für Videoüberwachungen durch nicht-öffentliche Stellen im Sinne von § 2 Abs. 4 BDSG a.F., d.h. durch Privatpersonen wie die Klägerin, auch dann, wenn diese keine Datenverarbeitungsanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a.F. einsetzen. Nach dieser Bestimmung war ein solcher Einsatz Voraussetzung dafür, dass das Bundesdatenschutzgesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch diese Stellen galt. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch zutreffend angenommen, dass diese Einschränkung für Videoüberwachungen wegen der speziellen Regelung des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. keine Anwendung fand. Aus Normzweck und Systematik dieser Bestimmung folgt, dass der Bundesgesetzgeber in Bezug auf Videoüberwachungen ein generelles Schutzbedürfnis der Betroffenen anerkannt hat. Um diesen Schutz auch gegenüber privaten Verantwortlichen zu gewährleisten, hat er den Begriff der Videoüberwachung in § 6b Abs. 1 BDSG a.F. abschließend definiert und dadurch die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a.F. ausgeschlossen (Bericht und Beschlussempfehlung, BT-Drs. 14/5793 S. 61 f.). Dementsprechend betrifft die Zulässigkeitsvoraussetzung der Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG a.F. Videoüberwachungen zu privaten Zwecken (vgl. unter 3.b)). Videoüberwachungen im öffentlichen Interesse, nämlich zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen im Sinne von § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG a.F. (Nr. 1) werden bereits durch § 6b Abs. 1 Nr. 1 BDSG a.F. erfasst. 19 Ungeachtet dessen handelt es sich bei einem Kamera-Monitor-System um eine Datenverarbeitungsanlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a.F. Darunter fallen technische Vorrichtungen aller Art, wenn sie Daten in einem automatisierten Prozess erfassen oder nutzen. Dies ist insbesondere beim Einsatz digitaler Kameratechnik für Beobachtungen regelmäßig der Fall (BT-Drs. 14/5793 S. 62). 20 d) Nach alledem sind Videoüberwachungen auch dann nicht von der Geltung des § 6b BDSG a.F. ausgenommen, wenn sie ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a.F. erfolgen. Im Übrigen geht eine solche Beobachtung in aller Regel über die persönliche oder familiäre Sphäre des Verantwortlichen hinaus, weil sie begriffsnotwendig in öffentlich zugänglichen Räumen stattfindet. 21 3. Die Videoüberwachung des Besuchern zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis der Klägerin stellt einen Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes bei der Erhebung personenbezogener Daten im Sinne von § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. dar, weil die Betroffenen nicht eingewilligt haben und die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. nicht vorliegen (§ 4 Abs. 1 BDSG a.F.). 22 a) Eine rechtswirksame Einwilligung muss auf einer freien Entscheidung beruhen. Die Betroffenen müssen auf den vorgesehenen Zweck der Maßnahme hingewiesen werden. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist (§ 4a Abs. 1 Satz 1 bis 3 BDSG a.F.). 23 Danach liegt auf der Hand, dass auch deutlich sichtbar angebrachte Hinweise auf die Beobachtung nicht zu dem Schluss berechtigen, dass Personen durch das Betreten des überwachten Raums rechtswirksam ihr Einverständnis mit der Beobachtung zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - BVerfGK 10, 330 <336>; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 25). Die Hinweisschilder mit der Aufschrift ""Videogesichert"" an der Außenseite der Eingangstür und am Tresen der Praxis der Klägerin sind für die Zulässigkeit der Videoüberwachung ohne Bedeutung. 24 b) Nach § 6b Abs. 1 BDSG a.F. sind Privatpersonen wie die Klägerin unter zwei Voraussetzungen berechtigt, in ihren Räumen, zu denen sie öffentlichen Zugang gewähren, Videoüberwachungen durchzuführen: Zunächst muss die Maßnahme zur Wahrnehmung des Hausrechts (Nr. 2) oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke (Nr. 3) erforderlich sein. Ist dies der Fall, müssen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen die Interessen der Betroffenen, von der Beobachtung verschont zu werden, überwiegen. Eine nicht erforderliche Videoüberwachung ist immer unzulässig. Eine Interessenabwägung erübrigt sich, weil der Verantwortliche keine Gründe in die Waagschale legen kann, die zu einer Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen berechtigen. 25 Die Rechtfertigungsgründe ""Hausrecht"" und ""berechtigte Interessen"" lassen sich nicht strikt abgrenzen, sondern überschneiden sich inhaltlich. Das Hausrecht ist das Mittel, das den an einem Raum Berechtigten in die Lage versetzt, darüber zu bestimmen, ob und zu welchem Zweck andere Personen den Raum betreten und sich darin aufhalten dürfen (OVG Münster, Urteil vom 8. Mai 2009 - 16 A 3375/07 - juris Rn. 44; OVG Saarlouis, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 A 662/17 - CR 2018, 505 <507>; Onstein, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, § 6b BDSG Rn. 28; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG Rn. 16; Scholz, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 6b Rn. 73). Der Berechtigte kann zwar aufgrund seines Hausrechts missliebiges Verhalten zum Anlass nehmen, Besuchern ""die Tür zu weisen"". Allerdings zeigt die Regelungssystematik des § 6b Abs. 1 BDSG a.F., dass er sich nicht beliebig auf das Hausrecht berufen kann, um eine Videoüberwachung durchzuführen. Vielmehr muss er sich auf ein berechtigtes Interesse, d.h. auf einen ""guten Grund"" stützen können. Dies kann jedes subjektive Interesse sein, wenn es grundsätzlich schutzwürdig und objektiv begründbar ist (vgl. BT-Drs. 14/5793 S. 61). 26 Es ist Sache des Berechtigten darzulegen, aus welchen Gründen er eine Videoüberwachung seiner Räume für angezeigt hält. Anhand seiner Angaben ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang die Maßnahme erforderlich im Sinne von § 6 Abs. 1 BDSG a.F. ist. Behörden und Gerichte müssen im Rahmen ihrer Pflicht zur Sachaufklärung darauf hinwirken, dass der Berechtigte die angeführten Gründe erläutert oder ergänzt. Nach dem allgemein anerkannten Begriffsverständnis ist Erforderlichkeit anzunehmen, wenn ein Grund, etwa eine Gefährdungslage, hinreichend durch Tatsachen oder die allgemeine Lebenserfahrung belegt ist, und ihm nicht ebenso gut durch eine andere gleich wirksame, aber schonendere Maßnahme Rechnung getragen werden kann. Schonender als die Videoüberwachung sind insbesondere Maßnahmen, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Besucher der öffentlich zugänglichen Räume nicht berühren. 27 Nach diesem Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage des von ihm nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Sachverhalts zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin angeführten Gründe die Erforderlichkeit der Videoüberwachung des Besucherbereichs ihrer Zahnarztpraxis während der Öffnungszeiten nicht begründen können. Daher kann dahingestellt bleiben, ob sich die Videoüberwachung auch deshalb nicht als erforderlich erweist, weil die Klägerin darauf verwiesen werden kann, die Eingangstür ihrer Praxis verschlossen zu halten, d.h. die Widmung des Besucherbereichs als öffentlich zugänglich aufzuheben. Die Angaben der Klägerin sind wie folgt zu würdigen: 28 Die Klägerin hat geltend gemacht, der ungehinderte Zugang zu ihrer Praxis könne ausgenutzt werden, um dort unerkannt Straftaten zu begehen. Die Gesichtspunkte der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten stellen grundsätzlich berechtigte Interessen im Sinne von § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG a.F. dar. Sie können eine Videoüberwachung jedoch nur dann als objektiv begründbar rechtfertigen, wenn eine Gefährdungslage besteht, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Eine solche Gefährdung kann sich nur aus tatsächlichen Erkenntnissen ergeben; subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit reichen nicht aus (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 A 662/17 - CR 2018, 505 <507>; Scholz, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 6b Rn. 78 und 79). 29 Das Oberverwaltungsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, die die Annahme stützen, in Bezug auf die Zahnarztpraxis der Klägerin bestehe eine erhöhte, über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdungslage. Danach gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, die Praxis könne während der Öffnungszeiten Tatort für Einbrüche, Überfälle und Gewalttaten werden. Das Gebäude, in dem sich die Praxis befindet, liegt nicht in einem Gebiet mit erhöhtem Gefahrenpotenzial. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, in ihrer eigenen oder einer anderen in demselben Gebäude untergebrachten Arztpraxis habe sich eine Straftat ereignet. Die Patienten der Tagesklinik für Psychiatrie haben sich unauffällig verhalten. 30 Der Umstand, dass in der Praxis Betäubungsmittel und Wertsachen wie etwa Zahngold aufbewahrt werden, ist für sich genommen nicht geeignet, eine besondere Gefährdung in Bezug auf Diebstähle während der Öffnungszeiten zu begründen. Diebstähle von Betäubungsmitteln und Wertsachen, die sich nach dem Vortrag der Klägerin im Bereich des unbesetzten Empfangstresens befinden, kann die Klägerin dadurch verhindern, dass sie für deren Aufbewahrung in verschließbaren Schränken oder Behältern, vorzugsweise in anderen Bereichen der Praxis, sorgt. Der Gefahr, dass Wertsachen von Patienten während der Behandlung aus dem Wartebereich gestohlen werden, kann die Klägerin dadurch begegnen, dass sie die Patienten dazu anhält, ihre Wertsachen in das Behandlungszimmer mitzunehmen. Auch kann sie Behälter zur Verfügung stellen, die nach Einwurf einer Münze oder eines Chips verschlossen werden können. 31 Schließlich muss der Wartebereich der Praxis nicht überwacht werden, um dort sitzenden Patienten, insbesondere nach der Behandlung, rasch zu Hilfe kommen zu können. So kann diesen Patienten beispielsweise ein Druckknopf in die Hand gegeben werden, den sie im Notfall betätigen können, um Hilfe herbeizurufen. Dies ist auch deshalb vorzugswürdig, weil die Videoüberwachung nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nur einen Teil des Wartebereichs erfasst. 32 Auch hat die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass sie auf die Videoüberwachung angewiesen ist, um die Betriebskosten ihrer Praxis zu senken. Bei dem Bestreben, Kosten einzusparen, handelt es sich grundsätzlich um ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG a.F. Dies gilt für das Interesse, Personalkosten zu vermeiden, die durch die Einstellung von Beschäftigten anfallen. Allerdings muss der Verantwortliche darlegen, dass er diese Kosten auch durch andere Vorkehrungen, insbesondere durch organisatorische Veränderungen anstelle der Videoüberwachung nicht vermeiden oder in einer hinnehmbaren Größenordnung halten kann. Die Kostenersparnis kann die Erforderlichkeit der Videoüberwachung jedenfalls nur dann begründen, wenn die ansonsten entstehenden Kosten im Verhältnis zu dem Umfang der geschäftlichen Tätigkeit ins Gewicht fallen oder gar deren Wirtschaftlichkeit in Frage stellten (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 18. Dezember 2003 - 16 C 427/02 - NJW-RR 2004, 531 <532 f.>; Becker, in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG Rn. 21). 33 Diese Erwägungen müssen im vorliegenden Fall nicht näher konkretisiert werden. Die Klägerin kann sich bereits deshalb nicht auf eine Kostenersparnis durch die Videoüberwachung berufen, weil sie insoweit bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens keine nachprüfbaren Angaben gemacht hat. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich ihr Vortrag auf die pauschale Behauptung beschränkt, ohne die Videoüberwachung würden ihr ""um ein Vielfaches höhere Kosten"" entstehen. Es fehlt jeder Hinweis darauf, welche Kosten in welcher Größenordnung sie durch die Videoüberwachung einsparen kann. Die Klägerin hätte sich zumindest dazu äußern müssen, welche Mehrkosten anfielen, wenn sie den Empfangstresen mit einer bereits angestellten Mitarbeiterin besetzen und dort mit Verwaltungsarbeiten (Abrechnungen u.a.) beschäftigen würde. 34 c) Die Behörde hat das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, das ihr durch § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. eröffnet war, um eine konkrete Maßnahme zur Beseitigung des Verstoßes gegen § 6b Abs. 1 BDSG a.F. festzulegen (§ 114 Satz 1 VwGO). Die der Klägerin auferlegte Handlungspflicht war geeignet und erforderlich, um die Beobachtung der Praxisräume zu beenden, soweit es sich um eine nach § 6b Abs. 1 BDSG a.F. unzulässige Videoüberwachung handelt. 35 Die Anordnung, die im Bereich des Empfangstresens angebrachte Digitalkamera auf eine bestimmte Weise auszurichten, betrifft nur denjenigen Bereich der Praxis, der während der Öffnungszeiten öffentlich zugänglich ist. Damit wurde die Klägerin zugleich rechtsverbindlich verpflichtet, den durch die geänderte Ausrichtung geschaffenen Zustand auf Dauer beizubehalten, d.h. die Kamera nicht erneut in die frühere Position zu bringen. Dieses Vorgehen der Beklagten war verhältnismäßig, insbesondere geeignet und erforderlich. Die Verpflichtung zu einer dauerhaft anderen Ausrichtung der Kamera war das mildere Mittel gegenüber einem Abdecken oder Abbau der Kamera. Dadurch wurde es der Klägerin ermöglicht, die Kamera weiterhin zur rechtlich zulässigen Beobachtung des Bereichs hinter dem Empfangstresen einzusetzen. Für eine Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Unzumutbarkeit) ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte (vgl. zum Gesichtspunkt des Kostenaufwands unter 3.b)). 36 4. Seit dem 25. Mai 2018 gilt die Datenschutz-Grundverordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Art. 99 Abs. 2 DSGVO; Art. 288 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Fassung - AEUV). Zugleich trat das Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66) außer Kraft (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 DSAnpUG-EU). 37 Diese Rechtsänderung hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Anordnung und damit auf die Entscheidung über die Revision. Die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung folgt nicht aus dem nationalen Datenschutzrecht, weil dieses den Erlass des Widerspruchsbescheids der Beklagten im Januar 2013 als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bestimmt (vgl. unter 1.b)). Auch der Datenschutz-Grundverordnung lässt sich nicht entnehmen, dass ihre Regelungen einen Geltungsanspruch für Sachverhalte erheben, die die Behörden der Mitgliedstaaten vor dem 25. Mai 2018 auf der Grundlage des damals geltenden nationalen Rechts verbindlich geregelt haben. Die Verordnung stellt ein neuartiges Regelwerk dar, das darauf abzielt, das Datenschutzrecht innerhalb der Europäischen Union zu vereinheitlichen. Dies bringt es mit sich, dass die Regelungskonzepte der Verordnung grundlegend von den bisherigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten abweichen können. Dies sei anhand eines Vergleichs der Bestimmungen des Art. 58 Abs. 1 und 2 DSGVO über die Untersuchungs- und Abhilfebefugnisse der Aufsichtsbehörden mit dem abgelösten nationalen Datenschutzrecht dargestellt: 38 Das nationale Recht stellte es weitgehend in das Ermessen der Aufsichtsbehörden, welche Aufklärungsmaßnahmen sie trafen, um datenschutzrechtliche Verstöße festzustellen. Demgegenüber enthält Art. 58 Abs. 1 DSGVO einen abschließenden Maßnahmenkatalog. Behördliche Maßnahmen der Sachaufklärung müssen sich einem Tatbestand des Art. 58 Abs. 1 DSGVO zuordnen lassen. Die Vorschrift belässt den Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Zugangs zu Geschäftsräumen nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. f DSGVO keinen Regelungsspielraum (vgl. Erwägungsgrund 129 zur Datenschutz-Grundverordnung; Boehm, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 58 DS-GVO Rn. 9; Kugelmann/Buchmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2018, Art. 58 DS-GVO Rn. 27). 39 Entsprechendes gilt für die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Beseitigung festgestellter Rechtsverstöße. Während die datenschutzrechtliche Generalklausel des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. den Aufsichtsbehörden keine konkreten Abhilfemaßnahmen vorgab, ihnen vielmehr für die Bestimmung des konkreten Inhalts einen Spielraum eröffnete, enthält Art. 58 Abs. 2 DSGVO auch insoweit einen abgestuften Maßnahmenkatalog. Das Vorgehen der Aufsichtsbehörden gegen datenschutzrechtliche Verstöße muss durch einen Abhilfetatbestand des Art. 58 Abs. 2 DSGVO gedeckt sein. 40 Aufgrund solcher Unterschiede hätte es deutlicher Hinweise in der Datenschutz-Grundverordnung für die Annahme bedurft, dass der Normgeber der Europäischen Union nicht nur ein einheitliches unionsrechtliches Datenschutzrecht für die Zukunft geschaffen, sondern darüber hinaus bestimmt hat, dass datenschutzrechtliche Entscheidungen, die die Aufsichtsbehörden noch nach dem nationalen Datenschutzrecht getroffen haben, rückwirkend an den anderen Strukturen der Datenschutz-Grundverordnung zu messen sind. Derartige Hinweise enthalten weder der Text der Datenschutz-Grundverordnung noch die Erwägungsgründe. Vielmehr bestimmt Art. 96 DSGVO die Fortgeltung der vor dem 24. Mai 2016 geschlossenen Übereinkünfte der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten und internationalen Organisationen über die Übermittlung personenbezogener Daten. 41 5. Ungeachtet dessen fände die streitbefangene Anordnung ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 58 Abs. 2 Buchst. d i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Die Beklagte hat daher keinen Anlass nach Maßgabe der §§ 49 ff. VwVfG zu prüfen, ob sie die Anordnung für die Zukunft aufrechterhält. 42 a) Die Anordnung, die Digitalkamera so auszurichten, dass sie den öffentlich zugänglichen Bereich der Zahnarztpraxis der Klägerin nicht erfasst, kann der Abhilfebefugnis nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d DSGVO zugeordnet werden. Danach kann die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen anweisen, Verarbeitungsvorgänge auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der Verordnung zu bringen. Diese Befugnis soll als Auffangtatbestand grundsätzlich jeden Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, d.h. jede unionsrechtswidrige Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfassen (Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-Datenschutz-Grundverordnung und BDSG-neu, 2018, DSGVO Art. 58 Rn. 33 f.; Kugelmann/Buchmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2018, Art. 58 DS-GVO Rn. 91). 43 Die Bilder, die das von der Klägerin eingesetzte Kamera-Monitor-System herstellt, enthalten aufgrund der Erkennbarkeit der abgebildeten Personen personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO (vgl. unter 2.b)). Bei den Bildaufnahmen handelt es sich um eine Verarbeitung dieser Daten. Nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO ist darunter jeder Vorgang zu verstehen, der mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten ausgeführt wird. Die sich an diese Begriffsbestimmung anschließende, ersichtlich umfassende Aufzählung von Vorgängen in Art. 4 Nr. 2 DSGVO zeigt, dass der Begriff der Verarbeitung jeglichen Umgang mit personenbezogenen Daten erfasst. 44 b) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verarbeitung sind in Art. 6 Abs. 1 DSGVO abschließend geregelt, wobei die Absätze 2 und 3 begrenzte Öffnungsklauseln zugunsten der Mitgliedstaaten enthalten. Haben die Betroffenen wie im vorliegenden Fall nicht rechtswirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 4 Nr. 11 DSGVO), sind Verarbeitungsvorgänge nur rechtmäßig, wenn sie auf mindestens einen Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DSGVO gestützt werden können. 45 Datenverarbeitungen durch Privatpersonen wie die Videoüberwachung der Klägerin können von vornherein nicht auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO gestützt werden. Danach muss die Datenverarbeitung erforderlich für die Wahrnehmung einer Aufgabe sein, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Eine zusätzliche Abwägung mit den Interessen der Betroffenen ist nicht vorgesehen. Dies lässt sich in Anbetracht des hohen Stellenwerts des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen nur rechtfertigen, wenn der Anwendungsbereich des Tatbestands entsprechend seinem Wortlaut auf behördliche oder staatlich veranlasste Verarbeitungsvorgänge beschränkt wird. Die Verarbeitung personenbezogener Daten unterfällt dem Schutzbereich der Grundrechte auf Privatleben nach Art. 7 und auf Schutz der eigenen Daten nach Art. 8 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-212/13 - Rn. 28). 46 Dementsprechend erfasst Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO Datenverarbeitungen durch Behörden, die diese in Erfüllung ihrer Aufgaben vornehmen. Privatpersonen können sich darauf nur berufen, wenn ihnen die Befugnis, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, im öffentlichen Interesse oder als Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen ist. Sie müssen anstelle einer Behörde tätig werden. Dies setzt einen wie auch immer gestalteten staatlichen Übertragungsakt voraus. Eine Privatperson kann sich nicht selbst zum Sachwalter des öffentlichen Interesses erklären. Insbesondere ist sie nicht neben oder gar anstelle der Ordnungsbehörden zum Schutz der öffentlichen Sicherheit berufen. Beim Schutz individueller Rechtsgüter, seien es ihre eigenen oder diejenigen Dritter, verfolgt sie keine öffentlichen, sondern private Interessen (Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 111 ff.; Kramer, in: Auernhammer, DSGVO/BDSG, 5. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 24 f.; Pabst, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 95; Wedde, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-Datenschutz-Grundverordnung und BDSG-neu, 2018, DSGVO Art. 6 Rn. 87 und 89). Somit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO um einen eigenständigen Erlaubnistatbestand handelt oder die Bestimmung durch unionsrechtliche oder nationale Bestimmungen über behördliche Datenverarbeitungen im öffentlichen Interesse ausgefüllt werden muss (vgl. Schulz, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 48 und 197). 47 Daraus folgt, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO für Verarbeitungen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht erfassen. Aufgrund dessen ist kein Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 des seit 25. Mai 2018 geltenden Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) - BDSG n.F. - als wortgleicher Nachfolgeregelung des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. auf Videoüberwachungen privater Verantwortlicher. Diese sind an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu messen. Danach muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Das zweistufige Prüfprogramm dieser Bestimmung entspricht demjenigen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. Die Verarbeitung ist erforderlich, wenn der Verantwortliche zur Wahrung berechtigter, d.h. schutzwürdiger und objektiv begründbarer Interessen darauf angewiesen ist. Eine nach diesem Maßstab erforderliche Verarbeitung ist zulässig, wenn die Abwägung in dem jeweiligen Einzelfall ergibt, dass berechtigte Interessen des Verantwortlichen höher zu veranschlagen sind als das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Hierfür ist nach Erwägungsgrund 47 zur Datenschutz-Grundverordnung unter anderem bedeutsam, ob die Datenverarbeitung für die Verhinderung von Straftaten unbedingt erforderlich ist, ob sie absehbar, d.h. branchenüblich ist, oder ob die Betroffenen in der konkreten Situation vernünftigerweise damit rechnen müssen, dass ihre Daten verarbeitet werden. 48 Danach wäre die Videoüberwachung des öffentlich zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis der Klägerin auch nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO unzulässig, weil sie nicht erforderlich ist, um berechtigte Interessen der Klägerin zu wahren. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit nach § 6b Abs. 1 BDSG a.F. unter 3.b) verwiesen werden. 49 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-24,28.03.2019,"Pressemitteilung Nr. 24/2019 vom 28.03.2019 EN Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Unionsbürger hindert nicht das Entstehen eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts Ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht kann bei einem drittstaatsangehörigen Ehegatten eines in Deutschland lebenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein nigerianischer Staatsangehöriger, heiratete 2008 in Griechenland eine bulgarische Staatsangehörige. Die Eheleute reisten 2012 gemeinsam zum Zwecke der Erwerbstätigkeit in das Bundesgebiet ein. 2014 trennten sie sich, und die Ehefrau des Klägers verzog allein nach Bulgarien. Seit August 2015 lebt sie - vom Kläger weiterhin getrennt - wieder in Deutschland. 2016 wurde die Ehe geschieden. Nach dem Wegzug der Ehefrau stellte die Ausländerbehörde fest, dass der Kläger sein Freizügigkeitsrecht nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Verbindung mit der Richtlinie 2004/38/EG (sog. Unionsbürger-Richtlinie) verloren hat. Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vor­instanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Aufenthaltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin mit deren Wegzug erloschen und mit ihrer Wiedereinreise mangels Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht neu entstanden ist. Auf die Revision des Klägers hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben. Zwar ist in Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) das mit dem gemeinsamen Zuzug entstandene abgeleitete Aufenthaltsrecht des Klägers als drittstaatsangehöriger Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin mit dem Wegzug seiner Ehefrau erloschen. Es ist aber mit ihrer erneuten Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet neu entstanden, wenn und soweit die Ehefrau nach ihrer Rückkehr (weiterhin) freizügigkeitsberechtigt war. Unter dieser Voraussetzung geht es mit der Scheidung der Ehe nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht über. Dem steht nicht entgegen, dass die Eheleute nach der Rückkehr der Ehefrau weiterhin getrennt gelebt haben. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Ehegatte eines Unionsbürgers nicht notwendigerweise ständig bei dem Unionsbürger wohnen, um Inhaber eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zu sein. Für ein „Begleiten“ bzw. „Nachziehen“ im Sinne des Unionsrechts genügt es vielmehr, dass sich beide Eheleute in dem Mitgliedstaat aufhalten, in dem der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Dies gilt bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder Betrugs (einschließlich des Eingehens einer Scheinehe). Damit unterscheidet sich das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers vom nationalen Nachzugsrecht, nach dem Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen (nur) zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erteilt werden. Auch bedarf es für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht bei getrennt lebenden Eheleuten nicht einer im Sinne des Ehe- und Familienschutzes über das formale Band der Ehe hinausgehenden schutzwürdigen Beziehung. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Ehefrau des Klägers bei Scheidung der Ehe freizügigkeitsberechtigt war, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden und war der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. BVerwG 1 C 9.18 - Urteil vom 28. März 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 5.16 - Urteil vom 13. September 2017 - VG Berlin, 24 K 45.15 - Urteil vom 04. Februar 2016 -","Urteil vom 28.03.2019 - BVerwG 1 C 9.18ECLI:DE:BVerwG:2019:280319U1C9.18.0 EN Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers trotz Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft Leitsätze: 1. Das abgeleitete Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG hängt nicht vom Fortbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Für ein Begleiten im Sinne des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG genügt nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein gleichzeitiger Aufenthalt der Eheleute im Aufnahmemitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14, Singh - Rn. 54). 2. Verlässt ein Unionsbürger nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft das Bundesgebiet, erlischt damit das abgeleitete unionsrechtliche Aufenthaltsrecht seines drittstaatsangehörigen Ehegatten (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14, Singh - Rn. 58). 3. Kehrt der Unionsbürger später in das Bundesgebiet zurück, kann sich der hier verbliebene drittstaatsangehörige Ehegatte - auch wenn die Eheleute weiterhin getrennt leben - wieder auf ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen. Rechtsquellen FreizügG/EU § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 und Abs. 7 Satz 2, § 3 Abs. 1, 2, 3 und 5 Nr. 1, § 4a Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 4 AufenthG § 31 Richtlinie 2004/38/EG Art. 2 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 16 Abs. 2, Art. 35 Instanzenzug VG Berlin - 04.02.2016 - AZ: VG 24 K 45.15 OVG Berlin-Brandenburg - 13.09.2017 - AZ: OVG 3 B 5.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2019 - 1 C 9.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280319U1C9.18.0] Urteil BVerwG 1 C 9.18 VG Berlin - 04.02.2016 - AZ: VG 24 K 45.15 OVG Berlin-Brandenburg - 13.09.2017 - AZ: OVG 3 B 5.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. September 2017 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, dass er sein Recht auf Freizügigkeit in der Bundesrepublik Deutschland verloren hat. 2 Der Kläger, ein 1981 geborener nigerianischer Staatsangehöriger, heiratete im April 2008 eine in Griechenland lebende bulgarische Staatsangehörige. Ende 2012 ließ er sich mit seiner Ehefrau im Bundesgebiet nieder und erhielt eine bis Januar 2018 befristete Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern. Anfang 2014 trennten sich die Eheleute. Im März 2014 verzog die Ehefrau nach Bulgarien. Seit August 2015 lebt sie - weiterhin vom Kläger getrennt - wieder im Bundesgebiet. Im Juni 2016 wurde die Ehe in Nigeria geschieden; der Scheidungsantrag datiert vom Januar 2016. 3 Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 stellte die Ausländerbehörde des Beklagten fest, dass der Kläger sein Freizügigkeitsrecht verloren (Ziffer 1) und kein Daueraufenthaltsrecht erworben hat (Ziffer 2). Zugleich drohte sie dem Kläger die Abschiebung an (Ziffer 3). Die Verlustfeststellung wurde damit begründet, dass der Kläger nicht mehr freizügigkeitsberechtigt sei, da seine Ehefrau Deutschland im März 2014 verlassen habe. Gegen die Verlustfeststellung und die Abschiebungsandrohung ist Klage erhoben worden. Mit Urteil vom 4. Februar 2016 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Abschiebungsandrohung aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. 4 Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 13. September 2017 die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Verlustfeststellung finde ihre Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU. Nach der zwischenzeitlichen Scheidung sei der Kläger nicht mehr Familienangehöriger einer Unionsbürgerin. Er habe auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU erworben. Hierfür müsse bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht bestanden haben. Das Aufenthaltsrecht des Klägers sei aber schon mit dem Wegzug seiner Ehefrau erloschen und mit ihrer erneuten Niederlassung nicht wieder aufgelebt. Dabei könne offenbleiben, ob die Ehefrau nach der Wiedereinreise weiterhin freizügigkeitsberechtigt gewesen sei. Die nicht mehr gelebte eheliche Lebensgemeinschaft bedürfe keines weiteren Schutzes mehr, wenn der Unionsbürger den Aufnahmemitgliedstaat ohne seinen Ehegatten verlassen habe, da mit dem Wegzug der freizügigkeitsrechtliche Anknüpfungspunkt für ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht entfalle. Daran ändere ein erneuter Zuzug des Unionsbürgers nichts, solange die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufgenommen werde. 5 Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 3 Abs. 2 und 5 FreizügG/EU und des Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG. Er habe ein eigenständiges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger bereits mit dem Wegzug seiner Ehefrau, jedenfalls aber mit ihrem erneuten Zuzug und der nachfolgenden Scheidung erworben. Selbst wenn die Auffassung des Berufungsgerichts zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bei Wegzug seiner Ehefrau zutreffen sollte, bestehe die Besonderheit, dass diese bei Scheidung der Ehe wieder im Bundesgebiet gelebt habe. Mit ihrem Zuzug sei sein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger zumindest neu entstanden. Denn für ein Begleiten oder Nachziehen bedürfe es nach der Rechtsprechung des EuGH keines Zusammenlebens; es genüge, dass sich beide Eheleute im Aufnahmemitgliedstaat aufhielten. 6 Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren. II 8 Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Klägers nach Scheidung von seiner bulgarischen Ehefrau mit einer Begründung verneint, die nicht mit § 3 Abs. 5 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz EU - FreizügG/EU) i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/630/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 S. 77) - sog. Unionsbürger-Richtlinie - zu vereinbaren ist. Zwar ist das akzessorische Aufenthaltsrecht des Klägers als drittstaatsangehöriger Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin mit deren Wegzug erloschen. Das Berufungsgericht ist jedoch unter Verstoß gegen Unionsrecht davon ausgegangen, dass dieses Recht nach der erneuten Niederlassung der Ehefrau schon mangels Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht neu entstehen konnte. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels ausreichender tatrichterlicher Feststellungen zum Bestehen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts des Klägers im Zeitpunkt der Scheidung kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, sodass der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der - nur noch - streitgegenständlichen Verlustfeststellung des Beklagten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 11). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 20.11 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15 Rn. 15). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist daher das Freizügigkeitsgesetz EU vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986), zuletzt geändert durch das am 29. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780). 10 Nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder diese nicht vorliegen. Nach Ablauf dieser Frist erwerben Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ein Daueraufenthaltsrecht und erlischt die Möglichkeit einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU. 11 1. Der Kläger hat - im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - kein Daueraufenthaltsrecht als Familienangehöriger eines Unionsbürgers nach § 4a FreizügG/EU erworben. Zwar ist seine geschiedene Ehefrau als bulgarische Staatsangehörige Unionsbürgerin. Er hat sich mit ihr aber nicht als Familienangehöriger rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten (vgl. § 4a Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU i.V.m. Art. 16 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG). 12 2. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Kläger auch nicht auf ein aus der Ehe mit einer Unionsbürgerin abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen kann. Denn dieses Aufenthaltsrecht ist spätestens mit der Scheidung der Ehe entfallen. 13 Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Familienangehörige sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist der Ehegatte eines Unionsbürgers im Einklang mit Art. 2 Nr. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG zwar ""Familienangehöriger"". Die Ehegatteneigenschaft endet aber mit der Scheidung der Eheleute (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2012 - C-40/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​691], Iida - Rn. 57 f.). 14 3. Der Kläger hat - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht bereits mit dem Wegzug seiner Ehefrau im März 2014 ein eigenständiges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erworben. Weder nach der Richtlinie 2004/38/EG noch nach dem Freizügigkeitsgesetz EU wandelt sich das abgeleitete Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Ehegatten mit dem Wegzug des Unionsbürgers in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Nach einem Wegzug des Unionsbürgers sind vom Verlust des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat - unter bestimmten Voraussetzungen - nur dessen Kinder und der Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt (vorläufig) ausgeschlossen (vgl. § 3 Abs. 4 FreizügG/EU i.V.m. Art. 12 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG). 15 4. In Betracht kommt allerdings ein eigenständiges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU. Danach behalten Ehegatten, die nicht Unionsbürger sind, in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG u.a. bei Scheidung der Ehe ein Aufenthaltsrecht, wenn sie die für Unionsbürger geltenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 FreizügG/EU erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet. 16 4.1 Der Kläger erfüllt in seiner Person die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU (Aufenthalt zur Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit). Er reiste nach Deutschland ein, um hier zu arbeiten, war nach Aktenlage seitdem bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt und legte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen bis 1. Mai 2018 befristeten Arbeitsvertrag bei der Firma Z. als Lagermitarbeiter vor. 17 4.2 Bei Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens im Januar 2016 bestand die Ehe des Klägers seit mindestens drei Jahren, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet. Die Eheschließung erfolgte im April 2008, im Dezember 2012 zogen die Eheleute nach Deutschland. Der gemeinsame Aufenthalt im Bundesgebiet war lediglich durch einen vorübergehenden Wegzug der Ehefrau von März 2014 bis August 2015 unterbrochen. Den unionsrechtlichen Vorgaben ist nicht zu entnehmen, dass eine derartige Unterbrechung des gemeinsamen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat anspruchsschädlich ist. 18 4.3 Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Scheidung setzt - wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU (""... behalten [...] ein Aufenthaltsrecht ..."") und des Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG (""... führt [...] nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts"") ergibt - aber außerdem das Bestehen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts im Zeitpunkt der Scheidung voraus. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht mit einer Begründung verneint, die nicht mit Unionsrecht zu vereinbaren ist. Der Kläger war nach Trennung von seiner Ehefrau bis zur Scheidung weiterhin Ehegatte einer Unionsbürgerin (a), die er nach deren erneuter Aufenthaltnahme in Deutschland - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG begleitete (b). Damit hängt ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Scheidung allein von der vom Berufungsgericht offengelassenen Frage ab, ob die Ehefrau des Klägers bei Scheidung der Ehe in Deutschland freizügigkeitsberechtigt war. 19 a) Der Kläger war bis zur Rechtskraft der Scheidung ""Ehegatte"" einer Unionsbürgerin. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann bei der Einstufung eines Ehegatten als Familienangehöriger eines Unionsbürgers das eheliche Band nicht als aufgelöst angesehen werden, solange dies nicht durch eine zuständige Stelle ausgesprochen worden ist, was bei Ehegatten, die lediglich voneinander getrennt leben, nicht der Fall ist, selbst wenn sie die Absicht haben, sich später scheiden zu lassen (EuGH, Urteil vom 8. November 2012 - C-40/11 - Rn. 58 f.). 20 b) Der Kläger erfüllte bei Scheidung auch das Tatbestandsmerkmal des ""Begleitens"". Hierbei handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der sich (u.a.) in Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG findet und in Anbetracht des Kontextes und der Ziele der Richtlinie 2004/38/EG nicht eng ausgelegt und keineswegs seiner praktischen Wirksamkeit beraubt werden darf (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - C-127/08 [ECLI:​EU:​C:​2008:​449], Metock u.a. - Rn. 84). 21 aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Ehegatte eines Unionsbürgers nicht notwendigerweise ständig bei dem Unionsbürger wohnen, um Inhaber eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zu sein (EuGH, Urteil vom 8. November 2012 - C-40/11 - Rn. 58 f.). Die Voraussetzung, dass er den Unionsbürger ""begleiten"" oder ihm ""nachziehen"" muss, ist so zu verstehen, dass sie nicht auf die Verpflichtung der Eheleute abstellt, unter demselben Dach zusammenzuwohnen, sondern auf diejenige, dass beide in demselben Mitgliedstaat bleiben, in dem der Ehegatte, der Unionsbürger ist, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht. Folglich kann sich der drittstaatsangehörige Ehegatte eines Unionsbürgers auf das in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehene Aufenthaltsrecht nur in dem Aufnahmemitgliedstaat berufen, in dem der Unionsbürger wohnt (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​476], Singh - Rn. 54 f. m.w.N.). Aufnahmemitgliedstaat ist nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 2004/38/EG der Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben. Auch in einer Entscheidung zum Daueraufenthaltsrecht, das bei Familienangehörigen nach Art. 16 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG voraussetzt, dass diese sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen ""mit"" dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, geht der EuGH davon aus, dass ein Ehegatte mit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht die Eigenschaft als Ehegatte eines Unionsbürgers, der diesen begleitet oder ihm in den Aufnahmemitgliedstaat nachzieht, verliert (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-244/13 [ECLI:​EU:​C:​ 2014:​2068], Ogieriakhi - Rn. 36 ff.). In der Rechtsprechung des EuGH ist weiter geklärt, dass es für den Begriff des ""Begleitens"" auch nicht darauf ankommt, in welcher Reihenfolge der Unionsbürger und sein Ehegatte im Aufnahmemitgliedstaat Aufenthalt genommen haben. Vielmehr umfasst der Begriff sowohl Familienangehörige eines Unionsbürgers, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass danach zu unterscheiden ist, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind oder bevor oder nachdem sie Angehörige seiner Familie wurden (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - C-127/08 - Rn. 93). Verlässt ein Unionsbürger den Aufnahmemitgliedstaat und lässt er sich in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland nieder, entfällt damit aber automatisch das abgeleitete Recht seines drittstaatsangehörigen Ehegatten auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14 - Rn. 58). Wird die Ehe nach einem Wegzug geschieden, kann der drittstaatsangehörige Ehegatte bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen allerdings ein (eigenständiges) Aufenthaltsrecht nach Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG erlangen, wenn der Mitgliedstaat, in dem er sich aufhält, bei Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens für den Unionsbürger Aufnahmemitgliedstaat im Sinne von Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 2004/38/EG ist (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14 - Rn. 58 ff.). 22 bb) In Anwendung dieser vom EuGH entwickelten Grundsätze zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG hat der Kläger Ende 2012 mit der gemeinsamen Einreise der Eheleute zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht erworben. Dieses ist nicht schon durch die spätere Trennung der Eheleute, wohl aber - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - im März 2014 mit dem Wegzug der Ehefrau erloschen. Denn damit war Deutschland für die Ehefrau des Klägers als Unionsbürgerin nicht mehr Aufnahmemitgliedstaat im Sinne des Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 2004/38/EG. Bei Wegzug der Ehefrau war noch kein Scheidungsverfahren eingeleitet, sodass das Aufenthaltsrecht des Klägers seinerzeit auch nicht über § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG als eigenständiges Aufenthaltsrecht fortbestehen konnte. Für die gegenteilige Auffassung der Revision findet sich weder in der Richtlinie 2004/38/EG noch in der Rechtsprechung des EuGH ein Ansatz. Etwaige Härten für drittstaatsangehörige Ehegatten, die nach einer Trennung nicht sofort zur Sicherung ihres Aufenthaltsrechts ein Scheidungsverfahren einleiten, werden durch die Möglichkeit eines eigenständigen (nationalen) Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG abgemildert, dessen Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen und das hier auch nicht streitgegenständlich ist. 23 Nicht im Einklang mit dem Unionsrecht steht indes die Auffassung des Berufungsgerichts, dass im August 2015 mit der Rückkehr der Ehefrau - selbst bei deren unterstellter Freizügigkeitsberechtigung - ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des Klägers schon deshalb nicht neu entstehen konnte, weil es an der Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft fehlte. Nach der vorstehend dargelegten Rechtsprechung des EuGH hängt das abgeleitete Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nicht vom Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Vielmehr genügt nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein gleichzeitiger Aufenthalt der Eheleute im Aufnahmemitgliedstaat. Entsprechend ist der - aus dem Unionsrecht in das nationale Recht übernommene - Begriff des ""Begleitens oder Nachziehens"" auszulegen. Dem (erneuten) Entstehen eines akzessorischen Aufenthaltsrechts steht auch nicht entgegen, dass der Kläger Deutschland nicht verlassen hatte und damit im Zeitpunkt der Wiedereinreise seiner Ehefrau bereits hier lebte, da es nach der Rechtsprechung des EuGH für das abgeleitete Aufenthaltsrecht nicht darauf ankommt, in welcher Reihenfolge der Unionsbürger und seine Familienangehörigen ihren Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nehmen. 24 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass nach § 2 Abs. 7 Satz 2 FreizügG/EU bei einem Familienangehörigen das Nichtbestehen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU (u.a.) festgestellt werden kann, wenn feststeht, dass er dem Unionsbürger nicht zur Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nachzieht oder ihn nicht zu diesem Zweck begleitet. Diese Vorschrift wurde durch das Änderungsgesetz vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 86) in das Freizügigkeitsgesetz/EU eingefügt und dient der Umsetzung des Art. 35 Richtlinie 2004/38/EG (BT-Drs. 17/10746 S. 9). Art. 35 Richtlinie 2004/38/EG ermächtigt die Mitgliedstaaten aber (nur) zu Maßnahmen bei Rechtsmissbrauch oder Betrug (wie z.B. durch Eingehen von Scheinehen). Hierdurch erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen zum Vorgehen gegen Bindungen, die lediglich zum Zweck der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen wurden (vgl. Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2004/38/EG). Die Mitgliedstaaten sind hingegen nicht berechtigt, dem unionsrechtlichen Begriff des ""Begleitens oder Nachziehens"" weitere Tatbestandsvoraussetzungen hinzuzufügen, ohne dass im vorliegenden Verfahren abschließend der Frage nachgegangen werden muss, inwieweit § 2 Abs. 7 Satz 2 FreizügG/EU vor diesem Hintergrund einer (einschränkenden) unionsrechtskonformen Auslegung bedarf. Auch den Hinweisen der Europäischen Kommission in ihrer Hilfestellung zur Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG vom 2. Juli 2009 (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten - vom 2. Juli 2009 KOM <2009> 313 endg.) ist nicht zu entnehmen, dass jenseits der Grenze des Rechtsmissbrauchs oder des Betrugs die Möglichkeit besteht, bei Ehegatten von Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht allein mit der Begründung zu verneinen, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr besteht. In diesem Zusammenhang wird das lange Bestehen eines gemeinsamen Wohnsitzes/Haushalts nur als Anhaltspunkt für das Nichtvorliegen eines Rechtsmissbrauchs angeführt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Familienangehörige aus Drittstaaten nicht verpflichtet sind, im Haushalt des EU-Bürgers zu leben, um das Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen zu können (S. 17). Damit unterscheidet sich das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers von den nationalen Familiennachzugsregeln, nach denen Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen (nur) zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt werden (§ 27 Abs. 1 AufenthG; s.a. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2013 - 1 B 25.12 - Buchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 7 Rn. 4 zum danach geforderten Maß an Verbundenheit). 25 5. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Soweit der Senat bislang davon ausgegangen ist, dass das in § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG aufgestellte Erfordernis des Begleitens oder Nachziehens eine im Sinne des Ehe- und Familienschutzes schutzwürdige tatsächliche Beziehung impliziere (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 23 unter Hinweis auf Nr. 3.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26. Oktober 2009 für den Nachzug zu einem freizügigkeitsberechtigten Abkömmling), gilt dies nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls nicht für das abgeleitete Aufenthaltsrecht eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. 26 Knüpft das Unionsrecht ein Aufenthaltsrecht in diesen Fällen nur an das rechtliche Band der Ehe und den gleichzeitigen Aufenthalt beider Ehegatten im Aufnahmemitgliedstaat an, kann dem Betroffenen die Berufung auf dieses Recht bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder Betrugs - einschließlich der Eingehung von Scheinehen - nicht verwehrt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor. Aus den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich keine Hinweise für ein rechtsmissbräuchliches oder betrügerisches Verhalten des Klägers, der vor der Trennung über einen längeren Zeitraum mit seiner Ehefrau zusammengelebt hat. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine Scheinehe. Jenseits dieser unionsrechtlichen (Missbrauchs-)Grenze haben die Mitgliedstaaten keine Befugnis zur Beschränkung der sich aus der Richtlinie 2004/38/EG ergebenden Aufenthaltsrechte. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Unionsbürger - wie hier - nach Trennung von seinem drittstaatsangehörigen Ehegatten und einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aufnahmemitgliedstaats wieder dorthin zurückkehrt. 27 6. Der Senat kann aber auch nicht zugunsten des Klägers abschließend über das Bestehen eines eigenständigen Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU entscheiden, da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, ob die Ehefrau des Klägers bei Scheidung der Ehe freizügigkeitsberechtigt war. Den Akten ist lediglich zu entnehmen, dass sie 2012 zum Zwecke der Erwerbstätigkeit nach Deutschland gekommen ist und nach einem vorübergehenden Wegzug inzwischen wieder im Bundesgebiet lebt. Ob sie nach ihrer Wiedereinreise (weiterhin) eine der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU für eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung erfüllte und dies auch noch im Zeitpunkt der Scheidung im Juni 2016 der Fall war, ist nicht festgestellt. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). 28 7. Gründe, den EuGH nach Art. 267 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung von 2008 (ABl. C 115 S. 47) - AEUV - anzurufen, bestehen nicht. Eine Vorlagepflicht scheidet schon deshalb aus, weil der Senat nach den vorstehenden Ausführungen mangels tatrichterlicher Feststellungen zur Freizügigkeitsberechtigung der Ehefrau des Klägers bei Scheidung nicht abschließend entscheiden kann. Zudem fehlt es an einer unionsrechtlichen Zweifelsfrage. 29 Der EuGH musste über den hier vorliegenden Fall eines nach Trennung nur vorübergehend aus dem Aufnahmemitgliedstaat wegziehenden Unionsbürgers noch nicht entscheiden. Dass - entgegen der Auffassung der Revision - allein der Wegzug des Unionsbürgers nicht dazu führt, dass der verbleibende drittstaatsangehörige Ehegatte ein eigenständiges unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwirbt, ergibt sich zweifelsfrei aus der - insoweit abschließend formulierten - Richtlinie 2004/38/EG (acte clair). Dass in dieser Konstellation aber - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - mit der Rückkehr des Unionsbürgers das abgeleitete Aufenthaltsrecht des im Aufnahmemitgliedstaat verbliebenen Ehegatten trotz fortbestehenden Getrenntlebens neu entstehen und bei einer späteren Scheidung in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht übergehen kann, ergibt sich aus den vom EuGH entwickelten und vorstehend dargelegten Grundsätzen zum Freizügigkeitsrecht drittstaatsangehöriger Ehegatten (acte éclairé). Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie 2004/38/EG. Sie soll Unionsbürgern die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt erleichtern (vgl. Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2004/38/EG) und erstreckt sich auf Familienangehörige, damit Unionsbürger dieses Recht unter objektiven Bedingungen in Freiheit und Würde ausüben können (vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2004/38/EG). Hiervon ausgehend liegt der Rechtsprechung des EuGH ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass bei Eheleuten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bis zur Scheidung allein wegen der Möglichkeit einer Versöhnung eine hinreichende familiäre Nähebeziehung (fort-)besteht und damit auch in dieser Situation die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts für den drittstaatsangehörigen Ehepartner (abstrakt) geeignet ist, den Unionsbürger davon abzuhalten, von seinem Recht auf Einreise und Aufenthalt Gebrauch zu machen. 30 8. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-25,28.03.2019,"Pressemitteilung Nr. 25/2019 vom 28.03.2019 EN Einkünftegrenze für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen von Ehegatten und Lebenspartnern in Baden-Württemberg ist unwirksam Die Regelung im Beihilferecht des Landes Baden-Württemberg, die Beihilfen an einen Beamten zu den krankheitsbedingten Aufwendungen seines Ehegatten oder Lebenspartners für den Fall ausschließt, dass deren Einkünfte einen bestimmten Betrag übersteigen, ist unwirksam. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Beihilfeverordnung Baden-Württemberg (BVO BW) bestimmte in ihrer bis Ende 2012 maßgeblichen Fassung, dass krankheitsbedingte Aufwendungen, die für den Ehegatten oder Lebenspartner des Beihilfeberechtigten entstanden sind, nicht beihilfefähig sind, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten oder des Lebenspartners in den beiden Kalenderjahren vor der Stellung des Beihilfeantrags jeweils 18 000 € überstieg. Das Haushaltsbegleitgesetz 2013/14 änderte mit Wirkung zum 1. Januar 2013 u.a. die Beihilfeverordnung und senkte die Einkünftegrenze für gesetzlich krankenversicherte Ehegatten oder Lebenspartner auf 10 000 € ab (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW). Der Kläger, ein Ruhestandsbeamter, begehrte vom beklagten Land Beihilfeleistungen für Aufwendungen, die seiner Ehefrau entstanden sind, deren gesetzliche Krankenversicherung insoweit keine Leistungen erbracht hat. Der jährliche Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehefrau des Klägers betrug im maßgeblichen Zeitraum zwischen 10 000 und 11 000 €. Der nach Ablehnung des Beihilfeantrages erhobenen Klage hat der Verwaltungsgerichtshof überwiegend stattgegeben, weil die Absenkung der Einkünftegrenze nicht ausreichend begründet und diese für die Annahme wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu niedrig festgesetzt sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aus anderen Gründen bestätigt. § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW ist unwirksam, weil der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes im Beihilfebereich nicht gewahrt ist. Danach muss der parlamentarische Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Ihm obliegt demnach auch die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene krankheitsbedingte Aufwendungen für Ehegatten oder Lebenspartner des beihilfeberechtigten Beamten von der Beihilfefähigkeit im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Ehegatten oder Lebenspartners ausgenommen werden. Deshalb ist ein Ausschluss von der Beihilfefähigkeit durch Rechtsverordnung - wie hier - nur wirksam, wenn der parlamentarische Gesetzgeber in einer Verordnungsermächtigung erkennbar und hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine solche Regelung für zulässig erachtet. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsverordnung ändert. An einer solchen Verordnungsermächtigung fehlt es hier. Dem als Ermächtigung allein in Betracht kommenden § 78 Abs. 2 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Verwaltung befugt ist, die hier in Rede stehende Bestimmung zu erlassen. BVerwG 5 C 4.18 - Urteil vom 28. März 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 2 S 1289/16 - Urteil vom 14. Dezember 2017 - VG Stuttgart, 12 K 1564/14 - Urteil vom 30. Mai 2016 -","Urteil vom 28.03.2019 - BVerwG 5 C 4.18ECLI:DE:BVerwG:2019:280319U5C4.18.0 EN § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes und ist unwirksam Leitsatz: § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW, wonach Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen nicht beihilfefähig sind, die dem wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartner des Beihilfeberechtigten entstanden sind, verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes und ist unwirksam. Rechtsquellen GG Art. 33 Abs. 5 EStG § 2 Abs. 3 LBG BW § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4, Satz 4 LBG BW 1986 § 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 BVO BW § 5 Abs. 4 Nr. 4, § 14 Abs. 1 Satz 1 BhV § 5 Abs. 4 Nr. 3 Instanzenzug VG Stuttgart - 30.05.2016 - AZ: VG 12 K 1564/14 VGH Mannheim - 14.12.2017 - AZ: VGH 2 S 1289/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.03.2019 - 5 C 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280319U5C4.18.0] Urteil BVerwG 5 C 4.18 VG Stuttgart - 30.05.2016 - AZ: VG 12 K 1564/14 VGH Mannheim - 14.12.2017 - AZ: VGH 2 S 1289/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 28. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger, ein Ruhestandsbeamter, begehrt die Bewilligung von Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen, die seiner Ehefrau, einer Rentnerin, im Zeitraum Mai bis Dezember 2013 entstanden sind. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehefrau des Klägers nach § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes betrug in den beiden Jahren vor Stellung des Beihilfeantrags jeweils zwischen 10 000 und 11 000 €. 2 Der Beklagte lehnte den Beihilfeantrag des Klägers unter Hinweis darauf ab, dass die insoweit maßgeblichen Einkünfte seiner Ehefrau die in der Beihilfeverordnung für die Gewährung einer Beihilfe festgelegte Einkunftsgrenze überschritten. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. 3 Das Berufungsgericht hat, nachdem die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers mitgeteilt hatte, sie habe zu den Aufwendungen keine Kosten erstattet und halte eine Kostenübernahme auch für gesetzlich ausgeschlossen, das erstinstanzliche Urteil und die Bescheide des Beklagten überwiegend aufgehoben und diesen entsprechend zur Bewilligung der Beihilfe verpflichtet. Zwar bestünde für die in der Beihilfeverordnung enthaltene Regelung, dass dem Ehegatten oder Lebenspartner des Beihilfeberechtigten entstandene krankheitsbedingte Aufwendungen nicht beihilfefähig seien, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten oder Lebenspartners in den beiden Kalenderjahren vor Stellung des Beihilfeantrags jeweils 10 000 € überstiegen habe, eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die durch das Haushaltsbegleitgesetz 2013/2014 vorgenommene Absenkung der Einkunftsgrenze von 18 000 auf 10 000 € sei jedoch durch den parlamentarischen Gesetzgeber nicht ausreichend begründet worden. Außerdem sei die Grenze von 10 000 € jährlich für die Annahme wirtschaftlicher Unabhängigkeit des Ehegatten oder Lebenspartners des Beihilfeberechtigten zu niedrig festgesetzt worden. 4 Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht geltend, dass die vom Berufungsgericht aus dem Besoldungsrecht übernommene Begründungspflicht im Beihilferecht nicht bestehe und allein ein Verstoß gegen eine etwaige Begründungspflicht nicht die Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung in der Beihilfeverordnung begründe. Der Betrag von 10 000 € sei ausreichend für die Annahme einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit des berücksichtigungsfähigen Angehörigen. 5 Der Kläger tritt der Revision entgegen. II 6 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit der Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend angenommen hat, § 78 des Landesbeamtengesetzes (LBG BW) vom 9. November 2010 (GBl. S. 793) in der Fassung von Art. 12 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 vom 18. Dezember 2012 (GBl. S. 677) genüge dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erweist sich aber wegen des Verstoßes gegen diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf weitere Beihilfe in Höhe des vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannten Betrages zu. 7 Zwischen den Beteiligten ist - wie mit ihnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - zu Recht allein streitig, ob die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Ehefrau des Klägers nach § 5 Abs. 4 Nr. 4 der Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO BW) vom 28. Juli 1995 (GBl. S. 561) in der Fassung von Art. 9 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 vom 18. Dezember 2012 (GBl. S. 677) wirksam ausgeschlossen ist. Danach sind - soweit hier von Interesse - die in §§ 6 bis 10 BVO BW genannten Aufwendungen nicht beihilfefähig, die für den Ehegatten des Beihilfeberechtigten oder dessen Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz entstanden sind, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) des Ehegatten oder des Lebenspartners in den beiden Kalenderjahren vor der Stellung des Beihilfeantrags jeweils 10 000 € übersteigt. Der Leistungsausschluss unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes (1). Er findet - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - in § 78 LBG BW keine diesem Vorbehalt gerecht werdende Rechtsgrundlage und ist daher unwirksam (2). 8 1. Die grundlegende Entscheidung über den Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für berücksichtigungsfähige Ehegatten oder Lebenspartner des Beihilfeberechtigten im Hinblick auf deren Einkommensverhältnisse ist dem Gesetzgeber vorbehalten. 9 Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist, gilt auch für das Beihilferecht (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 5 C 17.16 - BVerwGE 161, 105 Rn. 15 m.w.N.). Die Verantwortung des Dienstherrn bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten und seiner Angehörigen bedarf wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfe für die Betroffenen und für die Wahrung eines verfassungsgemäßen Alimentationsniveaus der normativen Ordnung. Der parlamentarische Landesgesetzgeber muss die tragenden Strukturprinzipien und wesentlichen Einschränkungen des Beihilfesystems festlegen. Andernfalls könnte der für Besoldung und Versorgung bestehende Gesetzesvorbehalt aus Art. 33 Abs. 5 GG zunehmend ausgehöhlt werden und die Exekutive das durch Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen oder Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts gehören insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 13; Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 13). Die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Unterstützung in Form von Beihilfen gänzlich zu versagen ist, ist grundsätzlicher Natur und daher vom parlamentarischen Landesgesetzgeber selbst zu treffen (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 14). Demnach obliegt ihm auch die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene krankheitsbedingte Aufwendungen für Ehegatten oder Lebenspartner des beihilfeberechtigten Beamten von der Beihilfefähigkeit im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Ehegatten oder Lebenspartners ausgenommen werden (vgl. zur Möglichkeit der Berücksichtigung dieser Einkommensverhältnisse BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1976 - 6 C 187.73 - BVerwGE 51, 193 <198 ff.>). 10 Diesen Anforderungen wird nicht allein dadurch genügt, dass der parlamentarische Gesetzgeber - wie hier - selbst, d.h. durch formelles Gesetz, die entsprechende Rechtsverordnung erlässt oder ändert. Das dadurch entstandene Normgebilde ist aus Gründen der Normenklarheit insgesamt als Verordnung zu qualifizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2005 - 2 BvL 11/02 - BVerfGE 114, 303 <311>; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 2 C 31.15 - BVerwGE 157, 54 Rn. 14, jeweils m.w.N.). In einem solchen Fall müssen zunächst die übrigen für den Erlass von Verordnungsrecht durch den parlamentarischen Gesetzgeber maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sein. Zudem muss das ermächtigende Landesgesetz - wie auch im Falle einer Verordnungsermächtigung an die zuständigen Fachministerien - eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthalten, die den betreffenden Leistungsausschluss inhaltlich deckt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <238 f.>; BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 15). 11 2. Die als Ermächtigung allein in Betracht kommende Vorschrift des § 78 LBG BW stellt keine hinreichende gesetzliche Ermächtigung für die in § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW enthaltene Regelung dar. Sie gestattet dem Verordnungsgeber weder ausdrücklich, die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Abhängigkeit von den Einkommensverhältnissen des Ehegatten oder Lebenspartners des Beihilfeberechtigten auszuschließen, noch lässt sich ihr mit der gebotenen Deutlichkeit im Wege der Auslegung eine entsprechende Befugnis entnehmen. 12 Die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Vorschrift des § 78 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 LBG BW kommt nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. Danach regelt das zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung, welche Personen beihilfeberechtigt und welche Personen berücksichtigungsfähig sind. Ihrem eindeutigen Wortlaut nach befasst sich die Vorschrift mit der Festlegung des beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Personenkreises. Sie autorisiert den Verordnungsgeber also zur Regelung des persönlichen Anwendungsbereiches der Beihilfeverordnung. § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW berührt hingegen ausschließlich deren sachlichen Anwendungsbereich. Denn die Vorschrift verhält sich nicht zu dem beihilfeberechtigten oder berücksichtigungsfähigen Personenkreis, sondern schließt die Beihilfefähigkeit der einem wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartner des Beihilfeberechtigten entstandenen Aufwendungen im Sinne der §§ 6 bis 10 BVO BW aus. Der Umstand, dass sich dieser Beihilfeausschluss nicht auf die aus Anlass von Geburts- oder Todesfällen einem wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartner entstandenen Aufwendungen (§§ 11, 12 BVO BW) erstreckt, belegt, dass auch diese als solche zu den berücksichtigungsfähigen Personen gehören. 13 § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG BW bietet ebenfalls keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Zwar lässt sich die in Rede stehende Ausschlussregelung thematisch der Ermächtigungsnorm zuordnen, welche die sachliche Beihilfefähigkeit zum Gegenstand hat. Die Vorschrift berechtigt das zuständige Ministerium zu bestimmen, welche Aufwendungen beihilfefähig sind, und davon abzusehen, kleinere gesetzliche Kostenanteile sowie Kosten des Besuchs vorschulischer oder schulischer Einrichtungen und von berufsfördernden Maßnahmen einzubeziehen. § 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG BW enthält seinem Wortlaut nach aber keine Aussage zu dem in § 5 Abs. 4 Nr. 4 BVO BW im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Ehegatten oder Lebenspartners eines Beihilfeberechtigten geregelten Leistungsausschluss. 14 Auch aus dem systematischen Zusammenhang zu § 78 Abs. 2 Satz 4 LBG BW ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber dem zuständigen Ministerium ermöglicht hätte, die Gewährung von Beihilfen für Aufwendungen auszuschließen, die wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartnern entstanden sind. § 78 Abs. 2 Satz 4 LBG BW ordnet an, dass in der Regel die zumutbare Eigenvorsorge bei den nach der Höhe ihrer Einkünfte wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten oder Lebenspartnern - der im vorliegenden Kontext allein interessierenden Personengruppe - 50 Prozent der notwendigen und angemessenen Aufwendungen umfasst. Die Vorschrift regelt mit der Anknüpfung an die zumutbare Eigenvorsorge die Höhe des Bemessungssatzes und betrifft damit ausschließlich die Rechtsfolgenseite der Beihilfegewährung. Dies bestätigt § 78 Abs. 2 Satz  2 Nr. 4 LBG BW. Danach soll die Rechtsverordnung bestimmen, ""wie die Beihilfe nach Maßgabe der Sätze 3 bis 6 zu bemessen ist"". Die Bemessung von Beihilfe setzt aber gedanklich voraus, dass ein zur Beihilfegewährung führender Tatbestand erfüllt ist, ein Anspruch auf Beihilfegewährung in bestimmter, sich nach Maßgabe etwaiger Höchstbeträge sowie des jeweils anzuwendenden Bemessungssatzes ergebender Höhe besteht und deshalb eine Beihilfe in dieser Höhe festzusetzen ist. Entsprechend formuliert § 14 Abs. 1 Satz 1 BVO BW, dass sich die Beihilfe nach einem Vomhundertsatz der beihilfefähigen Aufwendungen bemisst. Abgesehen davon, dass von der Rechtsfolge einer Norm nicht auf den Inhalt ihres Tatbestandes geschlossen werden kann, ist ein Bemessungssatz von null Prozent keine Bemessung von Beihilfe, sondern der Sache nach ein vollständiger Beihilfeausschluss, den § 78 Abs. 2 Satz 4 LBG BW nach seinem Wortlaut nicht umfasst. Aus dieser Regelung kann im Umkehrschluss in Bezug auf die in ihr nicht erwähnten wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten und Lebenspartner nur geschlossen werden, dass bei ihnen das Maß der zumutbaren Eigenvorsorge jedenfalls nicht niedriger sein darf. Demzufolge darf der Bemessungssatz für die ihnen entstandenen Aufwendungen 50 Prozent nicht übersteigen, sondern muss eher darunter liegen. Dafür, dass der Bemessungssatz in diesen Fällen auch null Prozent betragen könnte und die Beihilfegewährung ausgeschlossen werden können sollte, gibt es keine Anhaltspunkte im Gesetz. 15 Für dieses Verständnis spricht auch die Gesetzeshistorie des § 78 Abs. 2 Satz 4 LBG BW. Die Vorschrift entspricht der Regelung des § 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 LBG BW in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Landesbesoldungsgesetzes vom 3. Februar 1986 (GBl. S. 21). Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs sollte mit diesem Gesetz das baden-württembergische Beihilfenrecht ""in seinen Grundzügen"" an das seit Oktober 1985 geltende Beihilfenrecht des Bundes angepasst werden (LT-Drs. 9/2434 S. 7 f.). Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften des Bundes - BhV) vom 19. April 1985 (GMBl S. 290) bestimmte in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV, dass nicht beihilfefähig sind die krankheitsbedingten Aufwendungen, die für den Ehegatten des Beihilfeberechtigten entstanden sind, ""wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes) des Ehegatten im Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags 30 000 DM übersteigt"". Der Landesgesetzgeber gestaltete § 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz  3 LBG BW 1986 jedoch nicht in Anlehnung an diese bundesrechtliche Regelung und erklärte Aufwendungen wirtschaftlich unabhängiger Ehegatten nicht als nicht beihilfefähig. Stattdessen hielt er im Grundsatz an der sich aus dem bisherigen Beihilferecht des Landes ergebenden Regelung fest, dass das Einkommen des Ehegatten des Beihilfeberechtigten bei der Bemessung der Beihilfe berücksichtigt wird. § 12 der Verordnung des baden-württembergischen Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 24. August 1970 (GBl. S. 436) regelte die ""Bemessung der Beihilfen"", legte in Absatz 1 den Bemessungssatz für den Beihilfeberechtigten und seinen Ehegatten abhängig von der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder zwischen 55 und 70 Prozent fest und bestimmte in Absatz 3, dass hiervon abweichend der Bemessungssatz für Ehegatten nur zehn Prozent betrage, wenn dessen Einkünfte im Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags oder im Jahr der Rechnungsstellung 21 000 DM übersteige. Der Gesetzgeber des § 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 LBG BW 1986 fand also einen Bemessungssatz von zehn Prozent für den wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten vor. Allein der Umstand, dass er in der gesetzlichen Regelung seine Perspektive dergestalt wechselte, als er nunmehr den Umfang der Eigenvorsorge für den nach der Höhe seiner Einkünfte wirtschaftlich nicht unabhängigen Ehegatten regelte, gibt keinen Anlass für die Annahme, der Verordnungsgeber sei befugt, den Bemessungssatz für den wirtschaftlich unabhängigen Ehegatten auf null Prozent festzusetzen. 16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-26,29.03.2019,"Pressemitteilung Nr. 26/2019 vom 29.03.2019 EN Bremer Polizeigebühr für Hochrisiko-Veranstaltungen im Prinzip rechtmäßig Für den besonderen Polizeiaufwand aus Anlass einer kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltung darf grundsätzlich eine Gebühr erhoben werden. So entschied heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nach § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes wird von Veranstaltern einer gewinnorientierten Großveranstaltung unter bestimmten Umständen eine Gebühr erhoben. Vorausgesetzt werden erfahrungsgemäß zu erwartende Gewalthandlungen im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung, die den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte vorhersehbar erforderlich machen. Die Gebühr ist anhand näherer Maßgaben nach dem polizeilichen Mehraufwand zu berechnen. Als Gebührenschuldnerin wurde hier die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL GmbH) in Anspruch genommen. Sie führt als Tochtergesellschaft das operative Geschäft des DFL e.V., in dem die lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundesliga und der 2. Bundesliga zusammengeschlossen sind. Mit der Klage wendet sich die DFL GmbH gegen einen Gebührenbescheid der Freien Hansestadt Bremen über ca. 425 000 €. Die Forderung betrifft einen mit erheblichen zusätzlichen Kräften geleisteten Polizeieinsatz anlässlich einer Begegnung der Fußball-Bundesliga am 19. April 2015 im Bremer Weser-Stadion zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Die Klägerin war rund drei Wochen vor dem Spiel darauf hingewiesen worden, dass am Spieltag nach den polizeilichen Lageerkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu rechnen sei. Das Verwaltungsgericht Bremen gab der Klage statt, weil der Gebührentatbestand zu unbestimmt sei. Dagegen hielt das Oberverwaltungsgericht die Regelung für verfassungsgemäß und wies auf dieser Grundlage die Klage gegen den Gebührenbescheid ab. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte jetzt im Wesentlichen den Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts. Bei der Einführung einer Gebühr muss der Gesetzgeber stets berücksichtigen, dass der Gebührenpflichtige zugleich auch Steuerzahler ist. Eine Gebühr bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Diese liegt hier darin, dass die Polizei einen erheblichen Mehraufwand gerade aus Anlass einer kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltung betreiben muss. Dieser zusätzliche Aufwand darf dem Veranstalter zugerechnet werden. Denn dieser ist für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung auf die zusätzliche Polizeipräsenz angewiesen. Der Veranstalter wird nicht etwa als Veranlasser einer Störung der öffentlichen Sicherheit in Anspruch genommen, sondern vielmehr als Nutznießer einer besonders aufwendigen polizeilichen Sicherheitsvorsorge. Unsicherheiten, die wegen der auslegungsbedürftigen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes und insbesondere im Hinblick auf die Höhe des polizeilichen Mehraufwandes und damit der Gebühr bestehen, erreichen kein unzumutbares Ausmaß. Das gilt v.a. deshalb, weil das Gesetz an „erfahrungsgemäß“ zu erwartende Gewalthandlungen anknüpft. Für den Fußball verfügen sowohl die Polizei als auch die Veranstalter über einschlägige Erfahrungen. Soweit es in anderen Bereichen noch keine ausreichenden Erfahrungen gibt, darf nach dem Gesetz auch keine Gebühr erhoben werden. Außerdem hat der Gebührenschuldner Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Polizei muss also den von ihr betriebenen Aufwand nachträglich rechtfertigen. Die Gebühr ist auch nicht unverhältnismäßig, obwohl sie eine beträchtliche Höhe erreichen kann. Der Gesetzgeber knüpft ausschließlich an gewinnorientierte Veranstaltungen an. Damit steht die Gebühr regelmäßig in einer angemessenen Relation zu dem wirtschaftlichen Ergebnis, das der Veranstalter - auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes - erzielen kann. Die Beklagte durfte statt des Heimvereins Werder Bremen die DFL GmbH auf Zahlung der Gebühr in Anspruch nehmen. Aufgrund der Zusammenarbeit beider Akteure im Rahmen des Wettbewerbs Bundesliga ist die DFL GmbH als Mitveranstalter des betreffenden Fußballspiels anzusehen. Den internen Ausgleich durfte die Beklagte den Beteiligten überlassen. Weiteren Klärungsbedarf gibt es aber noch bei der Frage, ob und inwieweit bestimmte Kosten - insbesondere für die nicht unerhebliche Zahl polizeilicher Ingewahrsamnahmen anlässlich des fraglichen Fußballspiels - vorrangig gegenüber einzelnen Störern geltend zu machen waren. Dabei geht es um die Auslegung des Bremischen Landesrechts sowie um die Feststellung von Tatsachen. Da das Bundesverwaltungsgericht dazu nicht berufen ist, hat es das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Fußnote: § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG i.d.F. vom 4. November 2014 lautet: Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5 000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten. Die Gebühr kann nach den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet werden. BVerwG 9 C 4.18 - Urteil vom 29. März 2019 Vorinstanzen: OVG Bremen, 2 LC 139/17 - Urteil vom 21. Februar 2018 - VG Bremen, 2 K 119/16 - Urteil vom 17. Mai 2017 -","Urteil vom 29.03.2019 - BVerwG 9 C 4.18ECLI:DE:BVerwG:2019:290319U9C4.18.0 EN Gebührenpflicht eines Veranstalters für besonderen polizeilichen Aufwand bei Hochrisiko-Veranstaltung Leitsätze: 1. Die Erfüllung der vom Leistungsfähigkeitsprinzip determinierten Steuerschuld gewährt keinen Anspruch auf die unentgeltliche Inanspruchnahme besonders zurechenbarer staatlicher Leistungen. Wer zum Zwecke der Gewinnerzielung in besonderem Maße ein öffentliches Gut (hier die staatliche Sicherheitsvorsorge) in Anspruch nimmt, darf hierfür grundsätzlich mit einer Gebühr belegt werden. 2. Eine landesgesetzliche Regelung (hier § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG), die dem Veranstalter einer gewinnorientierten Großveranstaltung, die wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung vorhersehbar erforderlich macht, zur Deckung des Mehraufwandes eine Gebühr auferlegt, steht mit dem Steuerstaatsprinzip (Art. 104a ff. GG) grundsätzlich in Einklang. 3. Eine solche Gebühr, die den Veranstalter nicht als Störer der öffentlichen Sicherheit, sondern ausschließlich als Nutznießer der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch nimmt, steht in keinem Wertungswiderspruch zum Polizeirecht. Zur Vermeidung einer unzulässigen Überdeckung müssen aber ""Doppelabrechnungen"" gegenüber dem Veranstalter und dem Störer vermieden werden. 4. Mit Art. 12 Abs. 1 GG ist die Veranstaltergebühr vereinbar, wenn sie unter Berücksichtigung der Art der Veranstaltung regelmäßig in einer angemessenen Relation zu dem wirtschaftlichen Ergebnis steht, das der Veranstalter auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes erzielen kann. 5. Eines steuerfinanzierten Abschlages vom gebührenpflichtigen Aufwand bedarf es auch unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Gefahrenabwehr nicht, wenn der zusätzliche Sicherheitsaufwand ausschließlich aufgrund einer gewinnorientierten privaten Veranstaltung erforderlich wird. 6. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Norm bedarf es bei einer Gebühr mit dem unmittelbaren Zweck einer Kostendeckung nicht zwingend der tatbestandlichen Bestimmung eines Gebührensatzes. Hinreichende Bestimmtheit kann auch hergestellt werden, indem die Bemessungsfaktoren für die Kosten normiert werden. Rechtsquellen GG Art. 3, 12, 14, 19 Abs. 1 Satz 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 104a ff. BremGebBeitrG § 4 Abs. 4 Satz 1, § 13 Abs. 4 ZPO § 563 Abs. 4 Instanzenzug VG Bremen - 17.05.2017 - AZ: VG 2 K 119/16 OVG Bremen - 21.02.2018 - AZ: OVG 2 LC 139/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.03.2019 - 9 C 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290319U9C4.18.0] Urteil BVerwG 9 C 4.18 VG Bremen - 17.05.2017 - AZ: VG 2 K 119/16 OVG Bremen - 21.02.2018 - AZ: OVG 2 LC 139/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking am 29. März 2019 für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Februar 2018 wird aufgehoben, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt ist. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten für den Polizeieinsatz im Zusammenhang mit einem sogenannten Hochrisiko-Fußballspiel. 2 Die Klägerin wurde von dem Deutsche Fußball Liga e.V. (DFL e.V.) zur Durchführung seines operativen Geschäfts gegründet. Der DFL e.V. ist der Zusammenschluss der lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußball-Lizenzligen Bundesliga und 2. Bundesliga. Einziger Gesellschafter der Klägerin ist nach der Präambel der Satzung der Klägerin der DFL e.V.; dieser ist ordentliches Mitglied des Deutschen Fußball-Bund e.V. (DFB). Der Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL e.V. räumt dem DFL e.V. unter anderem das Recht ein, die vom DFB zur Nutzung überlassenen Vereinseinrichtungen - hierzu gehören u.a. die Bundesliga und 2. Bundesliga - zu betreiben, die Fußballspiele in den Lizenzligen nach den internationalen Fußballregeln auszutragen und die sich daraus ergebenden Vermarktungsrechte eigenverantwortlich und exklusiv wahrzunehmen bzw. zu verwerten (vgl. Präambel des Grundlagenvertrags, § 16a Nr. 2 der DFB-Satzung sowie § 4 Nr. 1 a der DFL-Satzung). 3 Mit Schreiben vom 24. März 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass am 8. November 2014 das Gesetz zur Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes in Kraft getreten sei. Nach dessen § 4 Abs. 4 werde nunmehr eine Gebühr von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführten, an der voraussichtlich mehr als 5 000 Personen zeitgleich teilnähmen, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich werde. Nach aktueller polizeilicher Lageeinschätzung sei davon auszugehen, dass die vorgenannten Voraussetzungen bei dem bevorstehenden Bundesligaspiel SV Werder Bremen gegen den Hamburger SV am 19. April 2015 im Bremer Weser-Stadion vorlägen. Es sei mit dem Einsatz von etwa 800 Polizeikräften und demzufolge mit einer Gebühr in Höhe von 250 000 € bis 300 000 € zu rechnen. Veränderungen des polizeilichen Kräfteeinsatzes auf Grund aktueller Lage- und Kräfteentwicklung blieben vorbehalten. 4 Nachdem das Spiel am 19. April 2015 stattgefunden hatte, hörte die Beklagte die Klägerin im Juni 2015 zum beabsichtigten Erlass eines Gebührenbescheides in Höhe von 425 718,11 € an. Dem Anhörungsschreiben waren zwei Anlagen beigefügt. Aus der Anlage I ergab sich der sogenannte Basiswert i.H.v. 76 811,65 €. Hierbei handelte es sich um den durchschnittlichen Aufwand für die Bereitstellung von Polizeikräften anlässlich von Fußball-Bundesligaspielen im Bremer Weserstadion der vergangenen drei Spielzeiten, bei denen die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Gebührenerhebung nicht vorlagen (sog. Grün- und Gelbspiele). In Anlage II war der Aufwand für die Bereitstellung der konkreten Polizeikräfte für das Fußballspiel am 19. April 2015 i.H.v. 502 529,76 € zusammengestellt. Danach waren 969 Polizeibeamte mit insgesamt 9 537 Einsatzstunden eingesetzt; davon entfielen 4 731 Einsatzstunden auf auswärtige Polizeikräfte. Aus der Differenz von konkreten Einsatzkosten und Basiswert ergab sich die vorgesehene Gebührenhöhe. 5 Unter dem 18. August 2015 erließ die Beklagte den angekündigten Gebührenbescheid. Die abweichende Höhe der festgesetzten Gebühr wurde mit Veränderungen des polizeilichen Kräfteansatzes aufgrund der aktuellen Lageentwicklung begründet. Die Gefahrenprognose sei auf das grundsätzlich von Abneigung und sogar Feindschaft geprägte Verhältnis der Fans beider Vereine, die erfahrungsgemäß hohe Anzahl von Gästefans und die schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen beider Fanlager in den zurückliegenden Spielzeiten gestützt. 6 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen den Gebührenbescheid Anfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht gab ihr statt, da es an einem der Höhe nach hinreichend bestimmten Gebührentatbestand fehle. 7 Gegen dieses Urteil legte die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörterten die Beteiligten u.a. die Erforderlichkeit der Kosten der auswärtigen Polizeikräfte. Verschiedene hierauf bezogene Beweisanträge nahm die Klägerin zurück, nachdem die Beklagte die Gebührenforderung zuvor auf 415 000 € reduziert hatte. Insoweit erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt und das Verfahren wurde im anschließenden Urteil eingestellt. Im Übrigen hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab (NVwZ 2018, 913). Gegen die Gebührenregelung bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche ergäben sich insbesondere weder aus dem der Finanzverfassung zugrunde liegenden Prinzip des Steuerstaates noch unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots. Der angefochtene Gebührenbescheid sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei (Mit-)Veranstalterin des Fußballspiels vom 19. April 2015 gewesen und habe als Gesamtschuldnerin in Anspruch genommen werden dürfen. 8 Die Klägerin hat gegen das Berufungsurteil fristgerecht die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: 9 Das Urteil beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht, weil es die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) verkenne. Es fehle sowohl an der für eine Gebührenerhebung notwendigen abgrenzbaren Verwaltungsleistung als auch an der für die individuelle Zurechenbarkeit notwendigen Sonderbeziehung zwischen dem Gebührenpflichtigen und der öffentlichen Hand. Das Urteil verkenne zudem die Grenzen des aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Bestimmtheitsgebots und verletze Art. 3, 12 und 14 GG; u.a. habe bei der Gebührenhöhe das Allgemeininteresse an der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften berücksichtigt werden müssen. Auch ungeachtet der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gebührentatbestandes sei der Gebührenbescheid jedenfalls rechtswidrig, weil die Verwaltungsleistung der Beklagten der Klägerin nicht individuell zuzurechnen sei. Das Oberverwaltungsgericht habe die Veranstaltereigenschaft der Klägerin in willkürlicher Weise bejaht. Zudem leide das Urteil an verschiedenen Verfahrensfehlern. 10 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 21. Februar 2018 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 17. Mai 2017 zurückzuweisen. 11 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. 13 Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung den Gebührenbescheid vom 18. August 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2016 und der Protokollerklärung vor dem Oberverwaltungsgericht vom 1. Februar 2018 in Höhe von (weiteren) 13 882,05 € aufgehoben. Zur Begründung hat sie sich auf eine Kostenberechnung vom 25. März 2019 gestützt. In dieser Höhe geht sie für die Ingewahrsamnahme von 91 Personen von einer möglichen Inrechnungstellung an die Störer aus (10 556 € für den Transport der in Gewahrsam genommenen Personen zzgl. 3 326,05 € für die Unterbringung im Polizeigewahrsam). Das insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärte Verfahren wurde mit Beschluss vom 26. März 2019 eingestellt. II 14 Die zulässige Revision ist begründet. 15 Zwar geht das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon aus, dass der angefochtene Gebührenbescheid auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht (1), deren tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind (2). Zutreffend nimmt es ferner an, dass die Klägerin, da sie (Mit-)Veranstalterin des Fußballspiels ist (3), als Gesamtschuldnerin herangezogen werden durfte (4). Das angefochtene Urteil verletzt aber Bundesrecht mit der Annahme, die Gebührenfestsetzung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, soweit es um solche Kosten geht, die nach Bremer Landesrecht konkreten Störern gegenüber geltend gemacht werden können (5). Da die Frage des Verhältnisses dieser Kostenregelung zu der Veranstaltergebühr nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG Landesrecht betrifft und dem Senat für eine abschließende Entscheidung noch Feststellungen zum Sachverhalt fehlen, wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO. 16 1. Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der auf § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes - BremGebBeitrG - vom 16. Juli 1979 (Brem.GBl. S. 279) i.V.m. Nr. 120.60 der Anlage zu § 1 der Kostenverordnung für die innere Verwaltung - InKostV - vom 20. August 2002 (Brem.GBl. S. 455) in der bei Beendigung der Amtshandlung am 19. April 2015 jeweils geltenden Fassung vom 4. November 2014 (Brem.GBl. S. 546 und 547) gestützte Gebührenbescheid auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht. Denn die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers besteht (a), es liegt kein Einzelfallgesetz vor (b), die Anforderungen der Art. 104a ff. GG (c), des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (d) und der Bestimmtheit sind gewahrt (e) und die Norm greift auch nicht in unzulässiger Weise in geschützte Grundrechtspositionen der Klägerin ein (f). 17 a) § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG hat folgenden Wortlaut: Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5 000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten. Die Gebühr kann nach den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet werden. 18 Insoweit steht dem Land Bremen die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung einer Polizeigebühr als Annexkompetenz zum Gefahrenabwehrrecht, das in die Zuständigkeit der Länder fällt, nach Art. 70 Abs. 1 GG zu. 19 b) Es liegt kein unzulässiges Einzelfallgesetz vor. Der Wortlaut des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ist abstrakt formuliert und knüpft allgemein an den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte bei bestimmten gewinnorientierten Großveranstaltungen an. Dass die Regelung derzeit offenbar nur die Veranstalter von sog. Hochrisiko-Spielen der Fußball-Bundesliga betrifft und dies auch im Gesetzgebungsverfahren im Vordergrund stand, ändert nichts an ihrem generellen Charakter. Die gesetzliche Regelung eines Einzelfalles ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt so beschaffen ist, dass es nur einen Fall dieser Art gibt und die Regelung dieses singulären Sachverhalts von sachlichen Gründen getragen wird; Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG will verhindern, dass der Gesetzgeber willkürlich aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herausgreift und zum Gegenstand einer Sonderregel macht (BVerfG, Urteil vom 10. März 1992 - 1 BvR 454/91 u.a. - BVerfGE 85, 360 <374> m.w.N.). Hiervon kann bei der vorliegenden Gebührenregelung keine Rede sein. 20 c) Die Gebührenregelung des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG verstößt nicht gegen die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung nach Art. 104a ff. GG. 21 Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben bedarf mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) und zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u.a. - BVerfGE 144, 369 Rn. 62 m.w.N.). Es gibt zwar keinen verfassungsrechtlich abschließend geprägten Gebührenbegriff. Bundesrechtliche Voraussetzung für die Erhebung einer Gebühr ist allerdings, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, ihm die Amtshandlung individuell zuzurechnen. In der individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Gebührenschuldners über Sonderlasten finanziert wird (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Mai 2008 - 1 BvR 645/08 - NJW 2008, 2770 Rn. 19 m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 25. August 1999 - 8 C 12.98 - BVerwGE 109, 272 <276>, vom 27. September 2017 - 6 C 32.16 - BVerwGE 160, 54 Rn. 19 und vom 16. November 2017 - 9 C 15.16 - BVerwGE 160, 334 Rn. 11). 22 Unter Beachtung dieser Kriterien verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. - BVerfGE 108, 1 <19>; BVerwG, Urteil vom 4. August 2010 - 9 C 6.09 - BVerwGE 137, 325 Rn. 17; allgemein Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 87 f., 150 ff.). 23 Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Gebühr nach § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG trotz der tatbestandlichen Anknüpfung an eine ""gewinnorientierte Veranstaltung"" um eine zulässige nichtsteuerliche Abgabe (aa), die insbesondere für eine abtrennbare staatliche Leistung erhoben wird (bb) und die dem Gebührenschuldner - dem Veranstalter - zuzurechnen ist (cc). 24 aa) Der Umstand, dass § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG an eine ""gewinnorientierte Veranstaltung"" anknüpft, steht der Annahme einer Gebühr nicht entgegen. 25 Die Klägerin ist der Auffassung, eine solche ""Gewinnorientierung"" sei Charakteristikum der Steuer, nicht der Gebühr. Der Gewinn als Kerntatbestand der Einkommen- und Gewerbesteuer sei durch die Steuern abschließend ausgeschöpft. Eine Gebühr auf eine Gewinnerwartung sei darum tatbestandlich ein Fehlgriff. Damit wird aber übersehen, dass die Erfüllung der vom Leistungsfähigkeitsprinzip determinierten Steuerschuld keinen Anspruch auf die unentgeltliche Inanspruchnahme besonders zurechenbarer staatlicher Leistungen gewährt. Wer zum Zwecke der Gewinnerzielung in besonderem Maße ein öffentliches Gut (hier die staatliche Sicherheitsvorsorge) in Anspruch nimmt, erhält einen Sondervorteil gegenüber demjenigen, der seinen wirtschaftlichen Erfolg ohne besondere staatliche Mitwirkung erreicht (vgl. Heise, NVwZ 2015, 262 <267>). 26 bb) Die öffentliche Leistung, an die eine Gebühr anknüpft, muss allerdings eine besondere Leistung sein, die sich von allgemeinen, steuerfinanzierten öffentlichen Leistungen klar abgrenzen lässt (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. August 1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 <177>; BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 - 9 C 15.16 - BVerwGE 160, 334 Rn. 11 m.w.N.). 27 Eine solche abgrenzbare besondere staatliche Leistung liegt hier vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird der Veranstalter nicht (anteilig) an den ""Kosten für die polizeiliche Gefahrenabwehrtätigkeit als solche"" beteiligt. Vielmehr wird die Gebühr für den Mehraufwand erhoben, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften aus Anlass einer konkreten Veranstaltung entsteht, für die auf der Grundlage tatsächlicher Erfahrungen besondere Sicherheitsrisiken prognostiziert werden. Es geht also weder um den allgemeinen Polizeiaufwand der Bremer Polizei noch geht es bei besonders riskanten Veranstaltungen um den polizeilichen Basisaufwand, der sich noch im Rahmen der durchschnittlichen Beanspruchung des staatlichen Sicherheitsapparats bei derartigen Veranstaltungen hält. Vielmehr geht es ausschließlich um einen darüber hinausgehenden, besonderen Aufwand, der aus Anlass einer bestimmten Hochrisiko-Veranstaltung, die zudem auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein muss, nach polizeilicher Lagebeurteilung notwendig wird. 28 Solche Mehrkosten müssen von Verfassungs wegen nicht notwendig dem Steuerzahler angelastet werden. Der Gesetzgeber darf vielmehr eine solche besondere Leistung der polizeilichen Sicherheitsvorsorge von den allgemeinen Kosten der polizeilichen Gefahrenabwehr trennen und sie - soweit die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die erforderliche Zurechenbarkeit, vorliegen - der Gebührenpflicht unterwerfen. 29 Der Abgrenzbarkeit kann nicht entgegen gehalten werden, es gebe eine prinzipielle Sperrwirkung der Verfassungsordnung gegen eine Gebühr im Bereich polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Eine dahin lautende These ist spätestens seit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Flugsicherheitsgebühr (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. August 1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 <177>) überholt (ebenso Heise, NVwZ 2015, 262 <264>). Nicht überzeugend ist auch der Einwand, die der Gebührenpflicht unterworfene Maßnahme der Gefahrenabwehr diene vorwiegend dem Interesse der Allgemeinheit; denn fast alle gebührenpflichtigen Handlungen erfolgen auch oder vorwiegend im öffentlichen Interesse (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. August 1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 <177>; BVerwG, Urteil vom 3. März 1994 - 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188 <201>). Der Gebührenfähigkeit der von § 4 Abs. 4 Satz 2 BremGebBeitrG erfassten Leistung (Mehraufwand aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften) steht auch nicht entgegen, dass diese aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen besteht und insbesondere auch Kosten für lediglich bereit gehaltene - aber tatsächlich nicht eingesetzte - Reservekräfte umfasst. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu in Auslegung von nicht revisiblem Landesrecht ausgeführt, dass der Bremer Gesetzgeber von dem im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz zugrunde gelegten System eigenständiger Amtshandlungen im Einzelfall abrücken und dem neuen Gebührentatbestand einen eigenen Begriff der Amtshandlung zugrunde legen darf, wenn er das aus besonderen Sachgründen für geboten hält. Solche Gründe sieht das Gericht darin, dass das Ausbleiben prognostizierter Gewalthandlungen auch auf der bloßen Bereitstellung von Polizeikräften beruhen könne, da schon das Wissen um entsprechende Sicherheitsmaßnahmen abschreckende Wirkung auf gewaltbereite Personen haben könne (Berufungsurteil , juris Rn. 43 ff.). Hiergegen ist bundesrechtlich nichts zu erinnern. 30 Schließlich handelt es sich auch nicht um ohnehin anfallende, nicht abgrenzbare ""Sowieso-Kosten"" der Polizei. Vielmehr geht es gerade um deren ""zusätzlichen"", also besonderen Einsatz. Für die auswärtigen Polizeikräfte liegt das von vornherein auf der Hand, da sie speziell für den ""Sondereinsatz"" aus anderen Bundesländern angefordert werden. Die heimischen Polizeikräfte werden entweder aus dem allgemeinen Polizeivollzugsdienst herausgelöst und mit der Sonderaufgabe ""Veranstaltungsschutz"" betraut, oder sie werden gar, - wie in der mündlichen Verhandlung näher erläutert wurde - eigens zu diesem Zweck ""aus dem Urlaub geholt"" (vgl. zur praktischen Handhabung Bernhard, Verantwortlichkeit(en) und Haftung im Sport, 2010, S. 73, 78 f.). 31 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 1980 - 4 C 71.78 - (Buchholz 445.5 § 28 WaStrG Nr. 2), auf das sich die Klägerin für ihren gegenteiligen Standpunkt beruft, ist hierfür von vornherein unbehelflich; denn es handelt lediglich von der Auslegung des dort einschlägigen einfachen Gesetzesrechts, verhält sich aber nicht zur verfassungsrechtlichen Abgrenzung des Steuerstaatsprinzips. 32 cc) Der besondere polizeiliche Mehraufwand ist auch gerade dem Veranstalter einer gewinnorientierten Veranstaltung zuzurechnen. Denn dieser zieht aus der Risikominimierung, die der zusätzliche Polizeieinsatz bewirkt, einen (wirtschaftlichen) Sondervorteil. Der Veranstalter einer risikobehafteten Großveranstaltung ist auf die verstärkte Sicherheitsvorsorge angewiesen, und zwar nicht nur am Veranstaltungsort selbst und während der eigentlichen Dauer der Veranstaltung, sondern auch im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung (ebenso etwa Heise, NVwZ 2015, 262 <263, 265>; Klein, GSZ 2018, 175 <178>; Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, 1. Aufl. 2009, S. 280 ff.; a.A. etwa Brüning, VerwArch 2015, 417 <430 f.>; eher kritisch auch Mayer, Polizeikosten im Profifußball, 2018, S. 200 ff.; nach der Nähe zum Veranstaltungsort differenzierend etwa Leines, Die Kostentragung für Polizeieinsätze anlässlich von Fußballspielen, 2017, S. 174 ff.). Denn ohne die zusätzliche Polizeipräsenz bestände das Risiko, dass die Teilnehmer nicht sicher zur Veranstaltung und zurück gelangen. Auch soweit Schäden an der Gesundheit und am Eigentum Dritter entständen, fielen sie letztlich auf den Veranstalter zurück und würden sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabsetzen. In letzter Konsequenz wäre gar zu befürchten, dass Gewalthandlungen so eskalieren, dass die Veranstaltung nicht so wie geplant oder gar nicht durchgeführt werden könnte. Da die Gebührenpflicht nach dem Bremer Landesgesetz nur für gewinnorientierte Veranstaltungen besteht, zieht der Veranstalter aus dem verstärkten Polizeieinsatz nicht nur einen - schwer abschätzbaren - ideellen, sondern auch und gerade einen wirtschaftlichen Nutzen. Sein Erfolg beruht auch auf der Sicherheit der Veranstaltung. 33 Dass der Veranstalter gerade unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsprinzips in Anspruch genommen werden sollte, geht aus den Gesetzesmaterialien zu § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG klar hervor (vgl. Mitteilung des Senats vom 22. Juli 2014, Finanzierung von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Großveranstaltungen, Bürgersch.-Drs. 18/1501, S. 17 ff.). Zwischen ihm als Abgabepflichtigem und der Beklagten besteht ein individuelles Leistungsrechtsverhältnis, wie es für eine verfassungsrechtlich zulässige Gebühr kennzeichnend ist (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2335/95 und 2 BvR 2391/95 - BVerfGE 113, 128 <148>). Auf den konkreten (objektiven und subjektiven) Sicherheitsvorteil durch Risikominimierung zugunsten des Gebührenschuldners hat auch das Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung der Luftsicherheitsgebühr maßgebend abgestellt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. August 1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176 <177>). Dieser Gedanke ist ohne Weiteres auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation übertragbar. Aus dem polizeilichen Schutz der Veranstaltung und der Sicherheitsvorsorge zur Abwehr drohender Gefahren schöpft der Veranstalter auch hier einen eigenen Nutzen und steht den Kosten damit näher als die Allgemeinheit. Darin unterscheidet sich die hier gebührenpflichtige Tätigkeit der Beklagten von einer allgemein-polizeilichen Aufgabenerfüllung, die nicht einzelnen Begünstigten individuell zurechenbar ist (vgl. dazu etwa VGH Mannheim, Urteil vom 4. April 2003 - 8 S 2702/02 - juris Rn. 30 zur sog. Luftsicherheitsgebühr II für den bewaffneten Schutz von Kontrollstellen und die Bestreifung von Sicherheitsbereichen in Flughäfen). 34 Die Zurechnung führt schließlich auch nicht dazu, dass ""Tür und Tor geöffnet"" wird für die Kostenpflichtigkeit der polizeilichen Tätigkeit als solcher (vgl. etwa Beutel, Wirtschaftlich vorteilhafte Gefahrenverursachung, 2014, S. 255 ff.). Zwar besteht - wie oben beschrieben - ein weiter Spielraum des Gesetzgebers; die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer gebührenrechtlichen Neuregelung ist aber in jedem Einzelfall zu prüfen. Die gesamte Polizeiarbeit kann von vornherein schon mangels Abgrenzbarkeit nie gebührenpflichtig werden. Auch im Übrigen unterschätzt die Kritik die begrenzende Wirkung der Gewährleistungen des Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte. So steht die Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben der Bürger (Art. 2 Abs. 2 GG; vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerfGE 121, 317 <356> m.w.N.) von vornherein der Annahme entgegen, Einzelaspekte der allgemein polizeilichen Tätigkeit könnten beliebig verselbstständigt und als gebührenpflichtige Leistungen ausgestaltet werden. Ferner ist anerkannt, dass eine Gebührenpflicht nicht von der Durchführung einer Versammlung abhalten darf, die in den Schutzbereich des Art. 8 GG fällt. Deshalb dürfen dem Veranstalter keine Gefahrentatbestände zugerechnet werden, die nicht von ihm, sondern im Zusammenhang mit der Versammlung eigenständig durch Dritte geschaffen werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Oktober 2007 - 1 BvR 943/02 - BVerfGK 12, 354 Rn. 39 f.). Ähnliche Sperrwirkungen können, ohne dass der vorliegende Fall insoweit Anlass zur Vertiefung bietet, auch andere Grundrechte entfalten (zu Art. 4 Abs. 1 GG vgl. etwa das Beispiel nach Heise, NVwZ 2015, 262 <267>: Polizeischutz einer Synagoge). Zwar stellt sich die Zurechnungsfrage hinsichtlich einer gewinnorientierten Großveranstaltung, die nicht in den Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. zum verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juli 2001 - 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>), sondern des Art. 12 Abs. 1 GG fällt, bei der die Veranstaltergebühr auf den Eintrittspreis umgelegt werden kann, wesentlich anders dar (Gusy, DVBl 1996, 722 <726 f.>). Dennoch kann die Umlegung des (zusätzlichen) Polizeiaufwandes aber auch dort an Verhältnismäßigkeitsgrenzen stoßen; hierauf wird noch zurückzukommen sein. 35 d) Die Gebühr nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG steht auch in keinem Wertungswiderspruch zum Polizeirecht. Der Veranstalter wird nicht polizeirechtlich als Störer der öffentlichen Sicherheit, sondern ausschließlich gebührenrechtlich als Nutznießer der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch genommen (aa); eine solche gebührenrechtliche Inanspruchnahme des Nichtstörers verbietet das Verfassungsrecht nicht (bb), sofern die Gefahr von ""Doppelabrechnungen"" für dieselbe staatliche Leistung vermieden wird (cc). 36 aa) Die Gebührenvorschrift des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG will den Veranstalter nicht als polizeirechtlichen Störer, etwa als Zweckveranlasser einer Störung, in Anspruch nehmen. Insbesondere die Entstehungsgeschichte spricht klar dagegen. Der Bremer Gesetzgeber hielt die Begründung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit von Großveranstaltern über die Theorie der Zweckveranlasserschaft für zu umstritten und wollte gerade deshalb eine Regelung nach allgemeinem Gebührenrecht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsprinzips schaffen (vgl. Mitteilung des Senats vom 22. Juli 2014, Finanzierung von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Großveranstaltungen, Bürgersch.-Drs. 18/1501, S. 15 ff.). 37 Vor diesem Hintergrund können die umstrittenen Fragen im Zusammenhang mit der polizeirechtlichen Verantwortung des Veranstalters einer Risikoveranstaltung offen bleiben. So wird in Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Zweckveranlassung des Veranstalters dadurch ausscheidet, dass der polizeirechtliche Wirkungs- und Zurechnungszusammenhang durch das Hinzutreten des eigenverantwortlichen Handelns Dritter - Gewalthandlungen durch Störer - unterbrochen wird (so etwa VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 1979 - I 47/79 - juris Rn. 27 zum früheren § 81 Abs. 2 Satz 1 PolG BW; offen gelassen durch OVG Hamburg, Beschluss vom 13. April 2012 - 4 Bs 78/12 - NJW 2012, 1975 <1978 f.> zur Inanspruchnahme eines Fußballvereins als Nichtstörer im Sinne von § 10 Abs. 1 SOG HH), während andere den Veranstalter einer Risikoveranstaltung sogar als Verhaltensverantwortlichen ansehen, weil er mit der ""Eröffnung einer imponderablen Gefahrenquelle Raum für Störungen durch Dritte und eine Gefahr ganz eigener Art schaffe"" (Beutel, Wirtschaftlich vorteilhafte Gefahrenverursachung, 2014, S. 327; ähnlich Buchberger/Sailer, in: Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, M Rn. 204, vgl. aber auch Rn. 215). Nach wiederum anderer Auffassung ist zwar von einer Veranstalterverantwortlichkeit auszugehen; diese soll aber nicht automatisch zur Kostentragungspflicht führen (Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 9 Rn. 32; vgl. zur Thematik auch Heise, NVwZ 2015, 262 <263>; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 246 ff.; Brüning, VerwArch 2015, 417 <420 ff.> und Wienbracke, DVBl 2019, 344 <346>, jew. m.w.N.). 38 bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der es gebieten würde, Polizeikosten stets nur dem Störer oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den Vorschriften des Polizeigesetzes an der Stelle des Störers in Anspruch genommen werden können. Die polizeirechtliche Störerhaftung kann vielmehr neben der gebührenrechtlichen Inanspruchnahme zur Anwendung kommen, vorausgesetzt es besteht ein ""besonderes Näheverhältnis"" des Gebührenschuldners, das die Zurechnung begründet (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 18. Juni 1979 - I 47/79 - juris Rn. 27; Schenke, NJW 1983, 1882 <1884>; Götz, DVBl 1984, 14 <18>; Heise, NVwZ 2015, 262 <263>; Mayer, Polizeikosten im Profifußball, 2018, S. 177). 39 cc) Wenngleich ein Veranstalter grundsätzlich auch für solche Kosten in Anspruch genommen werden darf, für die ein Dritter als polizeirechtlicher Störer (Veranlasser) verantwortlich ist, muss zur Vermeidung einer unzulässigen Überdeckung aber in jedem Fall eine ""Doppelabrechnung"" ein und derselben Leistung gegenüber dem Störer und dem Veranstalter vermieden werden. Auf diese Frage wird im Zusammenhang mit der konkreten Kostenhöhe noch zurückzukommen sein (s.u. unter 5 c). Demgegenüber war es von Bundesrechts wegen nicht geboten, alle diejenigen Kosten im Gebührentatbestand von vornherein unberücksichtigt zu lassen, die die Polizei theoretisch von einzelnen Störern verlangen könnte, wenn es dafür passende Tarifstellen in dem einschlägigen Bremer Polizeikostenrecht gäbe. Ein derart weitgehender Ansatz ließe unberücksichtigt, dass der Veranstalter nicht nur von der Polizeipräsenz als solcher profitiert, sondern auch von dem Einschreiten gegen einzelne Täter, die aus Anlass der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und damit auch den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung stören. 40 e) § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG genügt sowohl hinsichtlich der einzelnen unbestimmten Rechtsbegriffe ""Gewalthandlungen"", ""erfahrungsgemäß zu erwarten"", ""vor, während oder nach der Veranstaltung"", ""Zugangs- oder Abgangswege"", ""zusätzliche"" Bereitstellung von Polizeikräften (aa) als auch hinsichtlich der Gebührenbemessung (bb) und der Gebührenhöhe (cc) nach der den Senat bindenden Auslegung durch das Berufungsgericht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes; die hieran geübte Kritik der Klägerin greift nicht durch (dd). 41 Das Berufungsgericht stellt zutreffend klar, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm nicht generell und abstrakt festgelegt werden können, sondern von verschiedenen Umständen, wie Eigenart des Regelungsgegenstandes, Zweck der Norm sowie Ausmaß der Grundrechtsbetroffenheit, abhängen (BU, juris Rn. 51 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschlüsse vom 18. Mai 1988 - 2 BvR 579/84 - BVerfGE 78, 205 <212 f.>, vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <84 f.> und vom 6. Juni 2006 - 2 BvR 1349/05 - BVerfGK 8, 183 Rn. 38). Ein solcher Umstand kann beispielsweise auch der eingeschränkte Adressatenkreis einer Regelung sein, bei dem gewisse praktische Erfahrungen oder Fachkenntnisse vorausgesetzt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2015 - 9 C 23.14 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 5 Rn. 27 m.w.N.). Auch die Kumulation mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe in einer Norm ist zulässig (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 38). 42 Im Abgabenrecht braucht der Gesetzgeber nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge oft nicht in der Lage. Vielmehr ist es Sache der Verwaltungsbehörden und Gerichte, die bei der Gesetzesanwendung mangels ausdrücklicher Regelungen auftauchenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer gesetzlichen Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 1988 - 1 BvR 243/86 - BVerfGE 79, 106 <120>). Abgabenrechtliche Regelungen müssen allerdings so bestimmt sein, dass der Abgabepflichtige die auf ihn entfallende Abgabe - in gewissem Umfang - vorausberechnen kann. Bei Abgaben mit dem unmittelbaren Zweck einer Kostendeckung bedarf es aber nicht zwingend der tatbestandlichen Bestimmung eines Abgabesatzes. Hinreichende Bestimmtheit kann vielmehr auch hergestellt werden, indem die Bemessungsfaktoren für die die Abgabe tragenden Kosten normiert werden. Das Bestimmtheitsgebot fordert im Bereich des Gebühren- und Beitragsrechts eine dem jeweiligen Zusammenhang angemessene Regelungsdichte, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließt (stRspr, vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Mai 2018 - 1 BvR 45/15 - NVwZ 2019, 57 Rn. 16 f. sowie Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <235 f.>, jew. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2006 - 10 C 9.05 - BVerwGE 126, 222 Rn. 29 f.). 43 aa) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gekommen, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG auslegungsfähig und mit herkömmlichen Auslegungsmethoden bestimmbar sind (BU, juris Rn. 53 ff.). 44 Soweit das Berufungsgericht - wie hier - Landesrecht ausgelegt und angewendet hat, ist das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich daran gebunden (§ 137 Abs. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Allerdings stellen das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere der Vorrang des Gesetzes und die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), und das im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verankerte Willkürverbot eine unübersteigbare bundesrechtliche Grenze jeder Art des Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung dar. Demgemäß hat sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere die Prüfung vorbehalten, ob sich das Instanzgericht bei der Anwendung und Auslegung irrevisiblen Rechts so weit vom zugrunde liegenden Gesetz entfernt hat, dass der Zusammenhang mit dem Gesetz nicht mehr hinreichend erkennbar und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt - auch nicht als richterliche Rechtsfortbildung - verständlich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2008 - 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO Nr. 1 Rn. 8 m.w.N.). Diese Grenze ist hier nicht überschritten. 45 (1) Das Berufungsgericht versteht unter ""Gewalthandlungen"" die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Personen oder Sachen, also einfache Körperverletzungen (§ 223 StGB) oder Sachbeschädigungen (§ 303 StGB), aber auch Straftaten wie besonders schweren Landfriedensbruch (§ 125a StGB). Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und aus der Norm selbst. Die zu erwartenden Gewalthandlungen (""Gewaltdelikte"") müssten zudem mengenmäßig ein Ausmaß erreichen, das die Polizei zu erhöhten Vorkehrungen veranlasst, so dass ein im Vergleich zum Verlauf einer friedlichen Veranstaltung erhöhter Kräfteaufwand erforderlich wird (BU, juris Rn. 54 f.). 46 Die Klägerin ist stattdessen der Auffassung, dass nur ""besonders qualifizierte Gewalthandlungen"" erfasst werden, auch enthalte die Auslegung in Bezug auf das mengenmäßige Ausmaß einen Zirkelschluss. Diese Kritik greift nicht durch. Die nachvollziehbar auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte gestützte Auslegung durch das Berufungsgericht sprengt weder die Wortlautgrenze noch ist sie willkürlich oder zirkulär. Sie führt insbesondere nicht dazu, dass die Polizei ermächtigt wird, selbst die Voraussetzungen für die Gebührenpflicht herbeizuführen, indem sie einen erhöhten Kräfteaufwand betreibt. Denn es kommt nicht auf das tatsächliche Verhalten der Polizei an, sondern auf die rechtliche Bewertung, ob angesichts des Ausmaßes der zu erwartenden Gewalthandlungen ein erhöhter Kräfteaufwand veranlasst war. 47 (2) Hinsichtlich der Merkmale ""erfahrungsgemäß"" und ""Bereitstellung"" ist der Senat ebenfalls an die willkürfreie Auslegung durch das Berufungsgericht gebunden. 48 Danach verlangt das Merkmal ""erfahrungsgemäß"" das Vorliegen konkreter Erfahrungswerte, also nachprüfbarer Tatsachen, die aus der maßgeblichen Ex-ante-Sicht der die Prognose anstellenden Polizeibehörde dafür sprechen, dass Gewalthandlungen zu erwarten sind. Grundlage der Prognose seien polizeiliche Erfahrungen und Risikoanalysen in Bezug auf vergleichbare Veranstaltungen, insbesondere auch aus früheren Geschehensabläufen. Es komme nicht darauf an, dass der Betroffene über dieselben Erfahrungswerte und Erkenntnisse wie die handelnde Behörde verfüge (BU, juris Rn. 56). Entgegen der Auffassung der Klägerin ermöglicht diese Auslegung keine willkürliche Handhabung der Vorschrift. Das ""Erfahrungswissen"" der Polizei ist kein Geheimwissen, sondern knüpft - wie vom Berufungsgericht ausdrücklich betont - an Tatsachen und die damit verbundene gerichtliche Kontrollmöglichkeit an. Zudem wird über Großveranstaltungen der im Gebührentatbestand genannten Art regelmäßig umfangreich in den Medien berichtet; speziell zur Thematik ""Fußball und Gewalt"" ist auf die allgemein zugänglichen ZIS-Jahresberichte (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze) hinzuweisen. Im Übrigen räumt die Klägerin selbst ein, dass sie über vergleichbare Bewertungsverfahren wie die Polizei zur Risikoeinschätzung von Fußballspielen verfügt, die sich ebenfalls an den Ampelfarben orientieren, und dass sich die Einschätzungen der Fußballvereine vielfach mit den polizeilichen Einschätzungen decken. 49 Unter ""Bereitstellung"" versteht das Berufungsgericht - wie oben bereits im Zusammenhang mit der Zurechnung ausgeführt wurde - die bei der jeweiligen Veranstaltung zum Einsatz gelangten heimischen und auswärtigen Polizeikräfte sowie bereitgehaltene Reservekräfte. 50 (3) Auch die Tatbestandsmerkmale ""vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld"" hat das Oberverwaltungsgericht willkürfrei mit der Folge der revisionsrechtlichen Bindungswirkung dahin ausgelegt, dass durch sie ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den zu erwartenden Gewalthandlungen und der Veranstaltung hergestellt sein muss. Mit ""Zu- und Abgangswege"" seien sämtliche zur An- und Abreise genutzte Verkehrswege in den Stadtgemeinden gemeint, mit ""im räumlichen Umfeld"" auch sonstige Örtlichkeiten im Bereich der Stadtgemeinden, an denen erfahrungsgemäß im Zusammenhang mit der Veranstaltung Gewalthandlungen zu erwarten seien; der zeitliche Zusammenhang müsse sich nicht zwingend auf den Veranstaltungstag beschränken, sondern könne sich etwa bei einer Abendveranstaltung auch über den Tag hinaus erstrecken (BU, juris Rn. 58 f.). 51 Die Klägerin bringt hiergegen vor, der räumliche und zeitliche Rahmen sei nicht nur von Bedeutung dafür, ob die Gebührenpflicht dem Grunde nach ausgelöst werde, sondern sei durch § 4 Abs. 4 Satz 2 BremGebBeitrG untrennbar mit der Gebührenhöhe verknüpft, da die Berechnung des Mehraufwandes von der ""zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften"" abhänge, so dass eine räumliche und zeitliche Ausweitung unmittelbar zu einer Erhöhung der Gebührenlast führe. Dem kann so nicht gefolgt werden. In erster Linie betrifft die Frage des räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs die Frage des Entstehens der Gebührenpflicht dem Grunde nach. Diese entsteht nur dann, wenn es erfahrungsgemäß im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung zu Gewalthandlungen kommt. Ist dies nicht der Fall, da Erfahrungswerte für Gewalthandlungen völlig fehlen oder zwar vorliegen, aber entweder nicht im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung stehen oder nicht ein solches Ausmaß aufweisen, dass sie einen erhöhten Polizeikräfteaufwand erfordern, so greift die Gebührenpflicht von vornherein nicht ein. Die spätere Gebührenhöhe bemisst sich demgegenüber nach dem tatsächlichen Mehraufwand für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften anhand der dafür vorgesehenen Bemessungskriterien. Eine vergleichbar enge Anknüpfung an den räumlichen und zeitlichen Zusammenhang sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Eine gewisse (mittelbare) Verknüpfung ergibt sich zwar dadurch, dass die Anzahl der bereitgestellten Polizeikräfte sowie deren Einsatzdauer erforderlich sein müssen. Beides ist aber gerichtlich überprüfbar (BU, juris Rn. 66), worauf noch im Zusammenhang mit der Gebührenhöhe näher einzugehen ist. Sollten Polizeikräfte also zu Zeiten und/oder an Orten ohne erkennbaren Zusammenhang zur Veranstaltung eingesetzt worden sein, dürfen hierfür keine Kosten erhoben werden. Eine Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale ergibt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht. 52 Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob auch Gewalthandlungen von Personen, die in keiner Beziehung zum Veranstalter stehen, erfasst werden, stellt sich so ebenfalls nicht, da es auf eine solche Beziehung nicht ankommt. Maßgeblich ist allein ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Veranstaltung als Anlass für die Gewalthandlungen, nicht aber eine darüber hinausgehende Beziehung zum Veranstalter. 53 (4) Im Ergebnis hat das Berufungsgericht auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 4 Satz 1 (""Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird"") und Satz 2 BremGebBeitrG (Berechnung der Gebühr nach dem Mehraufwand ""aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften"") - unter Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte der Norm - für den Senat bindend ausgelegt; auch insoweit ist keine Willkür feststellbar. Zwar enthält der Gesetzeswortlaut keine näheren Angaben zur jeweiligen Vergleichsgröße. Nach der Auslegung des Berufungsgerichts liegt aber ein erhöhter polizeilicher Kräfteaufwand nur dann vor, wenn der für eine größere Veranstaltung vergleichbarer Art bei friedlichem Verlauf erforderliche Kräfteaufwand überschritten wird (BU, juris Rn. 57). Wenngleich erst im Zusammenhang mit der konkreten Berechnung des Mehraufwandes und nicht bereits auf der abstrakten Ebene der Auslegung des Gebührentatbestandes erläutert es genauer, was es unter einer solchen ""Veranstaltung vergleichbarer Art bei friedlichem Verlauf"" versteht (BU, juris Rn. 94): Seien - wie hier - mehrere vergleichbare Veranstaltungen vorhanden, sei es sachgerecht, aus diesen einen Durchschnittswert zu bilden, zumal der Landesgesetzgeber ein Abstellen auf einen Durchschnittswert aller vergleichbaren Veranstaltungen beabsichtigt habe, wie die Beispielsrechnung auf Seite 20 der Mitteilung des Senats vom 22. Juli 2014 (Bürgersch.-Drs. 18/1501) zweifelsfrei belege. 54 Soweit die Klägerin bemängelt, die Polizei habe es unkontrollierbar in der Hand, die Gebührenpflicht auszulösen und die Höhe der Zusatzkosten zu beeinflussen, verbleibt dies im Bereich des Spekulativen. Der Veranstalter einer gewinnorientierten Großveranstaltung verfügt regelmäßig selbst - und so auch hier - über bestimmte Bewertungsverfahren zur Risikoeinschätzung seiner Veranstaltung. Im Übrigen unterliegt sowohl die von der handelnden Polizeibehörde anzustellende Gefahrenprognose als auch die polizeiliche Erfahrung einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle. Dass die Befürchtung der Klägerin unberechtigt ist, zeigt sich nicht zuletzt beispielhaft daran, dass das Bundesligaspiel vom 19. November 2017, für das die Beklagte zunächst ebenfalls eine Gebührenpflicht angekündigt hatte, später kurzfristig ""von rot auf grün"" umgestuft worden ist. 55 bb) Auch die Kriterien für die Gebührenbemessung sind hinreichend bestimmt. 56 Die Gebührenbemessung ist im Gesetz nicht abschließend vorgegeben. Nach § 4 Abs. 4 Satz 4 BremGebBeitrG kann die Gebühr entweder nach den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet werden. Die entsprechende Ermächtigung hierzu findet sich in § 3 Abs. 1 BremGebBeitrG, demzufolge der Senat die Kostentatbestände und die Kostensätze durch Rechtsverordnung festsetzen darf. Auf dieser Ermächtigung beruht Nr. 120.60 Anl. zu § 1 InKostV, wonach beim Einsatz des Polizeivollzugsdienstes nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG die ""Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand, soweit möglich nach Maßgabe der Nummern 120.10 bis 120.16 (erfolgt)"". Weiter heißt es: ""Auslagen werden gesondert erhoben."" In den in Bezug genommenen Nummern 120.10 bis 120.16 Anl. zu § 1 InKostV sind Stundensätze für eingesetzte Beamte nach der Allgemeinen Kostenverordnung sowie Kilometersätze für jeden angefangenen Kilometer je eingesetzte Kraftfahrzeuge vorgesehen. 57 Das Berufungsgericht sieht die verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen trotz der variablen, weitgehend außerhalb der Einwirkungssphäre des Gebührenschuldners liegenden Bemessungsfaktoren angesichts der Komplexität des Sachverhalts und der Dynamik bei Großveranstaltungen als (noch) gewahrt an; eine exaktere gesetzliche Normierung sei nicht möglich (BU, juris Rn. 64). Bei den Kosten für auswärtige Polizeikräfte handele es sich nicht um Personal- oder Sachkosten, die wie Kosten für heimische Einsatzkräfte durch Bemessungsfaktoren hätten geregelt werden müssen. Vielmehr stellten sie Auslagen dar, die nach der ""Verwaltungsvereinbarung über vereinfachte Regelungen und einheitliche Pauschalen für die Abrechnung von Unterstützungseinsätzen"" abgerechnet würden. Nach Art. 2 Abs. 2 dieser Vereinbarung würden nicht die vollen Personal- und Sachkosten, sondern lediglich die konkreten Auslagen der Unterstützungseinsätze berücksichtigt. Damit seien die Kosten für den Einsatz auswärtiger Polizeikräfte für den betroffenen Gebührenschuldner sogar besser abschätzbar als tatsächliche Kosten Dritter, die üblicherweise als Auslagen entstehen (BU, juris Rn. 69). 58 Der Senat hält die Bemessungskriterien ebenfalls für (noch) hinreichend bestimmt. Stehen die tatsächlichen Grundlagen, also der zugrunde zu legende Sachverhalt, fest, ist anhand der gesetzlich festgelegten Kriterien eine eindeutige Berechnung der Gebühr möglich. Der Stundensatz der eingesetzten Bremer Beamten ist im Kostenverzeichnis Inneres festgelegt. Handlungsspielräume der Verwaltung bestehen diesbezüglich nicht. Dass die Zahl der eingesetzten Beamten, ihre Laufbahngruppen und die Dauer ihres Einsatzes nicht gesetzlich vorbestimmt sind, was die Klägerin rügt, liegt - wie es das Berufungsgericht zutreffend erläutert - an der Komplexität und Dynamik des Geschehens; eine genauere Normierung war dem Gesetzgeber nicht möglich. Aus dem von der Klägerin in ihrer Revisionsbegründung angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2013 - 3 C 7.12 - (Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 33 Rn. 17) folgt nichts anderes. Das Urteil ist nicht einschlägig, denn dort sollte die zuständige Behörde - ohne jede nähere Vorgabe - eine Gebühr erheben, ""die die tatsächlichen Kosten deckt"". 59 Hinsichtlich der Kosten für auswärtige Polizeikräfte rügt die Klägerin zwar zu Recht, dass eine Bezugnahme auf die ""Verwaltungsvereinbarung über vereinfachte Regelungen und einheitliche Pauschalen für die Abrechnung von Unterstützungseinsätzen"" in Gesetz oder Rechtsverordnung fehlt. Diese Verwaltungsvereinbarung, der alle Länder und der Bund beigetreten sind, wird aber schon seit vielen Jahren zur Erstattung länderübergreifender Unterstützungsleistungen als Grundlage für die Abrechnung genutzt (vgl. Antwort der Landesregierung NRW auf die Kleine Anfrage zum G 20-Gipfel in Hamburg, LT-Drs. NRW 17/345 vom 14. August 2017 S. 2). Vor diesem Hintergrund sieht der Senat trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Fixierung kein Risiko für eine willkürliche behördliche Handhabung (vgl. zu einer ähnlichen Ausgangslage BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <237>). 60 cc) Auch mit Blick auf die Vorhersehbarkeit der konkreten Gebührenhöhe ist die Regelung (noch) verfassungsgemäß. 61 Zwar ist für den Gebührenschuldner die voraussichtliche Höhe der Gebühr, wenngleich die Bemessungskriterien feststehen, angesichts der variablen Faktoren (Zahl der zusätzlich bereitgestellten Kräfte bzw. Zahl der Einsatzstunden), die ihrerseits von einer Sicherheitsprognose der Behörde abhängen, nicht exakt bestimmbar. Sie ist für ihn aber gleichwohl im Wesentlichen abschätzbar, so dass für ihn keine unzumutbaren Unsicherheiten entstehen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <236>). 62 Dies folgt nach Auffassung des Senats allerdings nicht in erster Linie aus der in § 4 Abs. 4 Satz 3 BremGebBeitrG geregelten Unterrichtungspflicht, die sich nach der - bindenden - Auslegung durch das Berufungsgericht nicht nur auf das Ob der Gebührenpflicht, sondern auch auf die voraussichtliche Gebührenhöhe bezieht. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu auf den Normzweck abgestellt, dem Veranstalter nach Mitteilung der voraussichtlichen Kosten einen angemessenen Zeitraum für die Entscheidung zuzubilligen, ob die Veranstaltung gleichwohl durchgeführt oder abgesagt werden soll (BU, juris Rn. 65). Da der Behörde jedoch mögliche Änderungen des polizeilichen Kräfteansatzes aufgrund der aktuellen Lageentwicklung vorbehalten sind und der Mitteilung über die voraussichtliche Höhe der Gebühr nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Bindungswirkung zukommt, muss der Veranstalter unter Umständen auch für eine wesentliche und letztlich unbegrenzte Erhöhung des Mehraufwandes einstehen. Das Risiko einer Abweichung von der im Mitteilungsschreiben genannten Kostenprognose hat nach der gesetzlichen Regelung der Veranstalter der gewinnorientierten Veranstaltung und nicht der Steuerzahler zu tragen. Der vom Berufungsgericht betonte Zweck der Belehrungspflicht kann folglich nicht in dem vorausgesetzten Maß erreicht werden. 63 Der Senat hält die Vorschrift gleichwohl - auch ohne eine Eingrenzung des Gebührenrahmens, die zum Teil gefordert wird (etwa Buchberger/Sailer, in: Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, M Rn. 209; Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, 2009, S. 102; Mayer, Polizeikosten im Profifußball, 2018, S. 240 f., jew. m.w.N.) - für (noch) verfassungsgemäß. Das beruht auf folgenden Erwägungen: 64 Das Berufungsgericht überschätzt für gewinnorientierte Großveranstaltungen der in Rede stehenden Art die Bedeutung der Belehrung über die voraussichtliche Gebührenhöhe. Diese Belehrung kann die Rechtsposition des Veranstalters nicht nennenswert verbessern. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in der Regel erfolgt - nach der zu den Gerichtsakten überreichten Übersicht der letzten Jahre etwa zwei bis drei Wochen vor der Veranstaltung - hat der Veranstalter bereits wesentliche Dispositionen getroffen; insbesondere für eine Einbeziehung der Veranstaltergebühr in die Kalkulation der Eintrittspreise dürfte es regelmäßig zu spät sein (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 20. Januar 1986 - 1 S 1895/84 - NVwZ 1986, 657 <658> zu § 81 Abs. 2 Satz 1 PolG BW a.F.). Der Veranstalter wird mit anderen Worten vorab nicht so genau und verbindlich über die Gebührenhöhe informiert, dass er auf einer tragfähigen Grundlage über die Durchführung oder Absage der Veranstaltung entscheiden kann. Auch die Klägerin hat dies in ihrer Revisionsbegründung sowie in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Sie hat exemplarisch darauf hingewiesen, dass die in Rede stehende konkrete Veranstaltung zum Zeitpunkt des Mitteilungsschreibens bereits ausverkauft war. 65 Das Mitteilungsschreiben kann folglich nur eine erste Orientierung hinsichtlich der zu erwartenden Gebührenhöhe sein. Hierdurch entstehen für den Gebührenschuldner aber keine unzumutbaren Unsicherheiten. Dies wird zum einen dadurch sichergestellt, dass die Gebühr nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG überhaupt nur dann erhoben werden darf, wenn entsprechende Erfahrungswerte zum kostenpflichtigen Mehraufwand vorliegen. Diese Erfahrungswerte werden dem Gebührenschuldner auch vorab mitgeteilt, so dass er sich immerhin darauf einstellen kann. Zudem betrifft die Gebührenregelung nur einen sehr kleinen, mit der Problematik vertrauten Adressatenkreis (Veranstalter von gewinnorientierten Großveranstaltungen), der - wie oben bereits im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal ""erfahrungsgemäß"" erläutert wurde - regelmäßig über eigene Erfahrungswerte verfügt, die sich von Mal zu Mal weiter konkretisieren und verfestigen. Soweit und solange es für eine bestimmte Art von Veranstaltungen noch keine ausreichenden Erfahrungen gibt, darf auch keine Gebühr erhoben werden. Letztlich entscheidet über die konkrete Gebührenhöhe ohnehin der spätere Einsatz der Polizeikräfte, der auf seine Erforderlichkeit hin einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BU, juris Rn. 66). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von ihrer Struktur her nicht von sonstigen auf Kostendeckung angelegten Abgaben, bei denen der Schuldner ebenfalls im Vorhinein nicht die genaue Kostenhöhe kennt (vgl. BVerfG Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <236>). 66 dd) Die Klägerin kann sich zur Begründung der Unbestimmtheit des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG nicht auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 16. August 2018 zum Gebührentatbestand ""Ungerechtfertigtes Anfordern von Polizeikräften oder Veranlassen eines ungerechtfertigten Anforderns durch Dritte"" (1 S 625/18 - juris Rn. 54) berufen. Das gilt schon deshalb, weil sich die dortige Gebührenregelung nicht an einen vergleichbar engen, über einschlägige Erfahrungswerte verfügenden Adressatenkreis wendet, sondern ""jedermann"" betreffen kann. Ebenfalls nicht einschlägig ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2006 - 10 C 9.05 - (BVerwGE 126, 222 ), das einen sehr weiten Gebührentatbestand betraf (""Amtshandlungen im Rahmen der altlastenrechtlichen Überwachung""), bei dem auch die gerichtliche Auslegung keine Kriterien für die Abgrenzung gebührenpflichtiger und gebührenfreier Amtshandlungen zu benennen vermochte. 67 f) Die in § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG normierte Gebührenpflicht verstößt auch nicht gegen grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerin. 68 aa) Das Berufungsgericht verneint zutreffend unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung einen Verstoß gegen Art. 14 GG. Danach schützt die Eigentumsfreiheit nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, die nicht mit einem bestimmten Eigentumsobjekt zu erfüllen sind, sondern aus dem gesamten Vermögen beglichen werden müssen (BVerfG, Urteil vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267 <300>; BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 6 C 12.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 58 Rn. 54). Auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erstreckt sich nur auf den konkreten Bestand an vermögenswerten Rechten und nicht auf das Vermögen als solches (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 240). Die Gegenauffassung der Klägerin setzt sich nicht mit dieser Rechtsprechung auseinander. Vielmehr kritisiert sie mit ihrem Einwand, der Veranstalter werde finanziell für Vorgänge verantwortlich gemacht, die außerhalb seines Herrschaftsbereichs liegen, und sei aufgrund des Eindrucks, er sei ein polizeirechtlicher Störer, negativen Folgen für den Betrieb ausgesetzt, letztlich die Zurechnung und wiederholt ihre Auffassung eines Wertungswiderspruchs zum Polizeirecht (s. dazu bereits oben). 69 bb) Auch mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) steht die Regelung in Einklang. Die Abgabe wird durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt, denn sie dient der Herstellung von Lastengerechtigkeit. Die immens gestiegenen Kosten für Polizeieinsätze aus Anlass von Großveranstaltungen, namentlich unfriedlich verlaufener Fußballveranstaltungen, sollen künftig nicht mehr zu Lasten der Allgemeinheit aus dem Steueraufkommen finanziert, sondern dem wirtschaftlich Begünstigten in Rechnung gestellt werden. Die vorgesehene Gebühr ist auch nicht unverhältnismäßig, da der Gesetzgeber ausschließlich an gewinnorientierte Veranstaltungen anknüpft. Das Berufungsgericht (BU, juris Rn. 78) hat dabei zu Recht berücksichtigt, dass die Gebührenhöhe ihre Entsprechung in der von der Besucherzahl abhängigen Gewinnerwartung des Veranstalters findet. Anhaltspunkte für eine generell erdrosselnde Wirkung der Gebühr bestehen nicht; sie wurden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Vielmehr wird die Gebührenhöhe regelmäßig in einer angemessenen Relation zu dem wirtschaftlichen Ergebnis stehen, das der Veranstalter - auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes - erzielen kann. 70 Wo diese Relation bei bestimmten Arten von Veranstaltungen typischerweise nicht besteht, mag es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten sein, den Gebührentatbestand verfassungskonform einschränkend auszulegen und anzuwenden. Atypischen Einzelfällen kann und muss zudem durch Billigkeitsmaßnahmen nach § 25 Abs. 1 BremGebBeitrG Rechnung getragen werden (vgl. BU, juris Rn. 78). Dies zu vertiefen, bietet der vorliegende Fall, der ausschließlich die von der Klägerin organisierte Fußballbundesliga betrifft, indes keinen Anlass. 71 Den von der Klägerin befürchteten ""Fehlanreiz"" (verringerter Einsatz von Polizeikräften bei unproblematischen, erhöhter bei den tatbestandlich erfassten Veranstaltungen) hat das Berufungsgericht zu Recht als spekulativ bewertet. Eine ""wirtschaftliche Prioritätensetzung"" unter mehreren Veranstaltungen wäre rechtswidrig und darf bei der rechtlichen Beurteilung der Gebührenregelung keine Berücksichtigung finden. Im Übrigen hat die Vorinstanz zutreffend auf den Umstand verwiesen, dass die Unterstützung der Länderpolizeien im Rahmen von Fußballeinsätzen auf Gegenseitigkeit beruht, sodass ein erhebliches Interesse der Beklagten bestehe, den Einsatz auswärtiger Kräfte zu minimieren (BU, juris Rn. 77). 72 cc) Die Gebührenregelung verstößt schließlich nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 73 Mit der Veranstaltergebühr für bestimmte Großveranstaltungen zieht der Gesetzgeber die Konsequenz daraus, dass es als ungerecht angesehen werden kann, wenn die Gemeinschaft der Bürger für einen Aufwand aufkommen müsste, der einem anderen Vorteile verschafft. Es ist Sache des Gesetzgebers, dieses Spannungsverhältnis zu bestimmen, zu gewichten und sachgerechte Regelungen zu schaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1994 - 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188 <203> zur Luftsicherheitsgebühr). 74 Den hier vom Gesetzgeber gewählten Differenzierungskriterien liegen sachliche Erwägungen zugrunde (1); der Gesetzgeber musste auch nicht zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung einen steuerfinanzierten Eigenanteil wegen des allgemeinen Interesses an der gebührenpflichtigen Leistung vorsehen (2). 75 (1) Den Differenzierungskriterien des § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG (5 000-Personen-Schwelle, Beschränkung auf ""gewinnorientierte"" Veranstaltungen, und zwar auf solche mit zu erwartenden Gewalthandlungen) liegen sachliche Erwägungen zugrunde. Der Gesetzgeber hat sich mit der gewählten Untergrenze für das Besucheraufkommen an die Definition der Großveranstaltung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Musterversammlungsstättenverordnung 2014 angelehnt, welche für Sportstadien gilt, die mehr als 5 000 Besucher fassen, und hierdurch den Tatbestand näher präzisiert. Auch werden gewinnorientierte Großveranstaltungen mit mehr als 5 000 Personen typischerweise berufsmäßig veranstaltet (vgl. BU, juris Rn. 74), was für die Zurechnung über das Vorteilsprinzip von Bedeutung ist. Dass der Gesetzgeber auf die Gewinnorientierung und nicht auf den tatsächlichen Gewinn abstellt, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien nachvollziehbar mit der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt (BU, juris Rn. 81 unter Hinweis auf den Koa-Antrag vom 15. Oktober 2014, S. 2); hierdurch habe man Probleme bei der Überprüfung der wirtschaftlichen Ertragssituation vermeiden wollen. Für den Ausschluss nicht kommerzieller Großveranstaltungen, etwa Versammlungen, gibt es ebenfalls einen tragfähigen Grund, denn solchen Veranstaltern erwächst regelmäßig kein abschöpfbarer Vorteil aus der überdurchschnittlichen Beanspruchung des staatlichen Sicherheitsapparats (BU, juris Rn. 81). Ebenso ist die Beschränkung der Gebührenpflicht auf Veranstaltungen mit zu erwartenden Gewalthandlungen sachlich gerechtfertigt. Bei Veranstaltungen mit ""spontanen Gewalthandlungen"" fehlt es von vornherein an der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften; auch kann keine vorherige Unterrichtung stattfinden (vgl. BU, juris Rn. 82). Soweit die Klägerin schließlich die fehlende Erstreckung der Gebührenpflicht auf Veranstaltungen ""mit stets unfriedlichem Verlauf"" als gleichheitswidrig rügt, ist schon nicht erkennbar, welche Veranstaltungen hierunter fallen könnten. Im Übrigen ließe sich der Wortlaut aber auch auf solche Veranstaltungen ohne Weiteres anwenden. 76 (2) Der Gesetzgeber musste von dem gebührenpflichtigen Mehraufwand (§ 4 Abs. 4 Satz 2 BremGebBeitrG) keinen steuerfinanzierten Eigenanteil wegen des allgemeinen Interesses an der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung vorsehen. 77 Die Klägerin hält einen solchen Abschlag für geboten, da das in der Gebührennorm angelegte Verhältnis von Normalaufwand und Mehraufwand nicht das Verhältnis von Allgemeininteresse und Individualinteresse widerspiegele. So beliefen sich im konkreten Fall die Gesamtkosten für den Polizeieinsatz auf rund 500 000 €, wovon 415 000 € auf den Mehraufwand entfielen, also etwa 83 %. Ein derart überwiegendes Interesse des Veranstalters am Gesamteinsatz bestehe nicht, zumal der gebührenpflichtige Polizeieinsatz sich nicht im Stadion oder im Hausrechtsbereich des Stadions abspiele, sondern im gesamten öffentlichen Raum zum Schutz von Rechtsgütern unbeteiligter Dritter erfolge. 78 Zwar trifft es zu, dass das Bundesverwaltungsgericht für bestimmte Fallgestaltungen einen (Gemeinwohl-)Abschlag verlangt. So hat es etwa zum Straßenreinigungsrecht entschieden, dass es sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht erweist und es daher gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn Kosten, die die Befriedigung des Allgemeininteresses betreffen, allein den Anliegern aufgebürdet werden (BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C 55.82 und 8 C 58.82 - BVerwGE 69, 242 <245 f.> und vom 7. April 1989 - 8 C 90.87 - BVerwGE 81, 371 <373>). Vergleichbar argumentiert es etwa zu den Beiträgen nach dem Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 6 C 8.99 - BVerwGE 112, 194 <205 f.>) oder zu den Rundfunkbeiträgen (BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 41). Auch gesetzlichen Regelungen, die gewisse Eigenanteile vorsehen (etwa § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB zum Erschließungsbeitrag oder § 3 Abs. 2 BPolG), liegen ähnliche Gedanken zugrunde. 79 Der Unterschied zu den vorgenannten Fallgestaltungen liegt aber darin, dass es bei § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG um einen polizeilichen Mehraufwand geht, der ausschließlich aufgrund einer privatnützigen, gewinnorientierten Veranstaltung entsteht. Die gebührenpflichtige Maßnahme (zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften) wird mit anderen Worten - anders als in den zuvor beschriebenen Fällen - nicht ohnehin im Allgemeininteresse durchgeführt. Unter solchen Umständen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, diese Mehrkosten nicht, auch nicht teilweise, über den allgemeinen Haushalt zu finanzieren, verfassungsrechtlich hinzunehmen. 80 2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des nach alledem insgesamt verfassungskonformen § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG lagen nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts vor. 81 Bei dem Fußballspiel am 19. April 2015 zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV handelte es sich um eine gewinnorientierte Veranstaltung, bei der mit mehr als 5 000 Teilnehmern zu rechnen war. Auf der Grundlage polizeilicher Erkenntnisse aus früheren Begegnungen der beiden Fußballvereine waren der Lageeinschätzung im Unterstützungsersuchen der Polizei Bremen vom 8. April 2015 zufolge bei diesem Nordderby ab dem Vormittag des 19. April 2015 bis in die Abendstunden hinein Gewalthandlungen durch Anhänger beider Fußballvereine zu erwarten. Hierdurch war auch mit dem Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften zu rechnen, wobei als Maßstab für den Vergleich die sogenannten ""Grün- und Gelbspiele"" der letzten Jahre gewählt wurden. Damit war die Veranstaltung grundsätzlich nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG gebührenpflichtig. 82 Entgegen der Auffassung der Klägerin musste auf der Bescheidebene die Frage der individuellen Zurechenbarkeit nicht (erneut) für die einzelnen Polizeimaßnahmen geprüft werden. Denn die Frage der individuellen Zurechenbarkeit ist für die gesamte staatliche Leistung als solche (zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften) nach dem - in der Sache zutreffenden - Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts schon auf der abstrakten Normebene geklärt. Soweit die Klägerin dem Oberverwaltungsgericht insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör vorwirft, greift diese Rüge daher nicht durch. Auf der Bescheidebene musste allerdings untersucht werden, ob die Leistung gerade auch der Klägerin zugerechnet werden konnte (s. dazu sogleich). 83 3. Kein durchgreifender Fehler ist dem Oberverwaltungsgericht insoweit unterlaufen, als es die Klägerin als (Mit-)Veranstalterin des Bundesligaspiels vom 19. April 2015 angesehen hat. Gegen den rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, von einer Mitveranstaltereigenschaft der Klägerin und des SV Werder Bremen GmbH & Co. KGaA (künftig: Fußballverein oder Heimverein) auszugehen, ist aus der Sicht des Bundesrechts dann nichts einzuwenden, wenn der gebührenrechtlich relevante Vorteil beiden (Mit-)Veranstaltern zugerechnet werden kann (a). Davon ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszugehen; die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (b). 84 a) Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, dass sowohl die Klägerin als auch der Fußballverein (Mit-)Veranstalter i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG (hier: des Fußball-Bundesligaspiels am 19. April 2015) waren. Die Klägerin führe nach § 2 Nr. 1 ihrer Satzung das operative Geschäft des DFL e.V. Hierdurch habe sich dieser ""seiner organisatorischen Aufgaben in Bezug auf den Spielbetrieb weitgehend begeben"". Nun oblägen der Klägerin ""die verantwortliche Leitung des Spielbetriebs der Lizenzligen, die Durchführung der Wettbewerbe des DFL e.V. und die Erfüllung der damit zusammenhängenden Aufgaben"". Sie schaffe insbesondere durch die Festlegung der Mannschaftspaarungen, Spielzeiten und Spielorte einen organisatorischen Rahmen für den Wettbewerb Fußball-Bundesliga. Ihr komme ""die übergreifende Organisation"" zu. Auch sei sie nach § 2 Nr. 1.1.3. der Satzung der Klägerin für die Vermarktung der Verwertungsrechte an den Spielen der Bundesliga zuständig. Demgegenüber erbringe der Fußballverein eine maßgebliche Rolle bei der Durchführung der in diesen Wettbewerb eingebetteten Spiele im Stadion. Ohne die Einbindung in den Wettbewerb der Bundesliga handele es sich bei einem Fußballspiel zwischen zwei Vereinen um ein bloßes Freundschaftsspiel; erst durch die sachliche und organisatorische Zusammenarbeit beider Akteure würde die Durchführung der (Wettbewerbs-)Veranstaltung möglich, was sie zu Mitveranstaltern mache (BU, juris Rn. 88). Unausgesprochen geht das Urteil damit zugleich davon aus, dass keinem der beiden (Mit-)Veranstalter ein deutliches Übergewicht bei ihrer organisatorischen Zusammenarbeit zukommt. 85 Diese Erwägungen sind aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ihnen liegt - entgegen der Auffassung der Klägerin - insbesondere keine willkürliche Auslegung der Begriffe ""Veranstalter oder Veranstalterinnen"" bzw. ""eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen"" zugrunde. Vielmehr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst betont, dass es keinen feststehenden gebührenrechtlichen Begriff des Veranstalters gebe; man müsse vielmehr stets auf den jeweiligen Kontext abstellen. Dies zugrunde gelegt, ist ein Rechtsfehler nicht feststellbar. Unstreitig ist, dass die Einbettung des in Rede stehenden Fußballspiels in den Wettbewerb ""Bundesliga"" gerade durch die Klägerin, nämlich durch deren ""offizielle Spielansetzung"", erfolgte. Diese Befugnis steht ihr nach § 2 Nr. 1.1.1. ihrer Satzung zu, wonach ihr ""die verantwortliche Leitung des Spielbetriebs der Lizenzligen"" obliegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin drängt sich angesichts dessen auch nicht auf, dass ihr Mitwirkungsanteil an der Veranstaltung derart untergeordnet war, dass ihre Inanspruchnahme von vornherein ausscheiden musste. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, man dürfe nicht auf den Wettbewerbscharakter der Veranstaltung abstellen. Hierfür gibt es keine nachvollziehbare Begründung, zumal gerade Fußballspiele der Bundesliga im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Überlegungen standen. 86 Als (Mit-)Veranstalterin durfte die Klägerin allerdings nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der gebührenrechtlich relevante Vorteil gerade auch ihr zugerechnet werden kann. Insoweit ist zu betonen, dass es hierbei nicht um die Frage geht, wer für Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit einem Fußballspiel verantwortlich ist, sondern allein um die Frage des wirtschaftlichen Vorteils (vgl. bereits oben unter 1 c) cc)) im Zusammenhang mit der Zurechnung). Auch wenn das Oberverwaltungsgericht diese Voraussetzung nicht noch einmal ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Veranstalterbegriff erwähnt, ist es jedenfalls der Sache nach zutreffend hiervon ausgegangen. Denn es beschränkt sich bei seiner Prüfung - wie oben erwähnt - nicht auf die rein organisatorische Zusammenarbeit der Klägerin mit dem Fußballverein zum Zustandekommen eines Wettbewerbsspiels. Vielmehr stellt es gerade auch auf die Verwertung der Vermarktungsrechte, also auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Durchführung dieser Veranstaltung ab. Dabei geht es in einem anderen Zusammenhang auch auf den Umfang dieses Interesses ein, indem es erwähnt, dass der Klägerin 3,15 % aus dem Erlös dieser Verwertung zustehen (BU, Rn. 25). 87 Der Einwand der Klägerin, der genannte Prozentwert beziehe sich auf sämtliche Vermarktungsrechte und nicht etwa auf ein einzelnes Bundesligaspiel, steht dieser Bewertung nicht entgegen. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Frage des wirtschaftlichen Vorteils nicht von der derzeitigen Ausgestaltung der Vertragsgrundlagen zwischen den verschiedenen wirtschaftlich von der Fußballbundesliga profitierenden Akteuren abhängen kann; diese muss gegebenenfalls geändert und an die rechtlichen Gegebenheiten angepasst werden. Ähnliches gilt, soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Fußballverein deutlich höhere Umsätze habe als sie selbst. Im Übrigen kann diesem Umstand im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs (s. dazu noch später) Rechnung getragen werden. 88 b) Den vorgenannten Feststellungen zur Mitwirkung der Klägerin an der Durchführung der Veranstaltung und ihrem hieran bestehenden wirtschaftlichen Interesse stehen keine begründeten Verfahrensrügen entgegen. 89 aa) Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe sich mit der Feststellung, der DFL e.V. habe sich ""seiner organisatorischen Aufgaben in Bezug auf den Spielbetrieb weitgehend begeben"" sowie der Feststellung, der Klägerin obliege die Aufgabe, die Spielorte zu bestimmen, auch sei sie für die Vermarktung der Verwertungsrechte an den Spielen der Bundesliga zuständig (BU, juris Rn. 88), verfahrensfehlerhaft nicht an seine Wahrunterstellung bestimmter Tatsachen gehalten. Stattdessen hätte das Gericht als wahr unterstellen müssen, dass die Klägerin (nur) Datum und konkrete Anstoßzeit im Auftrag des DFL e.V. bestimme und dass die Zuständigkeit der gesamten sonstigen Organisation sowie der Durchführung und der Vermarktung der Wettbewerbe Bundesliga und 2. Bundesliga dem DFL e.V. obliege, der seinerseits mit der Erfüllung dieser Aufgaben die Klägerin betraut habe. 90 Diese Kritik ist nicht berechtigt. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mehrere Beweisanträge gestellt, in denen es um die Aufgabenverteilung zwischen der Klägerin, dem gastgebenden Fußballverein SV Werder Bremen und dem Ligaverband e.V. (DFL e.V.) ging. Das Oberverwaltungsgericht hatte diese Beweisanträge mit der Begründung zurückgewiesen, die unter Beweis gestellten Tatsachen könnten als wahr unterstellt werden (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung S. 4). 91 Insoweit liegt ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Überzeugungsgrundsatz) nicht vor. Zwar darf das Gericht seiner Entscheidung keinen Sachverhalt zugrunde legen, der von einer Tatsache abweicht, die es bei der Ablehnung eines Beweisantrags als wahr unterstellt hat. Die Wahrunterstellung entfaltet aber keine Bindungswirkung für die Würdigung des betreffenden Lebenssachverhalts, d.h. das Gericht kann unter Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes bestimmte Schlüsse ziehen, solange die als wahr unterstellten Tatsachen zugrunde gelegt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. September 2018 - 6 B 134.18 - juris Rn. 8 m.w.N.). So liegt der Fall hier: Sowohl bei der Feststellung, der DFL e.V. habe sich seiner organisatorischen Aufgaben weitgehend begeben, als auch bei den weiteren Feststellungen zu den Aufgaben der Klägerin handelt es sich um keine Missachtung der als wahr zu unterstellenden Tatsachen in den Beweisanträgen, sondern um eine gerichtliche Würdigung des Lebenssachverhalts. Gerade durch den einleitenden Satz ""Durch die Übertragung des operativen Geschäfts auf die Klägerin ..."" wird deutlich, dass die Klägerin mit diesen Aufgaben betraut worden ist, ihr diese also nicht unabhängig von dieser Übertragung zustehen. 92 bb) Soweit die Klägerin ihre Rüge auch auf die im Urteil enthaltene Feststellung erstreckt, der Klägerin obliege auch ""die Festlegung von allgemeinen Spielstandards, wie etwa die Regelung der Vergabe von Kartenkontingenten an Gastvereine"" (BU, Rn. 88), handelt es sich schon deshalb nicht um eine Abweichung von den als wahr unterstellten Tatsachen, weil dieser Punkt nicht von den Beweisanträgen und damit auch nicht von der Wahrunterstellung umfasst war. 93 cc) Ob die letztgenannte Feststellung in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann im Übrigen offenbleiben. Gewisse Zweifel ergeben sich daraus, dass die Klägerin in der sogenannten Spielordnung des DFL e.V. im Zusammenhang mit den Kartenkontingenten sowie Kartensonderaktionen zwar tatsächlich erwähnt wird (vgl. dort unter III. § 3 Nr. 4 und 10), allerdings nur am Rande und ohne dass ihr insoweit eine entscheidende Rolle zukommt. Den Einzelheiten muss hier aber nicht nachgegangen werden. Denn die Klägerin hat diese Feststellung weder ordnungsgemäß mit einer Verfahrensrüge angegriffen noch deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt. An letzterer fehlt es auch offensichtlich, da diesem Punkt für das Oberverwaltungsgericht bei seiner beispielhaften Aufzählung der verschiedenen Aufgaben der Klägerin ersichtlich keine besondere Bedeutung zukam. Vielmehr hat es zur Begründung der Mitveranstalter-Eigenschaft der Klägerin entscheidend auf die Festlegung der Mannschaftspaarungen, Spielzeiten und Spielorte, also die konkrete Spielansetzung, abgestellt. 94 4. Dem Oberverwaltungsgericht ist auch hinsichtlich der Schuldnerauswahl kein Verstoß gegen Bundesrecht unterlaufen. 95 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass gebührenpflichtige Mitveranstalter i.S.d. § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG mangels anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen gemäß § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG als Gesamtschuldner im Sinne von §§ 421 ff. BGB haften; ein Rangverhältnis zwischen mehreren Mitveranstaltern begründe das Gesetz nicht. Es hat weiter angenommen, dass der Zweck der landesrechtlichen Regelung über die Gesamtschuldnerauswahl nicht im Schuldnerschutz bestehe, sondern allein darin, der Verwaltung den Gesetzesvollzug zu erleichtern und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu verringern. Die Behörde dürfe nach ihrer Wahl einen Gesamtschuldner zur Ausgleichszahlung in voller Höhe heranziehen, etwa aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, und es ihm überlassen, bei dem (oder den) mithaftenden weiteren Kostenschuldner(n) einen Ausgleich zu suchen. Begrenzt werde das weite Ermessen lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit. Diesem eingeschränkten Zweck des Landesgesetzes hat es schließlich auch entnommen, dass die Behörde im Regelfall nicht verpflichtet sei, die Gründe ihrer Auswahlentscheidung anzugeben (BU, juris Rn. 90). 96 Aus der Sicht des Bundesrechts ist das Ergebnis dieser Auslegung jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen nicht zu beanstanden (a); Verfahrensfehler sind dem Oberverwaltungsgericht insoweit nicht unterlaufen (b). 97 a) Der Senat ist an die Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht in Bezug auf das Verhältnis von § 4 Abs. 4 zu § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG gebunden. Der angebliche Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien (""Koa-Antrag"" S. 3), die nach Auffassung der Klägerin belegen, dass ein Auswahlermessen nur dann bestehen soll, wenn von den an der Veranstaltung Mitwirkenden keiner ein ""deutliches Übergewicht"" hat, liegt nicht vor. Denn das Berufungsgericht geht - wie oben im Zusammenhang mit der Veranstaltereigenschaft der Klägerin ausgeführt wurde - von einem solchen Übergewicht einer der beiden Akteure gerade nicht aus. 98 Auch unter der Prämisse, dass ein Rangverhältnis der (Mit-)Veranstalter nicht besteht und die Gesamtschuldnerauswahl im weiten, lediglich durch das Willkürverbot begrenzen Ermessen der Behörde liegt, hat der Senat allerdings Zweifel, ob der Ausschluss einer Begründungspflicht in dieser Allgemeinheit mit Bundesrecht - namentlich mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - vereinbar ist (zur Frage, ob und inwieweit die Gesamtschuldnerauswahl begründet werden muss, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 - Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 10 S. 101 einerseits; BFH, Urteile vom 2. Dezember 2003 - VII R 17/03 - BFHE 204, 380 Rn. 24 und vom 12. Februar 2009 - VI R 40/07 - BFHE 224, 306 Rn. 16, ebenso BSG, Urteil vom 23. Januar 2018 - B 2 U 4/16 R - juris Rn. 23 m.w.N. andererseits). Das kann aber offenbleiben. Denn hier besteht die Besonderheit, dass es nur zwei Gesamtschuldner gibt, die beide in denselben Ligaverband, den DFL e.V., eingebunden sind: Da dieser konzernähnlich strukturierte Ligaverband der Zusammenschluss der lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußball-Lizenzligen Bundesliga und 2. Bundesliga ist, gehört ihm auch der Fußballverein Werder Bremen an. Die Klägerin ist vom Ligaverband zur Wahrnehmung dessen operativen Geschäfts gegründet worden; der Ligaverband ist ihr einziger Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte ohne Weiteres erwarten, dass die Klägerin sich um einen angemessenen internen Ausgleich bemühen wird, wie es der Vertreter des DFL e.V. im Übrigen auch bereits in der öffentlichen Anhörung am 17. Oktober 2014 zum Gesetzentwurf in Anwesenheit des Vertreters des Fußballvereins angedeutet hatte (vgl. Ausschussprotokoll der 45. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschuss S. 920). 99 Dies zugrunde gelegt, ist der vom Verwaltungsgericht geäußerte Gedanke der Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung durch bewusste und endgültige Verschonung des Heimvereins Werder Bremen eher fernliegend, denn mit der ""Weitergabe der Rechnung"" an den Verein war nach der öffentlichen Ankündigung in der Anhörung ausdrücklich zu rechnen. 100 Hiervon abgesehen bewertet der Senat - anders als die beiden Vorinstanzen - die Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Profifußballs in Deutschland aber auch nicht als einen von vornherein unzulässigen Gesichtspunkt bei der Ermessensausübung. Es erscheint im Gegenteil gerade nicht sachwidrig, auf die Wettbewerbsfähigkeit des Fußballclubs insofern Rücksicht zu nehmen, als dieser nicht mit der vollen Summe in Vorkasse treten muss. Vielmehr kann gerade die Inanspruchnahme der für den Ligaverband, also den Zusammenschluss aller lizensierten Vereine, handelnden Klägerin dazu beitragen, dass eine aus Sicht des Profifußballs gerechte Lösung der Kostenaufteilungsfrage gefunden wird. 101 b) Soweit die Klägerin rügt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihrem Vortrag befasst, es sei ermessensfehlerhaft, die Klägerin anstelle des Fußballvereins heranzuziehen, geht es um Vortrag zu Rechtsfragen; ein etwaiger Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör kann daher grundsätzlich im vorliegenden Revisionsverfahren geheilt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2002 - 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109 f. m.w.N.). Hiervon abgesehen hat sich das Gericht mit dieser Rüge befasst (vgl. BU, juris Rn. 90). 102 Die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe gegen die ihm obliegende Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2, § 138 Nr. 6 VwGO) verstoßen, weil es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Auswahlentscheidung der Beklagten mit dem Ziel der Verwaltungspraktikabilität in Einklang gestanden habe, dringt ebenso wenig durch. Auf eine eigene Überzeugung von der Verwaltungspraktikabilität kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht an, da es - wie oben geschildert - davon ausgegangen ist, dass die Auswahlentscheidung im vorliegenden Fall keiner Begründung und keines besonderen Rechtfertigungsgrundes bedurfte. Ein weiteres Eingehen auf die Frage der Verwaltungspraktikabilität war damit aus Sicht des Gerichts nicht erforderlich. 103 5. Demgegenüber verstoßen die Erwägungen, auf die das Oberverwaltungsgericht seine Annahme stützt, die Gebührenfestsetzung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, teilweise gegen Bundesrecht. Zwar bestehen im Ausgangspunkt keine Bedenken hinsichtlich der Ermittlung der Gesamthöhe des Mehraufwandes (a) und der Auffassung des Gerichts, hiervon müssten weder Kosten für bestimmte Einsatzabschnitte noch für strafprozessuale Maßnahmen herausgerechnet werden (b). Es fehlt aber die notwendige Prüfung, ob diejenigen Kosten hätten abgezogen werden müssen, die konkreten Störern hätten in Rechnung gestellt werden müssen (c). 104 a) Das Oberverwaltungsgericht hat den im Bescheid festgesetzten Mehraufwand der konkreten Höhe nach gebilligt: Dem Kostenansatz liege ein sachgerecht gebildeter Basiswert in Höhe von 76 811,65 € zugrunde (aa), die Berechnung der Personalkosten gehe in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von einer Zahl von 969 eingesetzten Polizeikräften aus (bb) und auch die der Klägerin als Auslagen im Sinne der Gebührenziffer 120.60 der Anlage zu § 1 InKostVO in Rechnung gestellten Unterbringungs- und Verpflegungskosten für auswärtige Kräfte seien angemessen (cc). Diese Annahmen sind bundesrechtlich - jedenfalls im Ergebnis - nicht zu beanstanden. 105 aa) Hinsichtlich der Ermittlung des Basiswertes ist zunächst auf die obenstehenden Ausführungen unter 1 e) aa) (4) zu verweisen. Danach muss aus mehreren vergleichbaren Veranstaltungen ein Durchschnittswert gebildet werden. Hinsichtlich der Bundesligaspiele ist das Gericht nicht der Auffassung der Klägerin gefolgt, die Kosten des Polizeieinsatzes am 19. April 2015 müssten in einen Vergleich mit dem aufwendigsten ""Grünspiel"" aus der Saison 2013/2014 gesetzt werden, sondern hat den von der Beklagten gebildeten Durchschnitt sämtlicher Grün- und Gelbspiele der drei letzten Spielzeiten für plausibel gehalten, zumal er für die Klägerin den günstigeren Vergleichsmaßstab darstelle (BU, juris Rn. 94 f.). Dies ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 106 bb) Bei seiner gerichtlichen Kontrolle der Gefahrenprognose, auf die es für das Ob der Gebührenpflicht ankommt sowie seiner Kontrolle des konkreten Polizeieinsatzes, auf den es für den konkreten Gebührenumfang ankommt (s.o.), ist das Oberverwaltungsgericht allerdings von einem zu engen Prüfungsmaßstab ausgegangen. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durfte sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Prüfung beschränken, ob die der Prognose zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen ""(sorgfaltswidrig) von unzutreffenden Gegebenheiten ausgehen oder sonst offensichtlich unrichtig sind"" (BU, juris Rn. 66) bzw. ob der dem Gebührenschuldner in Rechnung gestellte Kräftebedarf ""offensichtlich exzessiv ist oder auf offensichtlich fehlerhaften rechtlichen oder taktischen Erwägungen beruht"" (vgl. BU, juris Rn. 97). 107 Zwar verlangt § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG, der auf zusätzliche Polizeikräfte abstellt, deren Einsatz ""vorhersehbar erforderlich"" wird, ähnlich wie der polizeirechtliche Gefahrenbegriff im Allgemeinen, eine Prognose. Dies gibt aber für die Annahme eines Beurteilungsspielraums nichts her. Die prognostischen Elemente sind vielmehr Elemente der Unbestimmtheit des Rechtsbegriffs. Als solche rechtfertigen sie für sich genommen keine Kontrollbeschränkung der Gerichte. Ihre Konkretisierung ist von Verfassungs wegen Sache der Rechtsprechung, die die Rechtsanwendung der Behörden auch insoweit regelmäßig uneingeschränkt nachzuprüfen hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. April 2017 - 2 BvR 1754/14 - juris Rn. 46 ). Dennoch durfte das Oberverwaltungsgericht dem irrevisiblen § 4 Abs. 4 Satz 1 BremGebBeitrG einen eingeschränkt justitiablen Prognosespielraum der Exekutive entnehmen, soweit es um Fragen der Einsatzplanung und -taktik bei der Bemessung des erforderlichen Kräfteansatzes geht (vgl. BU, juris Rn. 66, 98 a.E.). Denn insoweit ist das Entscheidungsverhalten der Behörde durch das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nicht vollständig determiniert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>). Das gilt zumal deshalb, weil der von der Behörde für erforderlich gehaltene Kräfteansatz keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der jeweiligen polizeilichen Maßnahme hat, die ihrerseits im Streitfall vollständig justitiabel ist. Auch unter dieser Prämisse hat das Gericht aber uneingeschränkt zu überprüfen, ob die dem polizeilichen Kräfteansatz zugrunde liegende Prognose auf einer zutreffenden - und bis zum Polizeieinsatz aktualisierten - tatsächlichen Grundlage beruht. Zudem ist die prognostische Einschätzung selbst ohne weitergehende Einschränkungen auf ihre Plausibilität zu überprüfen. 108 Der unzureichende rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts hat sich aber im Ergebnis nicht ausgewirkt. Denn es hat der Sache nach die der Gebührenfestsetzung zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen, insbesondere den kurzfristig erhöhten Polizeikräfteeinsatz, auf seine Plausibilität überprüft und Fehler nicht festgestellt. So hat es insbesondere die Zahl der Fans der verschiedenen Fan-Kategorien mit denjenigen bei vergleichbaren Nordderbys verglichen und die im Befehl Nr. 1 der zentralen Einsatzsteuerung vom 16. April 2015 enthaltene Begründung zur Erhöhung des ursprünglich prognostizierten Personalansatzes von 800 Beamten auf 969 Beamte näher betrachtet; diese Begründung hat es als ""überzeugend und nachvollziehbar dargelegt"" bewertet. Schließlich habe die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, dass sich die Brisanz der Fußballbegegnung besonders durch die Ergebnisse der vorherigen Spieltage und den drohenden Abstieg des Hamburger SV mit dem Heranrücken des Saisonendes verschärft habe (BU, juris Rn. 98). An diese tatrichterlichen Würdigungen ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden. Eine (noch) eingehendere Prüfung musste sich dem Oberverwaltungsgericht nicht aufdrängen, nachdem die Klägerin ihre schriftlich vorbereiteten Beweisanträge, die darauf abzielten, den Polizeikräfteeinsatz am 19. April 2015 näher aufzuklären, in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat. 109 cc) Ähnliches gilt hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe der Unterbringungs- und Verpflegungskosten für auswärtige Kräfte im Bremer Stadtgebiet. Auch insoweit ist der Senat an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden. Zwar hat die Klägerin ihre hierzu vorbereiteten Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung zunächst gestellt. Sie hat sie später aber ausdrücklich wieder zurückgenommen, nachdem der Beklagte den Gebührenbescheid in der mündlichen Verhandlung um ca. 10 000 € herabgesetzt hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2018, S. 4). 110 b) Von diesem Mehraufwand mussten weder Kosten für bestimmte Einsatzabschnitte noch für strafprozessuale oder sogenannte doppelfunktionale Maßnahmen herausgerechnet werden. Hinsichtlich der Einsatzabschnitte begründet das Oberverwaltungsgericht dies zutreffend mit dem Gebührentatbestand, der den Polizeieinsatz in seiner Gesamtheit dem Veranstalter zurechnet und nicht nur am Veranstaltungsort (hier das Stadion) bzw. in seiner räumlichen Nähe (BU, juris Rn. 101). Den anteilig auf Maßnahmen der Strafverfolgung entfallenden Personalkosten kommt nach den Feststellungen des Gerichts eine gebührenrechtlich ""absolut untergeordnete Bedeutung"" zu. Auch daran ist der Senat gebunden, so dass auch etwaige Kosten für die Verfolgung einzelner Straftaten (§ 464a StPO i.V.m. Nr. 9015 KV GKG) nicht abzuziehen waren. Schließlich können auch Maßnahmen mit sowohl polizeirechtlicher als auch strafprozessualer Zielsetzung (doppelfunktionale Maßnahmen), wie etwa Durchsuchungen, Sicherstellungen und Beschlagnahmen ohne Abzug in den gebührenpflichtigen Aufwand eingerechnet werden, denn die polizeilichen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung stehen grundsätzlich nebeneinander, auch wenn eine polizeiliche Maßnahme im Einzelfall der Erfüllung beider Aufgaben dienen kann. Dementsprechend überschneiden sich die Regelungen des Polizeirechts und der Strafprozessordnung grundsätzlich nicht (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 - 6 B 25.01 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 69 S. 8 f.). 111 c) Anders zu bewerten sind aber die Kosten für solche polizeilichen Maßnahmen, die anlässlich des Fußballspiels am 19. April 2015 gegen einzelne Störer ergriffen worden sind. 112 Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem Gebührentatbestand ausgeführt wurde, muss insoweit eine ""Doppelabrechnung"" derselben Leistung vermieden werden. Von Bundesrechts wegen ergibt sich dies aus dem Gebot der Folgerichtigkeit als bereichsspezifischer Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG im Abgabenrecht (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 1. April 2014 - 2 BvL 2/09 - BVerfGE 136, 127 Rn. 51 m.w.N.). Dem Veranstalter können deshalb nicht ohne Weiteres auch solche Kosten in Rechnung gestellt werden, die nach den Regelungen des Bremer Landesrechts gegenüber einzelnen Störern geltend zu machen sind. Dabei geht es vor allem um die Kosten polizeilicher Ingewahrsamnahmen, die unter den in § 15 Abs. 1 Nr. 3 BremPolG genannten Voraussetzungen insbesondere zur Durchsetzung einer Platzverweisung nach § 14 BremPolG erfolgen können. Solche Ingewahrsamnahmen hat es am 19. April 2015 in nicht geringem Umfang gegeben; die Beklagte geht in ihrer in der mündlichen Verhandlung überreichten Kostenerläuterung von insgesamt 91 Fällen aus. Für diese auf Veranlassung des Störers vorgenommenen Amtshandlungen kann auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BremGebBeitrG i.V.m. Nr. 120.1 Ziff. 3, Nr. 120.30 Alt. 3 der Anl. zu § 1 InKostV eine Verwaltungsgebühr erhoben werden. In welchem Verhältnis diese Kostenregelung gegenüber Störern zu der hier in Rede stehende Veranstaltergebühr nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG steht, ist in erster Linie eine Frage des Bremer Landesrechts. 113 Das Oberverwaltungsgericht hat diese Auslegungsfrage in dem angefochtenen Urteil nicht beantwortet. Zwar hat es ausgeführt, dass ""einzelne Amtshandlungen"" nicht herauszurechnen seien (BU, juris Rn. 91); aus dem Kontext ergibt sich aber, dass damit nicht die konkreten Störerkosten gemeint waren. Auch die Beklagte selbst hatte diese Kosten bislang nicht im Blick. Damit steht es nach § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO grundsätzlich im Ermessen des Senats, ob er das irrevisible Recht eigenständig auslegt oder die Sache an die Vorinstanz zurückverweist (BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 S. 65; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 137 Rn. 82). Da die Auslegung nach Überzeugung des Senats nicht losgelöst von der Verwaltungspraxis der Beklagten in Bezug auf Ingewahrsamnahmen bei Großveranstaltungen sowie den in der mündlichen Verhandlung angedeuteten Praktikabilitätserwägungen vorgenommen werden sollte und ohnehin noch tatsächliche Feststellungen zum genauen Umfang der Ingewahrsamnahmen und der damit verbundenen Kosten fehlen (s. dazu sogleich), wird die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. 114 Die Frage des etwaigen Abzugs konkreter Störerkosten hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Beklagte noch in der mündlichen Verhandlung - ausgehend von 91 Ingewahrsamnahmen - eine einschlägige Berechnung nachgereicht und den Gebührenbescheid in Höhe von rund 14 000 € aufgehoben hat. Denn die Klägerin hat ausdrücklich bestritten, dass die dieser Berechnung zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen zutreffen. Da der Senat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen darf, muss die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Sollte es - je nach Auslegungsergebnis in Bezug auf das Verhältnis der beiden Kostenregelungen zueinander (s.o.) - im Ergebnis auf einen Abzug der konkreten Ingewahrsamskosten hinauslaufen, wäre schließlich durch das Oberverwaltungsgericht zu klären, ob sich der Abzug auf die Kosten für die ""Gestellung von Beamten und Fahrzeugen (...) zur Begleitung oder Beförderung der Personen"" in den Polizeigewahrsam (Transportkosten) zu beschränken hätte (vgl. Anl. InKostV Nr. 120.1 Ziff. 3 ""Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand""), da der Klägerin gegenüber wohl nur insofern eine Doppelabrechnung im Raum steht. Demgegenüber hat die Beklagte ihrer Kostenberechnung - möglicherweise ""überschießend"" - auch die Kosten für die ""Unterbringung von Personen im Polizeigewahrsam"" (vgl. Nr. 120.30 Alt. 1 ""für jede angefangenen 24 Stunden 36,55 €"") zugrunde gelegt. 115 6. Da sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO)." bverwg_2019-27,03.04.2019,"Pressemitteilung Nr. 27/2019 vom 03.04.2019 EN Keine Verbandsklagebefugnis bei Verbraucherberatung im wirtschaftlichen Interesse Dritter Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Verein nur dann in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragen werden kann, wenn er Verbraucheraufklärung und -beratung im ausschließlichen Interesse der Verbraucher leistet. Das ist nicht der Fall, wenn die Aufklärung und Beratung dem wirtschaftlichen Interesse des Vereins oder Dritter dient. Der klagende Verein wurde 2002 gegründet. Zu seinen satzungsmäßigen Zwecken gehört die Förderung des Verbraucherschutzes durch Verbraucherberatung und -aufklärung auf dem Gebiet der geschlossenen Fondsmodelle und sonstigen Kapitalanlagemodelle. Seine Gründungsmitglieder gehörten mehrheitlich einer entsprechend spezialisierten Anwaltskanzlei an. 2010 beantragte der Verein die Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 und 2 UKlaG. Vereine, die in diese Liste eingetragen sind, dürfen Ansprüche bei Verstößen gegen die in §§ 1 bis 2 UKlaG benannten Verbraucherrechte auch klageweise geltend machen. Das Bundesamt für Justiz lehnte den Antrag ab. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Tätigkeit des Klägers diene in nennenswertem Umfang wirtschaftlichen Interessen der genannten Anwaltskanzlei. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen setzt nach § 4 Abs. 2 UKlaG nicht nur voraus, dass es zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Vereins gehört, Verbraucherinteressen durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Zusätzlich muss aufgrund der bisherigen Vereinstätigkeit gesichert erscheinen, dass die satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllt werden. Dazu muss die Aufklärung und Beratung bereits in der Vergangenheit tatsächlich im ausschließlichen Interesse der Verbraucher und nicht im wirtschaftlichen Interesse des Vereins oder Dritter erbracht worden sein. Daran fehlt es nach den Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts. Danach betreibt der Kläger seine Aufklärungs- und Beratungstätigkeit auch im wirtschaftlichen Interesse der Anwaltskanzlei. Diese bildet mit ihm eine Zweckgemeinschaft, die u.a. darauf ausgerichtet ist, Mandanten für die Kanzlei zu gewinnen. Der Kläger empfiehlt Mitgliedern, die rechtliche Beratung benötigen, ausschließlich diese Kanzlei. Er wirbt für deren Leistungen mit Honorarermäßigungen, die sie seinen Mitgliedern gewährt, und gibt die Ergebnisse seiner für die Mitglieder durchgeführten Recherchen ausschließlich an Anwälte dieser Kanzlei weiter. BVerwG 8 C 4.18 - Urteil vom 03. April 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 4 A 1621/14 - Urteil vom 16. April 2018 - VG Köln, 1 K 3291/12 - Urteil vom 26. Juni 2014 -","Urteil vom 03.04.2019 - BVerwG 8 C 4.18ECLI:DE:BVerwG:2019:030419U8C4.18.0 EN Keine Verbandsklagebefugnis bei Verbraucherberatung - auch - im wirtschaftlichen Interesse Dritter Leitsätze: 1. Eine Verbraucheraufklärung und -beratung ist nicht gewerbsmäßig im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG, wenn sie im ausschließlichen Verbraucherinteresse betrieben wird und nicht wirtschaftlichen Interessen des die Aufgabe wahrnehmenden Vereins oder Dritter dient. 2. Ein Verein, dessen Verbraucheraufklärung und -beratung darauf zielt, Mandanten für eine bestimmte, mit dem Verein im wechselseitigen Interesse verflochtene Rechtsanwaltskanzlei zu gewinnen, betreibt diese Tätigkeit im wirtschaftlichen Interesse eines Dritten und damit gewerbsmäßig im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 UKlaG § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AGBG a.F. § 22a Abs. 1 und 2 Richtlinie 2009/22/EG Art. 3 Buchst. b, Erwägungsgründe 10 f. Richtlinie 2011/83/EU Art. 23 Abs. 2 Buchst. b, Erwägungsgrund 56 Instanzenzug VG Köln - 26.06.2014 - AZ: VG 1 K 3291/12 OVG Münster - 16.04.2018 - AZ: OVG 4 A 1621/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 03.04.2019 - 8 C 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:030419U8C4.18.0] Urteil BVerwG 8 C 4.18 VG Köln - 26.06.2014 - AZ: VG 1 K 3291/12 OVG Münster - 16.04.2018 - AZ: OVG 4 A 1621/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG). 2 Im Jahr 2002 wurde der Kläger von neun natürlichen Personen gegründet, von denen fünf - vier Rechtsanwälte und eine Rechtsanwaltsgehilfin - der auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei S. und Partner (im Folgenden: Kanzlei S.) angehörten. Als Vereinszweck bestimmt § 2 Abs. 2 der Satzung des Klägers ""die Förderung des Verbraucherschutzes durch Verbraucherberatung und -aufklärung auf dem Gebiet der geschlossenen Fondsmodelle und sonstige[n] Kapitalanlagemodelle"". Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Satzung ""versteht [der Verein] sich als Verbraucherschutzvereinigung. Er ist Ansprechpartner für Investoren, deren Kapitalanlagen notleidend geworden sind"", und wird nach § 2 Abs. 4 der Satzung selbstlos tätig, ohne in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke zu verfolgen. Das Recht zur Wahl des Vereinsvorstandes behält § 8 Abs. 3 der Satzung den vereinsangehörigen Gründungsmitgliedern als ""Sonderrecht"" vor. 3 Im Juni 2010 beantragte der Kläger, ihn in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 2 UKlaG einzutragen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da eine sachgerechte, von gewerblichen Interessen Dritter unabhängige Aufklärungs- und Beratungstätigkeit nicht gewährleistet sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. 4 Das Verwaltungsgericht Köln hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Aufgrund der bisherigen Vereinstätigkeit erscheine es nicht gesichert, dass der Kläger seine satzungsmäßigen Aufgaben, insbesondere die nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung der Verbraucher, auch künftig dauerhaft, wirksam und sachgerecht im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG erfüllen werde. Nicht sachgerecht sei eine Verbraucheraufklärung und -beratung, die in nennenswertem Umfang eigenen wirtschaftlichen Interessen eines Verbandes oder Dritter diene. Das Erfordernis nicht gewerbsmäßiger Aufklärungs- und Beratungstätigkeit stehe nicht nur der Eintragung sogenannter Abmahn- oder Mischvereine entgegen. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Regelung, Interessenkollisionen zwischen den Verbraucherinteressen einerseits und wirtschaftlichen Interessen des Vereins oder Dritter andererseits zu vermeiden, schließe sie die Eintragung aller Vereine aus, bei denen eine von fremden wirtschaftlichen Interessen unbeeinflusste Verbraucherberatung und -aufklärung nicht gesichert erscheine. Zu diesen Vereinen zähle der Kläger, weil seine Aufklärungs- und Beratungstätigkeit in nennenswertem Umfang den wirtschaftlichen Interessen der Kanzlei S. diene. Aufgrund seiner intensiven Verflechtung mit dieser lasse sich nicht ausschließen, dass der Kläger als ""Mandats-A[k]quirierungsmaschine"" für die Kanzlei tätig werde. Die Verflechtung sei bereits in der Gründungsgeschichte und der Satzung des Vereins angelegt. Die satzungsmäßige Tätigkeit des Klägers stelle die Interessenvertretung von Investoren notleidender Fonds in den Vordergrund. Sie münde regelmäßig und zielgerichtet in eine anwaltliche Beratung, für die der Kläger ausschließlich die Kanzlei S. empfehle. Nur dieser Kanzlei stelle er auch seine Rechercheergebnisse über den wirtschaftlichen Verlauf problematisch gewordener Fonds zur Verfügung. Außerdem werbe er für die Kanzlei mit Honorarermäßigungen, die diese seinen Mitgliedern gewähre. Die Veröffentlichungen des Klägers ließen für einen objektiven Beobachter keine Trennung zwischen Verein und Kanzlei mehr erkennen. Mehr als zwei Drittel der im Internet veröffentlichten Blogeinträge und News sowie der im Vereinsmagazin erscheinenden Berichte und sonstigen Stellungnahmen des Klägers stammten von Rechtsanwälten der Kanzlei. In seinen Veröffentlichungen weise der Kläger ausschließlich auf eine gerichtliche Vertretung durch die Kanzlei S. hin. Schließlich seien Verein und Kanzlei auch finanziell im wechselseitigen Interesse intensiv miteinander verflochten. Mitglieder des Klägers würden an die Kanzlei weitergereicht; Mandanten der Kanzlei würden auf die Vorteile einer Vereinszugehörigkeit gestoßen. 5 Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG solle ebenso wie die vorherige Fassung der Regelung Abmahn- und Mischvereine von der Eintragung ausschließen. Strengere Eintragungsvoraussetzungen ergäben sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem systematischen Zusammenhang der Norm. Insbesondere werde keine von jeglichen wirtschaftlichen Interessen freie Aufklärungs- und Beratungstätigkeit verlangt. Die Kooperation des Klägers mit der Kanzlei S. stehe der Eintragung daher nicht entgegen. Sie diene den Verbraucherinteressen und lasse auch keine Interessenkonflikte besorgen. Die gegenteiligen Annahmen der Vorinstanz seien revisionsrechtlich nicht bindend, da sie auf einem unrichtigen Normverständnis beruhten. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. April 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Juni 2014 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 Abs. 1 und 2 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) einzutragen. 7 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das angegriffene Urteil. II 9 Die Revision ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dem Kläger stehe gemäß § 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen - Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 2002 (BGBl. I S. 3422, 4346), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446), kein Anspruch auf Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen zu (§ 137 Abs. 1 VwGO). 10 In die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG werden nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG auf Antrag rechtsfähige Vereine eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn sie mindestens drei im gleichen Aufgabenbereich tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben (Nr. 1), mindestens ein Jahr bestanden haben (Nr. 2) und wenn aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden (Nr. 3). Die letztgenannte Voraussetzung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint. 11 § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG verlangt nicht nur, dass dem Verein nach seiner Satzung - rechtlich - die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung obliegt. Darüber hinaus muss der Verein diese satzungsmäßige Aufgabe nach Ziffer 3 der Vorschrift bisher - tatsächlich - dauerhaft sachgerecht und wirksam erfüllt haben, sodass aufgrund dieser Tätigkeit eine entsprechende weitere Aufgabenerfüllung auch für die Zukunft gesichert erscheint. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung. Er verlangt eine Prognose und bestimmt die bisherige Vereinstätigkeit als deren Grundlage. Mit den Worten ""auch künftig"" verdeutlicht er, dass bereits in der Vergangenheit eine dauerhaft sachgerechte und wirksame, nicht gewerbsmäßige Verbraucheraufklärung und -beratung betrieben worden sein muss. Die Formulierung, auf dieser Grundlage müsse eine ebensolche künftige Tätigkeit ""gesichert"" erscheinen, gibt den Prognosemaßstab vor. Er wird verfehlt, wenn nach der bisherigen Vereinspraxis Zweifel an der künftigen Durchführung einer nicht gewerbsmäßigen, dauerhaft sachgerechten und wirksamen Verbraucheraufklärung und -beratung bestehen. 12 1. Nicht gewerbsmäßig ist eine Aufklärungs- und Beratungstätigkeit, die im ausschließlichen Interesse der Verbraucher betrieben wird und nicht wirtschaftlichen Interessen des Vereins oder Dritter dient. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG, dem daraus abzuleitenden Regelungszweck und dem systematischen Zusammenhang der Norm. 13 a) Die Entstehungsgeschichte belegt einen doppelten Zweck der Regelung. Zum einen soll sie die Verbandsklagebefugnis zur effektiven Durchsetzung von Verbraucherrechten über den Kreis der klassischen Verbraucherverbände hinaus auf Vereine erstrecken, die ebenso wie jene Verbände eine Verbraucheraufklärung und -beratung im kollektiven Verbraucherinteresse betreiben. Zum anderen soll sie einen Missbrauch dieser Klagebefugnis durch Vereine ausschließen, deren Tätigkeit sich nicht ausschließlich am kollektiven Verbraucherinteresse ausrichtet, sondern - zumindest auch - den wirtschaftlichen Interessen des Vereins oder Dritter dient. 14 § 4 UKlaG geht auf § 22a Abs. 1 und 2 des AGB-Gesetzes zurück, der die Eintragungsfähigkeit an die satzungsmäßige Aufgabe der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen durch Aufklärung und Beratung knüpfte. Im Zuge der Überführung der Vorschrift in § 4 UKlaG a.F. (vgl. Art. 3 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138) wurde diese Eintragungsvoraussetzung um die Merkmale ""nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend"" sowie um das Erfordernis ergänzt, die Vereine müssten ""seit mindestens einem Jahr bestehen und aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten"". Die Begründung erläutert die Notwendigkeit einer präzisierenden Regelung mit dem Missbrauch der Verbandsklagebefugnis durch Abmahnvereine. Sie sieht darin jedoch nur ein Beispiel für Verbände, die den Verbraucherschutz trotz entsprechender satzungsmäßiger Aufgabenzuweisung tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht sachgerecht wahrnehmen. Mit der Ergänzung des Tatbestandes wollte der Gesetzgeber jeglichen Missbrauch ausschließen und sicherstellen, dass nur Vereine eingetragen werden, die den ihnen satzungsmäßig obliegenden Verbraucherschutz auch tatsächlich aktiv, ernsthaft und ebenso sachgerecht wahrnehmen wie die klassischen Verbraucherverbände (vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 9. Oktober 2001, BT-Drs. 13/7052, S. 208). 15 Die Neufassung des § 4 Abs. 2 UKlaG durch Art. 3 Nr. 5 Buchst. b des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233) behielt diese Zielsetzung bei und konkretisierte die tatsächlichen Eintragungsvoraussetzungen, um sie klarer und verständlicher zu regeln (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 15. April 2015, BT-Drs. 18/4631, S. 24). Dabei betont die Gesetzesbegründung die Notwendigkeit, die satzungsrechtliche Verpflichtung zur nicht gewerbsmäßigen Verbraucheraufklärung und -beratung in der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung des Vereins konsequent zu erfüllen. Sie stellt ausdrücklich klar, dass die Aufklärung und Beratung im ausschließlichen Interesse der Verbraucher betrieben werden muss und nicht eigenen wirtschaftlichen Interessen des Vereins oder Dritter dienen darf (BT-Drs. 18/4631, S. 25). 16 b) Die systematische Auslegung führt zum selben Ergebnis. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 UKlaG wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Eintragungsvoraussetzungen erfüllen. Die klassischen, den kollektiven Verbraucherinteressen verpflichteten Verbraucherverbände bilden damit das Modell eintragungsfähiger Vereine. § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG erstreckt und begrenzt die Eintragungsfähigkeit auf Vereine, die nach dem Vorbild dieser klassischen Verbände eine ausschließlich dem kollektiven Verbraucherinteresse dienende Verbraucheraufklärung und -beratung leisten. 17 c) Der entstehungsgeschichtlich belegte und systematisch bestätigte Regelungszweck gebietet eine Auslegung, nach der eine gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung der Verbraucher nicht erst bei gewerblicher Tätigkeit vorliegt, sondern schon, wenn die Aufklärung und Beratung satzungsmäßig oder tatsächlich nicht im ausschließlichen Verbraucherinteresse betrieben wird. Das ist nicht nur bei Mischverbänden der Fall, die schon nach ihrer Satzung sowohl im Verbraucherinteresse als auch im wirtschaftlichen Interesse des Vereins, seiner Mitglieder oder Dritter tätig werden (dazu vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 1982 - I ZR 81/81 - juris Rn. 11 f., 14 und vom 12. Juli 1984 - I ZR 37/82 - juris Rn. 13). Das Eintragungshindernis betrifft auch nicht nur Vereine, bei denen sich aus anderen Gründen - etwa wegen institutioneller Verflechtungen - Kollisionen zwischen den Verbraucherinteressen und den Interessen des Vereins oder Dritter abzeichnen (dazu vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1988 - I ZR 170/86 - juris Rn. 23 f.). Ebenso wenig eintragungsfähig sind Vereine, denen zwar satzungsmäßig die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung der Verbraucher obliegt, die diese Aufgabe aber tatsächlich nicht im ausschließlichen Verbraucherinteresse erfüllen, sondern mindestens auch im wirtschaftlichen Interesse des Vereins oder Dritter wahrnehmen. 18 Das angegriffene Urteil geht zutreffend von dieser Konkretisierung der Eintragungsvoraussetzungen aus. Einzelne Urteilserwägungen, die einen nennenswerten Einfluss wirtschaftlicher Interessen des Vereins oder Dritter für unzulässig erklären, sind aus dem Zusammenhang mit den berufungsgerichtlichen Feststellungen zur Verflechtung des Klägers mit der Kanzlei S. und den darauf bezogenen Subsumtionserwägungen zu verstehen. Sie zielen nicht auf eine - im Übrigen unzutreffende - Relativierung der gesetzlichen Anforderungen an eine nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung der Verbraucher. Die Frage, inwieweit damit sonstiges eigenwirtschaftliches Handeln des Vereins zu vereinbaren ist, muss hier nicht erörtert werden. Jedenfalls darf die Verbraucheraufklärung und -beratung selbst keinen wirtschaftlichen Interessen des Vereins oder Dritter, sondern allein dem kollektiven Verbraucherinteresse dienen. Zielt sie dagegen darauf, Dritten wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, scheidet eine Eintragung aus. 19 d) Diese Auslegung des Erfordernisses nicht gewerbsmäßiger Verbraucheraufklärung und -beratung ist verfassungs- und unionsrechtskonform. 20 Der Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) ist nicht berührt, weil der Kläger auch ohne Eintragung nach § 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 UKlaG satzungsgemäß tätig sein kann. Die gesetzliche Besserstellung von Vereinen, die eine Aufklärung und Beratung der Verbraucher in deren ausschließlichem Interesse betreiben, ist auch gleichheitskonform (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie wird sachlich dadurch gerechtfertigt, dass eine solche Wahrnehmung der Verbraucherinteressen besser geeignet ist, den Regelungszweck einer effektiven Durchsetzung von Verbraucherrechten zu gewährleisten, als eine Aufklärung und Beratung, die - zumindest auch - wirtschaftlichen Eigen- oder Drittinteressen dient. 21 § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG steht mit Unionsrecht in Einklang. Art. 3 Buchst. b und Erwägungsgründe 10 f. der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz von Verbraucherinteressen (ABl. L 110 S. 30) behalten es dem nationalen Recht vor, die Voraussetzungen der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden zu regeln. Welche Personen oder Organisationen ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher im Sinne des Art. 23 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinien 93/13/EWG des Rates und 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 S. 64) haben, ist gemäß Erwägungsgrund 56 dieser Richtlinie ebenfalls nach nationalem Recht zu bestimmen. Dass § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG eine nicht gewerbsmäßige Tätigkeit im Sinne einer Aufklärung und Beratung im ausschließlichen Verbraucherinteresse verlangt, widerspricht nicht dem Grundsatz des effet utile. Vielmehr erhöht diese Anforderung die Wirksamkeit der unionsrechtlichen Vorgaben zur effektiven Durchsetzung von Verbraucherrechten, weil sie eine konsequente Wahrnehmung von Verbraucherinteressen ohne Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen des Vereins oder Dritter fördert. 22 2. Der Kläger betreibt keine nicht gewerbsmäßige Verbraucheraufklärung und -beratung in diesem Sinne. Dabei kann offen bleiben, ob er die satzungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG erfüllt. Insbesondere muss nicht geklärt werden, ob sie schon wegen der satzungsmäßigen Beschränkung der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen auf einen Bereich verfehlt werden, in dem regelmäßig individueller Rechtsberatungsbedarf besteht und der zum Spezialgebiet der Kanzlei gehört, mit der der Kläger exklusiv kooperiert. Dahinstehen kann auch, ob es mit dem Erfordernis einer satzungsrechtlichen Verpflichtung zur nicht gewerbsmäßigen Aufklärung und Beratung der Verbraucher vereinbar ist, dass § 2 Abs. 4 der Satzung nur eine ""in erster Linie"" eigenwirtschaftlichen Zwecken dienende Tätigkeit ausschließt. Selbst wenn danach von einer satzungsmäßigen Aufgabe nicht gewerbsmäßiger Verbraucheraufklärung und -beratung auszugehen sein sollte, hat der Kläger diese Aufgabe jedenfalls entgegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UKlaG bisher nicht sachgerecht erfüllt. Er betreibt die Aufklärung und Beratung nicht im ausschließlichen Interesse der Verbraucher, sondern auch im wirtschaftlichen Interesse der Kanzlei S. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils. Sie binden den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, weil sie nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wurden. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers vernachlässigen die Unterscheidung zwischen der vollen Überprüfbarkeit revisibler rechtlicher Annahmen und der gesetzlichen Bindung an ungerügte Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz. 23 Nach diesen Tatsachenfeststellungen übt der Kläger seine Aufklärungs- und Beratungstätigkeit in einer Zweckgemeinschaft mit der Kanzlei S. so aus, dass die Tätigkeit in nennenswertem Umfang den wirtschaftlichen Interessen der Kanzlei dient. Sie zielt darauf ab, Mandanten für die Kanzlei zu gewinnen, die mit dem Kläger im wechselseitigen Interesse intensiv verflochten ist (dazu und zum Folgenden vgl. S. 2 ff., 14, 21 ff. des angegriffenen Urteils). Die Aufklärungs- und Beratungstätigkeit des Klägers richtet sich auf eine sich typischerweise anschließende anwaltliche Beratung und Vertretung seiner Mitglieder durch die Kanzlei S. Der Kläger leistet keine Anlageberatung und stellt auch nicht die allgemeine Verbraucheraufklärung und -beratung in den Vordergrund seiner Tätigkeit. Vielmehr konzentriert er sich auf die Aufklärung und Beratung von Anlegern geschlossener Fonds. Dabei beobachtet er zunächst die Fondsentwicklung und intensiviert seine Recherchen erst, wenn sich eine Notlage eines Fonds abzeichnet, die regelmäßig einen Bedarf der betroffenen Anleger nach rechtlicher Beratung auslöst. Für diese Rechtsberatung empfiehlt der Kläger ausschließlich die Kanzlei S. Dabei wirbt er mit Honorarermäßigungen, die diese Kanzlei seinen Mitgliedern gewährt. Außerdem gibt er seine Rechercheergebnisse zu den betroffenen Fonds ausschließlich an Anwälte der Kanzlei weiter. Diese verfassen wiederum mehr als zwei Drittel der Beiträge, die der Kläger zur Verbraucheraufklärung auf seiner Internetseite und im Vereinsmagazin veröffentlicht. Außerdem wirbt die Kanzlei mit der regelmäßigen Beratung des Klägers und weist in Vollmachtsformularen auf die Möglichkeit eines Beitritts zu diesem Verein hin. So fördert sie die Gewinnung neuer Vereinsmitglieder. Damit steht dem wirtschaftlichen Interesse der Kanzlei an der Mandatsakquisition durch den Verein ein Interesse des Vereins an einer Mitgliederakquisition durch die Kanzlei gegenüber. 24 Die Verquickung wechselseitiger Interessen in der exklusiven Kooperation des Klägers mit der Kanzlei S. wird durch die institutionelle Verflechtung verstärkt, die sich aus dem Sonderrecht der Gründungsmitglieder zur Wahl des Vereinsvorstandes ergibt. Solange im Verein verbliebene Gründungsmitglieder der Kanzlei angehören, besteht die Gefahr eines bestimmenden personellen Einflusses der Kanzlei auf die Vereinstätigkeit. Deshalb, aber auch schon wegen der dargestellten Interessenverquickung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tätigkeit des Klägers den Interessen der Kanzlei auch dann Rechnung trüge, wenn dies die effektive Wahrnehmung der Verbraucherinteressen beeinträchtigen würde. 25 Der Einwand des Klägers, seine Kooperation mit der Kanzlei begründe keine Gefahr einer Kollision mit Verbraucherinteressen, ist unabhängig davon, ob es darauf nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UKlaG ankommt, nicht nachzuvollziehen. Die Abhängigkeit des Vereins von der Expertise der Kanzlei und sein Interesse an einer Mitgliederwerbung durch diese lassen befürchten, dass der Kläger die Interessen der Verbraucher im Konfliktfall den Kanzleiinteressen unterordnen könnte. Interessenkonflikte zeichnen sich beispielsweise ab, wenn ein vom Kläger beratener Anleger einen nicht der Kanzlei S. angehörenden Anwalt beauftragen möchte. Diesem Anwalt würde der Kläger nach bisheriger Praxis die einschlägigen Rechercheergebnisse nicht zur Verfügung stellen, obwohl dies zur effektiven Durchsetzung der Verbraucherrechte des betroffenen Anlegers geboten wäre. Interessenkonflikte sind auch denkbar, wenn ein vom Kläger an die Kanzlei S. vermittelter Anleger eine Zweitmeinung einholen oder Regressansprüche gegen Anwälte dieser Kanzlei geltend machen möchte. In einem solchen Fall könnte die Weigerung, die Rechercheergebnisse weiterzugeben, den Nachweis eventueller Beratungsmängel zulasten des Verbrauchers erschweren. 26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-3,15.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 3/2019 vom 15.01.2019 EN „Verbleib“ im Aussiedlungsgebiet grundsätzlich nur bei durchgängigem tatsächlichen Aufenthalt Ein Familienangehöriger kann nur dann nachträglich in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn er durchgängig im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Dafür muss sich der Familienangehörige im Regelfall auch tatsächlich deutlich überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten haben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1935 geborene Kläger begehrt die Einbeziehung seiner 1984 geborenen Enkelin in den ihm 1998 erteilten Aufnahmebescheid; beide stammen aus der Ukraine. Der Kläger reiste im November 1998 in das Bundesgebiet ein und erhielt im April 1999 eine Spätaussiedlungsbescheinigung. Im April 2014 beantragte er beim Bundesverwaltungsamt unter anderem die nachträgliche Einbeziehung seiner Enkelin in den ihm erteilten Aufnahmebescheid. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG seien nicht erfüllt, weil die Enkelin des Klägers nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei; seit 2008 habe sie ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Ukraine gehabt; sie habe berufsbedingt zunächst in Shanghai (China) und seit Februar 2014 in Singapur gelebt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Enkelin des Klägers in den ihm erteilten Aufnahmebescheid nachträglich einzubeziehen. Die Enkelin des Klägers sei ein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, weil sie ihren Wohnsitz seit der Aussiedlung des Klägers ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt habe. Sie habe einen Wohnsitz weder in China noch in Singapur begründet. In China sei der Aufenthalt von vornherein - ähnlich dem eines Studierenden - auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt gewesen. Der Aufenthalt in Singapur sei zwar angesichts der unbefristeten Anstellung nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, jedoch diene Singapur ihr ersichtlich nur als Stützpunkt für ihre mehr als zwölfmal jährlich stattfindenden - bisweilen über mehrere Wochen dauernden - Dienstreisen. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles stehe fest, dass sie in subjektiver Hinsicht ihren Wohnsitz in der Ukraine nicht aufgegeben habe. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die nachträgliche Einbeziehung eines Ehegatten oder eines Abkömmlings in einen Aufnahmebescheid ist nach § 27 Abs. 2 Satz 3 AufenthG nur möglich, wenn dieser seit der Übersiedlung des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Hierfür reicht ein durchgängiger Wohnsitz allein nicht aus. Der Familienangehörige muss sich im Regelfall auch tatsächlich deutlich überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten haben. Dies war bei der Enkelin des Klägers nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Kürzere Besuchsaufenthalte im Aussiedlungsgebiet begründen einen Ausnahmefall auch dann nicht, wenn der Fortbestand eines Wohnsitzes dort sowie familiärer Bindungen dorthin unterstellt werden. BVerwG 1 C 29.18 - Urteil vom 15. Januar 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 11 A 1373/17 - Urteil vom 14. Mai 2018 - VG Köln, 10 K 5111/16 - Urteil vom 25. April 2017 -","Urteil vom 15.01.2019 - BVerwG 1 C 29.18ECLI:DE:BVerwG:2019:150119U1C29.18.0 EN ""Verbleib"" im Aussiedlungsgebiet im Regelfall nur bei durchgängig (deutlich) überwiegend tatsächlichem Aufenthalt Leitsätze: 1. Die nachträgliche Einbeziehung eines Ehegatten oder Abkömmlings in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG setzt voraus, dass sich der einzubeziehende Familienangehörige im Regelfall auch tatsächlich durchgängig (deutlich) überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten hat; allein ein durchgängiger - gegebenenfalls zweiter - Wohnsitz reicht nicht aus (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171). 2. Kürzere Besuchsaufenthalte im Aussiedlungsgebiet begründen einen Ausnahmefall bei einem volljährigen Familienangehörigen auch dann nicht, wenn der Fortbestand eines dortigen Wohnsitzes sowie dortiger familiärer Bindungen unterstellt werden. Rechtsquellen BGB § 7 BVFG § 27 Abs. 2 Instanzenzug VG Köln - 25.04.2017 - AZ: VG 10 K 5111/16 OVG Münster - 14.05.2018 - AZ: OVG 11 A 1373/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.01.2019 - 1 C 29.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:150119U1C29.18.0] Urteil BVerwG 1 C 29.18 VG Köln - 25.04.2017 - AZ: VG 10 K 5111/16 OVG Münster - 14.05.2018 - AZ: OVG 11 A 1373/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2018 geändert. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. April 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Einbeziehung seiner Enkelin in den ihm erteilten Aufnahmebescheid. 2 Der 1935 geborene Kläger und seine 1984 geborene Enkelin stammen aus der Ukraine. Der Kläger reiste im November 1998 auf der Grundlage eines ihm erteilten Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) nach Deutschland ein und beantragte im November 1998 die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung. Diese wurde ihm im April 1999 erteilt. 3 Im April 2014 beantragte der Kläger beim Bundesverwaltungsamt die nachträgliche Einbeziehung unter anderem seiner Enkelin in den ihm erteilten Aufnahmebescheid. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG seien nicht erfüllt, weil die Enkelin des Klägers nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Seit 2008 habe sie ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Ukraine. Von 2008 bis 2014 habe sie in Shanghai (China) gelebt und seit Februar 2014 lebe sie in Singapur. 4 Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Klägers wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. Mai 2018 die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides und Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, die Enkelin des Klägers in den ihm erteilten Aufnahmebescheid nachträglich einzubeziehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine nachträgliche Einbeziehung lägen vor. Die Enkelin des Klägers sei ein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, weil sie ihren Wohnsitz seit der Aussiedlung des Klägers ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt habe. Sie habe einen Wohnsitz weder in China noch in Singapur begründet. In China sei der Aufenthalt von vornherein - wie bei einem Studium - auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt gewesen. Der Aufenthalt in Singapur sei zwar angesichts der unbefristeten Anstellung nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt gewesen; jedoch habe Singapur der Enkelin des Klägers ersichtlich nur als Stützpunkt für ihre mehr als zwölfmal jährlich stattfindenden - bisweilen über mehrere Wochen dauernden - Dienstreisen gedient, was gegen eine Niederlassung spreche. Die Enkelin des Klägers habe zudem weder in China noch in Singapur den Willen zur dortigen Niederlassung gehabt. Vielmehr habe sie ihren Wohnsitz in der Ukraine nie aufgegeben. Sie sei seit ihrem 17. Lebensjahr an unveränderter Adresse in Kiew gemeldet. Dort verfüge sie weiterhin über eine familiäre Anbindung. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles stehe fest, dass sie in subjektiver Hinsicht ihren Wohnsitz in der Ukraine nicht aufgegeben habe. Die sonstigen Voraussetzungen für eine nachträgliche Einbeziehung seien gegeben. 5 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 27 Abs. 2 BVFG und macht insbesondere geltend, ein Anspruch des Klägers auf Einbeziehung seiner Enkelin in seinen Aufnahmebescheid komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Dieses Tatbestandsmerkmal sei nicht gleichbedeutend mit einem ""Wohnsitz"" im Sinne des § 7 BGB auszulegen. § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG bezwecke die Beseitigung von Familientrennungen, die durch die Aussiedlung des Spätaussiedlers - und nicht aus sonstigen, beliebigen Gründen - eingetreten seien. Ein Verbleib im Aussiedlungsgebiet fordere einen kontinuierlichen, ununterbrochenen Aufenthalt. Wer weitere Wohnsitze außerhalb des Aussiedlungsgebiets begründe, sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben, weil keine aussiedlungsbedingte Familientrennung vorliege. 6 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und schließt sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an. II 8 Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Enkelin des Klägers sei im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ""im Aussiedlungsgebiet verblieben"", ist mit Bundesrecht unvereinbar (§ 137 Abs. 1 VwGO) (1.). Da sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist das angefochtene Urteil zu ändern und die Berufung zurückzuweisen (2.). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des von dem Kläger mit der Verpflichtungsklage verfolgten Anspruchs auf nachträgliche Einbeziehung seiner Enkelin in den ihm 1998 erteilten Aufnahmebescheid ist § 27 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554). Die nachfolgenden Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes (zuletzt durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner vom 20. November 2015 ) haben diese Regelung unverändert gelassen. Für die Sachlage ist aus Gründen des materiellen Rechts ebenfalls auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung abzustellen, hier also den des Berufungsurteils (Mai 2018) (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 17.15 - BVerwGE 156, 164 Rn. 10). § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG stellt für die Fortdauer des Verbleibs im Aussiedlungsgebiet erkennbar auf den Zeitpunkt der (positiven) Einbeziehungsentscheidung ab und lässt - entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Rechtsauffassung - keinen Raum für eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes auf jenen der Antragstellung oder einen Zeitpunkt, zu dem ein Einbeziehungsantrag positiv hätte beschieden werden können oder müssen. 10 1. Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage sind hier nicht erfüllt. Die Enkelin des Klägers ist kein ""im Aussiedlungsgebiet verbliebener"" Abkömmling des Klägers, weil sie sich seit 2008 - jedenfalls aber seit 2014 - nicht überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufhält. 11 1.1 Ein Verbleiben im Aussiedlungsgebiet erfordert ein - seit der Ausreise der Bezugsperson - ununterbrochenes, d.h. kontinuierliches Verbleiben; dies setzt zumindest voraus, dass der einzubeziehende Familienangehörige eines Spätaussiedlers auch seinen Wohnsitz seit der Aussiedlung des Spätaussiedlers ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss (BVerwG, Urteile vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 11 ff., - 1 C 20.15 - juris Rn. 18 ff. und - 1 C 21.15 - juris Rn. 15 f.). Für die Anwendung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG reicht allein ein durchgängiger - gegebenenfalls zweiter - Wohnsitz allerdings nicht aus. Der einzubeziehende Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers muss sich im Regelfall vielmehr auch tatsächlich durchgängig (deutlich) überwiegend im Aussiedlungsgebiet aufgehalten haben. 12 a) § 27 Abs. 2 Satz 1 und 3 BVFG stellen für die Einbeziehung darauf ab, ob der Ehegatte oder Abkömmling des Aussiedlers im Aussiedlungsgebiet lebt bzw. dort verblieben ist. Dies ist bei Personen mit nur einem Wohnsitz und ohne längere Auslandsaufenthalte regelmäßig der Fall, wenn dort der Wohnsitz (fort)besteht. Entscheidend ist aber bereits nach dem insoweit klaren Wortlaut der durchgängig auch tatsächliche Aufenthalt bzw. Verbleib im Aussiedlungsgebiet. 13 Der Begriff des ""Verbleibens"" lässt sich am ehesten als an einem Ort zurückbleiben und dort ausharren verstehen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 12). Dies setzt sprachlich neben einem kontinuierlichen auch einen tatsächlichen (deutlich überwiegenden) Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet voraus. Dem genügt nicht ein nur gelegentlicher, zeitlich begrenzter Aufenthalt in den Aussiedlungsgebieten, etwa zu Besuchszwecken oder zur Pflege familiärer Beziehungen. 14 Mit diesem grammatischen Verständnis nicht vereinbar ist, dass das Berufungsgericht tragend auf den Fortbestand allein eines Wohnsitzes abgestellt und auf der Grundlage des Wohnsitzbegriffs des § 7 BGB, dem der Begriff ""Wohnsitz"" im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes entspricht (BVerwG, Urteile vom 29. Mai 1957 - 5 C 407.56 - BVerwGE 5, 110 <112>, vom 29. August 1967 - 3 C 158.64 - Buchholz 427.3 § 11 LAG Nr. 39 S. 108 und vom 27. Juni 1989 - 9 C 6.89 - BVerwGE 82, 177 <179>; Beschluss vom 19. Juni 2013 - 5 B 87.12 - juris Rn. 4), dessen Fortbestand bejaht hat. Das in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geforderte Verbleiben in den Aussiedlungsgebieten ist gerade nicht gleichbedeutend mit einem fortdauernden Wohnsitz. 15 b) Ein systematischer Vergleich von § 27 Abs. 2 BVFG mit § 27 Abs. 1 BVFG bestätigt, dass der Begriff des Verbleibens in § 27 Abs. 2 BVFG nicht mit dem u.a. in § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG geforderten ""Wohnsitz"" in den Aussiedlungsgebieten gleichbedeutend ist. Durch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe hat der Gesetzgeber unterstrichen, dass für die Anwendung des § 27 Abs. 2 BVFG gerade nicht auf den Wohnsitz, sondern auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen ist. 16 Die Richtigkeit einer vom Wohnsitzbegriff abweichenden Auslegung des Begriffs des ""Verbleibens"", die maßgeblich auf den tatsächlichen Aufenthalt abstellt, belegt auch der systematische Vergleich mit § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Nach dieser Vorschrift kann der ""im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte"" oder der ""im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling"" in den Aufnahmebescheid einbezogen werden. In einem Gebiet ""leben"" bedeutet weit mehr als nur gelegentliche Aufenthalte, etwa im Rahmen von Besuchen (s.a. Herzog/Westphal, Bundesvertriebenengesetz, 2. Aufl. 2014, § 27 BVFG Rn. 14). Erforderlich ist regelmäßig eine durch deutlich überwiegende Ortsanwesenheit nach außen dokumentierte und in diesem Sinne ""gelebte"" Verbindung mit dem Aussiedlungsgebiet, die jedenfalls einem (durchgängigen) gewöhnlichen Aufenthalt entspricht. Nach dem systematischen Zusammenhang und der identischen Zielrichtung beider Normen ist ""Verbleib"" im Aussiedlungsgebiet die Fortsetzung des ""Lebens"" dort (nur eben ohne den bereits übergesiedelten Spätaussiedler); das Verbleibenserfordernis, das zudem die Übersiedlung als Trennungsgrund betont, ändert aber nichts an der erforderlichen Intensität der Bindungen an das Aussiedlungsgebiet und unterstreicht, dass neben der gemeinsamen Aussiedlung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) auch die nachträgliche Aussiedlung zur Bezugsperson möglich sein soll. Diese - seit dem 10. BVFG-Änderungsgesetz von einer Härte unabhängige - Erweiterung der Einbeziehungsmöglichkeit in zeitlicher Hinsicht senkt aber nicht im Verhältnis zu § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG die sachlichen Anforderungen an das ""Leben"" im Aussiedlungsgebiet als Einbeziehungsvoraussetzung ab. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers, dem Ehegatten oder Abkömmling ""für die Zukunft keine Nachteile"" (BT-Drs. 17/13937 S. 7) aufzubürden, bezweckte ersichtlich keine Besserstellung gegenüber der Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Ausreise. 17 c) Soweit die Entstehungsgeschichte der Regelung über die (nachträgliche) Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen Rückschlüsse zulässt, weist auch sie darauf, dass für die Einbeziehung regelmäßig neben dem durchgängigen auch ein deutlich überwiegender tatsächlicher Aufenthalt erforderlich ist. 18 (a) Der Gesetzgeber hat den Begriff des ""Verbleibens"" vorausgesetzt, ohne ihn legal zu definieren oder seine Bedeutung in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich näher zu bestimmen. Nach dem Verwendungszusammenhang ist er zu beziehen auf den Zweck, Familientrennungen zu beseitigen, die durch die Aussiedlung des Spätaussiedlers - und nicht aus sonstigen, beliebigen Gründen - eingetreten sind (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 20). Bereits die im geltenden Recht nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG getroffene Regelung zielte auf die Sicherung der Familieneinheit auch im Falle der Aussiedlung - durch gemeinsame Aussiedlung -, um so möglichen Härten durch die Aussiedlung zu begegnen. Mit der Einfügung des heutigen § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG wollte der Gesetzgeber denjenigen, denen eine gemeinsame Ausreise nicht möglich war, ""für die Zukunft keine Nachteile mehr"" (BT-Drs. 17/13937 S. 7) aufbürden. Dem Gesetzgeber, der auch sonst der familiären Anbindung besonderes Gewicht beimisst (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BVFG), ging es auch hierbei allein um die Beseitigung aussiedlungsbedingter Familientrennungen. Für die Schaffung eines umfassenden vertriebenenrechtlichen Familiennachzugsregimes neben den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zum Familiennachzug zu Deutschen (§ 28 AufenthG) fehlt jeder Anhalt. Ist das gemeinsame Familienleben (auch oder vorrangig) aus anderen, von der Aussiedlung unabhängigen Gründen (nachträglich) tatsächlich entfallen, so entfällt auch ungeachtet fortbestehender familienrechtlicher Bindungen der rechtfertigende Grund für eine Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge. Dies bestätigt, dass - selbst bei unterstellt rechtlich fortbestehendem Wohnsitz - eine nachträgliche Aufnahme in den Aufnahmebescheid in aller Regel auszuscheiden hat, wenn ein Abkömmling nicht mehr im Aussiedlungsgebiet ""lebt"", sich also nicht (deutlich überwiegend) dort, sondern - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich außerhalb dieser Gebiete aufhält. Dabei kann für den vorliegenden Fall offen bleiben, in welchem Umfange kurzfristige Aufenthalte außerhalb des Aufnahmegebiets, etwa zu Besuchs- oder Urlaubszwecken bzw. für Saison- oder Montagearbeiten, für einen Verbleib unerheblich sind. Jedenfalls bedarf es nicht eines Willens, auch einen etwa fortbestehenden (weiteren) Wohnsitz aufzugeben. 19 (b) Diese Zwecksetzung bestätigt auch die Entwicklung der Regelungen zur Einbeziehung von Familienangehörigen. 20 Die mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2094) erstmals eingeführte Möglichkeit, Ehegatten und Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbeziehen zu lassen, war zunächst auf die Fälle einer beabsichtigten gemeinsamen Ausreise beschränkt. Dieser Grundfall ist heute - inhaltlich unverändert - in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Sinn und Zweck dieser Einbeziehung von Familienangehörigen ist es, dem Spätaussiedler die Entscheidung zur Aussiedlung zu erleichtern, indem er nicht vor die Wahl gestellt wird, entweder auszusiedeln und damit die Aufrechterhaltung seiner Familie zu gefährden oder auf die Aussiedlung zu verzichten (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 17). Auch wenn dies nicht auf die Kernfamilie und minderjährige Abkömmlinge beschränkt war und auch nicht eine Lebens- oder Haushaltsgemeinschaft voraussetzte, war Ziel nicht die Berücksichtigung rein familienrechtlicher Beziehungen. 21 Die Möglichkeit einer nachträglichen Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers, dessen Aussiedlung bereits vollständig abgeschlossen ist, wurde erstmals mit dem 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) geschaffen (§ 27 Abs. 3 i.d.F. des 9. BVFG-ÄndG). Sie war vom Vorliegen einer Härte abhängig und sollte der Vermeidung von Härtefällen dienen, die durch dauerhafte Familientrennungen entstehen (BT-Drs. 17/5515 S. 1, 6 f.). Am Erfordernis, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, wie dies auch bei der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Ausreise der Fall ist, sollte nichts geändert werden (BT-Drs. 17/5515 S. 7). Ein dies in Frage stellender Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Innenausschuss (Ausschussdrucksache 17(4)339 S. 2 f.; vgl. auch MdB Volker Beck, BT-Plenarprotokoll 17/130 S. 15368) fand gerade keine Mehrheit. 22 Mit dem 10. BVFG-Änderungsgesetz vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) verzichtete der Gesetzgeber schließlich auf Empfehlung des Innenausschusses auf das Härteerfordernis und erhielt die Regelung - nunmehr als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG - ihre heutige Fassung. An der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee, wonach die Aussiedlung grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen hatte, sollte nicht weiter festgehalten werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Praxis habe gezeigt, dass die durch die Aussiedlung verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend zu beseitigen seien. Selbst die Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes habe nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hätten. Eine praktikable Regelung, die es ermögliche, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, müsse daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben (BT-Drs. 17/13937 S. 6 f.). Die nachträgliche Einbeziehung wurde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG treten sollte (BT-Drs. 17/13937 S. 7). Die nachträgliche Einbeziehung war aber weiterhin bezogen und beschränkt auf ""de[n] im Aussiedlungsgebiet verbliebene[n] Ehegatte[n] oder Abkömmling eines Spätaussiedlers""; dies impliziert, dass der Angehörige bei der Aussiedlung der Bezugsperson zusammen mit dieser im Aussiedlungsgebiet aufhältig war und es durch diese Aussiedlung zu einer Trennung der Familie gekommen ist, es dem Gesetzgeber mithin um die Beseitigung von Familientrennungen ging, die durch die Aussiedlung des Spätaussiedlers - und nicht aus sonstigen, beliebigen Gründen - eingetreten sind (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 20). 23 (c) Nur eine Auslegung, die auf den tatsächlich (deutlich überwiegenden) durchgängigen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet abstellt, entspricht auch dem Sinn und Zweck der durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz neugefassten Regelung des Anspruchs auf nachträgliche Einbeziehung von Familienangehörigen. Beabsichtigt war die - möglichst umfangreiche - Beseitigung von heute noch fortdauernden aussiedlungsbedingten Familientrennungen im Rahmen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2016 - 1 C 19.15 - BVerwGE 156, 171 Rn. 24). Damit unvereinbar ist eine Erstreckung auch auf Fälle, in denen die Familientrennung nicht nur in der Aussiedlung der Bezugsperson ihre Grundlage findet, sondern im Wegzug des Ehegatten oder Angehörigen. Das Vertriebenenrecht mit seinen weitreichenden, auch staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsfolgen (s. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 7 BVFG) erfasst erkennbar nur den direkten Zuzug aus den Aussiedlungsgebieten. Weitere Fälle des Nachzuges zu Familienangehörigen sind nach allgemeinem Aufenthaltsrecht (§ 27 AufenthG) zu beurteilen. 24 1.2 Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, die Enkelin des Klägers nachträglich in den ihm 1998 erteilten Aufnahmebescheid einzubeziehen. Das Berufungsgericht ist für seine Bewertung, ob die Enkelin des Klägers im Aussiedlungsgebiet ""verblieben"" ist, von einem bundesrechtlich unzutreffenden Ansatzpunkt ausgegangen. Seine Erwägungen zum Fortbestand eines Wohnsitzes in der Ukraine tragen jedenfalls nicht die Bewertung, die Enkelin des Klägers sei im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ""im Aussiedlungsgebiet verblieben"". Es fehlt damit an dem erforderlichen (deutlich) überwiegenden Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet. 25 1.3 Bei dieser Sachlage ist nicht zu vertiefen, ob die - allerdings nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts geeignet waren, die berufungsgerichtliche Bewertung zu tragen, die Enkelin des Klägers habe weiterhin im Sinne des § 7 BGB über einen Wohnsitz in der Ukraine verfügt, oder ob diese Bewertung auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage getroffen worden ist. Nicht zu vertiefen ist auch, ob an der bisherigen vertriebenenrechtlichen Rechtsprechung zum Wohnsitzbegriff für Fallkonstellationen eines nachhaltigen Auseinanderfallens von tatsächlichem Aufenthalt und fortbestehendem Domizilwillen für einen Wohnsitz an einem anderen Ort uneingeschränkt festzuhalten oder diese für grenzüberschreitende Sachverhalte, welche die bisherige Rechtsprechung nicht systematisch im Blick hatte, fortzuentwickeln ist. 26 2. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 27 Nach den tatsächlichen Feststellungen lebte und arbeitete die Enkelin des Klägers zwischen 2008 und 2014 in China und seit 2014 in Singapur. In der Ukraine hält sie sich nur wenige Tage im Jahr auf. Diese bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen tragen vielmehr die revisionsgerichtliche Bewertung, dass die Enkelin des Klägers gerade nicht ""im Aussiedlungsgebiet verblieben"" ist, weil sie sich (weit überwiegend) außerhalb der Aussiedlungsgebiete aufgehalten hat. Die Feststellung, die Enkelin des Klägers halte sich ""nur wenige Tage eines jeden Jahres in der Ukraine auf"", ist zwar hinsichtlich der genauen Dauer nicht spezifiziert; sie schließt aber einen (weit überwiegenden) fortbestehenden Aufenthalt eindeutig aus. Für einen möglichen Ausnahmefall geben die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nichts her. Die vom Berufungsgericht festgestellten kürzeren Besuchsaufenthalte im Aussiedlungsgebiet begründen einen Ausnahmefall bei dem volljährigen Enkelkind auch dann nicht, wenn der Fortbestand eines dortigen Wohnsitzes sowie dortiger familiärer Bindungen unterstellt werden. 28 § 27 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG scheidet als Rechtsgrundlage für eine Einbeziehung ebenfalls aus, nachdem der Kläger bereits im November 1998 ausgesiedelt und seine Aussiedlung bereits bei Antragstellung vollständig abgeschlossen war. Weitere Anspruchsgrundlagen für die begehrte Einbeziehung bestehen nicht. 29 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-31,25.04.2019,"Pressemitteilung Nr. 31/2019 vom 25.04.2019 EN Vorrangige Prüfung von asylrechtlichen Unzulässigkeitsgründen auch bei „Aufstockerklagen“ Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG unzulässig ist, darf das Verwaltungsgericht einer Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes nur stattgeben, wenn die Voraussetzungen der betreffenden Unzulässigkeitsgründe nicht vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag in der Sache beschieden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1998 geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Er lebte bis Ende August 2014 in Syrien im Flüchtlingslager Nairab des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Im September 2014 begab er sich nach eigenen Angaben in die Türkei und hielt sich dort etwa ein Jahr lang auf. Im November 2015 reiste er nach Deutschland ein. Auf seinen Asylantrag erkannte ihm das Bundesamt subsidiären Schutz zu. Seine auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts ist der Kläger als palästinensischer Volkszugehöriger sog. ipso facto-Flüchtling (§ 3 Abs. 3 AsylG), weil der Schutz, den er durch UNRWA erhalten habe, nicht länger gewährt werde. Auf die Revision der Beklagten hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben. Mit Blick auf den mindestens einjährigen Zwischenaufenthalt des Klägers in der Türkei hätte das Berufungsgericht der Klage nicht stattgeben dürfen, ohne zuvor zu klären, dass der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift, die das „Konzept des ersten Asylstaats"" der Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 AsylG betrachtet wird. Voraussetzung für eine Unzulässigkeit nach dieser Regelung ist, dass der in Betracht gezogene Staat vom Herkunftsland des Betroffenen (das ist bei Staatenlosen das Land des gewöhnlichen Aufenthalts) verschieden ist, dass er bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, und dass er diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit gewährleistet. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob diese Voraussetzungen hinsichtlich der Türkei im Fall des Klägers erfüllt sind, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden und war der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei einer etwa erforderlichen neuerlichen Sachentscheidung zum ipso facto-Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 3 AsylG wird das Oberverwaltungsgericht zu beachten haben, dass der aus einem Wegfall des Schutzes bzw. Beistandes durch UNRWA resultierende ipso facto-Flüchtlingsschutz zugunsten eines bei UNRWA registrierten staatenlosen Palästinensers, der einen Asylantrag in der EU gestellt hat, jedenfalls dann nicht mehr eingreift, wenn dieser zuvor einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat außerhalb des Tätigkeitsbereichs der UNRWA begründet hatte. Von einem (vom Willen des Betroffenen unabhängigen) Wegfall des Beistands bzw. Schutzes durch UNRWA ist ungeachtet einer fortdauernden Tätigkeit dieser Organisation auch dann auszugehen, wenn es dem Betroffenen - etwa bürgerkriegsbedingt - nicht möglich ist, sich in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen in dem maßgeblichen UNRWA-Gebiet aufzuhalten. BVerwG 1 C 28.18 - Urteil vom 25. April 2019 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, 1 A 679/17 - Urteil vom 16. Mai 2018 - VG Saarlouis, 3 K 1543/16 - Urteil vom 29. November 2016 -","Urteil vom 25.04.2019 - BVerwG 1 C 28.18ECLI:DE:BVerwG:2019:250419U1C28.18.0 EN Vorrangige Prüfung von asylrechtlichen Unzulässigkeitsgründen auch bei ""Aufstockerklagen"" Leitsätze: 1. Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG unzulässig ist, darf das Verwaltungsgericht einer Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes nur stattgeben, wenn die Voraussetzungen des in Betracht kommenden Unzulässigkeitsgrundes nicht vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag in der Sache beschieden hat. 2. Der in § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG geregelte Unzulässigkeitsgrund (anderweitige Sicherheit in einem sonstigen Drittstaat) setzt das unionsrechtliche Konzept des ""ersten Asylstaats"" im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU um. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn der in Betracht kommende Staat kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und sich vom Herkunftsland des Betroffenen (bei Staatenlosen: dem Land des gewöhnlichen Aufenthalts) unterscheidet, wenn er bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, und wenn er diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit gewährleistet. Rechtsquellen AsylG § 3 Abs. 1 und 3, §§ 27, 29 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, Art. 34 Abs. 1, Art. 35, 46 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU Art. 2 Buchst. d, Art. 11 Abs. 1 Buchst. f, Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, Art. 14 Abs. 1, Art. 15 GK Art. 1 Abschn. A und D Instanzenzug VG Saarlouis - 29.11.2016 - AZ: VG 3 K 1543/16 OVG Saarlouis - 16.05.2018 - AZ: OVG 1 A 679/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 25.04.2019 - 1 C 28.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:250419U1C28.18.0] Urteil BVerwG 1 C 28.18 VG Saarlouis - 29.11.2016 - AZ: VG 3 K 1543/16 OVG Saarlouis - 16.05.2018 - AZ: OVG 1 A 679/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Mai 2018 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger ist staatenloser Palästinenser, stammt ursprünglich aus Syrien und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. 2 Der im Juli 1998 in Aleppo/Syrien geborene Kläger reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte im Januar 2016 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt gab er unter anderem an, er habe bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Flüchtlingslager Nairab in Aleppo gelebt. Am 1. September 2014 sei er mit seinem Bruder illegal in die Türkei ausgereist und habe dort etwa ein Jahr lang gelebt. Syrien habe er im Wesentlichen aus Angst vor einer Einberufung zum Wehrdienst verlassen. Er habe auch mit angesehen, wie ein Militärflugzeug vom ""IS"" abgeschossen worden und ins Camp gestürzt sei. 3 Das Bundesamt erkannte dem Kläger mit Bescheid vom 7. September 2016 den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den weitergehenden Asylantrag ab. Zur Begründung führte es aus, allein die Angst vor dem Regime Assad und vor der Heranziehung zum Wehrdienst begründe keine asyl- oder flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet, weil der Kläger aufgrund der aktuellen Situation in Syrien wegen der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland, die der syrische Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung auffasse, von flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgung bedroht sei. 5 Im Berufungsverfahren hat der Kläger unter Vorlage einer Registrierungsbescheinigung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, im Folgenden: UNRWA) hinsichtlich des Lagers Nairab bei Aleppo ergänzend geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien aufgrund der Flucht aus einem UNRWA-geführten Palästinenser-Lager erfüllt. 6 Mit Urteil vom 16. Mai 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe dem Kläger im Ergebnis zu Recht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, weil dieser als staatenloser Palästinenser Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien staatenlose Palästinenser aus Syrien, die vom UNRWA registriert seien, ipso facto als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anzuerkennen, wenn sie Syrien infolge der Zerstörung ihres Flüchtlingslagers durch das Bürgerkriegsgeschehen verlassen hätten und ihnen im Zeitpunkt der Ausreise keine Möglichkeit offengestanden habe, in anderen Teilen des Mandatsgebiets des UNRWA Schutz zu finden. Der Nachweis, dass ein staatenloser Palästinenser im Herkunftsland Syrien den Schutz oder Beistand des UNRWA genossen habe, sei durch eine entsprechende Registrierungsbescheinigung erbracht. Sein Wegzug sei durch von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt, die ihn zum Verlassen des Gebiets gezwungen und somit daran gehindert hätten, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen. Er habe sich in einer sehr unsicheren Lage befunden; und dem UNRWA sei es unmöglich gewesen, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stünden. Es könne offenbleiben, ob dies schon durch die Gewährung subsidiären Schutzes indiziert werde, denn dies werde im Wesentlichen durch einen Pressebericht belegt, der die Lage im Camp Nairab in der Zeit kurz nach der Ausreise des Klägers näher beschreibe. Dem Kläger habe im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien auch keine Möglichkeit offengestanden, in anderen Teilen des Mandatsgebiets den Schutz des UNRWA in Anspruch zu nehmen. Sowohl Jordanien als auch der Libanon hätten ihre Grenzen für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien geschlossen. Der Kläger hätte auch nicht innerhalb Syriens in einem anderen Flüchtlingslager den Schutz des UNRWA in Anspruch nehmen können. Zu zahlreichen Flüchtlingslagern - einschließlich Yarmouk, Sbeineh, Khan Eshieh, Ein El Tal, Dara'a und Husseiniyeh - bestehe nach Angaben des UNRWA keine gesicherte Zugangsmöglichkeit. Durchgreifende Verbesserungen in Bezug auf das Lager Nairab ergäben sich aus der Auskunftslage nicht. 7 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 3 Abs. 3 AsylG. Die darin vorgesehene ipso facto-Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft greife erst dann ein, wenn der Schutz der UN-Organisation umfassend weggefallen sei. Es bedürfe der tragfähigen Feststellung, dass sowohl im übrigen Mandatsgebiet wie bezogen auf Syrien, d.h. maßgeblich unter Berücksichtigung der dort bürgerkriegsbedingten Verhältnisse, landesweit und dauerhaft nicht länger Schutz oder Beistand durch das UNRWA gewährt worden sei und werde. Ein vollständiger, dauerhafter und landesweiter Wegfall von Schutz oder Beistand liege nicht vor, weil UNRWA nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen in Syrien trotz der langanhaltenden Bürgerkriegslage weiterhin tätig sei. Das Berufungsgericht habe keine über bürgerkriegsbedingte Hindernisse hinausgehenden Umstände, die eine Tätigkeit des UNRWA beeinträchtigten, festgestellt; der Annahme einer Einstellung der Tätigkeit bei Ausreise des Klägers stünden zudem Erkenntnisse aus anderen Verfahren entgegen, wonach jedenfalls bis 2015 im Flüchtlingslager Nairab regelmäßig Versorgungsleistungen erbracht worden seien. Jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Rückkehr habe sich das Berufungsgericht nur noch mit dem Lager Nairab befasst, aber keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger nicht zumindest andernorts in Syrien Schutz oder Beistand des UNRWA in Anspruch nehmen könnte. Der einjährige Aufenthalt des Klägers in der Türkei nach Verlassen Syriens werfe schließlich die Frage auf, ob für ihn überhaupt noch auf die Grundsätze des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU und § 3 Abs. 3 AsylG abgestellt werden könne. Im asyl- bzw. flüchtlingsrechtlichen Kontext sei bei Staatenlosen auf das Land des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor Einreise in das Bundesgebiet abzustellen. Dies sei jedoch ersichtlich die Türkei gewesen, auf die sich das Mandat des UNRWA nicht erstrecke. 8 Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. II 9 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne zu überprüfen, ob der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG (anderweitige Sicherheit in einem sonstigen Drittstaat) bereits unzulässig ist (1.). Da es zur Beurteilung der Frage, ob dieser Unzulässigkeitsgrund vorliegt, weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das Oberverwaltungsgericht bedarf, war der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.). 10 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens ist das Asylgesetz (AsylG) in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 , zuletzt geändert durch das während des Revisionsverfahrens am 12. Dezember 2018 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 ). Da es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist. Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts allerdings nicht geändert. Unionsrechtlich sind die anzuwendenden Verfahrensregelungen an der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) zu messen, weil der Kläger seinen Antrag nach dem 20. Juli 2015 gestellt hat (Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU); in materieller Hinsicht findet die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. L 167 S. 58) Anwendung. 11 1. Das angegriffene Urteil verletzt § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG, weil das Berufungsgericht das Bundesamt zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet hat, ohne zuvor zu klären, dass der Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig ist. Hierzu hätte mit Blick auf den vom Kläger selbst angegebenen, im Tatbestand des Berufungsurteils erwähnten rund einjährigen Zwischenaufenthalt in der Türkei Veranlassung bestanden. 12 1.1 Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 AsylG betrachtet wird. § 27 AsylG betrifft die Sicherheit vor Verfolgung in einem ""sonstigen Drittstaat"", womit in der Terminologie des Asylgesetzes ein Staat außerhalb der Europäischen Union gemeint ist. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen Drittstaat, in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das Bundesgebiet länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war, es sei denn, er macht glaubhaft, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war (§ 27 Abs. 3 AsylG). Diese Regelung wurde in der Rechtsprechung ursprünglich als Ausdruck einer materiellrechtlichen Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes verstanden (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 - 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <386 f.>). Schon unter Geltung der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13) und noch vor der Umgestaltung des - vormals als Unbeachtlichkeitsvorschrift ausgestalteten - § 29 AsylVfG in eine Unzulässigkeitsregelung hat das Bundesverwaltungsgericht § 29 AsylVfG jedoch als Umsetzung des verfahrensrechtlichen Konzepts des ersten Asylstaats gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 26 Richtlinie 2005/85/EG (dem entsprechen aktuell Art. 33 Abs. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU) betrachtet. Damit war für einen materiell-rechtlichen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 16). 13 1.2 Der Prüfung dieses Unzulässigkeitsgrundes im gerichtlichen Verfahren steht nicht entgegen, dass das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ohne erkennbare Befassung mit Unzulässigkeitsgründen in der Sache (hier teilweise sogar positiv) beschieden hat. Ein Verwaltungsgericht darf im Gegenteil auch in einem solchen Fall einer Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur stattgeben, wenn keiner der in § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG geregelten (echten) Unzulässigkeitsgründe vorliegt (so bereits BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 C 15.18 - Asylmagazin 2019, 113 <115>; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 14. Juni 2017 - A 11 S 511/17 - DVBl 2017, 1312 <1317>). Da diese zwingendes Recht sind, sind ihre Voraussetzungen vor jeder stattgebenden Entscheidung von Amts wegen zu prüfen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu dem nach der Asylverfahrensrichtlinie gebotenen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Danach ist Art. 46 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU i.V.m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahin auszulegen, dass das Erfordernis einer umfassenden Ex-nunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, auch die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU genannten Gründe für die Unzulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz umfassen kann, wenn das nationale Recht dies erlaubt (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​584], Alheto - Rn. 119 ff., 130). Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat, steht auch das gesetzliche Erfordernis, den Ausländer vor der Anwendung der Unzulässigkeitsgründe hierzu persönlich anzuhören (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/EU, umgesetzt durch § 29 Abs. 2 AsylG), der erstmaligen Prüfung von Unzulässigkeitsgründen im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Sieht das Gericht Veranlassung, die Zulässigkeit des Asylantrags erstmals infrage zu stellen, ist diese Anhörung vielmehr durch eine persönliche Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren zu ersetzen. Bei dieser Anhörung muss das Gericht erforderlichenfalls (entsprechend der Vorgabe des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/EU für die persönlichen Anhörungen durch die Asylbehörde) einen Dolmetscher hinzuziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 127 f.). 14 1.3 Voraussetzung für eine Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist zum einen, dass es sich bei dem in Betracht gezogenen Staat überhaupt um einen Drittstaat handelt. Drittstaat im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG bzw. ""erster Asylstaat"" im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU kann nur ein Staat sein, der sich vom Herkunftsland des Betroffenen unterscheidet (siehe auch EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 141). Herkunftsland ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG; vgl. auch Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/EU sowie Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/EU). Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - vorbehaltlich anderweitiger oder präzisierender Erkenntnisse aus einer Entscheidung über das dem EuGH nach Verkündung des vorliegenden Urteils mit Beschluss vom 14. Mai 2019 - BVerwG 1 C 5.18 - unterbreitete Vorabentscheidungsersuchen, Vorlagefrage 5 - geklärt, dass ein solcher keinen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt. Es genügt vielmehr, dass der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiten (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 - BVerwGE 133, 203 Rn. 31 ff.). 15 In materieller Hinsicht muss der Drittstaat bereit sein, den Ausländer wieder aufzunehmen und diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit zu gewährleisten. Dafür genügt nicht allein die in § 27 AsylG erwähnte Sicherheit vor politischer Verfolgung; diese Regelung ist vielmehr in unionsrechtskonformer Auslegung durch die in Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU an einen ""ersten Asylstaat"" gestellten Anforderungen in der Auslegung des EuGH zu ergänzen. Nach dieser Vorschrift ist neben der Wiederaufnahmebereitschaft des betreffenden Staates erforderlich, dass der Antragsteller dort als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder dass ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Beachtung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird. Danach muss der Betroffene nicht nur die Garantie haben, dass er in dem Drittstaat wieder aufgenommen wird. Ihm dürfen dort auch weder flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung noch Gefahren drohen, die einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen bzw. die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichen. Er muss sich dort in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen so lange aufhalten können, wie es die im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts bestehenden Gefahren erfordern (vgl. ähnlich EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 140). 16 2. Das Berufungsgericht, das die vorbezeichneten Fragen nicht geprüft hat, hat keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine eigene Beurteilung ermöglichen. Allein die im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebene Angabe des Klägers, er habe sich nach seiner am 1. September 2014 erfolgten Ausreise aus Syrien etwa ein Jahr lang in der Türkei aufgehalten, erlaubt für sich genommen noch nicht den Schluss, dass der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei gehabt hat, mit der Folge, dass eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ausschiede. Dem Berufungsgericht ist daher durch Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO Gelegenheit zu geben, die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Dabei mag in Betracht kommen, zuvor das Ergebnis des vom Senat dem EuGH unterbreiteten Vorabentscheidungsersuchens abzuwarten, das unter anderem auf eine nähere Bestimmung der unionsrechtlichen Anforderungen an einen gewöhnlichen Aufenthalt zielt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 - Vorlagefrage 5). Zudem fehlt es zur Beurteilung der Frage, ob die Türkei bereit ist, den Kläger wieder aufzunehmen, und diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit gewährleistet, bislang an jeglichen tatrichterlichen Feststellungen. Auch insoweit bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Sachaufklärung durch das Tatsachengericht. 17 3. Führt die gebotene weitere Sachaufklärung zu dem Ergebnis, dass der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG unzulässig ist, weil entweder die Türkei infolge einer dortigen Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts kein ""Drittstaat"" ist oder weil die Türkei zwar grundsätzlich als Drittstaat in Betracht kommt, jedoch die materiellen Anforderungen an einen ""sonstigen Drittstaat"" im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG nicht erfüllt, wird das Berufungsgericht bei der dann erneut vorzunehmenden materiellen Antragsprüfung folgendes zu beachten haben: 18 Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: GK) genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aber nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, sind § 3 Abs. 1 und 2 AsylG anwendbar (§ 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen, die Art. 1 Abschn. D GK sowie Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU aufgreifen bzw. umsetzen und gerade im Hinblick auf die besondere Lage der - regelmäßig staatenlosen - Palästinaflüchtlinge geschaffen worden sind, die den Beistand oder Schutz des UNRWA genießen (vgl. EuGH, Urteile vom 17. Juni 2010 - C-31/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​351], Bolbol - Rn. 44 und vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​826], El Kott - Rn. 48). Die Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, der an Satz 1 der Vorschrift anknüpft und mit diesem eine Einheit bildet, setzt nicht die Erfüllung der allgemeinen Flüchtlingsmerkmale (§ 3 Abs. 1 AsylG, Art. 1 Abschn. A GK, Art. 2 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU) voraus; er enthält vielmehr eine gegenüber § 3 Abs. 1 AsylG/Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK selbstständige Umschreibung der Flüchtlingseigenschaft (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <258 f.>). Liegen die Voraussetzungen dieser Regelung vor, ist einem Antragsteller daher auf seinen Antrag ipso facto die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass dieser nachweisen muss, dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung hat (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 86). 19 3.1 Für den Fall, dass der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hatte, dürfte er sich allenfalls noch auf eine - bisher nicht geltend gemachte - Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG durch die bzw. in der Türkei berufen können, soweit er dort wiedereinreisen könnte (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 C 17.03 - BVerwGE 123, 18 <22 f.>). Die Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft als staatenloser Palästinenser gemäß § 3 Abs. 3 AsylG schiede demgegenüber aus. 20 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die - zunächst zu prüfende - Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU (umgesetzt durch § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG) eng auszulegen und nur erfüllt, wenn der Betroffene den Schutz oder Beistand des UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen hat. Ist eine Person beim UNRWA registriert, so ist diese Registrierung grundsätzlich ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme seiner Hilfe (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2010 - C-31/09 - Rn. 51 f.). Diese Vermutung (oder gar Fiktion), dass ein registrierter Palästinenser den Schutz oder Beistand des UNRWA auch tatsächlich in Anspruch nimmt, kann aber wohl jedenfalls dann nicht mehr greifen, wenn der Betroffene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Einreise in die Europäische Union in einem Drittstaat hatte, der nicht zum Einsatzgebiet des UNRWA zählt. In einem solchen Fall ist der Drittstaat zum (neuen) Herkunftsland im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG des Betroffenen geworden und kann ihm die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG (etwa bei Geltendmachung einer Verfolgung durch den Drittstaat) nicht mehr entgegengehalten werden. Spiegelbildlich kann er sich dann aber auch nicht mehr auf den Erwerb einer infolge unfreiwilligen Wegfalls des Beistands bzw. Schutzes von UNRWA entstandenen ipso facto-Flüchtlingseigenschaft berufen (so wohl auch der französische Asylgerichtshof, CNDA, Entscheidung vom 2. November 2016, M. H. nº 16011360 C; anders noch BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 C 42.88 - BVerwGE 88, 254 <266>). 21 In diese Richtung weist bereits die Rechtsprechung des EuGH, nach der der Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Richtlinie 2011/95/EU nicht nur bei den Personen vorliegt, die zurzeit den Beistand des UNRWA genießen, sondern auch bei denjenigen, die diesen Beistand kurz vor Einreichung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat tatsächlich in Anspruch genommen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 52). Die Wortfolge ""kurz vor Einreichung eines Asylantrags"" deutet dabei das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des UNRWA und der Asylbeantragung in einem Mitgliedstaat an. Zudem setzt die Annahme einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des UNRWA offensichtlich den Aufenthalt in dessen Einsatzgebiet voraus. 22 Dafür, dass jedenfalls die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Drittstaat außerhalb des Mandatsgebiets von UNRWA vor Einreise in die Europäische Union eine Anwendung des § 3 Abs. 3 AsylG sperrt, sprechen auch allgemeine flüchtlingsrechtliche Grundsätze. Anknüpfungspunkt der flüchtlingsrechtlichen Prüfung ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG, Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/EU). Dem entspricht, dass die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f Richtlinie 2011/95/EU, umgesetzt durch die Widerrufsregelung in § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylG, bei Staatenlosen nur erlischt, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Fall der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft erfordert das Erlöschen eine Rückkehrmöglichkeit in das Einsatzgebiet des UNRWA, in dem der gewöhnliche Aufenthalt bestand (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77). Auch wenn unklar bleibt, ob der Gerichtshof den Begriff ""Einsatzgebiet des UNRWA"", mit dem er regelmäßig das komplette staatenübergreifende Mandatsgebiet des UNRWA umschreibt (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 7, 131 ff.), hier in demselben oder infolge des einschränkenden Zusatzes ""in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte"" möglicherweise in einem engeren, auf das konkrete Operationsgebiet (Gazastreifen, Westjordanland, Jordanien, Libanon oder Syrien) bezogenen Sinn verwendet (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 - Vorlagefrage 4 und Rn. 40 ff.; zur Begrifflichkeit des Senats siehe auch Rn. 29), ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass eine Rückkehrmöglichkeit in irgendein Operationsgebiet die Flüchtlingseigenschaft selbst dann noch ausschließen bzw. zum Erlöschen bringen könnte, wenn der Betroffene vor seiner Einreise in einen Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat außerhalb des UNRWA-Mandatsgebiets hatte. 23 3.2 Hatte der Kläger hingegen seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt (noch) in Syrien, ist ein Erwerb der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 6 und 9) ist der Kläger staatenloser Palästinenser; er hat durch Vorlage einer Registrierungskarte nachgewiesen, dass er beim UNRWA als palästinensischer Flüchtling registriert war und im syrischen Lager Nairab betreut wurde. Damit steht grundsätzlich fest, dass er in Syrien den Schutz oder Beistand des UNRWA in Anspruch genommen hat. Ob ein rund einjähriger tatsächlicher Zwischenaufenthalt in einem Drittstaat außerhalb des Einsatzgebiets des UNRWA einer Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 3 AsylG bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU wegen Wegfalls des Schutzes oder Beistands der Organisation auch dann entgegensteht, wenn dieser nicht als gewöhnlicher Aufenthalt zu qualifizieren wäre, hängt letztlich davon ab, ob das Erfordernis, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA ""kurz vor Einreichung eines Asylantrags"" in einem Mitgliedstaat in Anspruch genommen wurde, eine konstitutive Voraussetzung darstellt und wie diese näher zu konkretisieren ist. Ergibt die wohl dem EuGH zu überlassende Klärung, dass ein (nicht gewöhnlicher, aber) längerer tatsächlicher Aufenthalt in einem Drittstaat außerhalb des UNRWA-Einsatzgebiets vor der Einreise einer Zuerkennung der ipso facto-Flüchtlingseigenschaft in der Europäischen Union danach nicht entgegensteht, ist die dann erforderliche weitere Prüfung an folgenden Maßstäben zu orientieren: 24 a) Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG greift der in Satz 1 normierte Ausschlussgrund nicht und ist einem Ausländer (bei - hier unproblematischem - Nichtvorliegen von Ausschlussgründen im Sinne von § 3 Abs. 2 AsylG) ohne weiteres die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn ein solcher Schutz oder Beistand (nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU: aus irgendeinem Grund) nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es an einer endgültigen Klärung der Lage der Palästinenser, die den Beistand des UNRWA genießen, bisher fehlt (siehe auch EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 54). 25 Für den in § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG vorausgesetzten Schutzwegfall ist nicht erforderlich, dass die Organisation oder Institution, die den Schutz oder Beistand gewährt, in Gänze wegfällt, indem sie etwa aufgelöst wird. Vielmehr ist schon wegen des - in unionsrechtskonformer Auslegung auch im nationalen Recht beachtlichen - Zusatzes ""aus irgendeinem Grund"" (vgl. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/EU) davon auszugehen, dass der Grund, aus dem der Beistand nicht länger gewährt wird, auch auf Umständen beruhen kann, die vom Willen des Betroffenen unabhängig sind und ihn dazu zwingen, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen. Der Beistand oder Schutz wird danach im Sinne dieser Bestimmung nicht länger gewährt, wenn der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen. Ein palästinensischer Flüchtling ist dann als gezwungen anzusehen, das Einsatzgebiet des UNRWA zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dieser Organisation unmöglich ist, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe in Einklang stehen (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 56 bis 61). 26 aa) Wie sich bereits aus dieser Konkretisierung der Anforderungen an einen Wegfall von Schutz oder Beistand ergibt, ist für die Beurteilung dieser Frage auf den Zeitpunkt des Verlassens des Mandatsgebiets abzustellen. Zusätzlich muss es dem Betroffenen aber auch in dem nach § 77 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts unmöglich sein, in das Einsatzgebiet zurückzukehren und sich dem Schutz oder Beistand der UNRWA erneut zu unterstellen. Denn nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU erlischt die Flüchtlingseigenschaft und ist abzuerkennen bzw. zu widerrufen, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Einsatzgebiet des UNRWA zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-364/11 - Rn. 77). Daraus folgt, dass die Möglichkeit, in das UNRWA-Einsatzgebiet zurückzukehren, bereits bei der Entscheidung über die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus berücksichtigt werden muss, weil es sinnlos wäre einen Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, wenn dieser sofort wieder aberkannt werden müsste (vgl. Kraft, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D III, Article 12 MN 24; siehe auch EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 110 ff.). 27 bb) In räumlicher Hinsicht ist durch den EuGH bislang nicht abschließend geklärt, ob auf das gesamte Mandatsgebiet des UNRWA abzustellen ist oder ob es - jedenfalls bei Fehlen eines substantiellen Bezugs des betroffenen Palästinensers zu anderen Operationsgebieten - lediglich auf das konkrete Operationsgebiet (hier: Syrien) ankommt. Diese Fragen sind Gegenstand eines dem EuGH nach Erlass des vorliegenden Urteils mit Beschluss des Senats vom 14. Mai 2019 - BVerwG 1 C 5.18 - (Vorlagefragen 1 und 2) unterbreiteten Vorabentscheidungsersuchens. Jedenfalls innerhalb eines konkreten Operationsgebiets kann ein Palästinenser unter den - entsprechend heranzuziehenden - Voraussetzungen des internen Schutzes nach Art. 8 Richtlinie 2011/95/EU auf andere Orte als seinen Herkunftsort verwiesen werden. 28 cc) In qualitativer Hinsicht umfassen die erforderlichen mandatskonformen Lebensverhältnisse auch die Sicherheit vor Verfolgung (Art. 9 ff. Richtlinie 2011/95/EU) und ernsthaftem Schaden (Art. 15 - insbesondere Buchst. c - Richtlinie 2011/95/EU). Dem steht nicht entgegen, dass das Mandat des UNRWA auf soziale und wirtschaftliche Aufgaben beschränkt ist. Denn die Bereitstellung von Lebensmitteln, Schulunterricht oder Gesundheitsfürsorge hat keinen praktischen Wert, wenn es den Begünstigten infolge einer Bürgerkriegssituation nicht zumutbar ist, diese in Anspruch zu nehmen, und deshalb ihre Ausreise aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist (vgl. auch Generalanwalt Mengozzi, Schlussanträge vom 17. Mai 2018 - C-585/16 - Rn. 45). Dem entspricht der Hinweis des EuGH, dass Schutz oder Beistand durch das UNRWA auch voraussetzt, dass die Person sich ""in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen"" in dem Einsatzgebiet aufhalten kann (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2018 - C-585/16 - Rn. 134, 140). An der gegenteiligen früheren Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1992 - 1 C 17.90 - Buchholz 402.27 Art. 1 StlÜbk Nr. 1 S. 8 f.) hält der Senat nicht fest. Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Wegfall des Schutzes bereits dadurch indiziert wird, dass dem Kläger durch den streitgegenständlichen Bescheid wegen der Bürgerkriegssituation in Syrien subsidiärer Schutz gewährt worden ist, ist daher jedenfalls dann zu bejahen, wenn für den Schutzwegfall in Ermangelung eines substantiellen Bezugs des Klägers zu anderen Operationsgebieten allein auf Syrien abzustellen ist (ähnlich VGH Mannheim, Urteil vom 28. Juni 2017 - A 11 S 664/17 - Asylmagazin 2017, 349 <350>, OVG Weimar, Urteil vom 15. Juni 2018 - 3 KO 167/18 - juris Rn. 54 und VGH Kassel, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 3 A 582/17.A - juris Rn. 35; siehe auch BT-Drs. 18/8201 S. 8). 29 b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil im Ergebnis ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, dass der Schutz bzw. Beistand des UNRWA dem Kläger im Zeitpunkt des Verlassens Syriens - und damit auch des Mandatsgebiets - im September 2014 im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG nicht länger gewährt wurde. Es hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass es dem UNRWA nicht mehr möglich war, im Lager Nairab mandatskonforme Lebensverhältnisse zu gewährleisten, und dass dem Kläger eine Niederlassung in einem anderen Lager in Syrien nicht zuzumuten war, weil viele UNRWA-Einrichtungen in Syrien zerstört oder für das UNRWA nicht zugänglich gewesen seien und zu zahlreichen Flüchtlingslagern kein gesicherter Zugang bestanden habe. Die Beklagte, die dem Kläger wegen der Verhältnisse in Syrien selbst subsidiären Schutz gewährt hat, hat gegenteilige eigene Erkenntnisse im Berufungsverfahren nicht vorgebracht und im Revisionsverfahren auch keine Verfahrensrüge erhoben. Dass im Lager Nairab nach dem Vorbringen der Beklagten noch bis 2015 Versorgungsleistungen erbracht worden sein mögen, hindert nicht die Annahme, dass dem Kläger ein Verbleib dort wegen der festgestellten gravierenden bürgerkriegsbedingten Sicherheitsmängel nicht zuzumuten war. 30 Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien keine Möglichkeit offengestanden habe, in anderen Teilen des Mandatsgebiets den Schutz des UNRWA in Anspruch zu nehmen, denn sowohl Jordanien als auch der Libanon (als einzige weitere Operationsgebiete, die direkt an Syrien angrenzen) hätten ihre Grenze für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien geschlossen. Auch diese Tatsachenfeststellung ist für das Revisionsgericht in Ermangelung einer durchgreifenden Verfahrensrüge der Beklagten nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend; die Revision hat ihre Tragfähigkeit auch im Übrigen nicht hinreichend substantiiert angegriffen. Soweit die Beklagte an den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angedeuteten Zweifeln festhalten will, steht es ihr im Übrigen frei, in dem erneuten Berufungsverfahren ihr gegebenenfalls verfügbare anderweitige Erkenntnisse einzuführen oder auf eine weitere Sachaufklärung hinzuwirken. Ist hingegen nach dem Ergebnis des noch durchzuführenden weiteren Berufungsverfahrens an der getroffenen Feststellung festzuhalten, kommt es auf die - unionsrechtlich klärungsbedürftige - Frage, wie weit der in den Blick zu nehmende Bereich des Mandatsgebiets zu ziehen ist, für den Zeitpunkt des Verlassens nicht an. 31 Die Beurteilung, ob ein eventueller Wegfall des durch das UNRWA gewährten Schutzes oder Beistands auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der Tatsacheninstanz fortbesteht, wird das Berufungsgericht hingegen jedenfalls in der neu zu treffenden Entscheidung auf aktuellere Erkenntnisquellen zu stützen haben, als sie dem angefochtenen Urteil zugrunde liegen. Erweisen sich in diesem Zusammenhang die dem EuGH unterbreiteten Fragen zum Umfang des bei der Rückkehrbetrachtung maßgeblichen Gebiets (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 C 5.18 - Vorlagefrage 4) als entscheidungserheblich, mag auch aus diesem Grund naheliegen, vor einer erneuten Berufungsentscheidung die Entscheidung des Gerichtshofs abzuwarten. 32 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-32,08.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 32/2019 vom 08.05.2019 EN Zugang zu Umweltinformationen über Stuttgart 21 Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein beamtenrechtlicher Vermerk über die öffentliche Äußerung eines Polizeibeamten zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010 keine Umweltinformation darstellt, zu der nach Maßgabe der Umweltinformationsrichtlinie ein Zugangsanspruch besteht. Demgegenüber kann der Kläger Zugang zu zwei Präsentationen beanspruchen, die die Unternehmenskommunikation der beigeladenen Deutsche Bahn AG zum Projekt Stuttgart 21 betreffen. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Umweltinformationsrichtlinie vorgelegt. Dem Antrag des Klägers auf Zugang zu allen beim Staatsministerium Baden-Württemberg vorhandenen Umweltinformationen zum Komplex Baumfällungen für Stuttgart 21 gab dieses nur teilweise statt. Die dagegen gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung des Verwaltungsgerichthofs, der beamtenrechtliche Vermerk sei eine Umweltinformation, nicht gefolgt; insoweit war die Revision des beklagten Landes erfolgreich. Die gegen den Zugang zu den Präsentationen gerichtete Revision der Beigeladenen hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen, weil das öffentliche Informationsinteresse das auf die Wahrung von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen gestützte Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Soweit das Zugangsbegehren auf Informationen für die Hausspitze des Staatsministeriums über den Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Polizeieinsatzes im Stuttgarter Schlossgarten sowie Vermerke des Staatsministeriums zum Schlichtungsverfahren im November 2010 gerichtet ist, bedarf es einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zum sachlichen und zeitlichen Schutz „interner Mitteilungen“ i.S.d. Umweltinformationsrichtlinie. BVerwG 7 C 28.17 - Urteil vom 08. Mai 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 10 S 436/15 - Urteil vom 29. Juni 2017 - VG Stuttgart, 4 K 2005/13 - Urteil vom 09. Januar 2015 - BVerwG 7 C 28.17 - Beschluss vom 08. Mai 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 10 S 436/15 - Urteil vom 29. Juni 2017 - VG Stuttgart, 4 K 2005/13 - Urteil vom 09. Januar 2015 -","Urteil vom 08.05.2019 - BVerwG 7 C 28.17ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U7C28.17.0 EN Zugang zu Umweltinformationen über Stuttgart 21 Leitsatz: Ob Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG sich auf Umweltbestandteile oder -faktoren wahrscheinlich auswirken können, kann in Anlehnung an den allgemeinen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab festgestellt werden; es genügt die nicht nur fernliegende oder theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung (Fortführung von BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 25). Rechtsquellen RL 2003/4/EG Art. 2 Nr. 1 Buchst. c, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d und e, Abs. 5 Satz 2 UIG § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UVwG BW § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a, § 24 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 3, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 Instanzenzug VG Stuttgart - 09.01.2015 - AZ: VG 4 K 2005/13 VGH Mannheim - 29.06.2017 - AZ: VGH 10 S 436/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.05.2019 - 7 C 28.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U7C28.17.0] Urteil BVerwG 7 C 28.17 VG Stuttgart - 09.01.2015 - AZ: VG 4 K 2005/13 VGH Mannheim - 29.06.2017 - AZ: VGH 10 S 436/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer und Dr. Löffelbein am 8. Mai 2019 für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg teilweise geändert. Die Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Informationszugang zu der Unterlage unter Punkt 3 (Vermerk über Äußerung eines Polizeibeamten) abweisende Teilurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Januar 2015 wird zurückgewiesen. Die Revision der Beigeladenen wird zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger begehrt vom Staatsministerium Baden-Württemberg Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit den Baumfällungen für das Verkehrs- und Städtebauprojekt ""Stuttgart 21"" im Stuttgarter Schlossgarten im Oktober 2010. In Streit stehen - soweit es dieses Teilurteil betrifft - ein beamtenrechtlicher Vermerk aus dem baden-württembergischen Innenministerium über die öffentliche Äußerung eines Polizeibeamten zum Polizeieinsatz am 30. September 2010 (Punkt 3) sowie Unterlagen zur Kommunikationsstrategie der beigeladenen Deutsche Bahn AG betreffend das Bahnprojekt ""Stuttgart 21"" (Punkt 2). 2 Mit Schreiben vom 21. November 2012 beantragte der Kläger beim Staatsministerium Zugang zu allen dort vorhandenen Umweltinformationen zum Komplex ""Baumfällungen für Stuttgart 21 im Oktober 2010 und damit zusammenhängender Vorgänge, Ereignisse, Aktionen und Maßnahmen aller Art"" vor, während und nach dem Oktober 2010. In einem Gespräch konkretisierte der Kläger seinen Antrag auf den Zeitraum von Januar 2010 bis Mai 2011 und teilte mit, er interessiere sich hauptsächlich für die Zulässigkeit der Baumfällungen und die Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorgaben. 3 Mit Bescheid vom 18. Januar 2013 gab das Staatsministerium dem Antrag teilweise statt und lehnte den Zugang zu den hier streitgegenständlichen Informationen ab. Der beamtenrechtliche Vermerk stelle keine Umweltinformationen dar; er verhalte sich nur zu den öffentlichen Äußerungen eines Polizeibeamten zur polizeilichen Einsatztaktik und -bewertung. Der Zugang zu den Präsentationen der Firma C. vom 10. und 24. September 2010 zur Verbesserung der Kommunikationsstrategie der Beigeladenen sei zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ausgeschlossen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Offenbarung dieser Informationen liege nicht vor, weil sie keinen inhaltlichen Bezug zu den Baumfällungen aufwiesen. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. 4 Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten verpflichtet, ihm die Unterlagen zugänglich zu machen. Bei den Unterlagen handele es sich um Umweltinformationen. Dieser Begriff sei unionsrechtlich vorgeprägt und weit auszulegen. Er erfasse daher auch den beamtenrechtlichen Vermerk, weil zumindest möglich sei, dass die Sanktionierung kritischer Äußerungen eines Polizeibeamten sich auf zukünftige Umwelteingriffe im Zusammenhang mit ""Stuttgart 21"" auswirke. Ob die Unterlagen der Firma C. zur Kommunikationsstrategie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen darstellten, könne offenbleiben. Deren Vertraulichkeitsinteresse müsse jedenfalls wegen eines überwiegenden öffentlichen Informationsinteresses zurücktreten. Der Ausschlussgrund einer Verletzung von Urheberrechten hätte schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden müssen. Ungeachtet dessen fehle es hierfür an Anhaltspunkten. Die Firma C. habe im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, dass sie gegen eine Offenbarung der Präsentationen - sofern die Beigeladene dem zustimme - keine Einwände habe. 5 Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen. Der Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe den Begriff der Umweltinformation unionsrechtswidrig ausgelegt, indem es die Annahme eines potentiellen Wirkungszusammenhanges zwischen der konkreten Tätigkeit und Umweltbestandteilen habe ausreichen lassen. Das Unionsrecht verlange, dass sich die Maßnahme oder Tätigkeit auf Umweltbestandteile wahrscheinlich auswirke. Das sei hinsichtlich des Vermerks nicht der Fall. 6 Die Beigeladene macht geltend, das Berufungsgericht habe gegen das in der Umweltinformationsrichtlinie verankerte Antragsprinzip verstoßen. Der Kläger habe Zugang zu Informationen zum Komplex ""Baumfällungen für Stuttgart 21 im Oktober 2010 und damit zusammenhängende Vorgänge, Ereignisse, Aktionen und Maßnahmen aller Art"" beantragt. Darum gehe es in den Unterlagen zur Kommunikationsstrategie nicht. Bei den Unterlagen handele es sich allerdings nicht um Umweltinformationen. Hinsichtlich des Schutzes von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen habe das Berufungsgericht übersehen, dass die behördliche Abwägungsentscheidung nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei. Zudem sei eine ordnungsgemäße Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Veröffentlichungsinteresse ohne Aufklärung des Geheimnischarakters und der Geheimnisqualität der Informationen nicht möglich. Auch der Ablehnungsgrund der Rechte am geistigen Eigentum sei zu Unrecht verneint worden. Schließlich leide das Urteil an einer Reihe von Verfahrensmängeln, insbesondere Verstößen gegen den Überzeugungsgrundsatz, die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und des rechtlichen Gehörs, das Erörterungsgebot und die Begründungspflicht. 7 Der Beklagte beantragt, das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Informationszugang zu den Unterlagen unter Punkt 3 (Vermerk über Äußerung eines Polizeibeamten) abweisende Teilurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Januar 2015 zurückzuweisen. 8 Die Beigeladene beantragt, das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage auf Informationszugang zu den Unterlagen unter Punkt 2 (Präsentation zur Kommunikationsstrategie) abweisende Teilurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Januar 2015 zurückzuweisen. 9 Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. 10 Der Kläger verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts. 11 Hinsichtlich der weiter streitgegenständlichen Unterlagen - Informationen für die Hausspitze des Staatsministeriums über den Untersuchungsausschuss ""Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten"" (Punkt 1) sowie Vermerke des damaligen Leiters der Abteilung I des Staatsministeriums zum Schlichtungsverfahren (Punkt 4) - hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 8. Mai 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e UIRL vorgelegt. II 12 Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet und führt insoweit zur Zurückweisung der Berufung des Klägers (1.). Die zulässige Revision der Beigeladenen ist unbegründet und demnach zurückzuweisen (2.). 13 1. Hinsichtlich des Informationszugangs zu dem beamtenrechtlichen Vermerk verstößt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gegen revisibles Recht. Bei dieser Unterlage handelt es sich nicht um eine Umweltinformation im Sinne der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41 S. 26) - UIRL -. 14 Der Informationszugangsanspruch des Klägers stützt sich auf § 24 Abs. 1 Satz 1 des Umweltverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (UVwG BW) vom 25. November 2014 (GBl. S. 592), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. November 2018 (GBl. S. 439), wonach jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen hat. Umweltinformationen sind nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UVwG BW alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken. § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UVwG BW dient - in Anlehnung an die bundesrechtliche Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UIG - der Umsetzung von Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL (vgl. LT-Drs. 15/5487 S. 83 und BT-Drs. 15/3406 S. 14). 15 Landesrecht unterliegt insoweit revisionsgerichtlicher Kontrolle, als das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen hat, ob die Vorinstanz die für die Entscheidung maßgeblichen und dem Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO zugehörigen unionsrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 - juris Rn. 8 m.w.N.). Unionsrechtliche Maßstäbe stehen inmitten, wenn die Vorinstanz die landesrechtliche Norm mit Blick auf die Wahrung der Unionsrechtskonformität auslegt, sich mit anderen Worten also bei der Anwendung des Landesrechts durch das Unionsrecht zu einer bestimmten Auslegung verpflichtet bzw. veranlasst sieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 C 13.07 - BVerwGE 130, 223 Rn. 9 m.w.N.). Das ist vorliegend der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass der Begriff der ""Umweltinformationen"" im Landesrecht unionsrechtskonform auszulegen ist (vgl. UA S. 14 f.). 16 Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL stellt eine Information eine Umweltinformation dar, wenn sie sich auf eine Maßnahme oder Tätigkeit bezieht, die sich mindestens wahrscheinlich auf Umweltbestandteile auswirkt. 17 Die Begriffe ""Maßnahme oder Tätigkeit"" und ""Daten"" sind - wie der Senat zu § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG, der zur Umsetzung von Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL dient, entschieden hat - weit zu verstehen. Da § 2 Abs. 3 UIG alle Daten ""über"" Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug erfasst, muss sich allein die Maßnahme oder Tätigkeit auf Umweltbestandteile oder -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken können. Dabei genügt ein gewisser Umweltbezug der Maßnahme oder Tätigkeit. Die Umweltinformation muss zwar nicht notwendig einen unmittelbaren Umweltbezug aufweisen; ein Umweltbezug muss ihr aber zumindest durch die Maßnahme oder Tätigkeit, auf die sie sich bezieht, vermittelt werden. Das folgt aus Art. 2 Nr. 1 UIRL, der in Buchstabe e auf die in Buchstabe c genannten Maßnahmen oder Tätigkeiten verweist, die sich auf die in Buchstabe a und b genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken. Solange sie selbst unmittelbarer Inhalt einer Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG/Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL ist, muss die Umweltinformationseigenschaft nicht für jede einzelne Angabe festgestellt werden; eines unmittelbaren Zusammenhanges der Daten mit der Umwelt bedarf es dann nicht. Diesem weiten Begriffsverständnis entspricht, dass Art. 2 Nr. 1 Buchst. e UIRL auch Kosten/Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von umweltrelevanten Maßnahmen verwendet werden, als Umweltinformationen definiert. Erfasst werden damit auch Angaben, die die wirtschaftliche Realisierbarkeit einer umweltrelevanten Maßnahme betreffen (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 54 f. und 86). Ob Maßnahmen oder Tätigkeiten sich auf Umweltbestandteile oder -faktoren wahrscheinlich auswirken können, kann unter Berücksichtigung des Zwecks der Umweltinformationsrichtlinie, Transparenz zwischen Bürger und Staat in Angelegenheiten des Umweltschutzes zu schaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999 - 7 C 21.98 - BVerwGE 108, 369 <376> m.w.N.), in Anlehnung an den allgemeinen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts festgestellt werden. Danach muss ein sicherer Nachweis nachteiliger Auswirkungen nicht erbracht werden; es genügt die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Umweltbestandteilen oder -faktoren. Diese Möglichkeit darf nicht nur eine theoretische sein; eher fernliegende Befürchtungen scheiden daher aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 25 m.w.N.). 18 Mit diesen Maßstäben ist die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Vermerk über kritische Äußerungen eines Polizeibeamten in der Öffentlichkeit stelle eine Umweltinformation dar, nicht vereinbar. Es fehlt am erforderlichen Umweltbezug. Der Vermerk ist weder selbst - wie etwa eine Planunterlage - unmittelbarer Inhalt einer Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG/Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL (hier des Projekts ""Stuttgart 21"") noch kann er sich - was allein näher in Betracht kommt - auf deren Durchführung wahrscheinlich auswirken und so einen Umweltbezug haben. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs erschöpft sich sein Inhalt in einer beamtenrechtlichen Bewertung der öffentlich - gegenüber einem Fernsehsender - erfolgten, kritischen Äußerungen eines beteiligten Polizeibeamten. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Umweltbezug folge daraus, dass die beamtenrechtliche Bewertung (Sanktionierung) ""geeignet sei, das Ausmaß interner Kritik an der zukünftigen polizeilichen Flankierung weiterer Umwelteingriffe im Rahmen von Stuttgart 21 zu verringern"", trägt nicht. Dabei kann dahinstehen, ob nicht schon die Einschätzung, der Vermerk ließe interne Kritiker aus den Reihen der Polizei ""verstummen"", eher theoretisch und fernliegend ist. Selbst wenn die Annahme zuträfe, wäre dies für die Durchführung der planfestgestellten, umweltrelevanten Baumaßnahmen ohne Relevanz. 19 2. Hinsichtlich des Informationszugangs zu den Präsentationen zur Kommunikationsstrategie hat der Verwaltungsgerichtshof der Berufung des Klägers in Einklang mit revisiblem Recht stattgegeben (a). Die von der Beigeladenen geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor (b). 20 a) Die von der Beigeladenen gegen den Informationszugangsanspruch des Klägers vorgebrachten Einwände sind revisionsgerichtlicher Kontrolle zugänglich (aa). Der Zugang des Klägers zu Umweltinformationen geht über den beantragten Umfang nicht hinaus (bb). Bei den Unterlagen handelt es sich um Umweltinformationen (cc). Der Ablehnungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen greift nicht durch (dd). Auch der Ablehnungsgrund des Schutzes des geistigen Eigentums ist nicht gegeben (ee). 21 aa) Die Gewährung des Zugangs zu Umweltinformationen (nur) auf Antrag nach § 25 Abs. 1 UVwG BW, der Begriff der Umweltinformation im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UVwG BW sowie die Ablehnungsgründe des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG BW und des Schutzes des geistigen Eigentums nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVwG BW entsprechen den Regelungsvorgaben von Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d und e UIRL. Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber beim Erlass der Regelungen des Umweltverwaltungsgesetzes oder der Verwaltungsgerichtshof bei deren Auslegung von den unionsrechtlichen Vorgaben bewusst abgewichen ist, sind nicht ersichtlich. 22 bb) Nach § 25 Abs. 1 UVwG BW werden Umweltinformationen von der informationspflichtigen Stelle (nur) auf Antrag zugänglich gemacht. Die Regelung entspricht Art. 3 Abs. 1 UIRL. Das Antragserfordernis sieht der Verwaltungsgerichtshof zu Recht als gewahrt an. Der weit gefasste Antrag des Klägers erstreckte sich auch auf die Präsentationen. Er hat sich zu diesen Unterlagen etwa in seinem Widerspruch vom 15. Februar 2013 (S. 4 zu Nr. 5) ausdrücklich verhalten. Die ergänzende Mitteilung des Klägers, er interessiere sich ""hauptsächlich"" für die Zulässigkeit der Baumfällungen und die Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorgaben, sollte den Umfang seines Zugangsbegehrens nicht einschränken. Auch der Beklagte als Adressat des Informationszugangsantrags ist ohne Weiteres davon ausgegangen, dass die Unterlagen vom Antrag des Klägers umfasst sind. Sie sind sowohl Gegenstand des Ausgangsbescheides vom 18. Januar 2013 (S. 8 f.) als auch des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2013 (S. 5, 18 bis 20). Ob es sich dabei - wie der Beklagte und die Beigeladene geltend machen - nicht oder nur sehr vereinzelt um Umweltinformationen handelt, ist keine Frage der Antragsauslegung, sondern betrifft den materiellen Erfolg des Antrags (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1999 - 7 C 21.98 - BVerwGE 108, 369 <371>). Die von der Beigeladenen insoweit angeregte Vorlage zum Europäischen Gerichtshof kommt demnach nicht in Betracht. 23 cc) Bei den Unterlagen zur Kommunikationsstrategie handelt es sich - wie vom Verwaltungsgerichtshof zu Recht festgestellt - insgesamt um Umweltinformationen im Sinne von § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UVwG BW und Art. 2 Nr. 1 Buchst. c UIRL. 24 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 18) sollten die Unterlagen die Träger des Bauvorhabens ""Stuttgart 21"" in die Lage versetzen, durch gezielte Maßnahmen der Unternehmenskommunikation die öffentliche Akzeptanz der Baumaßnahmen zu erhöhen. Es handelt sich danach offenkundig um Informationen mit dem erforderlichen Bezug zu einer umweltrelevanten Maßnahme/Tätigkeit. Dass die Unterlagen - wie der Beklagte und die Beigeladene einwenden - weder ausschließlich noch im Schwerpunkt Umweltauswirkungen des Projekts ""Stuttgart 21"" betreffen, steht ihrer Einstufung als Umweltinformation nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass sie dessen Umsetzung mit vorbereiten. Ohne Belang ist daher auch, dass die Präsentationen sich nur am Rande auf die Baumfällungen beziehen (S. 34 der Präsentation vom 24. September 2010). Das Bauvorhaben ""Stuttgart 21"" wirkt sich nicht nur durch die Baumfällungen, sondern - wie dies beim Bau von Schienenwegen und Bahnanlagen typischerweise der Fall ist - insgesamt auf Umweltbestandteile aus. 25 Für die von der Beigeladenen angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht auch insoweit kein Anlass. 26 dd) Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der Ablehnungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht zugunsten der Beigeladenen durchgreift. Hierbei kann sich die Beigeladene als juristische Person des Privatrechts, die sich im Mehrheitseigentum der öffentlichen Hand befindet, unbeschadet dessen, dass sie bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bzw. der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen keinen Grundrechtsschutz genießt, auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG BW berufen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn sie sich bei ihrer Tätigkeit aufgrund des faktischen Monopols von Schienenwegen nicht in einer unmittelbaren Wettbewerbssituation befindet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 93 m.w.N.). 27 Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG BW, der Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d UIRL in Landesrecht umsetzt, ist der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach der Rechtsprechung des Senats überwiegt das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe einer Information im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 UIRL, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt. Das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten, genügt mithin nicht. Andernfalls überwöge das öffentliche Interesse stets; die Abwägung im Einzelfall wäre entbehrlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 62 f. und vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 92). 28 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen unterliegt die im jeweiligen Einzelfall vorzunehmende Abwägung des Vertraulichkeitsinteresses an Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen mit dem öffentlichen Informationsinteresse nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 4 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Für einen behördlichen Letztentscheidungsspielraum ist eine Rechtfertigung nicht zu erkennen. Er lässt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zum Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG ableiten. Die danach hinsichtlich der Beurteilung nachteiliger Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen zuzugestehende Einschätzungsprärogative beruht auf der Besonderheit, dass das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung im Bereich des Auswärtigen einräumt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2016 - 7 C 32.15 - Buchholz 406.252 § 8 UIG Nr. 2 Rn. 29 ff. m.w.N.). Diese Erwägung ist auf andere gesetzliche Ablehnungsgründe für Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen nicht übertragbar (a.A. Hentschel, in: Debus, Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2017, § 28 UVwG Rn. 58; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2019, § 8 UIG Rn. 78). Gleiches gilt für die von der Beigeladenen ebenfalls in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichts der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 26. April 2005 - T-110/03 [ECLI:​EU:​T:​2005:​143] -) zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen europäischer Organe. 29 Daran gemessen hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen, dass das besondere Informationsinteresse der Öffentlichkeit hier überwiegt. 30 In den Gründen des Urteils ist ausführlich dargelegt, dass - wie im Übrigen allgemeinkundig ist - die Realisierung des Bahnprojekts ""Stuttgart 21"" und insbesondere die planfestgestellten Baumfällungen im Stuttgarter Schlossgarten vor Ort und bundesweit Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen waren, ein wesentliches Streitthema dabei auch die Art und Weise der Kommunikation zwischen Bürgern und Staat nicht zuletzt über die Umweltauswirkungen des Projekts darstellte und die Diskussion schließlich im Anschluss an die Landtagswahl im März 2011 nicht nur in einer Volksabstimmung zu ""Stuttgart 21"" ihren Niederschlag fand, sondern sich die neue Landesregierung einer ""Politik des Gehörtwerdens"" verschrieb. Vor diesem Hintergrund sei - so das Berufungsgericht - gerade die Kommunikationsstrategie der Vorhabenträger im unmittelbaren Vorfeld der gewaltsamen Eskalation des Konflikts um ""Stuttgart 21"" von erheblichem öffentlichen Interesse. Als zusätzlichen Indikator hierfür hat der Verwaltungsgerichtshof eingestellt, dass verschiedene behördliche Maßnahmen und Handlungen im Zusammenhang mit den Rodungen Gegenstand von Gerichtsverfahren sowie zweier Untersuchungsausschüsse im baden-württembergischen Landtag waren. 31 Zugunsten der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Interessenabwägung unterstellt, dass die Präsentationen zur Kommunikationsstrategie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse darstellen bzw. enthalten, an deren Geheimhaltung die Beigeladene grundsätzlich ein berechtigtes Interesse haben kann. Er hat diesem Geheimhaltungsinteresse aber ein geringeres Gewicht beigemessen, weil konkrete Nachteile für den Fall einer Veröffentlichung der Präsentationen weder von der Beigeladenen dargelegt noch sonst erkennbar seien. Die - inzwischen mehr als sechs Jahre zurückliegenden - Präsentationen beträfen weder die (Konzern-)Kommunikationsstrategie noch störten sie das Gleichgewicht der Kommunikation zwischen der Beigeladenen und den Projektgegnern. Vielmehr gehe es letztlich nur um einen sehr beschränkten und speziellen Fall der (Krisen-)Kommunikation hinsichtlich eines bestimmten Projekts. 32 Gegen diese Gewichtung und Abwägung der widerstreitenden Interessen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Sie erweist sich auch unabhängig von einer ""seitengenauen"" Kenntnis des Inhalts der beiden Präsentationen als tragfähig. Dass die Präsentationen entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs Informationen enthalten, die die allgemeine Konzernkommunikationsstrategie betreffen, behauptet selbst die Beigeladene nicht; ihre Ausführungen in der Revisionsbegründung vom 8. September 2017 (S. 4 Rn. 7), die auf entsprechende Einlassungen im erstinstanzlichen Klageverfahren verweisen, bestätigen im Gegenteil deren Projektbezug. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Gewichtung des Geheimhaltungsinteresses den Zeitablauf bzw. das Alter der Präsentationen berücksichtigt hat. Soweit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse mindestens fünf Jahre alt sind, sind sie aufgrund des Zeitablaufs grundsätzlich nicht mehr als aktuell und deshalb nicht mehr als vertraulich anzusehen, es sei denn, die Partei, die sich auf Vertraulichkeit beruft, weist ausnahmsweise nach, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen Dritten sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​464] - Rn. 57). Der eingetretene Zeitablauf wirkt sich zwar nachteilig auf die Schutzwürdigkeit der Präsentationen aus. Er ändert aber nichts an dem erheblichen öffentlichen Interesse daran, sich - auch eingedenk des Ziels der Umweltinformationsrichtlinie, den Umweltschutz durch eine Schärfung des Umweltbewusstseins, die Ermöglichung eines freien Meinungsaustauschs und eine Wandlung der Art und Weise, in der Behörden mit Offenheit und Transparenz umgehen, zu verbessern (vgl. Erwägungsgründe Nr. 1 und 2) - Kenntnis über die ""kommunikative Begleitung"" eines umweltrelevanten und polarisierenden Großprojekts zu verschaffen. 33 Einer Vorlage an den Gerichtshof zur Klärung des Begriffs der Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d UIRL bedarf es hiernach schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Auch zur Frage der Abwägung zwischen Vertraulichkeits- und Informationsinteresse bedarf es nach dem Dargelegten keiner Vorlage. Die Rechtslage ist insoweit eindeutig. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob sich die Beigeladene auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) stützen kann. Nachdem sich die Beigeladene auf den Ablehnungsgrund nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG BW (bzw. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d UIRL) bereits nach Maßgabe des nationalen Rechts uneingeschränkt berufen kann, ist nicht ersichtlich, inwieweit sich aus Art. 8, 15 oder 16 GRC eine günstigere Rechtsfolge ergeben könnte. 34 ee) Im Ergebnis zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof auch den Ablehnungsgrund zum Schutz von Rechten am geistigen Eigentum nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVwG BW, der Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. e UIRL in Landesrecht umsetzt, verneint. 35 Zwar verstößt die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die nachträgliche Berufung auf diesen Ablehnungsgrund sei schon deshalb ausgeschlossen, weil grundsätzlich alle Einwände gegen ein Informationsbegehren schon im Verwaltungsverfahren angeführt werden müssten, gegen revisibles Recht. Eine derartige Rechtspflicht lässt sich aus der in Art. 4 Abs. 5 Satz 2 UIRL unionsrechtlich normierten und in § 27 Abs. 1 Satz 3 UVwG BW landesrechtlich umgesetzten Verpflichtung, einer antragstellenden Person die Gründe für die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Umweltinformationen mitzuteilen, nicht ableiten. Art. 4 Abs. 5 Satz 2 UIRL sieht lediglich eine Begründungspflicht im Sinne einer verfahrensrechtlichen Verpflichtung vor. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zu einer vollständigen, gegebenenfalls ""überschießenden"" materiell-rechtlichen Prüfung sämtlicher hinsichtlich eines Informationszugangsbegehrens in Frage kommender Ablehnungsgründe enthält die Vorschrift hingegen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 38 m.w.N.). 36 Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsverstoß, weil der Verwaltungsgerichtshof Rechte am geistigen Eigentum selbständig tragend auch der Sache nach als nicht verletzt ansieht und die Entscheidung insoweit in Einklang mit revisiblem Recht steht. Eine Verletzung von Urheberrechten der Firma C. scheidet schon deshalb aus, weil diese die Entscheidung über eine Veröffentlichung der Präsentationen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Beigeladenen überlassen hat. Dabei durfte der Verwaltungsgerichtshof mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Firma C. auch über einen von ihr in den Präsentationen verwendeten zwölfseitigen Beitrag der Firma N. disponieren durfte. Soweit die Beigeladene rügt, diese Annahme sei nicht valide und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, genügt ihr Vorbringen den Anforderungen an die Darlegung von Verfahrensmängeln nicht (siehe nachfolgend unter b) dd)). Der Beigeladenen selbst bleibt es als grundsätzlich umweltinformationspflichtiger Stelle (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 33 ff. m.w.N.) in aller Regel ohnedies versagt, ein eigenes urheberrechtliches Schutzrecht gegen Informationszugangsansprüche zu wenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241 Rn. 38 m.w.N.). Abweichendes ergibt sich weder daraus, dass vorliegend nicht - wie im Verfahren BVerwG 7 C 31.15 mit der DB Netz AG - ein Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn, sondern die ""Konzernmutter"" beigeladen ist und diese hier nicht als informationspflichtige Stelle in Anspruch genommen wird. Die Rechtsausübung hängt insoweit nicht davon ab, welche Rolle im jeweiligen Verfahren wahrgenommen wird. 37 Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Frage, ob Art. 4 Abs. 5 UIRL es zulässt, sich im gerichtlichen Verfahren auch auf solche Ablehnungsgründe zu berufen, die zuvor nicht geltend gemacht worden sind, besteht danach schon deshalb keine Veranlassung, weil es auf diese Frage entscheidungserheblich nicht ankommt. 38 b) Die von der Beigeladenen geltend gemachten Verfahrensfehler sind nicht ordnungsgemäß dargelegt bzw. liegen nicht vor. 39 aa) Die im Zusammenhang mit der Frage, ob das Antragserfordernis nach § 25 Abs. 1 UVwG BW gewahrt wurde, erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Für die Annahme, dass die Unterlagen zur Kommunikationsstrategie vom Antrag des Klägers umfasst sind, bedurfte es insbesondere keiner weiteren gerichtlichen Sachverhaltsermittlung (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu Einzelheiten des Inhalts dieser Unterlagen (siehe oben auch 2. a) bb)). Auch ein Bedarf für weitere Erörterungen dieses Gesichtspunkts mit den Prozessbeteiligten (vgl. § 104 Abs. 1 VwGO) ist nicht ersichtlich. Die darüber hinaus behaupteten Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz bzw. den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) hat die Beigeladene schon nicht nachvollziehbar dargelegt (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). 40 Auch ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt jedenfalls nicht vor. Die Begründungspflicht ist dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 7. November 2018 - 7 C 18.18 - NVwZ-RR 2019, 456 Rn. 38 m.w.N.). Davon kann hier keine Rede sein. 41 bb) Hinsichtlich der Umweltinformationseigenschaft der Unterlagen zur Kommunikationsstrategie verweist die Beigeladene lediglich darauf, dass das Berufungsgericht bei näherer Befassung mit dem Inhalt der Unterlagen zum gegenteiligen Ergebnis hätte kommen müssen. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht dargelegt (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Auf der maßgeblichen Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bedurfte es für die Annahme der Umweltinformationseigenschaft dieser Unterlagen keiner detaillierten Kenntnis von deren Inhalt. 42 cc) Verfahrensfehler des Berufungsgerichts sind auch hinsichtlich des Ablehnungsgrundes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVwG BW nicht ersichtlich. Die insoweit seitens der Beigeladenen gerügten Beweiswürdigungs-, Erörterungs-, Begründungs- und Gehörsdefizite liegen nicht vor. Warum es angesichts der aussagekräftigen Darlegungen des Beklagten und der Beigeladenen zum Inhalt der Präsentationen, die der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, für eine ordnungsgemäße Gewichtung des Geheimhaltungsinteresses und die Abwägung der widerstreitenden Interessen auf eine detailliertere Kenntnis von deren Inhalt angekommen wäre, legt die Beigeladene nicht dar. 43 Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs als Überraschungsentscheidung darstellt, dass nach § 86 Abs. 3 VwGO gebotene Hinweise unterblieben wären oder dass das Berufungsgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen hätte. Der Verweis im Urteil darauf, dass es als fraglich erscheine, ob die Beigeladene den Darlegungsanforderungen für die Berufung auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis entsprochen habe, ist nicht entscheidungstragend. 44 dd) Schließlich rügt die Beigeladene Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht, die Erörterungspflicht und den Überzeugungsgrundsatz, weil der Verwaltungsgerichtshof die Verletzung von Urheberrechten lediglich gestützt auf nicht näher validierte Annahmen verneint habe. Die Revision legt aber weder dar, dass das Berufungsgericht insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, noch, dass sich aus der Sicht des Berufungsgerichts weitere Ermittlungen und Erörterungen hätten aufdrängen müssen. 45 Der Entscheidungsausspruch und der Antrag des Beklagten waren hinsichtlich des Datums des Teilurteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu berichtigen (§ 118 Abs. 1 VwGO)." bverwg_2019-33,08.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 33/2019 vom 08.05.2019 EN Arbeitszeitgesetz auf Erzieher in Wohngruppen mit alternierender Betreuung anwendbar Das Arbeitszeitgesetz ist auf Erzieher anwendbar, die im Rahmen der sogenannten alternierenden Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen tätig sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die klagende GmbH betreibt als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe unter anderem Wohngruppen, in denen regelmäßig jeweils sechs Kinder und Jugendliche von drei Erziehern betreut werden. Im Rahmen der hierbei praktizierten alternierenden Betreuung (WaB-Modell) wohnt jeweils einer der Erzieher für zwei bis sieben Tage durchgehend in der Wohngruppe. Der zweite Erzieher hat tagsüber Dienst; der dritte Erzieher hat frei. Mit dem angefochtenen Bescheid gab das beklagte Land der Klägerin auf, die Dienstpläne der Erzieher im Einklang mit den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) auszugestalten. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes auf die in den WaB-Gruppen beschäftigten Erzieher ist nicht nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ausgeschlossen. Diese Ausnahmevorschrift setzt unter anderem voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben. Dazu ist ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit erforderlich, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen. Dieses Verständnis des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG steht im Einklang mit dem Unionsrecht, namentlich der Richtlinie 2003/88/EG. Gemessen daran stellt das von der Klägerin praktizierte Modell kein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft dar. Der angefochtene, auf § 17 Abs. 2 ArbZG gestützte Bescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil allerdings nur im Ergebnis als richtig, denn der von § 17 Abs. 2 ArbZG eröffnete Ermessensspielraum ist - anders als von den Vorinstanzen angenommen - nicht im Sinne eines „intendierten Ermessens“ dahingehend eingeschränkt, dass die zuständige Behörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen regelmäßig einzuschreiten hat. BVerwG 8 C 3.18 - Urteil vom 08. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 1 B 19.15 - Urteil vom 29. November 2017 - VG Berlin, 14 K 184.14 - Urteil vom 24. März 2015 -","Urteil vom 08.05.2019 - BVerwG 8 C 3.18ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U8C3.18.0 EN Regelungsgehalt des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG Leitsätze: 1. Ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG setzt ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit voraus, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen. 2. Der von § 17 Abs. 2 ArbZG eröffnete Ermessensspielraum ist nicht im Sinne eines ""intendierten Ermessens"" dahingehend eingeschränkt, dass die zuständige Behörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen regelmäßig einzuschreiten hat. Rechtsquellen ArbZG §§ 17, 18 RL 2003/88/EG Art. 17 GRC Art. 24 Abs. 2 Instanzenzug VG Berlin - 24.03.2015 - AZ: VG 14 K 184.14 OVG Berlin-Brandenburg - 29.11.2017 - AZ: OVG 1 B 19.15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.05.2019 - 8 C 3.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U8C3.18.0] Urteil BVerwG 8 C 3.18 VG Berlin - 24.03.2015 - AZ: VG 14 K 184.14 OVG Berlin-Brandenburg - 29.11.2017 - AZ: OVG 1 B 19.15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin betreibt als anerkannte freie Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe unter anderem Wohngruppen, in denen regelmäßig jeweils sechs Kinder und Jugendliche von drei Erziehern betreut werden. Im Rahmen der hierbei praktizierten alternierenden Betreuung (WaB-Modell) wohnt abwechselnd jeweils einer der Erzieher für zwei bis sieben Tage durchgehend in der Wohngruppe. Der zweite Erzieher hat tagsüber Dienst; der dritte Erzieher hat frei. Die Klägerin erstellt für die Erzieher individuelle monatliche Dienstpläne, aus denen sich die täglichen Arbeitszeiten ergeben. 2 Zwischen der Klägerin und anderen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe einerseits und dem Beklagten andererseits ist seit geraumer Zeit streitig, ob das Arbeitszeitgesetz auf die in WaB-Gruppen tätigen Erzieher Anwendung findet. Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 gab der Beklagte der Klägerin unter anderem auf, die Dienstpläne der Erzieher so zu gestalten, dass die tägliche Arbeitszeit von maximal zehn Stunden nicht überschritten werde und die gesetzlichen Ruhezeiten eingehalten würden; ferner seien die Dienstpläne nach ihrer Erstellung dem Beklagten vorzulegen. Widerspruch und Klage gegen diese Anordnungen hatten keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage der getroffenen Anordnungen sei § 17 Abs. 2 ArbZG. Dem stehe § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG nicht entgegen, denn eine Anwendung dieser Ausnahmeregelung auf das von der Klägerin praktizierte Modell sei mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht vereinbar. Die Tätigkeit der bei der Klägerin im WaB-Modell tätigen Erzieher weise nicht die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorausgesetzten besonderen Merkmale auf, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkretisiert worden seien. Die Tätigkeit der Erzieher sei im Hinblick auf die von der Klägerin erstellten Dienstpläne sowohl im Voraus festgelegt als auch messbar. Ferner sei sie nicht frei bestimmbar, da die während der Dienstzeiten auftretenden Phasen der Untätigkeit gleichwohl als Arbeitszeit zu qualifizieren seien. Eine auf § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG beruhende Ausnahme sei auch nicht von Art. 17 Abs. 2 und 3 Buchst. b und c der Richtlinie 2003/88/EG gedeckt. Diese Tatbestände eröffneten keine Abweichungsmöglichkeiten von den Bestimmungen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die in den Wohngruppen der Klägerin regelmäßig überschritten werde. Zudem wären solche Abweichungen nur auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern möglich, die hier nicht vorlägen. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ArbZG seien erfüllt. Der Beklagte habe das ihm von der Vorschrift eröffnete Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Er sei in Anbetracht der hier vorliegenden Verstöße auch gegen Unionsrecht grundsätzlich verpflichtet gewesen, Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ergreifen. Besondere Gründe, gleichwohl von einem Einschreiten abzusehen, lägen nicht vor. 3 Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das Berufungsurteil leide an mehreren Verfahrensfehlern. Das Berufungsgericht habe außerdem den Regelungsgehalt von § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG verkannt. Die Erzieher in den WaB-Gruppen erfüllten die Voraussetzungen dieser Vorschrift, deren Anwendung durch das Unionsrecht nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern geboten sei. Der angefochtene Bescheid enthalte keine ausreichende Begründung und sei ermessensfehlerhaft. 4 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. November 2017 in der Fassung der beiden Berichtigungsbeschlüsse vom 16. Februar 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. März 2015 zu ändern und Nr. 1 Buchst. a und b sowie Nr. 2 des Bescheides des Beklagten vom 8. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 aufzuheben. 5 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 6 Er verteidigt das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Er schließt sich der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts und des Beklagten an und führt aus, die Intention des historischen Gesetzgebers stehe der Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG auf die in den WaB-Gruppen tätigen Erzieher entgegen. II 8 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil steht überwiegend mit revisiblem Recht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Soweit es gegen Bundesrecht verstößt, erweist es sich aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 9 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170, 1171), zuletzt geändert durch Art. 12a des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500, 2512) auf die in den WaB-Gruppen beschäftigten Erzieher nicht nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ausgeschlossen ist (1.). Ferner hat es die angefochtenen Anordnungen ohne Verstoß gegen Bundesrecht auf § 17 Abs. 2 ArbZG gestützt und im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Beklagte das ihm von dieser Vorschrift eröffnete Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat (2.). Die Verfahrensrügen greifen nicht durch (3.). 10 1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ist das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden auf Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Hier fehlt es schon am Merkmal des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft, so dass es auf die Frage, ob die Tätigkeit der Erzieher als eigenverantwortlich anzusehen ist, nicht ankommt. 11 a) Ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft setzt ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit voraus, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen. 12 Dieses Verständnis folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm. Der Begriff des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft enthält zum einen den räumlich-gegenständlichen Aspekt des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens. Zum anderen erfordert das Tatbestandsmerkmal mit den Begriffen des Zusammenlebens und der Gemeinschaft in zeitlicher und personeller Hinsicht eine nicht unbeträchtliche Stetigkeit und Dauerhaftigkeit. 13 Mit der dargestellten Interpretation wird dem Willen des Gesetzgebers entsprochen. Das Arbeitszeitgesetz soll dann keine Anwendung finden, wenn die besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen bestimmter Arbeitnehmer die durch das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht vorgeschriebene Unterscheidung zwischen Freizeit und Arbeit nicht zulassen (vgl. BT-Drs. 12/6990 S. 44). Eine solche Unterscheidung ist dann nicht möglich, wenn das Arbeitsverhältnis von nahezu permanenter Verfügbarkeit des Arbeitnehmers geprägt ist. Ist das hingegen nicht der Fall und wechseln sich Arbeits- und Ruhephasen ab, liegen keine besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen vor, die nach der Absicht des Gesetzgebers zur Unanwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes führen sollen. 14 Systematische und teleologische Erwägungen stützen dieses Ergebnis. Die vier in § 18 Abs. 1 ArbZG genannten Personengruppen zeichnen überwiegend die Vorgaben in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 S. 9) nach (Wank, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, § 18 ArbZG Rn. 1). Hieraus wird die unionsrechtliche Prägung der nationalen Norm deutlich. Sie ist für die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers maßgeblich, weil das einschlägige Unionsrecht für das nationale Recht das maßgebliche Regelwerk darstellt (BT-Drs. 15/1587 S. 29). 15 Das Arbeitszeitgesetz dient der Umsetzung des europäischen Arbeitszeitrechts - der Richtlinie 2003/88/EG und der vorangegangenen Richtlinie 93/104/EG - (BT-Drs. 15/1587 S. 29) und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Das gilt auch für die hier in Rede stehenden Ausnahmen von der Anwendung des Arbeitszeitrechts, die mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG in Einklang stehen müssen. Danach können die Mitgliedstaaten von den Schutzbestimmungen der Richtlinie abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. Damit sind - wie es der nationale Gesetzgeber auch aufgegriffen hat - ""besondere"" Eigenschaften der in Rede stehenden Tätigkeit für eine Ausnahme vom Arbeitszeitrecht erforderlich. 16 Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass eine an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG orientierte Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG zur Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes auf die in den WaB-Gruppen tätigen Bediensteten der Klägerin führt. Nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs muss die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehene Abweichung so ausgelegt werden, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglicht, unbedingt Erforderliche begrenzt wird; außerdem gilt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG lediglich für Arbeitnehmer, deren gesamte Arbeitszeit (und nicht nur ein Teil hiervon) wegen der besonderen Merkmale die in der Norm genannten Besonderheiten aufweist (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02 [ECLI:​EU:​C:​2003:​437], Jaeger - Rn. 89, vom 14. Oktober 2010 - C-428/09 [ECLI:​EU:​C:​2010:​612], Union syndicale Solidaires Isère - Rn. 40 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​617], Hälvä - Rn. 31 f.). Die an Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG anknüpfende nationale Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ist daher ebenfalls eng auszulegen und findet nur dann Anwendung, wenn ihre Voraussetzungen im Hinblick auf die gesamte in Rede stehende Arbeitszeit gegeben sind. Dies lässt die Annahme eines Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft nur dann zu, wenn es wegen des dauerhaften gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens und der nahezu permanenten Verfügbarkeit des Arbeitnehmers nicht möglich ist, Phasen der Arbeit einerseits und Zeiträume der Ruhe und Freizeit andererseits - die durch das Arbeitszeitrecht gerade gewährleistet werden sollen - voneinander abzugrenzen. 17 Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183 S. 1) vom Anwendungsbereich der zuerst genannten Richtlinie ausgenommene ""spezifische"" Tätigkeit ebenfalls nur bei Vorliegen bestimmter Besonderheiten gegeben ist. Diese Ausnahme setzt Umstände außerordentlicher Schwere und außerordentlichen Umfangs voraus. Sie sind - im hier interessierenden Bereich der Betreuung von Kindern und Jugendlichen - dann zu bejahen, wenn Pflegeeltern ein Kind ""durchgängig und auf lange Zeit angelegt in ihrem Haushalt und in ihrer Familie betreuen"" und wegen dieser Eingliederung in den eigenen Haushalt keine Festlegung der Arbeitszeit erfolgt (EuGH, Urteil vom 20. November 2018 - C-147/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​926], Sindicatul Familia Constanţa - Rn. 67, 74, 77). Auch aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass nur eine auf Kontinuität und Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft im dargestellten Sinne die Anwendung des europäischen Arbeitszeitrechts ausschließt. 18 Dieses Normverständnis verstößt nicht gegen Art. 24 Abs. 2 der Europäischen Grundrechtecharta (GRC). Danach muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen das Kindeswohl eine vorrangige Erwägung sein. § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG verletzt diese unionsrechtliche Vorgabe nicht. Insoweit darf allerdings nicht die einzelne Vorschrift isoliert in den Blick genommen werden. Vielmehr bedarf es einer Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs, in den die Norm gestellt ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass der nationale Gesetzgeber nicht nur dem von Art. 24 Abs. 2 GRC geschützten Rechtsgut des Kindeswohls, sondern ebenso weiteren Gewährleistungen der Grundrechtecharta Rechnung zu tragen hat. Hierzu gehört insbesondere das von Art. 31 Abs. 2 GRC garantierte Recht jeder Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub. 19 Gemessen hieran ist Art. 24 Abs. 2 GRC nicht verletzt. Den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts lassen sich schon keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Kindeswohl durch das dargestellte Verständnis des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG berührt sein könnte. Sollten Rechtspositionen der betreuten Kinder und Jugendlichen hiervon betroffen sein, folgt hieraus keine Verletzung des Art. 24 Abs. 2 GRC. Vielmehr hat der Gesetzgeber deren Grundrechtsposition mit dem kollidierenden Grundrechtsschutz der betroffenen Arbeitnehmer gemäß Art. 31 Abs. 2 GRC zu einem wechselseitigen, beiderseits verhältnismäßigen Ausgleich gebracht. Denn § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG konkretisiert den aus Art. 31 Abs. 2 GRC folgenden Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. Etwaigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die aus den damit unionsrechtlich notwendigen Beschränkungen der Arbeitszeit folgen könnten, hat der Gesetzgeber bereits dadurch vorgebeugt, dass er in § 5 Abs. 3 ArbZG und insbesondere in § 7 ArbZG Abweichungen von den Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeit zugelassen hat. 20 Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es zur Beantwortung der Fragen des Unionsrechts, die sich im vorliegenden Fall stellen, keiner Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV. Die Pflicht zu einer solchen Vorlage besteht für ein letztinstanzliches nationales Gericht unter anderem dann nicht, wenn die Frage bereits durch den Gerichtshof geklärt ist oder wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-160/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​565], Ferreira da Silva e Brito - Rn. 38). So liegt es hier. Der Gerichtshof hat Art. 17 der Richtlinie 2003/88/EG in mehreren Entscheidungen (insbesondere in den Urteilen vom 14. Oktober 2010 - C-428/09 - und vom 26. Juli 2017 - C-175/16 -) ausgelegt und dessen Regelungsgehalt damit geklärt. Diesen Urteilen lässt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die daran anknüpfende Interpretation des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG gegen Art. 24 Abs. 2 GRC verstoßen könnte, zumal der Gerichtshof in den zitierten und weiteren Fällen mit Sachverhalten befasst war, die die Betreuung von Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand hatten. Es bestehen daher keine vernünftigen Zweifel daran, dass das dargestellte Verständnis des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG dem Unionsrecht entspricht. 21 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Anwendung des Arbeitszeitgesetzes auf das WaB-Modell nicht nach Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2003/88/EG ausgeschlossen ist. Insoweit fehlt es bereits an einer Grundlage im nationalen Recht, da Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG Abweichungen nur im Weg von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen von Sozialpartnern zulässt. Derartige Regelungen existieren nicht. Zudem ermöglicht Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG - auch in den Fällen des Absatzes 3 dieser Vorschrift - Abweichungen nur unter der Voraussetzung, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in bestimmten Ausnahmefällen einen angemessenen Schutz erhalten. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist, nicht erfüllt. 22 c) Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG nicht gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Norm verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist. Dass der Gesetzgeber konkrete Fälle zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln (BVerfG, Urteil vom 2. März 1999 - 1 BvL 2/91 - BVerfGE 99, 367 <400>). So verhält es sich hier. § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG trifft keine Regelung, deren Rechtsfolgen nur einmal eintreten könnten, sondern ist - unabhängig von dem konkreten Anlass für die Norm (vgl. dazu BT-Drs. 12/6990 S. 44) - abstrakt formuliert. 23 d) Das Arbeitszeitgesetz ist damit auf die in den Wohngruppen mit alternierender Betreuung tätigen Bediensteten der Klägerin anwendbar. Die Klägerin erstellt nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts individuelle Dienstpläne, aus denen sich die täglichen Arbeitszeiten der Erzieher ergeben. Deren Tätigkeit ist daher nicht davon geprägt, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen ließen. Sie ist ferner nicht auf personelle Kontinuität und nahezu permanente Verfügbarkeit des einzelnen Erziehers angelegt, da dessen jeweiliger durchgehender Verbleib in den Wohngruppen auf Phasen von zwei bis sieben Tagen beschränkt ist. 24 2. a) Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 ArbZG bejaht. Die Klägerin verstößt mit dem von ihr praktizierten WaB-Modell kontinuierlich gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeit und Ruhepausen (§§ 3 ff. ArbZG). Das ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Die angefochtenen Anordnungen sind daher zur Erfüllung der sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergebenden Verpflichtungen, die die Klägerin aufgrund ihres abweichenden Rechtsstandpunktes zu dessen Anwendbarkeit nicht einhält, erforderlich. 25 b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, § 17 Abs. 2 ArbZG eröffne der zuständigen Behörde auf der Rechtsfolgenseite ein so genanntes intendiertes Ermessen, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Das wäre nur dann der Fall, wenn § 17 Abs. 2 ArbZG dahin auszulegen wäre, dass die Behörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm im Regelfall einzuschreiten hätte und eine gegenteilige Entscheidung nur beim Vorliegen besonderer Gründe gerechtfertigt wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1985 - 8 C 22.83 - BVerwGE 72, 1 <6> und vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <57>). Ein derartiger Regelungsgehalt ist § 17 Abs. 2 ArbZG nicht beizumessen. 26 Hiergegen spricht bereits der Wortlaut der Norm, bei der es sich um eine Generalklausel ohne Einschränkung des behördlichen Handlungsspielraums handelt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass § 17 Abs. 2 ArbZG ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde im Regelfall vorsieht, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr wird die Aufsichtsbehörde ermächtigt, die ""erforderlichen"" Maßnahmen anzuordnen; diese an eine der Prüfungsstufen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angelehnte Formulierung deutet darauf hin, dass die Norm auch ein ermessensfehlerfreies Absehen von behördlichem Einschreiten zulässt. 27 Nichts anderes folgt aus der Entstehungsgeschichte. Mit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes wurde die bis dahin geltende Vorschrift über die Arbeitsaufsicht und die Behördenzuständigkeit in § 27 der Arbeitszeitordnung (ArbZO) durch § 17 ArbZG abgelöst. Nach § 27 Abs. 3 ArbZO fanden auf die Befugnisse und Obliegenheiten der Aufsichtsbehörden die Vorschriften in § 139b GewO Anwendung, so dass diesen Behörden alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden zustanden (§ 139b Abs. 1 Satz 2 GewO). Ihnen war daher in Anwendung der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1989 - 1 C 3.87 - Buchholz 451.23 Arbeitszeitrecht Nr. 7 S. 8 f.; Wiebauer, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2019, § 139b Rn. 10) für ihre Maßnahmen ein pflichtgemäßes - und kein intendiertes - Ermessen eröffnet. Hieran hat die Ersetzung des § 27 ArbZO durch § 17 ArbZG nichts geändert. Den Gesetzesmaterialien zu § 17 Abs. 2 ArbZG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Vorgängerregelung in § 27 ArbZO weitgehend übernehmen (BT-Drs. 12/5888 S. 32) und dabei gerade keine Änderung auf der Rechtsfolgenseite herbeiführen wollte. 28 Systematische Gesichtspunkte, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten, lassen sich dem Arbeitszeitgesetz nicht entnehmen. Angesichts der Formulierung der Norm als Generalklausel ist schließlich ihre Zielrichtung darin zu sehen, der Behörde auf Rechtsfolgenseite umfängliche Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und - etwa bei geringfügigen Verstößen oder auch bei freiwilliger Herstellung rechtmäßiger Zustände aufgrund behördlicher Hinweise - ein Absehen von Maßnahmen mit Regelungswirkung zuzulassen, ohne dass der Entscheidungsspielraum auf eine grundsätzliche Obliegenheit zum Einschreiten eingeengt wäre. 29 c) Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, denn das Berufungsurteil erweist sich aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die mangels durchgreifender Verfahrensrügen nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Der Beklagte hat das ihm eröffnete Ermessen erkannt und ordnungsgemäß (§ 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt. Er hat - anknüpfend an die zahlreichen Verstöße der Klägerin gegen das Arbeitszeitgesetz - ausgeführt, dass eine einvernehmliche Lösung unter den Beteiligten gescheitert sei. Angesichts des Schutzzieles des Arbeitszeitgesetzes, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten, sei eine Anordnung nach § 17 Abs. 2 ArbZG geboten. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. 30 Dass der Beklagte nur gegen die Klägerin eingeschritten ist, nicht aber gegen andere Träger der Kinder- und Jugendhilfe, beruht auf einer Absprache zwischen den Beteiligten, die eine Klärung der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG im Rahmen eines gerichtlichen Pilotverfahrens zum Gegenstand hatte, und führt schon deshalb nicht auf einen Ermessensfehler. Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich ferner nicht entnehmen, dass die Anordnungen des Beklagten Auswirkungen auf das Wohl der in den Einrichtungen der Klägerin betreuten Kinder und Jugendlichen hätte, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen gewesen wären. Die angefochtene Verfügung steht schließlich auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang. 31 3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO). 32 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-34,08.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 34/2019 vom 08.05.2019 EN Fahrdienst eines ambulanten Rehabilitationszentrums benötigt personenbeförderungsrechtliche Genehmigung  Die Beförderung von Patienten von ihrer Wohnung zu einer ambulanten Rehabilitationseinrichtung und zurück durch deren eigenen Fahrdienst ist nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungspflichtig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Geklagt hatte die Betreiberin eines Gesundheitszentrums, die durch Vereinbarung mit den Kostenträgern für ambulante Nachsorgeleistungen verpflichtet ist, Fahrten der Patienten von deren Wohnung und zurück durch einen Fahrdienst oder im Wege der Kostenerstattung sicherzustellen. Die Kosten hierfür sind mit dem Vergütungssatz für die Rehabilitationsleistung abgegolten. Ihren Antrag, die Genehmigungsfreiheit des Fahrdienstes nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) festzustellen, lehnte das beklagte Ministerium ab. Ihrer Klage gab das Verwaltungsgericht statt; auf die Berufung des Ministeriums wies das Oberverwaltungsgericht sie jedoch ab. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg. Die von ihr durchgeführte Beförderung von Patienten ist sowohl entgeltlich als auch geschäftsmäßig und unterfällt deshalb dem Personenbeförderungsgesetz. Sie ist vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht etwa deshalb ausgenommen, weil das Gesamtentgelt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG die Betriebskosten der Fahrt nicht überstiege. Dafür fehlt es bereits an einem für den Fahrdienst ausgewiesenen Anteil des vereinbarten Vergütungssatzes für die Rehabilitationsleistung. Zudem ist als Entgelt für die Beförderung auch das mittelbar durch die vertragliche Sicherstellung der Fahrten erlangte Entgelt für die Rehabilitationsmaßnahmen selbst zu berücksichtigen. Der Fahrdienst ist ferner nicht nach der Freistellungs-Verordnung von der Genehmigungspflicht freigestellt. Das würde voraussetzen, dass die Patienten von einem Krankenhaus oder einer Heilanstalt zu Behandlungszwecken befördert würden. Das von der Klägerin betriebene ambulante Gesundheitszentrum ist aber weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt. Darunter hat der Verordnungsgeber nur stationäre Einrichtungen verstanden und den Kreis der von der Befreiung erfassten Einrichtungen auch zwischenzeitlich nicht auf ambulante Einrichtungen erweitert. Zudem werden die Patienten der Klägerin nicht zu sonstigen Behandlungszwecken im Sinne der Verordnung befördert. Das wäre nur der Fall, wenn sie zu einer Behandlung in einer dritten Einrichtung befördert werden müssten, die in den Behandlungsablauf bei der befördernden Einrichtung selbst integriert wäre. Fußnote:  § 1 Personenbeförderungsgesetz   (1)1 Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen.2 Als Entgelt sind auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden. (2)1 Diesem Gesetz unterliegen nicht Beförderungen 1. mit Personenkraftwagen, wenn diese unentgeltlich sind oder das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt; 2. mit Krankenkraftwagen, wenn damit kranke, verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Personen befördert werden, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtung des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist. 2 Satz 1 Nummer 1 gilt auch, wenn die Beförderungen geschäftsmäßig sind.   § 1 Freistellungs-Verordnung   1 Von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes werden freigestellt (...) 4. Beförderungen (...) e) von Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken durch Krankenhäuser oder Heilanstalten mit eigenen Kraftfahrzeugen, (...) es sei denn, dass von den Beförderten ein Entgelt zu entrichten ist; BVerwG 10 C 1.19 - Urteil vom 08. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Weimar, 2 KO 131/13 - Urteil vom 24. November 2015 - VG Gera, 3 K 1513/08.GE - Urteil vom 08. September 2009 -","Urteil vom 08.05.2019 - BVerwG 10 C 1.19ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U10C1.19.0 EN Personenbeförderungsrechtliche Genehmigungspflicht für Zubringerfahrdienst einer Rehabilitationseinrichtung Leitsätze: 1. Betriebskosten der Fahrt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG sind lediglich die durch den Beförderungsvorgang verursachten sogenannten beweglichen Kosten. 2. Zum Gesamtentgelt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG zählen auch solche mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile einer Beförderung, die für die Erwerbstätigkeit des Beförderers aus dem durch das Angebot eines Fahrdienstes geförderten Vertragsabschluss folgen. 3. Eine Freistellung nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV von der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungspflicht setzt voraus, dass Patienten einer dort aufgeführten stationären Einrichtung von dieser zu einem dritten Beschäftigungs- oder Behandlungsort oder zurück befördert werden. Ein reiner Zubringerdienst zwischen ihrer Wohnung und der behandelnden Einrichtung ist danach nicht freigestellt. Rechtsquellen FrStllgV § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e PBefG § 1 Abs. 1 und 2, § 57 Abs. 1 Nr. 8 SGB V § 107 Abs. 1 Instanzenzug VG Gera - 08.09.2009 - AZ: VG 3 K 1513/08 Ge OVG Weimar - 24.11.2015 - AZ: OVG 2 KO 131/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 08.05.2019 - 10 C 1.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U10C1.19.0] Urteil BVerwG 10 C 1.19 VG Gera - 08.09.2009 - AZ: VG 3 K 1513/08 Ge OVG Weimar - 24.11.2015 - AZ: OVG 2 KO 131/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2019 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Genehmigungspflicht eines Fahrdienstes der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). 2 Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in G., das gesundheitsbezogene Dienstleistungen anbietet. Unternehmensgegenstand sind ein Rehabilitationszentrum mit Physio- und Ergotherapie sowie Freizeitaktivitäten wie ein Fitnessclub mit Sauna und damit verbundene Kursangebote. Eine Therapie zur Rehabilitation folgt einem Behandlungsplan und steht unter ärztlicher Verantwortung. Die Patienten halten sich in der Regel vier bis sechs Stunden täglich in der Einrichtung auf und werden dort mit Speisen versorgt. 3 Die Klägerin bietet ihre Leistungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation den gesetzlich krankenversicherten Patienten auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit mehreren Krankenkassenverbänden als Kostenträgern an. Nach dieser Vereinbarung ist sie verpflichtet, die Fahrt der Patienten von deren Wohnung in die Rehabilitationseinrichtung und zurück als Sachleistung oder im Wege der Kostenerstattung sicherzustellen. Die hierbei entstehenden Kosten sind mit dem täglichen Vergütungssatz für die ambulante Rehabilitationsleistung von 75 € abgegolten. Vor diesem Hintergrund stellt die Klägerin diesen Patienten einen Fahrdienst zwischen Wohnung und Einrichtung zur Verfügung. Dieser erfolgt nach wöchentlichen Routenplänen, wird mit zwei von der Klägerin geleasten Personenkraftwagen durch bei ihr angestellte Fahrzeugführer betrieben und ist für die Patienten entgeltfrei. 4 Für den Fahrdienst liegt keine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung vor. Aus diesem Grund leitete die Stadt G. 2007 mehrere Bußgeldverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin ein. Diese beantragte daraufhin gemäß § 10 PBefG die Feststellung, dass ihr Fahrdienst nicht den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes unterliege. Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 stellte der Beklagte fest, dass der Fahrdienst genehmigungspflichtig sei. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2008 zurück. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen erhobenen Klage mit Urteil vom 8. September 2009 stattgegeben, die ergangenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, festzustellen, dass die Beförderung von Patienten zwischen ihrer Wohnung und der Einrichtung der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz nicht genehmigungspflichtig sei. 5 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. November 2015 das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der Fahrdienst der Klägerin sei nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungsbedürftig. Er stelle eine entgeltliche Beförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG dar. Dafür sei bereits die Erstattung der Aufwendungen durch die Kostenträger hinreichend. Hinzu komme der mittelbare wirtschaftliche Vorteil, den der Fahrdienst für die eigentliche wirtschaftliche Betätigung der Klägerin in Gestalt des Betriebes des Gesundheitszentrums bewirke. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG greife nicht ein. Unter Berücksichtigung mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile sei nicht erwiesen, dass das Gesamtentgelt die weit zu verstehenden Betriebskosten der Fahrt nicht übersteige. Die Klägerin habe ungeachtet einer gerichtlichen Verfügung die Betriebskosten nicht näher aufgeschlüsselt und es dränge sich auch nicht auf, dass diese den wirtschaftlichen Vorteil des Fahrdienstes überstiegen. Der Fahrdienst der Klägerin sei auch nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e Freistellungs-Verordnung (FrStllgV) von der Genehmigungspflicht des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Die Klägerin betreibe kein Krankenhaus, da sie ihre Patienten nicht stationär aufnehme. Ob ihre Einrichtung eine Heilanstalt im Sinne dieser Regelung sei, unterliege Zweifeln, weil dies nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls die Notwendigkeit der stationären Unterbringung voraussetze. Jedenfalls würden Patienten nicht aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken befördert; für Zubringerdienste vom Wohnort des Patienten zur Behandlung in einer solchen Einrichtung gelte die Freistellung jedoch nicht. 6 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe mit Blick auf die Betriebskosten und mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. In der Sache trägt sie vor, sie sei nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG von der Genehmigungspflicht ausgenommen. Das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie mit ihrem Fahrdienst mittelbare wirtschaftliche Vorteile für ihre Erwerbstätigkeit erziele. Darüber hinaus sei der Fahrdienst nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV von der Genehmigungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz freigestellt. Ihre Einrichtung sei ein Krankenhaus, jedenfalls aber eine Heilanstalt. Zudem erfasse die genannte Norm auch die Beförderung der Patienten von deren Wohnort zur Behandlungseinrichtung und zurück. 7 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 24. November 2015 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 8. September 2009 zurückzuweisen. 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das angegriffene Urteil. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses ist der Auffassung, dass der Fahrdienst der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungsbedürftig sei. II 11 Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass ihr Fahrdienst nicht der Genehmigungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) unterfällt, im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht abgelehnt (§ 137 Abs. 1 VwGO). 12 Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Der Beklagte ist nach § 10 PBefG zuständig, bei Zweifeln darüber zu entscheiden, ob eine Personenbeförderung den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt und danach genehmigungspflichtig ist. 13 Der Fahrdienst der Klägerin unterfällt den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (1.). Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG liegen nicht vor (2.). Ebenso wenig ist der Fahrdienst nach der Freistellungs-Verordnung von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt (3.). 14 1. Der Fahrdienst der Klägerin ist eine sowohl entgeltliche (a) als auch geschäftsmäßige (b) Personenbeförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG. 15 a) Eine Personenbeförderung ist unentgeltlich im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG, wenn weder der Beförderte noch ein Dritter unmittelbar ein Entgelt für sie zahlt und die Beförderung auch keine mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile für den Beförderer nach sich zieht. Dem Personenbeförderungsgesetz liegt ein weites Verständnis von Entgeltlichkeit zugrunde. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG, wonach als Entgelt auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile zu berücksichtigen sind. Entgelt ist somit jede auch nur mittelbare Gegenleistung, die mit einer Beförderung angestrebt wird (BT-Drs. 3/255 S. 24; Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 PBefG Rn. 127). 16 Der Fahrdienst der Klägerin ist schon deshalb entgeltlich, weil ihr Aufwendungen durch die Kostenträger der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden. Nach der Vereinbarung der Klägerin mit den Kostenträgern sind die ihr hierfür entstehenden Kosten mit dem Vergütungssatz für die ambulante Rehabilitationsleistung abgegolten. Damit sind die Fahrtkosten in den Vergütungssatz einberechnet. Dies genügt für die Annahme eines Entgelts im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG. 17 b) Der Fahrdienst der Klägerin ist zudem eine geschäftsmäßige Beförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG und unterfällt daher auch unabhängig von seiner Entgeltlichkeit dem Personenbeförderungsgesetz. Geschäftsmäßig ist jede auf Dauer gerichtete, in Wiederholungsabsicht vorgenommene Beförderung (BT-Drs. 3/255 S. 24; vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 1993 - 7 B 16.93 - Buchholz 442.01 § 1 PBefG Nr. 2 S. 1). Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wird der Fahrdienst regelmäßig nach bestimmten Wochenplänen angeboten und ist daher sowohl auf Dauer ausgerichtet als auch wiederholt beabsichtigt und damit geschäftsmäßig. 18 2. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG findet auf den Fahrdienst der Klägerin keine Anwendung. Nach dieser Norm unterliegen dem Personenbeförderungsgesetz unter anderem nicht Beförderungen mit Personenkraftwagen, wenn sie zwar entgeltlich sind, das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt aber nicht übersteigt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. 19 a) Betriebskosten im Sinne dieser Vorschrift sind lediglich die durch den Beförderungsvorgang verursachten sogenannten beweglichen Kosten. 20 Die Vorschrift enthält einen eigenen, spezifisch personenbeförderungsrechtlichen Betriebskostenbegriff. Dieser ist entgegen dem Berufungsgericht eng zu verstehen. Schon nach dem Wortlaut sind nur die Betriebskosten ""der Fahrt"" zugrunde zu legen und damit nur solche Kosten, die auf den Beförderungsvorgang bezogen sind. Dementsprechend führen die Gesetzesmaterialien ausschließlich bewegliche Kosten wie Treibstoffe, Öl und Reifennutzung an, nicht jedoch feste Kosten wie Steuern, Versicherung und Garagenmiete (vgl. Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, BT-Drs. 3/2450 S. 3). Dieses enge Begriffsverständnis entspricht auch dem Zweck der Ausnahmeregelung. Sie soll entgegen dem Berufungsgericht nicht Beförderungen ohne Gewinnerzielungszweck von der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungspflicht ausnehmen. Auf eine Gewerbsmäßigkeit und eine damit einhergehende Gewinnerzielungsabsicht kommt es für die Anwendbarkeit des Personenbeförderungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 PBefG - anders als bei dem Vorgängergesetz von 1934 - nicht an. Dies gilt auch für § 1 Abs. 2 PBefG. Mit der Ausnahmeregelung sollten vielmehr in erster Linie Gefälligkeitsfahrten erfasst werden (BGH, Urteil vom 29. September 1972 - I ZR 101/71 - GRUR 1973, 146). Ihre Anwendung soll zudem keine umfassende betriebswirtschaftliche Kalkulation erfordern, vielmehr muss die Vorschrift handhabbar bleiben. Dies gewährleistet ein enger Betriebskostenbegriff. 21 b) Den Betriebskosten der Fahrt ist das Gesamtentgelt gegenüberzustellen und zu ermitteln, ob dieses die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Gesamtentgelt ist die Summe der unmittelbaren Einnahmen aus der Beförderung sowie der durch diese bewirkten mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile (BGH, Urteil vom 29. September 1972 - I ZR 101/71 - GRUR 1973, 146 <147>; BR-Drs. 195/1962 S. 2 zu § 1 Nr. 3 FrStllgV). Letzteres ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG. Hiernach sind als Entgelt auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden. 22 Solche mittelbaren Vorteile sind hier im Tagessatz für die Rehabilitationsmaßnahmen von 75 € zu sehen. Nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Klägerin sich gegenüber den Kostenträgern vertraglich zur Sicherstellung der Patientenfahrten zwischen Gesundheitszentrum und Wohnung verpflichtet. Wie sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, hätte sie ohne die vertragliche Übernahme dieser Verpflichtung den Vertrag nicht erhalten. Mithin bewirkt der Fahrdienst vermittelt über den Vertrag mit den Krankenkassen die zum Tagessatz abrechenbaren Behandlungsverhältnisse und fördert damit die Erwerbstätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Rehabilitationseinrichtung. Unerheblich ist, ob die Beförderung für den Erstkontakt zwischen Gesundheitszentrum und Patienten kausal ist. § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG verlangt eine ""auf diese Weise"", mithin durch die Personenbeförderung, geförderte Erwerbstätigkeit. Dafür genügt, dass eine Beförderung verbindlich - z.B. aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung - in Aussicht gestellt wird und sich dies positiv auf die Geschäftstätigkeit auswirkt (zu Reisebuchungen BGH, Urteil vom 29. September 1972 - I ZR 101/71 - GRUR 1973, 146). Ebenso unerheblich ist, ob der Tagessatz von 75 € für die Klägerin lukrativ ist. Auf eine Gewinnerzielung kommt es für die Anwendung des Personenbeförderungsgesetzes nicht an. 23 Der Tagessatz von 75 € überwiegt ersichtlich die Betriebskosten auf der Grundlage des engen Betriebskostenbegriffs für die tägliche Patientenfahrt von der Wohnung zur Einrichtung und zurück. Wie zu entscheiden wäre, wenn im Tagessatz ein bestimmter Anteil für die Kosten der Fahrt ausgewiesen wäre, kann offen bleiben. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob sonstige wirtschaftliche Vorteile - wie das Berufungsgericht meint - auch in weiteren Behandlungsverträgen im Anschluss an eine Behandlung auf der Grundlage des Vertrages mit den gesetzlichen Krankenkassen zu sehen sind. 24 3. Der Fahrdienst der Klägerin ist auch nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e der Freistellungs-Verordnung (FrStllgV) von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Danach werden von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes Beförderungen von Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken durch Krankenhäuser oder Heilanstalten mit eigenen Kraftfahrzeugen freigestellt, sofern von den Beförderten kein Entgelt zu entrichten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. 25 a) Der Fahrdienst der Klägerin erfüllt allerdings den Befreiungstatbestand insoweit, als die Patienten kein Entgelt für den Fahrdienst entrichten. Entgelt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV ist nur das unmittelbar von den Beförderten selbst entrichtete Entgelt. Der Fahrtkostenanteil des Tagessatzes als Entgelt der Krankenversicherung ist den gesetzlich Versicherten nicht als eigene Zahlung im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV zuzurechnen, denn die von den Versicherten ihrerseits an die Krankenversicherung gezahlten Beiträge werden nicht gezielt für eine bestimmte Beförderung als unmittelbares Entgelt geleistet (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 84). 26 b) Auch befördert die Klägerin die Patienten mit eigenen Fahrzeugen im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Eigene Fahrzeuge sind nicht nur Fahrzeuge im Eigentum des Beförderers, sondern auch solche, die dem Beförderer für eine längere Zeitdauer zur ausschließlich eigenen Nutzung wie einem Eigentümer zur Verfügung stehen (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 9, 83; a.A. allgemein für den ""Einsatz angemieteter Kfz"" Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 43). Der Grund für die Beschränkung auf eigene Fahrzeuge liegt nicht im zivilrechtlichen Eigentum, sondern darin, dass das betreffende Fahrzeug organisatorisch zur Einrichtung gehört. 27 c) Die Klägerin betreibt jedoch weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Beide Einrichtungsarten setzen eine stationäre Behandlung der Patienten voraus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts findet eine solche im Gesundheitszentrum der Klägerin nicht statt. 28 Dass der Freistellungstatbestand des § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung im Jahre 1962 auf stationäre Einrichtungen gemünzt war, unterliegt keinem Zweifel; insofern einen Unterschied zwischen Krankenhäusern und Heilanstalten zu machen, besteht kein Anlass (a.A. VGH München, Urteil vom 2. Mai 2016 - 11 BV 15.18 95 - juris Rn. 37 ff.). Die Begründung der Vorschrift nannte ""Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten sowie Heilstätten"" in einem Atemzuge. Hiernach hatte die Vorschrift im Blick, dass diese Einrichtungen ihre Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie auch außerhalb zur Arbeit einsetzen (BR-Drs. 195/62 Begründung S. 3), was ebenfalls eine Unterbringung in einer Primäreinrichtung impliziert. Das entsprach auch dem seinerzeitigen Sprachgebrauch. So verlangte § 1 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung in der seinerzeit geltenden Fassung vom 31. August 1954, die nach ihrem Titel Regelungen ""über Pflegesätze in Krankenanstalten"" traf (BAnz. Nr. 173 vom 9. September 1954), eine stationäre Unterbringung und Verpflegung. Der Unterschied zwischen Krankenhäusern und Heilanstalten wurde nicht in der stationären Form der Behandlung gesehen, sondern in deren voraussichtlicher Dauer; während Krankenhäuser der Akutbehandlung dienten, wurde bei einer auf einige Dauer berechneten Behandlung herkömmlich von Heilanstalten - etwa solchen zur Kur, aber auch zur Behandlung psychiatrischer Leiden - gesprochen (vgl. etwa §§ 429, 430 RVO i.d.F. vom 15. Dezember 1924 ; § 11 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz vom 20. Dezember 1950 ). 29 Ohne Erfolg verweist die Klägerin auf den zwischenzeitlichen Wandel in der Versorgungslandschaft. Zwar ist richtig, dass die Einführung teilstationärer Behandlungen und teilstationärer (Tages-)Kliniken die hergebrachte Vorstellung, Krankenhausbehandlungen seien stets vollstationär, verändert hat (vgl. § 107 SGB V; BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 61/07 R - BSGE 102, 219 Rn. 19; Wahl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 107 SGB V Rn. 38). Ob deshalb der Freistellungstatbestand zu erweitern ist, obliegt aber der Entscheidung des Verordnungsgebers, zumal sich dann Fragen der Gleichbehandlung mit Arztpraxen stellen, die ebenfalls Heilbehandlung anbieten. 30 d) Schließlich befördert die Klägerin die Patienten weder aus Gründen der Beschäftigungstherapie noch zu sonstigen Behandlungszwecken im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Die hier allein in Betracht kommende Beförderung zu sonstigen Behandlungszwecken erfasst nur Beförderungen von Patienten an einen dritten Therapieort zu einer Behandlung, die in den Therapieablauf bei der befördernden Einrichtung eingegliedert ist. Sogenannte Transferfahrten zwischen der Einrichtung und dem Wohnort der Patienten fallen nicht darunter (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 213/13 - GRUR 2015, 813 Rn. 23 zu Einlieferungs- und Entlassungsfahrten bei einem Krankenhaus; a.A. VGH München, Urteil vom 2. Mai 2016 - 11 BV 15.18 95 - juris Rn. 41 ff.). 31 Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Beförderungen aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken stehen mit der Behandlung in unmittelbarem Zusammenhang, wenn sie dem Behandlungsablauf und dem Therapieplan dienen. Dies ist bei einem in den Behandlungsablauf integrierten Fahrdienst der Fall, der Patienten von einem Krankenhaus oder einer Heilanstalt zu einem dritten ausgelagerten Behandlungsort befördert, um den ungestörten Ablauf von Behandlungen an verschiedenen Orten zu gewährleisten. Ähnlich muss die Beförderung zu betrieblichen Zwecken nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. h FrStllgV Bestandteil eines Arbeitsvorgangs und in bestimmte Abläufe integriert sein (BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 - 7 C 6.71 - NJW 1973, 72). 32 Dieses Verständnis wird durch die Gesetzeshistorie belegt. Der Gesetzesentwurf zum Personenbeförderungsgesetz enthielt zunächst einen Ausnahmetatbestand unter anderem für ""Beförderungen, die im Zubringer- und Abholdienst durchgeführt werden ... von Krankenhäusern, Heilstätten und ähnlichen Einrichtungen für ihr Personal, die Kranken und deren Besucher"", der jedoch im Gesetzgebungsverfahren als zu weitgehend gestrichen wurde (BT-Drs. 3/2450 S. 3 und 12). Der hier in Rede stehende Freistellungstatbestand in § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV umfasste demgegenüber im Entwurf nur Beförderungen ""aus Gründen der Beschäftigungstherapie"". Zur Begründung hieß es: ""Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten sowie Heilstätten setzen ihre Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie auch außerhalb zur Arbeit ein"" (BR-Drs. 195/62 Begründung S. 3). Der Tatbestand wurde um die Worte ""oder zu sonstigen Behandlungszwecken"" ergänzt, weil Kranke nicht nur aus Gründen der Beschäftigungstherapie, sondern auch zum Zwecke der Behandlung oder Verabreichung von Kurmitteln mit eigenen Kraftfahrzeugen befördert werden müssten (BR-Drs. 195/1/62 Begründung S. 2). Damit ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass die betroffenen Kranken von der Einrichtung zu einer außerhalb liegenden Beschäftigungs- oder Behandlungsstätte transportiert werden und dass der einrichtungsinterne Behandlungsablauf einen solchen Transport zu einem dritten Behandlungsort erfordert. Fahrten von der Wohnung zur Einrichtung und zurück sollten damit nicht erfasst sein. 33 Anders als die Klägerin meint, behält § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV gleichwohl einen eigenständigen Anwendungsbereich neben § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Denn § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG verlangt einen besonderen medizinisch-fachlichen Betreuungsbedarf während der Fahrt. Dieser liegt bei einfachen Patientenfahrten zwischen Einrichtungen gemäß § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV nicht vor. 34 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-37,09.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 37/2019 vom 09.05.2019 EN Voten der Berichterstatter des Bundeskartellamts vor Informationszugang geschützt Vorbereitende Vermerke (Voten) der Berichterstatter von Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts unterliegen dem Vertraulichkeitsschutz für Beratungen von Behörden nach dem  Informationsfreiheitsgesetz. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist ein Journalistenverband, der vom beklagten Bundeskartellamt Zugang zu Informationen begehrt, die die kartellrechtliche Beurteilung eines Fusionsvorhabens von zwei Zeitungsverlagen betrafen. Er verlangte u. a. Zugang zu dem Votum des Berichterstatters der zuständigen Beschlussabteilung. Widerspruch, Klage und Berufung gegen die ablehnende Entscheidung blieben ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen ist nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgeschlossen, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Der vom Gesetz geschützte Beratungsprozess zeichnet sich durch einen offenen Meinungsaustausch aus, der durch Elemente der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung geprägt ist. Der Prozess der Meinungsbildung wäre gefährdet, wenn das schriftliche Votum als Diskussionsbeitrag eines Mitglieds der Beschlussabteilung, die als Kollegialorgan entscheidet, gesondert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde und der getroffenen Entscheidung gegenüber gestellt werden könnte. Fußnote: Informationsfreiheitsgesetz: § 1 Abs. 1 Satz 1: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. § 3 Nr. 3 Buchst. b: Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,  […] wenn und solange […] die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. BVerwG 7 C 34.17 - Urteil vom 09. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 530/16 - Urteil vom 18. Oktober 2017 - VG Köln, 13 K 5012/13 - Urteil vom 28. Januar 2016 -","Urteil vom 09.05.2019 - BVerwG 7 C 34.17ECLI:DE:BVerwG:2019:090519U7C34.17.0 EN Kein Informationszugang zu Votum des Berichterstatters des Bundeskartellamts Leitsatz: Beratungsvermerke (Voten) der Berichterstatter von Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts unterliegen dem Vertraulichkeitsschutz für Beratungen von Behörden nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Rechtsquellen IFG § 3 Nr. 3 Buchst. b, § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 2 GWB § 51 Instanzenzug VG Köln - 28.01.2016 - AZ: VG 13 K 5012/13 OVG Münster - 18.10.2017 - AZ: OVG 15 A 530/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 7 C 34.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:090519U7C34.17.0] Urteil BVerwG 7 C 34.17 VG Köln - 28.01.2016 - AZ: VG 13 K 5012/13 OVG Münster - 18.10.2017 - AZ: OVG 15 A 530/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Der Kläger, ein Journalistenverband, begehrt Einsicht in den Beratungsvermerk (Votum) des Berichterstatters einer Beschlussabteilung des Bundeskartellamts zur Vorbereitung einer Entscheidung über ein Zusammenschlussvorhaben der beigeladenen Zeitungsverlage. 2 Im September 2011 gab die 6. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts das Zusammenschlussvorhaben der Beigeladenen im sogenannten Vorprüfungsverfahren frei. Im Dezember 2011 teilte die Beigeladene zu 1. dem Bundeskartellamt mit, dass der angemeldete Erwerb eines Geschäftsanteils von 24,9 % der Beigeladenen zu 2. vollzogen worden sei. 3 Im Januar 2012 beantragte der Kläger Einsicht in die Antragsunterlagen der Beigeladenen sowie in den Beratungsvermerk des Berichterstatters. Die Beklagte gab dem Antrag hinsichtlich der Antragsunterlagen insoweit statt, als dadurch keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beteiligten betroffen sind, lehnte aber den Zugang zu dem Beratungsvermerk ab. Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass im Hinblick auf den Beratungsvermerk der Informationsanspruch des Klägers ausgeschlossen sei, um die Beratungen von Behörden nicht zu beeinträchtigen. Schutzzweck der Ausschlussnorm sei die Gewährleistung eines unbefangenen und freien Meinungsaustauschs sowie einer offenen Meinungsbildung. Es könne notwendig sein, Beratungsprotokolle und -unterlagen noch nach dem Abschluss von Verhandlung und Beratung zu schützen. Dies gelte insbesondere dann, wenn zukünftige Beratungen absehbar dadurch belastet würden, dass ihnen aufgrund einer Einsichtsmöglichkeit in die Unterlagen die Atmosphäre der Offenheit und Unbefangenheit fehle. Das Votum des Berichterstatters der Beschlussabteilung gehöre unmittelbar zum Beratungsprozess im engeren Sinne. Entscheidend sei dabei, dass die Beschlussabteilungen kollegial zusammengesetzte Entscheidungsgremien seien. Ohne die Gewährleistung von Vertraulichkeit innerhalb der Beschlussabteilung wäre ein unbefangener Meinungsaustausch nicht oder nur erheblich eingeschränkt möglich. Es liege im Wesen des Kollegialprinzips, dass die von der Beschlussabteilung zu treffende Entscheidung von dieser in ihrer Gesamtheit als Kollegium getragen und verantwortet werde. Das funktioniere nur, wenn der Beratungsprozess vertraulich sei. Es könne offen bleiben, ob das Votum des Berichterstatters der Beschlussabteilung typischerweise auch nach Abschluss eines fusionsrechtlichen Kontrollverfahrens der Vertraulichkeit unterliege. Jedenfalls im konkreten Fall treffe dies zu, weil das Zusammenschlussvorhaben der Beigeladenen noch nicht in Gänze abgeschlossen sei. Die Beigeladenen führten Gespräche über die Übernahme weiterer Anteile. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm Einsicht in den Beratungsvermerk zu gewähren. Zur Begründung der Revision macht der Kläger geltend, dass der Beratungsvermerk des Berichterstatters nicht Teil des Beratungsprozesses sei, sondern den Beratungsgegenstand bilde, welcher nicht vom Informationszugangsanspruch ausgenommen sei. Wesentlicher Charakter einer Beratung sei der Dialog, welcher eine Mindestanzahl von zwei Teilnehmern voraussetze. Der Berichterstatter erstelle den Beratungsvermerk jedoch allein. Bei dem Beratungsvermerk handele es sich um eine Unterlage zur Vorbereitung einer Entscheidung, die nach der gesetzlichen Wertung nur schützenswert sei, solange die Entscheidung noch ausstehe. Die Berichterstatter einer Beschlussabteilung würden durch die Zugänglichmachung eines Beratungsvermerks auch keinem ungebührlichen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Sie seien es gewohnt, volkswirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen zu treffen. Auch würde ihnen so ein mangelndes Selbstbewusstsein unterstellt. Zumindest hätte ihm Zugang zu Teilen des Beratungsvermerks gewährt werden müssen. 5 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Januar 2016 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 10. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2013 zu verpflichten, dem Kläger Zugang zu dem internen Beratungsvermerk zur Vorbereitung der Entscheidung der 6. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts über das Fusionsvorhaben der Beigeladenen vom 30. September 2011 zu gewähren. 6 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. 8 Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. II 9 Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO): Zwar ist das Bundeskartellamt als Behörde des Bundes grundsätzlich auskunftspflichtig (1.); auch gehört der Beratungsvermerk zu den amtlichen Informationen, die gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) den Gegenstand von Zugangsansprüchen bilden (2.). Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht aber davon ausgegangen, dass dem Informationsbegehren des Klägers die Vorschrift des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG entgegensteht (3.). 10 1. Ein Anspruch auf amtliche Informationen besteht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gegenüber den Behörden des Bundes. Der Senat legt diesem Begriff ein funktionelles Verständnis zugrunde, wonach eine Behörde jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit ist, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 22 und vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - juris Rn. 15). Das Bundeskartellamt ist eine solche Stelle, die mit der Kontrolle von Wettbewerbsbeschränkungen und insbesondere der Zusammenschlusskontrolle gemäß §§ 32 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) öffentliche Verwaltungsaufgaben erfüllt. 11 2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Beratungsvermerk (Votum) um eine amtliche Information handelt. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. (Allein) Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören gemäß Satz 2 dieser Vorschrift nicht dazu. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Voten der Berichterstatter Inhalt der Akten. Auch wenn ihnen im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung ein vorläufiger Charakter zukommt, bilden sie einen wesentlichen Bestandteil des Verwaltungsverfahrens und sind nicht lediglich als Entwurf oder Notiz einzuordnen. 12 3. Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Informationsbegehren des Klägers aufgrund der Vorschrift des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG ausgeschlossen ist. Gemäß dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Das Votum des Berichterstatters einer Beschlussabteilung des Bundeskartellamts unterfällt dem Begriff der Beratungen im Sinne dieser Vorschrift (a). Es unterliegt dabei der auch hier vom Gesetz vorausgesetzten notwendigen Vertraulichkeit (b), welche im konkreten Fall durch den Informationszugang des Klägers gefährdet würde (c). 13 a) Schutzgut des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 zu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG). Dem Schutz der Beratung unterfällt dabei nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher. Ausgenommen sind das Beratungsergebnis und der Beratungsgegenstand (BVerwG, Urteile vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 und vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 10). Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Dem Schutz der Beratung unterfallen Interessenbewertungen und die Gewichtung einzelner Abwägungsfaktoren, deren Bekanntgabe Einfluss auf den behördlichen Entscheidungsprozess haben könnte. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Informationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen (BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26 zu § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG). Zur offenen Meinungsbildung in einem Kollegialorgan gehört auch die Möglichkeit, vorläufige und noch nicht ausgereifte oder pointierte Argumente in die Entscheidungsfindung einzubringen, die wegen anderer Überzeugungen oder mit Rücksicht auf eine Konsensfindung wieder verworfen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - NVwZ 2019, 807 Rn. 24 zu Kabinettssitzungen der Bundesregierung). 14 Vor diesem Hintergrund ist das Votum des Berichterstatters einer Beschlussabteilung des Bundeskartellamts dem Beratungsvorgang zuzuordnen. Gemäß § 51 Abs. 2 und 3 GWB werden die Entscheidungen des Bundeskartellamts durch die Beschlusskammern getroffen; diese entscheiden in der Besetzung von einem Vorsitzenden und zwei Beisitzenden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wird die Entscheidung der Beschlussabteilung regelmäßig durch das Votum des Berichterstatters vorbereitet. Dieses setzt sich danach typischerweise aus einer Sachverhaltsschilderung, die in der Regel auch Beweiswürdigungselemente enthält, einer rechtlichen Würdigung, einem Entscheidungsvorschlag, Zweckmäßigkeitserwägungen und gegebenenfalls Erwägungen zum weiteren kartellrechtlichen Vorgehen zusammen. Die Beschlussabteilungen entscheiden in fachlicher Unabhängigkeit. Innerhalb der Beschlusskammer haben die drei Mitglieder dasselbe Stimmrecht. Mit diesen Vorkehrungen wird sichergestellt, dass weder von außen noch durch den Präsidenten des Bundeskartellamts Einfluss auf den Inhalt der Entscheidung genommen wird (vgl. Cappellari, in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand November 2015, § 51 GWB 2013 Rn. 9; Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 51 GWB Rn. 5; Krauser, in: Bornkamm/Montag/Säcker (Hrsg.), Münchener Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2015, § 51 GWB Rn. 13 f.; Ortwein, Das Bundeskartellamt, 1998, S. 87 ff.; Schneider, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd. 1, 13. Aufl. 2018, § 51 GWB Rn. 10, 13 ff.). 15 Das Votum stellt einen zentralen Bestandteil des Beratungsvorgangs dar. Das wird besonders deutlich, wenn man mit der Revision den dialogischen Charakter der Beratung hervorhebt. Denn das Votum ist regelmäßig der ""erste Aufschlag"", der die anderen Mitglieder der Beschlussabteilung in die Lage versetzt, hierauf zu reagieren, den Vorschlag und die ihm zugrunde liegenden Überlegungen zu kommentieren, ihnen zu widersprechen oder zuzustimmen. Anders als von der Revision angenommen steht das Votum nicht außerhalb des Dialogs der Beschlussabteilung, nur weil es von einem einzelnen Autor (dem Berichterstatter) vor der mündlichen Beratung erstellt wird. Das Votum mag ohne Dialog entstanden sein. Auf die Entstehung kommt es aber nicht an, sondern auf seinen Zweck und seine Verwendung. Das Votum bildet auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den zentralen Bestandteil des Dialogs der Beschlussabteilung; durch das Votum wird die spätere Beratung strukturiert und gelenkt. Dadurch dass vorliegend das Votum von einem Mitglied des zur Entscheidung berufenen und unabhängigen Kollegialorgans für die Beratung dieses Gremiums erstellt wird, unterscheidet es sich von den von dem Kläger angeführten (Ausschuss)Vorlagen, die nicht selbst entscheidungsbefugte Verwaltungsmitarbeiter für Beratungen erstellen. 16 Der Einwand der Revision, bei dem Votum handele es sich um den Beratungsgegenstand, der nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteile vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 10 und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - NVwZ 2019, 807 Rn. 17) nicht dem Beratungsvorgang selbst unterfällt, geht fehl. Zum Beratungsgegenstand zählen insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld, die die Tatsachengrundlagen der Willensbildung darstellen (BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 2 Rn. 26). Hierzu gehören etwa Auskünfte und Gutachten, die eingeholt werden, um das Zusammenschlussvorhaben besser beurteilen zu können, insbesondere die von der Beklagtenseite erwähnten Sachinformationen, welche von Unternehmen aus dem jeweiligen Marktsegment eingeholt werden, um sie bei der Erstellung des Votums zu verwenden. Nicht hierzu zählt jedoch das Votum des Berichterstatters, welches im Schwerpunkt Bewertungen enthält und selbst in seinem Sachbericht nicht einfach nur Sachinformationen aufführt, sondern auch Beweiswürdigungselemente umfasst. 17 b) Die Beratungen der Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts unterliegen auch der notwendigen Vertraulichkeit im Sinne des § 3 Nr. 3 IFG. Dem Wortlaut nach stellt diese Vorschrift das Erfordernis der notwendigen Vertraulichkeit nur im Rahmen des Buchstaben a) auf. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht es angesichts des Schutzzwecks der Vorschrift gleichermaßen bezüglich der Beratungen von Behörden, welche durch Buchstabe b) geregelt werden (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 7 Rn. 31 und vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 10; vgl. auch BT-Drs. 15/4493 S. 10 sowie Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 166 und 180). 18 Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen der Beschlussabteilungen ihren Grund im Wesentlichen im Kollegialprinzip findet, das in § 51 Abs. 2 und 3 GWB normiert ist (vgl. oben, Rn. 14). Wie oben bereits ausgeführt, ermöglicht die Vertraulichkeit der Beratung erst den für die kollegial zu treffende Entscheidung erforderlichen offenen Meinungsaustausch. 19 Anders als von der Revision angenommen ist die Vertraulichkeit nicht deswegen zu verneinen, weil die Mitglieder der Beschlussabteilungen über ein ausreichendes Selbstbewusstsein verfügen müssten, um mit der Zugänglichmachung ihrer in dem Votum enthaltenen Auffassung umgehen zu können. Dieser Ansatz widerspricht der gesetzlichen Regelung des Kollegialprinzips in § 51 Abs. 2 GWB, wonach die Entscheidungen des Bundeskartellamts den Beschlussabteilungen und nicht ihren einzelnen Mitgliedern überantwortet sind. 20 c) § 3 Nr. 3 IFG schließt es nicht auf Dauer aus, amtliche Informationen zugänglich zu machen; dieser Ausschluss greift nur ""wenn und solange"" die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Hierdurch wird deutlich, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist (BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 C 7.12 - Buchholz 406.252, § 2 UIG Nr. 2 Rn. 29). Eine Beeinträchtigung der Beratungen ist zuvörderst anzunehmen, solange die Entscheidung, die den Gegenstand der Beratungen betrifft, noch nicht getroffen worden ist. Aber auch der Abschluss des Verfahrens bildet keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Vielmehr ist maßgeblich, ob die nachträgliche Publizität die offene Willensbildung im Beratungsprozess der Beschlussabteilungen beeinträchtigen kann, indem sie eine einengende Vorwirkung auf diesen Beratungsprozess ausübt. Dies ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, bei der die informationspflichtige Behörde die Darlegungslast für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes trägt (BVerwG, Urteile vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 10 ff. und vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - NVwZ 2019, 807 Rn. 18). 21 Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 1 IFG nicht, dass Beratungen grundsätzlich nur bis zum Abschluss des Verfahrens geschützt sind. Diese Vorschrift regelt nur, dass der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden soll, solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Sie bedeutet indes keine zeitliche Begrenzung des § 3 Nr. 3 IFG. Letztere enthält vielmehr einen eigenständigen Ausschlussgrund, der unabhängig von § 4 Abs. 1 IFG zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 31 und Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 - Buchholz 400 IFG Nr. 5 Rn. 5). 22 Hier wäre der Prozess der Meinungsbildung auch über den Abschluss des konkreten Verfahrens hinaus gefährdet, wenn das schriftliche Votum als maßgeblicher Beratungsbeitrag eines Mitglieds der Beschlussabteilung, die als Kollegialorgan entscheidet, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde und der getroffenen Entscheidung gegenüber gestellt werden könnte. So könnten Rückschlüsse auf den Prozess der Meinungsbildung innerhalb des Kollegialorgans ermöglicht werden, die der offenen Meinungsbildung in zukünftigen Verfahren abträglich sind. Im Wissen um die spätere Publizität wäre ein offener und unbefangener Meinungsaustausch, in dessen Rahmen auch noch nicht abschließend durchdachte Argumente in das Votum und die Diskussion einfließen, nicht gewährleistet. Das würde die Qualität und die gesetzlich vorgesehene Art der Entscheidungsfindung beeinträchtigen. Ein Berichterstatter wäre bei der Abfassung seines Votums gezwungen, nicht nur die für das konkrete Zusammenschlussverfahren maßgeblichen Aspekte in den Blick zu nehmen, sondern er müsste zugleich erwägen, welchen Einfluss die nachträgliche Publizität des Votums auf andere Verfahren und gegebenenfalls auch auf seine Rolle bei weiteren Berichterstattungen für das Bundeskartellamt haben könnte. Es ist hier nicht ersichtlich, dass bereits ein Zeitraum verstrichen wäre, der diese Umstände entfallen ließe. 23 Durch die Berücksichtigung der einengenden Vorwirkungen einer möglichen Publizität auf die Erstellung der Voten wird keine dem gesetzgeberischen Willen widersprechende Teilbereichsausnahme von der grundsätzlichen Informationspflicht der Bundesbehörden geschaffen. Die Prognose hinsichtlich der Beeinträchtigung der Beratungen von Behörden kann auch auf allgemeinen Erfahrungswerten beruhen (BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - NVwZ 2013, 431 Rn. 41 und vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 23 Rn. 17). Keinesfalls stellt dieses Verständnis des Ausschlussgrundes eine Teilbereichsausnahme bezogen auf die Gesamttätigkeit des Bundeskartellamts dar. Erfasst wird allein der interne Entscheidungsprozess der Beschlussabteilungen des Bundeskartellamts. 24 Im konkreten Fall ist das Berufungsgericht zudem zu Recht davon ausgegangen, dass die Beratungen auch deswegen beeinträchtigt würden, weil die Beigeladenen die Übernahme weiterer Anteile der Beigeladenen zu 2 durch die Beigeladene zu 1 planen und somit die Publizität des Votums das (weitere) Beratungsverfahren in seinem Ergebnis beeinflussen könnte. 25 Das Votum des Berichterstatters ist dem Kläger auch nicht teilweise zugänglich zu machen. Insoweit mangelt es schon an einer Teilbarkeit des Votums. Die rechtliche Würdigung, der Entscheidungsvorschlag und die Zweckmäßigkeitserwägungen sind ihrem Charakter nach subjektiv wertend und somit Kernbestandteil der Meinungsbildung des Kollegialorgans. Aber auch die die maßgeblichen Fakten aufführende Sachverhaltsschilderung kann nicht sinnvoll von den wertenden Elementen getrennt werden. Das folgt zum einen schon daraus, dass durch die Auswahl und Gewichtung der präsentierten Fakten notwendigerweise subjektive Wertungen des Berichterstatters erkennbar werden können. Zum anderen enthält die Sachverhaltsschilderung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch Beweiswürdigungselemente, die ebenfalls subjektiv wertend geprägt sind. 26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-38,15.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 38/2019 vom 15.05.2019 EN Zurückverweisung des Rechtsstreits um das Steinkohlekraftwerk Lünen Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen muss sich erneut mit der Klage gegen das Steinkohlekraftwerk Lünen befassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen einen dem beigeladenen Energieversorgungsunternehmen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid sowie die 1. und 7. Teilgenehmigung für das Steinkohlekraftwerk Lünen, das mittlerweile errichtet ist und im Regelbetrieb läuft. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Bei der Prüfung, ob das Steinkohlekraftwerk im Zusammenwirken mit anderen Projekten zu Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten führen könne,  sei auf den Zeitpunkt der Einreichung eines prüffähigen Genehmigungsantrags abzustellen. Diejenigen Projekte, die später beantragt, aber inzwischen genehmigt worden seien, blieben danach unberücksichtigt. Das der Bestimmung des Einwirkungsbereichs der geplanten Anlage und damit des Untersuchungsraums der Verträglichkeitsprüfung dienende Abschneidekriterium sei in Höhe von nicht mehr als 0,5 % der Grenzbelastung (sog. Critical Loads) für den jeweils in Betracht kommenden Lebensraumtyp zugrunde zu legen. Bei der Prüfung der Zusatzbelastung müssten alle Projekte seit Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete im Dezember 2004 einbezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben. Bei der Einbeziehung weiterer Vorhaben in die FFH-Verträglichkeitsprüfung sind grundsätzlich alle Projekte zu berücksichtigen, für die eine Genehmigung bereits erteilt worden ist. Der vom Oberverwaltungsgericht gewählte Ansatz, bei der Summationsbetrachtung diejenigen Projekte unberücksichtigt zu lassen, die zwar inzwischen genehmigt, aber später beantragt worden sind, verstößt gegen die bei der Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften zu berücksichtigenden unionsrechtlichen Vorgaben. Da das Oberverwaltungsgericht zu der Belastung aufgrund von Stickstoffeinträgen durch einen in die Summationsbetrachtung einzubeziehenden Kupferrecyclingbetrieb, der vor dem Kraftwerk Lünen genehmigt worden ist, keine Feststellungen getroffen hat, war das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Bei der erneuten Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen, dass für eine  Modifizierung des naturschutzfachlich allgemein anerkannten projektbezogenen Abschneidekriteriums  von 0,3 kg/N/ha/a auch bei kumulativen Belastungen kein Anlass besteht. Ebenso wenig besteht im Rahmen der Prüfung, ob ein Natura 2000-Gebiet einer schleichenden Verschlechterung durch Bagatelleinträge unterliegt, stets die Notwendigkeit, bis auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung  zurückzugehen. BVerwG 7 C 27.17 - Urteil vom 15. Mai 2019 Vorinstanz: OVG Münster, 8 D 99/13.AK - Urteil vom 16. Juni 2016 -","Urteil vom 15.05.2019 - BVerwG 7 C 27.17ECLI:DE:BVerwG:2019:150519U7C27.17.0 EN Einbeziehung weiterer Vorhaben in die FFH-Verträglichkeitsprüfung (Summationsprüfung) Leitsätze: 1. Andere Pläne und Projekte sind dann in die Verträglichkeitsprüfung (Summationsprüfung) nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG einzubeziehen, wenn ihre Auswirkungen und damit das Ausmaß der Summationswirkung verlässlich absehbar sind. Das ist grundsätzlich nicht schon mit Einreichung prüffähiger Unterlagen oder der Auslegung der Unterlagen, sondern erst dann der Fall, wenn die erforderlichen Zulassungsentscheidungen erteilt sind (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, etwa Urteile vom 21. Mai 2008 - 9 A 68.07 - Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 219). 2. Der vorhabenbezogene Abschneidewert für eutrophierende Stickstoffeinträge in Höhe von 0,3 kg N/(ha*a) bedarf auch im Hinblick auf Summationswirkungen mehrerer Vorhaben keiner Korrektur. 3. Eine Rückbeziehung der Summationsprüfung auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung der FFH-Gebiete im Dezember 2004 ist in der Regel nicht geboten. Rechtsquellen FFH-RL Art. 6 Abs. 3 UmwRG § 3 BNatSchG § 34 Abs. 1 und 2 BImSchG § 10 Abs. 3 und 5 UVPG § 12 Abs. 2 VwVfG § 10 Satz 2 9. BImSchV §§ 4 und 4e Instanzenzug OVG Münster - 16.06.2016 - AZ: OVG 8 D 99/13.AK Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.05.2019 - 7 C 27.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:150519U7C27.17.0] Urteil BVerwG 7 C 27.17 OVG Münster - 16.06.2016 - AZ: OVG 8 D 99/13.AK In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein am 15. Mai 2019 für Recht erkannt: Das Verfahren über die Anschlussrevision der Beigeladenen wird eingestellt. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger, eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltschutzvereinigung, wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Vorbescheid sowie gegen Teilgenehmigungen für den Neubau eines Steinkohlekraftwerks in Lünen auf einer ehemaligen Industriebrache am Datteln-Hamm-Kanal. Das Kraftwerk wurde zwischenzeitlich errichtet und läuft seit Januar 2014 im Regelbetrieb. 2 Im März 2007 beantragte die Beigeladene bei der Bezirksregierung Arnsberg die Erteilung eines Vorbescheids zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit eines Steinkohlekraftwerks mit einer Feuerungswärmeleistung von bis zu 1 705 Mega-Watt (MW) und einer elektrischen Leistung von 750 MW netto sowie mehrere Teilgenehmigungen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 erteilte die Bezirksregierung den Vorbescheid und die 1. Teilgenehmigung. Die Beigeladene beantragte am 14. März 2011 die 7. Teilgenehmigung zum Betrieb des Kohlekraftwerks für den Einsatz von Steinkohle unterschiedlicher Qualitäten. 3 Den Vorbescheid und die 1. Teilgenehmigung hob das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 1. Dezember 2011 auf, weil die Verträglichkeit des geplanten Kraftwerks mit den Schutzzwecken des im Einwirkungsbereich liegenden FFH-Gebiets ""Wälder bei Cappenberg"" nicht festgestellt werden könne. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) erstellte daraufhin neue Vorgaben für die Untersuchungsmethodik und die Kartierungen. Dabei schlug es als vorhabenbezogene Abschneidekriterien für die Stickstoffdeposition für eutrophierende Einträge einen Wert von 0,1 kg N/(haa) und für versauernde Einträge einen Wert von 30 eq (N+S)/(haa) vor. 4 Die Beigeladene beantragte am 9. Juli 2012 erneut einen Vorbescheid zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit des geplanten Steinkohlekraftwerks sowie am 15. Mai 2013 den erneuten Erlass einer 1. Teilgenehmigung und aktualisierte ihren Antrag auf Erteilung der 7. Teilgenehmigung am 5. Juli 2013. 5 Am 20. November 2013 erließ die Bezirksregierung den Vorbescheid, am 21. November 2013 die 1. Teilgenehmigung und am 22. November 2013 die 7. Teilgenehmigung. 6 Die am 30. Dezember 2013 erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juni 2016 abgewiesen. Das Vorhaben verstoße insbesondere nicht gegen die Vorschriften über den Schutz von Fauna-Flora-Habitat-Gebieten. Für die Einbeziehung anderer Pläne und Projekte in die Summationsbetrachtung komme es darauf an, dass deren Auswirkungen und damit das Ausmaß der Summationswirkung ""verlässlich absehbar"" seien. Dies sei in der Regel schon mit Einreichung prüffähiger Unterlagen der Fall. Finde eine Öffentlichkeitsbeteiligung statt, könne spätestens mit Auslegung der Unterlagen davon ausgegangen werden, dass der Antrag prüffähig sei. Die mit Eingang der prüffähigen Unterlagen erreichte Vorrangstellung könne einem Antragsteller durch ein zeitlich nachfolgendes Projekt nicht wieder entzogen werden. Dies gelte auch dann, wenn eine Genehmigung für das vorrangige Projekt aufgrund einer Klage aufgehoben werde, es sei denn, aus dem Urteil ergebe sich, dass das Vorhaben an dem geplanten Standort endgültig nicht realisiert werden könne. 7 Das den Bescheiden zugrunde liegende Konzept der Critical Loads sei als Beurteilungsmaßstab der FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Wirkpfad ""Stickstoffdeposition"" nicht zu beanstanden. Der Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen ""Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope"" aus dem Jahr 2013 enthalte im Grundsatz aktuell die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Konzept der Critical Loads und zu der Ermittlung der Belastungsgrenzen für geschützte Lebensraumtypen. Der Senat halte an der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Bagatellschwelle von 3 % der Critical Loads für eutrophierende Stickstoffeinträge fest. Darüber hinaus sei die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums fachlich und rechtlich gerechtfertigt. Im Regelfall sei für eutrophierende Stickstoffeinträge ein Abschneidewert in Höhe von nicht mehr als 0,5 % des Critical Loads für den jeweils in Betracht kommenden empfindlichen Lebensraumtyp zugrunde zu legen. Da der vorhabenbezogene Abschneidewert lediglich die Auswirkungen des konkreten Projekts in den Blick nehme, jedoch nicht hinreichend die Konstellationen berücksichtige, in denen die Einträge mehrerer Vorhaben zusammen die Bagatellschwelle überschritten, müsse er so weit unterhalb der Bagatellschwelle liegen, dass diese nicht durch das in der Prüfreihenfolge vorangehende Abschneiden von Einträgen umgangen oder ausgehöhlt werde. Auch für die versauernden Stickstoff- und Schwefeleinträge sei ein lebensraumtypspezifisch zu bestimmender vorhabenbezogener Abschneidewert von 0,5 % des jeweiligen Critical Loads maßgeblich. 8 Nach diesen Maßstäben sei das geplante Kraftwerk mit den Schutzzwecken der im Einwirkungsbereich betroffenen vier Natura-2000-Gebiete - dem Schutzgebiet ""Wälder bei Cappenberg"" und den drei Gebieten zum Schutz der Lippeauen - vereinbar. Zwar übersteige die Vorbelastung die Critical Loads an den meisten zu untersuchenden Beurteilungspunkten. Bei der Summationsbetrachtung seien nach dem Prioritätsprinzip aber nur das Kraftwerksvorhaben Datteln 4 sowie vier Tierhaltungsanlagen einzubeziehen, nicht jedoch die Erweiterung des Kupferrecyclingbetriebs der A. AG und das Biomassekraftwerk Lünen. Die eutrophierenden Stickstoffeinträge überschritten die Bagatellschwelle von 3 % der Critical Loads an keinem Beurteilungspunkt. Die versauernden Stickstoff- und Schwefeleinträge lägen dagegen in dem FFH-Gebiet ""Wälder bei Cappenberg"" teilweise über der Bagatellschwelle. Gleichwohl komme es nicht zu einer Beeinträchtigung dieses FFH-Gebiets. Die Sonderfallprüfung der Beigeladenen habe ergeben, dass die versauernden Stoffeinträge aufgrund der morphologischen und hydrologischen Besonderheiten nicht zu einer Beeinträchtigung der geschützten Lebensraumtypen führten. 9 Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 34 BNatSchG verstoßen, indem es für die Einbeziehung anderer Projekte in die Summationsbetrachtung auf die Einreichung eines prüffähigen Antrags abgehoben habe. Bereits genehmigte Projekte seien unabhängig von dem Zeitpunkt der Einreichung von Anträgen in die Summationsprüfung einzubeziehen. Der Abzug der Stoffeinträge der Kraftwerksblöcke Datteln 1 bis 3 von der Zusatzbelastung durch das Kraftwerk Datteln 4 verstoße ebenfalls gegen § 34 BNatSchG; es sei allenfalls zulässig, die Schadstoffeinträge der Kraftwerksblöcke Datteln 1 bis 3 von der Vorbelastung abzuziehen. Zudem hätten das vor der Unterschutzstellung der FFH-Gebiete genehmigte Biomassekraftwerk bei Lünen sowie verschiedene Tierhaltungs- und Biogasanlagen in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einbezogen werden müssen. Das Urteil leide auch unter Verfahrensfehlern. 10 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2016 sowie den Vorbescheid vom 20. November 2013, die 1. Teilgenehmigung vom 21. November 2013 und die 7. Teilgenehmigung vom 22. November 2013 der Bezirksregierung Arnsberg aufzuheben. 11 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 12 Er hält die Festlegung der Abschneidewerte durch das Oberverwaltungsgericht für unzutreffend und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil. 13 Die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen. 14 Den im Wege der Anschlussrevision angekündigten Antrag auf Feststellung, dass bei der Beurteilung der Verträglichkeit des Vorhabens Abschneidewerte für eutrophierende Stickstoffeinträge in Höhe von 0,3 kg N/(haa) und für versauernde Stickstoff- und Schwefeleinträge in Höhe von 30 eq (N+S)/(haa) anzuwenden seien und hinsichtlich der Stickstoffeinträge die aktuell verfügbaren Hintergrunddaten des Umweltbundesamtes ohne die darin enthaltenen Einträge bereits realisierter Vorhaben herangezogen werden dürften, hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. II 15 Das Verfahren über die Anschlussrevision der Beigeladenen war einzustellen, nachdem diese in der mündlichen Verhandlung den angekündigten Antrag nicht gestellt hat. Damit hat die Beigeladene zwar nicht ausdrücklich, aber hinreichend eindeutig (vgl. Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 140 Rn. 17) die Anschlussrevision zurückgenommen (§ 140 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die anderen Beteiligten haben in gleicher Weise hierin eingewilligt (§ 140 Abs. 1 Satz 2 VwGO). 16 Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf einem Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 17 1. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Immissionsschutzrecht, Baurecht, Artenschutzrecht, Wasserrecht sowie zur Umweltverträglichkeitsprüfung haben die Beteiligten im Revisionsverfahren nicht beanstandet. Es besteht für den Senat daher insoweit kein Anlass zur Überprüfung. 18 2. Die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zur FFH-Verträglichkeitsprüfung genügen indes nicht in jeder Hinsicht den bundesrechtlichen Anforderungen. Das gilt für die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verträglichkeitsprüfung auf solche Beeinträchtigungen zu erstrecken ist, die sich ""im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten"" ergeben können (a), für die Bestimmung der im Rahmen dieser Prüfung anzuwendenden Abschneidekriterien (b) und für den zeitlichen Bezugspunkt der Summationsprüfung (c). 19 a) (aa) Die Verträglichkeitsprüfung nach § 48d Abs. 3 Landschaftsgesetz (LG NRW), § 34 Abs. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-RL - ABl. L 206 S. 7) darf sich nicht darauf beschränken, ob ein Plan oder Projekt wegen der von ihm selbst erzeugten Auswirkungen erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung verursachen kann. Sie ist vielmehr auch auf solche Beeinträchtigungen zu erstrecken, die sich ""im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten"" ergeben können. Die Kumulations- oder Summationsprüfung soll eine schleichende Beeinträchtigung durch nacheinander genehmigte, jeweils für sich genommen das Gebiet nicht beeinträchtigende Pläne und Projekte verhindern, soweit deren Auswirkungen in der Summe zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Erhaltungszielen führen können (BVerwG, Beschluss vom 5. September 2012 - 7 B 24.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 1 Rn. 12; vgl. auch EuGH, Urteile vom 24. November 2011 - C 404/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​768], Kommission/Spanien - Rn. 103 bis 107, 76 bis 78 und vom 26. April 2017 - C-142/16 [ECLI:​EU:​C:​2017:​301], Moorburg - Rn. 57 bis 61; vgl. auch Fellenberg, NVwZ 2019, 177 < 179>). Dazu müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Auswirkungen der anderen Pläne und Projekte auf die Erhaltungsziele des Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung verlässlich absehbar sein. Die gebotene Gewissheit ist grundsätzlich erst dann gegeben, wenn die Zulassungsentscheidungen für die anderen Pläne und Projekte erteilt sind (BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2008 - 9 A 68.07 - Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 21, vom 14. Juni 2011 - 9 A 12.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 Rn. 81, vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 40, vom 15. Juli 2016 - 9 C 3.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 56 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 219). 20 Demgegenüber sind nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts die Auswirkungen eines Vorhabens in der Regel schon mit der Einreichung eines prüffähigen Antrags hinreichend konkret vorhersehbar. Finde eine Öffentlichkeitsbeteiligung statt, könne spätestens mit Auslegung der Unterlagen davon ausgegangen werden, dass der Antrag prüffähig sei. Später beantragte, aber inzwischen genehmigte Vorhaben seien nicht zu berücksichtigen. Das gelte auch, wenn sie bereits in Betrieb seien (juris Rn. 606). Zudem bleibe eine einmal erlangte Vorrangstellung selbst dann erhalten, wenn die entsprechende Genehmigung später aufgehoben werde, sofern nur der Vorhabenträger an seinem Projekt festhalte, es sei denn, aus dem aufhebenden Urteil ergebe sich, dass das Vorhaben an dem geplanten Standort endgültig nicht realisiert werden könne (juris Rn. 494 und 695). 21 (bb) Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Sie steht mit den Anforderungen an die FFH-Verträglichkeitsprüfung, wie sie sich aus § 34 Abs. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ergeben, nicht in Einklang. Im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung muss sich die Genehmigungsbehörde zum Zeitpunkt der Entscheidung, mit der das Projekt zugelassen wird, Gewissheit darüber verschaffen, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass es sich auch im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirkt. Eine solche Prüfung darf nicht lückenhaft sein, sondern muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten (EuGH, Urteile vom 24. November 2011 - C-404/09 - Rn. 103 bis 106, vom 17. April 2018 - C-441/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​255], Kommission/Polen - Rn. 114 und vom 8. November 2018 - C-461/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​883], Holohan u.a. - Rn. 33). Nur so wird dem Anliegen von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, die Auswirkungen im Genehmigungszeitpunkt möglichst realitätsnah zu erfassen, genügt. 22 (1) Hiermit ist es nicht vereinbar, wenn das Oberverwaltungsgericht meint, bei der Summationsbetrachtung des ""vorrangigen Vorhabens"" dürften die Auswirkungen von ""nachrangigen Vorhaben"" allein deswegen unberücksichtigt bleiben, weil diese Projekte später beantragt worden sind, als das zur Genehmigung anstehende Vorhaben. Mit dieser vom Oberverwaltungsgericht aus dem Prioritätsprinzip abgeleiteten Privilegierung des zeitlich zuerst beantragten Vorhabens wird im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung für das ""vorrangige Vorhaben"" ein Teil der aufgrund der inzwischen erteilten Genehmigungen für ""nachrangige Vorhaben"" feststehenden bzw. hinreichend sicher voraussehbaren Auswirkungen, die zu Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele führen können, bewusst ausgeblendet. Damit wird eine lückenhafte und unvollständige Summationsprüfung für das zuletzt genehmigte Projekt in Kauf genommen. Dies gilt in besonderer Weise, wenn - wie durch das Oberverwaltungsgericht geschehen - dem früher beantragten Vorhaben zeitlich unbegrenzt Vorrang eingeräumt wird. Dem kann nicht dadurch begegnet werden, dass nach dem Ansatz des Oberverwaltungsgerichts die absehbaren Belastungen des zuerst beantragten und damit vorrangigen Vorhabens in den Genehmigungsverfahren der nachrangigen Vorhaben zu berücksichtigen sind. Ein solcher ""Konflikttransfer"" in ein später beantragtes, aber zeitlich früher abgeschlossenes Genehmigungsverfahren kann nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit verhindern, dass nicht nur in Ausnahmefällen Lücken bei der Erfassung und Bewertung kumulativer Wirkungen auftreten können. 23 Mit der Vorlage prüffähiger Unterlagen sind zwar alle zur Prüfung der Vereinbarkeit mit der FFH-Richtlinie und zur Prüfung der Umweltverträglichkeit erforderlichen Unterlagen einzureichen und durch die Genehmigungsbehörde auf Ihre Vollständigkeit zu prüfen (vgl. §§ 4 und 4e VO über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV). Damit steht aber noch nicht fest, ob die Unterlagen den inhaltlichen Anforderungen der FFH-Richtlinie in allen Punkten entsprechen und die darin vorgenommene Prüfung vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die den besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen (vgl. Lau, NuR 2016, 149 <151>). Im Zeitpunkt der Einreichung der prüffähigen Unterlagen bildet die Verträglichkeitsuntersuchung des vorrangigen Vorhabens mithin noch keine ausreichende Grundlage, um die Auswirkungen dieses Projekt in die Summationsbetrachtung eines anderen Projekts einzustellen. 24 Nichts anderes gilt bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens des vorrangigen Vorhabens. Nach Einreichung der Unterlagen ist das Verfahren der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 10 Abs. 3 und 5 BImSchG) durchzuführen. Die Stellungnahmen der Behörden und die Einwendungen der Öffentlichkeit einschließlich der Verbände werden häufig Anlass zu neuen und vertieften naturschutzfachlichen Untersuchungen geben. Nicht auszuschließen ist auch, dass sich - dies gilt insbesondere für Großvorhaben wie das vorliegende - im Laufe des sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Genehmigungsverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen technischer Weiterentwicklungen ein Änderungsbedarf an der zur Genehmigung gestellten Anlage selbst oder an Anlagenteilen ergibt. Modifikationen der Anlage, insbesondere Änderungen der Anlagenkapazität beeinflussen wiederum regelmäßig Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der Immissionen. Speziell in Bezug auf die FFH-Verträglichkeit wird dies häufig Änderungen bei dem Schutzkonzept und etwaigen Kohärenzmaßnahmen nach sich ziehen. Soweit das Oberverwaltungsgericht dem durch Worst-case-Betrachtungen zu den Auswirkungen des zeitlich vorrangigen Vorhabens begegnen will, überzeugt dies nicht. Zum einen besteht die Gefahr, dass durch wiederholte und weitgehende Worst-case-Szenarien sowohl die Auswirkungen eines Projekts als auch die tatsächlichen Beeinträchtigungen eines FFH-Gebiets überschätzt werden und damit für alle späteren Vorhaben die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen erschwert wird (vgl. Fellenberg, NVwZ 2019, 177 <181>). Zum anderen ist es nicht gerechtfertigt, die zu bewältigenden Probleme, die sich aus der noch nicht hinreichend verfestigten Planung des vorrangigen Vorhabens ergeben, einseitig dem nachrangigen, aber früher genehmigungsreifen Projekt aufzubürden. Dies gilt insbesondere für Vermeidungs-, Schutz- und Kohärenzmaßnahmen, die zur Kompensation der summierten Auswirkungen erforderlich werden. 25 (2) Diese Überlegungen gelten auch für den Fall, dass die früher beantragten - also nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in die Summationsbetrachtung einzustellenden - Projekte erst nach dem später beantragten Projekt genehmigt werden. Auch in dieser Konstellation fußt die Summationsprüfung für das später beantragte, aber früher genehmigungsreife Projekt zwangsläufig auf vorläufigen Erkenntnissen bezogen auf die früher beantragten Vorhaben. Dieser Umstand kann ebenfalls zu Worst-case-Annahmen nötigen, die möglicherweise Abweichungsprüfungen und Kohärenzmaßnahmen nach sich ziehen, obwohl die Genehmigungsfähigkeit der früher beantragten Vorhaben nicht feststeht. 26 (3) Der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, der in erster Linie nicht auf die Erfordernisse des Gebietsschutzes, sondern auf Vertrauensschutz für die Vorhabenträger zielt, entspricht folglich nicht den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Daher vermögen auch die vom Oberverwaltungsgericht angestellten Praktikabilitätserwägungen an der Maßgeblichkeit des Abschlusses des Genehmigungsverfahrens für die Einbeziehung eines Projekts in die Summationsprüfung nichts zu ändern. Ungeachtet dessen kann der ""Prioritätsansatz"" auch in der Sache nicht auf die Annahme größerer Praktikabilität gestützt werden. Das Oberverwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass für die Beurteilung der FFH-Verträglichkeit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist und deshalb die nach Einreichen eines prüffähigen Antrags erfolgten Änderungen, Modifikationen etc. der früher beantragten Projekte ebenso zu berücksichtigen sind wie die aktuelle Beschaffenheit und Entwicklung des FFH-Gebiets. Den mit diesen rechtlichen Vorgaben verbundenen praktischen Schwierigkeiten ist - unabhängig vom jeweiligen Ansatz - jede Summationsprüfung ausgesetzt. Namentlich das Problem der Vergleichbarkeit und Verwertbarkeit älterer Verträglichkeitsuntersuchungen stellt sich losgelöst davon, ob eine Genehmigung bereits erteilt worden ist oder das Genehmigungsverfahren noch andauert. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Aufgabe der Genehmigungsbehörde, im Rahmen der Summationsbetrachtung die FFH-Verträglichkeitsprüfung für andere Vorhaben inzident auf ihre Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 223). Grundsätzlich können die darin festgestellten Auswirkungen des Vorhabens der Summationsprüfung daher zugrunde gelegt werden. Haben sich zwischenzeitlich neue wissenschaftliche oder naturschutzfachliche Erkenntnisse und/oder Methoden insbesondere hinsichtlich der einzelnen Wirkfaktoren und Wirkzusammenhänge ergeben, sind diese aber bei der Summationsbetrachtung, die auf der Grundlage einer aktuellen Bestandserfassung die Auswirkungen aller zu berücksichtigenden Vorhaben nach einheitlichen Maßstäben beurteilen muss, zu beachten. Gleiches gilt für die erzielten Fortschritte bei der Standardsetzung etwa durch Forschungsvorhaben, die in Fachkonventionen und sonstige Arbeitshilfen gemündet sind. Die Summationsbetrachtung für das zuletzt genehmigte Vorhaben muss die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde legen. Dabei sind Friktionen mit Blick darauf, dass die Summationskulisse bis zur Vorhabenzulassung nicht ""tagesaktuell"" nachgehalten werden kann, nicht zu vermeiden. Ihnen kann aber bis zu einem gewissen Grad durch vorausschauende Planung begegnet werden. Erfahrungsgemäß sind zeitlich konkurrierende Projekte, die für die Summationsprüfung relevant sind oder künftig werden können, in der Regel schon frühzeitig bekannt oder auf Nachfrage bei den zuständigen Behörden ermittelbar. 27 (4) Angesichts dieses Befundes kommt es auf die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zum Vertrauensschutz nicht entscheidend an. Beides kann es nur im Rahmen des rechtlich Erlaubten geben. Im Übrigen ist die Überlegung des Oberverwaltungsgerichts, durch die Anknüpfung an die Einreichung prüffähiger Unterlagen bei der Summationsprüfung werde verhindert, dass größere Projekte durch andere (""kleinere"") emissionsintensive Projekte im Laufe des aufwendigen Genehmigungsverfahrens ""ausgebremst"" werden könnten, nicht tragfähig. 28 Zwar hat der Vorhabenträger zunächst das Notwendige getan, um die erstrebte Genehmigung zu erhalten. Er hat aber keinen Anspruch darauf, dass sein Projekt vor anderen genehmigt wird. Die Genehmigungsbehörde hat jedes Verwaltungsverfahren zügig durchzuführen (§ 10 Satz 2 VwVfG) und darf gleichliegende Verfahren nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG), so dass sie einen früher eingegangenen Antrag grundsätzlich auch früher zu bearbeiten hat (vgl. auch Rolshoven, NVwZ 2006, 516 <522>). Der Zeitpunkt der Genehmigung eines Vorhabens richtet sich allerdings nach der Genehmigungsreife des Antrags, so dass ein später gestellter Antrag früher entscheidungsreif sein kann, weil er weniger Fragen aufwirft oder weniger Beteiligungen erforderlich sind (vgl. Reidt, DVBl. 2009, 274 <277>; Riese/Dieckmann, UPR 2009, 371 <372 f.>). In einem solchen Fall muss die Zulassungsentscheidung hinsichtlich des früheren Antrags das ""überholende"" Projekt berücksichtigen. 29 Anderes folgt auch nicht aus der von der Beigeladenen gezogenen Parallele zu § 12 Abs. 2 UVPG. Danach hat der Träger des früheren Vorhabens, der schon vollständige Unterlagen eingereicht hat, ohne dass die Genehmigung bereits erteilt worden ist, nicht nachträglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn sein Vorhaben erst mit einem späteren zusammen UVP-pflichtig wird. Der Träger des früheren Vorhabens soll in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium davor geschützt werden, durch später hinzutretende kumulierende Vorhaben nachträglich noch mit einer UVP-Pflicht überzogen zu werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung, BT-Drs. 18/11499 S. 86). Der Schutz des früheren Vorhabens in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist aber nicht auf die materiell-rechtliche Frage übertragbar, ob eine notwendige FFH-Prüfung die Summationswirkungen anderer Vorhaben berücksichtigen muss. 30 b) Das Urteil verstößt auch gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht einen eigenen, deutlich unter dem von der Genehmigungsbehörde angenommenen Abschneidewert liegenden Wert für eutrophierende und versauernde Stickstoffeinträge festgelegt hat. 31 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat bundesrechtswidrig den Abschneidewert für vorhabenbedingte Zusatzbelastungen durch eutrophierende Stickstoffeinträge in Höhe von 0,3 kg N/(haa) bei Summationsbetrachtungen als zu hoch angesehen und einen projektbezogenen Abschneidewert von 0,05 kg N/(haa) zugrunde gelegt. 32 Es geht davon aus, dass das Konzept der Critical Loads bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung für eutrophierende Stickstoffeinträge einen tauglichen Maßstab darstellt und rechtlich nicht zu beanstanden ist. Weiterhin hält es die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidewerts für fachlich und rechtlich gerechtfertigt. Diese Bewertung der Stickstoffbelastung mit Hilfe von Critical Loads und eines Abschneidewerts in Höhe von 0,3 kg N/(haa) Stickstoff hat in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 34 ff.), das allerdings in der Vergangenheit keinen Anlass hatte, zwischen Abschneidekriterium und Bagatellschwelle zu unterscheiden, Billigung gefunden. Die Abschneidewerte wie sie sowohl im BASt-Bericht 2013 (Balla et al., ""Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope"", Bericht zum FE-Vorhaben 84.0102/2009 der Bundesanstalt für Straßenwesen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Bd. 1099, November 2013 - FE-Bericht Stickstoff -) als auch im aktuellen Stickstoffleitfaden 2019 (Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen 2019 [H PSE] S. IX, 74), aufgeführt sind, spiegeln die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ermittlung der Belastung durch Stickstoffeinträge in geschützte Lebensräume wider (vgl. zum BASt-Bericht 2013 BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 37 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 79). Nicht gefolgt werden kann dem Oberverwaltungsgericht, soweit es den Abschneidewert von 0,3 kg N/(haa) mit Blick auf die notwendige Summationsprüfung für zu hoch erachtet und von einem projektbezogenen Abschneidewert von 0,05 kg N/(ha*a) ausgeht sowie zusätzlich für Ausnahmefälle einen schutzgutbezogenen Abschneidewert von 0,5 % des Critical Loads des jeweiligen (konkret) in Betracht kommenden Lebensraumtyps annimmt (juris Rn. 605 bis 611). 33 (1) Das Abschneidekriterium dient der Bestimmung des Einwirkungsbereichs einer geplanten Anlage und damit des Untersuchungsraums und -umfangs der FFH-Verträglichkeitsprüfung. Zugleich werden hierdurch die in die Summationsbetrachtung einzubeziehenden Vorhaben bestimmt (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 8. Juni 2018 - 2 L 11.16 - juris Rn. 140). Es ist systematisch der Prüfung von Bagatellschwellen vorgelagert und unabhängig von diesen zu ermitteln. Liegt der Abschneidewert bei sehr niedrigen Critical Loads oberhalb der 3 % - Bagatellschwelle, ist nach dem Abschlussbericht des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BASt-Bericht), der sich selbst als Fachkonvention begreift, dem Abschneidewert der Vorrang einzuräumen, weil Zusatzbelastungen und Nachweisgrenze lediglich theoretischer Natur sind. 34 (2) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist der Abschneidewert von 0,3 kg N/(ha*a) auch in den Fällen kumulativer Stickstoff-Belastungen durch mehrere Vorhaben zugrunde zu legen (offen gelassen in BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris). 35 (2.1) Der Abschneidewert von 0,3 kg N/(haa) ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts an der Messunsicherheit orientiert (juris Rn. 593). Unterhalb dieser Grenze ist die zusätzliche von einem Vorhaben ausgehende Belastung nicht mehr mit vertretbarer Genauigkeit bestimmbar bzw. nicht mehr eindeutig von der Hintergrundbelastung abgrenzbar. Stickstoffeinträge unterhalb des Abschneidewerts können nicht mehr mit Messungen belegt und die modellierten Werte damit nicht validiert werden. Es geht dabei um so geringe Größenordnungen, dass konkrete Effekte in Vegetationsbeständen nicht beobachtet worden sind. Der BASt-Bericht spricht von theoretischen Zusatzbelastungen, die auch unter konservativen Annahmen einem Vorhaben nicht zugeordnet werden können. Unter Zugrundelegung der niedrigsten Nachweisgrenze liegt der Abschneidewert für Stickstoffeinträge umgerechnet bei einer Größenordnung von 0,5 kg N/(haa) (juris Rn. 563). Um auf der sicheren Seite zu sein, ist der Abschneidewert in der Größenordnung der (gerundet) halben Nachweisgrenze von 0,3 kg N/(ha*a) festgelegt worden (juris Rn. 563). 36 (2.2) Ausgehend von dieser Ableitung ist es nicht gerechtfertigt, den Abschneidewert von 0,3 kg N/(ha*a) für eutrophierende Stickstoffeinträge im Hinblick auf Summationswirkungen mehrerer Vorhaben abweichend von dem BASt-Bericht niedriger festzusetzen und zusätzlich in Einzelfällen schutzgutbezogene Sonderprüfungen vorzunehmen. Die Verträglichkeitsprüfung nach § 48d Abs. 3 LG NRW, § 34 Abs. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 FFH-RL knüpft an die Eignung eines Projekts oder Planes an, das Natura-2000 Gebiet zu beeinträchtigen. Es bedarf insoweit nicht des Nachweises eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Projekt oder Plan und der erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer solchen Störung muss aber gegeben (""nachweisbar"") sein (EuGH, Urteile 14. Januar 2016 - C-141/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​8], Kommission/Bulgarien - Rn. 58 und vom 24. November 2011 - C-404/09 - Rn. 142; BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 45). Rein theoretische Besorgnisse sind daher nicht zu berücksichtigen. Das unionsrechtliche Vorsorgeprinzip, das in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL seinen Niederschlag gefunden hat (Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV, vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​482], Raad van State/Niederlande - Rn. 58), verlangt auch nicht, die Verträglichkeitsprüfung auf ein Nullrisiko auszurichten, weil hierfür ein wissenschaftlicher Nachweis nie geführt werden könnte. Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, muss die Verträglichkeitsprüfung die ""besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse"" berücksichtigen und setzt somit die ""Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen"" voraus (BVerwG, Urteil vom 28. März 2013 - 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 41; EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - C-239/04 [ECLI:​EU:​C:​2006:​6653], Kommission/Portugal - Rn. 20). Hieran gemessen kann es für die Festlegung des Untersuchungsgebietes einer FFH-Verträglichkeitsprüfung und damit der in der Summationsprüfung zu berücksichtigenden Projekte nicht auf einen messtechnisch nicht erfassbaren Stickstoffeintrag ankommen. 37 (2.3) Ein aufgrund von Rechenmodellen ermittelter, empirisch aber weder nachweisbarer noch wirkseitig zuordenbarer Eintragswert, stellt eine rein theoretische Besorgnis dar. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist dieser dem BASt-Bericht zugrunde liegende Ansatz nicht nur plausibel, soweit er sich auf ein Vorhaben bezieht. Auch eine Vielzahl nicht mess- und validierbarer Besorgnisse führt nicht auf einen wirkseitig einem Projekt anzulastenden Betrag. Messunsicherheiten kumulierender Projekte lassen sich daher entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht addieren. Eine Addition unterhalb der Nachweisgrenze liegender modellierter und damit hypothetischer Einträge änderte an dem mangelnden Wirknachweis in Bezug auf ein Projekt nichts. Solange sich nicht klären lässt, ob, und wenn ja, in welcher Höhe, Einträge überhaupt existieren und welchen Quellen sie entstammen, lässt sich auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung feststellen. Solche ""Einträge"" wirken vielmehr diffus und sind allenfalls als Teil der Hintergrundbelastung abbildbar (vgl. Balla, Bernotat, Frommer, Garniel, Geupel, Hebbinghaus, Lorentz, Schlutow, Uhl, Stickstoffeinträge in der FFH-Verträglichkeitsprüfung: Critical Loads, Bagatellschwelle und Abschneidekriterium, Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz, 2014 S. 43 <51>). Es ist aber nicht Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung, vorhabenbezogen Maßnahmen zur Verbesserung der Hintergrundbelastung durch Stickstoff zu prüfen und festzusetzen. Dies ist vielmehr Aufgabe des Gebietsmanagements (vgl. auch Weuthen, ZUR 2017, 215). 38 (2.4) Dass unterhalb der Nachweisgrenze von 0,3 kg N/(haa) liegende Flächen bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn in einem räumlichen Zusammenhang mehrere Projekte verwirklicht werden sollen, ist vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Vorsorgeprinzips nicht zu beanstanden. Das Abschneidekriterium trägt diesem dadurch Rechnung, dass es einen deutlich unterhalb der Nachweisgrenze liegenden Wert verwendet und hierdurch bereits selbst die Betrachtung der Auswirkungen des Projekts in einen hypothetischen Bereich vorverlagert und damit den einzubeziehenden Untersuchungsraum vorsorglich wesentlich vergrößert. Dass der verwendete Abschneidewert von 0,3 kg N/(haa) weit unterhalb einer sicheren Ursache-Wirkung-Relation liegt, verdeutlicht auch der Umstand, dass die meisten experimentellen wissenschaftlichen Studien zu den Einflüssen zusätzlicher Stickstoffeinträge auf die Vegetation mit Stickstoffabgaben in Stufen von mindestens 5 bis 10 kg N/ (ha*a) arbeiten (OVG, juris Rn. 558). 39 (2.5) Dem Oberverwaltungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es eine Reduzierung des Abschneidewerts mit Blick auf die Sonderfälle für geboten erachtet, in denen der Abschneidewert von 0,3 kg N/(ha*a) der 3 % - Bagatellschwelle entspricht oder sogar darüber liegt. Auch für Lebensraumtypen mit sehr niedrigen Critical Loads genügen rein theoretische Besorgnisse nicht, um einer Vorhabenzulassung entgegengehalten werden zu können. An der fehlenden Validierbarkeit modellhaft ermittelter Einträge und der fehlenden Unterscheidbarkeit von zufälligen Variationen der Hintergrundbelastung ändert sich auch in diesen Fällen nichts. 40 (3) Aus dem Urteil des EuGH vom 7. November 2018 - C-293/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​882], Raad von State - zum niederländischen ""Verrechnungsmodell"" bei der Stickstoffprüfung in Natura 2000-Gebieten ergibt sich nicht, dass das Abschneidekriterium von 0,3 kg N/(haa) mit den unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3 FFH-RL unvereinbar ist. Das Verfahren betraf ein anderes Konzept (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 81). Dem Urteil des EuGH lag ein nationales Programm der Niederlande zur Bekämpfung von übermäßigen Stickstoffablagerungen in Natura 2000-Gebieten zugrunde, das gleichzeitig die Fortführung oder Entwicklung neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten ermöglichen soll, indem bei Rückgang von Stickstoffablagerungen die Hälfte dieses prognostizierten Rückgangs als ""Puffer"" für neue wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen wird. In diesem Zusammenhang wird eine Zusatzbelastung mit Stickstoff von 1 mol/haa als Schwellenwert für eine Ausnahme von der Einzelgenehmigungspflicht normiert. 41 Dieser im Vergleich zu dem Abschneidewert des BASt-Berichts, aber auch im Vergleich zu dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Abschneidewert noch einmal deutlich niedrigere Wert ist eine rechnerische Größe, die sich aus der Konzeption des Programms erklärt. Sie beruht auf der Prämisse, die Stickstoffbelastungen gingen zukünftig aufgrund bestimmter Maßnahmen in einem bestimmten, rechnerisch ermittelten Umfang zurück. Das niederländische Modell stellt ein Bewirtschaftungsprogramm dar, das im Rahmen einer programmatischen Globalprüfung Stickstoffeinträge ""koordiniert"", indem es auf der Grundlage einer im Voraus durchgeführten Prüfung eine bestimmte Menge an Stickstoff festlegt, die in dem betreffenden Schutzgebiet abgelagert werden kann. Im Rahmen dieses Modells wird der Beitrag der Emissionsquellen, die der Nutzer in das System eingibt, zu den Stickstoffablagerungen errechnet und so festgestellt, ob das Projekt eine erhebliche Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets verursacht (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 30 bis 39 sowie 104, 112). Bei einem solchen rein rechnerischen Modellansatz, der zudem noch eine Reduktion der Stickstoffeinträge durch Maßnahmen des Gebietsmanagements unterstellt, ist es systemgerecht, auch lediglich rechnerisch ermittelbare Kleinstbeiträge einzubeziehen. Mit den Abschneidewerten, wie sie als beste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt sind, sind diese Werte nicht vergleichbar. 42 bb) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Abschneidewert für die Zusatzbelastungen durch versauernde Einträge im Rahmen der Summationsbetrachtung von 0,05 % des jeweiligen Critical Loads oder umgerechnet 4 eq begegnet den gleichen - oben dargestellten - grundsätzlichen bundesrechtlichen Bedenken. Auch insoweit ist keine Veränderung des Abschneidewertes mit Blick auf andere Pläne oder Projekte vorzunehmen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht - wie die Beigeladene im Rahmen ihrer Gegenrüge (zur Zulässigkeit vgl. Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand April 2013, § 137 Rn. 239 ff.) geltend macht - verfahrensfehlerhaft, weil unter Außerachtlassung des vom LANUV angesetzten Wertes für versauernde Einträge von 30 eq, zu dem Ergebnis gekommen ist, der ""isolierte"" Abschneidewert sei mit dem BASt-Bericht lediglich auf 24 eq festzusetzen und enthalte auch einen Anteil für versauernde Schwefeleinträge (juris Rn. 614 f.) 43 c) Dem Oberverwaltungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass als weitere Zusatzbelastung alle Vorhaben seit der Unterschutzstellung eines Gebiets zu berücksichtigen sind. 44 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Auswirkungen bereits umgesetzter Vorhaben oder bisheriger Nutzungen, die in den Ist-Zustand eingegangen sind, nicht in die Summationsprüfung einzustellen, sondern der Vorbelastung zuzuordnen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Juli 2016 - 9 C 3.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 55 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 220). 45 Die Einbeziehung bereits realisierter Vorhaben in die Vorbelastung bewirkt in der Regel keine unzulässige Reduzierung des Schutzniveaus. Vorbelastungen können den Erhaltungszustand so verschlechtern, dass nur noch geringe Zusatzbelastungen toleriert werden können (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 220). Allerdings kann allein durch die Betrachtung der Vorbelastung nicht stets eine schleichende Verschlechterung eines FFH-Gebiets und der darin vorkommenden Lebensraumtypen und geschützten Arten insbesondere durch wiederholte Inanspruchnahmen von Bagatellschwellen erkannt und verhindert werden (""Tod durch 1 000 Schnitte"", vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 22. November 2012 - C-258/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​743] - Rn. 67 und Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 25. Juli 2018 - C-293/17 und C-294/17 [ECLI:​CU:​C:​2018:​622] - Rn. 107). 46 Eine solche ergänzende Prüfung kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn - wie beim Stickstoff - die vorhabenbedingten Auswirkungen erst zeitverzögert im Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und geschützten Arten ihren Niederschlag finden (siehe Lau, NuR 2016, 149 <151>) und zwischen der Bewertung des Zustandes eines Gebiets im Rahmen des Gebietsmanagements und der Beurteilung der Beeinträchtigung im Rahmen der Vorhabenzulassung kein direkter Zusammenhang besteht (siehe Fellenberg, NVwZ 2019, 177 <182>). Dem Oberverwaltungsgericht ist aber nicht zu folgen, soweit es eine Rückbeziehung der Prüfung auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung der FFH-Gebiete im Dezember 2004 (vgl. Entscheidung der Kommission vom 7. Dezember 2004 - 2004/813/EG - ABl. L 387 S. 1) für erforderlich erachtet. Zwar kann sich dieser Ansatz auf das unionsrechtliche Vorsorgeprinzip stützen; er berücksichtigt aber nicht genügend den ebenfalls unionsrechtlich begründeten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 47 aa) Dem Ansatz des Oberverwaltungsgerichts liegt, soweit es um eutrophierende und versauernde Stickstoffeinträge geht, der Gedanke einer ""Kontingentierung"" zugrunde, wonach die Bagatellschwelle - unabhängig vom jeweiligen Erhaltungszustand und der Entwicklung der Stickstoffeinträge - ab der Unterschutzstellung des FFH-Gebiets nur einmal ausgeschöpft werden kann. Hierfür kann zwar angeführt werden, dass eine mehrfache Ausnutzung der Bagatellschwelle zu einer insgesamt nicht mehr bagatellhaften und damit erheblichen Beeinträchtigung führen kann. Insoweit trägt der Ansatz dem Vorsorgeprinzip im Rahmen des Habitatrechts Rechnung. Allerdings sind auch bei mehrfacher Inanspruchnahme der Bagatellschwelle erhebliche Beeinträchtigungen nicht zwangsläufig die Folge. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein Projekt einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen kann, sind die festgelegten Erhaltungsziele des Schutzgebiets. Ein Plan oder Projekt kann nach § 34 Abs. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL nur zugelassen werden, wenn die zuständigen nationalen Behörden unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Gewissheit darüber erlangt haben, dass sich der Plan oder das Projekt auch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirkt. Das ist - wie bereits ausgeführt - dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt (EuGH, Urteile vom 7. September 2004 - C-127/02 - Rn. 54 ff. und vom 26. April 2017 - C-142/16 - Rn. 33; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 62). 48 Dieses Prüfprogramm erfordert weder zwingend eine starre Kontingentierung der 3 % - Bagatellschwelle noch eine Rückbeziehung der Summationsprüfung auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung. § 34 Abs. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL fordern - wie oben dargelegt - einen Zusammenhang zwischen dem Stickstoffeintrag eines Vorhabens und einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets. Hiervon ausgehend ist es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt, eine Bagatellschwelle nach ihrer Ausnutzung zeitlich unbegrenzt als ""verbraucht"" anzusehen. Eine solche Sichtweise würde zu unverhältnismäßigen Einschränkungen bei der Vorhabenzulassung führen und dem Grundsatz, dass realisierte Projekte in die Vorbelastung (Hintergrundbelastung) eingehen und hierdurch bei der Verträglichkeitsprüfung hinreichend abgebildet werden, widersprechen. Hohe Vorbelastungen eines Gebiets durch Stickstoff, die die Critical Loads teilweise um ein Mehrfaches überschreiten, können nicht mit Mitteln des Habitatschutzes, sondern nur durch eine effektive Luftreinhaltepolitik reduziert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 93). Lokal wirkende Maßnahmen, wie z.B. die Entnahme von stark stickstoffbindenden Pflanzen im Rahmen des Gebietsmanagements, können ebenfalls zu einer Verbesserung der Stickstoffbelastung führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 52 Rn. 93; weitere Maßnahmenbeispiele in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott im Verfahren C-293/17 und C-294/17, Rn. 65). Auch nach Ausnutzen der Bagatellschwelle von 3 % des Critical Load durch ein oder mehrere nach dem Dezember 2004 genehmigte und realisierte Vorhaben muss sich die Belastungssituation nicht verstetigen oder gar verschlechtern, sondern sie kann sich aufgrund bestimmter globaler und regional wirkender Maßnahmen verbessern. Ist dies der Fall und zeigt die Stickstoffbelastung einen (eindeutig) rückläufigen Trend, wäre es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn ein nach besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht ins Gewicht fallender erneuter Eintrag bis zu 3 % des Critical Loads von vornherein als unzulässig anzusehen wäre. Dies gilt umso mehr, je länger die erstmalige Ausnutzung der Bagatellschwelle zeitlich zurückliegt und je deutlicher sich die Vorbelastung verringert hat. 49 Gegen eine wiederholte Anwendung der Bagatellschwelle bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2018 - C-293/17 - (Rn. 104, 112) zum niederländischen ""Verrechnungsmodell"" bei der Stickstoffprüfung in FFH-Gebieten ergibt sich, dass Art. 6 Abs. 3 FFH-RL einer Berücksichtigung des Rückgangs übermäßiger Stickstoffablagerungen in FFH-Gebieten zur Ermöglichung der Fortführung oder Entwicklung neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten nicht entgegensteht, soweit sich die zuständigen Behörden Gewissheit verschafft haben, dass aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass keines der erlaubten Projekte schädliche Auswirkungen auf das betreffende Gebiet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 81; vgl. auch Schlussanträge Generalanwältin Kokott vom 25. Juli 2018 - C-293/17 und C-294/17 - Rn. 79 f.). 50 bb) Unabhängig davon, dass eine auf das Jahr 2004 bezogene starre Kontingentierung von Bagatelleinträgen nicht gerechtfertigt ist, begegnet der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts auch deshalb Bedenken, weil bei einer bis auf das Jahr 2004 zurückreichenden Prüfung der Bestandsentwicklung der betroffenen Arten und Lebensraumtypen, der jeweiligen Auswirkungsprognosen und insbesondere der Inanspruchnahme der Bagatellschwelle schon die Ermittlung der heranzuziehenden Projekte mit zunehmendem zeitlichen Abstand mit wachsenden Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden sein wird. Die in älteren Genehmigungen enthaltenen Bestandsaufnahmen sowie Emissions- und Immissionsprognosen werden zudem immer weniger eine belastbare und aussagekräftige Grundlage für eine Rückbetrachtung der Entwicklung des Gebiets und der geschützten Arten und Lebensraumtypen darstellen. Es liegt auf der Hand, dass die den älteren Genehmigungen zugrunde liegenden Untersuchungen auf einem Gebietszustand beruhen, der mit dem aktuellen Zustand nur noch eingeschränkt vergleichbar ist (Weuthen, ZUR 2017, 215 <221>). Bereits die Ermittlung des Ausgangszustands der FFH-Gebiete wird wegen der im Zeitpunkt der Unterschutzstellung vielfach fehlenden oder lückenhaften Datenbasis und der primär nicht auf den Erhaltungszustand, sondern die Meldewürdigkeit des Gebiets gerichteten Angaben in den Meldeunterlagen (vgl. hierzu Fellenberg, NVwZ 2019, 177 <181>) erheblichen Schwierigkeiten begegnen. Hinzu kommt, dass Bestandsaufnahmen vor Ort nur Momentaufnahmen von Fauna und Flora darstellen (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 62) und die Vergleichbarkeit der älteren Genehmigungsunterlagen mit den aktuellen Erkenntnissen durch wissenschaftliche und naturschutzfachliche Erkenntnisfortschritte sowie die seit der Unterschutzstellung erzielten Fortschritte bei der Standardsetzung erschwert wird. So wird bei einem starren Rückbezug auf das Jahr 2004 in der Praxis u.a. ein fast beliebiger Methodenmix beklagt, der die Ergebnisse unvergleichbar mache (Fellenberg, NVwZ 2019, 177 <180>). 51 cc) Dem Anliegen, Beeinträchtigungen von FFH-Gebieten durch die wiederholte Inanspruchnahme der 3 % - Bagatellschwelle auszuschließen, könnte gegebenenfalls durch einen Rückgriff auf die UBA-Datensätze Rechnung getragen werden. Nach dem aktuellen Stickstoffleitfaden Straße (Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen 2019 [H PSE] S. 35) erfassen die Datensätze seit einigen Jahren deutschlandweit und flächendeckend die Hintergrundbelastung mit Stickstoffdepositionen. Die hierfür verwendeten Eingangsdaten beziehen sich jeweils auf ein Jahr und werden zu Mehrjahresmittelwerten zusammengefasst, um meteorologische Schwankungen über einen längeren Zeitraum zu glätten. In den Datensätzen mit einer räumlichen Auflösung von 1 x 1 km sind alle für die Ermittlung der Hintergrundbelastung relevanten Emissionsquellen und Depositionseinflüsse berücksichtigt. Sie stellen nach Auffassung des Leitfadens für Deutschland die besten einschlägigen wissenschaftlichen Kenntnisse zur Bestimmung der Vorbelastung (Hintergrundbelastung) dar. Gegen die Verwendung der UBA-Datensätze kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass sie zwangsläufig zu einer Verfestigung und Verschlechterung der Stickstoffbelastung führe. Wie dargelegt, kommt eine wiederholte Anwendung des 3 % - Wertes nur dann in Betracht, wenn sich - beispielsweise aus den UBA-Datensätzen - eine (eindeutige) positive Entwicklung der Vorbelastung ableiten lässt. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob sich schleichende Verschlechterungen aufgrund von Projektauswirkungen ergeben können, die noch keinen Niederschlag in diesen Datensätzen gefunden haben (sog. korrigierte Vorbelastung). Ob die UBA-Datensätze insoweit eine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstellen und dies gleichermaßen für eutrophierende und versauernde Stickstoffeinträge gilt, ist zuvörderst eine naturschutzfachliche Frage und hier nicht abschließend zu entscheiden. 52 3. Mangels Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den Immissionsbeiträgen durch die Erweiterung des Kupferrecyclingbetriebs der A. AG sowie sonstige nach Einreichung der vollständigen prüffähigen Antragsunterlagen am 31. März 2007 und vor Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben der Beigeladenen am 20. November 2013 genehmigte Vorhaben zur Vor- oder Zusatzbelastung, kommt weder eine Zurückweisung der Revision nach § 144 Abs. 4 VwGO noch eine Sachentscheidung des Senats (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) in Betracht, so dass die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Dabei ist das Vorhaben Datteln 4 jedenfalls nicht zu berücksichtigen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung für das streitgegenständliche Vorhaben am 20. November 2013 war das Kraftwerk Datteln 4 noch nicht genehmigt. Auf den vom Oberverwaltungsgericht für zulässig erachteten Abzug der Schadstoffeinträge der abgeschalteten Kraftwerksblöcke Datteln 1 bis 3 von den Einträgen des geplanten Kraftwerks Datteln 4 als Schadensminderungsmaßnahmen im Rahmen der Summationsprüfung kommt es daher nicht an. 53 Ebenfalls nicht in die Summationsbetrachtung einzustellen ist das Biomassekraftwerk Lünen, das nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mit Bescheiden vom 12. März und 17. Juni 2004 genehmigt wurde, während die Unterschutzstellung der FFH-Gebiete zum 7. Dezember 2004 erfolgte. Es ist als Altvorhaben der Vorbelastung zuzuordnen, weil davon auszugehen ist, dass sich seine Auswirkungen bereits in den aktuellen Erhaltungszuständen der betroffenen Arten und Lebensraumtypen widerspiegeln. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 26. April 2017 - C-142/16 -. Ungeachtet der in dieser Entscheidung allgemein gehaltenen Formulierungen (Rn. 62), ging es in diesem Verfahren konkret um die Prüfung, ob ein lange vor 2004 genehmigtes Pumpspeicherkraftwerk die positiven Wirkungen einer nur wenige Kilometer stromab geplanten Fischaufstiegsanlage in einem Ausmaß mindert, das deren Eignung als Schadensminderungsmaßnahme infrage stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - NVwZ 2018, 1734 Rn. 47). Hinweise darauf, dass bereits seit langem genehmigte und in Betrieb befindliche Anlagen, nicht mehr der Vorbelastung zugeordnet werden können, ergeben sich aus dieser Entscheidung nicht. 54 4. Zwar kommt es aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht auf die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht mehr an. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass die Sonderfallprüfung hinsichtlich des FFH-Gebiets ""Wälder bei Cappenberg"" nicht an Verfahrensfehlern leidet. 55 Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO durch eine unterbliebene Beweiserhebung geltend macht, bleibt die Rüge bereits deshalb ohne Erfolg, weil er eine Beweiserhebung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht beantragt hat. Der Kläger legt auch nicht substantiiert dar, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung sich dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Wie sich aus dem Protokoll des Verhandlungstermins am 16. Juni 2016 (GA BI. 5635 ff.) sowie den Urteilsgründen (juris Rn. 728 ff.) ergibt, hat sich das Oberverwaltungsgericht mit den vorliegenden Gutachten eingehend auseinandergesetzt und die Gutachter in der mündlichen Verhandlung hierzu intensiv befragt. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer weitergehenden Aufklärung zeigt die Revision nicht auf und sind nicht erkennbar. 56 Die rechtliche Würdigung der Sonderfallprüfung für das FFH-Gebiet ""Wälder bei Cappenberg"" leidet auch nicht an einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (etwa BVerwG, Beschluss vom 20. August 2018 - 1 B 23.18 - juris Rn. 23 m.w.N.). Hieran gemessen ist insbesondere kein Verstoß gegen die Denkgesetze erkennbar. 57 Dass die Mechanismen zur Kompensation von Säureeinträgen in dem FFH-Gebiet nicht in gleicher Weise quantifizierbar sind wie die Critical Loads und deren Überschreitung, stellt keinen logisch unmöglichen Schluss dar. Das Oberverwaltungsgericht geht in seinem Urteil ausdrücklich darauf ein, dass der Umfang des durch die Wasserdynamik bereitgestellten Puffervermögens nach den Angaben des Gutachters der Beigeladenen nur schwer quantifizierbar ist (juris Rn. 737), die zusätzlichen Säuredepositionen aber keinen erheblichen Versäuerungsschub verursachen (juris Rn. 765). Aus welchen Gründen das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, dass die Modellannahmen im vorliegenden Fall die realen Bedingungen nicht zutreffend widerspiegeln, hat es in seinem Urteil ausführlich und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt." bverwg_2019-39,16.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 39/2019 vom 16.05.2019 EN Thüringen scheitert mit Eilantrag gegen SuedLink Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat auf den Antrag des Landes Thüringen auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden, dass die Bundesnetzagentur das Bundesfachplanungsverfahren für den sogenannten SuedLink fortsetzen kann, ohne den Alternativtrassenvorschlag des Landes Thüringen derzeit weiter berücksichtigen zu müssen. Die TransnetBW GmbH und die TenneT TSO GmbH beantragten im März 2017 als Vorhabenträger die Bundesfachplanung für die Gleichstrom-Erdkabelprojekte Nr. 3 und 4 des Bundesbedarfsplangesetzes in den Abschnitten C (Bad Gandersheim - Gerstungen und Seesen - Gerstungen) und D (Gerstungen - Arnstein und Gerstungen - Grafenrheinfeld). In der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Antragskonferenz brachte das Land Thüringen einen eigenen Trassenkorridorvorschlag förmlich in das Verfahren ein, den die Bundesnetzagentur einer Überprüfung unter Beteiligung der Vorhabenträger unterzog. Auf der Grundlage der daraufhin erfolgten Stellungnahmen kam die Bundesnetzagentur zu dem Ergebnis, dass dieser Vorschlag keine ernsthaft in Betracht kommende Alternative darstelle und daher für das weitere Verfahren der Bundesfachplanung abgeschichtet werden könne. Das Land Thüringen wurde hiervon in Kenntnis gesetzt und das Bundesfachplanungsverfahren fortgesetzt. Den daraufhin vom Land Thüringen gestellten Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die Bundesnetzagentur zu verpflichten, den vom Land eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Bundesfachplanungsverfahren sofort weiterzuverfolgen, hat das für das Verfahren erst- und letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht abgelehnt. Der Antrag ist bereits unzulässig, weil er auf die Vornahme einer behördlichen Verfahrenshandlung gerichtet ist. Gegen solche Handlungen können Rechtsbehelfe nur gleichzeitig mit der Sachentscheidung, die noch nicht vorliegt, ergriffen werden (§ 44a VwGO). Der Antrag konnte auch in der Sache keinen Erfolg haben. Aus dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) ergibt sich kein Anspruch darauf, dass ein von einem Land eingebrachter Alternativtrassenvorschlag von der Bundesnetzagentur bis zur Bundesfachplanungsentscheidung geprüft werden muss. Auch ist die Sache nicht eilbedürftig, weil nach dem Vortrag der Bundesnetzagentur derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Vorschlag Thüringens im Bundesfachplanungsverfahren, das voraussichtlich nicht vor Ende 2019 abgeschlossen sein wird, wieder aufgegriffen wird. Über die Hauptsacheklage wird das Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich im 2. Halbjahr 2019 entscheiden. BVerwG 4 VR 1.19 - Beschluss vom 09. Mai 2019","Bundesverwaltungsgericht Beschl. v. 09.05.2019, Az.: BVerwG 4 VR 1.19 Angreifen der Entscheidung der Bundesnetzagentur als Verfahrenshandlung nur zusammen mit der Sachentscheidung hinsichtlich Abschichtung eines von einem Bundesland in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachten Alternativtrassenvorschlags; Berücksichtigung eines abgeschichteten Alternativtrassenvorschlags im Verfahren der Bundesfachplanung i.R.e. Bund-Länder-Streits Amtlicher Leitsatz1.Ein Bund-Länder-Streit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor, wenn ein Bundesland sich dagegen wendet, dass ein von ihm in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachter Alternativtrassenvorschlag von der Bundesnetzagentur abgeschichtet wurde, und erreichen möchte, dass dieser Vorschlag bis zur abschließenden Entscheidung nach § 12 NABEG im Verfahren verbleibt und dort wie die Trassenvorschläge der Vorhabenträger geprüft wird. 2.Die Entscheidung der Bundesnetzagentur, einen von einem Bundesland in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachten Alternativtrassenvorschlag abzuschichten, kann als Verfahrenshandlung gemäß § 44a VwGO nur zusammen mit der Sachentscheidung angegriffen werden. In der Verwaltungsstreitsachehat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtsam 9. Mai 2019durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubelund die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Deckerbeschlossen: Tenor: Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.GründeI1Der Antragsteller, der Freistaat Thüringen, begehrt Eilrechtsschutz im Rahmen des Verfahrens der Bundesfachplanung der Gleichstrom-Erdkabelprojekte Nr. 3 und 4 des Bundesbedarfsplangesetzes (sogenannter SuedLink) in den Abschnitten C (Bad Gandersheim - Gerstungen und Seesen - Gerstungen) und D (Gerstungen - Arnstein und Gerstungen - Grafenrheinfeld).2Die beigeladenen Vorhabenträger beantragten am 17. und am 24. März 2017 die Bundesfachplanung für die Abschnitte C und D des SuedLinks. In der von der Bundesnetzagentur durchgeführten Antragskonferenz brachte der Antragsteller einen eigenen Trassenkorridorvorschlag förmlich in das Verfahren ein. Die Bundesnetzagentur führte daraufhin eine erste Evidenzkontrolle dieses Vorschlags durch, forderte die Vorhabenträger auf, die Alternativtrassenvarianten einer Grobprüfung zu unterziehen und holte ein externes Gutachten der Bietergemeinschaft NABEG zur technischen Machbarkeit des Vorschlags ein. Auf der Grundlage der daraufhin erstatteten Gutachten und abgegebenen Stellungnahmen kam die Bundesnetzagentur in ihrem Prüfvermerk vom 18. Januar 2018 zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag des Antragstellers keine ernsthaft in Betracht kommende Alternative darstelle und daher für das weitere Verfahren der Bundesfachplanung abzuschichten sei. Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 setzte sie den Antragsteller hiervon in Kenntnis und führte das Bundesfachplanungsverfahren fort. Danach haben die Beigeladenen die Unterlagen nach § 8 NABEG vorgelegt und hat die Bundesnetzagentur deren Vollständigkeit festgestellt. Mit dem Abschluss des Verfahrens der Bundesfachplanung für die Abschnitte C und D des SuedLinks wird frühestens für Ende 2019 gerechnet. 3Mit dem am 15. Januar 2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Antragsteller Klage mit dem Ziel erhoben, den von ihm im Rahmen seines Beteiligungsrechts in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachten Alternativtrassenvorschlag, der von der Bundesnetzagentur aus dem Verfahren ausgeschieden worden sei, in das Verfahren zurückzuführen. Gleichzeitig hat er den Erlass einer auf dieses Ziel gerichteten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO beantragt. Für den Eilantrag sei das Bundesverwaltungsgericht zuständig, denn es handle sich um einen Bund-Länder-Streit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Der Antragsteller setze sich zur Wehr gegen einen Eingriff in seine landesplanerische Gestaltungskompetenz, der darin liege, dass die Bundesnetzagentur ihre Kompetenzen durch die unzulässige Abschichtungsentscheidung überschritten habe. Hilfsweise sei das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO zuständig. Da es sich um einen Bund-Länder-Streit handle, läge auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis vor. § 44a VwGO stehe dem Eilantrag nicht entgegen, denn die Norm sei im Bund-Länder-Streit nicht anwendbar. Der Eilantrag sei auch begründet. Die von der Bundesnetzagentur getroffene Abschichtungsentscheidung genüge den zwingenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Sie sei sowohl formell als auch materiell-rechtlich zu beanstanden und verletzte in rechtswidriger Weise die Kompetenzen des Antragstellers. 4Der Antragsgegner und die Beigeladenen halten den Antrag für unzulässig und treten ihm auch in der Sache entgegen. Sie verteidigen die Abschichtung des Alternativtrassenvorschlags des Antragstellers als rechtmäßig.II5Der Antrag hat keinen Erfolg.6A. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zuständig. Das folgt zwar nicht aus § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (dazu unter 1.), jedoch aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (dazu unter 2.). 71. Es liegt kein Bund-Länder-Streit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor. 8Gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern und zwischen verschiedenen Ländern. Eine solche Streitigkeit ist nicht schon dann anzunehmen, wenn sich der Bund und ein Land als Beteiligte gegenüberstehen. Die Sonderregelung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist eng auszulegen und schließt von den sonst geltenden Zuständigkeitsbestimmungen nur diejenigen Verfahren aus, deren Gegenstände durch die Eigenart der Bund-Länder-Beziehung geprägt sind (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1980 - 7 A 2.79 - BVerwGE 60, 162 <173 f.>; Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - 3 A 1.02 - BVerwGE 117, 244 f. und vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 12). Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist demgemäß nur bei Streitigkeiten begründet, die sich in ihrem Gegenstand einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen (BVerwG, Urteile vom 30. Juli 1976 - 4 A 1.75 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6, vom 27. März 1980 - 4 A 1.77 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 4 = juris Rn. 9, vom 24. Januar 2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 18 und vom 25. August 2011 - 3 A 2.10 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 25 Rn. 16; Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <260 f.>weil es nur dann gerechtfertigt ist, sie einem Sonderrecht zu unterwerfen (BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - 3 A 1.02 - BVerwGE 117, 244 = juris Rn. 2). Um Fälle dieser Art handelt es sich namentlich dann, wenn die Abgrenzung von Hoheitsbefugnissen oder die vertragliche Rechtsstellung von Bund und Land im Streit steht (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Juli 2004 - 7 VR 1.04 - NVwZ 2004, 1124 = juris Rn. 5 und vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 12). Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht seine sachliche Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für eine Streitigkeit angenommen, die das Verhältnis zwischen der Ordnungshoheit des Landes und der Verteidigungshoheit des Bundes betraf, nämlich die Frage, ob ein Land bei einer der Verteidigungshoheit zugeordneten baulichen Anlage aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach der Landesbauordnung Änderungen verlangen kann (BVerwG, Urteil vom 30. Juli 1976 - 4 A 1.75 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6). Ebenso hat es seine Zuständigkeit für eine Streitigkeit über die Frage angenommen, ob ein Planfeststellungsbeschluss der Bundeswasserstraßenverwaltung gemäß § 14 Abs. 3 WaStrG des Einvernehmens der zuständigen Landesbehörde bedurfte, weil das Vorhaben Belange der Landeskultur berührte (BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 A 24.01 - NVwZ 2002, 1239 [BVerwG 17.04.2002 - BVerwG 9 A 24/01] <1240>, und für den Fall der Auslegung von Normen, die - wie § 7 Abs. 4 und § 48 WaStrG - Hoheitsbefugnisse des Bundes gegenüber Vollzugsbehörden der Länder abgrenzen (BVerwG, Beschluss vom 19. März 2008 - 7 A 4.07 - NVwZ 2008, 696). 9Ein damit vergleichbarer Fall ist hier nicht gegeben. Der Antragsteller wendet sich gegen die ihm mit Schreiben des Präsidenten der Bundesnetzagentur vom 26. Januar 2018 mitgeteilte Absicht der Behörde, den von ihm eingebrachten Alternativtrassenkorridor im Verfahren der Bundesfachplanung (derzeit) nicht weiter zu berücksichtigen und zu prüfen. Er sieht in dieser Entscheidung einen Eingriff in seine landesplanerische Gestaltungskompetenz, wirft der Bundesnetzagentur vor, hierdurch ihre Kompetenzen überschritten zu haben, und möchte erreichen, dass sein Vorschlag weiter im Verfahren geprüft wird. Streitgegenständlich ist damit, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass sein in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachter Alternativtrassenvorschlag bis zur abschließenden Entscheidung nach § 12 NABEG im Verfahren verbleiben und dort wie die Trassenvorschläge der Vorhabenträger geprüft werden muss. Ein auf ein solches Ziel gerichtetes Verfahren ist nicht durch die Eigenart der Bund-Länder-Beziehung geprägt. Vielmehr wird der Antragsteller nur in seiner Stellung als Beteiligter des Bundesfachplanungsverfahrens betroffen. Der von ihm geltend gemachte Anspruch unterscheidet sich nicht von einem Anspruch, den beispielsweise eine Gemeinde unter Berufung auf ihr Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) oder ein privater Grundstückseigentümer auf sein Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) typischerweise gegen die Trassenführung einer Höchstspannungsleitung ins Feld führt, um zu erreichen, dass das Gemeindegebiet oder das Privatgrundstück nicht von der Leitung in Anspruch genommen wird. Die Frage, ob die Bundesnetzagentur nach den §§ 4 ff. NABEG berechtigt ist, eine Abschichtungsentscheidung zu treffen, und - sollte dies nicht der Fall sein - welche Auswirkungen dies auf die Weiterführung des Verfahrens bzw. die nachfolgende Entscheidung über die Bundesfachplanung hat, hat im Übrigen nichts mit einer Streitigkeit über die Abgrenzung von Hoheitsbefugnissen des Bundes einerseits und des Landes andererseits zu tun. 10Zu Unrecht hält der Antragsteller die Streitigkeit mit dem Argument für einen Bund-Länder-Streit, dass die Bundesnetzagentur auf Landesgebiet zugreife und ihn dazu zwinge, seine gesamte Landesplanung an dem Vorhaben auszurichten. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 NABEG, nach der Bundesfachplanungen grundsätzlich Vorrang vor Landesplanungen haben, wirft nicht die Frage auf, welche Kompetenzen Bund und Ländern im Rahmen der Planung und Realisierung von Höchstspannungsleitungen zustehen, aus welchen Kompetenztiteln sich diese ableiten lassen und wie sie voneinander abzugrenzen sind. 112. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aber aus § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. 12Gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für Vorhaben betreffen, die in dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) bezeichnet sind. Die Höchstspannungsleitungen Brunsbüttel - Großgartach und Wilster - Grafenrheinfeld sind in § 1 Abs. 1 BBPlG vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2543), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1786), i.V.m. der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Bundesbedarfsplans unter Nr. 3 und 4 genannt. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts erstreckt sich auch auf Abschnitte dieser Vorhaben (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 u.a. - BVerwGE 159, 121 Rn. 10 und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - NVwZ 2018, 1322 Rn. 12 ; Beschlüsse vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 9 und vom 12. September 2018 - 4 A 13.17 - UPR 2019, 154 Rn. 3). 13Der vorliegende Rechtsstreit betrifft auch im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO das Planfeststellungsverfahren für diese Vorhaben. Im Hinblick auf den Zweck der Zuständigkeitsregelung in § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, die Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen und divergierende Entscheidungen zu vermeiden, werden von dieser Vorschrift alle Verfahren erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO haben (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 - NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 5 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine Streitigkeit das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgehen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Verfahrens dienen oder einen Ausschnitt der Probleme darstellen, die in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 - 7 VR 1.07 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8, vom 15. Juni 2011 - 7 VR 8.11 - Buchholz 407.3 § 5 VerkplanbeschlG Nr. 20 Rn. 5 und vom 9. Oktober 2012 - 7 VR 10.12 - NVwZ 2013, 78 = juris Rn. 5 m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Gesetzgeber sieht für die unter das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz fallenden Höchstspannungsleitungen ein zweistufiges Verfahren vor. Auf der ersten Stufe erfolgt die sogenannte Bundesfachplanung (§§ 4 ff. NABEG). Sie bezweckt die Bestimmung der Trassenkorridore (§ 4 Satz 1 NABEG) und endet mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur (§ 12 NABEG), die auf der zweiten Stufe für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren nach §§ 18 ff. NABEG verbindlich ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG). Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 NABEG hat sie keine unmittelbare Außenwirkung und kann nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüft werden (§ 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG). Die Bundesfachplanung geht somit der Planfeststellung voraus und nimmt einen Teil des Planfeststellungsverfahrens vorweg (vgl. § 12 Abs. 2 NABEG). Damit ist es gerechtfertigt, nicht nur Verfahren, die sich - gegebenenfalls in unzulässiger Weise - gegen die Bundesfachplanungsentscheidung wenden, sondern auch Verfahren, die sich - wie hier - gegen Maßnahmen im Rahmen der Vorbereitung der Bundesfachplanungsentscheidung richten, der Zuständigkeitsregelung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO zu unterstellen. 14B. Der Antrag ist unzulässig, weil er eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrenshandlung (§ 44a VwGO) betrifft. 15Der Antrag ist in der Form der Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zwar statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage die einschlägige Klageart ist. Ihm steht aber § 44a VwGO entgegen. 16Nach § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1), es sei denn die behördlichen Verfahrenshandlungen können vollstreckt werden oder ergehen gegen einen Nichtbeteiligten (Satz 2); die Regelung gilt auch für Anträge nach § 123 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33 Rn. 10). 17Unter den Begriff der Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a Satz 1 VwGO fallen behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren (vgl. § 9 VwVfG) stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (BVerwG, Urteile vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21, vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19 m.w.N. und vom 20. Oktober 2016 - 2 A 2.14 - BVerwGE 156, 193 Rn. 14; Beschluss vom 14. Juli 2004 - 6 B 30.04 - juris Rn. 7; Stelkens/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 44a Rn. 8; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 44a Rn. 40; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 44a Rn. 3, 5 f.). Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbstständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen (BVerwG, Urteil vom 1. September 2009 - 6 C 4.09 - BVerwGE 134, 368 Rn. 21). Unerheblich für die Einordnung als Verfahrenshandlung ist dabei, welche Rechtsform der vorbereitende Akt hat. Neben Realakten können auch Verwaltungsakte Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO sein (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 6 f.). Ebenso ist davon auszugehen, dass eine Verfahrenshandlung nicht nur eine anfechtbare Handlung ist, die in Rechte des Beteiligten eingreift, sondern auch sogenannte Negativakte, also die behördliche Verweigerung der erstrebten Verfahrenshandlung, von der Norm erfasst werden (BVerwG, Urteile vom 30. Januar 2002 - 9 A 20.01 - BVerwGE 115, 373 <377> und vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19; Beschluss vom 6. April 2006 - 2 VR 2.05 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 33 Rn. 10). 18Der Antragsteller will vorliegend erreichen, dass die Bundesnetzagentur verpflichtet wird, den von ihm eingebrachten Alternativtrassenvorschlag im Bundesfachplanungsverfahren sofort weiterzuverfolgen, d.h. diesen - entgegen der Mitteilung vom 26. Januar 2018 - sofort weiter zu berücksichtigen und sachlich zu prüfen. Sein Begehren ist auf die Vornahme einer Verfahrenshandlung im Rahmen des derzeit laufenden Bundesfachplanungsverfahrens gerichtet und unterfällt damit § 44a Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. September 2005 - 9 VR 21.05 - juris für eine Verfahrenshandlung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens). Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 44a Satz 2 VwGO sind nicht erfüllt. Weder handelt es sich bei der Entscheidung, den Alternativtrassenvorschlag des Antragstellers (derzeit) nicht weiter zu prüfen, um eine vollstreckbare Entscheidung, noch ist der Antragsteller Nichtbeteiligter im Sinne dieser Norm. 19Steht aber bereits § 44a VwGO der Zulässigkeit des Antrages entgegen, kann offen bleiben, ob dasselbe Ergebnis auch aus einem Erst-recht-Schluss zu § 15 Abs. 3 Satz 2 NABEG folgt und ob diese Norm den vom Antragsteller angeführten unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. 20C. Der Antrag ist zudem unbegründet, weil dem Antragsteller weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch zur Seite steht.211. Zur Abwendung wesentlicher Nachteile ist es nicht nötig, der Antragsgegnerin aufzugeben, den abgeschichteten Alternativvorschlag des Antragstellers im Bundesfachplanungsverfahren sofort weiterzuverfolgen.22Die Antragsgegnerin hat - insofern vom Antragsteller unwidersprochen - vorgetragen, dass sich die Bundesnetzagentur in der Entscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 NABEG auch mit dem Alternativvorschlag des Antragstellers auseinandersetzen werde. Sie hat darauf hingewiesen, dass es sich bei der unter dem 26. Januar 2018 mitgeteilten Entscheidung allenfalls um eine (vorläufige) Abschichtungsentscheidung handle. Die Antragsgegnerin sei nach sorgfältiger Prüfung (lediglich) zu dem Ergebnis gekommen, dass der alternative Vorschlag des Antragstellers derzeit nicht als ernsthaft in Betracht kommende Alternative zu qualifizieren sei und somit im Verfahren zunächst nicht weiter berücksichtigt werden müsse. Das führe dazu, dass keine vertieften Unterlagen nach § 8 NABEG für den Vorschlag erstellt werden müssten. Gleichwohl sei es nicht ausgeschlossen, dass die abgeschichtete Alternative wieder als ernsthaft in Betracht kommende Alternative auflebe. So sei es vorstellbar, dass neue Umstände bekannt würden, die dazu führten, die Alternative wieder in das Verfahren einzubeziehen. Hierüber werde jedoch erst im Rahmen der Bundesfachplanungsentscheidung verbindlich entschieden (vgl. Klage- und Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 11. März 2019, S. 38). Da die von den Ländern und den Vorhabenträgern gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 NABEG eingebrachten Trassenvorschläge für die Bundesnetzagentur nicht bindend seien (§ 7 Abs. 3 Satz 2 NABEG), könnten bis zur Entscheidung nach § 12 NABEG Vorschläge und Anträge wieder aufgegriffen oder zurückgestellt werden (a.a.O. S. 46). Mit der Entscheidung vom 26. Januar 2018 würden keine vollendeten Tatsachen geschaffen (a.a.O. S. 70). Durch die Abschichtung seines Alternativvorschlags drohen dem Antragsteller somit keine Nachteile, denen durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung vorgebeugt werden müsste. 232. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass der von ihm in das Verfahren eingebrachte Alternativvorschlag sofort, d.h. in gleicher Weise und mit gleicher Intensität geprüft wird wie die von den Beigeladenen als Vorhabenträgern eingebrachten Trassen.24Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 7 Abs. 3 Satz 1 NABEG. Danach können Länder, auf deren Gebiet ein Trassenkorridor voraussichtlich verlaufen wird, Vorschläge zu einem alternativen Trassenverlauf im Sinne von § 6 Satz 6 Nr. 1 NABEG machen. Die Bundesnetzagentur ist zudem verpflichtet, etwaige ernsthaft in Betracht kommende Alternativen von Trassenkorridoren zu prüfen (§ 5 Abs. 1 Satz 4 NABEG), ist dabei aber weder an den Antrag des Vorhabenträgers noch an die Vorschläge der Länder gebunden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 NABEG). Hieraus folgt, dass sich die Bundesnetzagentur mit einem von einem Land oder einem Vorhabenträger in das Verfahren der Bundesfachplanung eingebrachten Alternativvorschlag inhaltlich auseinanderzusetzen hat, sie aber einen solchen Vorschlag keiner vertieften Prüfung unterziehen muss, wenn sie im Rahmen einer Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um keine ernsthaft in Betracht kommende Alternative handelt. Aus der Konzeption des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz, wie sie insbesondere in § 7 Abs. 3 Satz 2 und § 5 Abs. 1 Satz 4 NABEG zum Ausdruck kommt, ergibt sich nicht, dass die Bundesnetzagentur jeden von einem Land oder einem Vorhabenträger in das Verfahren eingebrachten Trassenvorschlag mit gleicher Intensität bis zur Bundesfachplanungsentscheidung prüfen müsste. 25Soweit sich der Antragsteller zur Stützung seiner Auffassung (auch) auf das Raumordnungsgesetz und die Landesgesetzgebung beruft, sind seine Ausführungen unsubstantiiert. Es ist insbesondere nicht dargelegt, inwiefern sich aus den - zudem nicht näher bezeichneten - Regelungen ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Berücksichtigung und Prüfung eines von dem Antragsteller eingebrachten Alternativtrassenvorschlags bis zum Ergehen der Bundesfachplanungsentscheidung ergeben soll.26D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Prof. Dr. RubelDr. GatzDr. DeckerHinweis:Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet." bverwg_2019-4,15.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 4/2019 vom 15.01.2019 EN Unwirksamkeit einer asylrechtlichen Unzulässigkeitsentscheidung nach stattgebendem gerichtlichem Eilbeschluss Lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - einen Asylantrag als unzulässig ab, weil dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der EU internationaler Schutz gewährt worden ist, wird diese Entscheidung mit einer stattgebenden Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängig von den Gründen der Stattgabe kraft Gesetzes unwirksam. Das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat, vom Bundesamt fortzuführen; dabei ist auch eine neuerliche Unzulässigkeitsentscheidung nicht ausgeschlossen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, erhielt im Oktober 2015 in Griechenland Flüchtlingsschutz. Anfang 2017 stellte er in Deutschland erneut einen Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt wegen der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der EU als unzulässig ab (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Griechenland an. Das Verwaltungsgericht gab einem Eilantrag des Klägers statt. In der Hauptsache stellte es sodann fest, dass die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung infolge des stattgebenden Eilbeschlusses nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam geworden sind. Die dagegen gerichtete Sprungrevision der Beklagten hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Die an eine stattgebende Eilentscheidung anknüpfende gesetzliche Unwirksamkeitsfolge des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt ausdrücklich auch für Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn das Verwaltungsgericht im Eilverfahren ernstliche Zweifel nicht an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung selbst, sondern nur an der Abschiebungsandrohung angenommen hat. Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass es sich bei der mit dem Integrationsgesetz 2016 angeordneten umfassenden Erstreckung der - vormals auf unbeachtliche Asylanträge beschränkten - Unwirksamkeitsfolge nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG lediglich um ein redaktionelles Versehen handelt. Der Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 AsylG kann auch nicht seinem Zweck nach (teleologisch) begrenzt werden, weil weder die ausdrückliche Einbeziehung von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG noch der Umstand, dass sich die Rechtswirkungen des § 37 Abs. 1 AsylG unabhängig von den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben hat, stets auch auf die Unzulässigkeitsentscheidung erstrecken, der inneren Teleologie (Zielsetzung) der Regelung widersprechen. Die Regelungen der §§ 35 ff. AsylG dienen der beschleunigten Aufenthaltsbeendigung bei anderweitiger Verfolgungssicherheit. Gibt das Verwaltungsgericht einem Eilantrag wegen ernstlicher Zweifel statt, steht dies einer zeitnahen Abschiebung regelmäßig entgegen. In diesem Fall soll nicht der Ausgang des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens abgewartet werden, sondern ist das Bundesamt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet. Dabei muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten ernstlichen Zweifeln auseinandersetzen, ist aber an dessen Bewertung nicht gebunden. Liegen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG weiterhin vor, ist erneut eine Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Die Entscheidungsinstrumente, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, ermöglichen dem Bundesamt für diese Konstellation, eine „Endlosschleife“ im Verfahren zu vermeiden. So kann es eine rechtsgrundsätzliche Klärung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren dadurch herbeiführen, dass es entweder ausnahmsweise vom Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 2 AsylG bis zu einer endgültigen gerichtlichen Überprüfung seiner erneuten Unzulässigkeitsentscheidung in einem Hauptsacheverfahren absieht oder eine Abschiebungsandrohung erlässt, deren Vollzug aber bis zu einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nach § 80 Abs. 4 VwGO aussetzt. Objektiv nicht im Einklang mit dem Asylgesetz steht indes die Praxis des Bundesamtes, bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG die Abschiebungsandrohung mit einer bei Klageerhebung erst nach Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden. BVerwG 1 C 15.18 - Urteil vom 15. Januar 2019 Vorinstanz: VG Gießen, 2 K 5228/17.GI.A - Urteil vom 15. Januar 2018 -","Urteil vom 15.01.2019 - BVerwG 1 C 15.18ECLI:DE:BVerwG:2019:150119U1C15.18.0 EN Unwirksamkeit einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung nach stattgebendem Eilbeschluss Leitsätze: 1. Lehnt das Bundesamt einen Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ab, weil dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der EU internationaler Schutz gewährt worden ist, und droht es ihm zugleich die Abschiebung an, werden beide Entscheidungen nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG mit einer die aufschiebende Wirkung der Abschiebungsandrohung anordnenden Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängig von den Gründen der Stattgabe kraft Gesetzes unwirksam. 2. In diesen Fällen ist das Asylverfahren nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführen. Bei dieser Fortführung muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten ernstlichen Zweifeln auseinandersetzen, ist aber an dessen Bewertung nicht gebunden. Liegen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - einschließlich etwaiger sich aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts ergebender Vorgaben - weiterhin vor, muss es erneut eine Unzulässigkeitsentscheidung treffen. 3. Eine ""Endlosschleife"" im Verfahren kann das Bundesamt in dieser Konstellation mit den Entscheidungsinstrumenten, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, vermeiden. Insbesondere kann es eine rechtsgrundsätzliche Klärung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren dadurch herbeiführen, dass es entweder ausnahmsweise vom Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 2 AsylG bis zu einer endgültigen gerichtlichen Überprüfung seiner erneuten Unzulässigkeitsentscheidung in einem Hauptsacheverfahren absieht oder eine Abschiebungsandrohung erlässt, deren Vollzug aber bis zu einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nach § 80 Abs. 4 VwGO aussetzt. 4. Mit dem Asylgesetz objektiv nicht im Einklang steht die Praxis des Bundesamts, bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung die Abschiebungsandrohung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG mit einer bei Klageerhebung erst nach der Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden. Rechtsquellen GG Art. 20 Abs. 2 und 3 AsylG § 29 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Satz 1, §§ 35, 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und 3 AufenthG § 60 Abs. 1, 2, und 10 EMRK Art. 3 VwGO § 80 Abs. 4 und 5 GRC Art. 4 Richtlinie 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, Art. 46 Instanzenzug VG Gießen - 15.01.2018 - AZ: VG 2 K 5228/17.GI.A Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.01.2019 - 1 C 15.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:150119U1C15.18.0] Urteil BVerwG 1 C 15.18 VG Gießen - 15.01.2018 - AZ: VG 2 K 5228/17.GI.A In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 15. Januar 2018 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die sich aus § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ergebenden Rechtsfolgen eines stattgebenden gerichtlichen Eilbeschlusses. 2 Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, erhielt im Oktober 2015 in Griechenland Flüchtlingsschutz. Anfang 2017 stellte er in Deutschland erneut einen Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - mit Bescheid vom 21. Juni 2017 als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Zugleich drohte es dem Kläger die Abschiebung nach Griechenland an verbunden mit der Feststellung, dass er nicht nach Syrien abgeschoben werden darf (Ziffer 3), und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, weil dem Kläger bereits in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Dort drohe ihm auch keine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung. 3 Hiergegen erhob der Kläger Klage und begehrte vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO. Mit Beschluss vom 17. Juli 2017 gab das Verwaltungsgericht dem Eilantrag statt und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung an. Zur Begründung führte es aus, dass das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden könne. 4 Mit Urteil vom 15. Januar 2018 stellte das Verwaltungsgericht antragsgemäß fest, dass die Regelungen in Ziffern 1 und 3 des Bescheids des Bundesamts unwirksam geworden sind, und hob den Bescheid im Übrigen auf. Die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung seien mit der stattgebenden Entscheidung im Eilverfahren unwirksam geworden, ohne dass es darauf ankomme, aus welchen Gründen dem Eilantrag stattgegeben worden sei. Einer teleologischen Reduktion des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf Fälle, in denen auch die Unzulässigkeitsentscheidung durchgreifenden rechtlichen Zweifeln begegne, widerspreche die Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 3 AsylG. Die gleichzeitige Anordnung der Fortführung des Asylverfahrens berühre zwar nicht die Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG; das Bundesamt könne aber im Übrigen zu einer abweichenden Beurteilung kommen. Mit der Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung entfielen die Voraussetzungen für die Entscheidung des Bundesamts zum nationalen Abschiebungsschutz und zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. 5 Die Beklagte rügt mit der Sprungrevision insbesondere eine Verletzung des § 37 Abs. 1 AsylG und des § 60 Abs. 1 und 2 AufenthG. Gegen eine uneingeschränkte Anwendung des § 37 Abs. 1 AsylG spreche, dass eine Fortsetzung des Verfahrens nicht sinnvoll sei und dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung und -konzentration widerspreche, wenn hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG keine andere Entscheidung ergehen könne. Auch nach § 60 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG scheide bei anderweitiger Schutzgewähr eine Sachprüfung aus. Die Vorgängerregelung in § 37 AsylG a.F. habe nur unbeachtliche Asylanträge erfasst. Bei der Neufassung des § 37 AsylG handele es sich um eine Folgeänderung zur Abschaffung dieser Kategorie. Asylanträge nach Zuerkennung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat seien nie unbeachtlich gewesen, da die Mitgliedstaaten keine ""sonstigen"" Drittstaaten seien. Angesichts der auch in diesen Fällen bestehenden Verfolgungssicherheit habe es nahe gelegen, die Unzulässigkeitsfälle des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in die Neufassung des § 35 AsylG aufzunehmen. Bei der überschießenden Fortführung der Verweisungskette in § 37 AsylG handele es sich hingegen um ein redaktionelles Versehen, dem durch teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs zu begegnen sei. Dem stehe weder die Ausnahmeregelung des § 37 Abs. 3 AsylG noch die Möglichkeit entgegen, dass bei einer erneuten Verbescheidung jedenfalls zum nationalen Abschiebungsschutz, der Abschiebungsandrohung und der Einreise- und Aufenthaltssperre eine andere Entscheidung ergehen könnte. Das Abstellen auf den Ausgang des Eilverfahrens sei systematisch für unbeachtliche Asylanträge entwickelt worden. Hier sei die Fortführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 2 AsylG a.F. vorgegeben gewesen, wenn - aus welchen Gründen auch immer - eine Rückführung nicht innerhalb von drei Monaten möglich gewesen sei. Die nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, § 60 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG dauerhaft gebotene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sei damit nicht vergleichbar. Die Entscheidung, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe, hätte schon deshalb nicht aufgehoben werden dürfen, weil sie den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. 6 Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Eine teleologische Reduktion sei nicht möglich. Mit der Verpflichtung zur Fortführung des Verfahrens müsse das Bundesamt eine inhaltliche Entscheidung treffen und dürfe den Asylantrag nicht erneut als unzulässig ablehnen. Die Beseitigung von Unklarheiten bei der Anwendung des § 37 Abs. 1 AsylG obliege allein dem Gesetzgeber. II 7 Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2017 unwirksam geworden sind (1.). Auch die Aufhebung der Entscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz und zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht zu beanstanden (2.). Soweit das Bundesamt zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach Griechenland festgestellt hat, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf, war diese - den Kläger ausschließlich begünstigende - Feststellung bei sachdienlicher Auslegung von seinem Klagebegehren nie umfasst. Folgerichtig hat das Verwaltungsgericht hierzu keine Entscheidung getroffen. 8 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 , zuletzt geändert durch das während des Revisionsverfahrens am 12. Dezember 2018 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 ) - AsylG -. Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 12). Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts allerdings nicht geändert. 9 1. Die Klage ist hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts (Ziffern 1 und 3) mit dem vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht zuletzt gestellten Feststellungsantrag zulässig und begründet. 10 Nach § 37 Abs. 1 AsylG werden die Entscheidung des Bundesamts über die Unzulässigkeit des Antrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht (Satz 1); das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen (Satz 2). Diese Vorschrift regelt die besonderen gesetzlichen Wirkungen eines erfolgreichen Eilantrags gegen eine Abschiebungsandrohung im Falle eines vom Bundesamt nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat) oder nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG (Aufnahmebereitschaft eines sonstigen Drittstaats, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher war) als unzulässig abgelehnten Asylantrags. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG vorliegen (a). Dies führt zur Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 21. Juni 2017 (b). Weder handelt es sich bei der ausdrücklichen Einbeziehung von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG um ein Redaktionsversehen (aa) noch lassen sich der Anwendungsbereich oder die Wirkungen des § 37 Abs. 1 AsylG bei Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Wege einer teleologischen Reduktion beschränken (bb). Damit ist das Asylverfahren vom Bundesamt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG fortzuführen (c). 11 a) Vorliegend hat das Bundesamt den Asylantrag wegen Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat (Griechenland) nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt und dem Kläger die Abschiebung in diesen Mitgliedstaat angedroht. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, dem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Juli 2017 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet hat. 12 b) Die in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Unwirksamkeit geht über die allgemeinen Wirkungen eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO hinaus. Während Beschlüsse, mit denen einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben wird, in aller Regel nur die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes hemmen, führt der Erfolg eines Eilantrags in den von § 37 Abs. 1 AsylG erfassten Fällen kraft Gesetzes allein auf der Grundlage einer vorläufigen, am Maßstab der ernstlichen Zweifel (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG) auszurichtenden gerichtlichen Überprüfung zur (endgültigen) Unwirksamkeit sowohl der Unzulässigkeitsentscheidung als auch der Abschiebungsandrohung. Damit erübrigt sich die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens, ohne dass es zu einer abschließenden - den Bindungswirkungen des § 121 VwGO unterliegenden - gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit dieser beiden Entscheidungen kommt. Dabei differenziert § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht danach, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anordnet und ob das Verwaltungsgericht den in § 36 Abs. 4 AsylG vorgegebenen Maßstab zutreffend angewendet hat. 13 aa) Die ausdrückliche Einbeziehung von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beruht nicht auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Hiervon ist auszugehen, wenn der Gesetzeswortlaut in der Ausgestaltung und Formulierung aufgrund einer fehlerhaften oder missverständlichen redaktionellen oder technischen Umsetzung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. 14 Für die von der Beklagten behauptete irrtümlich überschießende Umsetzung der Verweisungskette in § 37 Abs. 1 AsylG auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Sinne eines bloßen Redaktionsversehens finden sich in den Gesetzesmaterialien keine Anknüpfungspunkte. Mit dem Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) hat der Gesetzgeber die frühere Kategorie der unbeachtlichen Asylanträge abgeschafft. Seitdem können Asylanträge nur noch - wie im Unionsrecht vorgesehen - als unzulässig oder (offensichtlich) unbegründet abgelehnt werden. Zugleich wurden in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Mit der begrifflichen Änderung in § 29 AsylG von der Unbeachtlichkeit eines Asylantrags zu dessen Unzulässigkeit bedurften auch die Vorschriften über die Behandlung unbeachtlicher Asylanträge der Überarbeitung. Dabei war dem Gesetzgeber bekannt, dass beide Begriffe nicht deckungsgleich sind, sondern die frühere Unbeachtlichkeit nur einen Unterfall der jetzigen Unzulässigkeit darstellt; dies folgt aus dem Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass zu den möglichen Gründen einer Unzulässigkeit nunmehr ""auch"" die Gründe zählen, aus denen ein Asylantrag bisher als unbeachtlich betrachtet wurde (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Die nicht näher begründeten ""Folgeänderungen"" in den §§ 35 ff. AsylG anlässlich ""der Abschaffung der Behandlung von Asylanträgen als unbeachtlich und der daraus resultierenden Änderung des § 29 AsylG"" (BT-Drs. 18/8615 S. 52) hat der Gesetzgeber nicht auf alle unzulässigen Asylanträge, sondern nur auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG erstreckt. Dies stellt in Bezug auf Unzulässigkeitsentscheidungen wegen Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat eine Erweiterung des bisherigen Anwendungsbereichs dar. Den Gesetzesmaterialien ist diese Erweiterung als gewollt zu entnehmen, auch wenn nicht ausgeführt wird, warum der Gesetzgeber die zuvor auf unbeachtliche Asylanträge beschränkten Regelungen um diese Fallgruppe erweitert hat. In den Gesetzesmaterialien finden sich aber auch keine Hinweise, dass die mit der Änderung (u.a.) des § 37 Abs. 1 AsylG verbundene Erweiterung nicht gewollt war. Damit kann über die Motive des Gesetzgebers nur spekuliert werden. Gegen ein bloßes Redaktionsversehen spricht zudem, dass dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen unzulässigen und unbeachtlichen Asylanträgen bekannt war, er auch an anderen Stellen jeweils deutlich zum Ausdruck gebracht hat, in welchem Umfang einzelne Unzulässigkeitstatbestände einer Sonderregelung unterliegen (vgl. z.B. § 30a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a, § 31 Abs. 4 und 6 und § 34a Abs. 1 AsylG), und den Gesetzesmaterialien nichts für die von der Beklagten aufgestellte Behauptung zu entnehmen ist, dass die Erweiterung der Regelung in § 37 Abs. 1 AsylG auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG lediglich auf einer irrtümlich überschießenden Umsetzung der Verweisungskette beruht. 15 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Unbeachtlichkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG a.F. ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer tatsächlichen Rückführungsmöglichkeit stand ([...] wenn offensichtlich ist, dass [...] die Rückführung [...] möglich ist) und das Asylverfahren nach § 29 Abs. 2 AsylG a.F. fortzuführen war, wenn eine Rückführung in den sonstigen (sicheren) Drittstaat innerhalb von drei Monaten nicht möglich war, während ein Asylantrag bei Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - vorbehaltlich etwaiger vom EuGH zu klärender und über den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachtender Einschränkungen insbesondere bei dort gegen Art. 3 EMRK/Art. 4 GRC verstoßenden Lebensbedingungen für Schutzberechtigte (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 - BVerwGE 158, 271, vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 91 und vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - ZAR 2018, 178; s.a. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 25. Juli 2018 - C-297/17 - Rn. 108 ff., 120) - unabhängig davon unzulässig ist. Auf diesen Unterschied wird in den Gesetzesmaterialien zum Integrationsgesetz mit keinem Wort eingegangen. Stattdessen stellt der Gesetzgeber auch bei dem an die Stelle unbeachtlicher Asylanträge getretenen Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 27 AsylG wegen anderweitiger Sicherheit in einem sonstigen Drittstaat tatbestandlich nur (noch) auf dessen Aufnahmebereitschaft ab. Diese ist bei Mitgliedstaaten, die einem Ausländer internationalen Schutz gewährt haben, auf der Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems typischerweise zu unterstellen. 16 Dass dem Gesetzgeber möglicherweise die rechtlichen Folgen der Gesetzesänderung nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang bewusst waren, er sich also inhaltlich über die Reichweite der Neuregelung geirrt hat, weil er nicht erkannt hat, dass § 37 Abs. 1 AsylG mit der Erstreckung auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - vorbehaltlich etwaiger einschränkender unionsrechtlicher Vorgaben - nunmehr auch Fälle erfasst, in denen er eine Schutzgewährung eigentlich zwingend ausschließen wollte, genügt für die Annahme eines Redaktionsversehens nicht. Insoweit kann nur der Gesetzgeber die vom Bundesamt erstrebte Einschränkung vornehmen. Eine derartige ""Korrektur"" ist - trotz zahlreicher verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, die angesichts des eindeutigen Wortlauts von der uneingeschränkten Anwendung des § 37 Abs. 1 AsylG auch bei Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ausgehen - bislang nicht erfolgt. 17 bb) § 37 Abs. 1 AsylG kann auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass im vorliegenden Verfahren zumindest die Unzulässigkeitsentscheidung nicht unwirksam geworden ist. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Die Gerichte sind kraft der Bindungswirkung einschlägig gültiger Normen zu deren Anwendung verpflichtet und dürfen sich über diese Gesetzesbindung nicht hinwegsetzen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) schließt es aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 Rn. 44 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - NJW-RR 2016, 1366 Rn. 36, jeweils m.w.N.). Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306> und Kammerbeschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 Rn. 46). Der Befugnis zur ""schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung"" sind allerdings mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - NJW-RR 2016, 1366 Rn. 37 m.w.N.). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu füllen. Dabei verletzt ein Richter seine Bindung an ""Gesetz und Recht"" nicht zwangsläufig durch eine Auslegung, die nicht im Wortlaut des Gesetzes vorgegeben ist. Denn die Verfassung schreibt keine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation vor: Vielmehr zählt zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung auch die teleologische Reduktion (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - NJW-RR 2016, 1366 Rn. 50). Richterliche Rechtsfortbildung darf aber nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt. Sie ist u.a. zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass eine gesetzliche Vorschrift nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 5 C 28.12 - Buchholz 436.45 § 1 UVG Nr. 5 Rn. 9). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift hingegen unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <210>, Kammerbeschlüsse vom 3. März 2015 - 1 BvR 3226/14 - NZS 2015, 502 Rn. 18 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15 - NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39). Die Gerichte überschreiten die zulässigen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändern oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schaffen (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306>). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen sie diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 18.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 5 Rn. 22; Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 83.16 - juris Rn. 8 ff.). 18 Nach diesen Maßstäben scheidet eine teleologische Reduktion des § 37 Abs. 1 AsylG aus. Die Eigenart der teleologischen Reduktion besteht - als Gegenstück zur Analogie - darin, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230 <2231>). Bei einer derart planwidrigen Gesetzeslücke ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege teleologischer Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 C 10.11 - BVerwGE 142, 10 Rn. 15). Weder die ausdrückliche Einbeziehung von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 AsylG noch der Umstand, dass die damit kraft Gesetzes verbundenen Wirkungen unabhängig von den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben hat, stets auch die Unzulässigkeitsentscheidung erfassen, widersprechen der inneren Teleologie (Zielsetzung) der Regelung. Der Entstehungsgeschichte der Norm ist kein vom klaren und eindeutigen Wortlaut der Norm (1) abweichender Wille des Gesetzgebers (2) zu entnehmen. Auch erfordern weder systematische Gründe (3) noch Sinn und Zweck (4) eine dem Wortlaut zuwiderlaufende einschränkende Auslegung. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1988 - 9 C 2.88 - erging zu einer anderen Rechtslage (5). Einer Vorlage an den EuGH oder zumindest eines Abwartens auf eine Entscheidung in den beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren bedarf es nicht (6). 19 (1) Der Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist klar und eindeutig und lässt keine Einschränkung erkennen. Danach werden die Entscheidung des Bundesamts über die Unzulässigkeit eines Antrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Damit erstreckt sich die Unwirksamkeit ausdrücklich auch auf die einer Abschiebungsandrohung vorausgehende Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und ist für die Unwirksamkeitsfolge allein maßgebend, dass das Verwaltungsgericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen hat, ohne dass es darauf ankommt, aus welchen Gründen dies geschehen ist, also ob das Gericht ernstliche Zweifel auch hinsichtlich der Unzulässigkeit des Asylantrags oder nur am Vorliegen einer der sonstigen Voraussetzungen der Abschiebungsandrohung hat. 20 (2) Für einen planwidrig zu weit gefassten Gesetzeswortlaut ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte. Insoweit kann zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Redaktionsversehens verwiesen werden. Die Änderung des § 37 Abs. 1 AsylG erfolgte ohne weitergehende Begründung oder sonstige Hinweise auf mögliche Motive des Gesetzgebers als ""Folgeänderung"" anlässlich der Abschaffung der Behandlung von Anträgen als unbeachtlich und der daraus resultierenden Änderung des § 29 AsylG. Schon die für unbeachtliche Asylanträge geltende Vorgängerregelung in § 37 Abs. 1 AsylG a.F. differenzierte nicht nach den Gründen für den Erfolg eines Eilantrags. Dementsprechend war vor der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der Literatur anerkannt, dass die Rechtsfolgen (Unwirksamkeit der Unbeachtlichkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung) hiervon losgelöst eintraten (Broscheit, ZAR 2017, 447 <449 m.w.N. unter Fn. 11>). Wenn der Gesetzgeber im Wissen um die bisherige Auslegung der Norm insoweit eine Differenzierung gewollt hätte, hätte nahe gelegen, dies ausdrücklich zu regeln. Stattdessen hat er ohne weitere Begründung den Anwendungsbereich auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erweitert. 21 (3) Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs oder der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf Eilbeschlüsse, die zu dem Ergebnis kommen, dass nicht nur die Abschiebungsandrohung, sondern schon die Unzulässigkeitsentscheidung ernstlichen Zweifeln begegnet, widerspräche zudem der inneren Systematik des § 37 AsylG. 22 Dass sich die Unwirksamkeit unabhängig von den stattgebenden Gründen stets auch auf die Unzulässigkeitsentscheidung erstreckt, zeigt die Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Asylverfahren vom Bundesamt ""fortzuführen"" ist. Kern des Verwaltungsverfahrens, das durch einen Asylantrag eingeleitet wird, ist neben dem Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter das Begehren auf Zuerkennung von internationalem Schutz (§ 13 Abs. 2 AsylG; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2016 - 1 C 23.15 - Buchholz 402.242 § 10 AufenthG Nr. 6 Rn. 17). Eine ""Fortführung"" des Asylverfahrens durch das Bundesamt setzt damit begrifflich voraus, dass das behördliche Verfahren nicht bereits durch eine das Begehren des Antragstellers ablehnende Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts abgeschlossen ist. Das spricht gegen die Annahme, dass die Unzulässigkeitsentscheidung in bestimmten Fällen von der Unwirksamkeitsfolge ausgeschlossen sein könnte. 23 Dies bestätigt auch die Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 3 AsylG. Danach finden § 37 Abs. 1 und 2 AsylG keine Anwendung, wenn aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Abschiebung in einen der in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staaten vollziehbar wird. Diese Sonderregelung knüpft an § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG an, wonach eine Abschiebungsandrohung lediglich teilrechtswidrig ist, wenn dem Ausländer entgegen § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die Abschiebung in einen Staat angedroht worden ist, für den ein Abschiebungsverbot besteht. § 37 Abs. 3 AsylG regelt folglich den Fall, dass in einer Abschiebungsandrohung mehrere Zielstaaten benannt sind, das Gericht dem Eilrechtsschutzantrag jedoch nur teilweise stattgibt, weil es im Hinblick auf mindestens einen der in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaaten keine ernstlichen Zweifel an der Zulässigkeit der Abschiebung in diesen Staat hat. Ordnet das Verwaltungsgericht in diesem Sinne die aufschiebende Wirkung nur hinsichtlich eines oder eines Teils von mehreren Zielstaaten an und lehnt es den Antrag im Übrigen - d.h. im Hinblick auf mindestens einen der in der Abschiebungsandrohung genannten Zielstaaten - ab, treten nach § 37 Abs. 3 AsylG die Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 und 2 AsylG nicht ein. Allerdings darf die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde den Aufenthalt nur in einen Zielstaat beenden, für den das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Abschiebung nicht für ernstlich zweifelhaft hält. Damit hat der Gesetzgeber die gesetzlichen Folgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG ausdrücklich für jene Fälle ausgeschlossen, in denen das Gericht nicht hinsichtlich aller in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaaten ein Abschiebungsverbot angenommen hat. Die Regelung dieser Ausnahme setzt voraus, dass ansonsten die Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG auch dann Anwendung finden, wenn dem Eilrechtsschutzantrag nur wegen eines Abschiebungsverbots stattgegeben worden ist. Bei einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs oder der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG auf Fälle, in denen auch hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung ernstliche Zweifel bestehen, verbliebe für die ausdrückliche Rückausnahme des § 37 Abs. 3 AsylG zudem kein sinnvoller Anwendungsbereich. 24 Dem steht nicht entgegen, dass einem Ausländer in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG nach § 35 AsylG die Abschiebung in den Staat anzudrohen ist, in dem er vor Verfolgung sicher war. Die Zielstaatsbestimmung stellt grundsätzlich einen von der Abschiebungsandrohung im Übrigen abtrennbaren Teil dar. Auch wenn bei einer auf § 35 AsylG gestützten Abschiebungsandrohung der Ausländer nur in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem er vor Verfolgung sicher war, können hierfür mehrere Zielstaaten - innerhalb wie außerhalb der EU - in Betracht kommen. 25 Unerheblich ist, dass es sich bei § 37 Abs. 3 AsylG nicht um eine im Kontext mit der Neukonzeption der Unzulässigkeitstatbestände aufgenommene Bestimmung handelt. Da - nach den vorstehenden Ausführungen - nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 37 Abs. 1 AsylG um ein bloßes Redaktionsversehen handelt, ist bei der (systematischen) Auslegung die Regelung in § 37 Abs. 3 AsylG miteinzubeziehen. 26 (4) Auch Sinn und Zweck des Asylgesetzes und speziell der Regelung in § 37 Abs. 1 AsylG gebieten keine vom Wortlaut der Norm abweichende einschränkende Auslegung. Der Gesetzgeber hat dem Bundesamt im Asylverfahren eine umfassende Entscheidungskompetenz eingeräumt. Dies bestätigt die Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, die im Falle einer stattgebenden Eilentscheidung neben der Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung anordnet, dass das Asylverfahren durch das Bundesamt fortzuführen ist. Die Sonderregelungen in den §§ 35 ff. AsylG zur Aufenthaltsbeendigung bei nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG unzulässigen Asylanträgen sollen bei anderweitiger Verfolgungssicherheit eine schnelle Aufenthaltsbeendigung ermöglichen. Diesen Normzweck bestätigt auch die Regelung in § 37 Abs. 3 AsylG, wonach Absatz 1 nicht greift, wenn aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Abschiebung nur in einen von mehreren in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staaten nicht vollziehbar wird. Gibt das Verwaltungsgericht bei Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG einem Eilantrag gegen die gleichzeitig ergangene Abschiebungsandrohung wegen ernstlicher Zweifel statt, steht dies einer zeitnahen Abschiebung regelmäßig entgegen. In diesen Fällen soll - zur Straffung des gerichtlichen Verfahrens - nicht der Ausgang des Hauptsacheverfahrens abgewartet werden, sondern das Asylverfahren unter Vorwegnahme der kassatorischen Wirkung einer stattgebenden Hauptsacheentscheidung vom Bundesamt fortgeführt werden. 27 Bei einer teleologischen Reduktion würde diese durch Straffung des gerichtlichen Verfahrens bezweckte Verfahrensbeschleunigung weitgehend verpuffen. Zur Vermeidung einer - im Asylrecht nach dem Gedanken der Verfahrenskonzentration grundsätzlich unerwünschten - Verfahrensaufspaltung würde das Bundesamt bei einer - unterstellt - weiterhin wirksamen Unzulässigkeitsentscheidung regelmäßig zunächst den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten, bevor es - unter Berücksichtigung der vom Gericht im Eilverfahren geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung - den erneuten Erlass einer Abschiebungsandrohung erwägen würde. Denn das weitere Vorgehen hinge in diesem Fall (auch) vom Fortbestand der Unzulässigkeitsentscheidung ab, über deren Rechtmäßigkeit das Gericht erst im Hauptsacheverfahren abschließend entschiede. Ein Abwarten würde sich erst recht - mit Blick auf etwaige der Klärung durch den EuGH unterliegende unionsrechtliche Einschränkungen bei der Auslegung und Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - in Fällen aufdrängen, in denen das Gericht - wie hier - die Erfolgsaussichten der Klage wegen eines möglichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausdrücklich als offen bewertet und auf das Erfordernis einer abschließenden Klärung in einem Hauptsacheverfahren verweist. 28 (5) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 1988 - 9 C 2.88 - (BVerwGE 80, 313) zur Auslegung des § 10 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG 1982 erging zu einer gänzlich anderen Rechtslage. Aus ihr lassen sich angesichts der vielfältigen zwischenzeitlichen Rechtsänderungen, die sowohl den Wegfall der früheren Kompetenzaufteilung zwischen der Ausländerbehörde und dem Bundesamt als auch die zwischenzeitliche Einführung eines Katalogs von Unzulässigkeitsgründen unter Aufgabe der früher allein maßgeblichen Kategorie der Unbeachtlichkeit eines Asylantrags betreffen, keine verlässlichen Rückschlüsse für die Auslegung des § 37 Abs. 1 AsylG ziehen. 29 (6) Die beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung der unionsrechtlichen Vorgaben für ein Gebrauchmachen von der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes eingeräumten Möglichkeit zur Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig wegen Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 - BVerwGE 158, 271, vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 91 und vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - ZAR 2018, 178) stehen einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Denn es geht hier nicht um etwaige sich aus dem Unionsrecht ergebende Einschränkungen bei der Anwendung des auf die Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU gestützten Unzulässigkeitsgrundes des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (vgl. hierzu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in den verbundenen Rechtssachen - C-297/17 u.a. - vom 25. Juli 2018), sondern um die Auslegung und Anwendung der in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordneten Unwirksamkeitsfolge einer stattgebenden Entscheidung in einem Eilverfahren. Hierbei handelt es sich um eine prozessuale Besonderheit im nationalen Recht, die nicht auf einer unionsrechtlichen Vorgabe beruht. Insbesondere fordert das Unionsrecht bei der Frage, ob ein Asylantrag wegen der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat unzulässig ist, nicht den Verzicht auf eine endgültige Klärung in einem Hauptsacheverfahren nach einer positiven Entscheidung in einem Eilverfahren. Dies schließt es aber nicht aus, dass sich aus einer Klärung der dem EuGH vorgelegten Fragen möglicherweise neue unionsrechtliche Anstöße hinsichtlich der hier nicht streitgegenständlichen (weiteren) Rechtsfolge in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG (Fortführung des Asylverfahrens durch das Bundesamt) zur Vermeidung einer unerwünschten ""Endlosschleife"" ergeben. 30 Bei dieser Sachlage liegt die Annahme eines planwidrig zu weit gefassten Wortlauts des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG eher fern. Dass dem Gesetzgeber möglicherweise die Tragweite seiner ""Folgeänderung"" nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang bewusst war, er sich also inhaltlich über die Tragweite seiner Entscheidung geirrt hat, weil er nicht erkannt hat, dass § 37 Abs. 1 AsylG mit der Erstreckung auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch Fälle erfasst, in denen er die Gewährung von Flüchtlingsschutz auf der Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems eigentlich ausschließen wollte, reicht für eine an die Begründung des stattgebenden Eilbeschlusses anknüpfende teleologische Reduktion nicht aus. Auch in Fällen, in denen eine Fortführung des Asylverfahrens nicht sinnvoll ist, weil hierbei - vorbehaltlich etwaiger einschränkender unionsrechtlicher Vorgaben - keine andere (Asyl-)Entscheidung zu erwarten ist, obliegt eine Korrektur der Norm allein dem Gesetzgeber. 31 c) Hinsichtlich der weiteren Behandlung des Asylantrags weist der Senat daraufhin, dass das Asylverfahren nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG vom Bundesamt in dem Stadium, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat, fortzuführen ist. Dabei muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren angedeuteten Zweifeln auseinandersetzen, ist an dessen Bewertung aber nicht gebunden (aa). Die Entscheidungsinstrumente, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, ermöglichen dem Bundesamt auch im Falle einer neuerlichen Unzulässigkeitsentscheidung die Vermeidung einer ""Endlosschleife"" im Verfahren (bb). Bei dieser Auslegung bestehen gegen die Regelung in § 37 Abs. 1 AsylG weder unions- noch verfassungsrechtliche Bedenken (cc). 32 aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG muss das Bundesamt nach einer stattgebenden Eilentscheidung - unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht geäußerten ernstlichen Zweifel - erneut über den Asylantrag und die damit verbundenen aufenthaltsrechtlichen Folgen entscheiden. Kommt es hierbei zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG - auch bei Beachtung etwaiger sich aus dem Unionsrecht ergebender Einschränkungen - weiterhin vorliegen, muss es den Asylantrag - selbst in Fällen, in denen das Verwaltungsgericht seinen stattgebenden Eilbeschluss ausdrücklich (auch) auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung gestützt hat - erneut als unzulässig ablehnen. § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist nicht zu entnehmen, dass das Bundesamt den Asylantrag nach einem stattgebenden Eilbeschluss stets inhaltlich prüfen muss oder zumindest nicht mehr wegen des von ihm ursprünglich angenommenen Unzulässigkeitsgrundes ablehnen darf. 33 Das Verwaltungsgericht trifft im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO keine endgültige, sondern nur eine vorläufige Entscheidung. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG hat es die Aussetzung der Abschiebung anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen. Im Gegensatz zur Kassation eines rechtswidrigen Verwaltungsakts in einem Hauptsacheverfahren mit entsprechender (materieller) Rechtskraftbindung beschränkt sich der einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgebende Beschluss auf die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs. Damit enthält er keine abschließende Aussage zur Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, sondern nur zu dessen Vollziehbarkeit. Eine weitergehende Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus der Sonderregelung in § 37 Abs. 1 AsylG. Danach hat ein stattgebender Eilbeschluss kraft Gesetzes die Unwirksamkeit sowohl der Abschiebungsandrohung als auch der ihr zugrunde liegenden Unzulässigkeitsentscheidung zur Folge und ist das Asylverfahren durch das Bundesamt fortzuführen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob das Bundesamt im fortzuführenden Verfahren den Antrag (weiterhin) als unzulässig ablehnen muss. § 37 Abs. 1 AsylG ist nicht zu entnehmen, dass eine Stattgabe im Eilverfahren automatisch zur Zulässigkeit des Asylantrags führt mit der Folge, dass dieser schon deshalb und ungeachtet der in § 29 Abs. 1 AsylG abschließend aufgeführten Unzulässigkeitsgründe vom Bundesamt nunmehr inhaltlich geprüft werden muss. Eine derartige Bindung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift (1) noch aus der Gesetzesgenese (2). Auch systematische Erwägungen (3) und Sinn und Zweck der Norm (4) erfordern nicht eine Auslegung der Norm in diesem Sinne. 34 (1) Dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG (Fortführung des Asylverfahrens durch das Bundesamt) ist lediglich zu entnehmen, dass der Asylantrag vom Bundesamt einer erneuten Prüfung und Verbescheidung zuzuführen ist. Die Vorschrift verhält sich hingegen nicht dazu, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen es hierbei den Asylantrag erneut als unzulässig ablehnen darf oder eine materielle Prüfung vornehmen muss. 35 (2) Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verpflichtung des Bundesamts zu einer Sachprüfung nach einem stattgebenden Eilbeschluss. Die Änderung des § 37 Abs. 1 AsylG erfolgte zusammen mit der Änderung weiterer Vorschriften ohne weitergehende Begründung oder sonstige Hinweise auf mögliche Motive des Gesetzgebers als ""Folgeänderung"" anlässlich der Abschaffung der Behandlung von Anträgen als unbeachtlich und der daraus resultierenden Änderung des § 29 AsylG. Es finden sich im Gesetzgebungsverfahren keinerlei Hinweise, dass der Gesetzgeber mit der - auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erweiterten - Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG bei den Unzulässigkeitsgründen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG auf eine abschließende (Voll-)Prüfung in einem Hauptsacheverfahren verzichten wollte und allein ernstliche Zweifel der ersten Instanz an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung entgegen der Regelung in § 29 Abs. 1 AsylG, wonach Asylanträge bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zwingend abzulehnen sind, eine Pflicht zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags auslösen sollten. 36 Inhaltlich geht die Regelung zurück auf die Vorschrift über das Verfahren bei unbeachtlichen Asylanträgen in § 10 AsylVfG 1982. Danach oblag die Prüfung der Beachtlichkeit seinerzeit der Ausländerbehörde und war in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, dem allein wegen eines Abschiebungshindernisses entsprochen wurde, nicht zur Weiterleitung eines unbeachtlichen (Folge-)Antrags an das Bundesamt und damit zu einer Sachprüfung führte (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 9 C 2.88 - BVerwGE 80, 313). Hätte der Gesetzgeber anlässlich späterer Rechtsänderungen gewollt, dass nach einem stattgebenden Eilbeschluss stets eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags durch das Bundesamt erfolgen muss, hätte es nahe gelegen, dies durch eine entsprechende Formulierung deutlich zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen hat er - nach Aufhebung der Kompetenzen der Ausländerbehörde durch das AsylVfG 1992 - die Unterscheidung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Asylanträgen zunächst beibehalten und das Bundesamt bei unbeachtlichen Asylanträgen im Falle einer stattgebenden Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren nur pauschal zur ""Fortführung"" des Asylverfahrens verpflichtet. Entsprechendes gilt nach Abschaffung der Kategorie der unbeachtlichen Asylanträge für nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG unzulässige Asylanträge. 37 Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung in § 29 Abs. 2 AsylVfG 1992, wonach bei einem unbeachtlichen Asylantrag das Asylverfahren fortzuführen war, wenn die Rückführung nicht innerhalb von drei Monaten möglich war. Hierbei handelte es sich trotz identischer Formulierung (""Fortführung des Asylverfahrens"") ersichtlich um eine Ergänzung der tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines unbeachtlichen Asylantrags in § 29 Abs. 1 AsylVfG 1992, der ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Rückführungsmöglichkeit stand. Einen vergleichbaren Vorbehalt enthält weder der an die Stelle der Unbeachtlichkeit getretene Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG, der nur auf die Wiederaufnahmebereitschaft abstellt, noch der hier maßgebliche Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. In den Gesetzesmaterialien zum Integrationsgesetz finden sich auch keine Hinweise, dass mit der Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG eine mit § 29 Abs. 2 AsylVfG 1992 vergleichbare tatbestandliche Ergänzung in Bezug auf die Unzulässigkeitsgründe des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG beabsichtigt war. Vielmehr ist ein Asylantrag nach der aktuellen gesetzlichen Konzeption bei Vorliegen einer der Tatbestandsalternativen des § 29 Abs. 1 AsylG - vorbehaltlich etwaiger unionsrechtlicher Einschränkungen - zwingend als unzulässig abzulehnen. 38 Enthielte § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG eine Verpflichtung des Bundesamts zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags, bewirkte dies eine - vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollte - Entwertung der Unzulässigkeitsgründe des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, weil für eine stattgebende Eilentscheidung bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung genügten und es damit bei dieser Auslegung des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG in Verbindung mit der gesetzlichen Unwirksamkeitsfolge des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG nie zu einer abschließenden gerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung in einem Hauptsacheverfahren käme. Hätte der Gesetzgeber die Unzulässigkeitsgründe des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG tatbestandlich unter den Vorbehalt einer zeitnahen Abschiebung stellen wollen, hätte es zudem näher gelegen, dies - entsprechend der früheren Regelung für unbeachtliche Asylanträge in § 29 AsylG a.F. - direkt bei den Tatbestandsvoraussetzungen für eine Unzulässigkeitsentscheidung zu regeln statt dort den Unzulässigkeitsgrund des § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG - abweichend zur früheren Regelung bei unbeachtlichen Asylanträgen - nur (noch) von der Aufnahmebereitschaft abhängig zu machen. 39 (3) Auch systematische Erwägungen bestätigen den rein verfahrensrechtlichen Charakter der Fortführungsanordnung. § 29 Abs. 1 AsylG regelt, wann ein Asylantrag - vorbehaltlich etwaiger unionsrechtlicher Vorgaben - unzulässig ist. Der Normkomplex der §§ 35 ff. AsylG findet sich hingegen im Unterabschnitt ""Aufenthaltsbeendigung"" und enthält spezialgesetzliche Regelungen zur Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung bei nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG unzulässigen Asylanträgen. Die verfahrensrechtliche Ausrichtung ergibt sich auch aus der Überschrift des § 36 AsylG (""Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit"") und des § 37 AsylG (""Weiteres Verfahren bei stattgebender gerichtlicher Entscheidung""). Soweit sich § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG mit der gesetzlich angeordneten Unwirksamkeit unmittelbar auf die asylrechtliche Unzulässigkeitsentscheidung bezieht, handelt es sich um eine klar formulierte Ausnahme, derer es bedurfte, weil ohne die Unwirksamkeit (auch) der Unzulässigkeitsentscheidung kein Raum für eine Fortführung des Verfahrens durch das Bundesamt (gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG) bestünde. 40 Im Übrigen sind die in § 29 Abs. 1 AsylG zusammengefassten Unzulässigkeitsgründe nicht nur vom Bundesamt, sondern auch von den Gerichten zu beachten. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Gerichte bei einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung vor einer Aufhebung prüfen müssen, ob diese in eine andere Unzulässigkeitsentscheidung umgedeutet werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 1 C 26.16 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 91 Rn. 27). Da es sich bei den Unzulässigkeitsgründen des § 29 Abs. 1 AsylG um zwingendes Recht handelt, ist im gerichtlichen Verfahren aber auch in Fällen, in denen das Bundesamt möglicherweise irrtümlich einen Asylantrag als unbegründet statt als unzulässig abgelehnt hat, zunächst der Frage der Zulässigkeit des Asylantrags nachzugehen, bevor das Gericht einer Verpflichtungsklage stattgibt. Hierfür bedarf es einer abschließenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem Hauptsacheverfahren. 41 Eine Bindung stünde zudem im Widerspruch zu § 60 Abs. 1 und 2 AufenthG, wonach bei anderweitiger Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes - auch insoweit vorbehaltlich etwaiger einschränkender unionsrechtlicher Vorgaben - keine neuerliche Sachprüfung durch das Bundesamt erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Ausländer in den schutzgewährenden Staat abgeschoben werden kann oder ihm eine freiwillige Rückkehr dorthin zumutbar ist; in diesen Fällen soll der Ausländer nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers nur Abschiebungsschutz genießen (§ 60 Abs. 10 AufenthG). 42 (4) Auch Sinn und Zweck der Norm erfordern nicht zwingend eine Bindungswirkung. § 37 Abs. 1 AsylG dient der Verfahrensbeschleunigung. Durch Straffung des gerichtlichen Verfahrens soll zügig ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden. Dem dient die Unwirksamkeitsfolge des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wonach Unzulässigkeitsentscheidung und Abschiebungsandrohung schon bei einem - auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung zu stützenden - stattgebenden Eilbeschluss kraft Gesetzes unwirksam werden. Hierdurch soll die ansonsten dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Kassation des Verwaltungsakts vorweggenommen werden. Mit § 37 Abs. 1 AsylG soll das Bundesamt hingegen nicht verpflichtet werden, entgegen der eindeutigen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG einen unzulässigen Asylantrag in der Sache zu prüfen. 43 Bei einer Verpflichtung zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags in den von § 37 Abs. 1 AsylG erfassten Fällen käme es zudem zu einem nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch insbesondere gegenüber Schutzsuchenden, bei denen das Bundesamt den Asylantrag wegen Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig ablehnt, aber - etwa wegen eines Abschiebungsverbots - vom Erlass einer Abschiebungsandrohung absieht oder zumindest nach § 80 Abs. 4 VwGO deren Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aussetzt. In diesen Fallkonstellationen kann der Schutzsuchende nur über eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung eine inhaltliche Prüfung seines Asylantrags durch das Bundesamt erreichen. Nichts anderes gilt, wenn einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom Gericht nicht entsprochen wird, die Abschiebungsandrohung im Hauptsacheverfahren aber als rechtswidrig aufgehoben wird. Warum Ausländer, bei denen das Bundesamt eine Abschiebungsandrohung erlassen hat und lediglich eine stattgebende Eilentscheidung vorliegt, hinsichtlich der inhaltlichen Prüfung ihres Asylantrags im Ergebnis besser stehen sollen als Ausländer, bei denen schon das Bundesamt wegen eines Abschiebungsverbots oder aus anderen Gründen vom Erlass einer Abschiebungsandrohung absieht oder zumindest deren Vollzug vorläufig aussetzt oder das Gericht erst im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung bejaht, ist sachlich nicht nachvollziehbar und lässt sich auch nicht mit einer Beschleunigung und Straffung des Gerichtsverfahrens begründen. Dies gilt umso mehr, als für eine Stattgabe im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bereits ein vorübergehendes und/oder durch eine entsprechende Zusicherung des Abschiebezielstaats ausräumbares Abschiebungsverbot genügt. Dieser Wertungswiderspruch lässt sich auch nicht durch eine erweiternde Auslegung des § 37 Abs. 1 AsylG - etwa auf Fälle, in denen das Bundesamt vom Erlass einer Abschiebungsandrohung gänzlich abgesehen oder deren Vollziehung ausgesetzt hat - verringern, zumal § 37 Abs. 1 AsylG aufgrund seines Ausnahmecharakters und seiner weitreichenden Folgen grundsätzlich eng auszulegen ist. 44 § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG verliert bei der hier vorgenommenen Auslegung seine Existenzberechtigung auch nicht dadurch, dass das Bundesamt seine Entscheidungen während des gerichtlichen Verfahrens jederzeit von sich aus aufheben und/oder ändern kann. Denn § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG geht über diese Möglichkeit insofern hinaus, als es das Bundesamt zu einer neuerlichen Entscheidung verpflichtet. 45 bb) Entfaltet die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung im fortzuführenden Asylverfahren keine Bindungswirkung, ermöglichen die Entscheidungsinstrumente, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, dem Bundesamt in dem von ihm fortzuführenden Asylverfahren ein Vermeiden der von ihm befürchteten ""Endlosschleife"" im Verfahren. 46 (1) Zwar räumt § 29 Abs. 1 AsylG dem Bundesamt bei der Anwendung der Unzulässigkeitsgründe kein Ermessen ein, sodass es - insbesondere in Fällen, in denen sich aus der stattgebenden Eilentscheidung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung ergeben - im Rahmen der nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG angeordneten Fortführung des Asylverfahrens den Asylantrag bei Vorliegen eines Unzulässigkeitsgrundes nach § 29 Abs. 1 AsylG erneut als unzulässig ablehnen muss. Dabei ist derzeit aber (noch) offen, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG über seinen Wortlaut hinaus über das Unionsrecht Einschränkungen unterliegt, wenn für Schutzberechtigte dort schlechte Lebensbedingungen bestehen (vgl. BVerwG, Vorlagebeschlüsse vom 23. März 2017 - 1 C 20.16 , 1 C 17.16 und 1 C 18.16 - juris und vom 2. August 2017 - 1 C 2.17 und 1 C 37.16 - juris; s.a. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 25. Juli 2018 - C-297/17 - Rn. 108 ff., 120). 47 (2) Die vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung geäußerten Zweifel sind vom Bundesamt im Übrigen jedenfalls im Rahmen der gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG vorgeschriebenen Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen. Nach Feststellung eines derartigen Abschiebungsverbots soll dem Betroffenen von der Ausländerbehörde nach § 25 Abs. 3 Satz 1, § 26 Abs. 1 Satz 4 AufenthG regelmäßig eine mindestens einjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. 48 (3) Auch kann das Bundesamt, soweit es hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylantrags nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht im stattgebenden Eilbeschluss geäußerten Zweifel weiterhin zu keinem anderen Ergebnis kommt, eine rechtsgrundsätzliche gerichtliche Klärung in einem Hauptsacheverfahren dadurch herbeiführen, dass es - angesichts der vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten Bedenken - nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG (nur) eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags und das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG trifft und vom Erlass einer neuerlichen Abschiebungsandrohung bis zu einer rechtskräftigen Überprüfung dieser beiden Entscheidungen absieht. Ein solches Vorgehen ist ausnahmsweise mit den §§ 34 ff. AsylG zu vereinbaren. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG muss das Bundesamt zwar eine Abschiebungsentscheidung erlassen, in der es dem Ausländer in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG die Abschiebung in den Staat androht, in dem er vor Verfolgung sicher war (§ 35 AsylG). Diese Entscheidung hat - wie § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG zeigt (""soll"") - regelmäßig zusammen mit der Entscheidung über den Asylantrag zu ergehen. Jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation begründet das Fehlen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren aber regelmäßig einen hinreichenden Grund für ein vom Grundsatz der Verfahrenskonzentration ausnahmsweise abweichendes gestuftes Vorgehen. Dies gilt auch dann, wenn es - wie typischerweise in Asylverfahren - um die Klärung von Fragen geht, die angesichts identischer Betroffenheit einen größeren Personenkreis betreffen. 49 (4) Alternativ kann das Bundesamt in dem von ihm fortzuführenden Asylverfahren zur Herbeiführung einer rechtsgrundsätzlichen Klärung auch zusammen mit der erneuten Unzulässigkeitsentscheidung eine Abschiebungsandrohung erlassen, deren Vollziehung aber nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens aussetzen. Für eine derartige im Ermessen der Behörde liegende Aussetzungsentscheidung genügt grundsätzlich ein sachlich tragfähiger willkürfreier und nicht missbräuchlicher Anlass (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 - 1 C 16.18 - Rn. 22 ff. zu den Voraussetzungen für eine behördliche Aussetzungsentscheidung in Dublin-Verfahren). Auch das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass zur abschließenden Klärung dieser Willkür- und Missbrauchsschwelle, da ein entsprechender Anlass jedenfalls in der vorliegenden Konstellation zur Herbeiführung einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nach einem stattgebenden Eilbeschluss vorläge. 50 (5) Hingegen darf das Bundesamt nicht - wie vorliegend geschehen - abweichend von § 36 Abs. 1 AsylG die Ausreisefrist in der Abschiebungsandrohung statt auf eine Woche nach Bekanntgabe des Bescheids auf 30 Tage nach Bekanntgabe bzw. im Falle der Klageerhebung nach unanfechtbarem Abschluss des Verfahrens festsetzen. Diese - vom Bundesamt unter Rückgriff auf die hier nicht einschlägige Auffangregelung in § 38 Abs. 1 AsylG festgesetzte - Ausreisefrist steht angesichts der eindeutigen Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG objektiv nicht im Einklang mit dem Asylgesetz. Eine wegen der gesetzten Ausreisefrist objektiv rechtswidrige Abschiebungsandrohung kann - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung - auch nicht in eine rechtmäßige Abschiebungsandrohung nach § 36 Abs. 1 AsylG unter gleichzeitiger Aussetzung des Vollzugs nach § 80 Abs. 4 VwGO umgedeutet werden. 51 cc) Kann das Bundesamt mit den Entscheidungsinstrumenten, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, eine ""Endlosschleife"" im weiteren Verfahren vermeiden, bestehen gegen die hier vorgenommene Auslegung des § 37 Abs. 1 AsylG auch keine unionsrechtlichen Bedenken. Insbesondere besteht mit Blick auf das Recht der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 46 Richtlinie 2013/32/EU) nicht die Gefahr, dass ihnen effektiver Rechtsschutz in angemessener Zeit vorenthalten wird. Verwehrt § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG dem Bundesamt nicht per se eine neuerliche Unzulässigkeitsentscheidung, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der Beklagten mit Blick auf Art. 16a GG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach sich die normative Vergewisserung bei sicheren Drittstaaten auch auf den Abschiebungsschutz erstrecke. 52 2. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage auch Erfolg hat, soweit sie sich gegen die Entscheidungen des Bundesamts zum nationalen Abschiebungsschutz und zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots richtet (Ziffern 2 und 4 des Bescheids). Diese Entscheidungen werden von der Regelung in § 37 Abs. 1 AsylG zwar nicht erfasst. Mit der Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung und der Abschiebungsandrohung sind aber die Grundlagen für diese vom Bundesamt ausgesprochenen Folgeentscheidungen entfallen und steht dem Kläger ein Aufhebungsanspruch zu, weil er den Makel dieser ihn grundsätzlich belastenden Regelungen nicht bis zu einer neuerlichen Entscheidung über seinen Asylantrag dulden muss. 53 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor." bverwg_2019-40,16.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 40/2019 vom 16.05.2019 EN Widerruf der Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben bei fehlender Zuverlässigkeit Die Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben, wie der Durchführung von Fahrzeughauptuntersuchungen, kann von der Überwachungsorganisation widerrufen werden, wenn der Prüfingenieur wegen schwerer Pflichtverletzungen nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen wird. Dass die Überwachungsorganisation ihn wegen der begangenen Pflichtverstöße zunächst nur abgemahnt hat, steht dem Widerruf nicht entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger des Ausgangsverfahrens war von der Beklagten, einer anerkannten Überwachungsorganisation, nach Zustimmung des Landesverkehrsministeriums mit der Durchführung von hoheitlichen Untersuchungsaufgaben betraut worden. Nachdem es wegen mangelhafter Prüftätigkeit wiederholt zu Beanstandungen und erfolglosen Nachschulungsmaßnahmen gekommen war, mahnte die Beklagte den Kläger ab. Kurze Zeit später widerrief das Landesverkehrsministerium seine Zustimmung zur Betrauung des Klägers mit Prüfaufgaben durch die Beklagte. Daraufhin widerrief die Beklagte die Betrauung des Klägers. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des Landesverkehrsministeriums und ihre eigene Einschätzung der Zuverlässigkeit. Die hiergegen gerichtete Klage des Prüfingenieurs hat im Berufungsverfahren Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat zwar die Einschätzung gebilligt, dass er sich als unzuverlässig erwiesen habe. Es hat jedoch die Ermessensausübung der Beklagten beanstandet. Mit der vorangegangenen Abmahnung habe sie ihr Ermessen auf eine befristete Aussetzung der Betrauung verengt. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil hatte Erfolg. Eine Abmahnung hindert eine Überwachungsorganisation im öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehrrecht nicht, weitergehende Maßnahmen gegen den Betroffenen zu ergreifen, wenn die mangelnde Zuverlässigkeit feststeht. Ob ein solcher Widerruf erfolgen kann oder muss, unterliegt nicht der Privatautonomie, sondern ist von der Erfüllung der hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen abhängig. Die Annahme, dass sich der Betroffene als unzuverlässig erwiesen hat, ist in dem gegen die Entscheidung der Überwachungsorganisation gerichteten Klageverfahren unabhängig von einem Widerruf der Zustimmung zur Betrauung durch die Anerkennungsbehörde gerichtlich zu überprüfen. Fehlende Zuverlässigkeit des Prüfingenieurs hatte die Beklagte hier ohne Rechtsfehler angenommen. BVerwG 3 C 19.17 - Urteil vom 16. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 3 LB 15/15 - Urteil vom 21. Juli 2016 - VG Schleswig, 3 A 234/12 - Urteil vom 27. Januar 2014 -","Urteil vom 16.05.2019 - BVerwG 3 C 19.17ECLI:DE:BVerwG:2019:160519U3C19.17.0 EN Widerruf der Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben bei fehlender Zuverlässigkeit Leitsätze: 1. Die Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben muss widerrufen werden, wenn seine Unzuverlässigkeit feststeht. Eine vorangegangene Abmahnung steht dem nicht entgegen. 2. Widerruft die Überwachungsorganisation gegenüber dem Prüfingenieur die Betrauung mit hoheitlichen Aufgaben, weil die Anerkennungsbehörde ihr gegenüber die Zustimmung zu dieser Betrauung widerrufen hat, muss auf Klage des Prüfingenieurs geprüft werden, ob durch nachträglich eingetretene Tatsachen eine materielle Voraussetzung für die Betrauung - hier die Zuverlässigkeit - entfallen ist. Rechtsquellen StVZO § 29, Nr. 3 der Anlage VIIIb VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4, § 137 Abs. 2 ZPO § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 VwVfG § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwG § 117 Abs. 2 Nr. 3 Instanzenzug VG Schleswig - 07.01.2014 - AZ: VG 3 A 234/12 OVG Schleswig - 21.07.2016 - AZ: OVG 3 LB 15/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 16.05.2019 - 3 C 19.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:160519U3C19.17.0] Urteil BVerwG 3 C 19.17 VG Schleswig - 07.01.2014 - AZ: VG 3 A 234/12 OVG Schleswig - 21.07.2016 - AZ: OVG 3 LB 15/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2016 wird aufgehoben. Die Berufung des Rechtsvorgängers der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2014 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist Witwe und Alleinerbin des am 9. August 2018 verstorbenen Prüfingenieurs G. (im Folgenden: G). Sie führt die noch von ihrem Ehemann erhobene Klage gegen den Widerruf seiner Betrauung mit hoheitlichen Prüfaufgaben durch die Beklagte im Revisionsverfahren fort. 2 Die Beklagte ist als Überwachungsorganisation nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein anerkannt. Auf ihren Antrag hin stimmte das Ministerium für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein (im Folgenden: Verkehrsministerium) als zuständige Anerkennungsbehörde der Betrauung des Herrn G mit Untersuchungsaufgaben durch die Beklagte zu. Daraufhin betraute die Beklagte Herrn G zum Jahr 1995 mit der Durchführung von Fahrzeuguntersuchungen nach Maßgabe eines zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags. 3 Die Prüftätigkeit des Herrn G war wiederholt Beanstandungen ausgesetzt. Bereits im Jahr 1996 führte die Beklagte nach Reklamationen eine interne Untersuchung durch, die eine niedrige Mängelerkennungsquote ergab. Insbesondere aber war bei allen 283 ausgewerteten Untersuchungsberichten ein identischer Bremswert angegeben. Die Beklagte untersagte Herrn G daraufhin die Prüftätigkeit in ihrem Namen wegen fachlicher und methodischer Defizite sowie des Verdachts auf Unzuverlässigkeit. Nach erfolgreicher Teilnahme an einer Nachschulung hob die Beklagte die Aussetzung der Betrauung nach knapp einem Monat wieder auf. Aufgrund einer weiteren Beanstandung leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Falschbeurkundung im Amt gegen Herrn G ein, das im Jahr 2012 vom Amtsgericht Kiel nach Zahlung von 800 € gemäß § 153a StPO eingestellt wurde. 4 Im Jahr 2008 wies das Verkehrsministerium die Beklagte auf Auffälligkeiten der von Herrn G vorgelegten Prüfzahlen - insbesondere eine unplausibel hohe Zahl gemeldeter Untersuchungen pro Tag - hin und bat um Stellungnahme. Die Beklagte führte daraufhin Kontrollen über die Prüftätigkeit des Herrn G durch, die zu Beanstandungen führten. Bei einem verdeckten Test in der Werkstatt ""Autodienst K."" am 15. Juni 2011 habe Herr G einen Prüfbericht anhand der Werkstattuntersuchung erstellt, ohne das Fahrzeug zuvor vollständig geprüft zu haben. Auch eine unangekündigte Nachkontrolle der Prüftätigkeit in der Werkstatt ""T."" am 15. Dezember 2011 habe schwerwiegende Mängel ergeben: Herr G habe die Prüfplakette trotz erheblicher Mängel - insbesondere einer überlackierten und nicht lesbaren Fahrgestellnummer und einer funktionslosen Hupe - zugeteilt. Durch Schreiben vom 17. Januar 2012 sprach die Beklagte daraufhin eine Abmahnung aus, in der Herrn G für den Wiederholungsfall angekündigt wurde, dass ""sofort bis zur Absolvierung angemessener Schulungs- und Korrekturmaßnahmen die Betrauung als Prüfingenieur"" ausgesetzt werde. 5 Mit an die Beklagte gerichtetem Bescheid vom 3. April 2012 widerrief das Verkehrsministerium die Zustimmung zur Betrauung des Herrn G mit Prüfaufgaben. Ihm sei die weitere Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit sofortiger Wirkung zu untersagen. 6 Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2012 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Betrauung des Herrn G; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2012 zurück. Herr G erfülle nicht mehr die rechtlichen Anforderungen für eine Betrauung. Zum einen habe das zuständige Ministerium die Zustimmung zu seiner Betrauung widerrufen. Zum anderen habe sich Herr G bei seiner Prüftätigkeit als unzuverlässig erwiesen. Angesichts der wiederholt beanstandeten Mängel und der fruchtlosen Schulungsmaßnahmen müsse davon ausgegangen werden, dass Herr G keine vorschriftskonformen Fahrzeuguntersuchungen vorgenommen, sondern nur die vom Werkstattpersonal mitgeteilten Mängel dokumentiert habe. Hierfür spreche auch, dass Herr G regelmäßig durch extrem kurze Untersuchungszeiten und sehr hohe Tagesstückzahlen aufgefallen sei. Im Juni 2012 kündigte die Beklagte auch den mit Herrn G geschlossenen Prüfingenieurvertrag mit Wirkung zum Jahresende. 7 Die gegen den Widerruf der Betrauung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugen habe Herr G den Prüfbericht vom 15. Juni 2011 mit den von der Werkstatt dokumentierten Mängeln unterschrieben, ohne selbst die vorgeschriebenen Prüfhandlungen durchgeführt zu haben. Zur Überzeugung des Gerichts stehe ebenfalls fest, dass Herr G am 15. Dezember 2011 eine Prüfplakette für ein nicht eindeutig identifizierbares Fahrzeug erteilt habe; nach der Beweisaufnahme bestehe kein Zweifel daran, dass die überlackierte Fahrgestellnummer nicht habe abgelesen werden können. Herr G sei damit seiner elementaren Amtspflicht als Prüfingenieur, die Fahrzeuge bei einer Prüfung vollständig zu untersuchen, nicht nachgekommen. Mildere Mittel zum Schutz der hochwertigen Rechtsgüter aller Straßenverkehrsteilnehmer als der Widerruf der Betrauung seien angesichts der langjährigen fruchtlosen Einwirkungsversuche nicht ersichtlich. 8 Auf die Berufung des Herrn G hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das Verwaltungsgericht habe zwar mit zutreffender Begründung das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der nach Landesrecht maßgeblichen Vorschrift über den Widerruf eines Verwaltungsakts festgestellt. Die Pflichtverletzungen des Herrn G bei seinen Prüftätigkeiten am 15. Juni 2011 und am 15. Dezember 2011 stellten nachträglich eingetretene Tatsachen dar, die geeignet seien, die Unzuverlässigkeit zu begründen. Der Widerruf leide jedoch an Ermessensfehlern. Die Beklagte habe in unmittelbar zeitlichem Nachgang zu den Verfehlungen mit Schreiben vom 17. Januar 2012 eine Abmahnung ausgesprochen und für den Wiederholungsfall die Aussetzung der Betrauung als Prüfingenieur angekündigt. Damit habe sie ihr Ermessen auf die befristete Aussetzung der Betrauung verengt. Der im Widerspruchsbescheid benannte weitere Vorfall vom 29. März 2012 rechtfertige für sich genommen allenfalls eine Aussetzung der Betrauung. Der verfügte Widerruf der Betrauung erweise sich damit als unverhältnismäßige Maßnahme. 9 Mit der vom Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verteidigt die Beklagte ihre Entscheidungen. Sie beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2016 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2014 zurückzuweisen. 10 Während des Revisionsverfahrens ist Herr G verstorben. In dem von seiner Witwe fortgeführten Verfahren begehrt sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs und macht im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche ein eigenes Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend. Die Klägerin beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 5. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Oktober 2012 rechtswidrig war. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und verteidigt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur das angegriffene Berufungsurteil. II 12 Die im Revisionsverfahren erklärte Klageänderung ist zulässig (1.). Die damit nur noch auf ein Feststellungsbegehren bezogene Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Das Berufungsgericht hätte die angefochtene Verfügung nicht aufheben dürfen (2.). Der Widerruf der Betrauung des Herrn G mit Prüfaufgaben der Beklagten hat sich mit Wirksamwerden der Kündigung des zwischen ihnen geschlossenen Prüfingenieurvertrags erledigt. Das Berufungsurteil hat die Widerrufsverfügung auch zu Unrecht beanstandet (3.). Es hat zwar zutreffend entschieden, dass die Annahme der Unzuverlässigkeit auf Klage des Prüfingenieurs gegen den Widerruf seiner Betrauung auch dann überprüft werden muss, wenn die Überwachungsorganisation den Widerruf darauf gestützt hat, dass die Anerkennungsbehörde ihr gegenüber die Zustimmung zur Betrauung des Prüfingenieurs widerrufen hat. Es hat aber verkannt, dass die Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben widerrufen werden muss, wenn seine Unzuverlässigkeit feststeht. Eine vorangegangene Abmahnung steht dem nicht entgegen. 13 1. Der im Revisionsverfahren erklärte Übergang des Klagebegehrens auf einen Feststellungsantrag ist zulässig. 14 Das gerichtliche Verfahren ist durch den Tod des ursprünglichen Klägers nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden, weil er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, dieser keinen Aussetzungsantrag gestellt und die Alleinerbin den Rechtsstreit aufgenommen hat (vgl. § 246 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren wird daher mit Wirkung für und gegen die Rechtsnachfolgerin weitergeführt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 2009 - 20 F 6.09 - juris Rn. 1). 15 Mit dem ursprünglichen Anfechtungsbegehren hat sich der Rechtsstreit durch den Tod des Herrn G aber in der Sache erledigt. Es ist nicht erkennbar, welche Rechtswirkungen von dem angegriffenen Widerruf der Betrauung als Prüfingenieur noch ausgehen könnten. Die von der Klägerin erklärte Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist keine im Revisionsverfahren verbotene (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Klageänderung; sie erfordert nicht die Einführung neuen Streitstoffs (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1999 - 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <19 f.> und vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​041214U4C33.13.0] - BVerwGE 151, 36 Rn. 11). 16 Die Klägerin kann auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung geltend machen: Ohne den Widerruf hätte Herr G seiner Berufstätigkeit nachkommen und dadurch Einkünfte erzielen können. Die Durchführung eines Schadensersatzprozesses erscheint nicht offensichtlich aussichtslos (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​171116U2C27.15.0] - BVerwGE 156, 272 Rn. 15 m.w.N.). Das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden kann nicht bereits deshalb verneint werden, weil das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat. Von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit geht die Rechtsprechung nur bei der Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch ein Kollegialgericht aus (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 f.> m.w.N.). Die hier vorliegende Einzelrichterentscheidung des Verwaltungsgerichts kann die Kollegialgerichtsregel daher nicht für sich beanspruchen. Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sind vom Streitgegenstand nur auf die Regelung des Zwischenzeitraumes gerichtet und ergehen aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage; aus ihnen kann die offensichtliche Aussichtslosigkeit eines Schadensersatzprozesses daher regelmäßig nicht geschlossen werden (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 a.a.O. S. 106). Im Übrigen haben die Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hier die Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung ausdrücklich offen gelassen und auf eine Folgenabwägung abgestellt. 17 Kausal ist der Widerruf der Betrauung für den Verdienstausfall des Klägers zwar möglicherweise nur für den Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Kündigung des Prüfingenieurvertrages. Da Herr G die Kündigung nicht angegriffen hat, hätte er ab 2013 unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Widerrufs nicht mehr für die Beklagte tätig werden können. Auch für diesen eingeschränkten Zeitraum kann der Klägerin ein Rechtsschutzinteresse indes nicht abgesprochen werden. 18 Die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit für den Schadensersatzanspruch steht dem Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Fall der Erledigung nach Klageerhebung nicht entgegen. Eine ""Umgehung"" der Zuständigkeitsordnung zur Erlangung ""sachnäherer"" Richter ist hier nicht zu besorgen. 19 2. Mit dem Wirksamwerden der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des Prüfingenieurvertrags zum Ende des Jahres 2012 hat sich der Widerruf der Betrauung des Herrn G durch die Beklagte erledigt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts lag ein wirksamer Verwaltungsakt nicht vor, sodass die Verfügung auch nicht mehr aufgehoben werden durfte (BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 S. 61 f.). § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sieht in dieser Konstellation nur noch eine Feststellung vor. 20 Nach Nr. 3 der Anlage VIIIb zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679), in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltenden Fassung vom 10. Mai 2012 (BGBl. I S. 1086) darf die Überwachungsorganisation eine ihr angehörende Person mit der Durchführung von Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen betrauen. Die Betrauung erfasst bereits begrifflich nur der Überwachungsorganisation angehörende Personen. Der betraute Prüfingenieur nimmt die hoheitlichen Befugnisse wahr, mit der die Überwachungsorganisation beliehen ist und führt sie im Namen und für Rechnung der Überwachungsorganisation durch (Nr. 6.1 der Anlage VIIIb zur StVZO). Gehört ein Prüfingenieur der Überwachungsorganisation nicht mehr an, geht die Betrauung daher ins Leere. Sie entfaltet keine Rechtswirkungen mehr und hat sich erledigt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 3 C 8.11 - Buchholz 442.16 § 29 StVZO Nr. 1 Rn. 19). 21 Dem entspricht auch die konkrete Betrauungsverfügung der Beklagten vom 22. Dezember 1994. Dort wird Herr G zur Durchführung von Untersuchungen ""nach Maßgabe des GTÜ-Partnerschafts-Vertrages vom 22.12.1994"" ermächtigt. Entfällt der in Bezug genommene Vertrag, fehlen damit die einer Betrauung zugrunde liegenden Tätigkeiten für die Überwachungsorganisation. Ob zugleich der Büroinhabervertrag zwischen den Beteiligten gekündigt wurde, ist hierfür nicht entscheidend. Die Überlassung eines Büros steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eingliederung des Prüfingenieurs in die Organisationsstruktur der Beklagten und kann unabhängig hiervon sinnvoll fortbestehen. 22 3. Die Betrauung eines Prüfingenieurs mit hoheitlichen Prüfaufgaben muss widerrufen werden, wenn seine Unzuverlässigkeit feststeht. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem könne eine vorangegangene bloße Abmahnung entgegenstehen, verstößt gegen Bundesrecht. 23 a) Rechtsgrundlage für den angegriffenen Widerruf der Betrauung ist Nr. 3 der Anlage VIIIb zur StVZO i.V.m. den Vorschriften zum Widerruf eines Verwaltungsakts im Verwaltungsverfahrensrecht des Landes, dessen Behörde den Widerruf verfügt hat (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 3 C 8.11 - Buchholz 442.16 § 29 StVZO Nr. 1 Rn. 9). Maßgeblich ist danach § 117 Abs. 2 Nr. 3 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG) in der Fassung des Gesetzes vom 24. April 2012 (GVOBl. Schl.-H. S. 530), auf den die Beklagte die Verfügung im Widerspruchsbescheid gestützt und den auch das Berufungsgericht herangezogen hat. Die Vorschrift stimmt nach ihrem Wortlaut mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes überein. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. 24 Die Betrauung eines Prüfingenieurs durch eine anerkannte Überwachungsorganisation ist ein Verwaltungsakt: Sie enthält die einseitige Verleihung hoheitlicher Befugnisse (OVG Koblenz, Urteil vom 28. Juni 2010 - 6 A 10154/10 - juris Rn. 20; OVG Münster, Urteil vom 22. September 2000 - 8 A 2429/99 - NZV 2001, 184 <189>; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 29 StVZO Rn. 22; Meyer, in: Bender/König, Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, Bd. 1, 2016, § 29 StVZO Rn. 76). Widerrufsvoraussetzung ist damit der nachträgliche Eintritt einer Tatsache, aufgrund welcher die Beklagte berechtigt wäre, Herrn G nicht mit ihren Prüfaufgaben zu betrauen. 25 b) Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass nicht bereits der Umstand, dass das Verkehrsministerium als Anerkennungsbehörde die Zustimmung zur Betrauung widerrufen hat, zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Betrauung durch die Überwachungsorganisation führt. 26 aa) Gemäß Nr. 3 der Anlage VIIIb zur StVZO darf die Überwachungsbehörde ihr angehörende Personen mit der Durchführung der Hauptuntersuchung (HU) und Sicherheitsprüfung (SP) betrauen, wenn diese die in Nr. 3.1 bis 3.6 b benannten Anforderungen erfüllen und wenn die zuständige Anerkennungsbehörde zugestimmt hat (Nr. 3.7). Ohne Zustimmung der Anerkennungsbehörde darf die Überwachungsorganisation damit einen Prüfingenieur nicht betrauen. 27 Das Zustimmungserfordernis bei der Betrauung soll eine staatliche Überprüfung der Eignung und Zuverlässigkeit solcher Personen ermöglichen, die als Prüfingenieure mit Außenwirkung hoheitlich tätig werden (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 3 C 8.11 - Buchholz 442.16 § 29 StVZO Nr. 1 Rn. 15). Mit dem Erfordernis der amtlichen Anerkennung wollte der Gesetzgeber ausschließen, dass nicht hinreichend sachverständige Personen Haupt- und Abgasuntersuchungen durchführen und mit der damit verbundenen Zuteilung der Prüfplakette möglicherweise nicht verkehrssicheren oder die Abgaswerte nicht erfüllenden Fahrzeugen die Teilnahme am Straßenverkehr erlauben (BT-Drs. 14/8766 S. 58). Bereits im Vorfeld der Betrauung erfolgt so eine prognostische Beurteilung der zu betrauenden Person hinsichtlich der in Nr. 3.1 bis 3.6 b der Anlage VIIIb zur StVZO normierten Anforderungen durch die staatliche Anerkennungsbehörde. Nur diejenigen Personen dürfen im Außenverhältnis gegenüber einem Bürger mit hoheitlichen Befugnissen tätig werden, die durch eine staatliche Stelle geprüft worden sind. 28 Der Zuständigkeit der Anerkennungsbehörde für die Zuverlässigkeitsprüfung der Prüfingenieure entspricht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sie - und nicht die Überwachungsorganisation - für Amtspflichtverletzungen des Prüfingenieurs haftet (BGH, Urteile vom 30. November 1967 - VII ZR 34/65 - BGHZ 49, 108 <115 f.>, vom 25. März 1993 - III ZR 34/92 - BGHZ 122, 85 <87 f.>und vom 2. November 2000 - III ZR 261/99 - NVwZ-RR 2001, 147). 29 Mit dem späteren Wegfall der Zustimmung tritt damit ein Umstand ein, aufgrund dessen die Beklagte berechtigt wäre, die ihr angehörende Person nicht mit ihren Überwachungsaufgaben zu betrauen. Sie wäre hierzu sogar nicht mehr befugt. 30 bb) Die Zustimmung der Anerkennungsbehörde ist in Nr. 3.7 der Anlage VIIIb zur StVZO aber als Entscheidung im Verhältnis zur Überwachungsorganisation ausgestaltet (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 13. März 2017 - 3 K 1390/16 - juris Rn. 47). Der Prüfingenieur selbst ist weder Beteiligter des Verfahrens noch wird ihm die Entscheidung zugestellt. Die Zustimmung der Anerkennungsbehörde ist allein auf eine Regelung im Verhältnis zur Überwachungsorganisation gerichtet. Sie kann daher gegen den Prüfingenieur auch keine unmittelbare Rechtswirkung beanspruchen oder entfalten. Gleiches gilt für den gegenüber der Überwachungsorganisation ausgesprochenen Widerruf der Zustimmung zur Betrauung durch die Anerkennungsbehörde. 31 Widerruft die Überwachungsorganisation gegenüber dem Prüfingenieur die Betrauung mit hoheitlichen Aufgaben, weil die Anerkennungsbehörde ihr gegenüber die Zustimmung zu dieser Betrauung widerrufen hat, muss auf Klage des Prüfingenieurs geprüft werden, ob durch nachträglich eingetretene Tatsachen eine materielle Voraussetzung für die Betrauung - hier die Zuverlässigkeit - entfallen ist. Anderenfalls würde dem Prüfingenieur, der in seiner Berufsfreiheit berührt ist, der gebotene effektive Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) versagt. 32 c) Die Einschätzung des Berufungsgerichts, Herr G habe sich nachträglich als unzuverlässig erwiesen, ist nicht zu beanstanden. 33 aa) Die Widerrufsvoraussetzung der Unzuverlässigkeit ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2002 - 3 C 37.01 - NJW 2003, 913 <915> und vom 15. Juli 2004 - 3 C 33.03 - BVerwGE 121, 257 <261>); steht sie fest, bleibt für Ermessenserwägungen der Behörde kein Raum. 34 Unzuverlässig ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 6.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​150415U8C6.14.0] - BVerwGE 152, 39 Rn. 14 m.w.N.). Diese Maßstäbe können auf den Prüfingenieur übertragen werden: Unzuverlässig ist danach ein Prüfingenieur, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die ihm übertragenen Prüfaufgaben künftig ordnungsgemäß wahrnehmen wird. 35 Bei den Kraftfahrzeughauptuntersuchungen, Abgasuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen sowie Abnahmen im Sinne der Anlage VIIIb zur StVZO handelt es sich um staatliche Aufgaben der Gefahrenabwehr. Die Prüfung von Kraftfahrzeugen auf ihren verkehrssicherheitstechnischen und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen genügenden Zustand dient unmittelbar der Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen und damit dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter. Die Betrauung eines Privaten mit der selbständigen Durchführung dieser Aufgaben setzt voraus, dass die Person hinreichend sachverständig und zuverlässig ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Prüfplakette nur verkehrssicheren und die Abgaswerte einhaltenden Fahrzeugen zugeteilt wird (vgl. BT-Drs. 14/8766 S. 58). Eine Person, die nicht die Gewähr dafür bietet, die Aufgaben eines Prüfingenieurs zuverlässig zu erfüllen, darf nicht betraut werden. Ergibt sich die fehlende Zuverlässigkeit erst nachträglich, ist die Betrauung zu widerrufen. 36 Anknüpfungspunkt für die hierzu erforderliche Prognose sind in der Vergangenheit eingetretene Tatsachen, die den Schluss zulassen, dass der Betroffene auch in Zukunft eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung nicht erwarten lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. März 1966 - 1 C 62.65 - BVerwGE 24, 38 <40> und vom 11. November 2004 - 3 C 8.04 - BVerwGE 122, 182 <187>). Die Prognose hat sich an dem Zweck der Regelung zu orientieren, nicht verkehrssichere oder die Abgaswerte nicht erfüllende Kraftfahrzeuge vom Verkehr auf öffentlichen Straßen auszuschließen. 37 Umgekehrt ist zu beachten, dass von keinem Prüfingenieur erwartet werden kann, dass er bei jeder Fahrzeuguntersuchung alle vorhandenen Mängel erkennt. Im Hinblick auf die Vielzahl der von Prüfingenieuren in angemessener Zeit durchzuführenden Untersuchungen würde dies die Anforderungen überspannen. Fehlerhaft durchgeführte Untersuchungen geben daher ab einem bestimmten Ausmaß Anlass zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit, sie lassen sie aber nicht unmittelbar entfallen. In der Praxis werden für die Reaktion auf mangelhafte Untersuchungen gestufte Maßnahmepläne verwendet. Sie sehen ein sich steigerndes System unterschiedlicher Sanktionen und Abhilfemaßnahmen vor, um die Zuverlässigkeit der betroffenen Prüfingenieure zu gewährleisten. Dieses interne Qualitätsmanagement bildet indes nicht alle Fälle fehlender Zuverlässigkeit ab. So kann etwa auch der dort nicht geregelte Vermögensverfall die Annahme einer Unzuverlässigkeit begründen. Insbesondere sind durch den Maßnahmeplan auch diejenigen Fallkonstellationen nicht erfasst, bei denen nicht eine zu niedrige Mängelerkennungsquote in Rede steht, sondern bereits Zweifel an der ordnungsgemäßen - selbständigen und vollständigen - Durchführung der Fahrzeuguntersuchung bestehen. Lässt der Gesamteindruck den Schluss zu, dass der Prüfingenieur bereits nicht willens ist, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß auszuüben, kann ihm die berufsnotwendige Zuverlässigkeit nicht mehr zugesprochen werden. 38 bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Einschätzung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die von den Tatsachengerichten nach einer Beweisaufnahme festgestellten Umstände ließen den Schluss zu, dass Herr G die Aufgaben eines Prüfingenieurs künftig nicht ordnungsgemäß erfüllen würde. 39 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, auf die das Berufungsgericht verwiesen hat und die mangels Verfahrensrüge auch der revisionsgerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat Herr G wiederholt gegen die ihm als Prüfingenieur auferlegte Kernpflicht verstoßen, das Fahrzeug bei der Hauptuntersuchung eigen- und vollständig zu prüfen. Bereits der Aussetzung der Betrauung im Jahr 1996 lagen nicht nur fachliche Mängel der durchgeführten Fahrzeuguntersuchungen zugrunde, vielmehr waren in allen 283 ausgewerteten Untersuchungsberichten identische Bremswerte angegeben. Der Würdigung ist aber insbesondere zugrunde zu legen, dass Herr G am 15. Juni 2011 den Prüfbericht anlässlich einer Hauptuntersuchung unterschrieben und die von der Werkstatt zuvor dokumentierten Mängel in den Bericht übernommen hat, ohne selbst die vorgeschriebenen Prüfhandlungen durchgeführt zu haben. Festgestellt ist darüber hinaus, dass Herr G am 15. Dezember 2011 ein Fahrzeug nicht beanstandet hat, obwohl dessen Fahrgestellnummer teilweise überlackiert und nicht vollständig ablesbar war. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung schließlich einen weiteren Pflichtenverstoß vom 29. März 2012 zugrunde gelegt. 40 Festgestellt haben die Tatsachengerichte weiterhin, dass die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Herrn G weder durch Sanktionen oder Unterstützungsmaßnahmen noch in Folge des gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Falschbeurkundung im Amt behoben werden konnte. Aus den Akten ergeben sich eine im Jahr 2008 angeordnete Mentorbegleitung, mehrere - zum Teil wegen Kundenreklamationen veranlasste - Qualitätsgespräche, eine Abmahnung sowie die Anordnung einer Schulung im Jahr 2010. Im Jahr 2011 wurden ein Qualitätszirkel und das Qualitätsgespräch vom 30. November 2011 durchgeführt, bei dem die vereinbarten Mindestprüfzeiten und die Auswertung der Nachkontrollen besprochen worden sind. Der Vorfall vom 15. Dezember 2011 fand in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu diesen Abhilfemaßnahmen statt. 41 Bei dieser Sachlage ist die Annahme nicht zu beanstanden, dass Herr G nicht die Gewähr dafür bot, dass er die ihm übertragenen Prüfaufgaben künftig ordnungsgemäß wahrnehmen wird. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Maßnahmen noch hätten ergriffen werden können oder müssen, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. 42 d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht die Abmahnung vom 17. Januar 2012 dem Widerruf der Betrauung nicht entgegen. 43 In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird angenommen, dass im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den gerügten Gründen liege (vgl. etwa BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - NZA-RR 2012, 43 Rn. 52 f.). Dieser Grundsatz kann auf das Gefahrenabwehrrecht nicht übertragen werden. Daher hindert eine Abmahnung die Überwachungsorganisation nicht, weitergehende Maßnahmen gegen einen Prüfingenieur zu ergreifen, wenn dessen Unzuverlässigkeit feststeht. Ob die Betrauung des Prüfingenieurs mit hoheitlichen Aufgaben widerrufen werden kann oder muss, unterliegt nicht der Privatautonomie oder Entscheidungsfreiheit der Überwachungsorganisation, sondern ist von der Erfüllung der hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen abhängig. Kann ein Prüfingenieur nicht mehr als hinreichend zuverlässig zur Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben angesehen werden, ist seine Betrauung zu widerrufen. Für eine abweichende Ermessensbetätigung verbleibt im Hinblick auf die hochrangigen Rechtsgüter, deren Schutz das Zuverlässigkeitserfordernis bezweckt, kein Raum. 44 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-42,28.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 42/2019 vom 28.05.2019 EN Kein Anspruch auf Zugang zu einem Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung ohne krankheitsbedingte Notlage Nach den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ist die Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich ausgeschlossen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 2. März 2017 - BVerwG 3 C 19.15) bestätigt. Die Kläger (geb. 1937 und 1944) sind langjährig verheiratet. Im Juni 2014 beantragten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zweck einer gemeinsamen Selbsttötung. Zur Begründung führten sie aus, sie wünschten, dass ihr Leben zu einem Zeitpunkt enden solle, in dem sie noch handlungsfähig und von schweren Erkrankungen verschont seien. Sie wollten nicht miterleben, wie ihre körperlichen und geistigen Kräfte immer weiter nachließen. Auch sei es stets ihr Wunsch gewesen, den Lebensabend nicht ohne den anderen verbringen zu müssen. Das BfArM lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 ab, weil der Erwerb eines Betäubungsmittels mit dem Ziel der Selbsttötung nicht erlaubnisfähig sei. Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die Revision der Kläger hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist die Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zu versagen, wenn sie nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes vereinbar ist, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Damit setzt die Erlaubniserteilung voraus, dass die Verwendung des beantragten Betäubungsmittels eine therapeutische Zielrichtung hat, also dazu dient, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Danach schließt § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich aus, weil sie mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen, nicht vereinbar ist. Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt es auch verfassungsrechtlich, den Zugang zu einem Betäubungsmittel zu verbieten. Soweit von dem Verbot eine Ausnahme für schwer und unheilbar erkrankte Antragsteller zu machen ist, die sich in einer extremen Notlage befinden (vgl. Urteil vom 2. März 2017 - BVerwG 3 C 19.15), liegen diese Voraussetzungen bei den Klägern nicht vor. BVerwG 3 C 6.17 - Urteil vom 28. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 3079/15 - Urteil vom 17. Februar 2017 - VG Köln, 7 K 14/15 - Urteil vom 01. Dezember 2015 -","Urteil vom 28.05.2019 - BVerwG 3 C 6.17ECLI:DE:BVerwG:2019:280519U3C6.17.0 EN Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung Leitsatz: Der Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG grundsätzlich nicht erlaubnisfähig (wie BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142). Rechtsquellen BtMG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 6 GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 EMRK Art. 8 Instanzenzug VG Köln - 01.12.2015 - AZ: VG 7 K 14/15 OVG Münster - 17.02.2017 - AZ: OVG 13 A 3079/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.05.2019 - 3 C 6.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:280519U3C6.17.0] Urteil BVerwG 3 C 6.17 VG Köln - 01.12.2015 - AZ: VG 7 K 14/15 OVG Münster - 17.02.2017 - AZ: OVG 13 A 3079/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2017 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner. Gründe I 1 Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten, ihnen die Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zur gemeinsamen Selbsttötung zu erteilen. 2 Die Klägerin ist im Mai 1944 geboren, der Kläger im April 1937. Sie sind seit 1968 verheiratet, haben drei Kinder und mehrere Enkelkinder. Mit Schreiben vom 12. Juni 2014 beantragten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (im Folgenden: BfArM) die Abgabe von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zum Zweck der gemeinsamen Selbsttötung. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, sie befassten sich seit langem mit der Idee des selbstbestimmten Sterbens. In der Vergangenheit hätten sie miterleben müssen, wie Freunde und Bekannte mit schweren Krebserkrankungen zum Teil qualvoll gestorben seien. Auch seien sie wiederholt Zeugen geworden, wie verheerend sich ein jahrelanger demenzieller Verfall auswirken könne. Ihr Bestreben sei immer gewesen, dass ihnen und ihren Angehörigen ein solches Schicksal erspart bleibe. Zudem sei es ihr Wunsch, den Lebensabend nicht ohne den anderen verbringen zu müssen. Seit 2011 hätten die körperlichen und geistigen Kräfte beim Kläger nachgelassen. Ähnliche Symptome hätten sich, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß, bei der Klägerin gezeigt. Seit Sommer 2013 habe sich deshalb der Wunsch konkretisiert, das Leben gemeinsam zu beenden. Sie sähen keinen Sinn darin, den eigenen Verfall mitzuerleben. Ihr Leben solle in einem Zeitpunkt enden, in dem sie noch handlungsfähig seien und es ihnen noch so gut gehe, dass sie von einem rundherum gelungenen Leben sprechen könnten. Der Staat habe dafür Sorge zu tragen, dass sie ihren Wunsch risikofrei und schmerzlos umsetzen könnten. Die Kläger fügten ihrem Antrag jeweils ein psychiatrisches Gutachten bei, das ihnen eine uneingeschränkte Einsichts-, Urteils- und Willensfähigkeit in Bezug auf den Entschluss zur Selbsttötung attestierte. 3 Das BfArM lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Oktober 2014 ab. Die Kläger würden jeweils eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital begehren. Die Erlaubnis sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen, weil die Art und der Zweck des beantragten Betäubungsmittelverkehrs nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar sei, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Unter einer notwendigen medizinischen Versorgung seien nur solche Verwendungen eines Betäubungsmittels zu verstehen, die therapeutischen Zwecken dienten. Das sei bei einem Erwerb mit dem Ziel der Selbsttötung nicht der Fall. Die Grundrechte des Grundgesetzes sowie die Rechte und Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) führten nicht zu einer anderen Beurteilung. 4 Den Widerspruch der Kläger wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 28. November 2014 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. 5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2015 abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Februar 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis. § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG schließe eine Erlaubnis für den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung aus. Das ergebe die an Wortlaut, Systematik und dem Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung der Norm. Die Grundrechte des Grundgesetzes und die Europäische Menschenrechtskonvention geböten kein anderes Auslegungsergebnis. Zwar habe nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK jeder das Recht, selbstbestimmt und frei über das Ende des eigenen Lebens zu entscheiden. Daraus lasse sich aber kein Anspruch auf Zugang zu einem Betäubungsmittel in tödlicher Dosis zum Zweck der Selbsttötung ableiten. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch weder aus Art. 4 noch aus Art. 6 Abs. 1 GG. 6 Zur Begründung ihrer Revision machen die Kläger im Wesentlichen geltend: Das Oberverwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG fehlerhaft ausgelegt. Aus dem Betäubungsmittelgesetz ergebe sich nicht, dass Betäubungsmittel nicht auch zum Zweck der Selbsttötung erworben werden dürften. Das Oberverwaltungsgericht räume selbst ein, dass der Gesetzgeber diesen Erwerbszweck nicht in den Blick genommen habe; § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sei daher nicht anwendbar. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. März 2017 (BVerwG 3 C 19.15 ) bereits entschieden, dass eine generelle Erlaubnisversagung mit Bundesrecht nicht vereinbar sei. Sie seien allerdings der Auffassung, dass das Recht, selbstbestimmt zu entscheiden, auf welche Weise und in welchem Zeitpunkt das eigene Leben enden solle, nicht nur schwer und unheilbar kranken Menschen zustehe, die sich in einer extremen Notlage befänden. Dieses Recht habe vielmehr jeder, der für sich eine reiflich überlegte und freie Entscheidung zur Selbsttötung getroffen habe. Der Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital müsse deshalb auch für diesen Personenkreis möglich sein. Der Staat habe dafür Sorge zu tragen, dass der Einzelne sein Selbstbestimmungsrecht auch ausüben könne. Er müsse daher staatlich geschaffene Hürden für den Zugang zu Betäubungsmitteln beseitigen, die eine sichere und sanfte Selbsttötung ermöglichten. Da sie als Eheleute betroffen seien und zwischen ihnen Einvernehmen über die Entscheidung bestehe, gemeinsam das Leben beenden zu wollen, sei auch Art. 6 Abs. 1 GG berührt. Ferner würden sie durch die Verweigerung der begehrten Erlaubnis in ihren Rechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt, weil sie daran gehindert würden, ihren persönlichen Überzeugungen und Wertmaßstäben folgend ihr Leben zu beenden. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG verstoße zudem gegen Art. 8 EMRK; die Ablehnung der begehrten Erwerbserlaubnis sei nicht notwendig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK. 7 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil. Ergänzend führt sie aus, dass auch auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2017 eine Erlaubniserteilung ausscheide. Danach sei eine Ausnahme von dem Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, nur unter den sehr engen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Notlage zuzulassen. Bei den Klägern lägen diese Voraussetzungen nicht vor. II 8 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung. 9 1. Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358) zugrundezulegen, das zuletzt durch Art. 1 der Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl. I S. 1078) geändert worden ist. Danach ist der von den Klägern begehrte Erwerb von Betäubungsmitteln erlaubnispflichtig (a), aber nicht erlaubnisfähig (b). 10 a) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 BtMG bedarf einer Erlaubnis des BfArM unter anderem, wer die in der Anlage III (zu § 1 Abs. 1) aufgeführten verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel erwerben will. Natrium-Pentobarbital zählt zu den Betäubungsmitteln der Anlage III. 11 Es greift keine Befreiung von der Erlaubnispflicht nach § 4 BtMG. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Erwerbs auf Grund ärztlicher Verschreibung (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG) nicht vor. 12 b) Der Erlaubniserteilung steht der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegen. 13 aa) Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis nach § 3 BtMG zu versagen, wenn die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Gesetzes vereinbar sind, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Unter einer notwendigen medizinischen Versorgung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sind nur solche Anwendungen eines Betäubungsmittels am oder im menschlichen Körper zu verstehen, die eine therapeutische Zielrichtung haben, also dazu dienen, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Dieses Normverständnis ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 13 Abs. 1 BtMG. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat Bezug auf sein - den Beteiligten bekanntes - Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​020317U3C19.15.0] - (BVerwGE 158, 142 Rn. 20). 14 Danach schließt § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG die Erteilung einer Erwerbserlaubnis zum Zweck der Selbsttötung grundsätzlich aus. Sie ist mit dem Ziel des Betäubungsmittelgesetzes, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen, nicht vereinbar (BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 21). 15 bb) Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, dies lasse sich aus dem Betäubungsmittelgesetz nicht ableiten, weil es die Erlaubnisfähigkeit des Erwerbs eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung nicht ausdrücklich regele. Letzteres trifft zwar zu, stellt die gefundene Auslegung aber nicht in Frage. 16 Ziel der Auslegung einer Rechtsvorschrift ist die Ermittlung des im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden objektivierten Willens des Normgebers. Dem dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift, ihrem Regelungszusammenhang, nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie anhand der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm. Die Auslegungsmethoden schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 u.a. - BVerfGE 11, 126 <130 f.>; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2017 - 9 C 30.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​250117U9C30.15.0] - BVerwGE 157, 203 Rn. 14 m.w.N.). Für die gefundene Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG sprechen, wie gezeigt, insbesondere die Gesetzessystematik sowie der Normzweck. Der Wortlaut der Norm (""notwendige medizinische Versorgung"") stützt das Auslegungsergebnis. Aus Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts, was auf einen abweichenden objektivierten Willen des Normgebers schließen lassen würde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts, BT-Drs. 8/3551 S. 23 ff., 29; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BT-Drs. 17/10156 S. 91 f. ). 17 cc) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG verbiete die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung ausnahmslos (vgl. UA S. 19). 18 Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln (BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 23 f.). § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG ist deshalb grundrechtskonform dahin auszulegen, dass der Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung mit dem Zweck des Gesetzes, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen, ausnahmsweise vereinbar ist, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage im Sinne des Senatsurteils vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - befindet (vgl. im Einzelnen BVerwGE 158, 142 Rn. 28 ff.). 19 Das angefochtene Berufungsurteil beruht jedoch nicht auf dem Bundesrechtsverstoß, weil bei den Klägern die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme nicht erfüllt sind. Sie haben weder im Antragsverfahren beim BfArM noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht, schwer und unheilbar krank zu sein. Demgemäß haben auch die Vorinstanzen keine entsprechende Feststellung getroffen. Hieran ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). 20 2. Die Erlaubnisversagung verletzt die Kläger nicht in ihren Grundrechten. 21 a) Es kann offen bleiben, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG den Klägern auch das Recht des selbstbestimmten Sterbens im Wege der Selbsttötung garantiert. Der Senat hat in seinem Urteil vom 2. März 2017 ein solches Recht für schwer und unheilbar kranke Menschen bejaht; ob der grundrechtliche Schutz über diese Personengruppe hinausreicht, war nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht Gegenstand der Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 24). Auch wenn der Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu Gunsten der Kläger unterstellt wird, ergibt sich keine Grundrechtsverletzung. 22 b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet. Es findet seine Begrenzung unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung. Hierzu gehört die staatliche Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Grundrecht auf Leben gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in dieses Rechtsgut. Es stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die eine staatliche Schutzpflicht für das Leben begründet. Danach hat der Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen. Die Aufstellung und Umsetzung eines Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem hierbei ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 - BVerfGE 142, 313 Rn. 69 f. m.w.N.). Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber grundsätzlich auch beim Ausgleich des grundrechtlichen Schutzes des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG mit der staatlichen Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 27). Ausgehend davon unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der von den Klägern beantragte Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung nicht erlaubnisfähig ist. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Verbot des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG legitime Ziele, die es rechtfertigen, das Selbstbestimmungsrecht der Kläger zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 3 C 19.15 - BVerwGE 158, 142 Rn. 30 m.w.N.). 23 Danach werden die Kläger durch die Erlaubnisversagung auch nicht in ihren Grundrechten aus Art. 4 und Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, durch die sie das geltend gemachte Selbstbestimmungsrecht zusätzlich geschützt sehen. 24 3. Die Erlaubnisversagung verstößt schließlich nicht gegen Art. 8 EMRK. 25 Zwar umfasst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK auch das Recht des Einzelnen, darüber zu bestimmen, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll, vorausgesetzt, er ist zu einer freien Willensbildung in der Lage und fähig, dementsprechend zu handeln (EGMR, Urteile vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07, Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 50 f. und vom 14. Mai 2013 - Nr. 67810/10, Gross/Schweiz - Rn. 58 f.). 26 Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG erfüllt aber die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK und greift deshalb nicht unzulässig in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK ein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, es gebe unter den Mitgliedstaaten des Europarats keinen Konsens über das Recht einer Person zu entscheiden, wann und wie sie ihr Leben beenden möchte. Dem nationalen Gesetzgeber kommt daher beim Ausgleich dieses Rechts mit der staatlichen Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 1 EMRK ein erheblicher Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. EGMR, Urteile vom 29. April 2002 - Nr. 2346/02, Pretty/Vereinigtes Königreich - NJW 2002, 2851 Rn. 74, vom 20. Januar 2011 - Nr. 31322/07, Haas/Schweiz - NJW 2011, 3773 Rn. 55 und vom 19. Juli 2012 - Nr. 497/09, Koch/Deutschland - EuGRZ 2012, 616 Rn. 70). Dieser Spielraum ist hier mit dem grundsätzlichen Verbot des Erwerbs eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung nicht überschritten. 27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Kläger die Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG jeweils zum Zweck der gemeinsamen Selbsttötung beantragt haben, kann das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden." bverwg_2019-43,29.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 43/2019 vom 29.05.2019 EN Kommunalaufsicht darf Gemeinde zum Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung anweisen Kommt eine Gemeinde einer landesrechtlichen Verpflichtung zum Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung nicht nach, so darf die Kommunalaufsichtsbehörde sie hierzu anweisen und erforderlichenfalls eine gesetzeskonforme Satzung im Wege der Ersatzvornahme erlassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Geklagt hatte eine Gemeinde, die über mehrere Jahre hinweg ein erhebliches Haushaltsdefizit aufwies, aber dennoch und ungeachtet geplanter Straßenausbaumaßnahmen auf die Erhebung von Anliegerbeiträgen verzichtete. Nachdem sie kommunalaufsichtlich zum Erlass einer Ausbaubeitragssatzung angewiesen worden war, erließ sie eine Satzung, die höhere Gemeindeanteile am Ausbauaufwand vorsah als gesetzlich für defizitäre Gemeinden zulässig. Außerdem nahm sie laufende sowie bereits geplante Maßnahmen von der Beitragspflicht aus. Daraufhin änderte die Kommunalaufsicht die Satzung in beiden Punkten. Die Klage hiergegen blieb in allen Instanzen erfolglos. Sowohl eine landesrechtliche Pflicht zur Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaumaßnahmen als auch deren Durchsetzung mit Mitteln der Kommunalaufsicht sind mit der Gewährleistung gemeindlicher Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar. Verfassungsrechtliche Grenzen der Kommunalaufsicht waren im konkreten Fall nicht berührt. Fußnote: Art. 28 Abs. 2 GG 1 Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.2 Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.3 Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. BVerwG 10 C 1.18 - Urteil vom 29. Mai 2019 Vorinstanzen: VGH Kassel, 8 A 1485/13 - Urteil vom 12. Januar 2018 - VG Gießen, 8 K 152/12.GI - Urteil vom 06. Juni 2013 -","Urteil vom 29.05.2019 - BVerwG 10 C 1.18ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U10C1.18.0 EN Kommunalaufsichtliches Einschreiten zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung verfassungsgemäß Leitsatz: Die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG steht Maßnahmen der Kommunalaufsicht, mit welchen eine landesrechtlich zur Erhebung von Straßenbeiträgen verpflichtete Gemeinde zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung angehalten wird, nicht entgegen. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 2 , Art. 72 Abs. 2 Hessische GO §§ 93, 139, 140 Hessisches KAG § 11 Instanzenzug VG Gießen - 06.06.2013 - AZ: VG 8 K 152/12.Gi VGH Kassel - 12.01.2018 - AZ: VGH 8 A 1485/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.05.2019 - 10 C 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U10C1.18.0] Urteil BVerwG 10 C 1.18 VG Gießen - 06.06.2013 - AZ: VG 8 K 152/12.Gi VGH Kassel - 12.01.2018 - AZ: VGH 8 A 1485/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2019 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die klagende Gemeinde wendet sich gegen Verfügungen der Kommunalaufsicht zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung. 2 Ihr Haushalt wies in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils ein Defizit aus. Ihr Haushaltsplan für 2010 sah Straßenausbaumaßnahmen in Höhe von über 340 000 € vor. Der Beklagte wies die Klägerin ab April 2010 darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Haushaltslage zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung verpflichtet sei und bat um ergänzende Erläuterungen. Mit kommunalaufsichtlichem Bescheid vom 23. Mai 2011 wies er sie zur Inkraftsetzung einer dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Straßenbeitragssatzung spätestens bis zum 30. September 2011 mit Rückwirkung ab dem 1. Juni 2011 an, ordnete die sofortige Vollziehung der Anweisung an und drohte der Klägerin die Ersatzvornahme an. Die Klägerin erließ am 26. September 2011 rückwirkend zum 1. Juni 2011 eine Satzung, die einen Gemeindeanteil von 50 % des beitragsfähigen Aufwandes für überwiegend dem Anliegerverkehr, von 75 % für überwiegend dem innerörtlichen Verkehr und von 90 % für überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienende Verkehrsanlagen vorsah. Straßenbaumaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits geplant oder mit deren Ausführung bereits begonnen worden war, nahm die Satzung von ihrer Anwendung aus. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 änderte der Beklagte diese Satzung im Wege der Ersatzvornahme, indem er die Gemeindeanteile am Aufwand auf 25 %, 50 % bzw. 75 % senkte, eine Differenzierung der Abstufung nach Teileinrichtungen vorschrieb und den Vertrauensschutz für bereits geplante oder begonnene Maßnahmen strich. Den gegen beide Bescheide erhobenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 zurück. 3 Die hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen ganz überwiegend erfolglos. Mit Urteil vom 12. Januar 2018 hat der Verwaltungsgerichtshof die Androhung der Ersatzvornahme in dem Bescheid vom 23. Mai 2011 wegen fehlender Rechtsgrundlage aufgehoben und die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts im Übrigen zurückgewiesen. Die Anweisung zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung sei nach Maßgabe des § 139 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) rechtmäßig, weil die Klägerin gemäß § 93 HGO zum Ausgleich ihres Haushalts durch Abgabenerhebung verpflichtet sei. Hierdurch verdichte sich das ihr in § 11 Hessisches Kommunalabgabengesetz (KAG HE) eingeräumte Ermessen zu einer Erhebungspflicht. Dieser sei die Klägerin durch den Erlass ihrer Satzung nicht vollständig nachgekommen, weil sie ihr Einnahmepotenzial wegen der überhöhten Gemeindeanteile am Aufwand und wegen des eingeräumten Vertrauensschutzes für begonnene oder geplante Maßnahmen nicht vollständig ausgeschöpft habe. Die von dem Beklagten verfügte Ersatzvornahme sei deshalb auf der Grundlage von § 140 HGO rechtmäßig, insbesondere auch ermessensfehlerfrei erfolgt und verletze nicht das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. 4 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsurteil verletze den Grundsatz der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG und die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Bescheide des Beklagten ließen der Klägerin nicht den verfassungsrechtlich gebotenen Spielraum zur Ausgestaltung ihrer Satzung. Die Erhebung von Straßenbeiträgen dürfe ihr nicht verpflichtend vorgegeben werden. Die Gemeinden müssten selbst entscheiden, welche Einnahmequellen sie zur Erreichung eines Haushaltsausgleichs nutzen wollten. Dies dürfe die Kommunalaufsicht ihnen nicht alternativlos vorschreiben. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes sehe einen Vorrang der Finanzierung von Gemeinlasten aus Steuern vor. Das angegriffene Urteil und die Verfügung des Beklagten missachteten außerdem einen Grenzänderungsvertrag, den sie 1971 bei Eingemeindung der Gemeinde P. abgeschlossen habe. Zudem seien die kommunalaufsichtlichen Verfügungen willkürlich, da der Beklagte nicht in gleicher Weise gegen andere Kommunen mit einem Haushaltsdefizit vorgehe. 5 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2018, soweit die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist, sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 6. Juni 2013 zu ändern und die kommunalaufsichtlichen Verfügungen des Landrats des Vogelsbergkreises vom 23. Mai 2011 und vom 4. Oktober 2011 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2012 aufzuheben. 6 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das angegriffene Berufungsurteil. II 8 Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit revisiblem Recht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). 9 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2011, soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ohne Verstoß gegen revisibles Recht für rechtmäßig erachtet. 10 a) Die Rechtmäßigkeit des Bescheides bemisst sich nach der für das Revisionsgericht maßgeblichen Auslegung des einschlägigen Landesrechts durch das Berufungsgericht und der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 geltenden Sach- und Rechtslage. Dass sich die nach diesem Zeitpunkt erfolgten Änderungen des Hessischen Kommunalabgabengesetzes und der Hessischen Gemeindeordnung Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt beigemessen hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist, soweit Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens erfolgt sind (Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen vom 28. Mai 2018, GVBl. I S. 247), mangels einer dahingehenden Übergangsregelung nicht ersichtlich. 11 Der Beklagte konnte seine Anweisung an die Klägerin, mit Rückwirkung ab dem 1. Juni 2011 eine wirksame und den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes entsprechende Straßenbeitragssatzung in Kraft zu setzen, auf § 139 HGO i.d.F. vom 7. März 2005 (GVBl. I S. 142, geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 2011, GVBl. I S. 786, im Folgenden: HGO 2012) stützen. Die für eine Anweisung der Kommunalaufsichtsbehörde nach dieser Vorschrift erforderliche Verletzung von der Klägerin gesetzlich obliegenden Pflichten hat das Berufungsgericht in Auslegung irrevisiblen Landesrechts bejaht. Danach hatte sich das nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden § 11 Abs. 1 des KAG HE i.d.F. vom 17. März 1970 (GVBl. I S. 225, geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2005, GVBl. I S. 54, im Folgenden: KAG HE 2005) bestehende Ermessen hinsichtlich der Erhebung von Straßenbeiträgen wegen des Haushaltsdefizits der Klägerin in den Jahren 2010 bis 2012 nach § 93 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 10 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und 3 HGO 2012 zu einer Verpflichtung verdichtet, mögliche Beiträge für Ausbaumaßnahmen auch tatsächlich zu erheben und die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage unabhängig davon zu schaffen, ob konkrete Ausbaumaßnahmen absehbar waren. Das Berufungsgericht hat ferner aus dem Fehlen einer Satzung eine Pflichtverletzung der Klägerin abgeleitet, welche die Kommunalaufsicht grundsätzlich zu einem Einschreiten berechtigte. Weiterhin sei die Klägerin nach diesen Vorschriften angesichts ihrer Haushaltsnotlage daran gehindert gewesen, in einer Straßenbeitragssatzung höhere Gemeindeanteile am beitragsfähigen Aufwand vorzusehen als die in § 11 Abs. 3 KAG HE 2005 festgeschriebenen Mindestsätze. 12 Die revisionsgerichtliche Überprüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO; BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 <91 f.>). Bundesrecht kann allerdings eine verfassungskonforme Auslegung der irrevisiblen landesrechtlichen Normen durch das Revisionsgericht gebieten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - 9 C 6.13 - juris Rn. 11). Die Auslegung des Landesrechts in dem angegriffenen Urteil verstößt jedoch nicht gegen höherrangiges Recht. 13 b) Die gesetzliche Verpflichtung von Gemeinden, einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen, ist mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG vereinbar. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden, die sie zu verantwortlichem Disponieren befähigt, im Rahmen der Gesetze. Die gesetzgeberische Ausgestaltung und Beschränkung der Finanzhoheit der Gemeinden hat den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu wahren. Er ist verletzt, wenn die kommunale Gestaltungsfreiheit beseitigt wird oder kein hinreichender Spielraum für ihre Ausübung übrig bleibt. Zudem hat der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine landesrechtliche Verpflichtung zur Herbeiführung eines Haushaltsausgleichs oder jedenfalls zur Defizitminimierung ist mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, weil sie den Gestaltungsspielraum des Trägers der kommunalen Selbstverwaltung in der Zukunft sichert (vgl. zu alledem BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 10 C 43.09 - BVerwGE 138, 89 Rn. 18 ff. - und - mit Blick auf Gemeindeverbände - vom 16. Juni 2015 - 10 C 13.14 - BVerwGE 152, 188 Rn. 17 ff.). 14 Auch eine gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung von Straßenbeiträgen ist mit der kommunalen Finanzhoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar (BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - 8 B 205.96 - juris Rn. 4 und vom 16. November 2017 - 10 B 2.17 - juris Rn. 6). Das gilt sowohl für eine ausdrückliche gesetzliche Erhebungspflicht als auch für eine Verpflichtung der Gemeinden, die sich - wie es das Berufungsgericht hier erkannt hat - aus der Zusammenschau von Regelungen des kommunalen Haushaltsrechts und des Kommunalabgabenrechts ergibt. 15 Dem Einwand der Klägerin, ein landesrechtlicher Vorrang der Einnahmeerzielung durch Gebühren und Beiträge vor einer Steuerfinanzierung verstoße gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes, ist nicht zu folgen. Die Gemeindeordnungen sehen seit jeher Regelungen über die Rangfolge der gemeindlichen Einnahmen vor (vgl. näher Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, Rn. 1194; Waldhoff, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 7 Rn. 5). Sie sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebilligt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 - Buchholz 11 Art. 106 GG Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 16. November 2017 - 10 B 2.17 - juris Rn. 9). Das Bundesverfassungsgericht hält die Erhebung von Ausbaubeiträgen für verfassungsmäßig, ohne einen Vorrang der Steuerfinanzierung anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - BVerfGE 137, 1 Rn. 42). Die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die es mit Blick auf den Grundsatz der Finanzierung von Gemeinlasten aus Steuern an die Erhebung voraussetzungsloser parafiskalischer Sonderabgaben stellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - BVerfGE 92, 91 <113>), lassen sich schon wegen der mit Beiträgen abgegoltenen Vorteile des Beitragspflichtigen, aber auch wegen der eingeschränkten Möglichkeiten der Gemeinden zur Steuererhebung nicht auf die Erhebung kommunaler Beiträge übertragen. 16 c) Auch dass das Landesrecht den Beklagten ermächtigt, die angenommene gesetzliche Verpflichtung der Klägerin mit einer kommunalaufsichtlichen Anweisung durchzusetzen, steht mit Art. 28 Abs. 2 GG im Einklang. 17 Die staatliche Rechtsaufsicht über Gemeinden ist verfassungsrechtlich gebotenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung. Sie darf aber nicht im Wege einer Einmischungsaufsicht in kommunale Entscheidungsspielräume eindringen und der Gemeinde bestimmte Maßnahmen innerhalb eines bestehenden Gestaltungsspielraums alternativlos vorschreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 C 13.14 - BVerwGE 152, 188 Rn. 35). 18 Dass das Berufungsgericht die Aufsichtsmaßnahmen des Beklagten als rechtmäßig angesehen hat, lässt einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG nicht erkennen. Namentlich hat der Beklagte der Klägerin schon deshalb nicht im Wege unzulässiger Einmischungsaufsicht ein Mittel der Haushaltskonsolidierung vorgegeben, weil diese nach der berufungsgerichtlichen Auslegung des Landesrechts nach § 93 Abs. 1 und 2 HGO 2012 zur Erhebung von Straßenbeiträgen verpflichtet war, ohne dass ihr ein Ermessensspielraum verblieben wäre. Bei der Durchsetzung einer gesetzlichen Verpflichtung der Gemeinde, welche ihr keinen Handlungsspielraum belässt, unterliegt die Kommunalaufsichtsbehörde von vornherein nicht dem Verbot eines alternativlosen Vorschreibens bestimmter Maßnahmen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts drohte zum Zeitpunkt des Einschreitens zudem die rechtliche Möglichkeit der Erhebung von Straßenbeiträgen für die laufenden Maßnahmen zeitlich auszulaufen, weil die für die Erhebung von Beiträgen erforderliche Satzung nach § 3 KAG HE 2005 lediglich mit Rückwirkung für einen Zeitraum von maximal sechs Monaten erlassen werden konnte. Im Übrigen waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weitere Ausbaumaßnahmen bereits absehbar und der Erlass einer Beitragssatzung auch deswegen zur landesrechtlich zwingend gebotenen Verringerung des Haushaltsdefizits erforderlich. 19 d) Der Anweisung zum Erlass einer rückwirkenden Satzung stand nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegen. 20 Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie gegenüber dem Beklagten darauf vertraut hätte, keine Beiträge erheben zu müssen. Dem hätte auch bereits die landesrechtliche Pflicht zur Einnahmeerzielung entgegengestanden. 21 Etwaige Zusagen im Verhältnis der Klägerin zu den Grundstückseigentümern konnten ihre landesgesetzlichen Verpflichtungen nicht modifizieren. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob derartige Pflichten gegenüber Dritten der Rechtmäßigkeit der kommunalrechtlichen Anweisung überhaupt entgegenstehen könnten. Soweit die Klägerin geltend macht, die Einwohner des Stadtteils P. hätten aufgrund des 1971 geschlossenen Grenzänderungs- und Auseinandersetzungsvertrages darauf vertraut, von Ausbaubeiträgen verschont zu bleiben, lässt der vom Berufungsgericht festgestellte Tatbestand darüber hinaus weder eine Vertrauensgrundlage im geltenden Recht noch ein tatsächlich entstandenes Vertrauen auf Seiten der Bürger erkennen. Das Versprechen in § 7 Abs. 3 j) des Vertrages, beim Ausbau der Ortsdurchfahrtsstraße die Kosten der Nebenanlagen (Hochbordsteine und Bürgersteige) nicht auf die Bürger umzulegen, umfasst nicht alle Verkehrsanlagen der Klägerin, sondern nur eine bestimmte Straße, und auch dort lediglich einen Teil der auszubauenden Einrichtung. Der Anweisung zum Erlass einer Beitragssatzung als solcher kann es schon deshalb nicht entgegengehalten werden. Zudem hätte der Erlass des die landesrechtliche Beitragserhebungspflicht begründenden Gesetzes eine etwaige, mit dem Vertrag geschaffene rechtliche Vertrauensgrundlage der Bürger zerstört. 22 e) Die Anweisung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG ermessensfehlerhaft. Soweit die Klägerin im Anhörungsverfahren gegenüber dem Beklagten eine Ungleichbehandlung mit anderen Kommunen gerügt hat, welche ebenfalls keine Beitragssatzung erlassen hätten, hat sie ihr Vorbringen in den Tatsacheninstanzen nicht mehr weiterverfolgt; das Berufungsurteil enthält hierzu folglich keine Ausführungen. In ihrer Revisionsbegründung nennt sie zudem zwei Kommunen ohne Beitragssatzung, gegenüber denen der Beklagte ebenfalls im Wege der Kommunalaufsicht vorgegangen sei. Anhaltspunkte für ein willkürlich nur gegen die Klägerin gerichtetes Vorgehen bietet daher selbst ihr eigener Vortrag nicht. Im Übrigen könnte sich ein Gleichbehandlungsanspruch nicht auf ein rechtswidriges Unterlassen des kommunalaufsichtlichen Hinwirkens auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen der Klägerin richten. 23 f) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit oder das Äquivalenzprinzip ist nicht ersichtlich. 24 Der Einwand der Klägerin, die Staffelung der Umlagesätze nach § 11 Abs. 3 KAG HE 2005 sei nicht sachgerecht, weil jeder Grundstückseigentümer unabhängig von der Verkehrsbedeutung der Straße durch eine Ausbaumaßnahme denselben Vorteil der Vermittlung einer Zuwegung zum öffentlichen Straßennetz genieße, geht an dem Zweck der Norm vorbei. Die in § 11 Abs. 3 KAG HE 2005 vorgesehenen gemeindlichen Mindestanteile am Aufwand, die bei der Umlage auf die Grundstückseigentümer außer Betracht bleiben, sollen typisierend den Vorteil der Allgemeinheit je nach der Verkehrsbedeutung der Straße abbilden und ihn von dem Sondervorteil der Gruppe der Grundstückseigentümer abgrenzen, der eine Beitragserhebung für den nach Vorabzug des gemeindlichen Anteils verbleibenden Aufwand rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 9 C 2.17 - NVwZ-RR 2019, 70 Rn. 18; allg. zum gemeindlichen Anteil Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 34 Rn. 4 ff., 10). 25 Die Abstufungen in § 11 Abs. 3 KAG HE 2005 genügen den Anforderungen, die das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit an die Bemessung des eine Beitragspflicht begründenden Sondervorteils der Grundstückseigentümer stellt. Dies hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts für dessen weitgehend identische Nachfolgefassung entschieden (vgl. für § 11 Abs. 4 und 5 des KAG HE in der Fassung vom 24. März 2013; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2018 - 9 C 2.17 - NVwZ-RR 2019, 70 Rn. 15 ff.). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. 26 Die Regelung verletzt auch nicht das abgabenrechtliche Äquivalenzprinzip als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieses Prinzip setzt dem Gesetzgeber nur sehr weite Grenzen. Es verlangt, dass die Höhe des Beitrags nicht außer Verhältnis zu dem Vorteil steht, den er abgelten soll, und dass einzelne Beitragspflichtige im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig belastet werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2016 - 10 C 11.15 - Buchholz 430.5 IHKG Nr. 4 Rn. 18, und vom 15. November 2017 - 8 C 17.16 - Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 27 Rn. 33). Beides ist hier nicht der Fall. Mit den Beiträgen wird lediglich ein Restaufwand auf die Grundstückseigentümer umgelegt, welcher der Gemeinde tatsächlich entstanden ist. Die unterschiedliche Belastung von Grundstückseigentümern im Bereich einer dem Anliegerverkehr dienenden Straße im Vergleich zu Anliegern einer inner- oder überörtlichen Durchgangsstraße betrifft verschiedene Maßnahmen und ist lediglich die spiegelbildliche Folge der Bemessung des vom umlagefähigen Aufwand abgezogenen Vorteiles der Allgemeinheit. Ein Missverhältnis zu dem gebotenen Sondervorteil kann darin nicht gesehen werden. 27 g) Die unterschiedliche Belastung von Grundstückseigentümern in Ländern mit voneinander abweichenden landesrechtlichen Grundlagen zur Beitragserhebung verletzt schließlich offenkundig weder ein verfassungsrechtliches Prinzip der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse noch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, sondern ist Folge der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält die Verfassung kein allgemeines Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, welches föderal vielfältigen Gestaltungen in Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder entgegenstünde (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13 - BVerfGE 140, 65 Rn. 37). Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist lediglich ein verfassungsrechtliches Kriterium, das den Bund nach der vorliegend nicht einschlägigen Kompetenznorm des Art. 72 Abs. 2 GG zum Tätigwerden ermächtigt. 28 2. Das Berufungsgericht hat auch den Bescheid vom 4. Oktober 2011 über die Ersatzvornahme in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2012 ohne Verstoß gegen revisibles Recht für rechtmäßig gehalten. 29 Dem Beklagten stand als Mittel der Kommunalaufsicht auch der Erlass von Satzungsvorschriften im Wege der Ersatzvornahme zur Verfügung. Davon ist das Berufungsgericht in Auslegung des § 140 HGO 2012 stillschweigend ausgegangen. Dies begegnet auch im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG keinen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25, <45> m.w.N.). Der Erlass einer Satzung oder einzelner Satzungsvorschriften entzieht der Klägerin noch nicht ihr Recht auf Setzung von Ortsrecht. 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-44,29.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 44/2019 vom 29.05.2019 EN Keine Pflicht zur förmlichen Anhörung kreisangehöriger Gemeinden vor Festlegung des Kreisumlagesatzes Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass kreisangehörige Gemeinden vor Erlass einer Satzungsbestimmung über die Höhe des Kreisumlagesatzes nicht förmlich angehört werden müssen. Im Februar 2013 beschloss der Landkreis Nordwestmecklenburg seine Haushaltssatzung für das Jahr 2013 und legte darin nach § 23 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern den Kreisumlagesatz auf 43,67 % fest, ohne die davon betroffenen Gemeinden vorher förmlich anzuhören. Im September 2013 setzte die beklagte Landrätin gegenüber der klagenden Gemeinde die Kreisumlage für das Jahr 2013 fest. Das Verwaltungsgericht hat den Kreisumlagebescheid aufgehoben. Während des Berufungsverfahrens hat der Landkreis nach förmlicher Anhörung seiner kreisangehörigen Gemeinden den Kreisumlagesatz für das Haushaltsjahr 2013 erneut auf 43,67 % festgelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Änderungssatzung sei nichtig, weil sie eine Nachtragshaushaltssatzung darstelle und keiner der in der Kommunalverfassung für Mecklenburg-Vorpommern abschließend aufgezählten Fälle vorliege, in denen eine solche ergehen dürfe. Die ursprüngliche Satzungsbestimmung über die Festlegung des Kreisumlagesatzes sei ebenfalls nichtig, weil die kreisangehörigen Gemeinden vor ihrem Erlass nicht förmlich angehört worden seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass das Selbstverwaltungsrecht der klagenden Gemeinde nicht nur verletzt wird, wenn die Erhebung der Kreisumlage dazu führt, dass deren finanzielle Mindestausstattung unterschritten wird, sondern auch dann, wenn der Kreis bei der Erhebung der Kreisumlage seine eigenen finanziellen Belange gegenüber den finanziellen Belangen der kreisangehörigen Gemeinden einseitig und rücksichtslos bevorzugt. Bei Festsetzung der Kreisumlage muss der Kreis daher nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der von der Kreisumlage betroffenen Gemeinden berücksichtigen. Jedoch lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen, auf welche Weise dies zu erfolgen hat. Es obliegt daher vorrangig dem Landesgesetzgeber festzulegen, ob den Kreis bei Festlegung des Kreisumlagesatzes Verfahrenspflichten treffen und ob solchen Verfahrenspflichten Verfahrensrechte der betroffenen Gemeinden korrespondieren. Soweit derartige Regelungen fehlen, sind die Kreise in der Pflicht, ihr Rechtsetzungsverfahren derart auszugestalten, dass die genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt werden. Die Sache war an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil es - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft hat, ob die streitige Kreisumlage dazu führt, dass die finanzielle Mindestausstattung der klagenden Gemeinde unterschritten wird. Fußnote: Art. 28 GG (1) ... (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. (3) ...   § 23 FAG M-V (1) Soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen eines Landkreises seinen Bedarf nicht decken, ist eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden zu erheben (Kreisumlage). (2) - (5) ... BVerwG 10 C 6.18 - Urteil vom 29. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Greifswald, 2 L 463/16 - Urteil vom 18. Juli 2018 - VG Schwerin, 1 A 387/14 - Urteil vom 20. Juli 2016 -","Urteil vom 29.05.2019 - BVerwG 10 C 6.18ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U10C6.18.0 EN Keine Pflicht zur förmlichen Anhörung kreisangehöriger Gemeinden vor Festlegung des Kreisumlagesatzes Leitsatz: Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG verpflichtet den Landkreis vor der Festlegung der Höhe des Kreisumlagesatzes auch den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen offenzulegen. Eine Verpflichtung, die umlagepflichtigen Gemeinden vor der Entscheidung über die Höhe des Kreisumlagesatzes förmlich anzuhören, lässt sich dem Grundgesetz hingegen nicht entnehmen. Rechtsquellen GG Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 2, Art. 106 Abs. 6 Satz 6 LVerf M-V Art. 72 Abs. 1 KV M-V § 48 Abs. 1, § 120 Instanzenzug VG Schwerin - 20.07.2016 - AZ: VG 1 A 387/14 OVG Greifswald - 18.07.2018 - AZ: OVG 2 L 463/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.05.2019 - 10 C 6.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U10C6.18.0] Urteil BVerwG 10 C 6.18 VG Schwerin - 20.07.2016 - AZ: VG 1 A 387/14 OVG Greifswald - 18.07.2018 - AZ: OVG 2 L 463/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2019 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das am 23. Juli 2018 verkündete Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juli 2018 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die klagende Gemeinde wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Kreisumlage für das Jahr 2013 durch die beklagte Landrätin in Höhe von 95 594,02 €. 2 Am 21. Februar 2013 erließ der Landkreis seine Haushaltssatzung für das Jahr 2013. In deren § 5 legte er den Kreisumlagesatz auf 43,67 % der Umlagegrundlagen fest. Im Rahmen der Vorbereitung der Beschlussfassung hatte die Kreisverwaltung zahlreiche Unterlagen zur Finanzlage der kreisangehörigen Gemeinden und des Kreises zusammengestellt. Eine förmliche Anhörung der Gemeinden zur Höhe der Kreisumlage war dagegen nicht erfolgt. 3 Mit Bescheid vom 9. September 2013 erhob die Beklagte von der Klägerin eine Kreisumlage für das Jahr 2013 von 95 594,02 €. Diesen Betrag behielt sie im Wege der Verrechnung mit den der Klägerin zustehenden Schlüsselzuweisungen ein. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Kreisumlagebescheid wies sie zurück. 4 Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und den Landkreis zur Zahlung von 95 594,02 € zuzüglich Zinsen an die Klägerin verurteilt. Während des Berufungsverfahrens hat der Landkreis nach förmlicher Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden am 22. Februar 2018 § 5 seiner Haushaltssatzung für das Jahr 2013 rückwirkend zum 1. Januar 2013 neu gefasst und den Kreisumlagesatz erneut auf 43,67 % der Umlagegrundlagen festgesetzt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der angegriffene Kreisumlagebescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, weil er nicht auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhe. § 5 der Haushaltssatzung des Landkreises sei sowohl in seiner Fassung vom 22. Februar 2018 als auch in seiner Fassung vom 21. Februar 2013 nichtig. Die Änderungssatzung vom 22. Februar 2018 verstoße gegen § 48 Abs. 1 KV M-V i.V.m. § 120 KV M-V, wonach eine Änderung der Haushaltssatzung nur durch eine Nachtragshaushaltssatzung und nur während des betreffenden Haushaltsjahres möglich sei. § 5 der Haushaltssatzung vom 21. Februar 2013 sei ebenfalls nichtig, weil die Beklagte nicht zuvor alle Gemeinden förmlich angehört habe. Die Pflicht zur vorherigen Anhörung der Gemeinden folge aus Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 LVerf M-V. Die Vorschriften sicherten die finanzielle Handlungsfähigkeit der Gemeinden. Der Landkreis müsse daher bei der Festlegung der Höhe der Kreisumlage auch den Finanzbedarf der Gemeinden ermitteln und diesen in einen sachgerechten Ausgleich mit seinem Bedarf bringen. Allerdings könne eine Verletzung dieser Verpflichtung des Landkreises zum sachgerechten Interessenausgleich wegen der bestehenden vielfältigen Interdependenzen zwischen den Gemeinden und dem Landkreis und der Komplexität der erforderlichen Einschätzungen sowie wegen des Fehlens allgemeingültiger Maßstäbe gerichtlich nur schwer festgestellt werden. Aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 72 Abs. 1 LVerf M-V folge daher kompensierend eine Pflicht des Kreises, die Gemeinden vor Festsetzung einer Kreisumlage förmlich anzuhören. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob aus Art. 28 Abs. 2 GG ein Anhörungsrecht in dem von ihm angenommenen Umfang abzuleiten sei. 5 Zur Begründung ihrer Revision macht die Beklagte geltend, eine Verpflichtung der Landkreise, ihre kreisangehörigen Gemeinden vor der Festlegung des Kreisumlagesatzes förmlich anzuhören, lasse sich aus Art. 28 Abs. 2 GG nicht ableiten. Die Annahme einer solchen Verpflichtung schränke das kommunale Selbstverwaltungsrecht ein. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG weise dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, über solche Einschränkungen zu entscheiden. Dies gelte umso mehr, als es eine Vielzahl unterschiedlicher und jeweils tauglicher Möglichkeiten gebe, die Verpflichtung der Landkreise zur Ermittlung des gemeindlichen Finanzbedarfs vor der Festlegung eines Kreisumlagesatzes auszugestalten. Das Berufungsurteil sei auch rechtsfehlerhaft, soweit es dem Landkreis die Möglichkeit verwehre, den Verstoß gegen eine - unterstellte - Anhörungspflicht zu heilen. Seine Auslegung von § 48 Abs. 1 KV M-V i.V.m. § 120 KV M-V schränke die Finanz- und Haushaltsautonomie der Gemeindeverbände verfassungswidrig ein. 6 Der Beklagte beantragt, das am 23. Juli 2018 verkündete Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juli 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 20. Juli 2016 zu ändern und die Klage abzuweisen. 7 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Sie verteidigt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Die Verpflichtung der Landkreise, ihre kreisangehörigen Gemeinden vor der Festlegung der Höhe der Kreisumlage zu hören, folge nicht nur aus Art. 28 Abs. 2 GG, sondern auch aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Anhörungspflicht sei notwendig, um die finanziellen Interessen der Gemeinden bei der Festlegung der Kreisumlage zu wahren. Die Berechnung der Kreisumlage knüpfe an die Höhe der gemeindlichen Einnahmen an. Die gemeindliche Ausgabenseite spiele dagegen bei der Berechnung der Höhe der Kreisumlage keine Rolle. Ihre Berücksichtigung stelle das Anhörungsverfahren sicher. Die Anhörung der Gemeinden vor der Festlegung der Höhe der Kreisumlage sei umso mehr notwendig, wenn die Kreisumlage, wie hier, zu einem Entzug wesentlicher Finanzmittel der betroffenen Gemeinden führe. Die Anhörung müsse auch schon vor der Festlegung des Kreisumlagesatzes und nicht erst vor Erlass des Umlagebescheides erfolgen, bei dem kein Entscheidungsspielraum mehr bestehe. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses ist der Auffassung, dass sich aus Art. 28 Abs. 2 GG keine Verpflichtung der Landkreise zu einer förmlichen Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden vor Festlegung des Kreisumlagesatzes ableiten lässt. Es sei keineswegs zwingend, dass eine förmliche Anhörung die einzige Möglichkeit sei, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden bei der Festlegung des Kreisumlagesatzes sachgerecht zu ermitteln und damit die Grundlage für den geforderten Ausgleich der Finanzbedarfe von Kreis und Gemeinden zu schaffen. II 10 Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht. 11 Die unbeschränkt eingelegte Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Revision uneingeschränkt zugelassen. Das ergibt sich aus dem Tenor des Berufungsurteils, der keine Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der Revisionszulassung formuliert, sowie der Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht. Im Übrigen kann aus dem Umstand, dass die Begründung der Zulassungsentscheidung lediglich auf die Frage Bezug nimmt, ob ein Anhörungsrecht in dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Umfang aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleiten ist, nicht auf einen Willen des Oberverwaltungsgerichts geschlossen werden, die Revision nur teilweise zuzulassen. Dies gilt umso mehr, als eine Beschränkung der Revisionszulassung auf bestimmte Rechtsfragen oder Normen auch unzulässig wäre (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 132 Rn. 62). 12 Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Landkreise seien vor dem Beschluss des Kreisumlagesatzes zu einer förmlichen Anhörung ihrer kreisangehörigen Gemeinden verpflichtet. Eine solche Verpflichtung lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG jedoch nicht ableiten (1.). Das Berufungsurteil beruht auf diesem Bundesrechtsverstoß (2.). Da es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, muss die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden (3.). 13 1. a) Das Oberverwaltungsgericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin nicht nur verletzt wird, wenn die Erhebung einer Kreisumlage dazu führt, dass deren finanzielle Mindestausstattung unterschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 18 ff.), sondern auch dann, wenn der Landkreis bei der Erhebung der Kreisumlage seine eigenen finanziellen Belange gegenüber den finanziellen Belangen seiner kreisangehörigen Gemeinden einseitig und rücksichtslos bevorzugt und damit den Grundsatz des Gleichrangs der finanziellen Interessen der kommunalen Gebietskörperschaften Gemeinden und Landkreis auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 13 ff.). Es hat weiterhin zutreffend angenommen, dass die Wahrung des Grundsatzes des Gleichrangs der finanziellen Interessen der kommunalen Gebietskörperschaften den Landkreis bei der Erhebung einer Kreisumlage verpflichtet, nicht nur seinen eigenen Finanzbedarf, sondern auch denjenigen der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und seine Entscheidungen in geeigneter Form - etwa im Wege einer Begründung der Ansätze seiner Haushaltssatzung - offenzulegen, um den Gemeinden und gegebenenfalls den Gerichten eine Überprüfung zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14). 14 Entgegen seiner Auffassung ist Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 3 GG allerdings nicht zu entnehmen, in welcher Art und Weise die Landkreise den Finanzbedarf ihrer Gemeinden zu ermitteln und offenzulegen haben und ob solchen Verfahrenspflichten entsprechende Verfahrensrechte der betroffenen Gemeinden korrespondieren. Die Verpflichtung des Landkreises zur Ermittlung und Offenlegung des finanziellen Bedarfs seiner kreisangehörigen Gemeinden hat der Senat aus der Institutsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung abgeleitet, die der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 13). Es obliegt daher dem jeweiligen Landesgesetzgeber, das Verfahren der Erhebung von Kreisumlagen zu regeln. Soweit derartige Regelungen fehlen, haben die Landkreise die Befugnis zur Gestaltung ihrer Verfahrensweise. Sie tragen damit die Verantwortung dafür, hierbei ein Verfahren zu beobachten, welches sicherstellt, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt werden. 15 b) Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in bestimmten Fällen aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein verfassungsunmittelbares Recht einer Gemeinde auf Anhörung entnommen. Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die Festsetzung des Kreisumlagesatzes durch einen Landkreis nicht übertragen. 16 So sind gesetzliche Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden ebenso wie staatlich angeordnete Änderungen des Namens von Gemeinden nur nach vorheriger Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2002 - 2 BvR 329/97 - BVerfGE 107, 1 <24> m.w.N.). Ferner sind Eingriffe in die gemeindliche Planungshoheit mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur vereinbar, wenn eine Güterabwägung ergibt, dass schutzwürdige überörtliche Interessen die Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit erfordern, was wiederum eine Anhörung der betroffenen Gemeinden voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 584/76 u.a. - BVerfGE 56, 298 <314, 320> und vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, 107 <122>). Schließlich kann bei der Verlagerung von Aufgaben mit relevanter kommunaler Bedeutung auf eine andere staatliche Ebene (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2014 - 2 BvL 2/13 - BVerfGE 138, 1 Rn. 60) und bei der staatlichen Entscheidung über die Verteilung knapper Mittel oder Güter zwischen konkurrierenden Kommunen (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 - BVerfGE 137, 108 Rn. 110 f.) der Gedanke des Rechtsgüterschutzes durch Verfahren auf ein Anhörungsrecht der betroffenen Kommunen führen. 17 Mit all diesen Fallkonstellationen ist die vorliegende nicht vergleichbar. Hier geht es nicht um einen rechtfertigungsbedürftigen staatlichen Eingriff in die Selbstverwaltungshoheit einzelner Gemeinden, sondern um die Entscheidung einer kommunalen Gebietskörperschaft über die Verteilung der finanziellen Mittel innerhalb des kommunalen Raums zwischen Gemeinden und Landkreis. Bei dieser Entscheidung können sich sowohl der Landkreis, der über die Mittelverteilung entscheidet, als auch die Gemeinden, denen Finanzmittel entzogen werden, auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und ihren daraus abgeleiteten Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzierung aus Art. 28 Abs. 2 GG berufen. Die Festsetzung des Kreisumlagesatzes dient nicht dazu, dem kommunalen Raum Finanzmittel zu entziehen, sondern dem Ausgleich der im kommunalen Raum konkurrierenden finanziellen Interessen. Eine gewachsene Anhörungstradition ist zudem bei der Festlegung von Kreisumlagesätzen nicht erkennbar. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Einhaltung der in der Rechtsprechung des Senats anerkannten rechtlichen Grenzen für die Festsetzung von Kreisumlagesätzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 8 C 1.12 - BVerwGE 145, 378 Rn. 14, 16, 19 ff.) im gerichtlichen Verfahren nicht oder nur eingeschränkt überprüft werden könnte. 18 2. Das Berufungsurteil beruht auf dem festgestellten Bundesrechtsverstoß. Es leitet die Verpflichtung der Landkreise, ihre kreisangehörigen Gemeinden vor der Festlegung des Kreisumlagesatzes anzuhören, aus Art. 28 Abs. 2 GG und nicht auch selbständig tragend aus Art. 72 Abs. 1 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern (LVerf M-V) ab. Die parallele Nennung beider Vorschriften ist nicht dahin zu verstehen, dass die Anhörungspflicht jeweils selbständig und unabhängig voneinander aus beiden Vorschriften abgeleitet werden sollte. Dagegen spricht insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen hat, ob die von ihm angenommene Anhörungspflicht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG folgt. Das setzt voraus, dass es auf die von ihm formulierte Frage auch entscheidungserheblich ankam. Das wäre nicht der Fall, wenn es die Anhörungspflicht selbständig tragend aus Art. 72 Abs. 1 LVerf M-V abgeleitet hätte. 19 3. Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Namentlich hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass die Kreisumlage für das Jahr 2013 den kreisangehörigen Gemeinden gegenüber einseitig und rücksichtslos festgesetzt worden wäre. Nach seinen Feststellungen hat der Landkreis vielmehr die ursprünglich erwogene Erhöhung des Umlagesatzes um 3 % aus Rücksicht auf die finanziellen Belange der umlagepflichtigen Gemeinden auf 1,5 % verringert. 20 Erweist sich danach die Revision als begründet, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob das Berufungsurteil im Übrigen mit Bundesrecht im Einklang steht. Das gilt namentlich für die Annahme des Berufungsgerichts, nach § 48 KV M-V i.V.m. § 120 KV M-V dürften Haushaltssatzungen nach Ablauf des Haushaltsjahres - abgesehen von Formfehlern und Berichtigungen - nicht mehr geändert werden, sowie die darauf gestützte Feststellung der Nichtigkeit der Satzung vom 22. Februar 2018. 21 Der Senat kann die Sache nicht abschließend entscheiden. Hierzu muss noch auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen werden, die Höhe der Kreisumlage führe dazu, dass ihre eigene finanzielle Ausstattung strukturell und auf Dauer unterhalb des verfassungsgebotenen Minimums verblieben sei. Das hat das Oberverwaltungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, bislang ungeprüft gelassen. Dies wird es nachzuholen haben. Sollte das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangen, dass der Anspruch der Klägerin auf Belassung der verfassungsgebotenen finanziellen Mindestausstattung verletzt wurde, wird es weiter zu erwägen haben, ob dies unmittelbar zur Unwirksamkeit des festgesetzten Umlagesatzes führt oder ob die Unwirksamkeit des Umlagesatzes erst angenommen werden kann, wenn es für die Klägerin keine erfolgversprechende Möglichkeit gibt, zusätzliche Finanzmittel (z.B. Liquiditätsbeihilfen, Sanierungsbeihilfen) oder eine Befreiung von der Umlageerhebung zu erlangen." bverwg_2019-45,29.05.2019,"Pressemitteilung Nr. 45/2019 vom 29.05.2019 EN Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes im Hinblick auf eine Ausreise nach Afghanistan Die zuständige Passbehörde kann den Geltungsbereich eines Passes im Hinblick auf die Ausreise in ein Land beschränken, wenn in diesem das konkret und individuell auf den Passinhaber bezogene Risiko einer Entführung besteht und mit einer anschließenden Erpressung der Bundesrepublik Deutschland durch die Entführer zu rechnen ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist Vorsitzende eines Vereins, der sich der humanitären Hilfe für Menschen in Afghanistan widmet. Sie plante im Herbst des Jahres 2016, im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Verein in die afghanische Region Kunduz zu reisen. Der Beklagten lagen als zuständiger Passbehörde Informationen des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes vor, die das in Afghanistan und in der Provinz Kunduz für Ausländer bestehende hohe Risiko, Opfer einer Entführung zu werden, sowie die Gefahr einer Erpressung der Herkunftsstaaten der Betroffenen durch die Entführer betrafen. Zudem lagen Hinweise vor, dass konkret die Klägerin dort entführt werden sollte. Unter Berufung auf diese Informationen beschränkte die Beklagte den Geltungsbereich des Reisepasses der Klägerin dergestalt, dass dieser nicht zur Ausreise nach Afghanistan berechtige. Wegen der im Fall einer Entführung der Klägerin drohenden erpresserischen Lösegeldforderung gegenüber dem Herkunftsstaat seien sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG gefährdet. Die Beklagte befristete die Beschränkung zunächst auf ein Jahr. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat der gegen den Bescheid gerichteten Anfechtungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der von der Beklagten auf der Grundlage von § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG erlassene Beschränkungsbescheid rechtmäßig war. Nach diesen bundesrechtlichen Vorschriften kann der räumliche Geltungsbereich eines Passes beschränkt werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland (d.h. andere als die innere oder äußere Sicherheit i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 PassG) gefährdet. Diese Vorschrift schränkt die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Ausreisefreiheit in verfassungsgemäßer Weise ein. Ein sonstiger erheblicher Belang ist die Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Gestaltung der Außenpolitik verantwortlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Belang war im Fall der Klägerin in dem für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Beschränkungsbescheids gefährdet. Das Oberverwaltungsgericht hat die der Entscheidung der Beklagten zu Grunde liegenden Tatsachen auf der Grundlage der durch das Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme für das Bundesverwaltungsgericht bindend festgestellt. Danach lag ein tragfähiger Hinweis auf die Absicht einer Gruppe von afghanischen Aufständischen vor, die Klägerin zu entführen. Des Weiteren war ein wirksamer Schutz der Klägerin vor einer solchen Entführung nicht gegeben und es wäre eine Erpressung der Bundesrepublik Deutschland zu erwarten gewesen. Die darauf gestützte Annahme einer Gefährdung ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der angegriffene Bescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil nicht schon die Klägerin mit ihrer Ausreise, sondern erst Dritte durch die Entführung die genannte Gefahr unmittelbar verursacht hätten. Denn die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG enthält eine spezialgesetzliche Regelung der Verantwortlichkeit, die den allgemeinen Grundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts über die Störerhaftung vorgeht. Dies ergibt sich v.a. aus dem Sinn und Zweck der Norm. Diese verlagert aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr den Rechtsgüterschutz vor, weil deutsche Stellen in dem Zeitpunkt, in dem sich die Gefährdung im Ausland realisiert, wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips und faktisch an einem Einschreiten mit vergleichbarer Wirksamkeit gehindert sind. Die auf ein Jahr befristete Passbeschränkung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. BVerwG 6 C 8.18 - Urteil vom 29. Mai 2019 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 11 LC 177/17 - Urteil vom 23. Februar 2018 - VG Braunschweig, 4 A 383/16 - Urteil vom 04. April 2017 -","Urteil vom 29.05.2019 - BVerwG 6 C 8.18ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U6C8.18.0 EN Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes Leitsätze: 1. Die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG ist ein Dauerverwaltungsakt, für dessen Rechtmäßigkeit es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt. 2. Die Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Außenpolitik verantwortlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland ist ein sonstiger erheblicher Belang im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG. 3. Für die Anwendung der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG reicht es aus, wenn zwischen der Ausreise, für die der Passbewerber bzw. Passinhaber den Pass benötigt, und der Gefährdung eines Belangs in einem weiten Sinne ein Kausalzusammenhang besteht; eine unmittelbare Verursachung ist nicht erforderlich. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs.1 PassG § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3, § 7 Abs. 2, § 8 VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4, § 114 Satz 1, § 139 Abs. 3 Satz 4 VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1, § 39 Abs. 2 Nr. 2 4. Zusatzprotokoll zur EMRK Art. 2 Instanzenzug VG Braunschweig - 04.04.2017 - AZ: VG 4 A 383/16 OVG Lüneburg - 23.02.2018 - AZ: OVG 11 LC 177/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.05.2019 - 6 C 8.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290519U6C8.18.0] Urteil BVerwG 6 C 8.18 VG Braunschweig - 04.04.2017 - AZ: VG 4 A 383/16 OVG Lüneburg - 23.02.2018 - AZ: OVG 11 LC 177/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn, Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin ist Vorsitzende des Vereins K. e.V., der sich der humanitären Hilfe für Menschen in Afghanistan widmet und nach seinem ursprünglichen Tätigkeitsort in der Region Kunduz benannt ist. Sie wendet sich gegen eine von der Beklagten verfügte befristete Beschränkung des Geltungsbereichs ihres Reisepasses in Bezug auf eine Ausreise nach Afghanistan. 2 Der Beklagten lagen im September 2016 Informationen des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes vor, die sich zu dem in Afghanistan und in der Provinz Kunduz für Ausländer bestehenden hohen Risiko, Opfer einer Entführung durch Aufständische - insbesondere durch die Taliban - zu werden, der Gefahr einer Erpressung der Herkunftsstaaten der Betroffenen durch die Entführer und dem grundsätzlich unsicheren Bestand von Schutzzusagen afghanischer Autoritäten für ausländische Reisende verhielten. Berichtet wurde darüber hinaus, der Bundesnachrichtendienst habe Ende Juli 2016 den auf die Klägerin deutenden Hinweis erhalten, dass eine aus mindestens vier Personen bestehende, der sog. Jundullah zuzuordnende Gruppe den Plan zur Entführung einer Deutschen verfolge, die bei Kunduz Hilfsprojekte betreibe. Der Krisenbeauftragte der Bundesregierung habe der Klägerin am Wochenende des 27./28. August 2016 die für sie bestehende abstrakte und konkrete Bedrohungslage in einem persönlichen Gespräch eindringlich erläutert. Die Sicherheitsbehörden regten an, eine ihrer Einschätzung nach kurz bevorstehende Reise der Klägerin nach Afghanistan durch den Erlass einer Passbeschränkung zu unterbinden. 3 Mit Bescheid vom 12. September 2016 beschränkte die Beklagte, gestützt auf § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG, den Geltungsbereich des Reisepasses der Klägerin dergestalt, dass dieser nicht zur Ausreise nach Afghanistan unmittelbar oder über ein Drittland berechtige. Sie befristete diese Beschränkung zunächst bis zum 1. September 2017. Die Beklagte berief sich auf die ihr vorliegenden Informationen der Bundessicherheitsbehörden über die abstrakte Gefährdungslage sowie die konkret für die Klägerin bestehende Entführungsgefahr in Afghanistan und verwies auf das Gespräch der Klägerin mit dem Krisenbeauftragten der Bundesregierung Ende August 2016 sowie auf ein sogenanntes Sensibilisierungsgespräch, das das Landeskriminalamt Niedersachsen mit ihr bereits im April 2016 geführt hatte. Wegen der im Fall einer Entführung der Klägerin drohenden erpresserischen Lösegeldforderung der Entführer gegenüber dem Herkunftsstaat der Klägerin seien im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die Befristung der Beschränkung werde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorgenommen. 4 Der von der Klägerin gegen den Bescheid erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Zwar bestehe nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme die erhebliche Gefahr, dass die Klägerin im Fall einer Reise nach Afghanistan dort von regierungsfeindlichen Kräften entführt werde. Auch gefährde die Erpressung von Lösegeld für eine deutsche Staatsangehörige nach deren Entführung sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG. Die Klägerin sei aber nach den Maßstäben des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts weder als unmittelbare Verursacherin noch als Zweckveranlasserin für eine etwaige Entführung mit anschließender Lösegeldforderung gegen die Bundesrepublik Deutschland verantwortlich und könne insoweit auch unter dem Gesichtspunkt der Anscheinsgefahr nicht in Anspruch genommen werden. 5 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die nach der zeitlichen Erledigung des Beschränkungsbescheids mit einem Fortsetzungsfeststellungsbegehren weitergeführte Klage abgewiesen. Die Klage sei unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr zulässig, könne aber in der Sache keinen Erfolg haben. Der Bescheid sei nicht wegen eines formellen Mangels zu beanstanden. Eine in Bezug auf die Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung etwa nicht hinreichende Begründung sei jedenfalls durch den Vortrag der Beklagten im Prozess geheilt bzw. habe die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig gewesen. Dies gelte für die gesamte Zeit der angeordneten Beschränkungsfrist vom 12. September 2016 bis zum 1. September 2017, auf die es in der prozessualen Situation der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen einen befristeten und erledigten Dauerverwaltungsakt, als der sich der Beschränkungsbescheid darstelle, ankomme. 6 Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass in dem genannten Zeitraum bestimmte Tatsachen vorgelegen hätten, die im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG die Annahme begründet hätten, dass bei einer Reise der Klägerin nach Afghanistan sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet worden wären. Dies ergebe sich aus einer Gesamtbewertung der vorliegenden Informationen der Sicherheitsbehörden, die durch die von dem Verwaltungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt und weiter konkretisiert worden seien. Für die Klägerin habe nicht nur eine pauschale, sondern die konkret auf ihre Person bezogene Gefahr einer Entführung bestanden. Insoweit habe insbesondere der am 27. Juli 2016 bei dem Bundesnachrichtendienst eingegangene, als tragfähig zu qualifizierende Hinweis, dass Mitglieder der Jundullah die Entführung einer Frau beabsichtigt hätten, deren Beschreibung auf die Klägerin zutreffe, eine hinreichend bestimmte Tatsache im Sinne der herangezogenen Rechtsgrundlage dargestellt. Für die Annahme, dass sich die konkreten Entführungspläne gegen die Klägerin gerichtet hätten, spreche zudem deren hoher Bekanntheitsgrad in der betroffenen Region Afghanistans. Der Einschätzung der Sicherheitsbehörden, dass sich die Klägerin selbst nicht ausreichend vor einer potentiellen Entführung habe schützen können, sei ebenfalls zu folgen. Durch die konkret zu befürchtende Entführung der Klägerin habe eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland bestanden, weil nach den nachvollziehbaren Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden damit zu rechnen gewesen sei, dass von den Entführern erpresserische Forderungen zur Zahlung von Lösegeld oder zur sonstigen Förderung ihrer Ziele an den deutschen Staat gerichtet worden wären, wodurch dessen Sicherheitsinteressen tangiert und sein Ansehen geschädigt worden wären sowie Spannungen auf diplomatischer Ebene hätten entstehen können. Die Auflösung einer derartigen Situation wäre mit zahlreichen Konflikten und Risiken verbunden gewesen und hätte möglicherweise einen erheblichen Einsatz sicherheitspolitischer und diplomatischer Ressourcen erfordert. Etwa eingesetzte deutsche Rettungs- bzw. Geiselbefreiungsteams wären einer beachtlichen Leib- und Lebensgefahr ausgesetzt gewesen. 7 Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Ansicht stehe der Rechtmäßigkeit des Beschränkungsbescheids nicht entgegen, dass die Klägerin ihre drohende Entführung mit hieran voraussichtlich anschließenden erpresserischen Forderungen nicht selbst ins Werk gesetzt, es vielmehr noch des Hinzutretens eines entsprechenden Verhaltens der potentiellen Entführer bedurft hätte. Eine nach den anerkannten Methoden vorgenommene Auslegung von § 8 und § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ergebe, dass in diesen Vorschriften abschließend geregelt sei, gegen wen aus den dort genannten Gründen eine passbeschränkende Maßnahme gerichtet werden könne. Ob es danach gerechtfertigt sei, den Passbewerber bzw. Passinhaber zur Gefahrenabwehr in Anspruch zu nehmen, sei - losgelöst von der im allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrecht überwiegend vertretenen Theorie der unmittelbaren Verursachung - im Rahmen einer passgesetzspezifischen Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Bei der im Rahmen dieser Betrachtung vorzunehmenden Abwägung sei einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei den durch die genannten Vorschriften geschützten sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland um besonders bedeutsame Rechtsgüter handele. Andererseits seien die Gegenrechte des Passbewerbers bzw. Passinhabers, insbesondere dessen durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Ausreisefreiheit in Rechnung zu stellen. Von Bedeutung sei darüber hinaus, ob der Betroffene durch sein Verhalten eine Ursachenkette in Gang setze, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung des Schutzguts der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland führe und es deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr gerechtfertigt sei, ihm die Entstehung der Gefährdungslage zuzurechnen. Nach diesen Maßstäben sei die Klägerin zu Recht in Anspruch genommen worden, weil den öffentlichen Interessen ein die Interessen der Klägerin überwiegendes Gewicht zugekommen sei. Der Beschränkungsbescheid sei verhältnismäßig und weise auch sonst keine Ermessensfehler auf. 8 Die Klägerin verfolgt mit ihrer von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision ihr Fortsetzungsfeststellungsbegehren weiter. Sie macht geltend, es gebe keine tragfähigen, im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG die Annahme einer Gefährdung von sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland begründenden bestimmten Tatsachen. Auch müsse die Gefährdung nach dem Wortlaut, dem Zweck und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift von dem Passbewerber bzw. Passinhaber ausgehen. Dies sei im vorliegenden Fall, in dem dritte Personen durch eine Entführung der eine humanitäre Mission verfolgenden Klägerin sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnten, nicht gegeben. 9 Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen das Berufungsurteil. II 10 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb nach § 144 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts im Einklang mit revisiblem Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann den Beschränkungsbescheid vom 12. September 2016, der sich am 1. September 2017 mit Ablauf der ihm beigegebenen Befristung durch Zeitablauf erledigt hat, zwar in zulässiger Weise mit der Fortsetzungsfeststellungsklage zur gerichtlichen Prüfung stellen (1.). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid rechtmäßig war (2.). 11 1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, auf die die Klägerin ihre zunächst erhobene Anfechtungsklage nach der Erledigung des angegriffenen Beschränkungsbescheids umgestellt hat, zu Recht für zulässig erachtet. Es hat insbesondere das berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids zutreffend unter Verweis auf eine bestehende Wiederholungsgefahr und damit auf eine der anerkannten Fallgruppen, in denen das genannte Interesse typischerweise gegeben ist (vgl. dazu etwa: BVerwG, Urteil vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​290317U6C1.16.0] - BVerwGE 158, 301 Rn. 29 m.w.N.), bejaht. Die Beklagte hatte bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts einen Folgebescheid mit einer bis zum 1. September 2018 befristeten Beschränkung des Geltungsbereichs des Reisepasses der Klägerin im Hinblick auf eine Ausreise nach Afghanistan erlassen und hat diese Beschränkung mittlerweile durch einen weiteren Folgebescheid mit einer bis zum 1. September 2019 laufenden Frist fortgeführt. 12 2. In der Sache muss die Klage ohne Erfolg bleiben. Der Beschränkungsbescheid vom 12. September 2016 ist, gestützt auf die bundesrechtliche Rechtsgrundlage des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG sowie - hinsichtlich seiner Befristung - auf die nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisible Bestimmung des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG (a.), weder aus Gründen des formellen Rechts (b.) noch materiell-rechtlich (c.) zu beanstanden. 13 a. Die Vorschrift des § 8 PassG verweist für die Entziehung eines ausgestellten Passes auf die Passversagungsgründe des § 7 Abs. 1 PassG. Hierin ist als Minus eine Bezugnahme auch auf das mildere Mittel der Passbeschränkung nach § 7 Abs. 2 PassG enthalten (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 - BVerwGE 129, 142 Rn. 28). Nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG kann der räumliche Geltungsbereich eines Passes beschränkt werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland (das heißt andere als die innere oder äußere Sicherheit im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 PassG) gefährdet, eine Entziehung des Passes jedoch unverhältnismäßig wäre. Von der Struktur der Regelung her muss sich auf deren Tatbestandsseite an die Tatsachenfeststellung eine Gefahrenprognose der Passbehörde anschließen. Diese hat sodann auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensentscheidung zu treffen. Der Entscheidung kann eine Nebenbestimmung nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 VwVfG beigefügt werden, unter anderem nach Nr. 1 der Vorschrift in Gestalt einer Befristung, wie sie hier in Rede steht. 14 b. Der angegriffene Beschränkungsbescheid litt nicht - wie von dem Oberverwaltungsgericht für möglich, jedoch wegen einer jedenfalls anzunehmenden Heilung oder Unbeachtlichkeit für nicht entscheidungserheblich gehalten - an dem formell-rechtlichen Mangel nicht hinreichender Begründung (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 VwVfG) wegen einer unzureichenden Angabe der Tatsachen, die nach Einschätzung der Beklagten die Annahme einer Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG rechtfertigten. Entscheidend für die Erfüllung des formellen Begründungserfordernisses ist wie allgemein, so auch bei passgerichteten Verfügungen, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, seine Rechte sachgemäß zu verteidigen (für das Passrecht: BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <44>). Dieses Erfordernis war hier jedenfalls unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des angegriffenen Bescheids und des Rechtsgedankens des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG auch in tatsächlicher Hinsicht erfüllt. Die mit dem Fall der Klägerin befassten Sicherheitsbehörden hatten ihr vor Erlass des Bescheids in Gesprächen die nach dortiger Einschätzung bestehende abstrakte Gefährdungslage mitsamt dem konkret für die Klägerin bestehenden Entführungsrisiko verdeutlicht. 15 c. Der Beschränkungsbescheid war materiell rechtmäßig. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses am 12. September 2016 (aa.). Zu diesem Zeitpunkt waren die materiellen Voraussetzungen für den Erlass des Bescheids gegeben (bb.). 16 aa. Nach der gesicherten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt, auf den im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsakts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzustellen ist, in erster Linie nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (BVerwG, Urteile vom 3. November 1987 - 9 C 254.86 - BVerwGE 78, 243 <244> und vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 13). Für die hier streitige (befristete) Passbeschränkung ergibt sich nichts Abweichendes daraus, dass eine derartige Maßnahme nach der insoweit zutreffenden Ansicht des Oberverwaltungsgerichts zur Gruppe der sog. Dauerverwaltungsakte gehört. Denn auch für Dauerverwaltungsakte beantwortet sich die Frage nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage vorrangig nach dem materiellen Fachrecht (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <3>; Beschluss vom 23. November 1990 - 1 B 155.90 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47 S. 7; Rennert, DVBl 2019, 593 <598>). 17 Dem Regelungszusammenhang der hier maßgeblichen materiellen Bestimmungen des § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG und des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG lässt sich entnehmen, dass es für den Erfolg einer gegen die befristete Beschränkung gerichteten Anfechtungsklage - und damit auch für denjenigen einer an deren Stelle getretenen Fortsetzungsfeststellungsklage - entgegen der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts allein auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gegebene Sach- und Rechtslage ankommt. Dies ist hier der 12. September 2016, der Tag, an dem der angegriffene Beschränkungsbescheid erlassen wurde, gegen den nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 des Niedersächsischen Justizgesetzes ein Widerspruchsverfahren unstatthaft war. 18 Gewichtigster materiell-rechtlicher Anhalt für die Maßgeblichkeit des genannten Zeitpunkts ist § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG, wonach auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt wird, wenn die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen. In dieser Vorschrift ist eine Trennung der Verfahren betreffend die Beschränkung und die Neuerteilung eines Passes in ähnlicher Weise angelegt, wie sie für den Bereich der Gewerbeuntersagung in § 35 Abs. 6 GewO in Gestalt der Unterscheidung zwischen Untersagungsverfahren und Wiedergestattungsverfahren zum Ausdruck gelangt (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <3>; Beschluss vom 23. November 1990 - 1 B 155.90 - Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47 S. 8). Hinzu kommt, dass nach den hier für die Passbeschränkung herangezogenen Normen die zuständige Passbehörde, wie bereits erwähnt, auf der Tatbestandsseite eine Gefahrenprognose und auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Letzteres gilt auch für die die Befristung tragende Vorschrift des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. In der erstgenannten Hinsicht kann es für die Feststellung der maßgeblichen Sachlage und der aus ihr abzuleitenden Prognose nur auf den Sach- und Erkenntnisstand in dem Zeitpunkt ankommen, in dem die Maßnahme getroffen wurde (für das Gefahrenabwehrrecht allgemein: BVerwG, Urteile vom 26. Februar 1974 - 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51 <60> und vom 1. Juli 1975 - 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 f.>). Ebenso hat sich die gerichtliche Nachprüfung einer behördlichen Ermessensentscheidung, sofern sich - wie hier - aus dem materiellen Recht nichts Abweichendes ergibt, nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO auf den Zeitpunkt der Ausübung des Ermessens zu beziehen (BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 - 6 C 2.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​270319U6C2.18.0] - juris Rn. 10). 19 bb. Zum Zeitpunkt des Erlasses am 12. September 2016 waren die in § 8 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Satz 1 PassG normierten Voraussetzungen für die von der Beklagten verfügte Beschränkung des Reisepasses der Klägerin gegeben und die vorgesehene Befristung nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG gerechtfertigt. Im Rahmen des durch § 8 PassG in Bezug genommenen Passversagungsgrunds des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG ist der unbestimmte Rechtsbegriff der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Ausreisefreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG eng auszulegen. Die Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Außenpolitik verantwortlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland stellt einen solchen Belang dar (aaa.). Die von dem Oberverwaltungsgericht bindend festgestellten, bestimmten und hinreichend aktuellen Tatsachen begründeten im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG die Annahme, dass der genannte Belang im Fall einer Ausreise der Klägerin nach Afghanistan wegen einer ihr dort drohenden Entführung durch Aufständische mit der zu erwartenden Folge einer Erpressung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet war (bbb.). Diese Gefährdung war der Klägerin zuzurechnen, obwohl deren weitere Konkretisierung und etwaige Verwirklichung von ihr nicht unmittelbar verursacht worden wäre (ccc.). Die Entscheidung der Beklagten war frei von Ermessensfehlern und verstieß insbesondere nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei der nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG beigefügten Befristung besondere Bedeutung zukam. Die von dem Oberverwaltungsgericht herangezogene Figur der passgesetzspezifischen Gesamtbetrachtung ist in diesem Zusammenhang ohne Erkenntniswert (ddd.). Aus internationalem Recht, insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 und 3 des vierten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZP IV EMRK) ergibt sich nichts anderes (eee.). 20 aaa. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit Jahrzehnten geklärt, dass die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Ausreisefreiheit auch durch den Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung wirksam eingeschränkt wird. Vorausgesetzt wird dabei mit Blick auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie die erforderliche Bestimmtheit und die Verhältnismäßigkeit der Norm eine enge Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sonstigen erheblichen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Es muss sich um Belange handeln, die in ihrer Erheblichkeit den Belangen der inneren und äußeren Sicherheit nach der ersten bzw. zweiten Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG wenn auch nicht gleich-, so doch nahekommen, und die so gewichtig sind, dass sie der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland aus zwingenden staatspolitischen Gründen vorangestellt werden müssen (grundlegend zu der im wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 7 Abs. 1 Buchst. a PassG 1952: BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <42 f.> im Anschluss an das seinerzeit mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 1956 - 1 C 41.55 - BVerwGE 3, 171 <176>). 21 Ein derartiger Belang der Bundesrepublik Deutschland von herausragender Gewichtigkeit ist die Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit ihrer für die Gestaltung der Außenpolitik verantwortlichen Organe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt das Grundgesetz den im außenpolitischen Bereich zum politischen Handeln berufenen Organen - insbesondere der Bundesregierung - einen breiten Raum politischen Ermessens, das heißt einen sehr weiten Spielraum im Hinblick auf die Einschätzung außenpolitisch erheblicher Sachverhalte und die Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1975 - 1 BvR 274/72 u.a. - BVerfGE 40, 141 <178> und vom 16. Dezember 1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349 <365>). Dieser weite Spielraum wird eingeschränkt durch die den Organen der Bundesrepublik Deutschland - wiederum vor allem der Bundesregierung - von Verfassungs wegen obliegende Pflicht zum Schutz deutscher Staatsangehöriger und ihrer Interessen gegenüber fremden Staaten. Hiervon umfasst sind auch diplomatische Bemühungen gegenüber solchen Staaten bei nicht von diesen ausgehenden, aber auf deren Gebiet durch kriminelles Verhalten stattfindenden Beeinträchtigungen deutscher Staatsangehöriger. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass auch in Bezug auf die Pflicht zur Gewährung von Auslandsschutz ein weiter Ermessensspielraum der verantwortlichen Entscheidungsträger besteht (zur Gewährung von Auslandsschutz insgesamt: BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 1975 - 1 BvR 274/72 u.a. - BVerfGE 40, 141 <177> und vom 16. Dezember 1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349 <364, 368>). 22 bbb. Im September 2016 war die Annahme der Beklagten begründet, dass der Belang der Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Gestaltung der Außenpolitik verantwortlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland im Fall einer Ausreise der Klägerin nach Afghanistan gefährdet war. 23 Das Oberverwaltungsgericht hat die dem angegriffenen Beschränkungsbescheid zu Grunde liegenden Tatsachen durch eine Gesamtbewertung der seinerzeit vorliegenden sicherheitsbehördlichen Informationen und auf der Grundlage der durch das Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung des bei dem Bundesnachrichtendienst tätigen Zeugen H., festgestellt. Danach gab es - unabhängig von dem in Afghanistan und in der Provinz Kunduz für Ausländer generell bestehenden Entführungsrisiko - einen tragfähigen Hinweis auf die Absicht einer Gruppe von Aufständischen, konkret die Klägerin zu entführen. Ein wirksamer Schutz der Klägerin vor einer solchen Entführung war nicht gegeben. Bei einer Entführung von Ausländern in Afghanistan war stets damit zu rechnen, dass deren Herkunftsstaaten mit erpresserischen Forderungen der Entführer zur Zahlung von Lösegeld oder zur Vornahme bestimmter Handlungen konfrontiert werden würden. Gestützt auf diese Tatsachen war die Prognose gerechtfertigt, dass die Klägerin entführt und die Bundesrepublik Deutschland von den Entführern erpresst werden könnte. Dadurch hätte sich hinsichtlich der Klägerin die Pflicht der für die Gestaltung der Außenpolitik verantwortlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährung von Auslandsschutz aktualisiert. Durch diesen Umstand wäre deren weite außenpolitische Entscheidungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt worden. Diese Konsequenzen hat das Oberverwaltungsgericht durch den Verweis auf drohende diplomatische Spannungen und einen eventuell erforderlichen erheblichen Einsatz sicherheitspolitischer und diplomatischer Ressourcen umschrieben. 24 Der Senat ist an die entsprechenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie die Klägerin zwar kritisiert, jedoch nicht mit im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ordnungsgemäß dargelegten, geschweige denn durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat. Die festgestellten Tatsachen waren, wie im Hinblick auf alle in § 7 Abs. 1 PassG genannten Passversagungsgründe erforderlich, bestimmt und zum Entscheidungszeitpunkt hinreichend aktuell. Nach dem in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG angelegten, herabgestuften Beweismaßstab genügte für die Gefahrenprognose der durch Tatsachen begründete Verdacht einer Gefährdung (zu diesem Maßstab: OVG Münster, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - NVwZ-RR 2014, 593 <594>; Urteil vom 4. Mai 2015 - 19 A 2097/14 - NJW 2016, 518 Rn. 29). Dies hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. 25 ccc. Der angegriffene Beschränkungsbescheid war nicht deshalb rechtswidrig, weil die weitere Konkretisierung und etwaige Verwirklichung der hier in Rede stehenden Gefährdung nicht schon durch die Klägerin selbst mit ihrer Ausreise und ihr Verhalten im Ausland bewirkt worden wäre. Denn der von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG geforderte Zurechnungszusammenhang wird nicht dadurch unterbrochen, dass die Gefährdung erst durch afghanische Aufständische mittels Entführung der Klägerin und anschließender Erpressung der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Grundsätze des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts über die Störerhaftung unmittelbar verursacht worden wäre (zu der Theorie der unmittelbaren Verursachung als Zurechnungsprinzip im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 - 7 B 30.06 - juris Rn. 4; aus der Literatur etwa: Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 9 Rn. 10 ff.). Dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Rechtsfigur einer passgesetzspezifischen Gesamtbetrachtung abgestellt hat, ist überflüssig, aber unschädlich. 26 In dem spezialgesetzlich geregelten ordnungsrechtlichen Bereich des Passrechts können Grundsätze des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts - mithin auch diejenigen über die Störerhaftung - nur insoweit (ergänzende) Anwendung finden, als das Passgesetz keine eigenständige und abschließende Regelung enthält (zum spezialgesetzlichen Ausschluss der allgemeinen Störerhaftungsregeln: BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 7 C 40.07 - Buchholz 406.27 § 58 BBergG Nr. 1 Rn. 8; Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 9 Rn. 8). Die Verantwortlichkeit für die Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG ist indes in dieser Vorschrift eigenständig und abschließend geregelt. 27 Für eine Anwendung der allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Störerhaftungsregeln zwecks Bestimmung des Adressaten einer auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG gestützten Maßnahme besteht bereits nach dem eindeutigen Normwortlaut kein Raum. Adressat der Maßnahme kann danach allein der Passbewerber bzw. - i.V.m. § 8 PassG - der Passinhaber sein. 28 Eine Heranziehung der Zurechnungsregeln des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts in dem Sinne, dass der Passbewerber bzw. Passinhaber nur dann zur Abwehr einer Gefährdung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG in Anspruch genommen werden darf, wenn er auch unmittelbarer Verursacher und damit Störer nach den Regeln des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist, kommt ebenfalls nicht in Betracht. 29 Zwar erweist sich der Wortlaut der Vorschrift, demzufolge nach einer durch Tatsachen begründeten Annahme der Passbewerber bzw. der Passinhaber die sonstigen erheblichen Belange gefährden muss, noch als ambivalent. Hiernach muss - was für den vorliegenden Fall nicht in Zweifel steht - zwischen der Ausreise, für die der Betreffende den Pass benötigt, und der Gefährdung des Belangs jedenfalls in einem weiten Sinne ein Kausalzusammenhang bestehen. Ein darüber hinausgehendes Verständnis als Vorgabe einer unmittelbaren Verursachung wird von dem Normwortlaut nicht gefordert, wäre allerdings mit ihm vereinbar. 30 Gesetzessystematisch lässt sich die Forderung nach einer unmittelbaren Verursachung der Rechtsgutverletzung durch den Passbewerber bzw. den Passinhaber indes schon nicht mehr begründen. Dem Umstand, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 11 PassG geregelten Passversagungsgründe durchweg auf Gefahren abstellen, die von den Betroffenen unmittelbar verursacht werden, kommt insoweit keine Bedeutung zu. Bei § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG handelt es sich um eine eigenständig strukturierte Vorschrift, mit einem von den konkreten Verhältnissen des Betroffenen unabhängigen Schutzgut. 31 Entscheidend gegen das Erfordernis einer unmittelbaren Verursachung mit der hier in Rede stehenden Bedeutung spricht der Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG. Die Vorschrift verlagert mit dem Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr den Schutz der Rechtsgüter, für den sie geschaffen wurde, in einen Bereich vor, der noch uneingeschränkt der deutschen Hoheitsgewalt unterliegt. Denn dann, wenn sich die Gefährdung im Ausland unmittelbar zu realisieren droht bzw. tatsächlich realisiert, besteht wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips und aus tatsächlichen Gründen keine effektive Zugriffsmöglichkeit für deutsche Stellen mehr. 32 ddd. Der angegriffene Beschränkungsbescheid litt nicht an Ermessensfehlern. Er beschränkte insbesondere die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Ausreisefreiheit der Klägerin nicht in unverhältnismäßiger Weise. Das Oberverwaltungsgericht hat dies zutreffend erkannt. 33 Die auf ein Jahr befristete Beschränkung des Reisepasses der Klägerin war geeignet, eine Ausreise der Klägerin nach Afghanistan und damit ihre dortige Entführung mit der Folge einer Gefährdung des erheblichen Belangs der Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Gestaltung der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland verantwortlichen Organe zu verhindern. Die Beschränkung war auch erforderlich, weil ein milderes Mittel zur Erreichung dieses Ziels nicht zur Verfügung stand. Dadurch, dass die Beklagte die Beschränkung auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG auf zunächst ein Jahr befristet hat, hat sie eine der inhaltlichen Dichte und zeitlichen Reichweite der angestellten Gefahrenprognose entsprechende und daher nicht zu beanstandende Dauer der Maßnahme vorgesehen. Schließlich bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Angemessenheit der Beschränkung. Die Klägerin, die in Afghanistan über lange Jahre wertvolle humanitäre Hilfe geleistet hat und weiterhin leisten will, hat durch die von der Beklagten verfügte Passbeschränkung eine beachtliche Grundrechtsbeeinträchtigung erlitten, indem sie in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum an der Ausreise nach Afghanistan gehindert war. Dem Belang der Sicherung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der für die Gestaltung der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland verantwortlichen Organe gebührte wegen seiner Gewichtigkeit und wegen des Umstands, dass seine Verletzung im Fall einer Reise der Klägerin nach Afghanistan nahezu sicher vorhersehbar war, gleichwohl der Vorrang. 34 eee. Aus internationalem bzw. europäischem Recht kann die Klägerin keine weitergehenden Rechte für sich herleiten. Dies gilt insbesondere für Art. 2 Abs. 2 ZP IV EMRK, wonach es jeder Person freisteht, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen. Die Ausübung dieses Rechts darf gemäß Art. 2 Abs. 3 ZP IV EMRK Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft - unter anderem zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - notwendig sind. Dass hiernach der Eingriff in das Recht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 2 ZP IV EMRK durch die streitgegenständliche befristete Passbeschränkung gemäß Art. 2 Abs. 3 ZP IV EMRK gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig ist, unterliegt nach den bisherigen Erörterungen keinem Zweifel. 35 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-46,12.06.2019,"Pressemitteilung Nr. 46/2019 vom 12.06.2019 EN Westumfahrung Halle: Bundesverwaltungsgericht weist Klage ab Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die letzte verbliebene Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Westumfahrung Halle (Saale) abgewiesen. Der rund 13 km lange Streckenabschnitt der Autobahn A 143 ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 13 (Göttingen-Halle). Er beginnt an der vorhandenen Anschlussstelle Halle-Neustadt und erstreckt sich bis zum geplanten Autobahndreieck Halle-Nord. Zusammen mit dem bereits fertig gestellten südlichen Abschnitt der A 143 soll die neue Trasse die beiden Autobahnen A 38 und A 14 verbinden und damit den Doppelautobahnring um Halle und Leipzig vervollständigen. Die Klägerin hatte als betroffene Grundstückseigentümerin den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten aus dem Jahr 2005 vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten. Auf die parallel erhobene Klage eines Naturschutzverbandes hatte der Senat mit Urteil vom 17. Januar 2007 die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestellt. Im Hinblick auf dieses Urteil war der Rechtsstreit der Klägerin seinerzeit zum Ruhen gebracht worden. Im März 2018 erließ das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt einen Änderungs- und Ergänzungsbeschluss zu seinem damaligen Planfeststellungsbeschluss. Die Klägerin setzte das ruhende Gerichtsverfahren daraufhin fort; der Naturschutzverband rief das Gericht dagegen nicht mehr an. Der Planfeststellungsbeschluss hielt in seiner geänderten Fassung nunmehr der Überprüfung stand. Aus der Sicht des Naturschutzrechts, auf das sich die Einwände der Klägerin in erster Linie stützten, ist v.a. die Betroffenheit des FFH-Gebietes „Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle“ kritisch. Dabei geht es neben der Zerschneidungswirkung der Autobahn v.a. um die von dem Verkehr ausgehenden Stickstoffdepositionen auf den Flächen prioritärer, d.h. europaweit besonders bedrohter Lebensraumtypen. Die Planfeststellungsbehörde hat die daraus resultierenden Konflikte aber fehlerfrei bewältigt. Bei der Untersuchung und Bewertung der Nährstoffeinträge durfte sich die Behörde auf den von einem Gremium fachkundiger Wissenschaftler erstellten Stickstoffleitfaden Straße stützen. Das darin festgelegte und plausibel begründete Abschneidekriterium für die vorhabenbedingte Zusatzbelastung mit Stickstoff von 0,3 kg je Hektar und Jahr wird hier unter Berücksichtigung verschiedener im Planfeststellungsbeschluss festgelegter Schadensbegrenzungsmaßnahmen nicht überschritten. In diesem Zusammenhang durfte auch die auf bestimmten Flächen vorgesehene Umwandlung von Acker- in Grünland wegen des damit verbundenen Verzichts auf Stickstoffeinträge durch Dünger berücksichtigt werden. Dem Argument der Klägerin, der Düngeverzicht sei aus Gründen des Habitatschutzes ohnehin erforderlich und dürfe deshalb nicht angerechnet werden, schloss sich das Bundesverwaltungsgericht unter den hier vorliegenden Umständen nicht an. Auch im Übrigen führten die Einwände der Klägerin - soweit für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks erheblich - auf keinen durchgreifenden Planungsfehler. BVerwG 9 A 2.18 - Urteil vom 12. Juni 2019","Urteil vom 12.06.2019 - BVerwG 9 A 2.18ECLI:DE:BVerwG:2019:120619U9A2.18.0 EN Planfeststellung Straßenrecht (Westumfahrung Halle) Leitsätze: 1. Macht ein Betroffener im Planfeststellungsverfahren geltend, in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet zu sein, so muss er die maßgeblichen Umstände, soweit es ihm ohne Preisgabe schutzwürdiger Daten zumutbar ist, so umfassend darstellen, dass der Planfeststellungsbehörde eine Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die betriebliche Existenz möglich ist. 2. Bei dem Stickstoffleitfaden Straße (Ausgabe 2019) handelt es sich um eine Fachkonvention, die den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt; dies umfasst das Konzept der Critical Loads, die Anwendung des Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA), das Konzept gradueller Funktionsbeeinträchtigung mit Umrechnung in Flächenanteile und die Anwendung eines vorhabenbedingten Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a. 3. Die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland kann als Vermeidungsmaßnahme auf die Stickstoffbilanz angerechnet werden, wenn ihre Wirksamkeit hinsichtlich des Umfangs und des zeitlichen Eintritts sichergestellt ist. 4. Welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen unabhängig von einem Vorhaben durchzuführen und daher nicht als Schadensbegrenzungsmaßnahmen anzurechnen sind, ergibt sich grundsätzlich aus dem Bewirtschaftungsplan gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG. Lässt der Plan keine offenkundigen Fehleinschätzungen oder Versäumnisse erkennen, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde darauf vertrauen, dass die zuständigen Behörden ihre Entscheidungsspielräume rechtmäßig ausgeübt haben und ihren habitatschutzrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind. Rechtsquellen VerkPBG § 5 Abs. 1, § 11 FStrG § 4, § 17d Abs. 1 UmwRG § 5 UVPG § 74 Abs. 2 UVPG a.F. § 6, § 9 Abs. 1 Satz 4 VwVfG § 73 Abs. 8 VwGO § 98 ZPO § 412 Abs. 1 FFH-RL Art. 6 Abs. 3, Abs. 4 BNatSchG § 34 Abs. 3 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.06.2019 - 9 A 2.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:120619U9A2.18.0] Urteil BVerwG 9 A 2.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking am 12. Juni 2019 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Klage richtet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 für das Vorhaben Neubau der BAB 143 - Westumfahrung Halle (Saale), Verkehrseinheit 4224, Anschlussstelle Halle-Neustadt (B 80) bis Autobahndreieck Halle Nord (A 14). 2 Der planfestgestellte Streckenabschnitt mit einer Länge von 12,72 km ist Teil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 13 ""A 38 Göttingen-Halle; A 143 Westumfahrung Halle"" und im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe ""laufend und fest disponiert"" aufgeführt. Er gehört zudem zum Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Die geplante Trasse beginnt nördlich der Anschlussstelle Halle-Neustadt in Höhe Bennstedt, verläuft in nördlicher Richtung zwischen zwei Teilgebieten des FFH-Gebiets ""Muschelkalkhänge westlich Halle"", quert die L 159 bei Salzmünde, führt sodann über die Saale, verläuft durch das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" und endet am Autobahndreieck Halle-Nord. Zusammen mit dem südlichen Abschnitt der A 143 (Halle-Süd bis Halle-Neustadt), der bereits seit Oktober 2004 unter Verkehr ist, soll sie die beiden Bundesautobahnen A 38 und A 14 verbinden, den Autobahnring um Halle schließen und den Doppelautobahnring um Halle und Leipzig (""Mitteldeutsche Schleife"") vervollständigen. 3 Die Planung hat das Ziel, das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit zur vollen Verkehrswirksamkeit zu führen und den großräumigen verkehrlichen Netzschluss in Richtung Magdeburg/Berlin herzustellen. Die überörtlichen Verkehrsströme im Raum Halle/Leipzig sollen möglichst gleichmäßig verteilt werden. Zudem soll die Stadt Halle von Verkehr entlastet und im Westen besser an das Fernstraßennetz angebunden werden. Darüber hinaus erwartet der Beklagte positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region und eine Reduzierung der Schadstoff- und Lärmbelastung in der Innenstadt von Halle. 4 Die Linienbestimmung erfolgte im Jahr 1999, das Planfeststellungsverfahren wurde im Frühjahr 2003 eingeleitet. Die Klägerin - ein Bergbauunternehmen, dessen als Außenlager vorgesehene Freifläche für die Trasse in Anspruch genommen werden soll - beteiligte sich am Verfahren, erhob ""Widerspruch"" und verwies auf ihr Grundstück sowie Verbundleitungen zwischen ihren Werken in M. und S. 5 Mit Beschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 18. Mai 2005 (PFB 2005) wurde das Vorhaben planfestgestellt. Dagegen hat die Klägerin am 1. Juli 2005 Klage erhoben und insbesondere geltend gemacht, sie sei auf das Außenlager angewiesen. Der Senat hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) hin mit Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt; das Klageverfahren der Klägerin ist daraufhin auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht worden. 6 Zur Behebung der vom Senat festgestellten Mängel führte der Beklagte ein ergänzendes Verfahren durch. Die zu vier Änderungs- und Ergänzungsverfahren eingereichten Unterlagen wurden jeweils ausgelegt und erörtert. Die nachfolgend zur Änderung der vierten Änderung und Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vorgelegten Unterlagen - darunter der erstmals erstellte wasserrechtliche Fachbeitrag - wurden ausgelegt, ein weiterer Erörterungstermin fand jedoch nicht statt. 7 Am 20. März 2018 erging der Änderungs- und Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 (PFB 2018), der der Klägerin am 20. April 2018 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 hat sie das ruhend gestellte Klageverfahren wieder aufgerufen. Sie rügt Verfahrensfehler und inhaltliche Mängel des Planfeststellungsbeschlusses: Das Verfahren sei fehlerhaft gewesen, weil die letzte Planänderung nicht mehr erörtert worden sei und sich der Planfeststellungsbeschluss auf eine Unterlage stütze, die nicht ausgelegt worden sei. Ihre individuellen Belange hinsichtlich der Inanspruchnahme der Außenlagerfläche und der Suspensionsleitung seien nicht hinreichend berücksichtigt worden; sie sei in ihrer betrieblichen Existenz gefährdet. Bei der Planung und Abwägung seien die Gefahr eines Abrutschens der Böschung nicht berücksichtigt und das erhöhte Erdbebenrisiko in der Region nicht erkannt und behandelt worden. Das Vorhaben verstoße zudem gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot sowie die Klimaschutzziele der Bundesregierung und der Europäischen Union. Auch den Vorgaben des Gebietsschutzes werde nicht entsprochen. Hinsichtlich des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" würden die Beeinträchtigung durch Stickstoffeinträge und die Barriere- und Zerschneidungswirkung der Autobahn verkannt, auch die Abweichungsentscheidung sei fehlerhaft. Die Verkehrsprognose des Vorhabenträgers sei nicht belastbar, die A 143 sei aus verkehrsplanerischer Sicht nicht notwendig. Hinsichtlich weiterer FFH-Gebiete werde die erhebliche vorhabenbedingte Gefährdung von zwei Fledermausarten verkannt. Zudem werde ein Vorkommen von Weißstörchen zu Unrecht verneint. Schließlich bestünden Abwägungsfehler. 8 Die Klägerin beantragt, den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 143 Westumfahrung Halle (Saale) vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 und der Protokollerklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2019 aufzuheben, hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf. 9 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen. II 11 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 11 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz) vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474), erstinstanzlich entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann die Aufhebung oder die hilfsweise beantragte Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses weder wegen formeller Fehler (A) noch aus materiellen Gründen (B) beanspruchen. 12 A. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlern. 13 1. Der Beklagte war nicht gehalten, nach Durchführung von Erörterungsterminen zu den vier Änderungs- und Ergänzungsverfahren anschließend auch die ausgelegten Unterlagen zur Planänderung der vierten Änderung in einem weiteren Termin zu erörtern (so schon Beschluss des Senats vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 11 ff). 14 2. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte darüberhinaus nicht verpflichtet, das ""Abwägungspapier zu Auswirkungen des HBEFA 3.3 auf die Konsistenz der Planänderungs- und Ergänzungsunterlagen BAB 143"" vom 9. Februar 2018 auszulegen. Denn die darin festgehaltenen Überlegungen und Berechnungen ergänzen lediglich die zum Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung gemachten Untersuchungen, beschränken sich auf die grundsätzlich bereits bekannten Betroffenheiten und lassen das Gesamtkonzept der Planung unberührt. 15 Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss stützt sich im Grundsatz auf das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfungen mit Stand März 2016 und Januar 2017, die ihrerseits unter anderem das Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) in der damals aktuellen Fassung 3.2 zugrunde legen. Nachdem im April 2017 eine aktualisierte Version des Handbuchs als Quick-Update 3.3 erschienen war, nahm der Vorhabenträger auf deren Grundlage eine Neuberechnung der betriebsbedingten Verbrauchs- und Emissionswerte der A 143 vor, die er in dem genannten ""Abwägungspapier"" festhielt und erläuterte (s. dazu PFB 2018 S. 340 ff.). Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die projektbedingten Zusatzeinträge für alle betroffenen Lebensraumtypen des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" deutlich höher lägen als bei der Berechnung mit HBEFA 3.2 und zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps (LRT) führten, diese Beeinträchtigungen jedoch durch eine zusätzliche befristete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 bzw. 80 km/h so weit gemindert werden könnten, dass Umfang und Intensität der Auswirkungen der bisherigen FFH-Verträglichkeitsprognose im Wesentlichen erreicht würden. Diese Überlegungen hat sich die Planfeststellungsbehörde zu eigen gemacht und die zusätzliche befristete Geschwindigkeitsbegrenzung verfügt. Auf eine Anhörung etwaiger Betroffener wurde verzichtet, weil lediglich eine vom NABU bereits geäußerte Kritik aufgegriffen werde und sich für Betroffene aus der Anordnung lediglich Vorteile ergeben könnten (PFB 2018 S. 360). Dieses Vorgehen ist nicht verfahrensfehlerhaft. 16 Eine Verpflichtung zur Beteiligung der Klägerin ergibt sich nicht aus § 73 Abs. 8 VwVfG. Zwar führt das ""Abwägungspapier"" zu einer Änderung des ausgelegten Plans. Die Belange der Klägerin werden dadurch aber nicht erstmals oder stärker berührt. Dass der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf volle Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses zusteht, ist insoweit unerheblich, weil Grundlage dieses Anspruchs der Schutz ihres Eigentums ist und dieser Belang von der Neuberechnung der Stickstoffdeposition nicht betroffen ist. 17 Die fehlende Auslegung verstößt auch nicht gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG in der hier gemäß § 74 Abs. 2 UVPG anwendbaren, bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung (UVPG a.F.). Danach kann, wenn der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens ändert, von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit - wie vorliegend - keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. 18 Die im ""Abwägungspapier"" vorgenommene Neuberechnung beinhaltet eine aktualisierte Prüfung der bereits bekannten und im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung mehrfach thematisierten Frage der Beeinträchtigung der relevanten Lebensraumtypen durch verkehrsbedingte Stickstoffeinträge, beruht auf einer unveränderten methodischen Herangehensweise und führt lediglich zu Veränderungen in Detailfragen, ohne dass sich im Ergebnis die Gesamtbeurteilung der stickstoffbedingten Beeinträchtigungen ändert. Die Planung der Trasse selbst bleibt unberührt und auch das Konzept der Schadensbegrenzungs- und -vermeidungsmaßnahmen wird lediglich insoweit modifiziert, als die bereits geplanten Geschwindigkeitsbegrenzungen für einen befristeten Zeitraum um eine weitere Beschränkung ergänzt werden. 19 Die neue Unterlage betrifft damit eine Modifizierung des habitatschutzrechtlichen Fachbeitrages, die in Systematik und Ermittlungstiefe an die vorhandene Untersuchung anknüpft und sich auf Detailänderungen und eine vertiefte Prüfung der Betroffenheiten beschränkt, ohne das Gesamtkonzept der Planung zu ändern oder zu grundlegend anderen Beurteilungsergebnissen zu gelangen; in dieser Fallkonstellation ist eine neue Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 33 und 108). Die intensive Befassung der Öffentlichkeit, namentlich der Naturschutzverbände, mit der Thematik während der vorangegangenen Beteiligungsverfahren und die dabei erhobenen Einwendungen haben im Übrigen die Neuberechnung im Rahmen des ""Abwägungspapiers"" gerade mit veranlasst. Dem Informations- und Rechtsschutzinteresse der Öffentlichkeit wurde damit hinreichend Rechnung getragen, wie auch ein weiterer Erkenntnisgewinn bei einer erneuten Anhörung nicht zu erwarten war, sodass der Schutzzweck der Öffentlichkeitsbeteiligung erfüllt ist. 20 3. Die Umweltverträglichkeitsprüfung war nicht deshalb mangelhaft, weil Aspekte des Klimawandels und globaler Klimaschutzziele keine Berücksichtigung gefunden haben. Maßgebend für das Planfeststellungsverfahren war hier - wie ausgeführt - das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der bis zum 15. Mai 2017 geltenden Fassung, so dass die aktuelle Regelung, nach der auch das Makroklima zum Gegenstand der Prüfung gehört (vgl. Anlage 4 Nr. 4 Buchst. b) und Buchst. c) Doppelbuchst. gg) UVPG), keine Anwendung findet. Im Rahmen der hier maßgeblichen Vorgängerfassung ist der Begriff des Klimas in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F. eng im Sinne des standortbezogenen lokalen Klimas zu verstehen (Appold, in: Hoppe u.a., UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 2 UVPG Rn. 53). Auch europarechtlich ist eine großräumigere Betrachtung des Klimas für den vergangenen Zeitraum nicht geboten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 35 f.). 21 B. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses berufen. 22 1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Sie folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 13 war als ""A 82 Göttingen-Halle (Anschluss als A 14 und A 9)"" im Bundesverkehrswegeplan 1992 aufgeführt, der Inhalt des Bedarfsplans des Fernstraßenausbaugesetzes vom 15. November 1993 wurde (s. näher BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 23). Im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist der planfestgestellte Autobahnabschnitt in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354) unter der lfd. Nr. 1199 als vierstreifiger Neubau mit der Dringlichkeitsstufe ""laufend und fest disponiert"" aufgeführt. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich und schließt grundsätzlich die Nachprüfung aus, ob für die geplante Autobahn ein Verkehrsbedarf vorhanden ist. Dass der Gesetzgeber durch die Fortschreibung der Bedarfsplanung und das Festhalten an der seit 1992 verfolgten Konzeption die Grenzen seines stark politisch geprägten Ermessens überschritten haben könnte (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 54), ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Ihre zur Abweichungsprüfung erhobene Rüge, die Bedarfsermittlung für die A 143 beruhe nicht auf einer methodisch korrekten Prognosemethode, weil sie die Prognoseunsicherheiten nicht offenlege und auch nicht alternative Szenarien darlege, so dass die Planrechtfertigung unzureichend sei, nimmt Bezug auf Entscheidungen zu Bedarfsprognosen für Verkehrsflughäfen und auf Vorschriften zur Netzbedarfsplanung, die vorliegend nicht einschlägig sind. 23 2. Das Vorhaben verletzt keine individuellen Belange der Klägerin. 24 a) Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte eine ernsthafte Gefährdung der betrieblichen Existenz der Klägerin verkannt hätte. 25 Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Satz 2 FStrG) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen; andernfalls kann sie sich grundsätzlich damit begnügen, den Eigentümer auf das nachfolgende Enteignungsverfahren zu verweisen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 26 und Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1426 Rn. 66). Der Beklagte hat sich hier mit der Inanspruchnahme des Betriebsgeländes der Klägerin in Salzmünde sowie der möglichen Umverlegung ihrer Verbundleitung befasst und hinreichende Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung verneint (PFB 2018 S. 746 f.). Dies ist nicht zu beanstanden. 26 aa) Das als Außenlagerfläche bezeichnete Flurstück ... Flur 3 der Gemarkung S. mit einer Größe von ca. 11 400 m² liegt am südlichen Ufer der Saale im Bereich der geplanten Saaleüberquerung und soll von der Trasse ungefähr mittig durchschnitten werden, wobei ca. 4 500 m² Fläche erworben und weitere 1 000 m² vorübergehend in Anspruch genommen werden sollen. Die Klägerin macht insoweit geltend, sie benötige diese Fläche zu Lagerungszwecken; ohne das Außenlager an ihrem Stammsitz sei die Existenz ihres Unternehmens ernsthaft bedroht. Damit ist eine Existenzgefährdung nicht substantiiert dargetan. 27 Bereits der Umstand, dass die Freifläche über Jahre hinweg nicht genutzt worden ist, spricht gegen deren Betriebsnotwendigkeit. Die eingereichten Fotos von einem Ortstermin im März 2004 zeigen eine ungenutzte Brachfläche; auch nach der Beschreibung im Verkehrswertgutachten vom 12. Mai 2004 besteht der von der Trasse beanspruchte Grundstücksbereich im Wesentlichen aus einer seit Jahren nicht genutzten und verwilderten Lagerfläche. Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte aktualisierte Verkehrswertgutachten, dem Besichtigungen im Oktober und Dezember 2018 zugrunde liegen, bestätigt diesen Befund. Danach wurden seit der letzten Begutachtung keine aktiven Grundstücksnutzungen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund genügt der pauschale Vortrag der Klägerin nicht, sie sei auf eine Außenlagerfläche am Betriebsstandort S. mit einer Kapazität von mindestens 10 000 t angewiesen und (nur) aufgrund des inzwischen seit fast zwanzig Jahren schwebenden Planungsverfahrens daran gehindert gewesen, in den Standort zu investieren. Zur näheren Erläuterung hat sie sich im Wesentlichen auf die Angabe beschränkt, sie habe in den letzten Jahren Anfragen für Aufträge bis zu 50 000 Jahrestonnen Schlämmkaolin erhalten, von denen sie habe Abstand nehmen müssen, weil sie die erforderlichen Kapazitätserweiterungen nicht habe vornehmen können; nähere Informationen zu ihrer Geschäftslage hat sie dem Beklagten nicht vorgelegt. Soweit sie sich im Planfeststellungsverfahren darauf berufen hat, im Hinblick auf die besondere Rohstoffmischung und -reinheit der von ihr verarbeiteten Kaoline unterlägen ihre betriebswirtschaftlichen Daten einem ganz erheblichen Geheimhaltungsinteresse, und deshalb die Durchführung eines ""in-camera""-Verfahrens analog § 99 Abs. 2 VwGO vorgeschlagen hat, besteht für ein solches Vorgehen hier kein Raum. Das ""in-camera""-Verfahren ist ein gerichtliches Zwischenverfahren zur Vorlage von Behördenakten in einem Gerichtsverfahren und auf Unterlagen eines privaten Gewerbetreibenden in einem Verwaltungsverfahren nicht anwendbar. Die Klägerin, die sich auf ihre spezielle betriebliche Situation beruft, muss vielmehr die Umstände, die sie im Planfeststellungsverfahren berücksichtigt wissen will, der Planfeststellungsbehörde zur Kenntnis bringen. Sie ist dabei zwar nicht verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren, und hat die Möglichkeit, entsprechende Details zurückzuhalten oder zu ""schwärzen"". Sie muss aber, soweit ihr das ohne Preisgabe schutzwürdiger Daten möglich und zumutbar ist, die betrieblichen und geschäftlichen Umstände, auf die sie die Geltendmachung einer Existenzgefährdung stützt, so ausführlich darstellen, dass der Planfeststellungsbehörde eine Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die betriebliche Existenz des Unternehmens möglich ist (vgl. zu einer vergleichbaren Situation bei immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren etwa § 10 Abs. 2 BImSchG). Das ist hier nicht erfolgt, weshalb der Beklagte hinreichende Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung verneinen und von weiteren Aufklärungsmaßnahmen absehen durfte. 28 Im Übrigen hat der Beklagte den Planänderungsbeschluss vom 20. März 2018 in der mündlichen Verhandlung um eine Nebenbestimmung ergänzt, wonach dem Vorhabenträger die Einholung eines Existenzgefährdungsgutachtens bezüglich der Klägerin aufgegeben und der Planfeststellungsbeschluss im Falle der Feststellung einer solchen Gefährdung um die Anordnung der Entschädigung dem Grunde nach ergänzt wird. Damit hat der Beklagte der Klägerin eine weitere Möglichkeit zum Nachweis ihrer Existenzgefährdung eingeräumt und zugleich klargestellt, dass er auch in diesem Fall an dem Vorhaben festhalten und die Klägerin entschädigen werde. Damit wird den gewerblichen Belangen der Klägerin hinreichend Rechnung getragen (vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 7.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 240 Rn. 17). 29 bb) Auch die mögliche Betroffenheit der Klägerin im Hinblick auf die unterirdische, in ihrem genauen Verlauf ungeklärte Rohstoffsuspensionsleitung ist vom Beklagten zutreffend erkannt, bewertet und im angefochtenen Beschluss berücksichtigt worden. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 enthält im Abschnitt A VI. 8 die Nebenbestimmung Nr. 8.4, wonach zur Sicherung der benannten Verbundleitungen zwischen dem Werk M. und dem Werk S. vor dem Bau der Vorlandbrücke eine Abstimmung zum Verlauf und gegebenenfalls zur Verlegung zwischen dem Vorhabenträger und dem Eigentümer erforderlich ist. Diese Nebenbestimmung ist entgegen der Auffassung der Klägerin durch den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 nicht entfallen, auch wenn dieser eine vergleichbare Bestimmung nicht (erneut) explizit formuliert. Soweit im Abschnitt über Nebenbestimmungen ausgeführt wird (PFB 2018 S. 63), die im Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 unter A VI. enthaltenen Nebenbestimmungen würden ""wie folgt bestätigt, ergänzt oder geändert"", ist dies nicht im Sinne einer abschließenden Neufassung zu verstehen. Durch den Änderungs- und Ergänzungsbeschluss vom 20. März 2018 ist der Planfeststellungsbeschluss nur erweitert und modifiziert, nicht aber in Teilen (isoliert) aufgehoben worden; vielmehr wird der ursprüngliche Plan - in der Gestalt, die er durch die Änderungen und Ergänzungen erfahren hat - ausdrücklich aufrechterhalten (PFB 2018 S. 34). Der Beschluss vom 20. März 2018 nimmt im Übrigen zweimal explizit auf die Nebenbestimmung Nr. 8.4 Bezug (S. 746, 747), so dass am Willen des Beklagten, an dieser Bestimmung festzuhalten, kein Zweifel besteht. Die Suspensionsleitung wird darüber hinaus in den planfestgestellten Unterlagen zeichnerisch dargestellt (Lageplan Planfeststellungsunterlage - PU-7 Blatt-Nr. 6D, Leitungsplan PU 9 Blatt-Nr. 6D) und im Bauwerksverzeichnis berücksichtigt (PU 10.1 lfd. Nr. 446), wobei hier ausdrücklich bestimmt ist, dass die Kaolinleitung vor Baubeginn mit Suchschlitzen zu orten und bei Bedarf auf Kosten der Bundesrepublik Deutschland umzuverlegen ist. Damit wurde dem betrieblichen Interesse der Klägerin an der Leitung hinreichend Rechnung getragen. 30 b) Soweit die Klägerin geltend macht, die Gefahr eines Abrutschens der Böschung sei bei der Planung und Abwägung nicht berücksichtigt worden, sind auch diese Bedenken unbegründet. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass auf ihrem Betriebsgelände in der Vergangenheit Kaolinsande und Kaolinreste verkippt worden seien, was zu einer hohen Verdichtung des Bodens geführt habe mit der Folge, dass sich das Wasser hinter den Kaolinablagerungen staue und die Gefahr bestehe, dass die gesamte Böschung auf ihrem Grundstück nebst den aufstehenden Brückenpfeilern durch den hydraulischen Wasserdruck in die Saale geschoben werde. Für diese Befürchtung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. 31 Der von der Klägerin zitierten Passage des wasserrechtlichen Fachbeitrages lässt sich ein solcher Zusammenhang zwischen hydraulischem Druck, Brückenpfeilern und Böschungsbereich nicht entnehmen. Vielmehr wird darin lediglich allgemein die Bodenverdichtung durch die Trasse und das Anlegen von Entwässerungsgräben zur Vermeidung von lokalen Vernässungen angesprochen ohne lokalen Bezug zum Bereich der Saalequerung. Im Absatz davor wird zwar die Baumaßnahme ""Saalequerung"" thematisiert, dazu jedoch lediglich ausgeführt, es könnten Lücken im Untergrund durch die Gründung und Fundamente der Brückenpfeiler entstehen; nach Abschluss der Bauarbeiten sei jedoch vorgesehen, dass die Baugruben wieder mit dem Bodenaushub verfüllt würden, um den vorherigen Zustand wiederherzustellen und Vernässungen in diesen Abschnitten zu vermeiden. Auch das von der Klägerin vorgelegte Schreiben von Prof. Dr. S. vom 5. Februar 2019 enthält lediglich abstrakte Aussagen zur allgemeinen Gefahr von Instabilitäten und Rutschungen bei Störungen der Böschungsverhältnisse, verweist jedoch darauf, dass für eine tiefgreifende Bewertung hydrogeologische Angaben und Baugrundangaben notwendig wären. 32 Der wasserrechtliche Fachbeitrag enthält im Zusammenhang mit der Identifizierung der betroffenen Oberflächen- und Grundwasserkörper Analysen der hydrologischen und hydrogeologischen Verhältnisse, befasst sich ausführlich mit der Konstruktion des Brückenbauwerks über die Saale und nimmt auch auf das Baugrundgutachten Saalequerung aus dem Jahr 2005 Bezug. Dass dabei maßgebliche Gesichtspunkte übersehen worden sein könnten, ist nicht ersichtlich. Im Rahmen der Baugrunduntersuchungen am Saaleufer im Jahr 2004 sind auch auf dem Grundstück der Klägerin Bohrungen durchgeführt worden, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf das Bautagebuch und Vorlage einer entsprechenden Karte belegt hat. Damit ist ein Ermittlungsdefizit in Bezug auf das klägerische Grundstück ausgeschlossen. 33 3. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung (§ 4 FStrG). Dass der Beklagte in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich; die Rüge der Klägerin, der Beklagte habe das erhöhte Erdbebenrisiko in der Region nicht erkannt und behandelt, geht fehl. 34 Die Klägerin bezieht sich auf eine Pressemitteilung der Universität Leipzig vom 17. Mai 2018 über die Veröffentlichung einer Studie zu Erdbeben zwischen Halle und Leipzig in den Jahren 2015 und 2017 im ""Journal of Seismology"" und schließt daraus auf ein Erdbebenrisiko bis zu einer Stärke von 5,3 und eine besondere Gefährdung der geplanten Autobahn, die ca. 30-40 km von den Zentren der damaligen Beben entfernt liege. Ergänzend verweist sie auf das genannte Schreiben von Prof. Dr. S., der ein Epizentrum auch in geringerer Entfernung zur A 143 und dem sensiblen Bauwerk der Saalequerung für möglich hält und ein mögliches Zusammenwirken mit einem Gebirgsschlag zum Beispiel in einer nahegelegenen Grube thematisiert. Diese Bedenken werden jedoch ausgeräumt durch die vom Beklagten vorgelegten Schreiben des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt vom 9. August 2018 und 12. März 2019, wonach der in der Studie angesprochene Fall eines Erdbebens der Magnitude 5,3 lediglich ein Gedankenmodell darstelle. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines solchen Bebens sei äußerst gering; ein Erdbeben in der Region werde auch keine erheblichen Schäden an Gebäuden im Umkreis von 200 km vom Epizentrum verursachen. Ein Erfordernis, die Ingenieurbauwerke der A 143 für Erdbebenlasten zu bemessen, bestehe nicht. Auch seismische Ereignisse im Zusammenhang mit Gruben seien nicht relevant für die Saalequerung durch die BAB 143. Angesichts dieser ausführlichen und überzeugenden Stellungnahmen der einschlägigen Fachbehörde, die zudem von einem Mitautor der benannten Studie verfasst wurden, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Planfeststellungsbehörde mit der Frage eines Erdbebenrisikos und der Standsicherheit insbesondere des Brückenbauwerks näher hätte auseinandersetzen müssen. 35 4. Ohne Erfolg macht die Klägerin Verstöße gegen das Naturschutzrecht geltend. 36 Den im Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - (BVerwGE 128, 1) festgestellten Mängeln ist im ergänzenden Verfahren Rechnung getragen worden. Der Planfeststellungsbeschluss vom 18. Mai 2005 war für rechtswidrig befunden worden, weil er nicht den Anforderungen des Naturschutzrechts genügte. Zur Heilung dieser Mängel wurden im ergänzenden Verfahren u.a. der landschaftspflegerische Begleitplan einschließlich der zugrunde liegenden Fachbeiträge zum Gebiets- und Artenschutz sowie die Verkehrsuntersuchung neu erstellt. Habitatschutzrechtlich wurde die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen der vier FFH-Gebiete DE 4437-302 ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"", DE 4536-303 ""Muschelkalkhänge westlich Halle"", DE 4437-308 ""Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle"" sowie DE 4536-304 ""Salzatal bei Langenbogen"" untersucht. Im Ergebnis wurde hinsichtlich des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" festgestellt, dass das Vorhaben auch unter Berücksichtigung des geplanten Schutz- und Vermeidungskonzepts zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in Bezug auf zwei (nicht prioritäre) Lebensraumtypen führt; insoweit wurde das Vorhaben auf der Grundlage einer Abweichungsentscheidung zugelassen. Für die drei weiteren FFH-Gebiete wurden erhebliche vorhabenbedingte Beeinträchtigungen ausgeschlossen; auch entgegenstehende artenschutzrechtliche Belange wurden verneint. Die Klägerin wendet sich - zwar nicht missbräuchlich (a), aber in der Sache ohne Erfolg - gegen das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfungen hinsichtlich der Gebiete ""Muschelkalkhänge westlich Halle"" und ""Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle"" (b) sowie ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" (c) und gegen die Verneinung artenschutzrechtlicher Verstöße in Bezug auf zwei Fledermausarten und den Weißstorch (d). 37 a) Die naturschutzrechtlichen Einwendungen der Klägerin sind weder missbräuchlich noch unredlich im Sinne des § 5 UmwRG. Die diesbezüglichen Bedenken, die der Beklagte darauf stützt, dass die Rügen - mit Ausnahme der Thematik des Weißstorches - erstmals in der Klagebegründung vom 29. Juni 2018 vorgebracht worden seien und sich (nahezu) ausschließlich auf die gutachterliche Stellungnahme eines Mitarbeiters des NABU stützten, obwohl der NABU seinerseits auf eine erneute Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss verzichtet habe, überzeugen nicht. 38 Die Vorschrift des § 5 UmwRG wurde durch das Gesetz vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) eingeführt, mit dem der Gesetzgeber auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - reagiert und unter anderem die als unionsrechtswidrig beurteilte Präklusion nach § 2 Abs. 3 UmwRG a.F. aufgehoben hat. Sie nimmt den Hinweis aus diesem Urteil auf, wonach der nationale Gesetzgeber spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen kann, nach denen z.B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist. Dieser Fall soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers etwa dann vorliegen, wenn der Rechtsbehelfsführer im Verwaltungsverfahren erklärt oder auf andere Weise deutlich gemacht hat, dass entsprechende Einwendungen nicht bestehen (BT-Drs. 18/9526 S. 41). Gemeint ist damit ein widersprüchliches und treuwidriges Verhalten im Sinne eines ""venire contra factum proprium"". Allein der (objektive) Umstand der Nichtbeteiligung im Verwaltungsverfahren ist unerheblich, weil es keine Obliegenheit zur Beteiligung gibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 24). Auch die erst nachträgliche Geltendmachung eines Einwandes reicht nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Betroffenen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung in subjektiver Hinsicht ein Vorwurf gemacht werden kann und der späte Zeitpunkt des Vorbringens auf einer bewussten Entscheidung beruht (vgl. etwa Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 5 UmwRG Rn. 2; Winkler, in: Hoppe u.a., UVPG/UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 5 UmwRG Rn. 15; Schlacke, NVwZ 2017, 905 <910>; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. August 2018 - 1 Es 1/18.P - ZUR 2019, 37 <39>). 39 Dies zugrunde gelegt, liegt kein missbräuchliches Verhalten der Klägerin, die sich im Planfeststellungsverfahren regelmäßig beteiligt hat, vor. Zwar hat sie im Wesentlichen erstmals mit der Klagebegründung im Juni 2018 naturschutzrechtliche Belange geltend gemacht und sich insoweit auf die gutachterliche Stellungnahme des Diplom-Biologen V. gestützt, der im Planfeststellungsverfahren für den NABU Regionalverband Halle/Saalkreis e.V. an Erörterungsterminen teilgenommen hat. Auch wenn der NABU selbst auf die Erhebung einer Klage verzichtet hat, lässt sich hieraus jedoch kein widersprüchliches Verhalten der Klägerin ableiten. Ebenso wenig rechtfertigt der Umstand, dass sie möglicherweise Kenntnis von naturschutzrechtlichen Bedenken anderer Beteiligter gehabt, diese aber nicht selbst thematisiert hat, den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens. Allerdings führte das erst nachträgliche Vorbringen eines bekannten Gesichtspunkts nach früherer Rechtslage zur materiellen Präklusion der Einwendung. Diese Rechtsfolge ist jedoch im Anwendungsbereich von UVP-pflichtigen Verfahren mit Unionsrecht nicht vereinbar, weshalb die entsprechenden Vorschriften aufgehoben bzw. in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt wurden. Eine Anwendung des § 5 UmwRG auf diese Fallkonstellation würde der Sache nach erneut zu einer Präklusionswirkung führen und damit dem gesetzgeberischen Anliegen sowie den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Nicht durchgreifend ist schließlich auch das Argument des Beklagten, die Klägerin habe im Ausgangsverfahren noch ausdrücklich den Bau der Autobahn begrüßt und sei in Vergleichsverhandlungen eingetreten. Die Klägerin hat zwar zu Beginn des Planungsverfahrens ausgeführt, sie sei ""nicht gegen einen Autobahnbau"" und wisse die Verbesserung der Infrastruktur zu schätzen. Ein vertrauensbildendes ""Einverständnis"" mit dem Vorhaben kann darin jedoch nicht gesehen werden. 40 Hiervon zu trennen ist die Frage, inwieweit die Klägerin als Individualklägerin hinsichtlich einzelner Aspekte rügebefugt ist und sich auf die Verletzung naturschutzrechtlicher Bestimmungen berufen kann (dazu sogleich unter b). 41 b) Die Rügen der Klägerin zu Fehlern bei den Verträglichkeitsprüfungen der FFH-Gebiete ""Muschelkalkhänge westlich Halle"" und ""Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle"" sind nicht von ihrer Rügebefugnis umfasst. 42 Die enteignungsbetroffene Klägerin hat zwar im Grundsatz Anspruch auf volle gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses einschließlich der Anwendung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen. Ihr Vollüberprüfungsanspruch reicht jedoch nur so weit, als der gerügte Fehler für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks kausal ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der geltend gemachte öffentliche Belang nur von kleinräumiger Bedeutung ist und auch seine fehlerfreie Beachtung nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde. Die Rügebefugnis des Enteignungsbetroffenen zum Habitatschutzrecht beschränkt sich somit im Wesentlichen auf solche Fehler bei der Anwendung des objektiven Rechts und Berücksichtigung solcher öffentlicher Belange, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine fehlerfreie Behandlung zu einer anderen Trassenführung im Bereich des enteignungsbetroffenen Grundstücks führen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 14.15 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 383 Rn. 16; Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 - juris Rn. 52 und 60). 43 Hiervon ausgehend fehlt der Kritik der Klägerin der hinreichende Bezug zu ihrem am Saaleufer gelegenen Grundstück. Sie wendet sich zum einen gegen die Einschätzung des Beklagten, es liege keine erhebliche vorhabenbedingte Gefährdung der Fledermausarten Mopsfledermaus und Großes Mausohr vor. Schwerpunktvorkommen und wesentliche Flugrouten seien nicht erkannt worden, weshalb zu Unrecht ein Kollisionsrisiko verneint und von Querungshilfen abgesehen worden sei. Zudem sei die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen zweifelhaft. Als problematisch erachtet die Klägerin dabei die Bereiche zwischen der Anschlussstelle Bennstedt und dem Steilhang Zorges, die Gegend nördlich des Köllmer Wegs, den Bereich der Muschelkalkhänge und den Trassenverlauf zwischen den Ortschaften Gimritz, Görbitz und Bestensee. Die gerügten Mängel betreffen damit allenfalls kleinräumige Modifizierungen der geplanten Trasse zwischen den Anschlussstellen Halle-Neustadt und Salzmünde. Auswirkungen auf das nördlich von Salzmünde gelegene Grundstück der Klägerin und die Suspensionsleitung sind danach auszuschließen. 44 c) Die Planfeststellungsbehörde hat bei der habitatschutzrechtlichen Beurteilung des Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" die Konflikte, die sich insbesondere durch die Zerschneidungswirkung der Autobahn (aa) sowie aufgrund verkehrsbedingter Stickstoffdepositionen (bb) einschließlich der erforderlichen Abweichungsentscheidung (cc) ergeben, im Ergebnis fehlerfrei bewältigt. Diese Problematik ist von der Rügebefugnis der Klägerin umfasst, weil bei Unterstellung der geltend gemachten Fehler nicht auszuschließen ist, dass das Vorhaben an dieser Stelle nicht oder nur mit einer auch für das Grundstück der Klägerin relevanten Änderung der Trassenführung hätte realisiert werden können. Die Einwendungen der Klägerin greifen jedoch nicht durch. 45 aa) Die Rüge, es sei fachlich nicht haltbar, dass der Beklagte davon ausgehe, die an sich erhebliche Barriere- und Zerschneidungswirkung der Trasse durch eine Grünbrücke unter die Erheblichkeitsschwelle senken zu können, hat keinen Erfolg. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen Einwendungen des NABU aus den Anhörungsverfahren, mit denen sich der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss bereits befasst hat, setzt sich mit dessen Argumentation aber nicht substantiiert auseinander. 46 (1) Die Kritik, es fehlten Untersuchungen zu Populationsgrößen und zum erforderlichen genetischen Austausch, greift nicht durch. Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass die Trasse bezogen auf die charakteristischen Arten der drei Lebensraumtypen (LRT) 4030 (Trockene europäische Heiden), 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) und 8230 (Silikatfelsen mit Pioniervegetation des Sedo-Scleranthion oder des Sedo albi-Veronicion dillenii - Felstrockenrasen) die Wirkung einer Barriere hat, die ohne die Umsetzung geeigneter Vermeidungsmaßnahmen (Landschaftstunnel von 300 m und Beweidungskonzept) als erhebliche Beeinträchtigung zu werten wäre (PFB 2018 S. 371 ff.). Die FFH-Verträglichkeitsprüfung befasst sich ausführlich mit der Frage der Barriere- und Zerschneidungswirkungen der Autobahn unter Auseinandersetzung mit dazu vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen und verweist ergänzend auf eine (planfestgestellte) Untersuchung zur Vermeidbarkeit der Barrierewirkung durch den Bau des Landschaftstunnels auf der Grundlage einer Modellierung von Reck/Lorenzen (Stand September 2008), die sich allerdings auf einen Tunnel von nur 250 m Länge bezieht (PU 12.6.6). Die Relevanz weiterer besonderer Untersuchungen und Untersuchungsmethoden erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht und wird auch von der Klägerin nicht näher begründet. 47 Ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass sich die Unerheblichkeit der von der Autobahn ausgehenden Barrierewirkung auf charakteristische Tierarten der betroffenen FFH-LRT nur durch Untersuchungen der Populationsgrößen sowie der Identifizierung eines Mindestmaßes an genetischem Austausch beurteilen lässt"" und ""dass derartige Untersuchungen nicht vorliegen"" (Beweisantrag Nr. 12), ist schon deshalb abzulehnen, weil der Planfeststellungsbeschluss nicht von einer Unerheblichkeit der von der Autobahn ausgehenden Barrierewirkung ausgeht, sondern vielmehr eine erhebliche Beeinträchtigung bejaht. Auf Untersuchungen zum (weiteren) Nachweis von Barrierewirkungen kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargelegt, welche zusätzlichen relevanten Erkenntnisse durch ein weiteres Gutachten gewonnen werden könnten, zumal der Beweisantrag nur auf allgemeine Aussagen zur Methodik zielt und nicht die Begutachtung des konkreten Vorhabens zum Gegenstand hat. 48 (2) Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte verneine zu Unrecht eine erhebliche Barrierewirkung in Bezug auf die prioritären LRT *6210 (besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen als prioritäre Ausprägung des LRT 6210, hier: Vorkommen des Kleinen Knabenkrauts Orchis morio) und *6240 (subpannonische Steppen-Trockenrasen), kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Ihr Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass auch die charakteristischen Tierarten der prioritären LRT *6210 und *6240 betroffen sind und daher die Ausklammerung dieser beiden Lebensraumtypen aus der Untersuchung über die Wirkung der Autobahn als Barriere fachlich nicht gerechtfertigt ist"" (Beweisantrag Nr. 13) ist daher wiederum mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen. 49 Die beiden prioritären Lebensraumtypen sind aus der Untersuchung über die Barrierewirkung nicht ""ausgeklammert"", sondern eingehend erörtert worden, so dass der Beweisantrag insoweit bereits einen unzutreffenden Sachverhalt unterstellt. Der Beklagte hat allerdings im Ergebnis eine erhebliche Beeinträchtigung der prioritären Lebensraumtypen aufgrund der Zerschneidungswirkung verneint. Begründet wird dies damit, dass sich die beiden Lebensraumtypen nicht beidseitig in der Nähe der Trasse befänden und Zerschneidungswirkungen daher nur anzunehmen wären, wenn sie zum LRT-Komplex funktional beitrügen, was den durchgeführten Bestandsaufnahmen und den Darstellungen im Managementplan nicht zu entnehmen sei. 50 Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner näheren Überprüfung. Denn selbst dann, wenn man diese Lebensraumtypen in den Lebensraumverbund einbeziehen und hinsichtlich ihrer charakteristischen Tierarten von einer potentiell erheblichen Beeinträchtigung durch die Zerschneidungs- und Barrierewirkung des Vorhabens ausgehen wollte, würde diese Beeinträchtigung insgesamt durch das Vermeidungskonzept unter die Erheblichkeitsschwelle gesenkt. Die charakteristischen Tierarten des LRT 6210 und seiner prioritären Ausprägung *6210 sind identisch, und auch der LRT *6240 weist keine charakteristischen Tierarten auf, die nicht auch im Zusammenhang mit den LRT 4030, 6210 und 8230 betrachtet worden wären. In der FFH-Verträglichkeitsprüfung wird insoweit ausgeführt, dass sich die charakteristischen Tierarten aufgrund der sehr engen Verzahnung der Lebensraumtypen auf den Porphyrkuppen und den vielfachen Übergängen zwischen den Lebensraumtypen nicht eindeutig einem bestimmten Lebensraumtyp zuordnen ließen bzw. zugleich für mehrere charakteristisch seien (PU 12.5.3 S. 81A sowie Liste der charakteristischen Tierarten in Anhang II). Für alle diese Tierarten wird der Landschaftstunnel in Verbindung mit dem Beweidungskonzept als Vermeidungsmaßnahme wirksam (dazu sogleich unter (4)), was im Übrigen auch im Maßnahmenblatt A23.1 zum Ausdruck kommt, in dem der Landschaftstunnel als Schadensbegrenzungsmaßnahme für die LRT 4030, 6210, *6240 und 8230 aufgeführt wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung der charakteristischen Tierarten der prioritären Lebensraumtypen scheidet damit aus. 51 (3) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die relevanten Lebensraumtypen seien nicht regenerierbar und auf Grünbrücken ließen sich keine vergleichbaren Habitatbedingungen herstellen, weshalb die Grünbrücke für wenig mobile Tierarten nicht wirksam sei. Die Klägerin unterstellt dem Landschaftstunnel Funktionen, die diesem nicht beigemessen werden. Auf die Schaffung von Habitatbedingungen für charakteristische Tierarten kommt es im Rahmen der Maßnahme A23.1 nicht an. Es geht auch nicht darum, dass die wenig mobilen charakteristischen Tierarten auf den Grünbrücken überleben. Auf dem Landschaftstunnel ist nicht die Entwicklung von Lebensraumtypen vorgesehen, sondern einer trockenrasigen Pioniervegetation als Trittsteinbiotop für charakteristische Arten, die die aktuell dort vorhandenen Ackerstandorte ersetzen soll. Dass diese Bedingungen nicht geschaffen werden könnten oder unzureichend seien, wird von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass auf der vorgesehenen Grünbrücke die Habitatbedingungen für die wenig mobilen charakteristischen Tierarten der in Rede stehenden FFH-LRT nicht geschaffen werden können und damit die Grünbrücke den erforderlichen genetischen Austausch zwischen den einzelnen Bestandteilen der Gesamtpopulation nicht sichern können"" und ""dass das Überleben der wenig mobilen charakteristischen Tierarten auf den Grünbrücken nicht gesichert oder zumindest unwahrscheinlich ist"" (Beweisantrag Nr. 14), ist daher mangels Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Sachverhalts abzulehnen. 52 (4) Unbegründet ist auch die Kritik der Klägerin, es gebe keine hinreichenden Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Grünbrücken insbesondere bei wirbellosen Tieren. 53 Die Klägerin verweist insoweit auf das Gutachten von Herrn V., das wiederum Einwendungen des NABU aus dem Jahr 2016 wiederholt. Der Beklagte hat sich im Planfeststellungsbeschluss mit diesen Argumenten auseinandergesetzt, hinsichtlich der ökologisch nutzbaren Breite des Landschaftstunnels auf das ""Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen"" (MAQ, Druckfassung September 2008) Bezug genommen und auf die Einschätzung in der Verträglichkeitsuntersuchung auf Grundlage der durchgeführten Modellrechnungen und der Heranziehung von Analogien verwiesen (PFB 2018 S. 375 f.). Neben dem Forschungsbericht von Pfister u.a. zur bioökologischen Wirksamkeit von Grünbrücken über Verkehrswege aus dem Jahr 1997 werden eine mehrjährige Monitoringstudie aus den Niederlanden sowie Berichte über Grünbrücken in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg benannt, die in der Verträglichkeitsprüfung zitiert und ausgewertet worden sind (PU 12.5.3 S. 144 f.). Mit den in der Klagebegründung wiederholten Einwendungen des NABU hinsichtlich der Interpretation dieser Erkenntnisse hat sich der Vorhabenträger im Anhörungsverfahren ausführlich befasst und das Vorliegen ausreichender Hinweise für die grundsätzliche Wirksamkeit von Grünbrücken (auch für wirbellose Tiere) nachvollziehbar begründet (Erwiderung vom 31. August 2016, VA 2.7 S. 53 ff.). Damit setzt sich die Klägerin nicht substantiiert auseinander. 54 Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, ""dass ausreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Grünbrücken im Hinblick auf wirbellose Tiere und speziell auf die hier in Rede stehenden charakteristischen Tierarten der FFH-LRT bisher nicht vorliegen"" sowie ""dass es keine verwertbaren Erkenntnisse über die Wirkung von Grünbrücken im Hinblick auf den erforderlichen genetischen bzw. Populationsaustausch für wirbellose Tiere, erst recht nicht für wenig mobile wirbellose Tiere gibt"" (Beweisantrag Nr. 15), zielt angesichts der im Planfeststellungsverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen (FFH-Verträglichkeitsprüfung mit Anlagen) auf die Einholung eines weiteren Fachgutachtens. Die Entscheidung darüber steht nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Ein solcher Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn die bereits vorhandenen Gutachten, fachlichen Stellungnahmen und Auskünfte zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ausreichen. Dabei kann sich das Gericht grundsätzlich auch auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Eine Pflicht zur Heranziehung zusätzlicher Gutachten besteht nur dann, wenn sich die fehlende Eignung der vorliegenden Gutachten aufdrängt, etwa weil sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass bieten zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 Rn. 32 m.w.N.). Nach diesem Maßstab besteht hier kein Anlass zur Einholung des beantragten weiteren Sachverständigengutachtens, weil die vorhandenen Stellungnahmen und Auskünfte fachlich geeignet sind und zur Sachverhaltsermittlung ausreichen. 55 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung legt unter Auswertung der recherchierten und referierten Literatur in nachvollziehbarer Weise dar, dass der zwischenzeitlich erreichte Stand der Forschung wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnisse vermittelt hinsichtlich der für eine Wirksamkeit von Grün- und Landschaftsbrücken maßgeblichen Parameter, die hier durch die vorgesehenen Maßnahmen auch erfüllt werden. Der Beweisantrag der Klägerin stellt die Interpretation der vorhandenen Studien und Hinweise infrage, ohne auf die bereits im Planfeststellungsverfahren dazu erfolgten fachlichen Erläuterungen, die im Klageverfahren wiederholt und vertieft worden sind, konkret einzugehen. Hierzu ein weiteres Fachgutachten einzuholen, das sich nicht mit dem konkret geplanten Landschaftstunnel beschäftigt, sondern mit der Analyse der vorhandenen Erkenntnisse, ist angesichts der plausibel begründeten Einschätzung der Verträglichkeitsuntersuchung nicht erforderlich. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass der Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - die Grünbrücke in Bezug auf die Erhaltung des vorhandenen Lebensraumkorridors für Wirbellose als ein ""Experiment mit ungewissem Ausgang"" bezeichnet hat (BVerwGE 128, 1 Rn. 89), ist diese Einschätzung mittlerweile überholt. Das zitierte Merkblatt MAQ sowie die niederländischen Studien lagen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor. Inzwischen sind zudem aktuelle Handlungsempfehlungen auf der Grundlage einer umfangreichen Literaturanalyse und der Auswertung von verschiedenen Vorhaben auf der Internetseite des Bundesamts für Naturschutz veröffentlicht worden, die nach ihrem Vorwort den Stand der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergeben (Reck u.a., Grünbrücken, Faunatunnel und Tierdurchlässe, Anforderungen an Querungshilfen, BfN-Skripten 522, 2019). Darin wird feststellt, dass bei richtiger Planung von Querungshilfen die Ansprüche aller erheblich betroffenen Arten berücksichtigt wurden, wobei auch Laufkäfer ausdrücklich benannt werden (a.a.O. S. 5). Dem setzt die Klägerin keine substantiierten Bedenken entgegen. 56 (5) Auch die Kritik der Klägerin an der Untersuchung zur Modellierung der Barrierewirkung ist im Ergebnis unergiebig, weil diese Unterlage einen veralteten Planungsstand betrifft und die FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht entscheidungstragend auf die beanstandete Modellierung gestützt ist. Dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, ""dass die in den Planunterlagen vorgenommene und dem Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses zugrunde liegende Modellierung der Barrierewirkung der Autobahn nicht geeignet ist, nach dem habitatschutzrechtlichen Beweismaßstab festzustellen, dass es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen kommt"" (Beweisantrag Nr. 16), ist daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu folgen. 57 bb) Die Bewertung des Beklagten zu den Stickstoffeinträgen in die als Erhaltungsziel geschützten LRT 4030, 6210/*6210, *6240 und 8230 ist nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss bejaht im Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen der LRT 6210 und 8230. Die Kritik der Klägerin, die von einer stärkeren Beeinträchtigung aller betroffener Lebensraumtypen ausgeht, greift nicht durch. Der Beklagte hat die nach der Gebietsabgrenzung maßgeblichen Vorkommen in die Prüfung einbezogen (1) und durfte sich dabei auf die Hinweise des sog. Stickstoffleitfadens Straße stützen (2). Auch die konkrete Bewertung der Stickstoffeinträge in Anwendung des Leitfadens ist nicht zu beanstanden. Die Kritik der Klägerin hat weder in Bezug auf die Bestimmung der Critical Loads (3) noch hinsichtlich der Berechnung von Vorbelastung (4) und Zusatzbelastung (5) Erfolg. Dabei durfte der Beklagte sowohl die verfügten Geschwindigkeitsbegrenzungen (6) als auch die Ackerextensivierung mit Düngeverzicht (7) als Maßnahmen zur Verminderung der Zusatzbelastung berücksichtigen. 58 (1) Die FFH-Verträglichkeitsprüfung hat keine maßgeblichen LRT-Vorkommen außer Acht gelassen. Die Klägerin rügt zu Unrecht, dass Vorkommen im Bereich Gimritz/Görbitz, insbesondere die dortigen Bestände des LRT *6240, die nachträglich im Zuge der Gebietserweiterung in das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" integriert worden sind, von Anfang an Bestandteil der FFH-Gebietskulisse hätten sein und in der Verträglichkeitsprüfung hätten berücksichtigt werden müssen. 59 Die Maßstäbe für die Gebietsausweisung ergeben sich sowohl hinsichtlich der Identifizierung der Gebiete einschließlich der festzulegenden Erhaltungsziele als auch hinsichtlich ihrer Abgrenzung aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III (Phase 1) der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7) - FFH-RL. Maßgeblich ist danach nicht das bloße Vorhandensein von Lebensraumtypen des Anhangs I, sondern die Bedeutung des Gebiets, die sich ausschließlich nach den in Anhang III (Phase 1) FFH-RL genannten naturschutzfachlichen Kriterien bestimmt. Insoweit gesteht die Richtlinie den Stellen, die für die Anwendung dieser Kriterien zuständig sind, einen auf deren fachliche Bewertung begrenzten Beurteilungsspielraum zu (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 100 f.). Zwingend ist eine Gebietsausweisung nur, wenn und soweit die fragliche Fläche die von der Habitat-Richtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweist. Solche Gebietsteile dürfen nicht ausgespart werden, ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsausweisung. Einwände dagegen bedürfen deshalb einer besonderen Substantiierung und müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 67 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 67). Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen der Klägerin nicht. 60 Die Klägerin stützt sich auch in diesem Zusammenhang auf die gutachterliche Stellungnahme von V., der wiederum Einwendungen des NABU aus den Beteiligungsverfahren aufgreift. Im Planfeststellungsbeschluss wird - unter Bezugnahme auf diese Einwendungen - die von der EU-Kommission bestätigte Gebietsausweisung fachlich schlüssig damit begründet, dass die außerhalb des FFH-Gebiets u.a. bei Gimritz gelegenen LRT-Bestände zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung schlechter ausgeprägt waren als die Bestände im Gebiet und nicht als LRT-Flächen im Sinne des Anhangs I der FFH-RRL, sondern lediglich als ""Potenzialflächen"" anzusehen waren. Diese Bewertung, die in der vom Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme vom 22. März 2019 nochmals erläutert wird, entspricht auch der (in einem Vermerk vom 31. Januar 2013 dokumentierten) Einschätzung des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, das eine Nachmeldung der Flächen für naturschutzfachlich nicht erforderlich erachtet hat. Die Verneinung eines funktionalen Zusammenhangs mit den ursprünglich gemeldeten Flächen wird unter Hinweis auf die räumliche Entfernung und den eingeschränkten Zustand der Lebensraumtypen einleuchtend dargelegt und lässt keine fachlichen Beurteilungsfehler erkennen. Schlüssige Gegenargumente trägt die Klägerin nicht vor; mit dem Planfeststellungsbeschluss setzt sie sich nicht auseinander. Ihr Hinweis, dass innerhalb des gemeldeten Gebiets auch Lebensraumtypen von schlechterer Ausprägung vorhanden seien, stellt die Bewertung des Beklagten nicht in Frage, weil für deren Einbeziehung der räumliche Zusammenhang mit den für die Gebietsausweisung maßgeblichen Kernbeständen der Lebensraumtypen ausschlaggebend gewesen ist. 61 Die nachträgliche Meldung der Erweiterungsflächen bei Gimritz an die EU-Kommission im Jahr 2015 und ihre Einbeziehung in das nunmehr landesrechtlich durch die Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura 2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt vom 20. Dezember 2018 (N2000-LVO LSA) geschützte FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" (vgl. Anlage Nr. 3.124 N2000-LVO LSA) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Darin liegt keine ""Korrektur"" der naturschutzfachlich angezeigten Gebietsabgrenzung. Die Maßnahme erfolgte vielmehr ausschließlich zum Zwecke der Kohärenzsicherung (vgl. PU 12.0 Maßnahmenblatt A23.4; Managementplan für das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" vom Dezember 2015, S. 139). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich daraus keine Pflicht, die nachgemeldeten Flächen nunmehr in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Denn die Erweiterung ist gerade eine Folge der habitatschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung und erfolgt im Rahmen der Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, die sich an die (abgeschlossene) Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL anschließt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Kohärenzmaßnahme erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses oder (wie hier) zur Steigerung ihrer Wirksamkeit schon vorher umgesetzt wird. Die Frage, ob die Erweiterungsflächen ihrerseits durch das Vorhaben beeinträchtigt werden, ist bei der Beurteilung der Geeignetheit der Flächen für den beabsichtigten naturschutzrechtlichen Ausgleich zu prüfen und vom Beklagten auch geprüft worden (PFB S. 427 ff.). 62 Es bestand deshalb kein Anlass, dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen zum Beweis der Tatsache, ""dass aus naturschutzfachlichen Gründen sowie aus Gründen der Seltenheit und der nicht ausreichenden Meldung von Beständen des LRT *6240 diejenigen Bestände, die sich außerhalb des FFH-Gebiets in seiner früheren Abgrenzung befanden und nunmehr als Kompensationsmaßnahmen einbezogen worden sind, von Anfang an in das FFH-Gebiet hätten einbezogen werden müssen, weil dies aus naturschutzfachlichen Gründen erforderlich ist und kein fachlicher Grund dafür erkennbar ist, warum diese Bestände ursprünglich nicht einbezogen worden sind"" (Beweisantrag Nr. 10). Die Klägerin wiederholt nur die Einwendungen des NABU aus dem Jahr 2009, ohne den naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum der zuständigen Stelle bei der Gebietsabgrenzung zu berücksichtigen und sich mit den Ausführungen im PFB 2018 (S. 428 f.) auseinanderzusetzen. Damit fehlt es bereits an der ""besonderen Substantiierung"", um die Richtigkeitsvermutung der Gebietslistung der EU-Kommission in Frage zu stellen. Die vorhandenen fachlichen Stellungnahmen genügen für die Überzeugungsbildung des Gerichts. Der Beweisantrag betrifft im Übrigen keine einzelne naturschutzfachlich aufklärungsfähige Tatsachenbehauptung, sondern zielt darauf ab, die Beurteilung der für die Gebietsmeldung zuständigen Stelle zu ersetzen durch die Einschätzung eines einzelnen Fachgutachters. Dies ist einem Beweis nicht zugänglich. 63 (2) Die FFH-Verträglichkeitsprüfung zu den vorhabenbedingten Stickstoffeinträgen stützt sich auf den Forschungsbericht von Balla u.a. (Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope, Bericht zum FE-Vorhaben 84.0102/2009 der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bd. 1099 der Reihe ""Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik"", hrsg. vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - BMVBS - November 2013) und den daraus entwickelten Stickstoffleitfaden Straße (FGSV, Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen - H PSE, damals mit Stand des Entwurfs vom 11. November 2014 - H PSE 2014) und folgt dem Konzept der sogenannten Critical Loads (CL) unter Anwendung des vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a. Dies hält der gerichtlichen Überprüfung stand. 64 Für die Erfassung und Bewertung vorhabenbedingter Einwirkungen fehlt es bisher an gesetzlichen Vorgaben oder einer untergesetzlichen Maßstabsbildung durch verbindliche Festlegungen etwa mittels Durchführungsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - NVwZ 2019, 52 Rn. 24). Die Planfeststellungsbehörde muss daher auf außerrechtliche naturschutzfachliche Maßgaben zurückgreifen. Um die habitatschutzrechtlich erforderliche Gewissheit zu erlangen, muss sie unter Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen ihrer Entscheidung die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde legen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 62 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 26). Bei dem Stickstoffleitfaden Straße, der inzwischen in der endgültigen Fassung der Ausgabe 2019 veröffentlicht worden ist (H PSE 2019), handelt es sich um eine Fachkonvention, die aus Sicht des Senats den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegelt (so zum Forschungsbericht von Balla u.a. schon BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 37 und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 79). Der Leitfaden basiert auf dem oben genannten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Balla u.a. und wurde von einem Gremium fachkundiger Wissenschaftler in einem mehrjährigen Abstimmungsprozess unter Einbeziehung maßgeblicher Expertenkreise und Beteiligung der Öffentlichkeit erstellt, wobei auch die Naturschutzverbände ihre Stellungnahmen abgegeben und Bedenken vorgebracht haben. Einbezogen in den Prozess waren auch die staatlichen Fachgremien der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften Immissionsschutz (LAI) und Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA), mit denen die Anwendbarkeit des Leitfadens für immissionsschutzrechtliche Vorhaben koordiniert wurde. Die im Leitfaden zusammengefassten ""Hinweise"" beruhen damit auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens. Dafür, dass es derzeit bessere wissenschaftliche Erkenntnisse geben könnte, die geeignet wären, Methodik, Grundannahmen oder Schlussfolgerungen des Stickstoffleitfadens substantiell in Frage zu stellen oder gar zu widerlegen, gibt es keine Anhaltspunkte, so dass die Grenzen der gerichtlich möglichen und gebotenen Aufklärung und Kontrolle insoweit erreicht sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 - NVwZ 2019, 52 Rn. 28 f.). Der Beklagte durfte deshalb die Hinweise des Stickstoffleitfadens Straße seiner Beurteilung der Verträglichkeit der Stickstoffeinträge zugrunde legen. 65 Danach ist es rechtlich unbedenklich, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung dem Konzept der Critical Loads (CL) folgt, die die Grenze der unbedenklichen Immissionen markieren. 66 Nicht zu beanstanden ist auch, dass bei der Bestimmung der vorhabenbedingten Zusatzbelastung für die Ausbreitungsrechnung das Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) angewandt worden ist. Dieses ""Handbuch"", das eine Datenbank zu den spezifischen Emissionsfaktoren für die gängigsten Fahrzeugtypen und eine Reihe von Schadstoffen enthält, wird vom Umweltbundesamt und den Umweltämtern anderer europäischer Länder entwickelt und fortgeschrieben. Es ist länderübergreifend anerkannt und wird u.a. vom Joint Research Center der Europäischen Kommission unterstützt (vgl. zu Einzelheiten etwa die im Internet veröffentlichten ""Hintergrundinformationen zum Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr "" vom Umweltbundesamt, Stand April 2017). Seine Anwendung wird im Stickstoffleitfaden im Einzelnen erläutert (H PSE 2019 S. 25 ff.). Anhaltspunkte für entgegenstehende bessere wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht vorgetragen. 67 Entsprechendes gilt für das vom Beklagten angewandte Konzept gradueller Funktionsbeeinträchtigung und die Umrechnung in Flächenanteile. Dieser Ansatz geht zurück auf die Fachkonvention von Lambrecht/Trautner (Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP, Endbericht zum Teil Fachkonventionen, Schlussstand Juni 2007 S. 83 f.) und ermöglicht die Bestimmung einer Bagatellschwelle für Flächenverluste, bei deren Überschreitung im Regelfall von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist (dazu H PSE 2019 S. X, 3, 69 ff.). Dass eine Beeinträchtigung durch zusätzliche Stickstoffeinträge angesichts vorhandener Hintergrundbelastungen und der zeitlichen Dauer bis zum Eintritt von Auswirkungen nicht ohne Weiteres mit einem dauerhaften und vollständigen Verlust der betroffenen LRT-Flächen gleichzusetzen ist, leuchtet ohne Weiteres ein. Die im Stickstoffleitfaden vorgesehene Umrechnung von graduellen Funktionsbeeinträchtigungen in definitorische Totalverlustflächen und die Bestimmung von Flächenbagatellen in Anlehnung an Lambrecht/Trautner beruht - wie ausgeführt - auf einer intensiven fachlichen Abstimmung, bei der den wissenschaftlichen Unsicherheiten wegen der - auch von der Klägerin thematisierten - fehlenden belastbaren Erkenntnisse über die konkreten Dosis-Wirkungsbeziehungen mit einem sehr vorsorglichen, konservativen Ansatz Rechnung getragen worden ist (vgl. dazu etwa Füßer/Lau, UPR 2014, 121 <126>). 68 Anhaltspunkte für neue, ""bessere"" Erkenntnismöglichkeiten, die Anlass für weitere Aufklärungsmaßnahmen sein könnten, liegen nicht vor, so dass der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass es für den Ansatz des Konzepts einer graduellen Funktionsbeeinträchtigung an den erforderlichen Kenntnissen hinsichtlich der für die Bewertung der Beeinträchtigungen erforderlichen Dosis-Wirkungs-Beziehungen fehlt"" und ""dass sich Stickstoffeinträge nicht linear schädigend auf stickstoffempfindliche Lebensräume auswirken, sondern dass die Schädigungswirkungen stattdessen mit Schwellenwerten verknüpft sind"" und schließlich ""dass aufgrund der geschilderten Unkenntnisse eine lineare Beziehung zwischen Stickstoffeinträgen einerseits und dem Grad der Funktionsbeeinträchtigung von stickstoffempfindlichen Lebensräumen andererseits nicht hergestellt werden kann"" (Beweisantrag Nr. 18), abzulehnen ist. Der Beweisantrag zielt darauf ab, die im Stickstoffleitfaden vorgesehene Umrechnung von graduellen Funktionsbeeinträchtigungen infrage zu stellen. Hierzu bedarf es jedoch angesichts des dem Stickstoffleitfaden zugrunde liegenden Erkenntnisstandes keines weiteren Fachgutachtens. 69 Den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht auch die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums in Höhe von 0,3 kg N/ha/h (ebenso BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 45; vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - juris Rn. 79 ff. und vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - juris Rn. 36 f.). An diesem im Rahmen des Forschungsprojekts von Balla u.a. entwickelten und in der Folgezeit naturschutzfachlich weiter diskutierten Ansatz hat der Stickstoffleitfaden in seiner Endfassung von 2019 in Kenntnis der dazu insbesondere von Naturschutzverbänden geäußerten Bedenken festgehalten. Dass es bessere Erkenntnisse dazu geben könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Senat sieht daher keinen Anlass, in diesem Punkt der im Stickstoffleitfaden empfohlenen Vorgehensweise nicht zu folgen. 70 Danach dient das vorhabenbezogene Abschneidekriterium vor allem der Ermittlung des Einwirkungsbereichs und des Untersuchungsraums in der FFH-Prüfung. Es kennzeichnet die Höhe der Stickstoffdeposition, ab der diese nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft einer bestimmten Quelle oder einem bestimmten Vorhaben valide zugeordnet werden kann. Der vorhabenbedingte Eintrag muss nicht nur messtechnisch nachweisbar sein, sondern sich auch hinreichend von der Hintergrundbelastung abgrenzen und unter Berücksichtigung der mit der Ermittlung der Gesamtbelastung verbundenen Unsicherheiten statistisch unterscheiden lassen, um ihm eine eigene ""Wirkung"" auf das FFH-Gebiet zuschreiben zu können. Dies ist auch zur Validierung der zur Ausbreitungsrechnung herangezogenen und von zahlreichen weiteren Eingabefaktoren abhängigen Rechenmodelle erforderlich. 71 Bei Depositionsraten, die bei 0,3 kg N/ha/a oder darunter liegen, lässt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen Emission und Deposition herstellen, der Eintrag liegt unterhalb nachweisbarer Wirkungen auf die Schutzgüter der FFH-Richtlinie (H PSE 2019 S. IX; ausführlich zur Herleitung und Begründung Balla, Bernotat u.a., Online-Zeitschrift Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz Heft 14 <2014> S. 43 <48 ff.>; zum erforderlichen Überschreiten der ""Wirkungsschwelle"" auch Füßer/Lau, UPR 2014, 121 <125>). Maßgebend für den Wert des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a ist nicht allein die Grenze des theoretisch messtechnisch Ermittelbaren, sondern die Möglichkeit der Zuordnung der Stickstoffdeposition zu einer bestimmten Quelle (vgl. Balla, Uhl u.a., I+E 2013, 203 <214>; Balla, Bernotat u.a., a.a.O. S. 51: ""Zusammenschau der Argumentationslinien""). Fehlt es daran, lässt sich auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Beeinträchtigung durch diese Quelle nicht begründen, deren Auswirkungen bleiben vielmehr rein hypothetisch. Dies genügt im Rahmen der habitatschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung nicht. 72 Der Senat sieht keinen Anlass, in diesem Zusammenhang eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Die von der Klägerin angeregte Vorlagefrage, ob es für die Feststellung der erheblichen Beeinträchtigung eines Erhaltungsziels in einem Natura-2000-Gebiet erforderlich sei, dass die naturwissenschaftlich-technische Möglichkeit bestehe, durch nachträgliche Messungen oder sonstige Methoden den Eintritt der Beeinträchtigung nachzuweisen und die Beeinträchtigung einem Projekt oder einer Tätigkeit zuzuordnen, oder ob es ausreiche, dass die Gefahr oder Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung im Rahmen einer nach anerkannten Methoden durchgeführten Prognose bestehe, und ob im Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 der Habitat-Richtlinie hierfür unterschiedliche Maßstäbe gelten, stellt sich aus den dargelegten Gründen nicht, weil das Abschneidekriterium gerade den Bereich bezeichnet, für den sich keine gewisse Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung begründen lässt. Insofern besteht auch kein Widerspruch zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10] - (insbes. Rn. 42). 73 (3) Soweit die Klägerin die Bestimmung der Critical Loads für die beiden prioritären LRT *6210 und *6240 beanstandet, kommt es darauf nicht entscheidend an. Denn der Beklagte hat seine Einschätzung, dass diese Lebensraumtypen keinen erheblichen Beeinträchtigungen durch Stickstoffeinträge ausgesetzt sind, (auch) darauf gestützt, dass sich die Bestände der Lebensraumtypen in Bereichen befinden, in denen die Zusatzbelastung bei Berücksichtigung aller Schadensminderungsmaßnahmen jeweils nicht über dem Wert des Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a liegt (PU 12.5.3 FFH-VP ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" S. 113A Tab. 14 sowie S. 126A zum LRT *6210 und S. 129A zum LRT *6240; zur Berechnung nach HBEFA 3.3 PFB 2018 S. 364 f. zum LRT *6210, zur Berechnung für beide Lebensraumtypen auch Anlage 6 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung). Die Zusatzbelastung durch Stickstoffeinträge liegt damit unter der prüfrelevanten Schwelle, so dass es unerheblich ist, ob die Critical Loads in der Gesamtbelastung überschritten werden (vgl. H PSE 2019 S. 65). 74 Auf die unter Beweis gestellten Tatsachen, ""dass unter Heranziehung der Modellierung Ökodata 2006 und der neuen Erkenntnisse über Stickstoffentzug durch die Beweidung der Critical Load für den LRT *6240 maximal bei 5,6 kg N/ha/a liegt"" (Beweisantrag Nr. 22), ""dass die Ermittlung des Critical Loads für den LRT 6210 inkl. der prioritären Ausprägung *6210 deshalb fehlerhaft ist, weil in Bezug auf den Stickstoffentzug durch Beweidung von einem durchschnittlich mittelwüchsigen Bestand ausgegangen worden ist, obwohl auch geringwüchsige Ausprägungen vorkommen, diese im Einflussbereich der N-Einträge aus der Autobahn liegen und als prioritäre Lebensräume besonders geschützt und wertvoll sind"" (Beweisantrag Nr. 23) und ""dass es sich bei denjenigen Standorten, auf denen die Orchideenart Orchis morio im Lebensraum *6210 vorkommt, ganz überwiegend um magere, niedrig wüchsige Bestände handelt und daher der mögliche Stickstoffaustrag an diesem niedrigen Wuchs zu messen ist"" (Beweisantrag Nr. 24), kommt es demnach für die Entscheidung nicht an, weil es jeweils um die Bestimmung der Critical Loads der beiden prioritären Lebensraumtypen geht. Dies gilt auch, soweit im Beweisantrag Nr. 23 der LRT 6210 benannt wird, denn die Begründung stellt nur auf ""prioritäre Lebensräume"" ab und der Critical Load für den LRT 6210 wird auch im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet. Den Anträgen auf Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten (Beweisanträge Nr. 22 bis 24) und zusätzlich durch Inaugenscheinnahme (nur Beweisantrag Nr. 24) war somit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzukommen. 75 Entsprechendes gilt für den weiteren Antrag auf Einholung eines Gutachtens dazu, ""dass der Critical Load für den prioritären LRT *6240 - Steppenrasen - bei 8,1 kg N/ha/a anzusetzen ist, dieser durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge in Höhe von 0,7 kg N/ha/a beaufschlagt würde und die Vorbelastung in der Erweiterung bereits über dem Critical Load liegt"" (Beweisantrag Nr. 29). Sollten hier mit der Formulierung ""in der Erweiterung"" möglicherweise zusätzlich die Vorkommen des LRT *6240 in der Gebietserweiterungsfläche gemeint sein, fehlt es auch insoweit an der Entscheidungserheblichkeit, weil die Erweiterungsfläche - wie ausgeführt - nicht nachträglich in die FFH-Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen ist und es hinsichtlich des LRT *6240 zudem mangels erheblicher Beeinträchtigung auch nicht der Durchführung von Kohärenzmaßnahmen bedurfte. 76 Auch der Antrag auf Einholung eines Gutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass sich die eutrophierende und die versauernde Wirkung von Stickstoffeinträgen in Lebensräume gegenseitig verstärken können und daher entsprechende Untersuchungen unter Hereinnahme eines solchen Verstärkungseffekts erforderlich sind"" (Beweisantrag Nr. 17), hat keinen Erfolg. Es fehlt bereits an einer näheren Begründung und Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Aussage. Die Klagebegründung, in deren Kontext der Antrag angekündigt worden ist (S. 62 f.), wiederholt lediglich entsprechende Aussagen aus dem Gutachten von V., der zwar die Ermittlung der Critical Loads allgemein als fachlich fehlerhaft bezeichnet, den für die nicht prioritären Lebensraumtypen angewandten Wert aber ausdrücklich nicht beanstandet. Die konkreten Rügen zu den prioritären Lebensraumtypen greifen die Frage einer etwaigen Verstärkung von versauernden und eutrophierenden Wirkungen nicht auf, diese Critical Loads sind zudem nicht entscheidungserheblich. 77 (4) Die Ermittlung der Vorbelastung unter Verwendung des UBA-Datensatzes und unter Berücksichtigung starker lokaler Emissionsquellen (Ferkelzuchtanlage Gimritz) sowie ergänzend erhobener Vorbelastungswerte für Versauerung (vgl. PFB 2018 S. 339) entspricht den Vorgaben des Stickstoffleitfadens (H PSE 2019 S. 34 ff.). Die Kritik der Klägerin, es hätten vorhandene lokale Messwerte berücksichtigt werden müssen, setzt sich nicht mit der konkreten Datenerhebung auseinander und zeigt insbesondere nicht auf, welche zusätzlichen Messwerte vorhanden gewesen sein sollen. 78 (5) Bei der Berechnung der Zusatzbelastung hat der Beklagte die in der Verträglichkeitsprüfung ermittelten Werte anhand der neuen Version des Handbuchs für Emissionsfaktoren HBEFA 3.3 aktualisiert und damit den zum Zeitpunkt der Planfeststellung im März 2018 aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand berücksichtigt. Das Update HBEFA 3.3 basiert auf dem damals neuesten Wissensstand und war auf die NOx-Emissionen neuerer Diesel-Pkw fokussiert. Berücksichtigt wurden auch Abgasmesswerte, die bei realen Fahrten auf der Straße ermittelt wurden (vgl. den im Internet veröffentlichten Hintergrundbericht von Infras ""HBEFA Version 3.3"" vom 25. April 2017). Bessere Erkenntnisse für die Modellierung verkehrsbedingter Emissionen sind für den Senat nicht ersichtlich und lassen sich auch durch ein weiteres Sachverständigengutachten, das im Übrigen einem Forschungsprojekt gleich käme, nicht gewinnen. Dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass die Erhöhung der Emissionsfaktoren der durchschnittlichen deutschen Dieselflotte im HBEFA um 24 bis 92 % die realen Werte nicht wiedergibt, sondern diese Werte um ein Mehrfaches höher angesetzt werden müssen, oder sich jedenfalls deutlich höhere Werte ohne vorherige, noch nicht vorliegende Untersuchungen nicht ausschließen lassen und es ausreichend Hinweise gibt, dass die Diesel-Emissionen höher sind"" (Beweisantrag Nr. 20), ist deshalb nicht nachzukommen. 79 Die Kritik der Klägerin an den bei der Berechnung der Zusatzbelastung angenommenen meteorologischen Daten und der angesetzten Depositionsgeschwindigkeit wiederholt lediglich die Einwendungen des NABU aus dem Anhörungsverfahren 2016, ohne sich mit der ausführlichen, die Einwendungen zurückweisenden Darstellung im Planfeststellungsbeschluss (PFB 2018 S. 342 ff.) auseinanderzusetzen. 80 (6) Bei der Berechnung der von der geplanten Straße ausgehenden Zusatzbelastung an Stickstoffeinträgen hat der Beklagte auch die im Planfeststellungsbeschluss verfügten Geschwindigkeitsbegrenzungen in zutreffender Weise berücksichtigt. 81 Das Schutz- und Vermeidungskonzept des Beklagten zur Reduzierung der Stickstoffeinträge sieht als Maßnahmen, die an der Ausgestaltung und Nutzung der Straße selbst ansetzen, neben einem 300 m langen Landschaftstunnel mit Ausblasschacht und Schutzwänden vor den Tunnelportalen sowie Abflachung der Trassengradiente (Bauwerk Nr. 4224/12 Ü und Maßnahme A23.1, dazu ausführlich PFB 2018 S. 250 ff.) auch Geschwindigkeitsbeschränkungen vor, die teils dauerhaft (Maßnahme S 12) und teils zeitlich befristet (Nebenbestimmung A.IV.2.1) verfügt wurden. Auf der knapp 8 km langen Strecke zwischen der Saalequerung und dem Ende des Autobahnabschnitts am AD Halle-Nord ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h und auf einer Teilstrecke von insgesamt 700 m im Bereich des Landschaftstunnels und jeweils 200 m vor bzw. hinter den Tunnelportalen noch weitergehend auf 80 km/h dauerhaft beschränkt. Zeitlich befristet ist zusätzlich für den 2,3 km langen Bereich von 970 m vor dem südlichen bis 960 m nach dem nördlichen Tunnelportal (Bau-km 16+826 bis Bau-km 19+056) eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h bergab und 60 km/h bergauf angeordnet worden, die im Hinblick auf die künftig zu erwartende Zusammensetzung der Kraftfahrzeugflotte bis Ende 2027 gelten soll. 82 Die Kritik der Klägerin, der Beklagte unterstelle zu Unrecht, dass die unbefristeten Geschwindigkeitsbeschränkungen befolgt würden, überzeugt nicht. Sie geht an den tatsächlichen Berechnungsgrundlagen vorbei. Für die Prognose, welche zusätzlichen Stickstoffeinträge durch den Verkehr auf einer bisher noch nicht existenten Straße zu erwarten sind, werden keine vor Ort durchgeführten Messungen und Verkehrserhebungen zugrunde gelegt, sondern ein wissenschaftlich etabliertes Modell, das auf der Heranziehung bestimmter Emissionsfaktoren beruht und in dem einschlägigen Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) seinen Niederschlag gefunden hat. Dieses enthält eine Datenbank zu den spezifischen Emissionswerten für die gängigsten Fahrzeugtypen und eine Reihe von Schadstoffen. Die Emissionsfaktoren unterscheiden nicht nur nach Fahrzeugtypen und Fahrzeug-Subsegmenten, sondern differenzieren u.a. auch nach Verkehrssituationen; zu den Parametern für die Bestimmung der Verkehrssituation gehört neben dem Straßentyp u.a. auch das Tempolimit (vgl. hierzu H PSE 2019 S. 25 ff; Umweltbundesamt, ""Hintergrundinformationen zum Handbuch für Emissionsfaktoren für Straßenverkehr "", Stand April 2017). Den Werten des HBEFA liegen umfangreiche Messungen und Untersuchungen zugrunde; das Handbuch bildet nach seiner Konzeption reale Fahrsituationen ab. Dabei ist bei Zuordnung von Emissionswerten zu einer bestimmten Verkehrssituation auch das in der Praxis empirisch erhobene Fahrverhalten in dieser Verkehrssituation berücksichtigt, so auch der Umstand, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht eingehalten werden (vgl. etwa Knörr u.a., Weiterentwicklung der Emissionsfaktoren für das Handbuch für Emissionsfaktoren , Endbericht im Auftrag des Umweltbundesamtes vom 31. August 2011 S. 16 ff., der sich mit der Aktualisierung und Validierung der im HBEFA 3.1 enthaltenen Verkehrssituationen und dem repräsentativen Fahrverhalten einschließlich tatsächlicher Geschwindigkeitsverteilungen bei verschiedenen Tempolimits befasst). In den nach dem HBEFA angesetzten Fahrzyklen sind die durchschnittlichen Fahrtgeschwindigkeiten der jeweiligen Fahrzeugflotte einschließlich der Geschwindigkeitsübertretungen im typischen Umfang enthalten. Diese haben daher in dem Maße, in dem sie in die Verkehrssituationen des HBEFA Eingang gefunden haben, auch bei der streitgegenständlichen Berechnung der Stickstoffdepositionen Berücksichtigung gefunden. 83 Die Zugrundelegung der Emissionsfaktoren des HBEFA entspricht - wie dargelegt - den aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch die hier erfolgte konkrete Anwendung begegnet keinen Bedenken. In der FFH-Verträglichkeitsprüfung, die die dauerhaft verfügten Geschwindigkeitsbeschränkungen zu berücksichtigen hatte, wurden für die Berechnung der Stickstoffdepositionen die Verkehrssituationen ""ABS100 - Agglomerationsraum Autobahn, Tempolimit 100 km/h"" und ""ABS80 - Agglomerationsraum Autobahn, Tempolimit 80 km/h"" des HBEFA herangezogen (PU 12.6.3A Stickstoffdepositionen Prognose 2025, Februar 2012 und September 2014, S. 21, 23). Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Vorhaben um eine derart untypische Verkehrskonstellation gehen könnte, dass die vom HBEFA zur Verfügung gestellten Emissionsfaktoren nicht passen, sind nicht ersichtlich. 84 Für die Berechnung der Auswirkungen der befristeten zusätzlichen Geschwindigkeitsbeschränkung auf teilweise 60 km/h wurden, weil das HBEFA keine originären Emissionsfaktoren für Außerortsautobahnen mit einem solchen Tempolimit zur Verfügung stellt, die Emissionsfaktoren aus den für Stadtautobahnen mit Tempo 60 km/h geltenden Werten unter Zugrundelegung der Außerortsfahrzeugflotte hergeleitet (Abwägungspapier zu Auswirkungen des HBEFA 3.3 auf die Konsistenz der Planänderungs- und -ergänzungsunterlagen A 143 S. 9). Insoweit mag allerdings zweifelhaft sein, ob die typische Verkehrssituation auf einer innerstädtischen Autobahn bei einer Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h hinsichtlich Fahrverhalten und durchschnittlicher Fahrtgeschwindigkeit ohne Weiteres auf das hier außerorts verfügte Tempolimit übertragen werden kann, zumal der Grund für die Beschränkung hier nicht aus den baulichen oder verkehrlichen Gegebenheiten resultiert und für den Autofahrer nicht unmittelbar erkennbar ist. Diesen Bedenken hat der Beklagte jedoch in der mündlichen Verhandlung durch eine Ergänzung der Nebenbestimmung A.IV.2.1 Rechnung getragen. Soweit die Klägerin rügt, die Anordnung, dass der geplante Autobahnabschnitt erst in Betrieb genommen werden darf, wenn ""die Einhaltung dieser Geschwindigkeitsbeschränkung mit geeigneten Maßnahmen permanent überwacht"" wird, sei zu unbestimmt, kann dahinstehen, ob dieser Aspekt überhaupt von ihrer Rügebefugnis umfasst ist. Die Frage stellt sich, weil die konkrete Ausgestaltung der Geschwindigkeitsüberwachung keinen Einfluss auf die Lage der Trasse und die Betroffenheit des Grundeigentums der Klägerin haben dürfte. Aus der Erklärung des Beklagten ergibt sich aber jedenfalls, dass die Überwachungsmaßnahmen geeignet sein müssen, auf das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer Einfluss zu nehmen, um sicherzustellen, dass die Befolgungsquote des Tempolimits mit der angenommenen Verkehrssituation des HBEFA hinreichend vergleichbar ist. Auf dieser Grundlage ist die Berechnung des Beklagten nach den Emissionsfaktoren des HBEFA nicht zu beanstanden. 85 Aus diesem Grund ist der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass es bei Einrichtung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h auf einer mehrspurig ausgebauten Autobahn ohne sonstige verkehrliche Beschränkungen zu einem signifikanten Überschreiten der zugelassenen Geschwindigkeit und damit zu einer Erhöhung der Emissionen gegenüber dem angenommen(en) Verkehrsverhalten kommt"" (Beweisantrag Nr. 19), abzulehnen. In dieser allgemeinen Formulierung enthält er schon keine konkrete, hinreichend bestimmte Fragestellung, die von einem Gutachter beantwortet werden könnte. Bezogen auf die im Planfeststellungsbeschluss verfügte befristete Geschwindigkeitsbeschränkung ist die unter Beweis gestellte Aussage nicht entscheidungsrelevant, weil sie die in der mündlichen Verhandlung ergänzte Geschwindigkeitsüberwachung nicht berücksichtigt und nach der Begründung des Antrags in der Klagebegründung unter dem ""angenommenen Verkehrsverhalten"" eine hundertprozentige Befolgungsquote verstanden wird, die aber den Emissionsberechnungen tatsächlich nicht zugrunde liegt. Zur konkreten Berechnung der Zusatzbelastung liegen im Übrigen hinreichende fachliche Stellungnahmen und das HBEFA vor. 86 (7) Die Ackerstilllegung bzw. Umwandlung benachbarter Ackerflächen in Grünland und der damit bewirkte Verzicht auf Düngung durften als Maßnahmen zur Vermeidung von Stickstoffeinträgen (Maßnahmenblatt A23.5) auf die Stickstoffbilanz angerechnet werden. 87 (a) Der Berücksichtigung als Schadensbegrenzungsmaßnahme im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL steht nicht entgegen, dass die Maßnahme nicht an der emittierenden Quelle, sondern am Immissionsort ansetzt, also nicht den Stickstoffausstoß des Vorhabens selbst, sondern den aus anderen Quellen resultierenden Stickstoffeintrag auf die geschützten Lebensraumtypen verringert. 88 Eine derartige bilanzierende Betrachtungsweise ist im Stickstoffleitfaden Straße fachlich vorgesehen. Danach werden die Stickstoffdepositionen vor Umsetzung des Vorhabens der zukünftigen Situation nach dessen Umsetzung gegenübergestellt (H PSE 2019 S. 75). Ist die vorhabenbedingte Zusatzbelastung zu hoch, sind zunächst vorhabenbezogene Maßnahmen zu prüfen, die die Emissionen bereits an der Quelle auf ein unerhebliches Maß begrenzen. Reicht deren Wirksamkeit nicht aus, kommen zur weiteren Schadensbegrenzung Maßnahmen in Betracht, die eine Verbesserung der Stickstoffbilanz in den betroffenen FFH-Lebensräumen bewirken. Hierunter fällt insbesondere die Verringerung der bestehenden Belastung aus anderen Quellen. Soweit sich Be- und Entlastungen räumlich überlagern, können sie direkt gegeneinander aufgerechnet werden (H PSE 2019 S. 76 f.). Voraussetzung für eine Anrechnung ist allerdings, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen hinsichtlich des Umfangs wie auch des zeitlichen Eintritts ihrer Wirkung fachlich sichergestellt ist (H PSE 2019 S. 78). Zu den berücksichtigungsfähigen Maßnahmen zur Verringerung der Stickstoffbelastung gehört insbesondere die Reduktion der Stickstoffausträge aus Ackerdüngung (vgl. H PSE S. 92). 89 Eine solche Berücksichtigung des Düngeverzichts im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser unterscheidet im Rahmen des Art. 6 FFH-RL zwischen den unter Art. 6 Abs. 3 FFH-RL fallenden Schutzmaßnahmen im Sinne von Schadensvermeidungs- oder Schadensbegrenzungsmaßnahmen (nach neuerer Begrifflichkeit: Abschwächungsmaßnahmen), die bereits im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen sind und unmittelbare Auswirkungen auf das Maß der Beeinträchtigung von Schutzgütern des FFH-Gebiets selbst haben, und sogenannten Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen, die in den Fällen, in denen das Projekt trotz negativer (erheblicher) Auswirkungen auf das Gebiet durchgeführt werden soll, einen Ausgleich für die Beeinträchtigungen schaffen sollen und im Rahmen von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL zum Tragen kommen. Als Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind nur solche Maßnahmen anzusehen, die in den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt aufgenommen werden und die etwaigen durch den Plan oder das Projekt unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen verhindern oder verringern sollen, um dafür zu sorgen, dass der Plan oder das Projekt die betreffenden Gebiete als solche nicht beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​330], Briels u.a. - Rn. 28 f.; vom 21. Juli 2016 - C-387/15 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2016:​583], Orleans u.a. - Rn. 48, 54; vom 25. Juli 2018 - C-164/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​593], Grace und Sweetmann - Rn. 47, 50 und vom 7. November 2018 - C-293/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2018:​882], Coöperatie Mobilisation for the Environment UA - Rn. 125; allgemein zur Abgrenzung auch Europäische Kommission, Auslegungsleitfaden zu Art. 6 Abs. 4 der ""Habitat-Richtlinie"" 92/43/EWG, Januar 2007, S. 11, und Vermerk der Kommission ""Natura 2000-Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Art. 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 21. November 2018"" - C (2018) 7621 final - S. 59 f. und 69 f.). Ihre Berücksichtigungsfähigkeit nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL setzt voraus, dass ausreichende Gewissheit besteht, dass die Maßnahme wirksam dazu beitragen wird, eine Beeinträchtigung des betreffenden Gebiets als solches zu vermeiden, und gewährleistet, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Gebiet als solches durch den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt nicht beeinträchtigt wird (EuGH, Urteile vom 21. Juli 2016 - C-387/15 - Rn. 51 und vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 126, 130). Die Maßnahmen müssen dabei unmittelbar mit den in der Verträglichkeitsprüfung festgestellten wahrscheinlichen Auswirkungen in Zusammenhang stehen (Europäische Kommission, Vermerk der Kommission ""Natura 2000-Gebietsmanagement 21. November 2018"", S. 59). 90 Auch der Europäische Gerichtshof setzt danach bei der Berücksichtigung einer Maßnahme nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nicht an der Quelle der Beeinträchtigungen und Emissionen an, sondern an den Auswirkungen auf die Schutzgüter des FFH-Gebiets. Die Maßnahmen sind zeit- und wirkungsbezogen danach zu beurteilen, ob die schädlichen Auswirkungen des Projekts als solche verlässlich verhindert oder gemindert werden. Als Schadensbegrenzungsmaßnahmen müssen sie direkt an die Auswirkungen, denen entgegengewirkt werden soll, anknüpfen und sich auf die davon betroffenen Lebensraumtypen und Arten beziehen. Sie dürfen nicht lediglich einen Ersatz schaffen und einen Verlust an geschütztem Lebensraum an anderer Stelle kompensieren (vgl. Füßer/Lau, NuR 2014, 453 <455>; Korbmacher, UPR 2018, 1 <5>). Zudem darf an der Wirksamkeit der Maßnahmen bei Realisierung des Vorhabens kein vernünftiger Zweifel bestehen (vgl. Schütte/Wittrock/Flamme, NuR 2015, 145 <149>); ihre entlastende Wirkung muss spätestens zu dem Zeitpunkt gewährleistet sein, in dem die Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. 91 Der als Schadensbegrenzungsmaßnahme (SBM) bewertete Teil der Maßnahme A23.5 betrifft die Ackerstilllegung und Umwandlung von Ackerflächen in Grünland im direkten Umfeld der LRT-Flächen in den Porphyrkuppen bei Friedrichsschwerz und umfasst zwei Teilflächen. Bilanziert werden die Stickstoffeinträge, die im dortigen Trassenbereich durch die neue Autobahn verursacht werden, mit den Einträgen, die durch die Stilllegung und Umnutzung dieses Bereichs und der unmittelbar benachbarten Flächen entfallen und sich geografisch auf dieselben Lebensräume auswirken. Die Düngereduktion ist damit grundsätzlich geeignet, als Schutzmaßnahme im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL berücksichtigt zu werden. 92 Auch die Wirksamkeit der Maßnahme ist gewährleistet. Die Umwandlung der Ackerflächen in Grünland erfolgt nach dem Maßnahmenblatt A23.5 teilweise vor, spätestens aber im Zuge der Straßenbauarbeiten. Zur dauerhaften Sicherung des Düngeverbots ist nach der Nebenbestimmung 2.13 des Planfeststellungsbeschlusses (PFB 2018 S. 67) eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Naturschutzes einzutragen. Ausweislich des Grunderwerbsverzeichnisses stehen zahlreiche Grundstücke bereits im Eigentum der Bundesfernstraßenverwaltung, hinsichtlich der übrigen Grundstücke ist deren dauerhafte Belastung nach den Planunterlagen vorgesehen und wird nach Auskunft des Beklagten unmittelbar nach Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses vollzogen werden. Damit ist sichergestellt, dass zum Zeitpunkt der Freigabe der neuen Straße und des Einsetzens der damit verbundenen zusätzlichen Stickstoffeinträge die Maßnahmen zur Stickstoffreduzierung umgesetzt sind und die bisherigen Stickstoffbelastungen infolge der Düngung entfallen. Die Berechnung des Umfangs der stickstoffentlastenden Wirkung beruht auf dem gleichen Rechenmodell, das auch den zu erwartenden vorhabenbedingten Stickstoffeinträgen zugrunde liegt, und entspricht dem aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisstand. 93 Die Berücksichtigungsfähigkeit einer Schadensbegrenzungsmaßnahme erfordert entgegen der Annahme der Klägerin nicht, dass sie bereits vor Erlass der Genehmigung wirksam durchgeführt wurde. Die von der Klage in Bezug genommenen Ausführungen im Urteil des EuGH vom 7. November 2018 beziehen sich nicht auf Schadensbegrenzungsmaßnahmen, sondern auf Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 124; s.a. das dort zitierte Urteil des EuGH vom 17. April 2018 - C-441/17 [ECLI:EU:2018:255], Kommission/Polen - Rn. 213). Für Schadensvermeidungs- und -begrenzungsmaßnahmen kommt es hingegen nur darauf an, dass deren Wirksamkeit - wie vorliegend - in dem Zeitpunkt gewährleistet ist, in dem die Beeinträchtigungen zu erwarten sind. 94 (b) Die vom Beklagten berücksichtigte Stickstoffreduzierung infolge Düngeverzichts stellt keine Erhaltungsmaßnahme dar, die aus gebietsschutzrechtlichen Gründen im FFH-Gebiet nach Art. 6 Abs. 1 oder 2 FFH-RL ""sowieso"" geboten gewesen wäre und deshalb dem Vorhaben nicht als Schadensbegrenzungsmaßnahme zugutekommen dürfte (vgl. dazu etwa Füßer/Lau, NuR 2014, 453 <455>; ebenso zu Kohärenzmaßnahmen Europäische Kommission, Vermerk der Kommission ""Natura 2000 - Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Art. 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG"", 21. November 2018, S. 71). 95 Bei der Abgrenzung zwischen ohnehin erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen und überobligatorischen Schadensbegrenzungsmaßnahmen durfte sich der Beklagte an dem im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt für das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" im Dezember 2015 erstellten Managementplan orientieren. 96 Aus den gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG für das jeweilige Gebiet aufgestellten Bewirtschaftungsplänen (regelmäßig Managementpläne genannt), die die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 FFH-RL konkretisieren, ergibt sich, welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen sind. Während die Mitgliedstaaten hinsichtlich des ""Ob"" der nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL nötigen Maßnahmen kein Ermessen haben, stehen den nationalen Behörden hinsichtlich der im Rahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL einzusetzenden Mittel und technischen Entscheidungen und hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL Regelungs-, Entscheidungs- und Ermessensspielräume zu. Nicht für jeden Lebensraumtyp und jede Art muss den festgelegten Erhaltungszielen entsprechend sofort und umfassend ein günstiger Erhaltungszustand wiederhergestellt werden. Ziel der Habitat-Richtlinie ist vielmehr ein günstiger Erhaltungszustand auf nationaler, biogeographischer und europäischer Ebene. Der Mitgliedstaat darf daher im Rahmen der für das jeweilige Schutzgebiet bestimmten Erhaltungsziele Prioritäten setzen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 152 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 423, jeweils m.w.N.). Gibt es - wie hier - einen Managementplan, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde grundsätzlich darauf vertrauen, dass die zuständigen Behörden ihren habitatschutzrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind und ihre Entscheidungsspielräume rechtlich und naturschutzfachlich zutreffend ausgeübt haben, sofern der Plan nicht evidente Fehleinschätzungen oder Versäumnisse erkennen lässt. Legt der Managementplan bestimmte Maßnahmen als Erhaltungsmaßnahmen fest, andere jedoch nicht bzw. nur als unverbindliche fakultative Entwicklungsmaßnahmen, darf diese Einstufung in der Regel zugrunde gelegt werden, sofern der Plan nicht von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgeht oder ""Etikettenschwindel"" betreibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 424). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich. 97 Der Managementplan für das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" benennt als wesentliche Ursache für eine Beeinträchtigung der hier interessierenden Lebensraumtypen die unzureichende oder gänzlich aufgegebene Nutzung, daneben auch eine Verbuschung, Defizite der schäfereilichen Infrastruktur und Beeinträchtigungen durch Freizeitnutzung (S. 106). Als Erhaltungsmaßnahmen für die Trockenbiotope werden dementsprechend Beweidung, Entbuschung, Pflegerotation bzw. periodische Pflege, Mahd und Einsatz von Feuer festgelegt (S. 111 ff.). Zudem wird als allgemeiner Behandlungsgrundsatz die Düngung der Standorte selbst untersagt (S. 115, 117). Dieses Verbot bezieht sich nur auf die Flächen, auf denen sich die LRT-Vorkommen selbst befinden, nicht auf deren weitere Umgebung. Zu den Erhaltungsmaßnahmen gehört zudem die Pflege eutropher Säume zur Vermeidung von Randeinflüssen verinselter Kuppen mit LRT-Vorkommen innerhalb von Ackerflächen (S. 109). Schließlich wird auch die Einrichtung von Pufferstreifen auf Ackerflächen, die an Felskuppen und -hänge angrenzen, dringend empfohlen (S. 143). Die Stilllegung und Umwandlung von Ackerflächen in Grünland wird insgesamt thematisiert, aber nicht als großflächige Pflege- und Erhaltungsmaßnahme festgelegt, wobei zu berücksichtigen ist, dass für die Teile des FFH-Gebiets, die zugleich im Naturschutzgebiet Gimritz liegen, bereits ein Düngeverbot besteht. Im Übrigen wird der Ackerbau im Gebiet entsprechend der ""guten fachlichen Praxis"" (S. 43) unter Anwendung von emissionsarmen Methoden der Düngeausbringung (vgl. FFH-VP ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" S. 111A) vollzogen. Die für die Schadensbegrenzungsmaßnahme A23.5 vorgesehenen Teilflächen sind in der Karte 6-3 mit den Umsetzungsmaßnahmen des Managementplans als ""planerische Empfehlung ohne Umsetzungsverpflichtung"" für die Entwicklungsmaßnahme ""Umwandlung in Grünland"" dargestellt (Behandlungseinheiten 217 und 219) und gehören zu den Behandlungseinheiten, die im Managementplan für die Stilllegung und Umwandlung in Grünland vorgeschlagen werden (S. 131 f. Tab. 5o), ohne dass diese Maßnahme als zwingend erforderlich angesehen wird. Dass diese Einstufung im Managementplan, der insgesamt ein in sich stimmiges Konzept erkennen lässt, naturschutzfachlich evident fehlerhaft und sachwidrig wäre, ist nicht ersichtlich. 98 Die Bewertung im Managementplan, wonach die Düngung nicht generell, sondern nur auf den Porphyrkuppen selbst nicht gebietsverträglich und daher verboten ist, wird durch die mittlerweile in Kraft getretenen Regelungen der Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura-2000-Gebiete im Land Sachsen-Anhalt (N2000-LVO LSA) vom 20. Dezember 2018 normativ bestätigt. Diese enthält in § 3 der Anlage 3.124 als gebietsbezogene Schutzbestimmung für das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" das Verbot der Düngung mit stickstoff- oder kalkhaltigen Düngemitteln auf dem LRT 6210 und jedweder Düngung auf den LRT 4030, *6210, *6240 und 8230 und macht im Übrigen in § 7 N2000-LVO LSA zwar zahlreiche Vorgaben für die Ausübung der ordnungsgemäßen Landwirtschaft, formuliert aber kein allgemeines Düngeverbot. 99 (c) Die landwirtschaftliche Düngung, auf die nunmehr verzichtet wird, ist selbst kein eigenständiges nicht genehmigtes ""Projekt"", das im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL kumulativ hätte berücksichtigt werden müssen und dessen Wegfall sich nicht entlastend auf die vorhabenbedingte Zusatzbelastung auswirken darf. 100 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hängt die Frage, ob die Ausbringung von Düngemitteln als ""Projekt"" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL einzustufen ist, von der Feststellung ab, ob diese Tätigkeit ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann (Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 67). Ob dies hier der Fall ist und die landwirtschaftliche Düngung in dem eingeschränkten Rahmen, in dem sie nach der Landesverordnung zur Unterschutzstellung der Natura-2000-Gebiete und dem Managementplan für zulässig und gebietsverträglich erachtet worden ist, als ""Projekt"" anzusehen ist, bedarf keiner näheren Prüfung. Denn im Hinblick darauf, dass die landwirtschaftliche Nutzung der fraglichen Flächen und damit auch deren Düngung hier von alters her zulässig waren, liegt jedenfalls kein ""neues"", habitatschutzrechtlich relevantes Projekt vor. 101 Der Europäische Gerichtshof stellt bei der Abgrenzung eines landwirtschaftlichen Fortsetzungsprojekts von einem neuen Projekt insbesondere auf den Ort und die Umstände der Ausführung ab. Danach kann eine wiederkehrende Tätigkeit wie die Ausbringung von Düngemitteln, die vor Inkrafttreten der Habitat-Richtlinie nach dem nationalen Recht gestattet war, als ein und dasselbe Projekt von einem erneuten Genehmigungsverfahren befreit sein, sofern sie eine einheitliche Maßnahme darstellt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie einen gemeinsamen Zweck hat, fortgesetzt wird und insbesondere Ort und Umstände ihrer Ausführung dieselben sind (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-293/17 - Rn. 86). Durch diese Voraussetzungen soll vermieden werden, dass sich einzelne Änderungen bei der Ausführung der Tätigkeit negativ auf ein Schutzgebiet auswirken und dessen Schutzziele erheblich beeinträchtigen können (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2018, a.a.O. Rn. 84). Diese Gefahr ist hier - auch unabhängig von dem vorhabenbedingten Düngeverzicht - nach den Gesamtumständen ausgeschlossen. Denn im Vergleich zu früheren Wirtschaftsperioden ist der Eintrag an Düngemitteln insgesamt - und damit auch im Bereich der hier betroffenen Lebensraumtypen - zurückgegangen. Soweit nicht aus naturschutzrechtlichen Gründen bereits flächenweise Verbote (im Naturschutzgebiet) ausgesprochen wurden, wird ausweislich der Planungsunterlagen insgesamt eine schonende, emissionsarme Form der Düngung ausgeübt. 102 An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass sich nach der Beschreibung im Managementplan aus dem Jahr 2015 Teile der Ackerflächen im Plangebiet ""bis vor wenigen Jahren"" in Stilllegung befanden und nach Wegfall der ""Stilllegungsprämien"" wieder umgebrochen wurden (S. 43). Denn durch die vorübergehende Stilllegung haben die Flächen ihren Charakter als Ackerland nicht verloren. Der von vornherein nur temporär angelegte freiwillige Verzicht auf die Ackerbewirtschaftung hat das Recht zur landwirtschaftlichen Nutzung einschließlich der Ausbringung von Düngemitteln unberührt gelassen. Durch die Stilllegung wurden die Flächen nicht dauerhaft aus der landwirtschaftlichen Produktion herausgenommen. Auch das Gesetz zur Gleichstellung stillgelegter und landwirtschaftlich genutzter Flächen (Flächengleichstellungsgesetz - FGlG) erkennt im Übrigen ausdrücklich das Recht der Landwirte an, ihre Flächen, die nach Maßgabe europarechtlicher Förderungsprogramme stillgelegt worden waren, nach Beendigung der Stilllegungsperiode in derselben Art und in demselben Umfang wie zum Zeitpunkt vor der Stilllegung nutzen zu können (§ 1 Abs. 3 Satz 2 FGlG), und zwar unabhängig davon, ob das Stilllegungsprogramm dem Natur- und Landschaftsschutz oder der Marktordnung diente (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2019 - 4 C 4.18 - juris Rn. 29). Damit trägt auch die nationale Rechtsordnung dem Umstand Rechnung, dass Stilllegungsprogramme der Europäischen Union leer liefen, wenn Landwirte befürchten müssten, ihre Flächen nach Auslaufen der Programme nicht mehr in derselben Weise landwirtschaftlich nutzen zu können. 103 Der von der Klägerin angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bedarf es in diesem Zusammenhang nicht, weil die Grundsätze der habitatschutzrechtlichen Bewertung von landwirtschaftlicher Düngung, soweit hier entscheidungsrelevant, bereits europarechtlich geklärt sind. 104 (d) Die konkrete Berechnung der Zusatzbelastung an Stickstoffeinträgen auf der Grundlage der zulässigen Bilanzierung folgt den Hinweisen im Stickstoffleitfaden und ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Berücksichtigung des vorhabenbedingten Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a, das nach Bilanzierung der vorhabenbedingten Stickstoffbelastungen und -entlastungen (H PSE 2019 S. 76) und nach Auf- oder Abrundung des Ergebnisses auf eine Dezimalstelle (H PSE S. 98) zur Bewertung der Erheblichkeit der danach errechneten Zusatzbelastung zur Anwendung kommt. Soweit die Klägerin geltend macht, die Anerkennung eines Abschneidekriteriums im Rahmen der Berechnung der Stickstoffeinträge erfordere konsequenterweise, dass auch bei der Bilanzierung nur solche Maßnahmen berücksichtigt werden können, die zu einer Reduzierung von mehr als 0,3 kg N/ha/a führen, gilt dies dem Stickstoffleitfaden zufolge nur für die Verringerung solcher Quellen, die in größerer Entfernung liegen, nicht jedoch, wenn - wie vorliegend - die Quellen, deren Emissionen verringert werden, innerhalb des maßgeblichen Gebiets liegen (H PSE 2019 S. 76). 105 (e) Die zur Frage der Ackerextensivierung gestellten Beweisanträge auf Einholung von Sachverständigengutachten dazu, ""dass die im Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses als Schadensbegrenzungsmaßnahmen vorgesehenen Maßnahmen, nämlich die Beweidung der von Stickstoffeinträgen betroffenen Porphyrkuppen und die Reduktion von Stickstoffeinträgen aus der Düngung benachbarter Äcker, erforderlich ist, um den von der FFH-RL verlangten günstigen Erhaltungszustand dieser Flächen von Lebensraumtypen zu erhalten bzw. wiederherzustellen"" (Beweisantrag Nr. 11) und ""dass die N-Einträge aus der Düngung umliegender Flächen der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der FFH-LRT entgegenstehen und außerdem eine Verschlechterung des Erhaltungszustands verursachen"" (Beweisantrag Nr. 25), sind abzulehnen. Mit dem Antrag Nr. 11 soll wohl die Unzulässigkeit der ""Verrechnung"" der benannten Maßnahmen bewiesen werden, weil es sich dabei um notwendige Erhaltungsmaßnahmen (Sowieso-Maßnahmen) handele. Hinsichtlich der genannten Beweidung fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit, weil die Beweidung nur in Bezug auf die Barrierewirkung der Trasse als Schadensbegrenzungsmaßnahme dient. Hinsichtlich der Düngereduktion kommt es - wie dargelegt - darauf an, ob die Planfeststellungsbehörde die Einschätzung des Managementplans zugrunde legen durfte oder ob dieser evident fehlerhaft war. Dies lässt sich auf der Grundlage des Managementplans und der zur Verfügung stehenden Unterlagen und Informationen überprüfen, ohne dass es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf. Entsprechendes gilt für den Beweisantrag Nr. 25. Dieser ist zudem in seiner sehr allgemein gehaltenen Formulierung einer Klärung durch einen Sachverständigen kaum zugänglich. Dass Stickstoffeinträge den Erhaltungszustand von stickstoffempfindlichen Lebensraumtypen negativ beeinflussen können, ist offensichtlich, die rechtliche Beurteilung der Vorgaben des Habitatschutzrechts ist dem Gericht vorbehalten. 106 Abzulehnen sind schließlich auch die allgemein die Beeinträchtigung bestimmter Lebensraumtypen thematisierenden Beweisanträge. Dies gilt zunächst für den den LRT 6210 betreffenden Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsachen, ""dass es durch die Auswirkungen des Autobahnbetriebs und die dadurch verursachten Schadstoffeinwirkungen zu erheblichen Beeinträchtigungen des prioritären Bestands des LRT *6210, insbesondere der für den prioritären Bestand wertgebenden und stickstoffempfindlichen Pflanzenart Kleines Knabenkraut Orchis morio kommen würde"", ""dass bei der Beeinträchtigung des Kleinen Knabenkrauts durch Stickstoffeinträge aus dem Autobahnbetrieb nicht von einem nur graduellen Funktionsverlust ausgegangen werden kann, sowie dass die Schadensbegrenzungsmaßnahme Düngeverzicht auf die autobahnbedingte Beeinträchtigung des Bestands des Kleinen Knabenkrauts nicht angerechnet werden kann"", ""dass die Beeinträchtigung der südlichen Flächen des Vorkommens des Kleinen Knabenkrauts langfristig dazu führen würde, dass das gesamte Vorkommen auf dem Hügel südlich Tänzers Loch beeinträchtigt würde"", ""dass die Beeinträchtigung des Vorkommens des prioritären Bestands des LRT *6210 auf dem Hügel südlich Tänzers Loch die Trittsteinfunktion zwischen den beiden Orchis morio-Beständen am Goldberg und bei Brachwitz beeinträchtigen würde und damit das Natura-2000-Netz in seiner Kohärenz beeinträchtigt würde"" und ""dass der LRT6210 hinsichtlich seiner charakteristischen Arten durch die Zerschneidungswirkungen der geplanten Autobahn erheblich beeinträchtigt würde"" (Beweisantrag Nr. 28). Der Beweisantrag umfasst mehrere Tatsachenbehauptungen und zielt letztlich darauf ab, die FFH-Verträglichkeitsprüfung durch einen weiteren Sachverständigen vornehmen zu lassen. Hierzu besteht angesichts der bereits vorliegenden Verträglichkeitsuntersuchung mit den zugehörigen Fachberichten sowie dem Abwägungspapier zu HBEFA 3.3, die dem Stickstoffleitfaden und dem HBEFA folgen, kein Anlass. Dies gilt zunächst für die erste Behauptung, die nur allgemein die Frage einer erheblichen Beeinträchtigung des LRT *6210 durch Stickstoffeinträge betrifft. Die zweite Behauptung ist nicht entscheidungserheblich, weil sie eine (erhebliche) Beeinträchtigung des LRT *6210 und die Anwendung des Konzepts des graduellen Funktionsverlustes unterstellt, der Planfeststellungsbeschluss aber bereits eine Zusatzbelastung über dem Abschneidekriterium und damit das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung verneint, weshalb auch keine Umrechnung in Flächenäquivalente erfolgt. Die Frage der Anrechnung des Düngemittelverzichts zielt, soweit sie allgemein die Möglichkeit einer Anrechnung betrifft, auf eine rechtliche Bewertung, die dem Gericht vorbehalten bleibt; soweit die konkrete Berechnung gerügt wird, folgt diese, wie dargelegt, dem Stickstoffleitfaden und damit dem aktuell besten Erkenntnisstand. Die weiteren unter Beweis gestellten Behauptungen unterstellen jeweils eine erhebliche Beeinträchtigung des südlichen bzw. des gesamten Vorkommens des prioritären Lebensraumtyps im Bereich Tänzers Loch und gehen damit von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die letzte Behauptung betrifft die Zerschneidungswirkung, zu der ebenfalls bereits ausreichende Fachgutachten vorliegen. 107 Entsprechendes gilt für den Antrag zum LRT 8230 zum Beweis der Tatsache, ""dass die Bestände des LRT 8230 unmittelbar neben der Baugrube durch die Bautätigkeit erheblich beeinträchtigt werden oder sich derartige Beeinträchtigungen jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lassen"", ""dass der LRT 8230 auf einer Fläche von mindestens 3 145 m² durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt wird"", ""dass die nach Angaben in der FFH-VP außerhalb der Isolinie von 0,3 kg N/ha/a vorhabenbedingter Zusatzbelastung liegenden Flächen erheblich beeinträchtigt werden, weil von höheren Stickstoffeinträgen und damit einer Überschreitung der Bagatellschwelle von 0,3 kg N/ha/a auch in diesen Bereichen auszugehen ist"", ""dass die charakteristischen Tierarten des LRT 8230 durch die Beeinträchtigung der für sie erforderlichen Lebensräume durch Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt werden"" sowie ""dass das Vorkommen des LRT 8230 eine wichtige Funktion im Biotopverbund hat und damit eine Beeinträchtigung dieses Vorkommens auch zu einer Beeinträchtigung des Netzes Natura-2000 führt"" (Beweisantrag Nr. 31). Auch dieser Antrag setzt sich aus mehreren Tatsachenbehauptungen zusammen. Soweit er baubedingte Beeinträchtigungen des LRT 8230 thematisiert, werden diese im Bericht zur FFH-Verträglichkeitsprüfung erörtert (S. 130A) und wegen Ausweisung einer Bautabuzone mit Anlage eines Bauschutzzaunes (Maßnahmenblatt S4.1) verneint. Mit dieser konkreten Schutzmaßnahme setzt sich die Klägerin nicht auseinander, so dass ihrem Beweisantrag die Substanz fehlt, um Anlass für die Einholung eines weiteren Gutachtens zu bieten. Die weiteren Behauptungen betreffen letztlich das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung. Die gerügte Verrechnung mit dem Düngeverzicht und die Reduzierung auf ein Flächenäquivalent folgen dem Stickstoffleitfaden, zu der konkreten Berechnung liegen die Verträglichkeitsuntersuchung und Fachberichte vor; eines weiteren Gutachtens bedarf es nicht. Dies gilt auch für die erneut thematisierte Barrierewirkung. 108 cc) Die Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG, auf deren Grundlage das Vorhaben trotz der erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" zugelassen worden ist, hält der Kritik der Klägerin stand. 109 (1) Die vorgenommene Abwägung zwischen dem Integritätsinteresse des beeinträchtigten FFH-Gebiets und dem Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens weist keinen beachtlichen Fehler auf. Der Beklagte durfte vom Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ausgehen. 110 Mangels erheblicher Beeinträchtigung von prioritären Lebensraumtypen bedurfte es keiner Mitwirkung der Europäischen Kommission nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG. Der Beklagte war deshalb auch nicht auf die in § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG benannten qualifizierten Abweichungsgründe beschränkt, sondern durfte auch Gründe sozialer und wirtschaftlicher Art sowie weitere in § 34 BNatSchG nicht ausdrücklich benannte Belange berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 153). 111 (a) Für das Vorhaben streiten zwingende verkehrliche und verkehrspolitische Interessen. Das Vorhaben dient der Realisierung überregionaler und regional bedeutsamer Planungsziele. Der Planfeststellungsbeschluss verweist insoweit zu Recht auf die Vollendung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 13 und des Autobahndoppelrings um Halle und Leipzig sowie die Erschließung des Halleschen Westens mit Entlastung der Stadt (PFB 2018 S. 386). 112 Das Vorhaben ist Teil der ""Verkehrsprojekte Deutsche Einheit"" und gehört zum Gesamtnetz des Transeuropäischen Verkehrsnetzes nach der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 (ABl. L 348 vom 20.12 .2013 S. 1). Dies sind Gewichtungsvorgaben, die in der Interessenabwägung zugunsten des Vorhabens erheblich zu Buche schlagen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159 und vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 74, jeweils m.w.N.). Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 13 schafft in seiner Gesamtkonzeption mit dem Neubau der A 38 und der A 143 eine leistungsfähige, großräumige Straßenverbindung zwischen den westdeutschen Ballungszentren im Ruhrgebiet und dem mitteldeutschen Ballungsgebiet um Halle/Leipzig unter Anbindung weiterer mitteldeutscher Ober- und Mittelzentren und Regionen aus dem süd-niedersächsischen, thüringischen und sachsen-anhaltinischen Raum an das übergeordnete Straßennetz. Durch diese Ost-West-Achse mit Weiterführung über die A 14 in Richtung Polen und Anbindung an großräumige Nord-Süd-Verbindungen wird auch das europäische Straßennetz verbessert. Mit der Realisierung des streitigen Autobahnabschnitts wird dieses Verkehrsprojekt abgeschlossen. Soweit die Klägerin geltend macht, wesentliche Funktionen des Projekts würden bereits ohne den streitgegenständlichen letzten Teilabschnitt erfüllt, überzeugt dies nicht. Erst durch die vollständige Realisierung des Straßenprojekts VDE Nr. 13 werden die angestrebten Verbindungsfunktionen vollumfänglich erfüllt und zur vollen Verkehrswirksamkeit geführt. Mit der Verwirklichung des Vorhabens wird zudem der Autobahndoppelring um Halle und Leipzig (""Mitteldeutsche Schleife"") geschlossen und eine direkte Verbindung zwischen der A 38 und der A 14 westlich von Halle geschaffen. Dies dient der Entlastung der großräumigen Fernstraßen um Halle und Leipzig, insbesondere der A 9 und A 14 zwischen Kreuz Rippachtal, Schkeuditzer Kreuz und Halle-Nord. Auch diese Verbindungsfunktion wird erst durch den Netzschluss vollständig wirksam. Weitere Planungsziele sind die bessere verkehrliche Erschließung des Raumes westlich und nordwestlich von Halle mit Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz und Entlastung der Stadt von überregionalem Durchgangsverkehr. Dies fördert die Erreichbarkeit von Naherholungszielen und stärkt die dortigen Standortbedingungen für Gewerbe und Industrie. 113 Dem dargestellten öffentlichen Interesse an der Realisierung des Vorhabens hat der Beklagte zutreffend ein besonderes Gewicht beigemessen. Für das Vorhaben besteht nach dem aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ein gesetzlich festgestellter Verkehrsbedarf, dem entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei der Abwägung mit den Interessen des Habitatschutzrechts ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 69). Dies präjudiziert allerdings die erforderliche Abweichungsprüfung nicht in jeder Hinsicht und reicht für sich genommen für die Begründung eines Vorrangs vor dem Habitatschutz nicht aus. Für die maßgebliche Frage, ob den für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelangen ein derartiges Gewicht zukommt, dass sie sich gegenüber den widerstreitenden Belangen des Habitatschutzes durchsetzen, kommt es insbesondere darauf an, ob sich die benannten Ziele der Verkehrsplanung hinsichtlich ihrer Prognosebasis als hinreichend schlüssig und nachvollziehbar erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 134). Das ist hier der Fall. 114 Der Beklagte stützt seine Abwägungsentscheidung maßgeblich auf die im Laufe des Planänderungs- und -ergänzungsverfahrens neu erstellte verkehrsplanerische Untersuchung der PTV AG vom 1. März 2012 (PTV 2012). Diese beruht auf einem Verkehrsmodell, das ausgehend von Raumstruktur- und Verkehrsverhaltensdaten das vorhandene und zu erwartende Verkehrsgeschehen im Untersuchungsraum für den Prognosehorizont 2025 berechnet und die Ist-Situation (Analysefall, bezogen auf das Jahr 2009) mit der prognostizierten Situation im Jahr 2025 ohne Realisierung des Vorhabens (Prognosenullfall) bzw. mit dessen Realisierung (Planfall) vergleicht. Im Ergebnis wird für den Planfall eine Verkehrsbelastung des streitgegenständlichen Autobahnabschnitts von 47 000 bzw. 43 500 Kfz/24h erwartet, die insbesondere aus einer Verlagerung von Verkehrsströmen von den Bundesautobahnen A 9 und A 14 auf die A 38 und A 143 in Höhe von 21 000 Kfz/24h resultiert. 115 Das Verkehrsgutachten ist geeignet, die vom Beklagten vorgenommene Gewichtung der verkehrlichen und verkehrspolitischen Interessen an der Realisierung des Vorhabens zu tragen, und hält der Kritik der Klägerin stand. Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden eine Verkehrsprognose im Einzelnen zu erstellen ist, gibt es nicht. Eine solche Prognose ist mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände sachgerecht, d.h. methodisch fachgerecht zu erstellen. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich allein darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 30 und vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - BVerwGE 161, 180 Rn. 13). 116 Die Klägerin beanstandet, die angenommene Verkehrsnachfrage sei infolge fehlerhafter Daten- und Prognosegrundlagen insbesondere zur Bevölkerungsentwicklung zu hoch angesetzt, das Gutachten gehe von zu hohen Verkehrszahlen im Analysefall und von übertriebenen Verkehrssteigerungen im Prognosenullfall aus, unterstelle eine nicht plausible Entlastung der Stadt Halle für den Planfall 2025, überschätze die zukünftige Verkehrsbelegung auf der A 143 und berücksichtige nur die deutschlandweite Verflechtungsprognose für das Jahr 2025, nicht aber die aktuelle für das Jahr 2030. Die Klägerin stützt sich dabei erneut auf das Gutachten von V., das seinerseits die Einwendungen des NABU aus den Beteiligungsverfahren in den Jahren 2009 und 2011 wiederholt. Mit diesen Einwendungen setzt sich bereits der Planfeststellungsbeschluss auseinander (PFB 2018 S. 388 - 395). Auf diese Argumentation und die im Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommenen Erläuterungen der Vorhabenträgerin und des Verkehrsgutachters, die in den Verfahrensakten dokumentiert ist, geht die Klägerin nicht konkret ein. Ihre Kritik ist bereits deshalb nicht geeignet, die nachvollziehbare und detaillierte Begründung im Planfeststellungsbeschluss ernsthaft in Zweifel zu ziehen. 117 Im Übrigen weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass aus einem Rückgang der Bevölkerung nicht ohne Weiteres auf einen entsprechenden Rückgang des Verkehrsaufkommens geschlossen werden kann; zudem kommt es auf die von der Klägerin hervorgehobene regionale Bevölkerungsentwicklung in Sachsen und Sachsen-Anhalt nicht entscheidend an, weil es im Wesentlichen um die Abwicklung von überregionalem Verkehr und Fernverkehr geht. 118 Der Beklagte hat die abschnittsweisen Verkehrsbelastungen der A 143 aus der Projektprognose 2025 den Bedarfsplanprognosen für 2025 und 2030 gegenübergestellt (Stellungnahme des Verkehrsgutachters vom 8. November 2018 - PTV 2018 - zu S. 130). Danach werden die Ergebnisse der Projektprognose durch die Umlegungsergebnisse der Bedarfsplanprognose 2030 bestätigt. Zu diesen Zahlen hat sich die Klägerin nicht geäußert. 119 Die von der Klägerin zum Analysefall vorgetragenen Zahlen zum Verkehrsaufkommen 2009 werden nicht näher belegt. Ihre Rüge ist zudem teilweise überholt, weil ein beanstandeter Analysewert (zum Bereich Kröllwitzer Straße) in der aktuellen Fassung des Verkehrsgutachtens geändert bzw. die vermissten Daten (A 14 westlich des Schkeuditzer Kreuzes) erhoben worden sind. Ein direkter Vergleich mit den von ihr benannten Werten ist wegen der abweichenden Bezeichnungen der Straßenabschnitte zudem kaum möglich. Das Verkehrsgutachten hat zur Kalibrierung der Verkehrsbelastungen auf Daten von Verkehrszählungen zurückgegriffen. Die Gegenüberstellung der modellierten Analysewerte mit den jeweiligen Zähldaten ergibt, dass die modellierten Werte teilweise über und teilweise unter den verglichenen Zählwerten liegen; der Vorwurf ""deutlich zu hoher Verkehrszahlen"" wird damit entkräftet. 120 Soweit die Klägerin rügt, eine Entlastung der Stadt Halle von Durchgangsverkehr werde nicht erreicht, weil kaum verlagerungsfähiger Durchgangsverkehr bestehe, der Beklagte gehe zu Unrecht von unzureichenden Verkehrsverhältnissen im Raum Halle aus, überzeugt dies nicht. Die von der Klägerin zum Beleg angeführte Verkehrsdatenerhebung der Stadt Halle vom 6. Mai 2009 ist als Momentaufnahme nicht geeignet, allgemeingültige Aussagen zum Durchgangsverkehr in Halle zu stützen. Das Verkehrsgutachten belegt im Übrigen durchaus eine gewisse Entlastung der Stadt von Durchgangsverkehr. Die Berechnung, wonach die Stadt bei Realisierung des Vorhabens im Vergleich zum Prognosenullfall insgesamt und insbesondere im Bereich der Saalequerung um ca. 6 000 Kfz/24h auf der B 80 entlastet wird (PTV 2012 S. 37), wird von der Klägerin nicht nachhaltig erschüttert. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die Frage des Durchgangsverkehrs in Halle für die Erreichung der mit der A 143 verfolgten verkehrlichen und verkehrsplanerischen Ziele nur von untergeordneter Bedeutung ist, weil es hier im Wesentlichen um die Verlagerung überregionaler Verkehrsströme und die Stärkung der Fernverkehrsbeziehungen geht. 121 Die Rügen, die prognostizierten Verkehrssteigerungen für den Prognosenullfall 2025 seien unrealistisch und die Verkehrsbelegung auf der A 143 für den Planfall überschätzt, wiederholen lediglich Beanstandungen des NABU aus dem Jahre 2011, ohne dass sich die Klägerin mit der dazu ergangenen Stellungnahme der Vorhabenträgerin auseinandersetzt. 122 Zu keiner anderen Beurteilung führt schließlich die Bezugnahme der Klägerin auf den Abschlussbericht ""Überprüfung Notwendigkeit der Autobahn-Westumfahrung Halle - BAB 143"" des Planungsbüros ... (SVU D.) vom 21. November 2013 sowie dessen Teilfortschreibung und Teilaktualisierung vom 11. Februar 2019. Das im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt erstellte Gutachten sollte nach seiner Zielsetzung die verkehrliche Notwendigkeit der A 143 unter Berücksichtigung der bestehenden Siedlungs- und Verkehrsnetzstrukturen wegen der mit dem Trassenneubau verbundenen ""erheblichen Eingriffe in den Landschafts- und Naturraum"" und der ""sehr hohen Kosten"" überprüfen; dabei sollte die Verkehrsuntersuchung der PTV AG analysiert und kritisch hinterfragt werden. Das Gutachten basiert nicht auf einer eigenen Datenerhebung oder Modellierung von Verkehrsströmen, sondern greift auf bereits vorhandene Datensätze verschiedener Quellen zurück und nimmt auf dieser Grundlage eine verkehrsplanerische Bewertung zur Notwendigkeit der Trasse vor mit dem Ergebnis, dass kein Bedarf für die A 143 besteht. Es handelt sich somit um die fachliche Stellungnahme eines Planungsbüros, die im politischen Meinungsbildungsprozess im Land Sachsen-Anhalt eingeholt worden ist, und lediglich eine andere Bewertung der vorhandenen Daten und Modellierung vornimmt. Seine Aussagekraft zur Erschütterung des vom Beklagten zugrundegelegten Verkehrsgutachtens ist deshalb bereits im Ansatz eingeschränkt. 123 Die Frage nach dem Verkehrsbedarf für die A 143 ist - wie ausgeführt - bereits durch die gesetzliche Bedarfsfeststellung für die Planfeststellung und die gerichtliche Überprüfung bindend beantwortet. Dies kann nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass alternative verkehrsplanerische Möglichkeiten, die sich schwerpunktmäßig mit der regionalen verkehrlichen Situation in der Umgebung von Halle befassen, aufgezeigt werden, ohne die Bedeutung der A 143 als Teil einer Fernverkehrsverbindung im großräumigen Planungskontext zu berücksichtigen. Im Übrigen hat der NABU die ursprüngliche Fassung des Gutachtens bereits als Einwendung in das Planfeststellungsverfahren eingebracht und die Vorhabenträgerin sowie der Planfeststellungsbeschluss haben hierzu ausführlich Stellung genommen, ohne dass sich die Klägerin damit nunmehr näher auseinandersetzt. Schließlich ist auch die Teilaktualisierung des Gutachtens vom 11. Februar 2019 nicht geeignet, die Validität der Verkehrsprognose in Zweifel zu ziehen. 124 (b) Die Abwägung des Beklagten, wonach die dargestellten Gründe des öffentlichen Interesses das Interesse an der Integrität des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" überwiegen, hält der Überprüfung stand. Insoweit müssen keine unausweichlichen Sachzwänge vorliegen. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 72 m.w.N.). 125 Der Beklagte hat festgestellt, dass durch das Vorhaben zwei zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets zählende (nicht prioritäre) Lebensraumtypen durch vorhabenbedingte Stickstoffeinträge erheblich beeinträchtigt werden. Der LRT 6210 (Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien) ist danach - nach Anwendung des Konzepts gradueller Funktionsverluste und auf der Grundlage von HBEFA 3.3 - von Stickstoffeinträgen in einem Flächenäquivalent von 4 413 m² betroffen, was in Verbindung mit einem anlagebedingten Flächenverlust von weiteren 126 m² als Flächenverlust von insgesamt 4 539 m² zu bewerten ist (PFB 2018 S. 363 f.). Der LRT 8230 (Silikatfelsen mit Pioniervegetation - Felstrockenrasen) ist mit einem Flächenäquivalent von 448 m² betroffen (PFB 2018 S. 370 f.). Diese Einschätzung ist - wie dargelegt - nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin geltend gemachte ""Infizierung"" der Abweichungsentscheidung infolge fehlerhafter Identifizierung und Quantifizierung der Erheblichkeit der vorhabenbedingten Beeinträchtigungen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 114) liegt nicht vor. 126 Die Entscheidung des Beklagten, der Realisierung des im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen mit der höchsten Dringlichkeitsstufe enthaltenen Vorhabens Vorrang vor den Nachteilen für den FFH-Gebietsschutz einzuräumen (PFB 2018 S. 397 f.), lässt keinen Abwägungsfehler erkennen. Der Beklagte hat in seine Abwägung eingestellt, dass die Gebietsbeeinträchtigung keine prioritären Elemente betrifft und sich auf Bereiche erstreckt, die zwar für die Gebietsvernetzung von Bedeutung sind, aber nicht den Schwerpunkt der geschützten Elemente bilden, und hat zudem auf die Vorbelastung des Bereichs durch die bestehende landwirtschaftliche Nutzung verwiesen. Dass er vor diesem Hintergrund die erhebliche Beeinträchtigung wegen der Steigerung von Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss, des wirtschaftlichen Nutzens durch die Zeit- und Fahrtkosteneinsparung und damit wegen der Verbesserung von Kernbestandteilen eines funktionierenden Verkehrsnetzes als gerechtfertigt ansieht, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die ergänzenden Hinweise auf die Erschließungswirkung des Vorhabens und die Entlastung der Stadt Halle von Durchgangsverkehr, verbunden mit der Minderung verkehrsbedingter schädlicher Umwelteinwirkungen, wobei der Beklagte bereits kleine Verbesserungen als relevant einordnet. 127 Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht gehalten, die verkehrlichen Belange aus Gründen des Klimaschutzes geringer zu gewichten. Im Gegensatz zur allgemeinen fachplanerischen Gesamtabwägung, die alle von der Planung berührten Aspekte und Interessen in den Blick zu nehmen hat, ist die im Rahmen des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG vorzunehmende Interessenabwägung eine bipolare Abwägung, bei der die für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen den entgegenstehenden naturschutzfachlichen Belangen gegenübergestellt und nur diese beiden Abwägungsgegenstände bewertet und gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 C 1.06 -, BVerwGE 128, 76 Rn. 22 und vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, BVerwGE 134, 166, Rn. 13; Möckel, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 34 Rn. 141). Eine ""Saldierung"" aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen findet in diesem Zusammenhang nicht statt (vgl. Ewer, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 34 Rn. 53). Für die von der Klägerin geforderte gesonderte Berücksichtigung der Anforderungen des globalen Klimaschutzes als einen weiteren selbständigen Gemeinwohlbelang, der auf der ""Haben-Seite"" des Vorhabens vermindernd hätte eingestellt werden müssen, besteht daher kein Raum. Der Gesichtspunkt des Klimaschutzes führt auch nicht dazu, dass der Verkehrsbedarf als solcher von geringerem öffentlichem Interesse wäre. Die von der Klägerin angesprochene Umsteuerung der Verkehrspolitik zugunsten des Klimaschutzes ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, der sich im vorliegenden Fall in Kenntnis auch seiner europarechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz für die Beibehaltung der gesetzlichen Feststellung eines hohen verkehrlichen Bedarfs entschieden hat. Vor diesem Hintergrund war der Beklagte nicht gehalten, bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Vorhabens den Verkehrsbedarf unter Klimaschutzgesichtspunkten in Zweifel zu ziehen. 128 (c) Den von der Klägerin gestellten Anträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsachen, ""dass der regionale Verkehr, der im Westen von Halle stattfindet, nicht über die Ortslage Halle abgewickelt wird"" und ""dass der Durchgangsverkehr für die Verkehrsbelastung von Halle nur eine geringfügige Rolle spielt, so dass die Autobahn hier zu keiner spürbaren Entlastung beitragen kann"" (Beweisantrag Nr. 33), ""dass der nördliche Teil der Westumfahrung Halle nicht geeignet ist, angebliche Umwegfahrten innerhalb des Stadtgebietes aufzunehmen und damit das Stadtgebiet von derartigen Umwegfahrten zu entlasten"" (Beweisantrag Nr. 35), ""dass der nördliche Teil der Westumfahrung Halle nicht geeignet ist, das Stadtgebiet Halle von Durchgangsverkehr in signifikanter Größenordnung zu entlasten"" (Beweisantrag Nr. 36) und ""dass sich das dem Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses zugrunde liegende Entlastungspotenzial weder für die Bundesstraße 80 noch für das nachgeordnete Verkehrsnetz in Halle realisieren wird (siehe im Einzelnen die benannten Straßen in der Stellungnahme V. unter Ziff. 3.4.4)"" (Beweisantrag Nr. 43), war nicht nachzukommen. Sie betreffen verschiedene Aspekte der Abwicklung von Verkehrsbeziehungen in der Stadt Halle und Fragen der Entlastung der Stadt vom Durchgangsverkehr. Dieser Gesichtspunkt stellt jedoch nur eines von mehreren Planungszielen dar und spielt in der Abweichungsentscheidung erkennbar nur eine untergeordnete Rolle. Die Abwägung des Beklagten stellt tragend auf die Steigerung von Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss sowie den wirtschaftlichen Nutzen der Verkehrsverlagerung ab und führt die Entlastung der Stadt Halle lediglich als zusätzlichen Aspekt an. Zudem gibt es bereits Gutachten und fachliche Stellungnahmen, die ausreichen, um dem Senat die erforderliche Sachkenntnis zu vermitteln. Neben dem Verkehrsgutachten der PTV AG von 2012 liegt das Gutachten der SVU D. aus dem Jahr 2013 vor. Daneben haben die Beteiligten im Laufe des Verfahrens weitere fachliche Stellungnahmen der Gutachter eingereicht und zudem die Verkehrszählung in Halle aus dem Jahr 2009 sowie zuletzt eine weitere Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2015 vorgelegt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zur Einholung eines weiteren Verkehrsgutachtens zum innerstädtischen Verkehr in Halle. 129 Entsprechendes gilt für den Antrag auf Einholung eines Gutachtens dazu, ""dass es mit der Inbetriebnahme des hier streitgegenständlichen Teilstücks der BAB 143 nicht zu den prognostizierten Reduzierungen von Verkehr in der Ortslage Halle kommt und somit auch nicht mit der zugrunde gelegten Reduzierung verkehrsbedingter Schadstoffbelastungen gerechnet werden kann"" und ""dass sich die Gesundheitssituation in den von der Autobahn betroffenen Ortslagen aufgrund erhöhter Immissionen verschlechtern würde"" (Beweisantrag Nr. 37). Auch dem Aspekt der Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen kommt in der Abwägung des Beklagten nur eine ergänzende Rolle zu. Sollte der Antrag auf das Vorliegen von qualifizierten Abweichungsgründen i.S.d. § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG abzielen, kommt es darauf nicht an, weil keine prioritären Lebensraumtypen betroffen sind. 130 (2) Die Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist nicht zu beanstanden. 131 Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe zu Unrecht die im Planungskorridor verlaufende Variante 2N6A, die das FFH-Gebiet ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" weiter im Osten quert, als unzumutbare Alternative ausgeschieden, fehlt ihr bereits die Rügebefugnis. Denn diese Variante nimmt erst nördlich der Saalequerung einen anderen Verlauf als die planfestgestellte Trasse, so dass eine Entscheidung des Beklagten für diese von der Klägerin für habitatschutzrechtlich günstiger erachtete Trassenführung an dem Ausmaß der Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks und ihrer Eigentumsbetroffenheit nichts ändern würde. 132 Auch die Variante 2 im Alternativkorridor Wettin-Dobis, die weiter im Westen liegt und eine Querung des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" vermeidet, aber durch das FFH-Gebiet ""Salzatal bei Langenbogen"" führt, ist rechtsfehlerfrei als nicht zumutbar eingeschätzt worden. Da diese Alternative außerhalb des Planungskorridors verläuft, durfte der Beklagte sich hier auf eine summarische Würdigung des Beeinträchtigungspotentials beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 75). Er hat sich dabei der Einschätzung der Vorhabenträgerin angeschlossen, dass erhebliche Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets ""Salzatal bei Langenbogen"" nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien, weil im Querungsbereich mit der Salza vorsorglich Teilflächen anzunehmen seien, die durch geeignete Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen die Qualität des prioritären LRT 1340* (Salzwiesen im Binnenland) erlangen und durch die Verschattungswirkung der anzulegenden Brücke mit einer eventuellen langfristigen Versüßung des Bodens möglicherweise erheblich beeinträchtigt werden könnten. Bei der Gegenüberstellung der Betroffenheiten hat der Beklagte die Beeinträchtigungen im Falle der Realisierung der Variante 2 im Alternativkorridor Wettin-Dobis wegen der größeren relativen Betroffenheit und der Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps als schwerwiegender und die Variante jedenfalls nicht als habitatschutzrechtlich günstigere Alternative erachtet und zudem auf die größere Inanspruchnahme von Boden und deutlich höhere Kosten verwiesen (PFB 2018 S. 417-422). Diese Argumentation ist nicht zu beanstanden. Die Begründung für die nicht auszuschließende erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets ""Salzatal bei Langenbogen"", die der vertiefenden Verträglichkeitsprüfung im Erläuterungsbericht zur Ausnahmeprüfung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL (Planunterlage 12.5.4.1) folgt und sich auch mit den vom NABU bereits im Beteiligungsverfahren geäußerten Bedenken auseinandersetzt, erscheint plausibel und wird durch die bloße Wiederholung der Bedenken in der Klagebegründung nicht wirksam in Zweifel gezogen. 133 (3) Die Kritik der Klägerin an den vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen greift nicht durch. Mit ihrer Argumentation, der Kohärenzausgleich werde verfehlt, weil die erheblichen Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete ""Muschelkalkhänge westlich Halle"" und ""Dölauer Heide und Lindbusch bei Halle"" verkannt, die vorhabenbedingten tatsächlichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets ""Porphyrkuppenlandschaft nordwestlich Halle"" unterschätzt, die Ausgleichsmaßnahmen teilweise auf solchen Flächen geplant würden, die eigentlich als ""faktisches FFH-Gebiet"" zu behandeln seien, und zudem ein Erhalt des Natura-2000-Netzes wegen der Zerschneidungswirkung der Autobahn nicht möglich sei, wiederholt die Klägerin ihre gegen die FFH-Verträglichkeitsprüfung erhobenen Rügen, die aus den bereits dargelegten Gründen keinen Erfolg haben. 134 d) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Regelungen des Artenschutzrechtes berufen. 135 aa) Die Rüge, hinsichtlich der beiden Fledermausarten Mopsfledermaus und Großes Mausohr sei der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt und der Beklagte habe das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht geprüft, betrifft die Fledermausproblematik im südlichen Bereich der geplanten Autobahn, die keinen Einfluss auf die Trassenführung in der Gegend des klägerischen Grundstücks am Saaleufer hat, so dass die Klägerin insoweit wiederum nicht rügebefugt ist. 136 bb) Das tatsächliche Vorkommen des streng geschützten Weißstorches wird im Planfeststellungsbeschluss zu Recht verneint. Die Klägerin wiederholt nur ihre Einwendungen aus den Beteiligungsverfahren der Jahre 2012 und 2013 und bezieht sich insbesondere auf Fotografien vom 3. Mai 2013, die Störche auf einem Schornstein des Unternehmens zeigen, der 110 m von der geplanten Autobahntrasse entfernt sein soll. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat (Beschluss vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 20), gibt dieser unsubstantiierte Vortrag keinen Anlass, die Richtigkeit der sachverständig gestützten, nachvollziehbar begründeten Annahme der Planfeststellungsbehörde, es habe sich hierbei lediglich um Rastvögel gehandelt (PFB 2018 S. 571), in Zweifel zu ziehen. Die vom Beklagten vorgelegte gutachterliche Stellungnahme vom 12. November 2018 erläutert plausibel, warum ein Brutvorkommen des Weißstorchs an der von der Klägerin bezeichneten Stelle auszuschließen ist, und verweist auf entsprechende Belege. Neben der von der Klägerin kritisierten Methode der Befragung von Ortsansässigen, für deren methodische Zulässigkeit Nachweise angegeben werden, wird auf wiederholte Brutvogelkartierungen, die Befragung mehrerer Experten in den Jahren 2014 und 2016, wiederholte Ortsbesichtigungen sowie die Auswertung der vorgelegten Fotos Bezug genommen. Diese überzeugenden Ausführungen zieht die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel. Ihr pauschaler Einwand, im Hinblick auf die Kernbrutzeit von Mitte Mai bis Mitte Juni seien Inaugenscheinnahmen im April 2014 oder November 2016 nicht geeignet gewesen, das Weißstorchvorkommen zu überprüfen, genügt nicht, zumal sie sich weiterhin lediglich auf die genannten Fotografien stützt, die einmalige Beobachtungen wiedergeben. Aktuellere Nachweise oder auch nur Anzeichen für ein Weißstorch(brut)vorkommen im Bereich des Betriebsgeländes der Klägerin ab dem Jahr 2014 liegen nicht vor. Mit dem Argument des Beklagten, selbst die vorhandenen Fotos belegten keine Brut auf dem Schornstein, setzt sich die Klägerin nicht auseinander. 137 Angesichts der vom Beklagten eingeholten und im Planfeststellungsbeschluss referierten zahlreichen Informationen und fachlichen Stellungnahmen sowie durchgeführten Ortsbesichtigungen besteht kein Anlass zur Einholung des von der Klägerin beantragten (weiteren) Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, ""dass der auf dem Betriebsgelände der Klägerin befindliche Schornstein als Brutplatz für Weißstörche dient"" (Beweisantrag Nr. 9), zumal nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage ein Gutachter die Situation auf dem genannten Schornstein zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses rekonstruieren sollte. 138 5. Die Kritik der Klägerin an der Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots, mit der sie im Wesentlichen ihre Einwendungen aus den Beteiligungsverfahren in den Jahren 2016 und 2017 wiederholt, greift nicht durch. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob sie insoweit rügebefugt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1418 Rn. 51 ff.). 139 a) Der Planfeststellungsbeschluss prüft und bejaht die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - und der §§ 27, 47 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und stützt sich dabei auf den wasserrechtlichen Fachbeitrag vom 15. Februar 2017 (künftig: Fachbeitrag). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind dabei keine relevanten Gewässer unberücksichtigt geblieben. 140 Nach den planfestgestellten Unterlagen soll die Oberflächenentwässerung des anfallenden Niederschlags über die Hauptvorfluter Saale, Benkendorfer Bach, Würdebach, Teichgrund und Morler Bach erfolgen. Der Fachbeitrag untersucht die Auswirkungen des Vorhabens auf die drei Oberflächenwasserkörper (OWK) SAL06OW01-00 ""Saale von Weiße Elster bis Wipper"" (OWK Saale), SAL06OW05-00 ""Salza"" (OWK Salza) und SAL06OW07-00 ""Würdebach"" (OWK Würdebach) sowie zwei Grundwasserkörper; für die drei Fließgewässer Benkendorfer Bach, Morler Bach und Teichgrund wurden keine Wirkungsprognosen erarbeitet. Begründet wird dies damit, dass es sich nicht um eigenständige Wasserkörper im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie handele und die Einleitungen in diese Nebengewässer bei den Einmündungen in die Hauptgewässer der Oberflächenwasserkörper berücksichtigt würden. Dieser Ansatz ist nicht zu beanstanden. 141 Die Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG gelten zwar nach ihrem Wortlaut für alle oberirdischen Gewässer ungeachtet ihrer Größe. Die Prüfung des Gewässerzustands erfolgt jedoch bezogen auf den jeweiligen Wasserkörper, wie sich aus § 3 Nr. 8 WHG ergibt. Oberflächenwasserkörper sind nach § 3 Nr. 6 WHG einheitliche und bedeutende Abschnitte eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers. Aus Anlage 1 Nr. 2.1 OGewV folgt, dass Fließgewässer erst ab einem Einzugsgebiet von 10 km² die Mindestgröße für ein kategorisierbares Oberflächengewässer erreichen; kleinere Fließgewässer werden bei der Einteilung in Kategorien und der Festlegung von Lage und Grenzen nicht berücksichtigt und sind ""nicht berichtspflichtig"" im Rahmen des nach § 83 WHG aufzustellenden Bewirtschaftungsplans. Bei den Fließgewässern Morler Bach und Teichgrund handelt es sich um solche nicht berichtspflichtigen Kleingewässer. Für sie gilt, dass dem Verschlechterungsverbot dadurch entsprochen werden kann, dass die Kleingewässer so bewirtschaftet werden, dass der festgelegte Oberflächenwasserkörper die Bewirtschaftungsziele erreicht (BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 101 ff. und vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - NVwZ 2019, 1202 Rn. 44), hier also der im Fachbeitrag und Planfeststellungsbeschluss berücksichtigte OWK Saale, in den die beiden Kleingewässer einmünden. Dass bezogen auf die Kleingewässer das Verschlechterungsverbot nicht gesondert zu prüfen ist, entspricht auch der von der Klägerin angeführten ""Handlungsempfehlung Verschlechterungsverbot"" der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) vom 16./17. März 2017 (LAWA-Handlungsempfehlung). Danach gilt das Verschlechterungsverbot bei Einwirkungen auf kleinere Gewässer, die selbst keine Wasserkörper sind und die auch keinem benachbarten Wasserkörper zugeordnet worden sind, nur insoweit, als es in einem Wasserkörper, in den das kleinere Gewässer einmündet oder auf den es einwirkt, zu Beeinträchtigungen kommt; Verschlechterungen sind bezogen auf diesen Wasserkörper zu beurteilen (LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.1.2.1 S. 4). Dies gilt auch für den Benkendorfer Bach, der dem OWK Salza zugeordnet ist. Er ist zwar Teil dieses im Bewirtschaftungsplan erfassten Oberflächenwasserkörpers und unterliegt in diesem Rahmen der Berichtspflicht. Verschlechterungen sind aber auch hier nur bezogen auf ""diesen Wasserkörper"", also den Oberflächenwasserkörper als solchen, zu beurteilen. Maßgeblich für die Prüfung ist der Zustand des betroffenen Wasserkörpers insgesamt. Veränderungen in einzelnen Abschnitten sind nur relevant, soweit sie sich auf den allgemeinen Gewässerzustand des Wasserkörpers auswirken; entscheidend bei Oberflächenwasserkörper ist daher die Beurteilung an der repräsentativen Messstelle (LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.1.3. S. 8.). Das Fehlen von Messungen direkt in den Kleingewässern, in die entwässert wird, ist somit entgegen der Rüge der Klägerin nicht zu beanstanden. 142 b) Die Kritik der Klägerin, der Beklagte habe unter Rückgriff auf Schwellenwerte und Bagatellgrenzen im Fachbeitrag eingeräumte Beeinträchtigungen relativiert und nicht berücksichtigt, dass bei der Salza und dem Würdebach, die in der niedrigsten Klasse eingeordnet worden seien, jede auch noch so geringfügige Verschlechterung auch nur einer einzelnen Qualitätskomponente gegen das Verschlechterungsverbot verstoße und unzulässig sei, ist unbegründet. 143 Im Hinblick auf das von der Klägerin zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433] - ist allerdings geklärt, dass eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V WRRL um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Das Verschlechterungsverbot gilt dabei für jeden Typ und jeden Zustand eines berichtspflichtigen Oberflächenwasserkörpers. Ist die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine ""Verschlechterung des Zustands"" eines Oberflächenwasserkörpers dar (EuGH a.a.O. Rn. 50, 70). Von wesentlicher Bedeutung sind dabei die biologischen Qualitätskomponenten. Dies ergibt sich aus der in Anhang V WRRL formulierten Beschreibung der Qualitätskomponenten, die in § 5 Abs. 4 OGewV aufgegriffen wird. Danach ist für die Bewertung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials maßgeblich auf die jeweils schlechteste Bewertung einer der biologischen Qualitätskomponenten abzustellen, wobei die hydromorphologischen und die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten unterstützend heranzuziehen sind. Eine negative Veränderung dieser unterstützenden Qualitätskomponenten (auch solcher in der niedrigsten Klassenstufe) reicht daher für die Annahme einer Verschlechterung nicht aus; vielmehr muss die Veränderung zu einer Verschlechterung einer biologischen Qualitätskomponente führen (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 496 ff. und vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - NVwZ 2018, 1734, Rn. 14; vgl. auch Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - NVwZ 2019, 1202 Rn. 29). Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers liegt vor, sobald durch ein Vorhaben mindestens eine Umweltqualitätsnorm im Sinne der Anlage 8 OGewV überschritten wird (BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - a.a.O. Rn. 37). Dieser Ansatz liegt auch dem Fachbeitrag und dem darauf gestützten Planfeststellungsbeschluss zugrunde. 144 Soweit die Klägerin unter Hinweis auf bestimmte Formulierungen im Fachbeitrag die Anwendung von Schwellenwerten und Bagatellgrenzen rügt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Raum für Erheblichkeitsschwellen, die auf einer Interessenabwägung beruhen (Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 68). Dies gilt jedoch nicht für fachlich begründete Grenzen, die sich auf die praktische Messbarkeit bzw. Nachweisbarkeit von Auswirkungen beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 109 ; s. auch LAWA-Handlungsempfehlung Ziff. 2.5 S. 35 f.). Auch die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Zustandsklassen erlaubt und erfordert die Betrachtung von Grenzwerten. In diesem Sinne sind drei der von der Klägerin beanstandeten Formulierungen zu verstehen, wonach bestimmte Stoffkonzentrationen unterhalb bzw. nicht oberhalb der Schwellenwerte für einen guten ökologischen Zustand liegen (Fachbeitrag S. 182 und 184 zur Konzentration von Phosphor, Eisen und Sulfat). Diese Aussagen beschreiben schon keine negative Veränderung oder Verschlechterung. Auch die übrigen drei gerügten Formulierungen (Fachbeitrag S. 180 ""signifikante Veränderung"", S. 181 ""kann ... vernachlässigt werden"" und S. 183 ""moderate Konzentrationserhöhung"") erlauben nach dem Gesamtzusammenhang nicht den Rückschluss, dass der Beklagte hier messbare Veränderungen ausgeblendet hätte, weil er sie etwa im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für nicht erheblich erachtet hätte. 145 c) Die Kritik der Klägerin, die ""geschönte"" Darstellung im Fachbeitrag unter Verwendung von Jahresmittelwerten werde dem tatsächlichen Eintrag etwa von Chlorid in den Wintermonaten nicht gerecht, ist unbegründet. Die Orientierung an Jahresmittelwerten entspricht den Vorgaben der Oberflächengewässerverordnung (für Chlorid Anlage 7 Tabelle 2.1 .2 Fn. 4 OGewV). Im Übrigen hat der Beklagte im Rahmen einer worst-case-Betrachtung auch ein Extremszenarium mit maximaler repräsentativer Tausalzverbrauchsmenge und mittleren Niedrigwasserverhältnissen in die Prüfung einbezogen und auch für diesen Fall eine Verschlechterung des ökologischen Zustands der relevanten Oberflächenwasserkörper ausgeschlossen (PFB 2018 S. 495). Dieser nachvollziehbar begründeten Darstellung tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen. 146 d) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Fachbeitrag berücksichtige die relevanten Stoffe und Stoffparameter nur unvollständig, es fehle etwa eine Betrachtung von Feinstaub bzw. Rußpartikeln, Graphit, Asbest, lungengängigen Glasfaserpartikeln, Verschleißschutzmitteln in Motorölen, Frostschutzmitteln von Scheibenwaschanlagen, Kühlflüssigkeiten des Motors und oberflächenaktiven Stoffen sowie von Komplexmitteln und Tensiden. 147 Der Fachbeitrag nimmt eine umfängliche Literaturrecherche und -auswertung zu möglichen Schadstoffen und Schadstoffkonzentrationen in Straßenabwässern vor (Tab. 4.1 bis 4.3 , Fachbeitrag S. 47 ff.) und folgt auf dieser Grundlage dem in der Oberflächengewässerverordnung vorgegebenen Prüfprogramm. Betrachtet werden die in Anlagen 6 und 8 OGewV aufgelisteten Stoffe, für die Umweltsqualitätsnormen zur Beurteilung des ökologischen und chemischen Zustands bestimmt sind, sowie die in Anlage 7 genannten (Schwellen-)Werte für Temperatur und Temperaturerhöhung und für bestimmte Stoffparameter. Die Klägerin setzt sich weder mit den Ausführungen zu den bei der Straßenentwässerung relevanten Schadstoffen und Parametern noch mit den Vorgaben der Oberflächengewässerverordnung inhaltlich auseinander, sondern beschränkt sich auf allgemeine Erwägungen zur Schädlichkeit verschiedener Stoffe ohne substantiierte Begründung, warum diese genauer hätten betrachtet werden sollen. Dies genügt nicht, um den plausibel begründeten Fachbeitrag in Zweifel zu ziehen, zumal vergleichbare Einwendungen bereits im angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die fehlende Relevanz oder den fehlenden analytischen Nachweis der Parameter zurückgewiesen worden sind (PFB 2018 S. 595 zu Tensiden und Feinstaub, S. 598 in Bezug auf Glykole und Alkohole in Frostschutzmitteln), ohne dass die Klägerin hierzu Stellung nimmt. 148 e) Fehler bei der Analyse des Grundwassers sind nicht ersichtlich. Die Rüge der Klägerin, die Grundwasseranalyse im Bereich Halle-Neustadt sei nicht repräsentativ, geht ins Leere, weil die Messstelle ""Friedhof Halle Neustadt"" auch vom Beklagten als nicht als repräsentativ angesehen worden ist (PFB 2018 S. 581).. Zur maßgeblichen Messstelle ""Müllerdorfer Born"" und den dort gewonnenen Messergebnissen verhält sich die Klage nicht. 149 f) Die Kritik der Klägerin, durch die Einschnitte in die Landschaft und das Setzen von Brückenpfeilern würden die Grundwasserströme erheblich gestört, die physikalische bzw. mechanische Beeinträchtigung des Grundwasserkörpers seien nicht berücksichtigt und eine Zerschneidung und Zerstörung des Grundwasserleiters nicht untersucht worden, ist unbegründet. 150 Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich mit diesen schon im Beteiligungsverfahren vorgebrachten Einwendungen auseinander (PFB 2018 S. 596), erläutert, warum das Setzen der Brückenpfeiler im Bereich der Saaleaue die ursprünglichen Verhältnisse nicht dauerhaft verändern werde, und weist darauf hin, dass sich die Trassenabschnitte in Einschnittlage in Bereichen mit einem ausreichenden Grundwasserflurabstand befänden und die Trasse in den übrigen Bereichen in Dammlage ausgeführt werde, womit ein Eingriff in die grundwasserführenden Schichten vermieden werde. Dieser plausiblen Darstellung tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen, sondern beschränkt sich auf Vermutungen zu möglichen Auswirkungen. Die auch in diesem Zusammenhang vorgelegte Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. S. setzt sich lediglich abstrakt mit der Problematik auseinander ohne Kenntnis der konkreten geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse. Der Vorwurf der Klägerin, es fehle an Unterlagen und Untersuchungen zur Beschaffenheit der Böden über und im Grundwasserleiter, berücksichtigt nicht die im Planfeststellungsverfahren eingeholten und im Fachbeitrag erwähnten Baugrundgutachten und die zahlreichen Anlagen des Fachbeitrages u.a. zum Grundwasserflurabstand und zu geologischen Schnitten und ist daher nicht geeignet, die im Fachbeitrag dokumentierte Beurteilung in Zweifel zu ziehen. 151 g) Die Kritik schließlich, der wasserrechtlichen Bewertung würden fehlerhafte Rückschlüsse hinsichtlich Abbau und Stofftransport für einige Stoffe, etwa Chloride, zugrunde gelegt, misst Aussagen des Fachbeitrages (S. 60 und S. 62) einen Inhalt bei, der ihnen nicht zukommt. Es geht dort um die Frage, inwieweit straßenverkehrsbedingte Schadstoffe, die im Sickerwasser enthalten sind, durch ihre Verlagerung in den Untergrund bzw. das Grundwasser zur Belastung des Grundwassers führen. Der Fachbeitrag führt dazu aus, dass der Transport ""dieser Schadstoffe"", womit die zuvor in Bezug genommene Schadstoffauflistung gemeint ist, im Straßenabwasser im Wesentlichen an Partikeln erfolge, an denen die Schadstoffe gebunden seien. Warum diese Aussagen fehlerhaft sein sollten, erschließt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Um Chlorid geht es in diesem Zusammenhang nicht. 152 6. Der Planfeststellungsbeschluss ist schließlich auch nicht wegen eines beachtlichen Abwägungsfehlers aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen. Der Beklagte hat die individuellen eigentumsrechtlichen und betrieblichen Interessen der Klägerin - wie ausgeführt - fehlerfrei berücksichtigt. Auch für die fachplanerische Gesamtabwägung gilt, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für einen verkehrlichen Bedarf zu berücksichtigen ist, auf der Grundlage der vorliegenden Verkehrsuntersuchung vernünftige Gründe für die Realisierung des Verkehrsweges sprechen und der Beklagte bei der Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht zur Berücksichtigung global-klimatischer Auswirkungen verpflichtet war. 153 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-48,19.06.2019,"Pressemitteilung Nr. 48/2019 vom 19.06.2019 EN Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eines Funktions- bzw. Mandatsträgers der NPD Wer in aktiver Weise, insbesondere durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten in Parlamenten und Kommunalvertretungen Bestrebungen einer Partei unterstützt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, besitzt in der Regel nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit. Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kann in einem solchen Fall nur widerlegt werden, wenn sich der Funktions- bzw. Mandatsträger in der Vergangenheit rechtstreu verhalten und sich darüber hinaus von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger war stellvertretender Vorsitzender eines NPD-Kreisverbandes und vertritt die NPD in einem Kreistag und in einem Gemeinderat. Der Beklagte widerrief die dem Kläger als Sportschützen erteilte Waffenbesitzkarte, da er in der Person des Klägers wegen dessen Aktivitäten für die NPD den Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. als erfüllt ansah. Nach dieser Vorschrift besitzt die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hatte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Unzuverlässig i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. ist in der Regel auch derjenige, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt. Die Vorschrift wird insoweit nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. verdrängt, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, die Mitglied in einer Partei waren, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG festgestellt hat, woran es im Fall der NPD fehlt. Bis zu der - hier noch nicht anwendbaren - Neufassung im Jahr 2017 verbot Art. 21 Abs. 2 GG a.F. zwar jede rechtliche Anknüpfung an die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (sog. Parteienprivileg). Im Hinblick auf die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ist die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. bei Unterstützung der gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen einer nicht verbotenen politischen Partei aber grundsätzlich gerechtfertigt. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst die elementaren Grund­sätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Hiergegen gerichtete Bestrebungen einer Vereinigung liegen vor, wenn diese als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber diesen Grundsätzen einnimmt. Die Vereinigung muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Diese Voraussetzungen sind bei der NPD erfüllt. Nach den unter anderem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren vom 17. Januar 2017 gestützten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass die NPD das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen und elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen. Hierzu entfaltet sie Aktivitäten, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen und damit Ausdruck einer kämpferisch-aggressiven Haltung sind. Dieser Befund wird nicht durch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in Frage gestellt, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei der NPD eine Grundtendenz besteht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen. Der Kläger hat die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD i.S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt. Wer seine Aktivitäten für eine verfassungsfeindliche Partei nicht auf die bloße Mitgliedschaft oder die passive Teilnahme an Veranstaltungen beschränkt, sondern herausgehobene Ämter in der Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert, und gibt ihr ein Gesicht in der Öffentlichkeit. Entsprechendes gilt für die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei in einem Parlament oder einer Kommunalvertretung. Die Waffenbehörden bzw. Verwaltungsgerichte müssen jedoch im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Bezug der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt. Dies setzt bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen Partei nicht zwingend die Niederlegung von Parteiämtern und Mandaten voraus. Sie verlangt aber – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – den Beleg einer entschiedenen, beständigen und nach außen erkennbaren Distanzierung von solchen Äußerungen und Verhaltensweisen der Parteimitglieder und -anhänger, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben. Zur Ermittlung der für diese Prüfung erforderlichen Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. BVerwG 6 C 9.18 - Urteil vom 19. Juni 2019 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 556/17 - Urteil vom 16. März 2018 - VG Dresden, 4 K 286/16 - Urteil vom 23. Juni 2016 -","Urteil vom 19.06.2019 - BVerwG 6 C 9.18ECLI:DE:BVerwG:2019:190619U6C9.18.0 EN Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eines Funktions- bzw. Mandatsträgers der NPD Leitsätze: 1. Unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. ist in der Regel auch derjenige, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 13 ff.). 2. Bestrebungen, die sich im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, liegen bei einer Vereinigung vor, die als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG: BVerwG, Urteile vom 1. September 2010 - 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 14). 3. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einer Partei werden jedenfalls dann im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, wenn leitende Funktionen in der Partei oder Mandate als Vertreter der Partei in Parlamenten und Kommunalvertretungen wahrgenommen werden. 4. Ist der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. erfüllt, muss einzelfallbezogen geprüft werden, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen. In den Fällen der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Partei durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten in Parlamenten und Kommunalvertretungen setzt dies - neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten - grundsätzlich die Feststellung voraus, dass die betreffende Person sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen anderer Mitglieder oder Anhänger der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert hat. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1 und 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 21, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 VwVfG § 37 Abs. 1 WaffG a.F. § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 45 Abs. 2 Satz 1 SächsVwVfZG § 1 Satz 1 SächsGemO § 35 Abs. 3 Instanzenzug VG Dresden - 23.06.2016 - AZ: VG 4 K 286/16 OVG Bautzen - 16.03.2018 - AZ: OVG 3 A 556/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.06.2019 - 6 C 9.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:190619U6C9.18.0] Urteil BVerwG 6 C 9.18 VG Dresden - 23.06.2016 - AZ: VG 4 K 286/16 OVG Bautzen - 16.03.2018 - AZ: OVG 3 A 556/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller und Hahn sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. März 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger besitzt als Sportschütze eine Lang- und eine Kurzwaffe (Repetierbüchse Anschütz 1710, Kaliber 22 lfB; Sportpistole SIG Sauer P 226S, Kaliber 9 mm Para). Die Waffen sind in der vom Landkreis S. am 17. August 1999 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. ... eingetragen. 2 Das Landesamt für Verfassungsschutz informierte den Beklagten im Oktober 2010 und erneut im November 2014 darüber, dass der Kläger seit Oktober 2000 aktives Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes So. sei. Außerdem vertrete er die NPD im Kreistag So. sowie im Gemeinderat der Gemeinde R. Für die Landtagswahl 2009 habe er auf Platz ... der Landesliste der NPD kandidiert. 3 Mit Bescheid vom 25. März 2015 widerrief der Beklagte unter Nr. 1 die dem Kläger ausgestellte ""Waffenbesitzkarte Nr. ... (WBK grün vom 16.01.1998)"" und forderte den Kläger auf, die in den ""Waffenbesitzkarten"" eingetragenen Schusswaffen innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, dies dem Beklagten anzuzeigen und die ""o.g. Waffenbesitzkarte"" bei der Waffenbehörde des Beklagten abzugeben (Nr. 2). Darüber hinaus wurde dem Kläger der Erwerb und Besitz von Waffen aller Art, Schusswaffen, Schießapparaten, Munition und Geschossen mit pyrotechnischer Wirkung untersagt (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen Nr. 2 und 3 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarte wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € (Nr. 5) und für den Fall des nicht fristgerechten Nachweises der Unbrauchbarkeit der Schusswaffen bzw. des Überlassens an einen Berechtigten deren Sicherstellung und Verwertung (Nr. 6) angedroht. Zur Begründung gab der Beklagte an, der Kläger sei im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG unzuverlässig, da er als Fraktionsmitglied der NPD im Kreistag, als Mitglied im Gemeinderat sowie als Kreisvorstandsmitglied der NPD die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen dieser Partei aktiv unterstütze. 4 Der Kläger legte am 20. April 2015 Widerspruch ein und erhob am 16. Februar 2016 (Untätigkeits-)Klage. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 änderte die Landesdirektion D. Nr. 1, 2 und 5 des Bescheids vom 25. März 2015 dahingehend ab, dass sie die Bezeichnung der Waffenbesitzkarte jeweils in ""Nr. ... (WBK grün vom 17.08.1999)"" änderte, die in Nr. 2 genannte Frist auf vier Wochen nach Zustellung des Widerspruchsbescheids bestimmte und zusätzlich gegenüber dem Kläger verfügte, noch in seinem Besitz befindliche Munition unter Aufgabe der tatsächlichen Gewalt einem Berechtigten zu überlassen. Nr. 3 des Ausgangsbescheids wurde aufgehoben. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. 5 Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesdirektion Sachsen vom 6. Juni 2016 aufgehoben. Die Annahme fehlender Zuverlässigkeit des Klägers lasse sich nicht darauf stützen, dass dieser als Mitglied einer Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge oder unterstütze. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG sei auf Parteien nicht anwendbar. Zudem seien die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt. 6 Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Regelvermutung waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der hier noch maßgeblichen Fassung (a.F.) gelte auch für Mitglieder oder Anhänger einer politischen Partei. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F., die an die Mitgliedschaft in einer Partei anknüpfe, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, gehe nicht als lex specialis vor. Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Die verfassungsrechtlich geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung werde nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. diene dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit und beanspruche für die Mitglieder und Anhänger der Parteien Geltung wie für alle anderen Bürger. Ob es sich bei der NPD um eine Vereinigung handele, deren Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien, hätten die Verwaltungsgerichte festzustellen. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörten vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition als unantastbare Grundwerte. Gegen diese elementaren Verfassungsgrundsätze richte sich insbesondere eine Vereinigung, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise. Nach diesem Maßstab sei die NPD als verfassungsfeindlich einzustufen. Dies ergebe sich aus den Feststellungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 über den gegen die NPD gerichteten Verbotsantrag, die - soweit es die Ziele und Aktivitäten der NPD in Sachsen und speziell in dem beklagten Landkreis betreffe - durch den Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 bestätigt würden. Der Kläger habe die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, indem er für diese Partei Mandate auf kommunaler Ebene sowie die Funktion als Kreisvorstandsmitglied wahrgenommen habe. Diese Betätigungen entfalteten Außenwirkung und wirkten sich existenzsichernd für die Vereinigung aus. Nicht erforderlich sei, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung auf eine Weise in Frage gestellt werde, welche den Schluss erlaube, dass der Betroffene eine Waffe zukünftig im Sinne einer verfassungsfeindlichen Einstellung gegen die Rechtsordnung einsetzen werde. Atypische Umstände, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, seien nicht ersichtlich. Zwar sei der Kläger sowohl strafrechtlich als auch in waffenrechtlicher Hinsicht bislang unauffällig geblieben. Die Vermutung der Unzuverlässigkeit könne jedoch allein durch waffenrechtskonformes Verhalten in der Vergangenheit nicht ausgeräumt werden. Ein atypischer Fall sei z.B. denkbar, wenn der Inhaber der Waffenbesitzkarte an einem Ausstiegsprogramm teilgenommen und damit ein deutliches Signal für eine Änderung seiner Gesinnung gesetzt habe. 7 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund der Parteimitgliedschaft oder -anhängerschaft beeinträchtige die durch Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Meinungsbildung und verletze das Recht auf Chancengleichheit im politischen Prozess. Mitglieder und Förderer der NPD würden allein aufgrund der Wahrnehmung von Mandaten und Funktionen innerhalb der Partei als unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts stigmatisiert und wegen ihrer politischen Anschauung und ihres legalen Engagements diskriminiert. Die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinne der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG setze daher voraus, dass das Parteimitglied die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreite und seine Funktion oder sein Mandat für die Partei in rechtswidriger Weise missbrauche. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger befasse sich bei der Mandatswahrnehmung auf der Kommunalebene nur mit Sachproblemen und habe wegen der verfassungsrechtlich begrenzten Kompetenzen der kommunalen Körperschaften keine Möglichkeit, auf die Bundes- oder Landesgesetzgebung einzuwirken. In der früher wahrgenommenen Funktion eines Mitglieds des Kreisvorstandes habe er weder Einfluss auf den Inhalt der Parteiprogramme noch auf die Ausrichtung eines Landtags- oder Bundestagswahlkampfes, die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- oder Bundestagswahlen oder die Aufstellung von Wahl- oder Grundsatzprogrammen gehabt. Vielmehr habe sich seine Tätigkeit darauf beschränkt, organisatorische Belange und zivilrechtliche Angelegenheiten des Kreisverbandes zu regeln sowie auf die Einhaltung und Umsetzung der durch den Landesverband bzw. den Bundesverband vorgegebenen Satzungsvorschriften zu achten. Als Mandatsträger sei der Kläger zwar über die Wahlvorschlagsliste der NPD gewählt worden und bilde dort mit anderen über diese Liste gewählten Mandatsträgern eine Fraktion, sei aber letztlich frei und allein seinem Gewissen unterworfen. Der Umstand, dass er seit 18 Jahren seine Waffen ohne festgestellte Beanstandungen führe, hätte bei der Prognoseentscheidung mit ausschlaggebendem Gewicht der nur abstrakt-generell aufgestellten gesetzlichen Vermutung entgegengesetzt werden müssen. 8 Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Berufungsurteil. II 9 Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsgericht hat zwar ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der angefochtene Widerrufsbescheid des Beklagten nicht an formellen Mängeln leidet (1.). Mit materiellem Bundesrecht vereinbar ist auch der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a des Waffengesetzes in der hier noch anwendbaren Fassung vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) - WaffG a.F. -, werde in den Fällen der Unterstützung einer politischen Partei nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. als speziellerer Norm verdrängt (2.). Ebenfalls rechtsfehlerfrei sind die Annahmen des Berufungsgerichts, die NPD sei eine Vereinigung, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge (3.), und der Kläger habe diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch die Wahrnehmung von Parteiämtern sowie von Mandaten in Kommunalvertretungen unterstützt (4.). Das Berufungsurteil verletzt jedoch dadurch revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, dass es bei der Prüfung atypischer Umstände, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, einen unzutreffenden Maßstab zugrunde legt (5.). Da die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um abschließend über das Vorliegen eines Ausnahmefalles entscheiden zu können, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (6.). 10 1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid keinen formell-rechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit unterliegt. Nach der gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Vorschrift des § 37 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> und vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 Rn. 13). Die Regelungen des Ausgangsbescheids des Beklagten vom 25. März 2015 genügen diesen Anforderungen. 11 Dem Einwand, der Beklagte habe in dem Bescheid den Widerruf der Waffenbesitzkarte Nr. ... mit dem Ausstellungsdatum 16. Januar 1998 verfügt, obwohl der Kläger Inhaber der Waffenbesitzkarte Nr. ... mit dem Ausstellungsdatum 17. August 1999 sei, hat das Berufungsgericht entgegengehalten, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt weitere Waffenbesitzkarten besessen, die Gegenstand eines Widerrufs hätten sein können. Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht hervorgehoben, in Ziffer I der Gründe des Ausgangsbescheids seien die auf der einzigen Waffenbesitzkarte des Klägers eingetragenen Waffen vollständig und mit zutreffender Bezeichnung samt Seriennummer aufgeführt. Diesen tatsächlichen Feststellungen ist die Revision nicht entgegengetreten. Sie tragen die Würdigung des Berufungsurteils, für einen verständigen Dritten habe kein Zweifel daran bestehen können, dass es sich bei dem im Ausgangsbescheid im Klammerzusatz aufgenommenen Ausstellungsdatum offensichtlich um einen Schreibfehler handelte und nur die am 17. August 1999 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. ... gemeint war. 12 Auf die Hilfsbegründung des Oberverwaltungsgerichts, die Landesdirektion Sachsen sei befugt gewesen, im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 die Bezeichnung der Waffenbesitzkarte im Ausgangsbescheid des Beklagten zu ändern und damit die zunächst fehlende Bestimmtheit nachträglich herzustellen, kommt es daher nicht an. Ein Bundesrechtsverstoß liegt jedoch auch insoweit nicht vor. Denn das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen, wobei die Widerspruchsbehörde gemäß § 68 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - BVerwGE 140, 245 Rn. 20 m.w.N.). 13 2. Rechtsgrundlage für den unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids verfügten Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers ist § 45 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller u.a. die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) besitzt. Da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen ist (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1994 - 1 C 31.92 - BVerwGE 97, 245 <250> und vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 35), hier also auf den 6. Juni 2016, kommt insoweit § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 geltenden Fassung (a.F.) zur Anwendung. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen danach in der Regel Personen nicht, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. 14 Die Annahme des Berufungsurteils, der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. werde nicht durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. als speziellerer Norm verdrängt, wenn es sich bei der Vereinigung, deren Bestrebungen verfolgt oder unterstützt werden, um eine politische Partei handelt, steht im Einklang mit revisiblem Recht. Nach der zuletzt genannten Bestimmung besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die Mitglied in einer Partei waren, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG festgestellt hat, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Fehlt es wie im Fall der NPD, deren Mitglied der Kläger ist, an einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, steht dies der Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. nicht entgegen. Der Senat hat bereits entschieden, dass unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. in der Regel auch derjenige ist, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 13 ff.). Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. in diesem Sinne auch Wiedemann/Snowadsky, BayVBl. 2011, 102; Beaucamp, DÖV 2018, 709; a.A.: Spitzlei/Hautkappe, DÖV 2018, 973 <978>) ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht entgegengetreten. 15 Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift hinter § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. zurückzutreten hätte. Die unterschiedliche tatbestandliche Ausgestaltung spricht vielmehr in gesetzessystematischer Hinsicht dafür, dass beide Vorschriften nebeneinander anwendbar sind (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 15). Denn das in § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG a.F. genannte Merkmal der ""Mitgliedschaft"" ist rein organisationsbezogen, während sich das Merkmal ""Bestrebungen verfolgen"" in Nr. 3 auf die Tätigkeit bezieht. Zudem beträgt die ""Wohlverhaltensfrist"" bei Nr. 2 zehn Jahre, bei Nr. 3 aber nur fünf Jahre. Daher verbleibt für § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. auch ohne die vom Verwaltungsgericht befürwortete einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. ein substantieller Anwendungsbereich. Die Annahme der Selbständigkeit der beiden Tatbestände wird durch die Entstehungsgeschichte der zuletzt genannten Vorschrift bestätigt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 16). Nach der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 7. Dezember 2001 soll jedwede - individuelle oder kollektive - verfassungsfeindliche Betätigung in der Regel zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen, wobei im Unterschied zu Nr. 2 der Begriff des ""Verfolgens"" verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch in der kollektiven Fallvariante ""als Mitglied"" immer an eine aktive individuelle Betätigung anknüpfen soll. Für die Einschlägigkeit des Unzuverlässigkeitstatbestandes nach Nr. 3 soll eine Mitgliedschaft nach der Gesetzesbegründung zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung sein (BT-Drs. 14/7758 S. 55). Der Gesetzgeber ist demnach davon ausgegangen, dass Nr. 3 auch dann zum Tragen kommen kann, wenn die betreffenden Bestrebungen von dem Mitglied einer nicht verbotenen Partei im Rahmen seiner parteioffiziellen oder parteiverbundenen Tätigkeit verfolgt werden. 16 Der Annahme einer Ausschlusswirkung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. im Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. steht vor allem auch der Normzweck entgegen. Der Senat hat wiederholt hervorgehoben, dass es das zentrale Anliegen des Waffengesetzes ist, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 46 f., 65 und vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17). Schutzlücken, die dem Regelungszweck des Gesetzes widersprächen, Risiken des Waffenbesitzes auf ein Mindestmaß zu beschränken, sind zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​280115U6C1.14.0] - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 105 Rn. 8 in Bezug auf das Verhältnis zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG einerseits und § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WaffG andererseits). Eine derartige Schutzlücke entstünde jedoch dann, wenn das Verfolgen von Bestrebungen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. genannten Art im Schatten der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei zum Nachteil der Allgemeinheit folgenlos bliebe, obwohl es nach der Wertung des Gesetzes regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17). 17 Für eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F., wie sie das Verwaltungsgericht mit Rücksicht auf das sog. Parteienprivileg für erforderlich gehalten hat, besteht kein Anlass. Zwar verbot Art. 21 Abs. 2 GG a.F. (vgl. jetzt Art. 21 Abs. 4 GG n.F.) bis zu der - hier noch nicht anwendbaren - Neufassung des Art. 21 GG durch verfassungsänderndes Gesetz vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2346), mit der die Möglichkeit geschaffen wurde, verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Finanzierung auszuschließen (vgl. Art. 21 Abs. 3 GG n.F.), jede rechtliche Anknüpfung an die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer Partei und jede darauf gestützte strafrechtliche oder administrative Behinderung ihrer politischen Tätigkeit bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteile vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <140>, vom 21. März 1961 - 2 BvR 27/60 - BVerfGE 12, 296 , vom 26. Oktober 2004 - 2 BvE 1/02 und 2/02 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2004:​es20041026.2bve000102] - BVerfGE 111, 382 <410> und vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2017:​bs20170117.2bvb000113] - BVerfGE 144, 20 Rn. 526). Andere Sanktionen als die zum Parteiverbot führende Feststellung der Verfassungswidrigkeit sah Art. 21 Abs. 2 GG a.F. nicht vor und ließ das Grundgesetz seinerzeit nicht zu. Ausgeschlossen war damit auch jede im Rang unter dem Grundgesetz stehende Regelung zur Benachteiligung wegen der Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder wegen des Eintretens für deren Ziele (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 10 CN 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​270618U10CN1.17.0] - NVwZ 2018, 1656 Rn. 40). Eine Modifizierung des Regelungskonzepts des Art. 21 Abs. 2 GG a.F., etwa hinsichtlich der Schaffung von Möglichkeiten gesonderter Sanktionierung im Fall der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG unterhalb der Schwelle des Parteiverbots, war dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 526, 527 a.E., 625). Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. bezog sich dabei nicht nur auf die Parteiorganisation, sondern auch auf die parteioffizielle bzw. parteiverbundene Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeiten, insbesondere nicht gegen die allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetze verstoßen (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 20 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1978 - 2 BvR 487/76 - BVerfGE 47, 130 <139> m.w.N.). 18 Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Mitgliedern einer Partei bei Vorliegen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. genannten Voraussetzungen steht mit diesen Grundsätzen im Einklang; denn die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung wird hierdurch nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 21). Ein zielgerichteter Eingriff in die Freiheit der politischen Betätigung der betreffenden Partei liegt nicht vor, da waffenrechtliche Erlaubnisse für eine solche Betätigung ohne Relevanz sind. Allerdings ist eine mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigung nicht auszuschließen, wenn die Aussicht der Nichterteilung oder des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis bei einem Teil der Anhänger der Partei dazu führen kann, von Aktivitäten für die Partei abzusehen. Von dem Grundsatz, dass eine von Verfassungs wegen erlaubte parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit von Mitgliedern oder Anhängern einer Partei nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 - 1 BvR 486/59 - BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <357 f.>), ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen. Denn eine Verfassungsvorschrift darf nicht isoliert gesehen werden, sondern muss vielmehr aus dem Gesamtgefüge der Verfassung heraus, also in Rücksicht auf das Prinzip der Einheit der Verfassung ausgelegt werden (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 - BVerfGE 55, 274 <300> m.w.N.). 19 In diesem Sinne berechtigt die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit den Gesetzgeber, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten. Wegen der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen ist der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen. Der Gesetzgeber ist im Einklang mit seiner Schutzverpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu der Einschätzung gelangt, dass das Verfolgen oder Unterstützen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. näher bezeichneten verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Regelfall dazu führt, dass die betreffende Person nicht die Gewähr dafür bietet, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Die damit verbundene Vorverlagerung des Schutzes höchstrangiger Rechtsgüter hält sich im Rahmen des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums, der dem Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung dessen zusteht, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf. Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohen, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollen, ist der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2004:​rs20040316.1bvr177801] - BVerfGE 110, 141 <157 f.>). 20 Für die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Betätigung, die nach der plausiblen Einschätzung des Gesetzgebers regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet, innerhalb oder außerhalb einer politischen Partei ausgeübt wird. Vergleichbar mit den allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetzen handelt es sich bei § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. daher um eine Vorschrift, die dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient und für die Mitglieder und Anhänger der Parteien auch in Anbetracht des Art. 21 Abs. 2 GG a.F. ebenso Geltung beansprucht wie für alle anderen Bürger. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist auch keine ""Aushöhlung"" des Parteienprivilegs dadurch zu befürchten, dass die vorstehenden Erwägungen auf eine Vielzahl anderer ""gefahrgeneigter"" Tätigkeiten wie den Betrieb von Gaststätten oder das Führen von Kraftfahrzeugen übertragen werden könnten. Denn die zum Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern getroffenen Regelungen tragen dem einzigartigen Gefahrenpotenzial des Umgangs mit Waffen Rechnung. Der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kommt in diesem Zusammenhang eine erheblich gesteigerte Bedeutung zu. 21 Die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. bei Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien verletzt auch keine Grundrechte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit durch die Regelung über die Versagung sowie den Widerruf und die Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse bei fehlender Zuverlässigkeit des Betroffenen formell und materiell wirksam eingeschränkt ist. Die in einem formellen Gesetz getroffene Regelung ist Teil der verfassungsmäßigen Ordnung, die nach Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit beschränkt, ohne ihren Wesensgehalt im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG anzutasten. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei der Vermutungsregelung dadurch genügt, dass den Besonderheiten des Einzelfalles in Ausnahmefällen Rechnung getragen werden kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 - 1 C 31.92 - BVerwGE 97, 245 <250 f.>). Eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) oder eine unzulässige Benachteiligung wegen der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) liegt aus den genannten Gründen nicht vor. Bei der an die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer Vereinigung anknüpfenden Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit handelt es sich nicht um eine staatliche Sanktion wegen der Äußerung einer politischen Einstellung (so aber Beaucamp, DÖV 2018, 709 <710, 714>), sondern - wie dargelegt - um ein allgemeines Gesetz, das dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient. 22 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die NPD, deren Mitglied der Kläger ist, sei eine Vereinigung, die im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, ist ebenfalls mit revisiblem Recht vereinbar. 23 Bei dem in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. genannten Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Diese Entscheidungskompetenz ist entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch eingeschränkt, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Art. 21 Abs. 2 GG a.F., § 46 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist. Für die Auslegung kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden. Nach der zweiten Tatbestandsvariante des Art. 9 Abs. 2 GG sind solche Vereinigungen verboten, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2018:​rs20180713.1bvr147412] - NVwZ 2018, 1788 Rn. 107; vgl. auch Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 529 ff.). Weiter muss sich eine Vereinigung gegen diese elementaren Grundsätze ""richten"". Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei ""darauf ausgeht"", die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss jedoch nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 529 ff., 594 f.; Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12, 670/13, 57/14 - NVwZ 2018, 1788 Rn. 108 f.). Dazu genügt aber, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will, wie dies für eine mit dem Nationalsozialismus wesensverwandte Vereinigung kennzeichnend ist. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (BVerwG, Urteile vom 1. September 2010 - 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 13 und vom 19. Dezember 2012 - 6 A 6.11 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 59 Rn. 14). 24 Von diesen Maßstäben geht das Berufungsurteil in der Sache zutreffend aus. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht in missverständlicher Weise ausgeführt, dass die NPD ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger nach ""darauf ausgeht"", die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils wird jedoch deutlich erkennbar, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung und Anwendung des in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. genannten Tatbestandsmerkmals der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, gerade nicht auf den strengeren Maßstab abgestellt hat, der gemäß Art. 21 Abs. 2 GG für Parteiverbote gilt. 25 Gestützt auf das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 sowie den Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 hat das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht folgende Feststellungen getroffen: Die NPD strebt auch in Sachsen danach, das Mehrparteiensystem abzuschaffen und an dessen Stelle einen autoritär geführten Staat zu errichten, in dem sich der Einzelne der Gemeinschaft unterordnen muss. Die NPD erkennt die Menschenwürde nur bei den durch ihre Abstammung definierten Mitgliedern der ""Volksgemeinschaft"" an. Denjenigen Menschen, die sie nicht als Bestandteil dieser ""Volksgemeinschaft"" und deshalb als Bedrohung der ""deutschen Volkssubstanz"" ansieht, will die NPD Grundrechte verweigern und einen niedrigeren Rechtsstatus zuweisen. Aus der rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Ausrichtung ergibt sich eine Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus, auch wenn sich die NPD hierzu nicht offen bekennt. Ihre Ziele verfolgt die NPD nicht nur mit gewöhnlicher Parteiarbeit, sondern u.a. auch dadurch, dass sie den Staat diffamiert, in der Bevölkerung vorhandene Ängste und Protesthaltungen verschärft und in sozialen Medien, oft auch ohne unter dem Parteinamen in Erscheinung zu treten, fremdenfeindliche Agitation betreibt. 26 Diese tatsächlichen Feststellungen, die die Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die den Senat daher gemäß § 137 Abs. 2 VwGO binden, sind ohne weiteres geeignet, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts zu tragen, dass im Fall der NPD Bestrebungen vorliegen, die im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Wer das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen sowie elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen, und zur Erreichung dieses Ziels auf unterschiedlichen Ebenen Aktivitäten entfaltet, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen, nimmt nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung ein. Diese Würdigung steht nicht in Widerspruch zu der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei der NPD eine Grundtendenz besteht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durch Gewalt oder die Begehung von Straftaten durchzusetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 951 ff.). Denn ein kämpferisch-aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung setzt - wie ausgeführt - keine Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen voraus. 27 4. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass der Kläger durch die Wahrnehmung von Parteiämtern sowie von Mandaten in Kommunalvertretungen die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der NPD im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt hat. 28 Aus dem bereits erörterten systematischen Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG a.F. folgt, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt, für sich genommen nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu erfüllen und von einer Unterstützung dieser Bestrebungen durch den Betroffenen auszugehen. Dies wird durch die vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 55) bestätigt. Entsprechendes muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (ebenso VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 - 4 A 626/17 - NVwZ 2018, 1813 Rn. 19) auch für die rein passive Teilnahme an Parteiveranstaltungen gelten, selbst wenn diese wiederholt erfolgt. Zur Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. führen andererseits entgegen einer verbreiteten Ansicht (vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 3 L 183/15 - juris Rn. 23; Bushart, in: Apel/Bushart, Waffenrecht, Band 2: Waffengesetz, 3. Aufl. 2004, § 5 Rn. 39; Gade, Waffengesetz, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 29; Beaucamp, DÖV 2018, 709 <711>) nicht nur solche Aktivitäten, die die Bereitschaft erkennen lassen, die Waffe zukünftig zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung einzusetzen. Denn der Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die aktive Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen die - im Einzelfall widerlegbare - Prognose eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos rechtfertigt, ohne dass darüber hinaus noch ein konkreter Bezug zum Einsatz von Waffen erforderlich ist. 29 Bei der Abgrenzung zwischen relevanten Unterstützungshandlungen und lediglich untergeordneten Aktivitäten wie der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen hat das Oberverwaltungsgericht das Kriterium der Außenwirkung der konkreten Betätigung herangezogen und in der Sache zutreffend die wesentlichen Fallgruppen herausgearbeitet, in denen es gerechtfertigt erscheint, von einer Unterstützung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auszugehen. Hierzu zählt jedenfalls die Wahrnehmung von leitenden Funktionen in der Partei. Wer herausgehobene Ämter wie dasjenige des Vorsitzenden oder des stellvertretenden Vorsitzenden in einer verfassungsfeindlichen Partei oder einer ihrer Gliederungen übernimmt, bringt damit zum Ausdruck, dass er sich mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei in besonderem Maße identifiziert und sich dauerhaft hierfür einsetzen will. Zudem hat ein solcher Funktionsträger maßgeblichen Einfluss auf die Art und Weise, wie sich die Partei nach außen hin präsentiert. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Mitglieder eines Kreisvorstands. Selbst wenn es zuträfe, was hier offen bleiben kann, dass mit der Wahrnehmung von Parteiämtern auf dieser Ebene in erster Linie organisatorische Aufgaben ohne gesteigerte Einflussmöglichkeiten auf den Inhalt von Parteiprogrammen, die Ausrichtung von Landtags- oder Bundestagswahlkämpfen oder die Aufstellung von Kandidaten für Landtags- oder Bundestagswahlen verbunden sind, ist doch gerade die ständige organisatorische Präsenz auf der kommunalen Ebene für die öffentliche Wahrnehmung einer Partei bedeutsam. 30 Aus den gleichen Erwägungen ist auch die Wahrnehmung von Mandaten für eine verfassungsfeindliche Partei im Bundestag, in einem Landtag oder einer Kommunalvertretung als ein ""Unterstützen"" im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. zu werten. Entsprechendes gilt bei der Teilnahme an Wahlen als Bewerber einer verfassungsfeindlichen Partei, auch wenn hierbei kein Mandat errungen wird (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12. Oktober 2017 - 4 A 626/17 - NVwZ 2018, 1813 Rn. 19). Auch in diesen Fällen ist von einer besonders intensiven Identifikation mit den gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Bestrebungen der Partei auszugehen. Zudem wird das Erscheinungsbild der Partei in der Öffentlichkeit von dem Auftreten ihrer Kandidaten bei Wahlen und ihrer Vertreter in Parlamenten und kommunalen Vertretungen maßgeblich bestimmt. Es kommt deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht auf die konkreten Wirkungsmöglichkeiten des jeweiligen Mandatsträgers oder die Art der Sachprobleme an, mit denen er befasst ist. 31 Die Berücksichtigung der Wahrnehmung von Mandaten in einer Kommunalvertretung bei der Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen einer Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. unterstützt werden, widerspricht nicht dem Verfassungsgrundsatz des freien Mandats. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf § 35 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung verweist, wonach die Gemeinderäte ihr Mandat nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung ausüben und an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, nicht gebunden sind, handelt es sich um eine Vorschrift des irrevisiblen (§ 137 Abs. 1 VwGO) Kommunalverfassungsrechts des Landes. Aber selbst wenn angenommen wird, dass das freie Mandat der kommunalen Mandatsträger ebenso wie das freie Mandat der Abgeordneten auf Bundes- und Landesebene eine Konkretisierung des Demokratieprinzips und des Grundsatzes der Gewaltenteilung darstellt (vgl. VerfGH Weimar, Urteil vom 25. September 2018 - 24/17 - NVwZ-RR 2019, 129 Rn. 228), ist dieser Grundsatz im vorliegenden Zusammenhang nicht berührt. Das freie Mandat gewährleistet gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die freie Willensbildung der Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen den Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2013:​rs20130917.2bvr243610] - BVerfGE 134, 141 Rn. 92). Ferner gewährleistet Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit der Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 - BVerfGE 134, 141 Rn. 100). Auf keinen dieser Aspekte zielt die für die Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit herangezogene Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen in Form der Wahrnehmung eines politischen Mandats. Vielmehr knüpft der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auch in dieser Fallgruppe daran an, dass der Betroffene als Mandatsträger einen eigenen aktiven Unterstützungsbeitrag für eine verfassungsfeindliche Vereinigung leistet, dem nach der Prognose des Gesetzgebers die Gefahr einer Beeinträchtigung der waffenrechtlichen Schutzgüter durch den Betroffenen innewohnt. 32 Geht man nach alledem davon aus, dass eine Person die verfassungsfeindlichen Bestrebungen einer Partei jedenfalls dann im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. unterstützt, wenn sie leitende Funktionen oder Mandate als Vertreter der Partei in Parlamenten und Kommunalvertretungen wahrnimmt, ist diese Voraussetzung im Fall des Klägers nach den unstreitigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Denn danach war der Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Erlass des Widerspruchsbescheids stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes So. und vertrat die NPD im Kreistag So. sowie im Gemeinderat der Gemeinde R. 33 5. Das Oberverwaltungsgericht hat revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO jedoch dadurch verletzt, dass es bei der Prüfung, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein könnten, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt hat. 34 Zwar ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit in den Fällen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. allein nicht ausreicht. Darüber hinaus findet sich im Berufungsurteil jedoch lediglich die Bemerkung, ein atypischer Fall sei beispielsweise denkbar, wenn der Inhaber der Waffenbesitzkarte an einem Ausstiegsprogramm teilgenommen und damit ein deutliches Signal dafür gesetzt habe, dass er seine Gesinnung geändert habe und deswegen von ihm in Zukunft keine damit verbundene Gefahr mehr ausgehen werde. Dass das Oberverwaltungsgericht andere Umstände in Betracht gezogen hat, die einen Ausnahmefall kennzeichnen könnten, ist nicht erkennbar. Die Prüfung hätte jedoch darauf erstreckt werden müssen, ob die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers auch ohne den vom Oberverwaltungsgericht geforderten Nachweis einer Gesinnungsänderung deshalb widerlegt ist, weil der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der relevanten Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt. 35 In Bezug auf den Unzuverlässigkeitsgrund der Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht kommt, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1994 - 1 C 31.92 - BVerwGE 97, 245 <249 f.>). In vergleichbarer Weise ist in den Fällen der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F., sofern waffenrechtliche Beanstandungen nicht vorliegen, eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 22). Hierbei muss beurteilt werden, ob die generalisierende Annahme eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos, die an die legale Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen einer politischen Partei anknüpft, im konkreten Fall tatsächlich tragfähig ist. Denn selbst wenn die Anknüpfung an solche Aktivitäten im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. - wie ausgeführt - nicht als staatliche Sanktion oder zielgerichtete Behinderung zu qualifizieren ist, sind mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigungen der nach Art. 21 GG geschützten politischen Tätigkeit der betreffenden Partei nicht auszuschließen, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. Steht fest, dass ein Mitglied einer solchen Partei deren kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung in relevanter Weise unterstützt, wird zwar regelmäßig auch die Prognose gerechtfertigt sein, dass der ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Umgang mit Waffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet ist. Orientiert sich die betreffende Partei - wie nach den bindenden Feststellungen im Berufungsurteil die NPD - am historischen Nationalsozialismus, drängt sich dies in besonderem Maße auf. Es müssen gleichwohl diejenigen Fallgestaltungen ausgesondert werden, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Verfolgung bzw. Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzgut des Waffenrechts ausnahmsweise fehlt. In solchen Einzelfällen kann die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit die ausschließliche Anknüpfung an die Wahrnehmung von Parteiämtern und Mandaten zur Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht rechtfertigen. 36 Atypische Umstände, die in diesem Sinne geeignet sind, bei Funktions- und Mandatsträgern einer nicht verbotenen politischen Partei die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, liegen allerdings nicht schon dann vor, wenn - negativ - keine individuellen Äußerungen und Verhaltensweisen der betreffenden Person bekannt sind, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt oder zur Missachtung der geltenden Rechtsordnung erkennen lassen. Da Funktions- und Mandatsträger typischerweise einen gesteigerten Einfluss auf die Ausrichtung und das Profil der Partei haben, sind vielmehr - positiv - konkrete Belege für die aktive Bekämpfung derartiger Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld zu fordern, damit die durch die Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition als entkräftet angesehen werden können. Atypische Umstände im dargelegten Sinne sind daher bei den in Rede stehenden Personen grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn - neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten - feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Partei unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungspflicht. 37 6. Ob nach dem dargelegten Maßstab im vorliegenden Fall atypische Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG a.F. zu widerlegen, kann auf der Grundlage der Tatsachen, die das Berufungsgericht festgestellt hat, nicht entschieden werden. Danach steht zwar gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend fest, dass der Kläger sowohl strafrechtlich als auch in waffenrechtlicher Hinsicht bislang unauffällig geblieben ist. Nicht hinreichend geklärt ist jedoch, ob sich der Kläger von Äußerungen und Verhaltensweisen anderer Mitglieder der NPD, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben, entschieden, beständig und nach außen erkennbar distanziert hat. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Auch der Kläger musste bisher nicht davon ausgehen, dass es auf die Darlegung entsprechender Anhaltspunkte ankommen würde. 38 Weitere Ermittlungen sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil gewaltorientierte Tendenzen innerhalb der NPD, von denen sich der Kläger zu distanzieren hätte, nicht erkennbar wären. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren bei der Subsumtion unter das in Art. 21 Abs. 2 GG genannte Tatbestandsmerkmal ""darauf ausgehen"" keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Grundtendenz der NPD feststellen können, ihre verfassungsfeindlichen Absichten gezielt im Wege des Rechtsbruchs durchzusetzen (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 951 ff.). Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht jedoch festgestellt, dass den von den Mitgliedern der NPD begangenen Gewalttaten hinsichtlich des jeweiligen Einzelfalles ein beträchtliches Einschüchterungs- und Bedrohungspotenzial innewohnt (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 144, 20 Rn. 1003). Wie sich der Kläger als Funktions- und Mandatsträger der NPD zu solchen Einzeltaten verhalten hat, muss daher durch das Tatsachengericht auf der Grundlage entsprechender vom Kläger noch darzulegender Anhaltspunkte geklärt werden. Aus diesem Grund ist der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 39 Sollte die erneute Prüfung ergeben, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids) rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, werden die auf § 46 Abs. 1 WaffG a.F. gestützte Anordnung der Rückgabe der Waffenbesitzkarte, die auf § 46 Abs. 2 WaffG a.F. gestützte Verfügung der Einziehung von Waffen und Munition sowie die auf § 20 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen gestützte Zwangsgeldandrohung (Nr. 2 und 5 des angefochtenen Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids) als Folgeregelungen ebenfalls aufzuheben sein. 40 7. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten." bverwg_2019-49,25.06.2019,"Pressemitteilung Nr. 49/2019 vom 25.06.2019 EN Abschiebung eines mutmaßlichen Gefährders in die Türkei ausgesetzt Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute dem Eilantrag eines türkischen Staatsangehörigen aus Göttingen, der von den Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft und dessen Abschiebung in die Türkei angeordnet worden ist, wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung stattgegeben. Gegen den 1990 in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Antragsteller, der sich seit Ende März 2019 in Haft befindet, ordnete das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport am 5. April 2019 - gestützt auf § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - die Abschiebung in die Türkei an. Die vorliegenden Erkenntnisse führten zu der Prognose, dass von dem Antragsteller eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr ausgehe. Auch wenn den Sicherheitsbehörden aktuell noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden sei, gehe von ihm ein beachtliches Risiko aus, dass er wegen seiner radikal-religiösen Einstellung und seiner Sympathie mit dem „Islamischen Staat“ einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen werde. Gleichzeitig sei wegen seiner Gewaltbereitschaft zu befürchten, dass er eine derart gravierende Straftat verübe, die die Annahme einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik begründe. Auf den dagegen gerichteten Antrag hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der in Fällen des § 58a AufenthG erst- und letztinstanzlich zuständig ist, die aufschiebende Wirkung der gegen die Abschiebungsanordnung gerichteten Klage angeordnet. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand - vorbehaltlich möglicher weiterer Erkenntnisse - bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, die bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Belange zu einer Aussetzung der Abschiebung führen. Die vom Ministerium zur Begründung der Abschiebungsanordnung angeführten Erkenntnisse belegen nicht hinreichend, dass vom Antragsteller gerade auch eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht. Denn sie tragen bislang nicht die Bewertung, die inhaltliche Hinwendung des Antragstellers zum radikal-extremistischen Islamismus habe nach Intensität und Nachhaltigkeit bereits einen Grad erreicht, der die Prognose rechtfertigt, bei dem im Grundsatz gewaltbereiten Antragsteller bestehe wegen einer hohen Identifikation mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam oder seiner engen Kontakte zu gleichgesinnten Personen ein beachtliches Risiko i.S.d. § 58a AufenthG. Anderweitigen Gefahren, die vom Antragsteller ausgehen, ist im Rahmen des allgemeinen Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) sowie des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen. Sollten sich durch weitere Sachaufklärung des Gerichts im Hauptsacheverfahren oder infolge der Vorlage neuer Erkenntnisse durch den Antragsgegner für die Gefahrenprognose erhebliche Tatsachen - insbesondere in Bezug auf den Grad seiner Radikalisierung - ergeben, kann dem im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO Rechnung getragen werden. BVerwG 1 VR 1.19 - Beschluss vom 25. Juni 2019","§ 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -drohung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht. Gründe IDer Antragsteller, ein in Deutschland geborener und aufgewachsener 29-jähriger türkischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei.Nach Anhörung des Antragstellers, der am 27. März 2019 auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage in Polizeigewahrsam genommen worden war, ordnete das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - mit Verfügung vom 5. April 2019 dessen Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte es aus, aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte sei die Prognose gerechtfertigt, dass von dem Antragsteller eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr ausgehe, die eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlich mache. Auch wenn den Sicherheitsbehörden aktuell noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden sei, gehe vom Antragsteller ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko aus, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen werde. Gleichzeitig sei zu befürchten, dass er eine derart gravierende Straftat verübe, dass eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzunehmen sei. In Anbetracht der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Antragsteller nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern mit dem ""Islamischen Staat (IS)"" und dessen Märtyrerideologie sympathisiere. Er habe sich in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert und halte den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt. Der Antragsteller strebe eine Bewaffnung an, um kampfbereit zu sein und zum Beispiel bei polizeilichen Maßnahmen Polizeibeamte zu erschießen. Aufgrund seiner Biographie sei davon auszugehen, dass er in der Lage sei, sich unerlaubt Schießfeuerwaffen oder Ähnliches zu beschaffen. Er schrecke nach seinen charakterlichen Eigenschaften nicht vor Straftaten zurück, sei gewaltbereit und zudem drogenabhängig. Sein Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden sei derart hasserfüllt, dass er geradezu schwärmerisch Angriffe auf Leib und Leben der Bediensteten für angezeigt erachte. Gleichzeitig erlaube seine bisherige Biographie die Annahme, dass er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund zukünftiger strafrechtlicher Vorwürfe Ermittlungen der deutschen Strafverfolgungsbehörden zu befürchten habe, so dass insbesondere die von ihm angekündigte Ermordung von Polizeibeamten ein realistisches Szenario darstelle, das es zu verhindern gelte. Die Abschiebungsanordnung sei auch unter Berücksichtigung der familiären Beziehungen und der Verwurzelung des Antragstellers in Deutschland verhältnismäßig und (auch) unter Berücksichtigung seines bisherigen Aufenthalts in Deutschland angezeigt. Das Amtsgericht H. ordnete mit Beschluss vom 5. April 2019 Abschiebehaft an, deren Dauer in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde.Am 12. April 2019 hat der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben (BVerwG 1 A 3.19) und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Von ihm gehe weder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch für einzelne Personen aus. Er habe lediglich versucht, mit durch den Islam inspirierten Motiven und Aussagen Anerkennung und Aufmerksamkeit bestimmter Personen zu erlangen. Dieses ""Schocken"" mit Angeberei über Waffen und Gewalt sei in Rockerkreisen üblich. Tatsächlich sei er weit davon entfernt, ein Sympathisant des Islamismus oder Salafismus zu sein. Er habe in G. schlicht die falschen ""Freunde"" gefunden. Diese seien jedoch nicht seine zentrale Bezugsgruppe, weil für ihn seine Familie im Vordergrund stehe. Im Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin habe er keinerlei islamistische oder auch nur religiöse Tendenzen gezeigt. Die Behörde habe ihre Entscheidung auf der Grundlage einer fehlerhaften Tatsachenermittlung getroffen und das Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Trotz durchgeführter Observations- und Abhörmaßnahmen gebe es keinerlei Belege für eine Islamisierung des Antragstellers. Er sei seit längerem straffrei und wolle ein bürgerliches Leben ohne Kontakt zu strafbaren Handlungen oder Straftätern führen. Eine Abschiebung könne nicht auf § 58a AufenthG gestützt werden, nur weil er schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei. In der Türkei hätte er als Kurde und Gefährder mit einer Inhaftierung ungewisser Länge zu rechnen.Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Verfügung.II1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Abschiebungsanordnung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 5. April 2019 gerichteten Klage ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO).2. Der Antrag ist begründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt das Interesse des Antragstellers. Denn nach der hier im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in Freiheitsrechte des Antragstellers im Falle der Abschiebung einerseits und der Bedeutung der durch § 58a AufenthG geschützten Rechtsgüter bei einem Verbleib des Antragstellers in Deutschland sowie der gesetzgeberischen Entscheidung des grundsätzlichen Vorrangs des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 58a Abs. 1 Satz 2 AufenthG) andererseits gebotenen umfassenden Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - BVerwGE 158, 225 Rn. 13) bestehen derzeit auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnismittel - vorbehaltlich einer Neubewertung dieser Erkenntnisse sowie der Erlangung weiterer Erkenntnisse durch weitere Sachaufklärung des Gerichts im Hauptsacheverfahren, infolge der Vorlage neuer Erkenntnisse durch den Antragsgegner oder des weiteren Verhaltens des Antragstellers - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.a) Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.aa) Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). Sie findet auch auf türkische Staatsangehörige Anwendung, denen als Arbeitnehmer und/oder Familienangehörige ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 6 und/oder Art. 7 ARB 1/80 zusteht (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - juris Rn. 12 ff.).bb) Der Begriff der ""Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21).cc) Das Erfordernis einer ""besonderen"" Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23).dd) Wesentliche Kriterien für die Bestimmung einer ""terroristischen Gefahr"" können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3), dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 S. 6) gewonnen werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder ""Szeneeinbindungen"", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22; siehe auch BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 A 3.18 - juris Rn. 31).ee) Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG).Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25). In Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Jihad als verpflichtend ansieht, kann von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18).Für eine entsprechende ""Gefahrenprognose"" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen beziehungsweise Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27).Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben.In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in ""religiösen"" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen.ff) § 58a AufenthG erlaubt Maßnahmen nur zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr, die im vorbeschriebenen Umfang durch eine (vorrangig) ideologisch radikalisierte, insbesondere politisch oder religiös geprägte Gewaltanwendung oder -drohung gekennzeichnet ist. Fehlt es an einer ideologisch radikalen Prägung, ist einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch einen Ausländer auch bei drohenden Straftaten von erheblicher Bedeutung mit den Mitteln des Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen; hinzu tritt der Rechtsgüterschutz durch eine konsequente Verfolgung begangener Straftaten.b) In Anwendung dieser Grundsätze bestehen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, die das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Beendigung seines Aufenthalts überwiegen lassen. Die zur Begründung der Abschiebungsanordnung angeführten tatsächlichen Anhaltspunkte in der Person des Antragstellers belegen - auch wenn sie als wahr unterstellt werden - in der Gesamtschau bei umfassender Würdigung seiner Persönlichkeit, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung und seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen nicht hinreichend die für § 58a AufenthG erforderliche, vom Antragsgegner angenommene ideologisch radikale Prägung der von dem Antragsteller ausgehenden Gefahr (aa). Damit ist trotz der vom Antragsgegner angeführten Gefährlichkeit des Antragstellers (bb) die Prognose eines beachtlichen Risikos gerade auch im Sinne des § 58a AufenthG durch den Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet nicht gerechtfertigt.aa) Die von dem Antragsgegner bezeichneten und sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte enthalten zwar Anhaltspunkte für eine religiöse Orientierung des Antragstellers. Sie tragen aber hier (noch) nicht die Bewertung einer inhaltlichen Hinwendung zum radikal-extremistischen Islamismus bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islam beziehungsweise zum militanten Jihad mit einer Intensität und Nachhaltigkeit, die die Prognose rechtfertigt, bei dem im Grundsatz gewaltbereiten Antragsteller bestehe wegen einer hohen Identifikation mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam oder seiner engen Kontakte zu gleichgesinnten Personen bereits ein beachtliches Risiko zu Handlungen im Sinne des § 58a AufenthG, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen könne.Der Antragsteller hatte allerdings bereits seit 2016, seit Mitte 2018 auch engeren, Kontakt zu maßgeblichen Mitgliedern der radikal-salafistischen Szene in K. und G., der auch nach seiner Inhaftierung nicht abgebrochen ist. Diese Einbindung hat aber nicht schon zu einer erkennbaren, für den Antragsteller voraussichtlich auch handlungsleitenden Verwurzelung im radikal-religiösen Islamismus geführt. So ist insbesondere etwa kein nachhaltiger Austausch mit Szenemitgliedern auch in ""religiösen"" Fragen oder eine regelmäßige gemeinsame Religionsbetätigung in diesem Milieu über einen längeren Zeitraum belegt. Anhaltspunkte für eine gewisse Radikalisierung ergeben sich zwar aus Fotodateien und Bildmaterial auf seinem Mobiltelefon, die Symbole des militanten Jihad enthalten (u.a. Tauhīd-Finger, schwarze Fahne mit der Formel des Takbīr im Hintergrund, Shahāda-Flagge, Frau mit Nikab und Schnellfeuerwaffe, Mann mit Schwert im Hintergrund). Die Tätowierungen auf dem rechten Unterarm (zweischneidiges Schwert von Dhū l-faqār mit Text) stehen hingegen nach der vom Antragsgegner vorgelegten islamwissenschaftlichen Bewertung nicht im Zusammenhang mit einer jihadistischen Gesinnung. Auch das vom Antragsteller gezeigte konspirative Verhalten (Wechsel des Mobiltelefonvertrages, Kommunikation über Messenger-Dienste und Internettelefonie) rechtfertigt bei einer Gesamtschau der Tatsachen nicht die Annahme, dieses Verhalten habe ausschließlich und vorrangig der gezielten Verschleierung prognoserelevanter Kommunikationsvorgänge gedient, und ist daher für sich allein nicht geeignet, die für ein Vorgehen nach § 58a AufenthG erforderliche Gefährlichkeit des Antragstellers zu belegen. Eine leichte Beeinflussbarkeit des Antragstellers, die etwa durch die Mitgliedschaft in verschiedenen gewaltbereiten Gruppierungen (Straßengang ""Bad Boys K."", Rockerclub ""United Tribuns"") belegt ist, in denen er erkennbar Halt und Anerkennung gesucht hat, und sein Drogenkonsum sind zwar bei einer allgemeinen Gefahrenprognose in Bezug auf das Gewaltpotential des Antragstellers zu berücksichtigen; über dessen religiös-extremistische Fundierung oder die Bereitschaft, dies auch situationsunabhängig zu Handlungen im Sinne des § 58a AufenthG einzusetzen, geben sie indes keinen hinreichend (sicheren) Aufschluss. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Antragsteller durch Gewaltanwendung bzw. -drohung gegenüber seinen jeweiligen Lebensgefährtinnen und JVA-Beamtinnen ein patriarchalisches Frauenbild an den Tag gelegt hat; ein solches Frauenbild ist nicht allein im radikal-extremistischen Islamismus anzutreffen.Gegen eine hinreichende, für die Bereitschaft zur Begehung nach § 58a AufenthG relevanter Taten handlungsleitende Hinwendung des Antragstellers zum Islam oder gar zu salafistischen oder jihadistischen Bestrebungen spricht, dass er sich erst wenige Tage vor seiner Inhaftierung nach den Grundlagen des islamischen Glaubens erkundigt und zu den Auswirkungen und der Bedeutung des Gebets für ihn geäußert hat. Der Antragsgegner geht selbst davon aus, dass sich der Antragsteller nicht über einen längeren Zeitraum mit dem Islam befasst habe, und nimmt eine ""Schnellradikalisierung"" an. Der Annahme einer hinreichenden ""Schnellradikalisierung"" vermag der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Tatsachen nicht zu folgen. Auch die Äußerungen des Antragstellers gegenüber seiner Mutter im Zusammenhang mit dem Anschlag auf eine Moschee in Neuseeland, er würde sich eine Waffe besorgen, diese einsetzen und zum Märtyrer werden, sind nach ihrem Kontext nicht hinreichend klar als Bereitschaft zu proaktiven, religiös motivierten Gewalthandlungen im Sinne des § 58a AufenthG zu verstehen; vor dem Hintergrund seiner grundsätzlichen Gewaltbereitschaft insbesondere bei (vermeintlichen oder tatsächlichen) Angriffen auf seine Person oder Interessen kommt hierin vor allem die Bereitschaft zu situativen Verteidigungshandlungen zum Ausdruck. Gegen eine eingehende Identifizierung mit dem radikal-religiösen Islam spricht auch das westliche Auftreten seiner derzeitigen Lebensgefährtin, das nicht mit radikal-islamischen Ansichten vereinbar erscheint.bb) Der Senat verkennt dabei nicht die tatsächlichen Anhaltspunkte, die für ein von dem Antragsteller ausgehendes, allgemeines Gefahrenpotential sprechen. Nach dem Inhalt der beigezogenen Akten hat er einen Hang zu Waffen und gefährlichen Gegenständen und ist in der Lage, sich solche jederzeit zu beschaffen. Es wurden bei ihm über einen längeren Zeitraum wiederholt Angriffswaffen und gefährliche Gegenstände (Schreckschusswaffe, Butterflymesser, Teleskopschlagstock, Schlagring, Druckluftgewehr, Springmesser) gefunden, und der Antragsteller hat wiederholt geäußert, dass er bereit ist, diese auch einzusetzen. Aus verschiedenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergeben sich gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte, dass der Antragsteller gewalttätig und -bereit ist und er über eine niedrige Hemmschwelle verfügt, Gewalt gegenüber anderen Personen nicht nur anzudrohen, sondern auch einzusetzen. In der Gesamtschau spricht der Inhalt der beigezogenen Akten auch in Ansehung des Vorbringens des Antragstellers für eine Persönlichkeit, die durch eine mangelnde wirtschaftliche, berufliche und gesellschaftliche Integration (fehlender Schul- und Berufsabschluss, Bezug von Sozialleistungen, Straffälligkeit, Drogenkonsum, Mitgliedschaft in gewaltbereiten Gruppierungen), Beeinflussbarkeit und Anerkennungsbedürfnis sowie die Bereitschaft geprägt ist, Gewalt nicht nur (situationsbedingt) anzudrohen, sondern auch einzusetzen. Dies kann aber das Hinzutreten einer hinreichenden ideologischen, politischen oder religiösen Radikalisierung als Voraussetzung und prägendes Kennzeichen der Handlungen, deren Begehung § 58a AufenthG begegnen soll, nicht ersetzen.Tatsächliche Anhaltspunkte für eine ""besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland"" ergeben sich auch nicht aus dem wiederholten aggressiven bis bedrohlichen Auftreten des Antragstellers gegenüber Polizei- und Vollzugsbeamten. Nicht in Frage steht, dass Bedrohungen, Beleidigungen oder körperliche Übergriffe auf Polizei- und Vollzugsbedienstete im Rechtsstaat nicht hinzunehmen sind und hiergegen insbesondere mit den Mitteln des Strafrechts entschieden vorzugehen ist. Für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG sind sie aber erst dann erheblich, wenn sie mit der gewaltförmigen Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele verbunden sind und insoweit bestimmt und geeignet sind, die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen oder die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (s.o. II.2.a) bb)). Eine nicht von einer derartigen Motivation getragene allgemeine Ablehnung oder Nichtbeachtung staatlicher Autorität und Übergriffe auf diese (rechtmäßig) ausübende Personen reicht hierfür nicht aus; auf sie ist insbesondere mit den Mitteln des Strafrechts, des (allgemeinen) Ausweisungsrechts (§§ 53 ff. AufenthG) oder des Polizei- und Ordnungsrechts zu reagieren. Verhalten und Äußerungen des Antragstellers lassen das für § 58a AufenthG erforderliche Moment nicht erkennen; der Senat wertet sie als - nicht zu billigende bzw. gerechtfertigte - anlassbezogene Reaktion des Antragstellers auf konkrete Maßnahmen, die im jeweiligen Zusammenhang der Äußerungen zu betrachten sind. Sie erreichen - ihre Ernsthaftigkeit unterstellt - aber keine mit einer terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension.3. Bestehen nach dem derzeitigen Erkenntnis- und Bewertungsstand ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, weil bisher keine hinreichenden Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller Handlungen zur Verwirklichung der von § 58a AufenthG erfassten Gefahren begehen werde, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung auch in Ansehung des hohen Ranges der von § 58a AufenthG geschützten Rechtsgüter gegenüber dem Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. Sollten sich durch weitere Sachaufklärung des Gerichts im Hauptsacheverfahren, infolge der Vorlage neuer Erkenntnisse durch den Antragsgegner oder das weitere Verhalten des Antragstellers für die Gefahrenprognose erhebliche Tatsachen ergeben - insbesondere in Bezug auf das Ausmaß und die Nachhaltigkeit seiner Radikalisierung - kann dem jederzeit im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO Rechnung getragen werden.4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache - wenn auch nur für die Dauer des Hauptsacheverfahrens in Bezug auf eine Gefährdung durch den Antragsteller - vorwegnimmt und aus diesem Grunde eine intensivierte Prüfung vorzunehmen war, war der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes anzuheben." bverwg_2019-52,04.07.2019,"Pressemitteilung Nr. 52/2019 vom 04.07.2019 EN EuGH-Vorlage zum Informationszugang von Insolvenzverwaltern zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom heutigen Tage Fragen zur Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j und e der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgelegt. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt ein Insolvenzverwalter gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom zuständigen Finanzamt Zugang zu steuerlichen Daten der Insolvenzschuldnerin. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab; vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht hatte der Kläger Erfolg. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Während des Revisionsverfahrens ist im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung und dadurch erforderlicher Anpassungen des nationalen Rechts auch die Abgabenordnung geändert worden; die Neuregelungen sind vorliegend zu berücksichtigen. Im Fokus stehen nunmehr u.a. die Vorschrift des § 32e AO, die das Verhältnis zu den Ansprüchen auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder regelt, und der - auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO gestützte - Ausschlusstatbestand des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO. Eine Anpassung der Abgabenordnung ist zwar nur für die datenschutzrechtlichen (Auskunfts-)Ansprüche natürlicher Personen unionsrechtlich gefordert. Angesichts des Regelungsziels des nationalen Gesetzgebers, ein einheitliches Steuerverfahrensrecht für alle Steuerschuldner und Steuerarten zu schaffen und diesem auch die Ansprüche auf Informationszugang zu unterstellen, scheidet eine „gespaltene“ Auslegung dieser Vorschriften für dem Unionsrecht unterfallende Sachverhalte einerseits und diesem nicht unterfallende Sachverhalte andererseits aber aus. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung von Unionsrecht ist das Verfahren daher auszusetzen und dem EuGH zur Klärung der Fragen vorzulegen, ob Art. 23 Abs. 1 Buchst. j DSGVO auch dem Schutz der Interessen von Finanzbehörden dient, die „Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche“ im Sinne dieser Vorschrift auch die Verteidigung der Finanzbehörden gegen zivilrechtliche Insolvenzanfechtungsansprüche bzw. deren Geltendmachung erfasst, oder eine Beschränkung des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO zu diesem Zweck auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO gestützt werden kann. BVerwG 7 C 31.17 - Beschluss vom 04. Juli 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 29/17 - Urteil vom 14. September 2017 - VG Köln, 13 K 5152/15 - Urteil vom 01. Dezember 2016 -","Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zum Informationszugang von Insolvenzverwaltern zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um Klärung folgender Fragen zur Auslegung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016 S. 1) im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten:1. Dient Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 auch dem Schutz der Interessen von Finanzbehörden?2. Falls ja, erfasst die Formulierung ""Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche"" auch die Verteidigung der Finanzbehörde gegen zivilrechtliche Ansprüche und müssen diese bereits geltend gemacht sein?3. Erlaubt die Regelung des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz eines wichtigen finanziellen Interesses eines Mitgliedstaats im Steuerbereich eine Beschränkung des Auskunftsrechts nach Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Abwehr von zivilrechtlichen Insolvenzanfechtungsansprüchen gegen die Finanzbehörde? Gründe IDer Kläger ist Insolvenzverwalter. Er begehrt zur Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen vom zuständigen Finanzamt steuerliche Auskünfte über die Insolvenzschuldnerin, eine Unternehmergesellschaft.Seinen unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gestellten Antrag auf Auskunft über die Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und die Erteilung von Vollstreckungsaufträgen, erhaltene Zahlungen, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sowie Übersendung von Speicherkontenauszügen aller dort geführten Steuerarten für die Veranlagungszeiträume März 2014 bis Juni 2015 lehnte das Finanzamt ab.Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht im Wesentlichen statt. Die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen: Der Informationsanspruch werde weder durch bereichsspezifische Regelungen im Steuerverfahrensrecht verdrängt noch stünden ihm Ausschlussgründe entgegen. Die begehrten Informationen unterfielen zwar in sachlicher Hinsicht dem Schutzbereich des Steuergeheimnisses, seien aber gegenüber dem Insolvenzverwalter ebenso wenig geheimhaltungsbedürftig wie gegenüber dem Betroffenen, um dessen steuerliche Verhältnisse es gehe. Die Verfügungsbefugnis über die steuerlichen Daten sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Dieser Übergang erstrecke sich auch auf Geschäftsgeheimnisse und steuerliche Daten, soweit dies für die ordnungsgemäße Verwaltung der Insolvenzmasse und die Insolvenzabwicklung erforderlich sei. Der Insolvenzverwalter könne vom Insolvenzschuldner Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse beanspruchen. Die Mitwirkungspflicht des Insolvenzschuldners umfasse auch die Verpflichtung, das Finanzamt vom Steuergeheimnis zu befreien; seine Geheimhaltungsinteressen müssten insoweit zurücktreten.Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter.IIDas Verfahren ist auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 AEUV).1. Die maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts finden sich in Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1, Art. 15 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. e, i und j der Verordnung (EU) 2016/679.2. Die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts sind während des Revisionsverfahrens durch Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) in die Abgabenordnung (AO) eingefügt worden und mit Wirkung vom 25. Mai 2018 in Kraft getreten. Sie lauten:§ 2a Anwendungsbereich der Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten""(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes und der Steuergesetze über die Verarbeitung personenbezogener Daten finden keine Anwendung, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) 2016/679 ... in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar oder nach Absatz 5 entsprechend gilt"".""(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften der Verordnung (EU) 2016/679, dieses Gesetzes und der Steuergesetze über die Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen entsprechend für Informationen, die sich beziehen auf identifizierte oder identifizierbare1. verstorbene natürliche Personen oder2. Körperschaften, rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.""§ 32e Verhältnis zu anderen Auskunfts- und Informationszugangsansprüchen""Soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) in der jeweils geltenden Fassung oder nach entsprechenden Gesetzen der Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch auf Informationszugang hat, gelten die Artikel 12 bis 15 der Verordnung (EU) 2016/679 in Verbindung mit den §§ 32a bis 32d entsprechend. Weitergehende Informationsansprüche über steuerliche Daten sind insoweit ausgeschlossen. § 30 Absatz 4 Nr. 2 ist insoweit nicht anzuwenden.""§ 32b Informationspflicht der Finanzbehörde, wenn personenbezogene Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden""(1) Die Pflicht der Finanzbehörde zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 14 Absatz 1, 2 und 4 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht ergänzend zu den in Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2016/679 und § 31c Absatz 2 genannten Ausnahmen nicht,1. soweit die Erteilung der Informationa) die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden oder anderer öffentlicher Stellen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe d bis h der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde oderb) ...und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss. § 32a Absatz 2 gilt entsprechend.""§ 32c Auskunftsrecht der betroffenen Person""(1) Das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht, soweit1. die betroffene Person nach § 32b Absatz 1 oder 2 nicht zu informieren ist,2. die Auskunftserteilung den Rechtsträger der Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe j der Verordnung (EU) 2016/679 beeinträchtigen würde; Auskunftspflichten der Finanzbehörde nach dem Zivilrecht bleiben unberührt,..."".IIIDie Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Von ihrer Beantwortung hängt der Erfolg der Revision des Beklagten ab. Sie bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof, weil sie weder durch seine Rechtsprechung geklärt noch offenkundig sind. Zu der Vorlage und den einzelnen Vorlagefragen sind folgende Erwägungen von Bedeutung:Die Verordnung (EU) 2016/679 findet auf den hier zugrundeliegenden Sachverhalt keine unmittelbare Anwendung; es geht weder um personenbezogene (steuerliche) Daten einer natürlichen Person im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 noch um einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch der betroffenen Person nach Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679. Die datenschutzrechtliche Betroffenenstellung ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht Teil der Insolvenzmasse wird und daher nicht vom Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) erfasst wird. Allerdings hat der Gerichtshof seine Zuständigkeit, um eine einheitliche Auslegung des Unionsrechts zu gewährleisten, wiederholt auch für solche Vorabentscheidungsersuchen bejaht, die Vorschriften des Unionsrechts betrafen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fiel, aber die genannten Vorschriften durch das nationale Recht aufgrund eines darin enthaltenen Verweises auf ihren Inhalt unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden waren (vgl. EuGH, Urteile vom 16. März 2006 - C-3/04 [ECLI:EU:C:2006:176], Poseidon Catering BV - Rn. 14 ff. und vom 18. Oktober 2012 - C-583/10 [ECLI:EU:C:2012:638], Nolan - Rn. 45 ff.).Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit den Ergänzungen der Abgabenordnung verfolgt der Gesetzgeber - wie sich insbesondere aus § 2a Abs. 3 und 5 AO ergibt - das Ziel, über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 hinaus dem allgemeinen Grundsatz der Abgabenordnung entsprechend einheitliche verfahrensrechtliche Regelungen - die regelmäßig zugleich Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen - für alle vom Steuer- und Steuerverfahrensrecht Betroffenen ungeachtet ihrer Rechtsform vorzusehen (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 76). Anhaltspunkte dafür, dass dieses Regelungsziel sich auf unionsrechtlich determinierte Steuern beschränkt, sind nicht ersichtlich. Eine nach Steuerschuldnern und Steuerarten differenzierende Verarbeitung der Daten wäre im Übrigen - wie die Vertreter des für die Novellierung der Abgabenordnung federführend zuständigen Bundesministeriums der Finanzen in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - auch technisch nicht zu realisieren.Zugleich wollte der nationale Gesetzgeber dem Grunde nach bestehende Ansprüche auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder diesem einheitlichen Steuerverfahrensrecht unterstellen und so die Informationsfreiheitsgesetze für steuerliche Daten bereichsspezifisch verdrängen (BT-Drs. 12611, S. 89). Diesem Zweck dient § 32e AO. Eine Auslegung dieser Vorschrift als Rechtsgrundverweisung scheidet aus. Sie hätte zur Folge, dass die darin angeordnete entsprechende Anwendung der Art. 12 bis 15 der Verordnung (EU) 2016/679 in Verbindung mit den §§ 32a bis 32d AO auf Informationsansprüche von Dritten mangels Betroffenenstellung stets zu einem Anspruchsausschluss führen und folglich ins Leere laufen würde. Ein solches Normverständnis liegt angesichts des Wortlauts von § 32e Satz 1 AO fern. Es entspricht nach den Erläuterungen der Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen in der mündlichen Verhandlung auch nicht der in § 32e Satz 2 und 3 AO zum Ausdruck kommenden Regelungsabsicht, die Informationsansprüche - soweit sie in den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder eröffnet werden - im Sinne einer Obergrenze auf das Maß zu begrenzen, das sich aus der Abgabenordnung ergibt.Vor diesem Hintergrund kommt eine ""gespaltene"" Auslegung der Neuregelungen in der Abgabenordnung für dem Unionsrecht unterfallende Sachverhalte einerseits und diesem nicht unterfallende Sachverhalte andererseits nicht in Betracht.Zu Frage 1:Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob eine Finanzbehörde den Zugang zu steuerlichen Daten der Steuerschuldnerin überhaupt unter Berufung auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 verweigern darf. Hiervon ist der nationale Gesetzgeber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO, der ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/12611, S. 88) auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 gestützt ist und diese Vorschrift zudem ausdrücklich in Bezug nimmt, offenkundig ausgegangen. In den einschlägigen Fachkreisen wird demgegenüber teilweise die Auffassung vertreten, die Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Buchst. i und j der Verordnung (EU) 2016/679 seien nur für Privatrechtssubjekte einschlägig; Buchstabe j habe insoweit im Ergebnis nur klarstellende Funktion gegenüber dem zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Privater weit gefassten Buchstaben i (vgl. Paal, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 23 DSGVO Rn. 43; Bäcker, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 23 Rn. 32 f.; Krumm, DB 2017, 2182, 2194 f.). Für diese Auffassung spricht, dass der Schutz wichtiger öffentlicher Interessen Gegenstand der Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis h der Verordnung (EU) 2016/679 ist. Wichtige finanzielle Interessen des Staates im Haushalts- und Steuerbereich können etwa auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 geschützt werden.Zu Frage 2:Sofern sich Finanzbehörden grundsätzlich auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 berufen können, ist klärungsbedürftig, ob die Formulierung ""Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche"" auch die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche erfasst. Dies ist - wie wiederum sowohl dem Wortlaut als auch der Begründung zu § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO (BT-Drs. 18/12611, S. 88) eindeutig entnommen werden kann - nach Einschätzung des nationalen Gesetzgebers der Fall. Dabei dient die ausdrückliche Erwähnung von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 in § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO nach den Ausführungen der Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die angestrebte Unionsrechtskonformität zur Klarstellung, dass es nur um die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche im Sinne dieser Regelung geht.§ 32c Abs. 1 Nr. 2 AO soll sicherstellen, dass die Finanzbehörden im Sinne einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens bei zivilrechtlichen Forderungen nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden als andere Schuldner oder Gläubiger; die Auskunftspflichten sollen sich daher allein nach dem Zivilrecht richten (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 88). Die Vorschrift zielt auf eine Korrektur der ""insolvenzverwalterfreundlichen"" Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Informationszugangsbegehren nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder (vgl. Krumm, DB 2017, 2182, 2194; Schober, in: Gosch, AO/FGO, Stand Juni 2018, § 32a AO Rn. 14). Danach erstreckt sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO auch auf vom Steuergeheimnis erfasste Informationen, die der Prüfung von Insolvenzanfechtungsansprüchen nach den §§ 129 ff. InsO gegen die Finanzbehörde dienen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 C 3.16 - NVwZ-RR 2018, 916 Rn. 24). Als Konsequenz dieser Rechtsprechung konnten die Insolvenzverwalter von den Finanzbehörden Zugang zu steuerlichen Daten der Insolvenzschuldner verlangen, durch die sie regelmäßig erst in die Lage versetzt wurden, Insolvenzanfechtungsansprüche gegen die Finanzbehörde zu prüfen. Gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzschuldners ist der Insolvenzverwalter auf zivilrechtliche Auskunftsansprüche beschränkt, die § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ausdrücklich unberührt lässt. Die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche hängen aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ab, dass ein Insolvenzanfechtungsanspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Solange ein Rückgewährschuldverhältnis nicht feststeht, hat sich der Insolvenzverwalter daher wegen aller benötigten Auskünfte an den Insolvenzschuldner zu halten (vgl. BGH, Urteile vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 - WM 2009, 1942 Rn. 7 m.w.N. und vom 14. Februar 2019 - IX ZR 149/16 - NJW 2019, 1289 Rn. 29). Von anderen Gläubigern kann der Insolvenzverwalter somit erst in einem deutlich späteren Verfahrensstadium Auskunft beanspruchen; die dadurch bewirkte Schlechterstellung der Finanzbehörden soll § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO künftig ausschließen.Ob dieses Regelungsziel von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 gedeckt ist, bedarf der Klärung. Die Vorschrift ermächtigt den nationalen Gesetzgeber - unter bestimmten Voraussetzungen - zum Erlass beschränkender Regelungen zur Sicherstellung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Nach herkömmlichem Verständnis bezieht sich der Begriff ""Durchsetzung"" auf die Sphäre des Anspruchsinhabers (Gläubigers) und wird in erster Linie als Synonym für die Vollziehung oder Vollstreckung eines dem Grunde nach bereits feststehenden Anspruchs verwendet; Gleiches dürfte etwa für den Begriff ""the enforcement"" in der englischen oder ""l’exécution"" in der französischen Fassung der Verordnung (EU) 2016/679 gelten. Die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche lässt sich daher nicht ohne Weiteres unter den Begriff ""Durchsetzung"" subsumieren. Dies gilt umso mehr als der Verordnungsgeber in Art. 9 Abs. 2 Buchst. f, Art. 17 Abs. 3 Buchst. e, Art. 18 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und Art. 49 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 zwischen den Begriffen ""Geltendmachung"", ""Ausübung"" oder ""Verteidigung"" (von Rechtsansprüchen) differenziert. Dabei ist unklar, ob die Verteidigung von Rechtsansprüchen auch die Verteidigung gegen solche Ansprüche umfasst (vgl. Paal, in: Paal/Pauly, DSGVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 17 DSGVO Rn. 46; Herbst, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 17 Rn. 83).Sofern die Formulierung ""Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche"" die Verteidigung der Finanzbehörde gegen solche Ansprüche einschließt, stellt sich die weitere Frage, ob die Ansprüche (hier die Insolvenzanfechtungsansprüche) dem Anspruchsgegner gegenüber bereits geltend gemacht sein müssen, oder ob es ausreicht, dass die Informationen verlangt werden, um solche Ansprüche zu prüfen. Der sprachlich missglückte Wortlaut des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO stellt auf die Verteidigung des Rechtsträgers der Finanzbehörde ""gegen ihn geltend gemachter zivilrechtlicher Ansprüche ..."" ab. Versteht man ""geltend machen"" als Synonym für ""fordern"", ""behaupten"", ""anmelden"", ""beanspruchen"" oder ""durchsetzen"", impliziert die Formulierung ""geltend gemacht"", dass der Anspruchsinhaber (Gläubiger) sich gegenüber dem Anspruchsgegner (Schuldner) schon eines Anspruchs berühmt hat, dieser also jedenfalls dem Grunde nach bereits konkretisiert ist. Dagegen dürfte die bloße - mithilfe der begehrten steuerlichen Daten erst noch näher zu prüfende - Möglichkeit, dass Insolvenzanfechtungsansprüche gegen die Finanzbehörde bestehen, nicht ausreichen. Wäre der Auskunftsanspruch erst nach Geltendmachung des Insolvenzanfechtungsanspruchs ausgeschlossen, liefe die Norm allerdings weitgehend leer, denn der Insolvenzverwalter hätte die erforderlichen Daten schon vorher erlangt. Der Senat versteht § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO deshalb entsprechend seinem eindeutigen Sinn und Zweck dahingehend, dass die Formulierung ""geltend gemacht"" auch ""noch geltend zu machende"" bzw. ""mögliche"" Ansprüche umfasst. Fraglich und klärungsbedürftig ist, ob dieses Verständnis von Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 noch gedeckt ist.Zu Frage 3:Schließlich bedarf der Klärung, ob eine nationale Regelung, nach der das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Abwehr möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche gegen die Finanzbehörde beschränkt wird, auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 gestützt werden kann.Nach der Vorstellung des nationalen Gesetzgebers liegt das Regelungsziel des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO, die Finanzbehörde bei zivilrechtlichen Forderungen weder besser noch schlechter zu stellen als andere Gläubiger und Schuldner, auch im Interesse der gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens; diese beiden Ziele stellten wichtige Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses im Haushalts- und Steuerbereich im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 dar (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 88). Der Senat geht angesichts des Wortlauts von § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO und der Gesetzesbegründung zwar davon aus, dass der Gesetzgeber primär von der Öffnungsklausel in Art. 23 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EU) 2016/679 Gebrauch machen wollte. Dafür spricht in systematischer Hinsicht, dass er auf die Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Buchst. d bis h der Verordnung (EU) 2016/679 (nur) in anderen Vorschriften, etwa in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AO, auf den § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO verweist, Bezug genommen hat. Ungeachtet dessen kann jedenfalls nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO hilfsweise auch auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 gestützt werden kann.In der Sache begegnet diese Annahme allerdings Bedenken. Die begehrten steuerlichen Informationen sind nicht für die materiell-rechtlichen Steueransprüche, sondern in erster Linie für die insolvenzrechtlich relevanten Zahlungsflüsse als gegebenenfalls anfechtbare Rechtshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO von Interesse. Der gegen die Finanzbehörde gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen zählt daher nicht zu den Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis. Die Insolvenzanfechtung führt lediglich zur Unwirksamkeit der die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, jedoch nicht zur Unwirksamkeit der dieser zugrunde liegenden Verpflichtung. Vielmehr bleibt der Rechtsgrund einer angefochtenen Leistung - hier die steuerlichen Ansprüche - von der Insolvenzanfechtung unberührt. Der Anfechtungsgegner muss die ihm vom Insolvenzschuldner erbrachte Leistung zurückgewähren, behält aber seine zunächst erfüllte, nunmehr wieder offene Forderung (§ 144 Abs. 1 InsO), die er zur Insolvenztabelle anmelden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 C 3.16 - NVwZ-RR 2018, 916 Rn. 12 m.w.N.). Das mit § 32c Abs. 1 Nr.2 AO verfolgte Anliegen einer Gleichbehandlung von Finanzbehörden und sonstigen Gläubigern berührt damit zwar finanzielle Interessen des Staates, weil die Finanzbehörde die vereinnahmten Steuergelder ggf. zurückgewähren und ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden muss. Ob das Interesse, sich vor dieser ""Rückabwicklung"" zu schützen, ein anerkennenswertes ""wichtiges Ziel"" im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) 2016/679 darstellt, ist aber zumindest fraglich, zumal ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Gewährleistung einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Sicherung des Steueraufkommens sich jedenfalls nicht aufdrängt. Auch der nationale Gesetzgeber hatte - wie die in § 32b Abs. 1 Satz 2 AO in Bezug genommene Vorschrift des § 32a Abs. 2 AO zeigt - insoweit vorrangig andere Fälle vor Augen." bverwg_2019-54,04.07.2019,"Pressemitteilung Nr. 54/2019 vom 04.07.2019 EN Helmpflicht beim Motorradfahren gilt grundsätzlich auch bei Berufung auf religiöse Hinderungsgründe Wer aus religiösen Gründen einen Turban trägt, ist nicht bereits deshalb von der Helmpflicht beim Motorradfahren zu befreien. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger beantragte im Juli 2013 bei der Stadt Konstanz die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, mit der er von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren befreit wird. Die Schutzhelmpflicht nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG; er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO könne nur aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden. Der Widerspruch des Klägers und seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg sind erfolglos geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Beklagte verpflichtet, über seinen Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Beklagte habe verkannt, dass eine Ausnahme auch aus religiösen Gründen in Betracht komme. Eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung hat der Verwaltungsgerichtshof dagegen abgelehnt. Die Glaubensfreiheit führe nicht zu einem generellen Überwiegen der Interessen des Klägers gegenüber der ebenfalls grundrechtlich gewährleisteten körperlichen und psychischen Unversehrtheit Dritter, die durch die Helmpflicht geschützt werden solle. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null komme allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Nutzung des Motorrads zwingend angewiesen sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus die Erteilung der Ausnahmegenehmigung erreichen will, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die in § 21a Abs. 2 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, kann den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Er wird hierdurch zwar nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert; bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter dient. Die Helmpflicht soll nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie können durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden. Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Ersthilfe leistet oder Rettungskräfte ruft. Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Pkw verfügt und einen Lieferwagen besitzt, nicht dargelegt. Fußnote: § 21a Abs. 2 StVO: Wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt, muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen. Dies gilt nicht, wenn vorgeschriebene Sicherheitsgurrte angelegt sind.   § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO: Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen … 5b. von den Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen (§ 21a). BVerwG 3 C 24.17 - Urteil vom 04. Juli 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 10 S 30/16 - Urteil vom 29. August 2017 - VG Freiburg, 6 K 2929/14 - Urteil vom 29. Oktober 2015 -","Urteil vom 04.07.2019 - BVerwG 3 C 24.17ECLI:DE:BVerwG:2019:040719U3C24.17.0 EN Motorradhelmpflicht für Turbanträger Leitsatz: Der Anspruch auf Genehmigung einer Ausnahme von der Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, besteht nicht bereits dann, wenn der Betroffene am Tragen eines Schutzhelms gehindert ist. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null kommt nur in Betracht, wenn dem Betroffenen ein Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen individuellen Gründen nicht zugemutet werden kann. Das gilt auch für Personen, die aus religiösen Gründen einen Turban tragen. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 EMRK Art. 9 Abs. 2 StVO § 21a Abs. 2, § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b Instanzenzug VG Freiburg - 29.10.2015 - AZ: VG 6 K 2929/14 VGH Mannheim - 29.08.2017 - AZ: VGH 10 S 30/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 3 C 24.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:040719U3C24.17.0] Urteil BVerwG 3 C 24.17 VG Freiburg - 29.10.2015 - AZ: VG 6 K 2929/14 VGH Mannheim - 29.08.2017 - AZ: VGH 10 S 30/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. habil. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. August 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist praktizierender Sikh und trägt aus religiösen Gründen einen Turban. Er beantragte im Juli 2013 bei der Beklagten die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Befreiung von der Pflicht, beim Motorradfahren einen Schutzhelm zu tragen. 2 Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die begehrte Befreiung könne nur aus gesundheitlichen Gründen bewilligt werden. Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht sind erfolglos geblieben. 3 Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte verpflichtet, über den Antrag erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Beklagte habe verkannt, dass eine Ausnahmegenehmigung auch aus religiösen Gründen erteilt werden könne. Eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung hat der Verwaltungsgerichtshof dagegen abgelehnt. Die geltend gemachte Glaubensfreiheit führe nicht zu einem generellen Überwiegen der Interessen des Klägers gegenüber der verfassungsrechtlich gewährleisteten körperlichen und psychischen Unversehrtheit Dritter, die durch die Helmpflicht ebenfalls geschützt werden solle. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null komme allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Nutzung des Motorrads zwingend angewiesen sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. 4 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, die Beklagte nicht nur zu einer neuen Entscheidung über seinen Antrag, sondern unmittelbar zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung verpflichten zu lassen. Er wendet sich insbesondere gegen die Berücksichtigung der nur hypothetischen Folgen unfallbedingter, durch das Tragen eines Schutzhelms vermeidbarer Verletzungen für Dritte und macht demgegenüber eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung seiner Rechte geltend. 5 Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie verweist darauf, dass die Helmpflicht als Vorschrift des Gefahrenabwehrrechts die Verletzung des geschützten Rechtsgutes gerade verhindern solle. Anknüpfungspunkt der Regelung sei die staatliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, sodass eine Grundrechtskollision auch ohne tatsächliches Unfallereignis bestehe. 6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor, der Gesundheitsschutz der Allgemeinheit könne nicht von vornherein hinter der geltend gemachten Glaubensfreiheit zurücktreten. Auch im Fall des Klägers könne nicht vom Vorrang seines Interesses an einer Befreiung ausgegangen werden, weil er nicht auf die Benutzung eines schutzhelmpflichtigen Fortbewegungsmittels angewiesen sei. Dass der Verweis auf andere Alternativen, wie etwa die Benutzung eines Personenkraftwagens, eines Kraftrads mit Überrollbügel oder des öffentlichen Personenverkehrs unzumutbar wäre, habe der Kläger nicht dargelegt. II 7 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet; das angefochtene Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit der Revision begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von der Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen (1.). Die hierfür erforderliche Ermessensreduzierung auf Null, bei der jede andere Entscheidung als die Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung aus Rechtsgründen ausscheiden müsste (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), liegt auch bei der Berufung auf religiöse Hinderungsgründe nicht vor (2.). Aus Europarecht folgt nichts anderes (3.). 8 1. Rechtsgrundlage für das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b der Straßenverkehrs-Ordnung - StVO - vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367) in der maßgeblichen aktuellen Fassung der Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549). Danach kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den in § 21a StVO enthaltenen Vorschriften über das Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen genehmigen. Nach § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen, wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt. 9 a) Die Regelung der Schutzhelmpflicht bedarf auch bei Berücksichtigung einer möglichen Beeinträchtigung der Religionsausübung keiner unmittelbaren Ausgestaltung durch den Parlamentsgesetzgeber. Die Verpflichtung, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, führt zu keiner gezielten oder unmittelbar den Schutzbereich der Religionsfreiheit betreffenden Beschränkung. Sie stellt vielmehr eine generelle Anordnung dar, die nur in seltenen Fällen mit der Religionsfreiheit kollidieren kann. Auch in etwaigen Konfliktfällen ist die Intensität des Eingriffs in der Regel gering, weil die Helmtragepflicht nur das Führen eines Kraftrades betrifft und die Religionsausübung damit nur in einer eng begrenzten und für die Religionsfreiheit typischerweise nicht wesentlichen Lebenssituation eingeschränkt sein kann (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. November 2016 - 1 BvR 3237/13 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​rk20161108.1bvr323713] - NVwZ 2017, 227 Rn. 33). 10 Die Regelung steht auch im Übrigen mit dem Grundgesetz im Einklang, weil der gegebenenfalls erforderlichen Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Belange durch die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung Rechnung getragen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2002:​rs20020115.1bvr178399] - BVerfGE 104, 337 <355>). 11 b) Durch die den Straßenverkehrsbehörden eingeräumte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung soll besonderen Ausnahmesituationen Rechnung getragen werden, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten und eine unbillige Härte für den Betroffenen zur Folge hätten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1975 - 1 BvR 118/71 - BVerfGE 40, 371 <377>; zur Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO auch BVerwG, Urteile vom 16. März 1994 - 11 C 48.92 - Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10 = juris Rn. 26 und vom 13. März 1997 - 3 C 2.97 - BVerwGE 104, 154 <157>). 12 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Ausnahmesituation vorliegt, die eine Ermessensentscheidung der Straßenverkehrsbehörde eröffnet, wenn der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert ist, einen Motorradhelm zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1982 - 1 BvR 1295/80 u.a. - BVerfGE 59, 275 <278>). An die Unmöglichkeit des Tragens eines Schutzhelms aus gesundheitlichen Gründen knüpft auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, ber. S. 5206), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 22. Mai 2017 (BAnz AT vom 29. Mai 2017 B8), an. 13 Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, liegt eine das Ermessen eröffnende Ausnahmesituation auch vor, wenn die Hinderung, einen Motorradhelm zu tragen, auf religiösen Gründen beruht (vgl. hierzu bereits Kreutel, DAR 1986, 38 <41>). Durch die in § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, wird zwar niemand an der Praktizierung seines Glaubens gehindert. Bei Befolgung der von ihm als verbindlich empfundenen Bekleidungsvorschriften muss der Kläger aber auf das Motorradfahren verzichten. Die Regelung kann ihn daher mittelbar in seiner Religionsausübung beeinträchtigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2003:​rs20030924.2bvr143602] - BVerfGE 108, 282 <297> sowie Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2015:​rs20150127.1bvr047110] - BVerfGE 138, 296 Rn. 83 zum Tragen von Kopftüchern durch Muslima). 14 c) Das Vorliegen eines Hinderungsgrunds für das Tragen eines Motorradhelms zieht aber keinen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach sich; die Entscheidung hierüber steht gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO vielmehr im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 2017 - 3 B 12.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​080217B3B12.16.0] - Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 14 Rn. 3). Wer keinen Schutzhelm tragen kann, soll grundsätzlich auch nicht Motorradfahren. 15 Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann allenfalls dann bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen individuellen Gründen nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1983 - VI ZR 92/81 - NJW 1983, 1380 Rn. 18 sowie Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 27. Mai 1993 - 6 S 699/1992 - EuGRZ 1993, 595 <596>). Die in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO vorgesehene Ausnahmemöglichkeit ist primär auf die Gurtpflicht bezogen. Sie dient dazu, den Betroffenen nach Möglichkeit eine hinreichende Mobilität zu gewährleisten. Entsprechendes gilt für die ebenfalls durch § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO eröffnete Möglichkeit der Befreiung von der Schutzhelmpflicht. Liegt zwar die Unmöglichkeit des Helmtragens vor, ist der Betroffene aber auf die Nutzung eines Motorrades nicht angewiesen, überwiegt sein individuelles Interesse am Motorradfahren das öffentliche Interesse an der Einhaltung der in § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO angeordneten Schutzhelmpflicht nicht zwingend (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 1 B 14.13 [ECLI:​DE:​OVGBEBB:​2015:​1215.OVG1B14.13.0A] - juris Rn. 31; VG Augsburg, Urteil vom 27. Juni 2000 - 3 K 00.466 [ECLI:​DE:​VGAUGSB:​2000:​0627.AU3K00.466.0A] - juris Rn. 21). 16 Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gerade auf die Nutzung eines Motorrades angewiesen sein könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO). Der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Personenkraftwagen verfügt und einen Lieferwagen besitzt, hat Entsprechendes auch nicht dargelegt. 17 2. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Religionsfreiheit gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen. 18 Einschränkungen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 u.a. - BVerfGE 138, 298 Rn. 98). 19 a) Die in § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO angeordnete Verpflichtung, beim Motorradfahren einen Schutzhelm zu tragen, soll dazu beitragen, die Folgen von Kraftradunfällen zu mindern und die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Straßen zu erhöhen (Amtliche Begründung, VkBl. 1975, 667 <676>). Die Vorschrift dient zwar primär dem Schutz des Motorradfahrers und seiner Mitfahrer vor schweren Kopfverletzungen. Sie hat aber auch den Schutz der Allgemeinheit im Blick und soll Gefährdungen anderer Unfallbeteiligter oder Dritter vermeiden. 20 Dass ein Kraftradfahrer, der ohne geeigneten Schutzhelm fährt und deshalb bei einem Unfall eine schwere Kopfverletzung davonträgt, nicht nur sich selbst schadet, das Verhalten vielmehr auch weitreichende Folgen für die Allgemeinheit nach sich ziehen kann, ist vom Bundesverfassungsgericht bereits klargestellt worden (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1982 - 1 BvR 1295/80 u.a. - BVerfGE 59, 275 <279>). Das Bundesverfassungsgericht hat dabei insbesondere den Einsatz der Rettungsdienste und die ärztliche Versorgung benannt. 21 Zu Recht haben das Berufungsgericht und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vor allem auf die Rechte anderer Unfallbeteiligter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verwiesen. Durch die Verpflichtung, beim Führen eines Kraftrads einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, werden betroffene Motorradfahrer nach einem Unfall eher in der Lage sein, zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben anderer Personen beizutragen. Dies gilt unmittelbar dadurch, dass sie selbst Erste Hilfe leisten oder einen Notarzt rufen können. Sie können aber auch mittelbar zur Vermeidung weiterer Schäden beitragen, indem sie Maßnahmen zur Absicherung der Unfallstelle ergreifen, z.B. Warndreiecke aufstellen oder in anderer Weise auf die Unfallstelle aufmerksam machen und Hindernisse von der Fahrbahn räumen. 22 Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung kann die Möglichkeit einer Traumatisierung durch den Anblick schwerer Kopfverletzungen auch nicht als rein hypothetische oder ""weit hergeholte"" Erwägung abgetan werden. Vielmehr sind entsprechende Beeinträchtigungen etwa bei Lokführern allgemein bekannt. Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in Ausübung seiner Schutzpflicht schon die Entstehung von Gefährdungslagen zu bekämpfen und auf eine Risikominimierung hinzuwirken. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in das Leben oder die körperliche Unversehrtheit; das Grundrecht stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet. Danach hat der Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor diese Rechtsgüter zu stellen (BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145 <195> und vom 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2016:​ls20160726.1bvl000815] - BVerfGE 142, 313 Rn. 69). Abstrakt-generelle Normen zur Gefahrenvorsorge sind nicht erst dann gerechtfertigt, wenn ansonsten unmittelbar ein Gefahreneintritt zu besorgen wäre. 23 b) Der vom Kläger geltend gemachten Religionsfreiheit stehen damit andere, nicht grundsätzlich geringerwertige Verfassungspositionen entgegen. Dem Ausgleich dieser Interessen im Einzelfall dient das der zuständigen Straßenverkehrsbehörde in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO eingeräumte Ermessen. 24 Ein genereller Vorrang der Religionsfreiheit kommt hier im Übrigen schon wegen des geringen Gewichts der in Rede stehenden Beschränkung und ihrer in zeitlicher und örtlicher Hinsicht begrenzten Wirkung (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juni 2017 - 2 BvR 1333/17 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2017:​rk20170627.2bvr133317] - NJW 2017, 2333 Rn. 41) nicht in Betracht. 25 3. Ein Befreiungsanspruch folgt auch nicht aus Europarecht. 26 a) Das Unionsrecht enthält keine Regelung über die Verpflichtung, beim Motorradfahren einen Schutzhelm zu tragen. In Ziffer I. 4 der Entschließung des Rates vom 26. Juni 2000 zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit (ABl. C 218 S. 1) war zwar die Annahme einer Richtlinie über die Helmpflicht für Benutzer motorisierter Zweiräder gefordert worden. Hierzu kam es indes nicht mehr, nachdem in allen Mitgliedstaaten eine Pflicht zur Benutzung von Schutzhelmen bei motorisierten Zweirädern eingeführt worden war. 27 b) Die in § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO vorgesehene Verpflichtung, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, entspricht auch Art. 9 Abs. 2 der EMRK. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist geklärt, dass die Helmpflicht eine notwendige Maßnahme für Motorradfahrer darstellt und etwaige Einschränkungen der Religionsfreiheit im Interesse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sind (vgl. bereits Kommission, Entscheidung vom 12. Juli 1978 - 7992/77, X gegen Vereinigtes Königreich - sowie bestätigend EGMR, Entscheidung vom 4. Dezember 2008 - 27058/05, Dogru gegen Frankreich - Rn. 64; hierzu auch Entscheidung vom 13. November 2008 - 24479/07, Mann Singh gegen Frankreich). 28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-56,24.07.2019,"Pressemitteilung Nr. 56/2019 vom 24.07.2019 EN Rehabilitierung wegen Gesundheitsschäden durch Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR Die zur Verhinderung eines Grenzübertritts an der früheren Grenze der DDR ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen waren rechtsstaatswidrig. Eine infolge dieser Maßnahmen erlittene gesundheitliche Schädigung kann verwaltungsrechtlich rehabilitiert werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger begehrt seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. Zur Begründung seines Antrags machte er u.a. geltend, ihm sei im Dezember 1988 die Flucht aus der DDR nach Berlin (West) gelungen, die besonders dramatisch verlaufen sei. Diese Erfahrung habe ihn traumatisiert und zu einer psychischen Erkrankung geführt, die noch heute fortwirke. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung bestehe nicht. Bei den Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR habe es sich nicht um eine konkret-individuell gegen den Kläger, sondern um eine gegen die gesamte Bevölkerung der DDR gerichtete abstrakt-generelle Maßnahme gehandelt. Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Verpflichtung des Beklagten, die  Rechtsstaatswidrigkeit der ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen festzustellen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR seien lediglich abstrakt-generell gegen die Gesamtheit der Bevölkerung der DDR gerichtet gewesen, so dass eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ausscheide, verletzt Bundesrecht. Die zur Verhinderung eines bestimmten Grenzübertritts ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR waren hoheitliche Maßnahmen, die sich konkret und individuell gegen den Betroffenen - hier den Kläger - richteten. Sie waren rechtsstaatswidrig, weil sie in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit verstießen und Willkürakte im Einzelfall darstellten. Der Kläger hat darüber hinaus schlüssig dargelegt, dass die ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen bei ihm zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt haben können, die noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirkt. Die abschließende Entscheidung über Folgeansprüche obliegt dem zuständigen Versorgungsamt. BVerwG 8 C 1.19 - Urteil vom 24. Juli 2019 Vorinstanz: VG Potsdam, 11 K 211/16 - Urteil vom 15. November 2016 -","Urteil vom 24.07.2019 - BVerwG 8 C 1.19ECLI:DE:BVerwG:2019:240719U8C1.19.0 EN Rehabilitierung wegen Gesundheitsschäden durch Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR Leitsatz: Die zur Verhinderung eines bestimmten Grenzübertritts ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR waren hoheitliche Maßnahmen im Einzelfall, die sich individuell und konkret gegen den Betroffenen richteten. Sie unterliegen deshalb nach § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung. Rechtsquellen VwGO § 74 Abs. 1 und 2, § 137 Abs. 1 und 2, § 144 Abs. 3 und 4 VwRehaG § 1 Abs. 1, 2 und 5, § 2 Abs. 2, § 13 Abs. 3 VwVfG § 41 Abs. 2 Instanzenzug VG Potsdam - 15.11.2016 - AZ: VG 11 K 211/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.07.2019 - 8 C 1.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:240719U8C1.19.0] Urteil BVerwG 8 C 1.19 VG Potsdam - 15.11.2016 - AZ: VG 11 K 211/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. November 2016 wirkungslos. Im Übrigen wird dieses Urteil geändert und der Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Regelungen seines Bescheides vom 16. Dezember 2015 verpflichtet festzustellen, dass die zur Verhinderung des Grenzübertritts des Klägers am 20. Dezember 1988 ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen (Explosion von Erdminen, Stacheldrahtverletzung, Verfolgung durch Grenzposten) rechtsstaatswidrig waren, sowie zu bestätigen, dass keine Ausschließungsgründe gemäß § 2 Abs. 2 VwRehaG vorliegen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5. Gründe I 1 Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) wegen eines infolge seiner Flucht aus der DDR erlittenen Gesundheitsschadens. 2 Am 20. Dezember 1988 flüchtete der Kläger gemeinsam mit seinem Bruder aus der DDR nach (West-)Berlin. Beim Überwinden der Grenzanlagen löste der Kläger die Explosion mehrerer Erdminen aus. Er wurde gegen Stacheldraht geschleudert und erlitt dadurch eine Verletzung. Die alarmierten Grenzsoldaten der DDR ließen von Maßnahmen gegen den Kläger und seinen Bruder ab, als auf der Westseite der Grenze US-amerikanische Soldaten erschienen. Der Kläger und sein Bruder konnten die Flucht vollenden. 3 Im August 2012 beantragte der Kläger, ihn berufsrechtlich und verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren. Bei seiner Berufswahl und seiner Berufsausübung sei er benachteiligt worden. Nach Stellung seines Ausreiseantrags sei er Repressionen ausgesetzt gewesen. Seit der Flucht sei er psychisch krank; er leide an Depressionen und Schlafstörungen. Hierzu legte er mehrere ärztliche Gutachten vor. Der Beklagte lehnte die Anträge ab. Die vorgetragenen Umstände der Flucht seien keine individuell gegen den Kläger gerichteten Verfolgungsmaßnahmen gewesen. Ausweislich der vorgelegten Arztberichte habe er nach der Flucht zwar psychische Probleme bekommen; diese fielen aber nicht in den Anwendungsbereich der Rehabilitierungsgesetze. 4 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder Anspruch auf berufsrechtliche noch auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. Zur Begründung hat es auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Es möge durchaus sein, dass der Kläger durch die Umstände seiner Flucht traumatisiert worden sei. Bei den Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR habe es sich jedoch nicht um eine konkret-individuell gegen den Kläger, sondern um eine abstrakt-generell gegen die Gesamtheit der DDR-Bevölkerung gerichtete Maßnahme gehandelt. 5 Zur Begründung der Revision macht der Kläger geltend, er habe bei der Flucht unter extremer körperlicher und seelischer Anspannung gestanden und ständige Angst vor Entdeckung gehabt. Durch den ausgelösten Alarm sei er in Panik geraten. Vor diesem Hintergrund sei seine Traumatisierung plausibel. Die daraus folgende psychische Erkrankung habe er durch ärztliche Atteste hinreichend belegt. 6 Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Zustimmung des Beklagten die weitergehende Klage zurückgenommen hat, beantragt er, das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 15. November 2016 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Regelungen in dessen Bescheid vom 16. Dezember 2015 zu verpflichten festzustellen, dass die zur Verhinderung seines Grenzübertritts am 20. Dezember 1988 ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen (Explosion von Erdminen, Stacheldrahtverletzung, Verfolgung durch Grenzposten) rechtsstaatswidrig waren, sowie ferner zu bestätigen, dass keine Ausschließungsgründe gemäß § 2 Abs. 2 VwRehaG vorliegen. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das angegriffene Urteil. II 9 Soweit die Klage mit Zustimmung des Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen worden ist, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit wirkungslos (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). 10 Im Übrigen hat die Revision Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung - soweit noch Gegenstand der Revision - zu Unrecht verneint. Das angefochtene Urteil beruht insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 11 1. Die Annahme der Vorinstanz, die zur Verhinderung eines bestimmten Grenzübertritts ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR hätten sich nicht konkret-individuell gegen den Betroffenen, sondern lediglich gegen die Gesamtheit der Bevölkerung der DDR gerichtet, beruht auf einer unzutreffenden Anwendung des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG). 12 Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass sich der Anspruch des Klägers auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung nach § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG beurteilt. Danach ist eine hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls im Beitrittsgebiet, die zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt hat, auf Antrag aufzuheben, soweit sie mit tragenden Grundsätzen des Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Ist die hoheitliche Maßnahme nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, tritt an die Stelle der Aufhebung der Maßnahme die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit (vgl. § 1 Abs. 5 VwRehaG). 13 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz waren die zur Verhinderung eines bestimmten Grenzübertritts ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR einzelfallbezogen, weil sie sich individuell und konkret gegen den Betroffenen richteten. Sie sind deshalb - bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen - nach § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG rehabilitierungsfähig. Richtig ist zwar, dass die bloße Existenz der Grenzsicherungsanlagen der DDR sich gegen die Gesamtheit der DDR-Bürger richtete und allgemein das Ziel verfolgte, deren ungenehmigte Ausreise in den Westen zu verhindern. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind solche systemimmanenten Einbußen an Freiheit und Eigentum, die jeden Rechtsunterworfenen der DDR mehr oder weniger gleich trafen, nicht rehabilitierungsfähig (vgl. BT-Drs. 12/4994, S. 23). Dazu gehören grundsätzlich auch Nachteile, die DDR-Bürgern aus den allgemeinkundigen Beschränkungen der Reisefreiheit und der faktischen Unmöglichkeit der Ausreise aus der DDR erwuchsen. Diese Beschränkungen trafen alle DDR-Bürger schon seit der Gründung der DDR, besonders aber seit dem Bau der Mauer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - 3 PKH 8.13 <3 B 30.13 > - juris Rn. 6). Anderes gilt hingegen, wenn ein Betroffener nach Betreten der Grenzsicherungsanlagen der DDR die dort zur Verhinderung einer Flucht vorgesehenen technischen und personellen Reaktionen auslöste. In diesem Fall blieb es nicht bei der mit der Existenz der Grenzsicherungsanlagen verbundenen abstrakten Abschreckungswirkung. Vielmehr gelangten die vorhandenen Regeln und Vorkehrungen zur Grenzsicherung konkret zur Anwendung und wandten sich zielgerichtet und individuell gegen den Betroffenen. Derartige Maßnahmen können nicht mehr dem allgemeinen Schicksal der Bevölkerung in der DDR zugerechnet werden, sondern stellen, sobald sie sich gegen eine einzelne Person konkretisieren, individuelle Verfolgung dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2018 - 3 B 20.17 - juris Rn. 11). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Staatspraxis der DDR die vorsätzliche Tötung von Flüchtlingen durch Schusswaffen, Selbstschussanlagen oder Minen zur Vermeidung einer Flucht aus der DDR in Kauf nahm (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 1993 - 5 StR 418/92 - BGHSt 39, 168 <183 f.> und vom 26. Juli 1994 - 5 StR 98/94 - BGHSt 40, 218 <232>). Derartige Maßnahmen griffen unmittelbar in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen und in dessen körperliche Unversehrtheit ein. Sie unterliegen mithin der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 26. September 1996 - 7 C 61.94 - BVerwGE 102, 89 <93> und vom 23. August 2001 - 3 C 39.00 - Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 3 Rn. 13). 14 2. Das angegriffene Urteil beruht auf der unzutreffenden Anwendung des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Vielmehr ergibt sich auf der Grundlage der den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG vorliegen und der Kläger wegen des Fluchtgeschehens verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren ist. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 15 a) Bei zutreffender Anwendung des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwRehaG stellten sich die gegen den Kläger eingesetzten Grenzsicherungsmaßnahmen als hoheitliche Maßnahmen im Einzelfall dar. Nach den Feststellungen der Vorinstanz löste der Kläger beim Versuch des Übersteigens der Grenze die Explosion mehrerer Erdminen aus. In der Folge ließen die Grenzsoldaten der DDR von weiteren Maßnahmen nur wegen des Auftauchens US-amerikanischer Soldaten an der Westseite der Grenze ab. Die Explosion der Erdminen und die - schließlich abgebrochene - Verfolgung der Flüchtenden durch die alarmierten Grenzsoldaten der DDR gingen über die allgemein mit den Grenzsicherungsanlagen verbundene Abschreckungswirkung hinaus. Als Maßnahmen zur gewaltsamen Verhinderung der bereits begonnenen und von den Grenzsoldaten erkannten Flucht richteten sie sich konkret und individuell gegen die Person des Flüchtenden, hier des Klägers. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf an, ob und gegebenenfalls wann die Grenzsoldaten den Kläger und dessen Bruder trotz witterungsbedingter Sichtbehinderungen erkennen konnten. Jede durch einen bestimmten Fluchtversuch ausgelöste, der Verhinderung dieser Flucht dienende staatliche Maßnahme konkretisiert die allgemeinen Regelungen und Vorkehrungen zur Grenzsicherung in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall. Sie bezieht sich konkret auf den betreffenden Fluchtversuch und richtet sich individuell gegen die flüchtende Person (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2018 - 3 B 20.17 - ZOV 2018, 228 f. Rn. 11 zur Konkretisierung so genannter Zersetzungsmaßnahmen des MfS). Schon die Explosion der Erdminen war danach eine konkret-individuelle, gegen den Kläger gerichtete Maßnahme. Gleiches gilt für den durch seine Flucht ausgelösten Alarm, für die damit einsetzende Suche der alarmierten Grenzsoldaten der DDR nach den Flüchtenden und für deren weitere Verfolgung bis zum Erscheinen der US-amerikanischen Soldaten westlich der Grenze. 16 b) Die zur Verhinderung der Flucht des Klägers ausgelösten Grenzsicherungsmaßnahmen waren auch mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar. Nach § 1 Abs. 2 VwRehaG ist das der Fall, wenn die Maßnahmen in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben und der politischen Verfolgung gedient oder Willkür im Einzelfall dargestellt haben. Die Vorschrift erfasst einen Kernbestand von Regeln, die schlechthin verbindlich für jeden Staat sein müssen, der den Namen Rechtsstaat für sich in Anspruch nimmt (vgl. BT-Drs. 12/4994 S. 23). 17 aa) Die gegen den Kläger konkret und individuell zur Verhinderung seiner Flucht ergriffenen Grenzsicherungsmaßnahmen verstießen in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Grenzregime der DDR der Durchsetzung des Verbots, die Grenze zu überschreiten, schlechthin Vorrang gab vor dem Lebensrecht von Menschen und offensichtlich und unerträglich gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit und gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte verstieß (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1992 - 5 StR 370/92 - BGHSt 39, 1 <15>, vom 25. März 1993 - 5 StR 418/92 - BGHSt 39, 168 <183 f.>, vom 26. Juli 1994 - 5 StR 167/94 - BGHSt 40, 241 <244> und - 5 StR 98/94 - BGHSt 40, 218 <232>). Die Praxis der DDR, die innerdeutsche Grenze mit Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl zu sichern, war unmenschlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 BvR 1851, 1853, 1875, 1852/94 - BVerfGE 95, 96 <135 f.> unter Bezugnahme auf Urteil vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73 - BVerfGE 36, 1 <35>). Die zum Einsatz gekommenen Grenzsicherungsmaßnahmen verstießen auch gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, denn der staatlicherseits in Kauf genommene Verlust des Lebens stand außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zum damit verfolgten politischen Ziel, eine Flucht zu verhindern. 18 bb) Es kann offenbleiben, ob die gegen den Kläger ergriffenen Grenzsicherungsmaßnahmen der politischen Verfolgung gedient haben. Davon wäre nur auszugehen, wenn sie ihm in Anknüpfung an bestimmte, regelmäßig unverfügbare Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügten, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Gemeinschaft ausgrenzten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 3 B 72.03 - juris Rn. 4). Jedenfalls waren sie von der Tendenz und Absicht getragen, ihre Adressaten bewusst zu benachteiligen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 3 B 7.00 - juris Rn. 6; Urteil vom 23. August 2001 - 3 C 39.00 - Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 3 Rn. 17 und Leitsatz 1), und stellten deshalb Willkürakte im Einzelfall im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG dar. Der Einsatz von Erdminen und die dadurch veranlasste Alarmierung der Grenzsoldaten sollten dem Kläger gezielt Schaden an Leib oder Leben zufügen, um seine Flucht zu verhindern. Diese Maßnahmen waren Ausdruck eines staatlichen Systems, das seine Bürger bei Fluchtversuchen zum Objekt staatlicher Willkür degradierte (vgl. BT-Drs. 12/4994 S. 25). Eine Schädigungsabsicht war ihnen immanent. 19 c) Der Kläger hat schlüssig dargelegt und unter Vorlage mehrerer ärztlicher Atteste glaubhaft gemacht, dass die gegen ihn bei der Flucht ergriffenen Grenzsicherungsmaßnahmen zu seiner Traumatisierung, mithin zu einem Eingriff in seine (psychische) Gesundheit, geführt haben und dass ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG). Den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen lässt sich entnehmen, dass bei dem Kläger mindestens seit 2003 sowie in den Folgejahren wiederholt eine mittelgradige depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Panik-, Angst- und Schlafstörungen diagnostiziert wurden. Diese fortwirkenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen nach dem Inhalt der beigebrachten Atteste auch als unmittelbare Folge der rechtsstaatswidrigen Grenzsicherungsmaßnahmen in Betracht. Dabei genügt es, dass die erlittene Traumatisierung sowie die nachfolgend diagnostizierten psychischen Störungen durch das Fluchtgeschehen zumindest mitverursacht wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Oktober 2003 - 3 C 1.03 - BVerwGE 119, 102 <107>). Dass der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanz bei der Flucht keine bleibenden körperlichen Schäden erlitten hat, schließt eine Verletzung seiner psychischen Gesundheit nicht aus. 20 4. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausschließungsgründen nach § 2 Abs. 2 VwRehaG, die den vom Kläger angestrebten Folgeansprüchen entgegenstehen könnten, sind nicht gegeben. Die Vorinstanz hat hierzu - aus ihrer Sicht konsequent - keine Feststellungen getroffen. Den im angegriffenen Urteil in Bezug genommenen Akten lassen sich solche Anhaltspunkte ebenfalls nicht entnehmen. Auch der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat im Hinblick auf die bereits vorliegende Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR insoweit keinen Anlass für weitere Ermittlungen gesehen. 21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Kostenaufteilung orientiert sich an der wirtschaftlichen Bedeutung des zurückgenommenen Teils der Klage im Verhältnis zum verbliebenen Revisionsbegehren." bverwg_2019-57,15.08.2019,"Pressemitteilung Nr. 57/2019 vom 15.08.2019 EN Besondere Privilegierung nachgezogener Kinder bei der Aufenthaltsverfestigung endet mit Volljährigkeit Ausländer, die bereits bei Erreichen des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen waren, haben einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nur, solange sie noch minderjährig sind. Mit Eintritt der Volljährigkeit richtet sich die Erteilung grundsätzlich auch in diesen Fällen nach den strengeren Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1995 in Deutschland geborene Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger, begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. 1999 erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, die nach Volljährigkeit als eigenständiges Aufenthaltsrecht letztmalig bis August 2015 verlängert wurde. Mit Bescheid vom 31. Mai 2016 lehnte der Beklagte eine weitere Verlängerung ab, weil sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, über den Verlängerungsantrag neu zu entscheiden. Auch bei einem volljährigen Ausländer, der wie der Kläger bei Vollendung des 16. Lebensjahres bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug gewesen sei, richte sich die Verlängerung so lange nach § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 AufenthG, bis eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen sei, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bestandskräftig abgelehnt werde oder der Aufenthaltstitel sonst erloschen sei. Weil mangels Unterhaltssicherung kein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis bestehe, müsse der Beklagte eine Ermessensentscheidung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis treffen, auf die die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine Anwendung finde. Auf die Revision des Beklagten hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das angefochtene Urteil aufgehoben. Nachgezogene oder im Bundesgebiet geborene Kinder können eine Niederlassungserlaubnis ab Eintritt der Volljährigkeit nur noch unter den - gegenüber Absatz 1 Satz 1 strengeren - Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erhalten. Nach Wortlaut und Systematik richtet sich die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der beiden Sätze des § 35 Abs. 1 AufenthG nach dem Alter des Kindes. Hinreichende Gründe, den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegen dem Wortlaut (""Einem minderjährigen Ausländer … ist … zu erteilen"") dauerhaft auf inzwischen volljährig gewordene Ausländer zu erstrecken, soweit sie bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, sind nicht ersichtlich. Sie folgen auch nicht aus der Entstehungsgeschichte, insbesondere der abweichend formulierten Vorgängernorm des § 26 AuslG (Ausländergesetz), und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Liegen aber wegen Eintritts der Volljährigkeit die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG schon nicht vor, besteht auch kein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (u.a.) über eine Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in Fällen, in denen der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Der volljährig gewordene Ausländer ist dann für die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis auf die allgemeine Ermessensregelung des § 34 Abs. 3 AufenthG verwiesen; hier gelten alle Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG, die u.a. regelmäßig die Sicherung des Lebensunterhalts erfordern. Hiervon ist nur in atypischen Fällen abzusehen. Wegen der sich bei Anwendung des § 34 Abs. 3 AufenthG stellenden Fragen (u.a. Vorliegen der Voraussetzungen eines atypischen Falles mit Blick auf Art. 8 EMRK/Art. 7 EU-Grundrechte-Charta) hat der Senat das Verfahren zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. BVerwG 1 C 23.18 - Urteil vom 15. August 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 11.17 - Urteil vom 22. März 2018 - VG Berlin, 11 K 224.16 - Urteil vom 05. Oktober 2016 -","Urteil vom 15.08.2019 - BVerwG 1 C 23.18ECLI:DE:BVerwG:2019:150819U1C23.18.0 EN Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet geborener oder nachgezogener Kinder Leitsätze: 1. Ausländer, die bei Vollendung des 16. Lebensjahres bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen waren, haben einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nur, solange sie noch minderjährig sind. Mit Eintritt der Volljährigkeit richtet sich die Erteilung grundsätzlich auch in diesen Fällen nach den strengeren Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. 2. Vereinbart der Ausländer über eine Online-Terminvereinbarung rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis einen Vorsprachetermin und sichert die Ausländerbehörde in diesem Verfahren sinngemäß zu, im Falle der Stellung eines Verlängerungsantrags im gebuchten Termin nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Fortgeltungswirkung des Antrags anzuordnen, kann in der Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung bei Stellung des Verlängerungsantrags eine konkludente Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG gesehen werden. Diese wirkt auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Gültigkeitsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels zurück. Rechtsquellen EMRK Art. 8 AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 26 Abs. 4 Satz 4, § 34 Abs. 3, § 35 Abs. 1 und 3, § 81 Abs. 4 Satz 3 GG Art. 6 GRC Art. 7 Instanzenzug VG Berlin - 05.10.2016 - AZ: VG 11 K 224.16 OVG Berlin-Brandenburg - 22.03.2018 - AZ: OVG 12 B 11.17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 15.08.2019 - 1 C 23.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:150819U1C23.18.0] Urteil BVerwG 1 C 23.18 VG Berlin - 05.10.2016 - AZ: VG 11 K 224.16 OVG Berlin-Brandenburg - 22.03.2018 - AZ: OVG 12 B 11.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. März 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. 2 Der 1995 in Berlin geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Seinen Eltern wurde im Oktober 2000 das Sorgerecht entzogen. Der Kläger ist danach bei seinen Großeltern in Berlin aufgewachsen; zu seinem Vormund wurde die Arbeiterwohlfahrt bestellt. 3 1999 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, die bis zum 7. Mai 2011 befristet war. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde kurz vor Ablauf zunächst bis zum 7. Mai 2013 (Tag vor dem 18. Geburtstag) und anschließend als eigenständiger Aufenthaltstitel verlängert, zuletzt bis zum 11. August 2015. In diesem Zeitraum war der Kläger mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er seinen Lebensunterhalt eigenständig sichern müsse. 4 Einen im November 2015 gestellten Antrag auf weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2016 ab. Er führte aus, der Kläger könne weder die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis noch die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beanspruchen, weil sein Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme staatlicher Mittel gesichert sei. Er habe keinen Schul- oder Berufsbildungsabschluss erworben und fast ausschließlich von staatlichen Transfermitteln gelebt. Ein Ausnahmefall in Bezug auf die Lebensunterhaltssicherung sei nicht anzunehmen. Der Kläger werde sich in Serbien integrieren können, weil er in einem kulturell durch diese Herkunft geprägten Umfeld aufgewachsen sei. Zugleich drohte der Beklagte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten Staat an, sofern er nicht bis zum 28. Juni 2016 freiwillig ausreise, und setzte für den Fall einer Abschiebung deren ""Sperrwirkung"" auf zwei Jahre fest. 5 Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab; zugleich wies es einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG stehe bereits entgegen, dass der Kläger diese erst nach Ablauf der Gültigkeit der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis beantragt habe. Zudem fehle es wegen des ungesicherten Lebensunterhalts an einer Regelerteilungsvoraussetzung. Auch wenn der Kläger sein gesamtes bisheriges Leben in Deutschland verbracht habe, bestehe kein Anlass, davon ausnahmsweise abzusehen. Die Aufenthaltsbeendigung sei angesichts seiner fehlenden wirtschaftlichen Integration mit Art. 8 EMRK vereinbar und insbesondere nicht unverhältnismäßig. Damit bleibe auch der nachträglich gestellte und in das Klageverfahren einbezogene Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis ohne Erfolg. 6 Im Verhandlungstermin vor dem Oberverwaltungsgericht hat der Beklagte die Vollziehung des angefochtenen Bescheides bis zur rechtskräftigen Entscheidung ausgesetzt und zugesagt, dem Kläger die Erwerbstätigkeit zu gestatten. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2018 unter Abweisung der Klage im Übrigen den Beklagten verpflichtet, über den Verlängerungsantrag vom 16. November 2015 erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Verlängerung scheitere nicht schon an einer verspäteten Antragstellung. Denn der Kläger habe im Berufungsverfahren nachgewiesen, dass er am Tag vor Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner letzten Aufenthaltserlaubnis online einen Termin gebucht, diesen jedoch erst für den 16. November 2015 bekommen habe. Die Ablehnung des Verlängerungsantrags im Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig. Einschlägige Rechtsgrundlage für das Verlängerungsbegehren sei nicht § 34 Abs. 3 AufenthG, sondern § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 AufenthG, so dass der Kläger die Ausübung des dort eröffneten Ermessens beanspruchen könne. Der Kläger gehöre zu der von § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfassten Gruppe nachgezogener Kinder, die bei Vollendung des 16. Lebensjahres bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen seien. Die damit verbundene Privilegierung, die auch bei ungesichertem Lebensunterhalt zu einer Ermessensentscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis führe, bleibe ihm nach Volljährigkeit erhalten. Entgegen dem vom Wortlaut nahegelegten Verständnis seien § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht so zu verstehen, dass Satz 1 nur auf den minderjährigen Antragsteller Anwendung finde, während der Anspruch eines Volljährigen an den gesteigerten Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu messen sei. Vielmehr regele § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für Kinder, die erst so spät in das Bundesgebiet nachgezogen seien, dass sie bei Vollendung des 16. Lebensjahres noch nicht die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis erfüllten, sondern diese Voraussetzungen erst später vorweisen könnten. Dieselbe gesetzliche Konstruktion habe schon der Vorgängervorschrift des § 26 AuslG zugrunde gelegen. Weil mangels Unterhaltssicherung kein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis bestehe, müsse der Beklagte eine Ermessensentscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG treffen, auf die die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine Anwendung finde. Dieses Ermessen sei vorliegend nicht zugunsten des Klägers auf Null reduziert. Für eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 oder Abs. 4 Satz 2 AufenthG lägen schon die Voraussetzungen nicht vor. 7 Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 35 Abs. 1 AufenthG. Er ist der Auffassung, dass der Anspruch nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis - und damit auch die Möglichkeit, trotz ungesicherten Lebensunterhalts die Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu verlängern - mit Eintritt der Volljährigkeit erlösche, sofern er erst nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht werde und ein dem Grunde nach bestehender Anspruch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgeschlossen gewesen sei. Diese Auslegung folge bereits aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 AufenthG, der klar zwischen minderjährigen und volljährigen Ausländern unterscheide. Sie werde bestätigt durch die Systematik, die Entstehungsgeschichte und den Sinn und Zweck der Regelung. 8 Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil und legt Nachweise über eine zwischenzeitlich aufgenommene Beschäftigung als Reinigungskraft vor. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich nicht an dem Verfahren beteiligt. II 10 Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, die besondere Privilegierung von Ausländern, die bei Vollendung des 16. Lebensjahres bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug waren, bei der Aufenthaltsverfestigung und weiteren Aufenthaltsgewährung bleibe diesen nach Erreichen der Volljährigkeit erhalten, ist mit § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unvereinbar (1.). Das Berufungsurteil erweist sich auch weder aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), noch kann der Senat eine abschließende Entscheidung zu Lasten des Klägers treffen. Als volljähriger Ausländer ohne gesicherten Lebensunterhalt kann der Kläger einen (Ermessens-)Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nicht auf § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, sondern nur auf § 34 Abs. 3 AufenthG stützen, auf den die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG uneingeschränkt Anwendung finden. Ein Ermessen ist danach nur eröffnet, wenn von der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung wegen atypischer Umstände oder (grund- oder menschen-)rechtlicher Grenzen einer Aufenthaltsbeendigung bei im Bundesgebiet verwurzelten Ausländern ausnahmsweise abzusehen ist. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Der Rechtsstreit ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (2.). 11 Gegenstand des Revisionsverfahrens sind bei sachdienlicher Auslegung nur noch das Begehren des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Verlängerung der ihm nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes erteilten Aufenthaltserlaubnis sowie die Abschiebungsandrohung und das vom Beklagten sinngemäß angeordnete Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren. Hinsichtlich des vom Oberverwaltungsgericht abgewiesenen Verpflichtungsantrags ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, da der Kläger seinerseits kein Rechtsmittel eingelegt hat. Aus demselben Grund ist auch ein - vom Berufungsgericht verneinter - Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und der Einreisesperre geht der Senat hingegen davon aus, dass diese vom Berufungsgericht in der Konsequenz der ausgeurteilten Neubescheidungsverpflichtung mitaufgehoben worden sind. Eine Niederlassungserlaubnis ist schon in den Vorinstanzen nicht beantragt gewesen und damit auch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. 12 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Dasselbe gilt, soweit es um die gerichtliche Beurteilung einer nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung geht (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 - BVerwG 142, 179 Rn. 13). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). In der Sache haben sich die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften seit Erlass des Berufungsurteils nicht geändert. Ein anderer Zeitpunkt gilt nur, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa bei Beantragung einer rückwirkenden Verpflichtung oder Neubescheidung. 13 1. Der Kläger kann sein Begehren auf erneute Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht auf § 35 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG stützen. 14 1.1 Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes besitzt, abweichend von § 9 Abs. 2 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis ist, er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und sein Lebensunterhalt gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt (§ 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). § 35 Abs. 3 Satz 1 AufenthG schließt den (gebundenen) Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach Absatz 1 u.a. dann aus, wenn der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch gesichert ist, es sei denn, der Ausländer befindet sich in einer Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt. Auch in diesem Fall kann aber gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen die Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. Diese Rechtsgrundlage für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kommt nach dem Regelungszusammenhang bei ungesichertem Lebensunterhalt nur zur Anwendung, wenn der Antragsteller noch unter die für minderjährige Ausländer getroffene, stärker privilegierende Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG fällt. Denn die durch § 35 Abs. 3 AufenthG in der Sache bewirkte Rückstufung des gebundenen Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis setzt einen sonst gegebenen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis voraus, der in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG aber schon tatbestandlich entfällt, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist und der Ausländer sich auch nicht in einer Ausbildung befindet. 15 1.2 Die dem Berufungsurteil zugrunde gelegte Rechtsgrundlage für eine Verlängerung - § 35 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG - ist im Fall des volljährigen Klägers nicht anwendbar, weil sie die (fortbestehende) Minderjährigkeit des Antragstellers voraussetzt. Der abweichenden Auslegung des Berufungsgerichts, wonach § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nur voraussetzt, dass der Ausländer bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und die daran anknüpfenden Rechte dem Ausländer auch nach Eintritt der Volljährigkeit erhalten bleiben, während § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur für diejenigen volljährigen Ausländer gilt, die die fünfjährige Besitzzeit einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt haben, folgt der Senat nicht. 16 a) Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist einem minderjährigen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 6. Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er im Zeitpunkt der Vollendung seines 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist und kein (dem gebundenen Anspruch entgegenstehender) Ausschlussgrund vorliegt. Damit hat der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes den in § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährten Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter erleichterten Voraussetzungen ausdrücklich - nur - für einen ""minderjährigen"" Ausländer vorgesehen. Hätte der Minderjährigkeit in diesem Zusammenhang keine zusätzlich einschränkende Bedeutung zukommen sollen, hätte es nahegelegen, auf sie als Tatbestandsvoraussetzung auch in der Formulierung zu verzichten. 17 b) Die Systematik der Norm bestätigt, dass sich die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG nach dem Alter des Ausländers und nicht (allein) danach richtet, ob die fünfjährige Besitzdauer einer Aufenthaltserlaubnis schon bei Vollendung des 16. Lebensjahres oder erst später erfüllt worden ist. § 35 AufenthG regelt nach der Überschrift die Voraussetzungen für ein eigenständiges, unbefristetes Aufenthaltsrecht der - nachgezogenen oder hier geborenen - Kinder. Dabei wird in § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG ausdrücklich zwischen (besonders privilegierten) minderjährigen und (weniger privilegierten) volljährigen Ausländern unterschieden. Diese Differenzierung knüpft systematisch an die Regelungen im Aufenthaltsgesetz zum Kindernachzug und das daran anknüpfende befristete Aufenthaltsrecht an. Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Familiennachzug eines minderjährigen ledigen Kindes eines Deutschen) und § 32 AufenthG (Nachzug eines minderjährigen ledigen Kindes eines Ausländers) ist der Familiennachzug von Kindern auf minderjährige Kinder beschränkt. Solange sie minderjährig sind, ist die ihnen erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 und § 31 Abs. 1 AufenthG abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebenserhalts) zu verlängern. Mit der Volljährigkeit erstarkt das abgeleitete Aufenthaltsrecht zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht (§ 34 Abs. 2, § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Es kann - solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis bzw. der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU noch nicht vorliegen - weiterhin über § 34 Abs. 3 AufenthG verlängert werden, unterliegt aber nicht (mehr) der Privilegierung u.a. hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts. Damit muss der Lebensunterhalt nachgezogener Kinder ab Volljährigkeit regelmäßig gesichert sein. 18 Auch § 35 AufenthG privilegiert in Bezug auf das unbefristete Aufenthaltsrecht nachgezogener oder hier geborener Kinder Minderjährige gegenüber Volljährigen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und 2 Halbs. 1 AufenthG). Danach haben Minderjährige, die sich bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz der Aufenthaltserlaubnis nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes befanden, unter erleichterten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Gleiches gilt für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis (jeweils) im Ermessenswege (§ 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Ist der Lebensunterhalt nicht gesichert und befinden sie sich nicht in Ausbildung, scheidet bei Volljährigen die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis schon auf Tatbestandsebene aus und sind sie für die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis auf die allgemeine Regelung des § 34 Abs. 3 AufenthG verwiesen. Minderjährigen kann hingegen auch bei nicht gesichertem Lebensunterhalt und ohne begonnene Ausbildung im Ermessenswege eine Niederlassungserlaubnis erteilt oder die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden. 19 c) Dass diese Privilegierung - weitergehend - auf inzwischen volljährige Kinder, die bei Vollendung des 16. Lebensjahres fünf Jahre im Besitz der Aufenthaltserlaubnis waren, hätte erstreckt werden sollen, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem danach verfolgten Sinn und Zweck der Privilegierung. Nach der Gesetzesbegründung beruht die Privilegierung Minderjähriger bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auf der Vorstellung, dass bei ausländischen Kindern, die mit 16 Jahren seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet leben, regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass sie sich bereits sehr weitgehend in die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eingefügt haben. Demgegenüber müssen als Kinder nachgezogene volljährige Ausländer außer dem fünfjährigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis weitere Integrationsvoraussetzungen (ausreichende Deutschkenntnisse und Lebensunterhaltssicherung oder Ausbildung) erfüllen (BT-Drs. 15/420 S. 83 f.). Diese vom Gesetzgeber unterstellte größere Integrationserwartung bei den bereits in jüngerem Alter nachgezogenen Kindern erklärt aber zunächst nur die grundsätzliche Unterscheidung zwischen den beiden Tatbeständen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Sie rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, dass der Gesetzgeber diesem Personenkreis die besondere Privilegierung des § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 AufenthG über den Gesetzeswortlaut hinaus dauerhaft erhalten wollte. Denn auch bei Minderjährigen wird eine für eine Aufenthaltsverfestigung hinreichende Integration nicht unwiderleglich unterstellt, sondern schließt das Vorliegen damit unvereinbarer Tatbestände (nicht gesicherter Lebensunterhalt und fehlende Ausbildung; qualifizierte Ausweisungsinteressen) gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 AufenthG den gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus. Das bestätigt die Gesetzesbegründung zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, in der ausgeführt wird: ""Die Sozialhilfebedürftigkeit eines ausländischen Jugendlichen, der sich weder in einer schulischen noch in einer beruflichen Ausbildung befindet, ist geeignet, Zweifel an den Erfolgsaussichten der beruflichen Eingliederung zu begründen. Diese Zweifel schließen einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus"" (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 84). 20 Auch in diesen Fällen bleibt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als Aufenthaltsverfestigung zwar möglich, bedarf aber einer Ermessensentscheidung, also der einzelfallbezogenen Prüfung, ob eine für eine Aufenthaltsverfestigung hinreichende (altersentsprechende) Integration vorliegt. Alternativ kann die Aufenthaltserlaubnis unabhängig von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen verlängert werden (§ 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Die mit diesem abgestuften Konzept bezweckte Privilegierung junger Ausländer, die bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres fünf Jahre im Besitz der Aufenthaltserlaubnis waren, wird auch dann erreicht, wenn sie bei Personen, bei denen sich die Integrationsvermutung trotz der frühzeitigen Einreise während ihrer Minderjährigkeit nicht voll erfüllt hat, mit Eintritt der Volljährigkeit endet. Diese Personen haben die nur in einem bestimmten Zeitfenster eröffnete Chance auf eine erleichterte Aufenthaltsverfestigung nicht genutzt. Dass bei ihnen - trotz unzureichender Integration als Minderjährige - mit Volljährigkeit weiterhin die günstigeren Regeln hinsichtlich des Nachweises von (altersentsprechenden) Integrationsvoraussetzungen zur Anwendung kommen sollen, ist den Gesetzesmaterialien nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen. Der Hinweis in der Entwurfsbegründung, dass die Niederlassungserlaubnis zu erteilen ist, sobald der den Anspruch hindernde Umstand entfallen ist (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 84), ist für sich gesehen wenig aussagekräftig. Er steht insbesondere nicht der Annahme entgegen, dass ein zwischenzeitliches Überschreiten der Volljährigkeitsgrenze das Begehren - dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 AufenthG entsprechend - auf eine andere rechtliche Grundlage stellt. 21 d) Ein über den Wortlaut hinausgehender Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG lässt sich auch aus einer Kontinuität zur Vorgängernorm des Ausländergesetzes (§ 26 AuslG 1990) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des VGH Mannheim (Beschlüsse vom 10. Februar 1993 - 11 S 2532/92 - juris und vom 21. November 2001 - 13 S 1635/01 - juris) nicht herleiten (a.A. etwa Diesterhöft, HTK-AuslR, § 35 AufenthG - zu Abs. 1 Satz 1 Rn. 5 ff.; VGH Mannheim, Beschluss vom 5. Februar 2019 - 11 S 1646/18 - InfAuslR 2019, 189). Diese Vorschrift war zwar ähnlich aufgebaut, und in der Gesetzesbegründung zu § 35 AufenthG findet sich der Hinweis, dass dieser § 26 AuslG ""weitgehend entspricht"" (BT-Drs. 15/420 S. 83). Die Vorgängerregelung war jedoch im hier entscheidenden Punkt weiter gefasst, weil sie die Minderjährigkeit nicht als Erteilungsvoraussetzung, sondern nur zur Kennzeichnung der dem Ausländer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis erwähnte (""Die einem minderjährigen Ausländer zu dem in § 17 Abs. 1 bezeichneten Zweck erteilte Aufenthaltserlaubnis ist ... unbefristet zu verlängern""). Zudem hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch das ausdrückliche Erfordernis, dass der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt aktuell besitzen muss (siehe auch Oberhäuser, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 35 AufenthG Rn. 4), klargestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen gerade nicht nur auf den Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres abstellen. Auch deshalb lässt das ""weitgehende Entsprechen"" der beiden Normfassungen nicht den eindeutigen Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit dem Minderjährigkeitserfordernis entgegen dem Wortlaut keine zusätzliche Einschränkung verbinden wollen. Die Entwurfsbegründung enthält schließlich keine Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VGH Mannheim zu § 26 AuslG, die einen Rückschluss darauf ermöglichte, dass bzw. inwieweit dessen Auslegung der Vorgängernorm für auf § 35 AufenthG übertragbar gehalten wurde. 22 e) Der vorstehenden Auslegung des § 35 AufenthG steht die Senatsrechtsprechung zu § 35 AufenthG nicht entgegen, weil sich diese zu der hier aufgeworfenen Rechtsfrage nicht verhält. Der Senat hat zwar in zwei zu § 26 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 35 AufenthG ergangenen Entscheidungen ausgeführt, § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erfasse nach seinem Sinn und Zweck nur die Fälle, in denen eine schon während der Minderjährigkeit erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen Ablaufs des Fünf-Jahres-Zeitraums erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis führe (BVerwG, Urteile vom 10. November 2009 - 1 C 24.08 - BVerwGE 135, 225 Rn. 24 und vom 13. September 2011 - 1 C 17.10 - BVerwGE 140, 332 Rn. 22). Diese Aussage zielte nach dem Kontext der Entscheidungen aber nicht auf eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AufenthG. Es ging dort lediglich darum zu begründen, dass die Aufenthaltserlaubnis, die die Grundlage für die spätere Verfestigung des Aufenthalts bildet, auch bei § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG dem Ausländer bereits als Minderjährigem erteilt worden sein muss. 23 f) Nicht zu entscheiden ist, ob bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für das Erfordernis der Minderjährigkeit eine Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen ist oder ob es auch insoweit bei dem allgemein maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts bleibt und bei einer nach Antragstellung eintretenden Volljährigkeit eine auf den Antragszeitpunkt zurückwirkende Erteilung der Niederlassungserlaubnis in Betracht kommt. Ebenso wenig bedarf der Vertiefung, welche Folgen eine nach Stellung des Verlängerungsantrags eintretende Volljährigkeit für einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AufenthG hat. Denn der Kläger war im Streitfall bereits im Zeitpunkt des hier maßgeblichen Verlängerungsantrags volljährig; er erfüllt die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage daher in keiner der in Betracht kommenden Varianten. 24 2. Das angefochtene Urteil erweist sich auch weder aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), noch kann der Senat nach § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO eine abschließende Entscheidung treffen. 25 Über den Antrag des volljährigen Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ist nach § 34 Abs. 3 AufenthG zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU noch nicht vorliegen; die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG finden uneingeschränkt Anwendung. Ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift vorliegen, ist auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen. Zwar scheitert eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vorliegend nicht schon an einer verspäteten Antragstellung (2.1). Die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis liegen auch noch nicht vor (2.2). Wegen des ungesicherten Lebensunterhalts fehlt es aber an der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. In diesem Zusammenhang bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob dem Kläger die fehlende Unterhaltssicherung wegen (grund- oder menschen-)rechtlicher Grenzen oder sonstiger atypischer Umstände ausnahmsweise nicht entgegengehalten werden darf (2.3). 26 2.1 Dem Verlängerungsbegehren steht nicht entgegen, dass der Kläger den Antrag auf Verlängerung der zuletzt innegehabten, bis zum 11. August 2015 gültigen Aufenthaltserlaubnis erst am 16. November 2015 gestellt hat. Allerdings kann ein einmal erloschener Aufenthaltstitel grundsätzlich nicht verlängert werden. Denn eine Verlängerung im Sinne des § 8 Abs. 1 AufenthG ist auf die weitere lückenlose Legalisierung des Aufenthalts ohne Wechsel des Aufenthaltszwecks gerichtet. Nach Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis ist eine Verlängerung daher nur möglich, wenn der Verlängerungsantrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst hat. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel im Falle einer rechtzeitig vor Ablauf beantragten Verlängerung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Das gleiche gilt, wenn der Verlängerungsantrag zwar verspätet gestellt worden ist, die Ausländerbehörde aber zur Vermeidung einer unbilligen Härte gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Fortgeltungswirkung anordnet. 27 Hier hat der Beklagte die Fortgeltungswirkung konkludent gemäß § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG angeordnet: Laut der vorgelegten Online-Terminvereinbarung hat der Kläger den Vorsprachetermin vom 16. November 2015 bereits am 10. August 2015 und damit vor Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis vereinbart. Die Terminbuchung enthält den Hinweis, dass der Aufenthaltstitel bei Buchung des Termins vor Ablauf seiner Geltungsdauer mindestens bis zum gebuchten Termin bestehen bleibe. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß in der Sache angenommen, dass dem Verlängerungsantrag bei dieser Sachlage eine lückenlos an den Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis anschließende Fiktionswirkung zukam. 28 Zwar stellt die Buchung eines Termins bei der Ausländerbehörde über eine Online-Terminvereinbarung keine Beantragung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels dar (zutreffend Samel, in: Bergman/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 81 AufenthG Rn. 9; VG Berlin, Beschluss vom 30. September 2014 - 30 L 246.14 - juris Rn. 17 m.w.N.). Mit dem praktizierten Verfahren der Online-Terminvereinbarung will der Beklagte dem Umstand Rechnung tragen, dass aus organisatorischen Gründen nicht immer zeitnahe Termine vergeben werden können, und zugleich daraus entstehende Rechtsnachteile für den Ausländer vermeiden. Dafür kann er sich auf die mit Wirkung vom 1. August 2012 geschaffene Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG (BGBl. I S. 1224) stützen, wonach die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung eines verspätet gestellten Verlängerungsantrags anordnen kann. Der erwähnte, bei Terminbuchung erteilte Hinweis enthält der Sache nach die Zusicherung, die Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG anzuordnen, sofern im rechtzeitig reservierten Vorsprachetermin ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gestellt wird (siehe auch VG Berlin, Beschluss vom 24. November 2015 - 19 L 302.15 - juris Rn. 20). In diesem Fall einer vorangegangenen Zusicherung kann in der Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung (§ 81 Abs. 5 AufenthG) bei Antragstellung eine konkludente Anordnung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG gesehen werden; diese wirkt auf den Zeitpunkt des Ablaufs der bisherigen Aufenthaltserlaubnis zurück. Die im Gesetz vorausgesetzte unbillige Härte ist in derartigen Fällen jedenfalls dann gegeben, wenn kein Anhalt dafür besteht, dass der Antragsteller bei der Terminvereinbarung einen nennenswert früheren Termin hätte reservieren können und er seine Antragstellung damit missbräuchlich hinausgezögert hätte (vgl. dazu VG Berlin, Beschluss vom 30. September 2014 - 30 L 246.14 - juris Rn. 19). So liegt der Fall hier. 29 2.2 Die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU liegen noch nicht vor. Als volljährigem Ausländer kann dem Kläger nur unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden (s.o.). Hierzu gehört, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist oder er sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat mangels erfolgreicher Verfahrensrüge gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, lagen diese Voraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht vor. Damit kann dem Kläger auch noch keine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU erteilt werden (§ 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). 30 2.3 Wegen des ungesicherten Lebensunterhalts fehlt es für eine Ermessensentscheidung nach § 34 Abs. 3 AufenthG an der - regelmäßig erforderlichen - allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Von der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts ist allerdings bei Vorliegen eines Ausnahmefalles abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei besonderen, atypischen Umständen vor, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, aber auch dann, wenn entweder aus Gründen höherrangigen Rechts wie Art. 6 oder Art. 2 Abs. 1 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 Grundrechte-Charta (GRC) die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis geboten ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 27 und vom 22. Mai 2012 - 1 C 6.11 - BVerwGE 143, 150 Rn. 11 m.w.N.). 31 Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Mit Blick auf den 24-jährigen rechtmäßigen Aufenthalt des im Bundesgebiet geborenen Klägers kommt vorliegend Art. 8 EMRK und Art. 7 GRC zumindest in der Alternative des darin geschützten Privatlebens ein besonderes Gewicht zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 - NVwZ-RR 2011, 420 = juris Rn. 18 ff.). Der Senat teilt vor diesem Hintergrund nicht die - in anderem Zusammenhang vertretene - Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Aufenthaltsbeendigung des (abgesehen von Beförderungserschleichungen nicht straffällig gewordenen) Klägers im Wesentlichen allein wegen der unzureichenden beruflichen und wirtschaftlichen Integration mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit selbst dann noch vereinbar wäre, wenn der Kläger weder über Kenntnisse der Sprache seines Herkunftslandes noch über dortige familiäre Anknüpfungspunkte verfügen sollte. Insoweit fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen zur Integrationsfähigkeit des Klägers in seinem Herkunftsland Serbien, in dem er nie gelebt hat. Erforderlich ist eine gewichtende Gesamtbewertung seiner Lebensumstände, in die sowohl die für eine Verwurzelung als auch die für eine Entwurzelung in Serbien sprechenden Umstände, die zuvor hinreichend aufzuklären sind, eingestellt werden (vgl. auch insoweit BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 - NVwZ-RR 2011, 420 = juris Rn. 20 f.). Der Rechtsstreit ist deshalb zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 32 3. Im Rahmen seiner Entscheidungsfindung wird das Berufungsgericht zunächst zu klären haben, ob bzw. inwieweit im dann maßgeblichen Zeitpunkt der Lebensunterhalt des Klägers gesichert ist. Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 AufenthG setzt dies voraus, dass er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Daran fehlt es nach der Rechtsprechung des Senats schon dann, wenn ein Anspruch auf (ggf. aufstockende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II besteht. Ob diese tatsächlich in Anspruch genommen werden, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 21). 33 Ist der Lebensunterhalt des Klägers danach auch weiterhin nicht gesichert, wird nach umfassender Sachverhaltsaufklärung der Lebensumstände des Klägers zu entscheiden sein, ob ein Ausnahmefall vorliegt. Dabei ist auch erheblich, ob er sich um eine unterhaltssichernde Erwerbstätigkeit bemüht und inwieweit er seinen Lebensunterhalt zumindest teilweise sichert, weil dies das Gewicht der durch § 5 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geschützten fiskalischen Interessen jedenfalls verringerte. 34 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-58,15.08.2019,"Pressemitteilung Nr. 58/2019 vom 15.08.2019 EN EuGH soll Fragen zum Begriff des „Familienangehörigen“ im Sinne der Anerkennungsrichtlinie klären Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung von Fragen zum Begriff des „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) angerufen. Der Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger, begehrt die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Seinem am 20. April 1998 geborenen Sohn, der bereits im Jahr 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, wurde im Mai 2016 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Der Kläger reiste im Januar 2016 mit weiteren Kindern in das Bundesgebiet ein. Im Februar 2016 suchte er um internationalen Schutz nach. Sein förmlicher Asylantrag datiert vom 21. April 2016. Im Dezember 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf der Grundlage des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG als Elternteil eines minderjährigen ledigen Schutzberechtigten den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Hierfür genüge, dass der Sohn im Zeitpunkt des Asylgesuches des Klägers minderjährig gewesen sei. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts sieht unionsrechtlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des von § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Sache nach in Bezug genommenen Begriffs des Familienangehörigen im Sinne des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU. Der Klärungsbedarf betrifft den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit des Schutzberechtigten, die Anforderungen an das Bestehen einer Familie während des im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz stehenden Aufenthalts des Schutzberechtigten und seines Elternteils in dem Aufnahmemitgliedstaat sowie etwaige zeitliche Grenzen hinsichtlich der Eigenschaft als Familienangehöriger eines vormals minderjährigen Schutzberechtigten. Der Senat hat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH über die nachstehend aufgeführten Fragen ausgesetzt. Fußnote: Vorlagefragen 1. Ist bei einem Asylantragsteller, der vor Eintritt der Volljährigkeit seines Kindes, mit dem im Herkunftsstaat eine Familie bestanden hat und dem auf einen vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Schutzantrag nach Eintritt der Volljährigkeit der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist (nachfolgend: Schutzberechtigter), in den Aufnahmemitgliedstaat des Schutzberechtigten eingereist ist und dort ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (nachfolgend: Asylantragsteller), bei einer nationalen Regelung, die für die Gewährung eines vom Schutzberechtigten abgeleiteten Anspruchs auf Zuerkennung subsidiären Schutzes Bezug auf Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU nimmt, für die Frage, ob der Schutzberechtigte „minderjährig"" im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU ist, auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag des Asylantragstellers oder aber auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen, etwa den Zeitpunkt, in dem a) dem Schutzberechtigten der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, b) der Asylantragsteller seinen Asylantrag gestellt hat, c) der Asylantragsteller in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist oder d) der Schutzberechtigte seinen Asylantrag gestellt hat? 2. Für den Fall, a) dass der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist: Ist insoweit auf das schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerte Schutzersuchen, das der für den Asylantrag zuständigen nationalen Behörde bekanntgeworden ist (Asylgesuch), oder auf den förmlich gestellten Antrag auf internationalen Schutz abzustellen? b) dass der Zeitpunkt der Einreise des Asylantragstellers oder der Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages durch diesen maßgeblich ist: Kommt es auch darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt über den Schutzantrag des zu einem späteren Zeitpunkt als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Schutzberechtigten noch nicht entschieden war? 3. a) Welche Anforderungen sind in der unter 1. beschriebenen Situation zu stellen, damit es sich bei dem Asylantragsteller um einen „Familienangehörigen“ (Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU) handelt, der sich „im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat“ aufhält, in dem sich die Person aufhält, der internationaler  Schutz zuerkannt worden ist und mit dem die Familie „bereits im Herkunftsstaat“ bestanden hat? Setzt dies insbesondere voraus, dass das Familienleben zwischen dem Schutzberechtigten und dem Asylantragsteller im Sinne des Art. 7 GRC im Aufnahmemitgliedstaat wiederaufgenommen worden ist, oder genügt insoweit die bloße zeitgleiche Anwesenheit des Schutzberechtigten und des Asylantragstellers im Aufnahmemitgliedstaat? Ist ein Elternteil auch dann Familienangehöriger, wenn die Einreise nach den Umständen des Einzelfalles nicht darauf gerichtet war, die Verantwortlichkeit im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU für eine Person tatsächlich wahrzunehmen, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist und die noch minderjährig und nicht verheiratet ist? b) Soweit Frage 3.a) dahin zu beantworten ist, dass das Familienleben zwischen dem Schutzberechtigten und dem Asylantragsteller im Sinne des Art. 7 GRC im Aufnahmemitgliedstaat wiederaufgenommen worden sein muss, kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Wiederaufnahme erfolgt ist? Ist insoweit insbesondere darauf abzustellen, ob das Familienleben innerhalb einer bestimmten Frist nach Einreise des Asylantragstellers, im Zeitpunkt der Antragstellung des Asylantragstellers oder zu einem Zeitpunkt wiederhergestellt worden ist, zu dem der Schutzberechtigte noch minderjährig war? 4. Endet die Eigenschaft eines Asylantragstellers als Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Schutzberechtigten und einem damit verbundenen Wegfall der Verantwortlichkeit für eine Person, die minderjährig und nicht verheiratet ist? Sollte dies verneint werden: Besteht diese Eigenschaft als Familienangehöriger (und die damit verbundenen Rechte) über diesen Zeitpunkt hinaus zeitlich unbegrenzt fort oder entfällt sie nach einer bestimmten Frist (wenn ja: welcher?) oder bei Eintritt bestimmter Ereignisse (wenn ja: welcher?)? BVerwG 1 C 32.18 - Beschluss vom 15. August 2019 Vorinstanz: VG Stuttgart, A 1 K 17/17 - Urteil vom 23. Mai 2018 -","Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist bei einem Asylantragsteller, der vor Eintritt der Volljährigkeit seines Kindes, mit dem im Herkunftsstaat eine Familie bestanden hat und dem auf einen vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Schutzantrag nach Eintritt der Volljährigkeit der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist (nachfolgend: Schutzberechtigter), in den Aufnahmemitgliedstaat des Schutzberechtigten eingereist ist und dort ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (nachfolgend: Asylantragsteller), bei einer nationalen Regelung, die für die Gewährung eines vom Schutzberechtigten abgeleiteten Anspruchs auf Zuerkennung subsidiären Schutzes Bezug auf Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU nimmt, für die Frage, ob der Schutzberechtigte ""minderjährig"" im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU ist, auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag des Asylantragstellers oder aber auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen, etwa den Zeitpunkt, in dema) dem Schutzberechtigten der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist,b) der Asylantragsteller seinen Asylantrag gestellt hat,c) der Asylantragsteller in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist oderd) der Schutzberechtigte seinen Asylantrag gestellt hat?2. Für den Fall,a) dass der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist: Ist insoweit auf das schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerte Schutzersuchen, das der für den Asylantrag zuständigen nationalen Behörde bekanntgeworden ist (Asylgesuch), oder auf den förmlich gestellten Antrag auf internationalen Schutz abzustellen?b) dass der Zeitpunkt der Einreise des Asylantragstellers oder der Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages durch diesen maßgeblich ist: Kommt es auch darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt über den Schutzantrag des zu einem späteren Zeitpunkt als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Schutzberechtigten noch nicht entschieden war?3.a) Welche Anforderungen sind in der unter 1. beschriebenen Situation zu stellen, damit es sich bei dem Asylantragsteller um einen ""Familienangehörigen"" (Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU) handelt, der sich ""im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat"" aufhält, in dem sich die Person aufhält, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, und mit dem die Familie ""bereits im Herkunftsstaat"" bestanden hat? Setzt dies insbesondere voraus, dass das Familienleben zwischen dem Schutzberechtigten und dem Asylantragsteller im Sinne des Art. 7 GRC im Aufnahmemitgliedstaat wiederaufgenommen worden ist, oder genügt insoweit die bloße zeitgleiche Anwesenheit des Schutzberechtigten und des Asylantragstellers im Aufnahmemitgliedstaat? Ist ein Elternteil auch dann Familienangehöriger, wenn die Einreise nach den Umständen des Einzelfalles nicht darauf gerichtet war, die Verantwortlichkeit im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU für eine Person tatsächlich wahrzunehmen, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist und die noch minderjährig und nicht verheiratet ist?b) Soweit Frage 3.a) dahin zu beantworten ist, dass das Familienleben zwischen dem Schutzberechtigten und dem Asylantragsteller im Sinne des Art. 7 GRC im Aufnahmemitgliedstaat wiederaufgenommen worden sein muss, kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Wiederaufnahme erfolgt ist? Ist insoweit insbesondere darauf abzustellen, ob das Familienleben innerhalb einer bestimmten Frist nach Einreise des Asylantragstellers, im Zeitpunkt der Antragstellung des Asylantragstellers oder zu einem Zeitpunkt wiederhergestellt worden ist, zu dem der Schutzberechtigte noch minderjährig war?4. Endet die Eigenschaft eines Asylantragstellers als Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Schutzberechtigten und einem damit verbundenen Wegfall der Verantwortlichkeit für eine Person, die minderjährig und nicht verheiratet ist? Sollte dies verneint werden: Besteht diese Eigenschaft als Familienangehöriger (und die damit verbundenen Rechte) über diesen Zeitpunkt hinaus zeitlich unbegrenzt fort oder entfällt sie nach einer bestimmten Frist (wenn ja: welcher?) oder bei Eintritt bestimmter Ereignisse (wenn ja: welcher?)? Gründe IDer Kläger zu 1. (Kläger) begehrt die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger. Er ist der Vater des am ... geborenen A. Dieser war im Jahr 2012 in das Bundesgebiet eingereist. Mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamtes vom 13. Mai 2016 wurde ihm unter Ablehnung seines Asylantrages im Übrigen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt.Der Kläger reiste seinen Angaben zufolge im Januar 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er suchte im Februar 2016 um Asyl nach und stellte am 21. April 2016 einen förmlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seine Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beziehungsweise des subsidiären Schutzstatus sowie auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ab.Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf der Grundlage des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG als Elternteil eines minderjährigen ledigen Schutzberechtigten den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Dessen Sohn A. sei in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages noch minderjährig gewesen. In diesem Zusammenhang sei ein Asylantrag als gestellt zu betrachten, sobald die zuständige Behörde Kenntnis von dem Asylbegehren des Schutzsuchenden erhalte.Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich, so auch hier, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht oder - in Ermangelung einer solchen - der verfahrensabschließenden Entscheidung des Tatsachengerichts. § 26 Abs. 3 AsylG enthalte insoweit keine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme. Seine tatbestandlichen Voraussetzungen und seine Struktur stritten dafür, dass jedenfalls nur ein bei seiner eigenen Statuszuerkennung noch Minderjähriger einen Anspruch ableiten könne. Die Vorschrift diene den besonderen Schutzinteressen des schutzberechtigten Minderjährigen, welche grundsätzlich nur so lange bestünden, wie dieser minderjährig sei. Selbst wenn für die Minderjährigkeit aber auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils abzustellen sein sollte, sei dafür nicht der Zeitpunkt des materiellen Asylgesuchs (§ 13 AsylG) maßgeblich, sondern komme es auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung (§ 14 AsylG) an. Für das in § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG statuierte Antragserfordernis genüge es nicht, dass die zuständige Stelle - hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - lediglich Kenntnis von dem Asylgesuch habe. Zuerkennungsvoraussetzung sei ein (förmlicher) Antrag, der wirksam nur bei der zuständigen Stelle gestellt werden könne.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58; nachfolgend: RL 2011/95/EU).1. Die rechtliche Beurteilung richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 5 des am 9. August 2019 in Kraft getretenen Gesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1131).Den danach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:§ 13 AsylG(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.(...)§ 14 AsylG(1) Der Asylantrag ist bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. (...)(...)§ 26 AsylG(...)(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,3. sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,4. die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und5. sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.(...)(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. (...)(...)§ 77 AsylG(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)(...)2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.2.1 Die Vorlagefragen sind erheblich für die Entscheidung über das Begehren des Klägers, ihm auf der Grundlage des § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AsylG als Elternteil eines minderjährigen ledigen Schutzberechtigten den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.Der Kläger ist im Sinne des § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG Familienangehöriger nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG und im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG Vater und damit Elternteil des ledigen A. Dieser ist im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG, Art. 18 RL 2011/95/EU subsidiär schutzberechtigt. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ist unanfechtbar (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AsylG). Im Einklang mit § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG hat die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU in Afghanistan als dem Staat, in dem A. Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU zu erleiden, bestanden. Der Kläger ist auch vor der Anerkennung des A. als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, eingereist (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Anerkennung des A. als subsidiär Schutzberechtigter zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylG), bestehen ebenso wenig wie für das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 und § 4 Abs. 2 AsylG in der Person des Klägers.Der Antrag des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes als Elternteil hätte somit Erfolg, wenn im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt A. minderjährig im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG war und der Kläger im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylG die Personensorge für diesen innehatte.§ 26 Abs. 3 AsylG ist der Umsetzung des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu dienen bestimmt (BT-Drs. 17/13063 S. 21). Danach tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in Art. 24 bis Art. 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Der Begriff der Familie und damit auch der Begriff des Familienangehörigen im Sinne der nationalen Anspruchsgrundlage bestimmt sich gemäß der ausdrücklichen Verweisung in § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG nach Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU. Gemäß Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU zählt zu den ""Familienangehörigen"" der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese Person minderjährig und nicht verheiratet ist, unter anderem deren Vater, sofern sich dieser im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhält und die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat. Dem Wortlaut der Norm ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Minderjährigkeit der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, maßgeblich ist und ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Grenzen die Eigenschaft des Vaters als Familienangehöriger auch nach Eintritt der Volljährigkeit der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, fortdauert.2.2 Die Vorlagefragen bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.a) Mit der Vorlagefrage zu 1. möchte das vorlegende Gericht wissen, auf welchen Zeitpunkt in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden für die Beurteilung der Frage, ob der Schutzberechtigte ""minderjährig"" im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU ist, abzustellen ist.Die nationale Rechtsprechung stellt bislang teilweise - entsprechend dem im nationalen Asylprozessrecht allgemein geltenden Grundsatz des § 77 AsylG - auch für die Minderjährigkeit des Schutzberechtigten auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag des Elternteils (der nach dem deutschen Umsetzungskonzept immer auch auf den in der Rechtsfolge identischen, abgeleiteten Familienschutz gerichtet ist) ab. Teilweise wird es hingegen für ausreichend gehalten, dass der Schutzberechtigte im Zeitpunkt der Asylantragstellung des Elternteils noch minderjährig war. Insoweit wird zur Begründung zumeist auf die unionsrechtlichen Vorgaben abgestellt und die ausdrückliche Zeitpunktfixierung beim abgeleiteten internationalen Schutz für Kinder (vgl. § 26 Abs. 2 AsylG) trotz hier fehlender Regelung auf den internationalen Elternschutz übertragen.Dem Wortlaut des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU lassen sich insoweit im Kontext der Zuerkennung des subsidiären Schutzes als Elternteil eindeutige Erkenntnisse nicht entnehmen. Der Umstand, dass Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU ausdrücklich zwischen den Zeitformen Perfekt (hinsichtlich der Zuerkennung des internationalen Schutzes und des Bestehens der Familie im Herkunftsstaat) und Präsens (hinsichtlich des Aufenthalts, der Verantwortlichkeit für den Schutzberechtigten und der Minderjährigkeit) differenziert, könnte darauf hindeuten, dass für die Minderjährigkeit des Schutzberechtigten auf einen aktuellen Zeitpunkt abzustellen ist, etwa auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den (Asyl-)Antrag des Elternteils. Das Erfordernis des Zusammenhangs zwischen dem Asylantrag des Schutzberechtigten und dem Aufenthalt des Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat dürfte ebenfalls dafür streiten, dass für die Beurteilung der Minderjährigkeit des Schutzberechtigten frühestens ein Zeitpunkt nach Aufenthaltsbegründung des Familienangehörigen maßgeblich ist. Hierauf mögen in richtliniensystematischer Hinsicht auch die Inbezugnahme der die Asylsuchenden ""begleitenden"" Familienangehörigen in Erwägungsgrund 16 Satz 2 RL 2011/95/EU sowie der in Art. 23 und in Erwägungsgrund 18 Satz 2 RL 2011/95/EU verankerte Grundsatz (der Wahrung) des Familienverbands weisen. In teleologischer Hinsicht dürften die Grundsätze der Wahrung des Kindeswohls, der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit sowie der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts tendenziell gegen eine Beurteilung der Minderjährigkeit zu einem Zeitpunkt sprechen, in dem das Verfahren bereits weit fortgeschritten ist. Bei im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig gewordenen Ausländern ist eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes an einen nachgereisten Elternteil indes zur Wahrung des Wohls eines Kindes objektiv nicht mehr geeignet.Die Vorlagefrage zu 1. und auch die weiteren Fragen beziehen sich auf eine Fallkonstellation, in welcher der schutzberechtigte Familienangehörige, von dem ein Schutzstatus abgeleitet werden soll, nicht als Flüchtling anerkannt worden ist, sondern ihm allein ein subsidiärer Schutzstatus zuerkannt worden ist. Für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts mag insoweit zwischen einem international Schutzberechtigten unterschieden werden, für den die Flüchtlingseigenschaft anerkannt worden ist (Art. 13 ff. RL 2011/95/EU), und einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dem der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist (Art. 18 f. RL 2011/95/EU). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellt Erwägungsgrund 21 RL 2011/95/EU klar, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ein deklaratorischer Akt ist. In seinem zu Art. 2 Buchst. f RL 2003/86/EG ergangenen Urteil vom 12. April 2018 - C 550/16 [ECLI:EU:C:2018:248] - Rn. 53 f. hat der Gerichtshof der Europäischen Union daraus abgeleitet, dass bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen nach der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz gemäß Kapitel II der Richtlinie 2011/95/EU ein subjektives Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht, und zwar noch bevor hierzu eine förmliche Entscheidung ergangen ist, so dass es für das Recht auf Familienzusammenführung nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. a RL 2003/86/EG nicht darauf ankommen könne, zu welchem Zeitpunkt die zuständige nationale Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheide. Unabhängig von der Frage, ob die zu der Definition des Art. 2 Buchst. f RL 2003/86/EG ergangene Rechtsprechung auf die nahezu gleichlautende Definition des Art. 2 Buchst. l RL 2011/95/EU und/oder den nach Art. 23 RL 2011/95/EU zu wahrenden Familienverband zu übertragen ist, fehlt es für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes an einem vergleichbaren Erwägungsgrund, welcher die erforderliche Zuerkennung als (rein oder primär) deklaratorischen Akt ausgestaltet. Für eine Unterscheidung zwischen der Anknüpfung an einen Flüchtlingsschutz, bei dem eine Erstreckung der zielgerichteten Verfolgung wegen (fort-)bestehender familiärer Nähe auf Familienangehörige nicht auszuschließen ist, und der Anknüpfung an die Zuerkennung subsidiären Schutzes mag weiterhin sprechen, dass in diesen Fällen ein Elternteil von seinem Kind subsidiären Familienschutz ableiten möchte, ohne selbst stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht zu haben, bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr zu laufen, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 RL 2011/95/EU zu erleiden; die Vermutung einer Verfolgungserstreckung, die an familiäre Beziehungen anknüpft, ist hier regelmäßig gerade nicht gerechtfertigt.b) Die Vorlagefrage 2.a) dient für den Fall, dass die Vorlagefrage 1. dahingehend beantwortet wird, dass maßgeblich für die Beurteilung der Minderjährigkeit der Zeitpunkt der Stellung des auf die Gewährung internationalen Schutzes gerichteten Antrages, sei es des Schutzberechtigten, sei es des Familienangehörigen, ist, der Klärung der Anschlussfrage, ob als Zeitpunkt der Antragstellung der Zeitpunkt der Anbringung des materiellen Asylgesuchs oder der Zeitpunkt der förmlichen Stellung des Asylantrages in den Blick zu nehmen ist.Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60; nachfolgend: RL 2013/32/EU) differenziert zwischen der Stellung und der förmlichen Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz. Die Norm verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen so bald wie möglich förmlich zu stellen. Art. 6 Abs. 3 RL 2013/32/EU gestattet den Mitgliedstaaten anzuordnen, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich und/oder an einem bestimmten Ort gestellt werden. Von der Regel des Art. 6 Abs. 3 RL 2013/32/EU begründet Art. 6 Abs. 4 RL 2013/32/EU eine Ausnahme (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-670/16 [ECLI:EU:C:2017:587], Mengesteab - Rn. 101). Danach gilt ungeachtet des Art. 6 Abs. 3 RL 2013/32/EU ein Antrag auf internationalen Schutz als förmlich gestellt, sobald den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller vorgelegtes Formblatt oder, sofern nach nationalem Recht vorgesehen, ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Im Einklang mit Art. 6 Abs. 2 bis 4 RL 2013/32/EU bedarf das materielle Asylgesuch nach § 13 Abs. 1 AsylG keiner bestimmten Form, während der Asylantrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes förmlich zu stellen ist. Erst mit der förmlichen Entgegennahme des Asylgesuchs durch die zuständige Stelle wird dieses aktenkundig und Gegenstand eines asylrechtlichen Verwaltungsverfahrens.Für eine Beurteilung der Minderjährigkeit im Zeitpunkt der förmlichen Stellung des Antrages könnte streiten, dass Art. 6 RL 2013/32/EU die Mitgliedstaaten ermächtigt, eine förmliche Antragstellung vorzusehen, und ihnen allein aufgibt, diese so bald wie möglich zu ermöglichen, ohne insoweit konkrete Zeitvorgaben zu machen. Wenngleich damit konkrete Mindest-, Regel- oder Höchstfristen nicht vorgegeben werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 - 1 C 18.17 - BVerwGE 162, 331 Rn. 19), ist die förmliche Antragstellung doch unverzüglich, mithin ohne schuldhaftes Zögern zu ermöglichen. Nicht unzweifelhaft ist indes, ob ein Abstellen auf die förmliche Antragstellung den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit sowie dem effet utile gerecht wird.c) Die Vorlagefrage 2.b) zielt, sofern für die Beurteilung der Minderjährigkeit des Schutzberechtigten maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einreise des Familienangehörigen im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU oder auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages durch diesen abzustellen ist, auf die Klärung, ob dies auch für den Fall gilt, dass zu diesem Zeitpunkt über den Schutzantrag des später als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Schutzberechtigten noch nicht entschieden war.d) Mit der Vorlagefrage 3.a) wird eine weitere Klärung der übergreifenden Voraussetzungen des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU angestrebt, wonach sich der Familienangehörige im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten und die Familie bereits im Herkunftsstaat bestanden haben muss.Klärungsbedürftig ist insoweit, welche materiellen Anforderungen Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU in einer Situation wie der vorliegenden an den ""Zusammenhang"" mit dem Antrag auf internationalen Schutz, an den ""Aufenthalt"" in demselben Mitgliedstaat und an den ""Bestand"" der Familie ""bereits"" im Herkunftsstaat stellt. Insbesondere bedarf insoweit einer Klärung, ob das Familienleben im Sinne des Art. 7 GRC zwischen dem Schutzberechtigten und dem Familienangehörigen, hier dem Elternteil, im Aufnahmemitgliedstaat wiederaufgenommen worden sein muss oder ob für die Bejahung der Eigenschaft als Familienangehöriger der bloße zeitgleiche Aufenthalt des Schutzberechtigten und des Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat ausreicht.Nach dem Wortlaut des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU liegt es nahe, den Merkmalen ""Aufenthalt im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz"" und ""Bestand der Familie bereits im Herkunftsland"" die Bedeutung beizumessen, dass allein ein zeitgleicher Aufenthalt des Schutzberechtigten und seines Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat nicht genügt. Dem Erfordernis des Bestands der Familie bereits im Herkunftsstaat liegt die Annahme zugrunde, dass mit der Nähe der Angehörigen der Kernfamilie zu dem schutzrelevanten Geschehen in dem Herkunftsland regelmäßig auch eine potentielle eigene Gefährdung des Familienangehörigen einhergeht (vgl. Erwägungsgrund 36 RL 2011/95/EU). In diese Richtung könnte auch die Richtliniensystematik weisen, für die Art. 23 und die Erwägungsgründe 16, 18 und 19 RL 2011/95/EU in den Blick zu nehmen sind. Art. 23 Abs. 1 RL 2011/95/EU dient der Aufrechterhaltung des Familienverbands. Art. 23 Abs. 5 RL 2011/95/EU erstreckt den Anwendungsbereich des Artikels über die in Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU bezeichneten Familienangehörigen hinaus auf andere enge Verwandte, die zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftslandes innerhalb des Familienverbands lebten und zu diesem Zeitpunkt vollständig oder größtenteils von der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, abhängig waren. Beiden Bestimmungen ist zu entnehmen, dass Art. 23 RL 2011/95/EU insbesondere den Schutz der abhängigen Mitglieder des Familienverbands, vor allem der minderjährigen Kinder, bezweckt. Zur Realisierung dieses Schutzzieles begünstigt die Vorschrift auch die von ihr erfassten weiteren Familienangehörigen. Dieses Normverständnis dürfte durch die Erwägungsgründe 18 und 19 RL 2011/95/EU gestützt werden. Erwägungsgrund 18 RL 2011/95/EU hält die Mitgliedstaaten zur vorrangigen Berücksichtigung des Wohls des Kindes an und verweist insoweit insbesondere auf den Grundsatz des Familienverbands. Nach Erwägungsgrund 19 RL 2011/95/EU muss der Begriff ""Familienangehörige"" ausgeweitet werden, wobei den unterschiedlichen besonderen Umständen der Abhängigkeit Rechnung zu tragen und das Wohl des Kindes besonders zu berücksichtigen ist. Auch Erwägungsgrund 16 RL 2011/95/EU, ausweislich dessen die Richtlinie auf die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylsuchende und die sie ""begleitenden"" Familienangehörigen zielt, steht einer Auslegung, die eine Wiederherstellung des Familienverbands unter tatsächlicher Ausübung elterlicher Sorge zum Wohl des Kindes voraussetzt, nicht entgegen; dabei verkennt der Senat nicht, dass das Wort ""begleitenden"" auch für ein weiteres Verständnis offen ist (vgl. zum Verständnis des ""Begleitens"" im unionsbürgerrechtlichen Kontext BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 1 C 9.18 - InfAuslR 2019, 277 Rn. 20 f. auch unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14 [ECLI:EU:C:2015:476], Singh u.a. - Rn. 54). Teleologisch spricht einiges dafür, dass Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU durch die Begrenzung des Begriffs der Familienangehörigen auf die Mitglieder der Kleinfamilie (Eltern und ihre minderjährigen Kinder), durch die Herstellung eines ""Zusammenhangs mit dem Antrag auf internationalen Schutz"" und durch die Anknüpfung an den ""Bestand der Familie im Herkunftsland"" die Wiederaufnahme eines Familienlebens zwischen den Familienmitgliedern im Sinne des Art. 7 GRC voraussetzt. Art. 7 GRC ist in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls nach Art. 24 Abs. 2 GRC und unter Beachtung des in Art. 24 Abs. 3 GRC niedergelegten Erfordernisses zu lesen, dass das Kind regelmäßig persönliche Beziehungen zu seinen Eltern unterhält (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - C-356/11 und C-357/11 [ECLI:EU:C:2012:776] - Rn. 76). Das Familienleben ist über das Bestehen rechtlicher Bande hinaus durch eine faktische Familieneinheit (vgl. EGMR, Urteil vom 2. November 2010 - Nr. 3976/05 [ECLI:CE:ECHR:2010:1102JUD000397605], Yigit/Türkei - Rn. 93) und eine ausgeprägte familiäre Nähe zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1992 - 9 C 63.91 - BVerwGE 89, 309 <312 ff.>) gekennzeichnet. Insoweit würde es aus Sicht des vorlegenden Gerichts Bedenken begegnen, von einem Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU auch für den Fall auszugehen, dass der Zweck des Aufenthalts des antragstellenden Elternteils im Aufnahmemitgliedstaat nach den Umständen des Einzelfalles nicht zumindest auch darauf gerichtet ist, die Verantwortlichkeit für das schutzberechtigte minderjährige ledige Kind zu übernehmen.e) Die Vorlagefrage 3.b) knüpft an die Vorlagefrage 3.a) an und zielt auf die Klärung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung einer Wiederaufnahme des Familienlebens im Sinne des Art. 7 GRC zwischen dem Schutzberechtigten und dem Elternteil im Aufnahmemitgliedstaat.Den unter d) dargelegten Zielen des Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU dürfte es aus Sicht des vorlegenden Gerichts kaum entsprechen, falls sich ein Asylantragsteller zur Begründung seiner Eigenschaft als Familienangehöriger ohne jede zeitliche Begrenzung auf die Wiederaufnahme des Familienlebens berufen dürfte. Das Merkmal ""im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz"" könnte insoweit dafür streiten, dass Art. 2 Buchst. j RL 2011/95/EU voraussetzt, dass die Wiederherstellung der faktischen Familieneinheit innerhalb einer bestimmten Frist nach der Einreise zu erfolgen hat.Die Wörter ""verantwortlich"" und ""minderjährig [...] ist"" in Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU deuten zudem darauf hin, dass der Schutzberechtigte zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Wiederherstellung der Familieneinheit im Aufnahmemitgliedstaat noch minderjährig im Sinne des Art. 2 Buchst. k RL 2011/95/EU gewesen sein muss.f) Mit der Vorlagefrage 4. soll geklärt werden, ob die Eigenschaft eines Asylantragstellers als Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Schutzberechtigten und einem damit verbundenen Wegfall der Verantwortlichkeit für eine Person, die minderjährig und nicht verheiratet ist, endet.Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU bestimmt, dass der Vater der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Familienangehöriger ist, wenn die Person minderjährig ist, er sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhält und die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat. Das Anknüpfen der Eigenschaft als Familienangehöriger an den in Art. 2 Buchst. k RL 2011/95/EU begrenzten Zeitraum der Minderjährigkeit des Schutzberechtigten wie auch der mit Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU verfolgte Schutz des Wohles des Kindes könnten dafür streiten, dass die Eigenschaft des Vaters als Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Schutzberechtigten entfällt.Sollte die Eigenschaft des Vaters des Schutzberechtigten als Familienangehöriger im Sinne des Art. 2 Buchst. j Spiegelstrich 3 RL 2011/95/EU grundsätzlich auch über den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes hinaus fortbestehen, bedarf es der Klärung, ob diese Eigenschaft - über die Situation einer Beendigung des Aufenthalts des Vaters in dem Aufnahmemitgliedstaat oder der Schutzberechtigung des Kindes hinaus - zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses entfällt.3. Der Senat sieht mit Blick auf die Gründe des dem Verfahren C-272/19 des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrunde liegenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 28. März 2019 - 6 K 1016/15 - (juris) keine Veranlassung, an seiner Berechtigung zu einer Vorlage nach Art. 267 AEUV zu zweifeln." bverwg_2019-59,29.08.2019,"Pressemitteilung Nr. 59/2019 vom 29.08.2019 EN Kein presserechtlicher Anspruch auf Auskunft zu steuerlichen Daten Die Offenbarung von Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen, ist auch bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen nur zulässig, soweit hierfür ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Journalist. Er begehrt vom Finanzministerium des beklagten Landes nähere Auskünfte zu einem Einsatz von Polizei und Steuerfahndung in einem Swinger-Club im September 2011, über den er seinerzeit in einer überregionalen Tageszeitung berichtet hat. Sein Auskunftsbegehren richtet sich u.a. darauf, wie lange der Einsatz gedauert hat, wer bei dem Einsatz federführend war und ihn veranlasst hat, ob Beweismaterial gesichert worden ist und ob es Festnahmen gegeben hat oder Haftbefehle erlassen worden sind. Das Finanzamt verweigerte die erbetenen Auskünfte unter Hinweis auf das Steuergeheimnis; Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos.  Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Auslegung der Vorschrift zum Steuergeheimnis - § 30 der Abgabenordnung (AO) - durch das Berufungsgericht ist mit revisiblem Recht vereinbar. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit nicht gebietet, § 30 AO einschränkend dahin auszulegen, dass bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen stets eine „offene“ Einzelfallabwägung vorzunehmen bzw. eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff  des „zwingenden öffentlichen Interesses“ in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO bietet ausreichend Raum, um der Pressefreiheit Rechnung zu tragen und die spezifischen Einzelfallumstände abzuwägen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung begegnet keinen Bedenken.   BVerwG 7 C 33.17 - Urteil vom 29. August 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 15 A 651/14 - Urteil vom 18. Oktober 2017 - VG Düsseldorf, 26 K 5622/12 - Urteil vom 21. Februar 2014 -","Urteil vom 29.08.2019 - BVerwG 7 C 33.17ECLI:DE:BVerwG:2019:290819U7C33.17.0 EN Presserechtlicher Auskunftsanspruch und Steuergeheimnis Leitsatz: Beim Zusammentreffen von presserechtlichem Auskunftsanspruch und Steuergeheimnis ist im Wege der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des zwingenden öffentlichen Interesses nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem Interesse an der Vertraulichkeit vom Steuergeheimnis geschützter Daten und gegenläufigen öffentlichen Interessen herzustellen. Bei dieser vom Gesetzgeber vorgeprägten Abwägung findet auch das nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Informationsinteresse der Presse Berücksichtigung. Rechtsquellen GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2 AO § 30 Abs. 1, 2 und 4 Nr. 5 PresseG NW § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Instanzenzug VG Düsseldorf - 21.02.2014 - AZ: VG 26 K 5622/12 OVG Münster - 18.10.2017 - AZ: OVG 15 A 651/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 33.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290819U7C33.17.0] Urteil BVerwG 7 C 33.17 VG Düsseldorf - 21.02.2014 - AZ: VG 26 K 5622/12 OVG Münster - 18.10.2017 - AZ: OVG 15 A 651/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2019 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger ist Journalist bei einer überregionalen Tageszeitung. Er begehrt vom Beklagten Auskünfte zu einem Einsatz von Polizei und Steuerfahndung am 10. September 2011 in einem Swinger-Club in W. 2 Am 11. September 2011 veröffentlichte der Kläger einen Artikel, in dem er über einen Polizeieinsatz in W. berichtete, bei dem ""150 Polizeibeamte und 30 Steuerfahnder mit Schutzhunden"" das Gelände, auf dem ein Swinger-Club betrieben werde, gestürmt hätten. Bei dem Einsatz sei auch ein Panzerwagen eingesetzt worden. Die Fahnder hätten Beweise für Steuerbetrug gesucht und hierbei den Eigentümer des Gebäudes, der Anhänger der Rocker-Gruppe ""H."" sei, im Visier gehabt. Auch dessen Wohnung in K. sei durchsucht worden. Nach Auskunft der Polizei V. habe es sich um eine Aktion der Steuerfahndung D. gehandelt, bei der alle anwesenden Personen überprüft worden seien. Unter der Überschrift ""Riesige Swinger-Razzia wegen 70 000 Euro - War's das wirklich wert?"" berichtete der Kläger zudem am 13. September 2011, dass die Razzia durch eine anonyme Anzeige ausgelöst worden sei. Nach Ansicht der Steuerfahndung würden in dem Club regelmäßig Partys ""mit satten Eintrittsgeldern"" veranstaltet, die nicht versteuert worden seien. Wer die Partys veranstalte, sei unklar. 3 Am 12. September 2011 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf § 4 PresseG NW beim Finanzministerium des Beklagten die Erteilung von Auskünften zu fünf - nachfolgend im Revisionsantrag einzeln aufgeführten - den Einsatz betreffenden Fragen. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Berufung auf das Steuergeheimnis ab. 4 Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Oktober 2017 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Auskunftserteilung sei zum Schutz des Steuergeheimnisses ausgeschlossen. Die erbetenen Auskünfte bezögen sich sämtlich auf die steuerlichen Verhältnisse eines individualisierbaren Dritten. Trotz der Berichterstattung durch den Kläger könne auch die mit der ersten Frage begehrte Auskunft, ob am 10. September 2011 ein behördlicher Einsatz der Polizei und Steuerfahndung D. im Swinger-Club ""..."" in W. stattgefunden habe, noch unbefugt offenbart werden. Insoweit gehe es dem Kläger um eine offizielle Bestätigung seiner nach eigenen Angaben noch ungesicherten Erkenntnisse durch die Finanzverwaltung. Die Offenbarung der begehrten Informationen sei nicht ausnahmsweise zulässig. Es fehle an dem dafür erforderlichen zwingenden öffentlichen Interesse. Der unbestimmte Rechtsbegriff des ""zwingenden öffentlichen Interesses"" biete ausreichend Raum, um der Pressefreiheit Rechnung zu tragen. Es sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber dem Steuergeheimnis grundsätzlich Vorrang eingeräumt und keine umfassende Einzelfallabwägung vorgesehen habe. Eine Auskunft dazu, wer den Einsatz veranlasst hat und wem die Federführung oblag, sei zudem nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NW ausgeschlossen. Die im Rahmen dieser Vorschrift erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen führe zu einem Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen. Im Falle einer Veröffentlichung dieser Informationen drohten erhebliche Gefahren für die betroffenen Personen. 5 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausführt: 6 Das Oberverwaltungsgericht habe den Schutzbereich des Steuergeheimnisses so weit gefasst, dass kein Raum mehr für die verfassungsrechtlich geschützte Presse bleibe. Mit Hilfe der begehrten Informationen sei weder ein sicherer Rückschluss auf einzelne Personen möglich noch habe der Beklagte dargetan, dass der Einsatz einen Bezug zu einem Steuerverhältnis habe. Geschützt seien zudem nur solche Daten, die der Steuerpflichtige selbst preisgegeben habe. In Wahrheit missbrauche der Beklagte das Steuergeheimnis für eigene, sachfremde Zwecke. Von der Antwort auf die erste Frage erwarte er keine neuen Erkenntnisse, sondern eine amtliche Bestätigung des Einsatzes, der gesteigerte Beweiskraft zukomme. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass § 30 AO keine Einzelfallabwägung vorsehe, weil die Pressefreiheit bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des ""zwingenden öffentlichen Interesses"" im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO angemessen berücksichtigt werden könne, sei unzutreffend. Beim Zusammentreffen von presserechtlichen Auskunftsansprüchen und dem Steuergeheimnis stehe dem Gesetzgeber keine Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis zu. Das gesetzlich vorgesehene Tatbestandsmerkmal des ""unbefugten Offenbarens"" verlange vielmehr eine offene Abwägung der widerstreitenden Interessen. Diese müsse, wenn es - wie hier - um den Bereich Steuer- und organisierte Kriminalität sowie eine mögliche Verschwendung von Steuergeldern für unverhältnismäßige Einsätze gehe, regelmäßig zugunsten der Presse ausfallen. Die begehrten Informationen beträfen nur die Sozialsphäre der Betroffenen und hätten nur staatliches Handeln zum Gegenstand. Ungeachtet dessen sei die Auskunftserteilung nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO im zwingenden öffentlichen Interesse zulässig, weil Kernfragen des demokratischen Rechtsstaats betroffen seien. 7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Auskunft auf folgende Fragen zu erteilen: 1. Hat am Samstagabend, den 10. September 2011, ein behördlicher Einsatz der Polizei und Steuerfahndung D. im Swinger-Club ""..."" in W. stattgefunden? 2. Wie lange dauerte der Einsatz? 3. Wer war bei diesem Einsatz federführend und wer hat ihn veranlasst? 4. Wurde bei diesem Einsatz Beweismaterial gesichert? 5. Hat es Festnahmen gegeben oder wurden Haftbefehle erlassen? 8 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 9 Er verteidigt das angefochtene Urteil. II 10 Die zulässige Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) bzw. stellt sich, soweit es um die Ausführungen zum Offenbaren der mit Frage 1 begehrten Auskunft geht, jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 11 1. Die revisionsrichterlicher Nachprüfung unterliegende Auslegung des - während des Revisionsverfahrens geänderten (siehe dazu nachfolgend unter 2.a)) - § 30 AO, der die Grenzen des landespresserechtlichen Auskunftsanspruchs im Hinblick auf steuerliche Daten bestimmt, durch das Berufungsgericht begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 12 Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist es auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber der Wahrung des Steuergeheimnisses in § 30 AO grundsätzlich Vorrang eingeräumt und keine ""offene"" Abwägung im Einzelfall vorgesehen hat. Der Gesetzgeber sei zwar verpflichtet, dem Postulat der Pressefreiheit überall dort Rechnung zu tragen, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berühre. Hierfür biete der unbestimmte Rechtsbegriff des zwingenden öffentlichen Interesses in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO aber ausreichend Raum. Hiergegen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. 13 a) Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Pressefreiheit dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert nach seinem objektiv-rechtlichen Gehalt auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 - BVerfGE 80, 124 <133>; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27). Neben der Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen schützt die Pressefreiheit auch den gesamten Bereich publizistischer Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere die Beschaffung von Informationen gehört. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle bei der demokratischen Meinungs- und Willensbildung wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - AfP 2000, 559 <260>, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 - BVerfGE 103, 44 <59> und Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 16). Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, die Rechtsordnung in einer Weise auszugestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung erlaubt. Dazu gehört auch die Schaffung behördlicher Auskunftspflichten, die es der Presse ermöglichen oder erleichtern, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten, und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 14; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04 - DVBl. 2005, 980 <981> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 21. März 2019 - 7 C 26.17 - NVwZ 2019, 1283 Rn. 22 m.w.N.). 14 b) Nach der ständigen - auch vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht dem Gesetzgeber bei der Normierung presserechtlicher Auskunftsregeln ein weiter Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich der Gewichtung und des Austarierens der widerstreitenden Interessen bei der Formulierung von Versagungsgründen zu. Dabei ist er grundsätzlich nicht gehindert, auf der Grundlage typisierender bzw. pauschalierender Interessengewichtungen und -abwägungen bestimmte behördliche Funktionsbereiche von der Pflicht zur Auskunftserteilung ganz auszunehmen; entscheidend ist, dass die Auskunftsregeln insgesamt hinreichend effektiv sind, d.h. der Presse im praktischen Gesamtergebnis eine funktionsgemäße Betätigung sichern (vgl. Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 und vom 21. März 2019 - 7 C 26.17 - NVwZ 2019, 1283 Rn. 23 m.w.N.). Die dem Auskunftsanspruch entgegenstehenden Ausschlussgründe müssen einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung getragen wird, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist. Ungeachtet seiner rechtlichen Verortung darf ein genereller, abwägungsfester Vorrang eines privaten oder öffentlichen Vertraulichkeitsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse nur dann normiert werden, wenn dies demjenigen Abwägungsergebnis entspricht, das in aller Regel in Einzelfällen tatsächlich erzielt würde (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 31 m.w.N. und vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 - NVwZ 2019, 473 Rn. 18). 15 c) Diese Grundsätze sind auf die bundesrechtliche Regelung des § 30 AO, die nicht in einem speziell presserechtlichen Kontext erlassen worden ist, sondern die Grenzen des Zugangs zu steuerlichen Daten allgemein bestimmt, in Ansehung presserechtlicher Auskunftsansprüche entsprechend anzuwenden. Gemessen daran hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Pressefreiheit im Rahmen von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ausreichend berücksichtigt werden kann. Der verfassungsrechtlich gewährleistete Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse gebietet es entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht, den Begriff des unbefugten Offenbarens im Sinne von § 30 Abs. 2 AO weit auszulegen und dort eine normativ nicht vorgeprägte Einzelfallabwägung zu verorten. 16 § 30 AO räumt dem Steuergeheimnis keinen generellen, unüberwindbaren Vorrang ein, sondern lässt im zwingenden öffentlichen Interesse Ausnahmen vom Verbot der Offenbarung zu. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ermöglicht so eine im Einzelfall verhältnismäßige Anwendung. Die darin enthaltene Aufzählung von Anwendungsfällen eines zwingenden öffentlichen Interesses ist nicht abschließend und lässt Raum für unbenannte Konstellationen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - juris Rn. 15 und 18 f.). Damit ist den Anforderungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genügt, weil keine generalisierende Prüfung erfolgt, sondern die spezifischen Einzelfallumstände in eine Abwägung eingestellt werden können (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 19). Die Regelbeispiele engen den Spielraum für die behördliche Entscheidung zwar insoweit ein, als für eine freie Abwägung im Einzelfall kein Raum mehr bleibt, weil der Gesetzgeber damit den Maßstab für das zwingende öffentliche Interesse vorgegeben und die Behörde sich hieran auch für die Anwendung auf unbenannte Fälle zu orientieren hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - juris Rn. 15). Das begegnet aber keinen Bedenken. Die Regelbeispiele sind das Ergebnis einer wertenden Betrachtung der normativen Eigenarten des hier betroffenen Verwaltungsbereichs durch den Gesetzgeber. Eine solche bereichsspezifische Vorstrukturierung und Vorprägung der Abwägung ist dem Gesetzgeber auch in Ansehung der Pressefreiheit nicht versagt. Im Gegenteil war gerade der (Steuer)Gesetzgeber dazu berufen, sachspezifisch die hier geregelte Problemlage in den Blick zu nehmen und den Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Sachmaterie Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 31 ff. und vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 66). Diese Aufgabe hat er wahrgenommen und selbst abgewogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 45). 17 d) Wenn § 30 AO für die Offenbarung von Steuerdaten hohe Hürden errichtet, kommt darin zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber das private und öffentliche Interesse an der Vertraulichkeit steuerlicher Daten als gewichtig einschätzt. Die besondere Schutzbedürftigkeit steuerlicher Daten ist auch in der Rechtsprechung anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt § 30 AO das Steuergeheimnis als Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten des Steuerrechts. Die Vorschrift dient zum einen dem privaten Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen und der anderen zur Auskunftserteilung verpflichteten Personen. Zugleich wird mit ihr der Zweck verfolgt, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlich relevanten Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, d.h. insbesondere auch gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Diese im Rechtsstaatsprinzip und im Gleichbehandlungsgebot verankerten öffentlichen Interessen haben einen hohen Rang, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgeht (BVerfG, Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 BvE 11/83 - BVerfGE 67, 100 <139 f.>). Das Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses ist als solches zwar kein Grundrecht, jedoch eine auf verfassungsrechtlichen Verbürgungen beruhende ""Abwehranspruchsnorm"", die dazu dient, Grundrechte des Steuerbürgers zu schützen und zu realisieren (vgl. Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Oktober 2002, § 30 AO Rn. 12). Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse kann durch das grundrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geboten sein (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - NJW 2008, 3489). Vor diesem Hintergrund war der Gesetzgeber nicht gehalten, den Zugang zu steuerlichen Daten bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen einer freien Einzelfallabwägung durch die zuständigen Behörden zu überantworten. Der Einwand des Klägers, die Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO komme nur für Verwaltungsbehörden zum Tragen, greift nicht durch. Das Tatbestandsmerkmal des zwingenden öffentlichen Interesses erfasst auch die Belange der Presse, die ihre Rolle bei der demokratischen Meinungs- und Willensbildung im öffentlichen Interesse wahrnimmt. 18 Aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - (NVwZ 2016, 50 Rn. 12) ergibt sich nichts Anderes. Soweit dort ausgeführt wird, ""die untereinander im wesentlichen inhaltsgleichen Auskunftsansprüche in den Landespressegesetzen zielten auf eine Abwägung"", folgt daraus nicht, dass für presserechtliche Auskunftsansprüche stets eine freie Einzelfallabwägung vorzusehen ist. Dass gerade Geheimhaltungsvorschriften im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Landespressegesetze regelmäßig nicht auf eine freie Einzelfallabwägung ausgerichtet sind und es überdies spezielle Funktionsbereiche geben mag, bei denen die Vertraulichkeitsinteressen so großes Gewicht haben, dass selbst die Pressefreiheit sie nicht überwinden kann, wird durch diese Formulierung ebenso wenig in Frage gestellt wie die generelle Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. In welcher Weise er von dieser Befugnis Gebrauch macht, ist aber bereichsspezifisch zwangsläufig verschieden. 19 Die Presse kann ihre Informations- und Kontrollfunktion im Steuerbereich auch dann noch effektiv wahrnehmen, wenn das Steuergeheimnis nur zugunsten eines zwingenden öffentlichen Interesses durchbrochen werden darf. Eine auf andere Quellen gestützte Presseberichterstattung über Steuerfälle, an denen kein solchermaßen qualifiziertes Interesse besteht, wird damit nicht ausgeschlossen. Dies belegen nicht zuletzt die vom Kläger verfassten Artikel vom 11. und 13. September 2011 über den hier streitgegenständlichen Einsatz. 20 2. Auch die Anwendung des § 30 AO durch das Oberverwaltungsgericht verstößt - soweit es um die mit den Fragen Nr. 2 bis 5 begehrten Auskünfte geht - nicht gegen revisibles Recht. Ob dies auch hinsichtlich der Ausführungen zum Offenbaren der mit der Frage Nr. 1 begehrten Auskunft gilt, kann dahinstehen. Das Urteil ist insoweit jedenfalls im Ergebnis richtig. 21 a) Die angegriffene Entscheidung ist nicht in einen Bundesrechtsverstoß ""hineingewachsen"", weil § 30 AO während des Revisionsverfahrens durch Art. 17 Nr. 8 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist. Zwar müsste das Berufungsgericht seinem Urteil, wenn es heute zu entscheiden hätte, die mit Wirkung vom 25. Mai 2018 in Kraft getretene Fassung des § 30 AO zugrunde legen. Die hier relevanten (Teil)Regelungen von § 30 AO haben aber durch die mit der Novellierung vorgenommene Anpassung dieser Vorschrift an die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DS-GVO - ABl. L 119 S. 1) keine materielle Änderung erfahren. 22 Mit der Ersetzung des Begriffes der ""Verhältnisse eines anderen"" in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F. durch den Begriff der ""personenbezogenen Daten eines anderen"" in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO ist keine sachliche Änderung verbunden; hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drs. 18/12611, S. 81). Gleiches gilt für die Ergänzung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a AO um weitere Regelbeispiele eines zwingenden öffentlichen Interesses, in denen - in Anlehnung an die Neufassung des § 23 Abs. 1 Nr. 4 BDSG (vgl. BT-Drs. 18/12611, S. 82) nach Art eines allgemeinen Auffangtatbestandes (vgl. Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, 28. Edition, Stand 1. Mai 2018, § 23 BDSG Rn. 24) - die Offenbarung zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist (vgl. Tormöhlen, in: Gosch, AO/FGO, Stand Juni 2018, § 30 Rn. 137.7; in diesem Sinne wohl auch Rüsken, in: Klein, AO, 14. Aufl. 2018, § 30 Rn. 183). Bereits zu der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ist die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte übereinstimmend davon ausgegangen, dass ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung vom Steuergeheimnis geschützter Daten in solchen Fällen, die nicht den Regelbeispielen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO unterfallen, nur dann anzunehmen ist, wenn ohne eine Offenbarung der Daten die Gefahr bestünde, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <6> m.w.N.; BFH, Urteil vom 10. Februar 1987 - VII R 77.84 - BFHE 149, 387 Rn. 19 m.w.N.; BAG, Urteil vom 21. Juni 2001 - 2 AZR 325.00 - NZA 2002, 1030 <1032> m.w.N.; BGH, Beschluss vom 10. August 2001 - RiSt (R) 1.00 - juris Rn. 28 ). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hiervon durch die Ergänzung von § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a AO abrücken wollte, sind nicht ersichtlich. 23 b) Die vom Kläger begehrten Informationen zu dem Einsatz am 10. September 2011 betreffen sämtlich die ""Verhältnisse eines anderen"" bzw. ""personenbezogene Daten eines anderen"" im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F./n.F. 24 Nach der datenschutzrechtlichen Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind ""personenbezogene Daten"" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Darauf, ob die Daten vom Betroffenen selbst in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten preisgegeben worden sind, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, vorliegend gehe es mangels konkreter Darlegungen des Beklagten nur um ein ""hypothetisches Steuerverhältnis"". Dem Schutz des § 30 AO unterliegen auch Informationen, die den Schluss auf ein Steuerverfahren zulassen, so etwa Informationen darüber, ob eine Außenprüfung oder Steuerfahndungsprüfung stattgefunden hat oder ob sich steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen jemanden richten. Bereits die Tatsache der steuerlichen Erfassung oder der Beteiligung an einem anhängigen oder anhängig gewesenen Verwaltungsverfahren wird vom Steuergeheimnis umfasst (vgl. nur Rüsken, in: Klein, a.a.O., § 30 Rn. 43; vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 11. September 2014 - Vf. 67-IVa-13 - NVwZ-RR 2015, 81 Rn. 44). 25 Für die Personenbeziehbarkeit einer Information genügt es, wenn die Angaben vom Informationsempfänger aufgrund von diesem zugänglichen Zusatzwissen mit der betreffenden Person verknüpft werden können (vgl. Gola, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 18; siehe auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 41). Von diesem Maßstab ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat festgestellt, dass die vom Einsatz betroffene Person für den Kläger und für Personen aus dem näheren Umfeld des Clubs identifizierbar wären, weil der Kläger ausweislich seiner Presseberichte über den streitgegenständlichen Einsatz am 10. September 2011 offenbar über zusätzliche Teilinformationen verfüge, die zur Identifizierung des Betroffenen führen können. 26 Diese Feststellungen sind für den Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Individualisierbarkeit personenbezogener Daten Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) und die richterliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) rügt, genügen die Ausführungen in der Revisionsbegründung schon nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung solcher Verfahrensfehler. Der Sache nach wendet sich der Kläger auch insoweit gegen die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die begehrten Informationen stellten personenbezogene Daten dar. Sein Einwand, es handele sich ausnahmslos um Sachdaten ohne erkennbaren Zusammenhang zu irgendwelchen Personen geht indes fehl. Sachdaten sind nur solche, die sich ausschließlich auf eine Sache beziehen. Das ist hier nicht der Fall. Im Hinblick auf die Frage Nr. 1, ob am 10. September 2011 ein behördlicher Einsatz der Polizei und Steuerfahndung D. im Swinger-Club ""..."" in W. stattgefunden hat, ergibt sich die erforderliche Personenbeziehbarkeit schon aus der Bezeichnung der Örtlichkeit. Den mit den Fragen 2 bis 5 erbetenen Informationen zu den näheren Umständen des Einsatzes (Dauer, Veranlasser, Federführung, Sicherung von Beweismaterial, Festnahmen, Erlass von Haftbefehlen) wird der Personenbezug dadurch vermittelt, dass sie in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Frage Nr. 1 stehen. Das Vorbringen des Klägers, es dürfe der Presse nicht zum Nachteil gereichen, dass sie mehr Kenntnisse habe als andere, liegt neben der Sache. Für ein speziell presserechtliches Verständnis des Begriffs ""personenbezogene Daten"" besteht kein Anlass. 27 c) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die begehrten Informationen könnten sämtlich noch im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO offenbart werden. Ob diese Annahme auch bezüglich der Frage Nr. 1 mit Bundesrecht vereinbar ist, ist zweifelhaft, kann aber offenbleiben. 28 Eine Offenbarung ist jede Handlung, die bewirkt, dass geheim zu haltende Tatsachen einem Dritten bekannt werden, der das Geheimnis noch nicht oder noch nicht sicher oder nicht vollständig kennt. Ein ""Offenbaren"" scheidet daher aus, wenn die Daten schon öffentlich bekannt sind. Die Bestätigung oder das Dementi einer Behauptung oder eines Gerüchts stellt ein Offenbaren dar, wenn deren Wahrheit oder Unwahrheit noch nicht für jedermann bzw. für den jeweiligen Adressaten offenkundig bzw. zweifelsfrei ist (vgl. Rüsken, in Klein, a.a.O., § 30 Rn. 59 f.; Intemann, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 30 Rn. 96). 29 Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann das Tatbestandsmerkmal des Offenbarens auch bezüglich Frage Nr. 1 noch verwirklicht werden, weil der Kläger zum einen davon ausgehe, dass er durch die Auskunft noch etwas in Erfahrung bringen könne, was er nicht sicher wisse, und zum anderen eine offizielle Bestätigung seiner Vermutungen durch die Finanzverwaltung begehre. Damit knüpft das Oberverwaltungsgericht für seine rechtliche Würdigung maßgeblich an Erklärungen und subjektive Einschätzungen des Klägers an. Es spricht allerdings vieles dafür, dass die Frage, ob eine Information bereits öffentlich bekannt ist oder bisher nur Gerüchts- oder Verdachtscharakter hat und daher noch offenbart werden kann, anhand objektiver Umstände zu beurteilen ist. 30 Dies zugrunde gelegt begegnet die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die mit Frage Nr. 1 begehrte Information könne noch offenbart werden, Zweifeln. In den im Tatbestand des angegriffenen Urteils wiedergegebenen - in der Print- und der Digitalausgabe einer überregionalen Zeitung veröffentlichten - Presseartikeln des Klägers wird über den Einsatz im Swinger-Club ""..."" in W. am 10. September 2011 nicht im Sinne einer Verdachtsberichterstattung berichtet. Insbesondere die Bezugnahme im Artikel vom 11. September 2011 auf die Auskunft der namentlich genannten Sprecherin der Polizei V., bei der Razzia handele es sich um eine Aktion der Steuerfahndung D., transportiert den - von der Polizei begleiteten - Einsatz der Steuerfahndung nicht als Gerücht, sondern als Tatsache. Dem entspricht, dass der Kläger in der Revisionsbegründung betont hat, er erhoffe sich von der Antwort auf diese Frage keine weitere (neue) Erkenntnis, sondern eine behördliche Bestätigung von (beweisbar) tatsächlich erfolgten Geschehnissen, für die er im Übrigen schon in den Vorinstanzen umfangreiches Bildmaterial vorgelegt hat. 31 Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht danach bezogen auf Frage Nr. 1 gegen Bundesrecht verstoßen haben sollte, führt dies gleichwohl nicht zum Erfolg der Revision. Für den Fall, dass insoweit keine personenbezogenen Daten mehr offenbart werden können, weil diese bereits öffentlich bekannt sind, stellt sich das Urteil im Ergebnis mangels Sachbescheidungsinteresse des Klägers jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). 32 Ein Sachbescheidungsinteresse besteht nur dann, wenn der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Handlung der Behörde hat (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23. März 1973 - 4 C 49.71 - BVerwGE 42, 115 <117>; Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 22 Rn. 52 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Das Landespressegesetz vermittelt der Presse einen Anspruch auf Erteilung von Auskünften, die ihr die Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe bei der demokratischen Meinungs- und Willensbildung ermöglichen. Der Auskunftsanspruch dient aber nicht dazu, sich nachträglich eine Information nochmals amtlich von der zuständigen Behörde bestätigen zu lassen, die zuvor bereits eine andere, ebenfalls mit dem Sachverhalt befasste bzw. daran beteiligte amtliche Stelle bestätigt und auf deren Auskunft sich der Antragsteller im Rahmen seiner veröffentlichten Berichterstattung über diesen Sachverhalt gestützt hat. Aus dem Hinweis des Klägers auf die Rechtsprechung zur behördlichen Bestätigung bzw. dem behördlichen Dementi eines Gerüchts folgt nichts anderes. Eine solche Fallgestaltung liegt hier offenkundig nicht vor. 33 d) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an der Offenbarung der begehrten Daten verneint. 34 Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend keines der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. a bis c AO aufgeführten Regelbeispiele erfüllt ist; daran ändert auch die vorstehend unter 2.a) behandelte Ergänzung des Regelbeispiels in Buchstabe a nichts. Die Auffassung des Klägers, sein Auskunftsbegehren unterfalle den Regelbeispielen der Buchstaben b und c liegt neben der Sache. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der streitgegenständliche Sachverhalt von Buchstabe b erfasst wird. Der Kläger ist auch nicht dazu berufen und es ist zudem nicht sein Anliegen, die Finanzbehörde gegen die Verbreitung unwahrer Tatsachen zu schützen oder diese zu ""rehabilitieren"". Sein Vorbringen, die Berichterstattung über Steuerstraftaten liege stets im zwingenden öffentlichen Interesse, wird schon durch § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b AO widerlegt. 35 Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht auch ein sonstiges, den Regelbeispielen in ihrer Bedeutung vergleichbares zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung der Informationen verneint. Voraussetzung dafür ist nach der ständigen Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, dass im Falle des Unterbleibens der Offenbarung die Gefahr bestünde, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <6> m.w.N.; BFH, Urteil vom 10. Februar 1987 - VII R 77.84 - BFHE 149, 387 Rn. 19 m.w.N.; BAG, Urteil vom 21. Juni 2001 - 2 AZR 325.00 - NZA 2002, 1030 <1032> m.w.N.; BGH, Beschluss vom 10. August 2001 - RiSt (R) 1.00 - juris Rn. 28 ). 36 Schwere Nachteile für das allgemeine Wohl können sich im Lichte des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Vermittlungs- und Kontrollauftrages der Presse mit Blick auf einen presserechtlichen Auskunftsanspruch im Einzelfall dann ergeben, wenn es um einen Sachverhalt geht, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Diese Feststellung erfordert eine Bewertung von dessen Gewicht und Bedeutung. Eine unzulässige journalistische Relevanzprüfung im Sinne einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens der Presse geht damit nicht einher. Zwar ist die Entscheidung darüber, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht und welche Informationen für sie vonnöten sind, der Presse vorbehalten (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 19 m.w.N.). Diese Entscheidung ist der normspezifisch vorgeprägten Gewichtung des Informationsinteresses aber vorgelagert und davon zu unterscheiden. 37 Die Subsumtion des Oberverwaltungsgerichts unter die zutreffend erkannten Rechtsmaßstäbe ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage seiner nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Tatsachenfeststellungen ist das Oberverwaltungsgericht unter Orientierung an der Rechtsprechung der Instanzgerichte zum sogenannten ""Schwabinger Kunstfund"" und zur Parteispendenaffäre mit nachvollziehbaren Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes einerseits sowie der Person eines der Gäste andererseits die Annahme eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Offenbarung der Informationen nicht rechtfertigen. Der Einsatz sei weder Gegenstand einer intensiven öffentlichen Diskussion gewesen noch gehe es um Grundfragen des demokratischen Rechtsstaats oder annähernd vergleichbare Kontroll- und Überwachungsinteressen der Bürger. Zudem sei der Kläger auf die Offenbarung der gewünschten Informationen nicht zwingend angewiesen. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang gerügte Gehörsverstoß, den er damit begründet, dass das Oberverwaltungsgericht die Mitgliedschaft des Betroffenen in der international agierenden Gruppierung der ""H."" nicht gewürdigt hat, ist schon nicht ordnungsgemäß dargetan. 38 e) Anders als der Kläger meint, kommt es bei der Anwendung des § 30 AO im Rahmen der Geltendmachung eines presserechtlichen Auskunftsanspruches auf eine Unterscheidung zwischen Auskunfts- und Berichtsstufe nicht an. Liegen die in § 30 Abs. 4 AO bestimmten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Offenbarung geschützter Daten nicht vor, darf die Behörde die Auskunft unabhängig von der beabsichtigten Verwendung nicht erteilen. Das Steuergeheimnis würde nicht erst mit der Veröffentlichung der Daten durch die Presse, sondern bereits mit der Auskunftserteilung gegenüber dem Antragsteller durchbrochen werden. 39 3. Ist nach dem Vorstehenden auch die mit der Frage Nr. 3 begehrte Auskunft vom Steuergeheimnis erfasst und die Offenbarung der Daten nicht ausnahmsweise nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zulässig, kommt es darauf, ob insoweit - wie das Oberverwaltungsgericht angenommen hat - auch der irrevisible Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NW vorliegt, nicht mehr an. Es kann daher dahinstehen, ob die Auslegung und Anwendung dieser Norm durch das Oberverwaltungsgericht mit revisiblem Recht, insbesondere Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG, in Einklang steht. 40 4. Aus Art. 10 EMRK ergibt sich ebenfalls kein Auskunftsanspruch. Zwar werden Auskunftsbegehren der Presse als ""public watchdog"" von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK grundsätzlich erfasst. Auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats ist aber nichts dafür ersichtlich, dass die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Einschränkungen des Auskunftsrechts bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraumes den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht genügen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - NVwZ 2019, 479 Rn. 18 und vom 28. Februar 2019 - 7 C 23.17 - NVwZ 2019, 978 Rn. 22 jeweils m.w.N.). 41 5. Der vom Kläger noch benannte Art. 42 GRCh bezieht sich auf den Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union und ist für Auskünfte durch den Beklagten nicht einschlägig. 42 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-6,23.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 6/2019 vom 23.01.2019 EN Eigentümer von Geldspielgeräten haftet für Vergnügungssteuer Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass eine Gemeinde den Eigentümer von Geldspielgeräten, falls er nicht zugleich der Aufsteller ist, unter bestimmten Umständen für Vergnügungssteuer-Rückstände des Aufstellers haftbar machen kann. Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Geldspielgeräte entwickelt, herstellt und vertreibt. Die beklagte Stadt Karlsruhe erhebt Vergnügungssteuern u.a. für das Bereitstellen von Geldspielgeräten zur Benutzung durch die Öffentlichkeit. Steuerschuldner ist nach der Steuersatzung der Aufsteller der Geräte. Neben dem Aufsteller haftet der Inhaber der Räume, in denen steuerpflichtige Geräte aufgestellt sind. Ist der Aufsteller nicht Eigentümer der Geräte, haftet auch der Eigentümer. Ein Automatenaufsteller hatte von der Klägerin mehrere Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit angemietet. Gemäß den vertraglichen Bestimmungen wurden die Spielgeräte mit einem Bestand von Spielen betriebsbereit ausgeliefert; Software- und Hardwareänderungen waren dem Kunden untersagt. Der Vertragspartner der Klägerin hatte einige Geräte während eines gewissen Zeitraums in (zumindest) einer Gaststätte aufgestellt. Nachdem er die ihm gegenüber festgesetzte Vergnügungssteuer nicht gezahlt hatte und ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden war, nahm die Beklagte zunächst den Gaststättenbetreiber auf Zahlung der rückständigen Steuerschuld i.H.v. ca. 6000 € in Anspruch. Da dieser selbst Zahlungsschwierigkeiten geltend machte und sich nur zur Begleichung des hälftigen Betrages in der Lage sah, setzte die Beklagte die Haftungsschuld auch gegenüber der Klägerin fest und forderte sie zur Zahlung der restlichen ca. 3000 € auf. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe gab der Klage statt und hob den gegenüber der Klägerin ergangenen Haftungsbescheid auf. Dagegen bestätigte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Inanspruchnahme der Klägerin dem Grunde nach und ermäßigte nur die Höhe des Haftungsbetrages. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass eine Gemeinde unter Umständen der hier vorliegenden Art grundsätzlich berechtigt ist, einen Geräteeigentümer zur Haftung für die Spielautomatensteuer heranzuziehen. Indem ein Unternehmen wie die Klägerin Geldspielgeräte an den Aufsteller vermietet oder verpachtet, erstrebt es einen rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolg, der die Nutzung der Automaten durch die Öffentlichkeit, also die Erfüllung des Tatbestandes der Vergnügungssteuer, voraussetzt. Auf diese Weise verschafft das Unternehmen dem Aufsteller zielgerichtet eine Erwerbsposition, die mit dem Steuergegenstand unmittelbar zusammenhängt. Damit steht es in einer derart engen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung zu Gegenstand und Tatbestand der Vergnügungssteuer, dass seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gerechtfertigt ist. Allerdings kann die Haftungsregelung in der Satzung der Beklagten ihrem Wortlaut nach auch Konstellationen erfassen, in denen ein Eigentümer in keiner vergleichbar intensiven Beziehung zu dem steuerrelevanten Sachverhalt steht. Die damit zusammenhängenden Fragen muss der Verwaltungsgerichtshof in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht klären, da hiervon die Wirksamkeit der Satzung und damit die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin abhängt. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an ihn zurückverwiesen. BVerwG 9 C 1.18 - Urteil vom 23. Januar 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 2 S 1506/15 - Urteil vom 29. März 2017 - VG Karlsruhe, 3 K 621/14 - Urteil vom 21. Mai 2015 -","Urteil vom 23.01.2019 - BVerwG 9 C 1.18ECLI:DE:BVerwG:2019:230119U9C1.18.0 EN Haftung für Vergnügungssteuerschuld Leitsätze: 1. Will die Gemeinde in einer Steuersatzung neben dem Steuer- einen Haftungsschuldner bestimmen, bedarf sie dafür einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und eines hinreichenden Sachgrundes. Ein solcher liegt regelmäßig vor, wenn der Haftende in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1). 2. Überlässt der Eigentümer Geldspielgeräte, die wegen ihrer Bauartzulassung (§ 33c Abs. 1 Satz 2, § 33e GewO) nicht verändert werden dürfen, einem Automatenaufsteller entgeltlich zur gewerblichen Nutzung, steht er regelmäßig in einer derart engen Beziehung zum Gegenstand und Tatbestand der Vergnügungssteuer, dass ihn die Gemeinde für die Steuerschuld des Aufstellers haftbar machen kann. Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a AO §§ 33, 39, 44, 74, 191 GewO § 33c Abs. 1 Satz 2, § 33e BGB §§ 99, 449, 535, 581 KAG BW § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 43 Abs. 3 Nr. 2 Instanzenzug VG Karlsruhe - 21.05.2015 - AZ: VG 3 K 621/14 VGH Mannheim - 29.03.2017 - AZ: VGH 2 S 1506/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 23.01.2019 - 9 C 1.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:230119U9C1.18.0] Urteil BVerwG 9 C 1.18 VG Karlsruhe - 21.05.2015 - AZ: VG 3 K 621/14 VGH Mannheim - 29.03.2017 - AZ: VGH 2 S 1506/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und Dr. Dieterich für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. März 2017 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin, die Geldspielgeräte entwickelt, herstellt und vertreibt, wendet sich gegen ihre haftungsrechtliche Inanspruchnahme durch die Beklagte für Vergnügungssteuerschulden eines Automatenaufstellers. 2 Im streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2009 bis Juni 2011 erhob die Beklagte Vergnügungssteuern auf der Grundlage ihrer Vergnügungssteuersatzung (VStS) in der Fassung vom 23. Mai 2006 bzw. vom 15. Dezember 2009. Nach beiden - insoweit gleichlautenden - Fassungen der Satzung unterliegt der Steuerpflicht unter anderem das Bereitstellen von Spielgeräten zum Spielen (§ 1 Abs. 2 Buchst. a VStS). Steuerschuldner ist der Aufsteller der Geräte (§ 2 Abs. 1 VStS). Neben dem Aufsteller haftet der Inhaber der Räume, in denen steuerpflichtige Geräte aufgestellt sind, als Gesamtschuldner (§ 2 Abs. 3 VStS). Ist der Aufsteller nicht Eigentümer der Geräte, haftet der Eigentümer neben dem Aufsteller als Gesamtschuldner (§ 2 Abs. 4 VStS). 3 In dem genannten Zeitraum hatte die Klägerin dem Automatenaufsteller A. aufgrund eines als ""Mietvertrag"" bezeichneten Vertrages mehrere Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit zur Nutzung überlassen. Wann welche Geräte in welchen Gaststätten aufgestellt waren, ist zwischen den Beteiligten umstritten. Nachdem Herr A. trotz wiederholter Aufforderung der Beklagten keine Vergnügungssteueranmeldungen vorgelegt hatte, setzte diese ihm gegenüber mit - bestandskräftig gewordenem - Bescheid vom 20. September 2011 im Wege der Schätzung Vergnügungssteuern für den Zeitraum Januar 2009 bis August 2011 in Höhe von 12 150 € zuzüglich eines Verspätungszuschlages von 650 € fest. Herr A. zahlte nicht; später wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. 4 Durch Haftungsbescheid vom 22. November 2012 nahm die Beklagte einen Gaststättenbetreiber, Herrn B., in dessen Räumen Herr A. Geldspielgeräte aufgestellt hatte, auf Zahlung von 5 952,59 € in Anspruch. Als dieser seinerseits Zahlungsschwierigkeiten geltend machte, sagte ihm die Beklagte zu, nach Begleichung der Hälfte des Betrages auf die Geltendmachung des Restbetrages zu verzichten. Der Gastwirt erbrachte die vereinbarte Zahlung. 5 Nach Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte sodann ihr gegenüber mit Haftungsbescheid vom 2. April 2013 die rückständige Vergnügungssteuer in Höhe von 5 952,59 € fest und forderte sie zur Zahlung des hälftigen Betrages von 2 976,30 € auf. Der dagegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. 6 Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung des Haftungsbescheides nur insoweit bestätigt, als der darin festgesetzten Haftungsbetrag 600 € und die Zahlungsaufforderung 300 € übersteigt, die Klage im Übrigen aber abgewiesen. Die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin sei dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Sie stehe aufgrund der konkreten vertraglichen Ausgestaltung des Mietverhältnisses mit dem Automatenaufsteller A. in einer besonderen Beziehung zum Steuergegenstand, dem Vergnügungsaufwand der Spielgerätenutzer. Zum steuerbegründenden Tatbestand, dem Bereitstellen von Spielgeräten zur Benutzung durch die Öffentlichkeit, trage die Klägerin nicht nur bei, sondern erfülle ihn sogar selbst. Der Höhe nach seien aber der Haftungsbescheid und - proportional dazu - die Zahlungsaufforderung zu kürzen. Denn nur für drei Geräte und einen Zeitraum von vier Monaten (März bis Juni 2011) stehe der haftungsbegründende Sachverhalt zweifelsfrei fest. 7 Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, für die umstrittene Haftungsregelung fehle es bereits an der erforderlichen parlamentarischen Rechtsgrundlage. Sie laufe zudem den gesetzlichen Haftungsgründen zuwider und mache die Rechtsordnung widersprüchlich. Auch sei kein hinreichender Sachgrund für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Geräteeigentümers vorhanden. Sie selbst sei an der Entstehung des steuerpflichtigen Aufwandes nicht aufgrund ihrer Rechtsstellung als Eigentümerin, sondern lediglich auf schuldrechtlicher Grundlage infolge des mit dem Aufsteller geschlossenen Mietvertrages beteiligt. Der Eigentümer als solcher stehe weder in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Vergnügungsaufwand der einzelnen Spieler noch leiste er einen maßgeblichen Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestandes. Auch könne der Eigentümer seine etwaige Haftung weder in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Weise vorhersehen noch sie vermeiden. 8 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. März 2017 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2015 insgesamt zurückzuweisen. 9 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. II 11 Die Revision ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil steht nicht in vollem Umfang mit Bundesrecht in Einklang; ob es sich im Ergebnis als zutreffend erweist, kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Dies führt gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. 12 1. Das Berufungsgericht hat die Satzungsvorschrift, wonach der Eigentümer der Spielautomaten neben dem Aufsteller ""als Gesamtschuldner haftet"" (§ 2 Abs. 4 VStS), ihrem Wortlaut entsprechend dahin ausgelegt, dass ein Haftungsschuldner und nicht ein (weiterer) Steuerschuldner bestimmt werden sollte. Gemäß § 44 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG BW sind diejenigen Gesamtschuldner, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften. Unabhängig davon, ob diese Regelung das Verhältnis (auch) zwischen Steuer- und Haftungsschuldner betrifft (in diesem Sinne BFH, Urteil vom 4. Dezember 2007 - VII R 37/06 - juris Rn. 7), hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass eine Gesamtschuld zwischen beiden jedenfalls besonders angeordnet werden kann und mithin dem Verständnis des § 2 Abs. 4 VStS als Haftungstatbestand nicht entgegensteht. Von Bundesrechts wegen ist dagegen nichts zu erinnern. 13 2. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Bestimmung des Haftungsschuldners in § 2 Abs. 4 VStS nicht gegen das rechtsstaatliche Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes verstößt. Haftungsregelungen im Bereich der kommunalen Aufwandsteuern (Art. 105 Abs. 2a GG, § 9 Abs. 4 KAG BW) bedürfen keiner abschließenden Entscheidung durch den parlamentarischen Gesetzgeber. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr eine gesetzliche Ermächtigung, die sich - zumindest auch - hierauf erstreckt (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, 2. Aufl. 2017, § 9 Rn. 24; Oebbecke, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, Kap. B Rn. 42; a.A. OVG Münster, Urteil vom 23. Januar 1997 - 22 A 2455/96 - NVwZ 1999, 318 <319>). 14 Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der bundesrechtlich geregelten Schenkungssteuer auf eine ""Entscheidung des Gesetzgebers darüber, wer anstelle des eigentlichen Steuerschuldners haften soll"", abgehoben hat (Kammerbeschluss vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 - juris Rn. 17); denn um die Unterscheidung zwischen einem Gesetz im formellen und einem solchen im (nur) materiellen Sinn ging es dabei nicht. 15 Das Berufungsurteil beruht auf der Annahme, dass die Ermächtigung in § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG BW, ""insbesondere den Kreis der Abgabenschuldner"" zu bestimmen, nur den Mindestinhalt der Satzung umschreibt und die Bestimmung eines Haftungsschuldners als eines weiteren Abgabenpflichtigen (§ 33 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KAG BW) mit umfasst (vgl. dazu das in Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 10. Oktober 1995 - 2 S 262/95 - juris Rn. 15). Diese Auslegung des Landesrechts bindet den Senat. Sie ist auch angesichts der bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Satzungsermächtigung, die nicht an dem strengen Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG für die Bestimmtheit einer Verordnungsermächtigung zu messen sind (BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 - BVerfGE 97, 332 <343>), jedenfalls vertretbar. 16 Wie in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 10. Oktober 1995 (a.a.O.) zu Recht angesprochen, ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Befugnis einer Gemeinde, Abgabenpflichtige festzulegen, materiell-rechtlichen Grenzen unterliegt, die an die Nähe der betreffenden Person zum Steuergegenstand und -tatbestand anknüpfen. Diese Grenzen unterscheiden grundsätzlich nicht danach, ob die Satzung einen Haftungsschuldner oder einen weiteren Steuerschuldner bestimmt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1 <2>; VGH Mannheim, Urteile vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 74 - und vom 11. Juni 2015 - 2 S 2555/13 - juris Rn. 138; OVG Münster, Urteil vom 30. Januar 2015 - 14 A 2687/13 - juris Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2015 - 9 A 7.14 - juris Rn. 87). Eine Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG BW dahin, dass er zwar zur Festlegung eines weiteren Steuerschuldners, nicht aber eines Haftungsschuldners ermächtige, musste sich dem Verwaltungsgerichtshof auch von daher nicht aufdrängen. Schließlich durfte er vor diesem Hintergrund § 43 Abs. 3 Nr. 2 KAG BW, der die Gemeinden im Zusammenhang mit der Kurtaxe ausdrücklich zu einer Haftungsregelung ermächtigt, als bereichsspezifische Sondervorschrift ansehen. 17 3. Die rechtsstaatlichen Gebote des Vorrangs des Gesetzes und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stellen die Wirksamkeit der in § 2 Abs. 4 VStS getroffenen Haftungsbestimmung ebenso wenig in Frage. Soweit die Klägerin eine Widersprüchlichkeit insbesondere im Verhältnis zu § 74 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d KAG BW erblickt, folgt ihr der Senat nicht. Innerhalb der §§ 69 ff. AO, die nach der Konzeption des Gesetzes nicht abschließend sind (vgl. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Dezember 2018, vor §§ 69-77 AO Rn. 5), haftet nach § 74 AO ein am Unternehmen wesentlich beteiligter Gesellschafter, der Gegenstände in das Unternehmen eingebracht hat, mit diesen für die Unternehmenssteuern. Insoweit besteht der Haftungsgrund in der Parallelität des Einflusses des Gesellschafters auf und des Einsatzes eigenen Vermögens für die unternehmerische Tätigkeit (BFH, Urteil vom 22. November 2011 - VII R 63/10 - BFHE 235, 126 Rn. 20 f.). 18 Von diesem Regelungszusammenhang unterscheidet sich die hier vorliegende Konstellation schon dadurch, dass die Vergnügungssteuer als kommunale Aufwandsteuer keine Unternehmenssteuer ist. Davon abgesehen stellt § 74 AO nicht auf die Eigenart des Überlassungsverhältnisses zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ab, während die Nähe des Automateneigentümers zum Gegenstand bzw. Tatbestand der Vergnügungssteuer einer besonderen Rechtfertigung nach Maßgabe seiner Beziehung zum Aufsteller bedarf. Deshalb besteht kein Wertungswiderspruch zwischen § 74 AO und einer kommunalen Regelung über die Vergnügungssteuerhaftung, falls diese auf einem hinreichenden Sachgrund beruht (vgl. auch VGH Kassel, Urteil vom 3. August 1988 - 5 UE 2904/86 - juris Rn. 18 zur Haftung für die Schankerlaubnissteuer). 19 4. Im Ergebnis zutreffend geht der Verwaltungsgerichtshof auch davon aus, dass die Haftung des Eigentümers der Geldspielgeräte - die Wirksamkeit der umstrittenen Satzungsregelung auch im Übrigen unterstellt - jedenfalls unter Umständen der hier vorliegenden Art in der Sache gerechtfertigt ist. 20 a) Eine Haftungsnorm muss sich an dem durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Grundsatz der Lastengleichheit messen lassen. Die Steuerpflichtigen, also Steuer- wie Haftungsschuldner, müssen durch die steuerliche Norm rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der dem Normgeber dabei eröffnete, prinzipiell weit reichende Entscheidungsspielraum ist begrenzt durch das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteile vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 Rn. 123 und vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 u.a. - NJW 2018, 1451 Rn. 96, jeweils m.w.N.). Eine Haftung für die Steuerschuld eines anderen darf nur angeordnet werden, soweit ein hinreichender Sachgrund für die Einstandspflicht vorliegt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 - juris Rn. 17). 21 Einen derartigen Sachgrund erblickt das Berufungsgericht zu Recht darin, dass die haftbar gemachte Person in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet (so bereits BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1 <2>; seither stRspr, s. nur VGH Mannheim, Urteile vom 10. Oktober 1995 - 2 S 262/95 - juris Rn. 15 und vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 74). Steuergegenstand der Vergnügungssteuer als einer indirekten Steuer (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 11) ist der Vergnügungsaufwand der Nutzer der Spielgeräte, während der steuerbegründende Tatbestand gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VStS in dem Bereitstellen der Spielgeräte zur Benutzung durch die Öffentlichkeit liegt. Um einen Wertungswiderspruch zwischen den beiden Anknüpfungsmerkmalen und damit eine potentiell zu weitgehende Haftungsinanspruchnahme zu vermeiden, wird einen ""maßgebenden"" Beitrag zur Verwirklichung des Steuertatbestandes regelmäßig nur derjenige leisten können, der zu dem die Steuerpflicht auslösenden Sachverhalt selbst in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung steht. Wer lediglich dem Steuerschuldner die Möglichkeit zur Erfüllung des Steuertatbestandes verschafft, trägt dazu nicht maßgebend bei (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1 <3>; VGH Mannheim, Urteil vom 10. Oktober 1995 - 2 S 262/95 - juris Rn. 16, 18). 22 b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt das Berufungsgericht an, dass der Eigentümer der Spielgeräte regelmäßig dann in einer engen, seine satzungsrechtliche Haftungsinanspruchnahme rechtfertigenden Beziehung zum Gegenstand und Tatbestand der Vergnügungssteuer steht, wenn er die Geräte auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Vertrages der hier vorliegenden Art dem Aufsteller zur gewerblichen Nutzung überlässt. Unerheblich ist, ob die Beklagte die Eigentümerhaftung gerade um solcher Fälle willen vorsehen wollte. Denn die gerichtliche Überprüfung satzungsrechtlicher Abgabenregelungen beschränkt sich grundsätzlich auf eine Ergebniskontrolle (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 13 m.w.N.). 23 aa) Wie vom Berufungsgericht angenommen, stimmt die streitgegenständliche Fallkonstellation mit der vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - (BVerwGE 39, 1 <2>) entschiedenen in einem solchen Maße überein, dass sie in Bezug auf die Haftung gleich behandelt werden muss. In dem damaligen Urteil, das die Haftung des Verpächters einer Gaststätte für die Schankerlaubnissteuerschuld des Pächters betraf, hat das Bundesverwaltungsgericht wesentlich auf den Unterschied zwischen Pacht- und Mietvertrag abgestellt: Anders etwa als ein auf die bloße Raumüberlassung gerichteter Mietvertrag sei der Pachtvertrag auf einen maßgeblichen Beitrag zur Erfüllung des steuerbegründenden Tatbestands gerichtet. Der Verpächter erstrebe und bewirke kraft des schuldrechtlichen Überlassungsvertrages einen rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolg, der die Erlangung der Schankerlaubnis durch den Pächter, also die Erfüllung des Steuertatbestandes, voraussetze, und trage so in besonderem Maße dazu bei, dass der Pächter diejenige Erwerbsposition erhalte, die Gegenstand der Schankerlaubnissteuer sei (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 a.a.O. S. 3 f.). 24 Dementsprechend erstrebt ein Unternehmen in der Situation der Klägerin einen rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolg, der die Bereitstellung der Spielautomaten zur Nutzung durch die Öffentlichkeit, also die Erfüllung des Tatbestandes der Vergnügungssteuer, voraussetzt und dem Erwerber so eine mit dem Gegenstand der Vergnügungssteuer unmittelbar zusammenhängende Erwerbsposition verschafft. Diese Wertung hängt nicht entscheidend davon ab, ob das Unternehmen den steuerbegründenden Tatbestand unter den gegebenen Umständen sogar selbst erfüllt, was das Berufungsgericht aus der Begriffsbestimmung des ""Bereitstellens"" zur Benutzung durch die Öffentlichkeit (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VStS) herleiten will. Jedenfalls trägt es zur Erfüllung des Tatbestandes aufgrund seiner eigenen engen Beziehung zum steuerrelevanten Geschehen maßgeblich bei. 25 Die Klägerin kann dem nicht entgegenhalten, dass es sich bei den von ihr und anderen Unternehmen in gleicher Lage geschlossenen Verträgen um Miet- und nicht um Pachtverträge handele. Die Abgrenzung ist nicht nach der Bezeichnung durch die Vertragsparteien, sondern nach dem tatsächlichen Inhalt des streitigen Rechtsverhältnisses vorzunehmen. Vom Mietvertrag unterscheidet sich der Pachtvertrag dadurch, dass dem Pächter neben dem Gebrauch des Gegenstandes auch der Genuss der Früchte gewährt wird, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581 Abs. 1 BGB); Früchte sind auch die Erträge, die die betreffende Sache oder das betreffende Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt (§ 99 Abs. 3 BGB). Für einen Pachtvertrag muss die Fruchtziehung prägend und darf nicht lediglich zwangsläufige Folge der Gebrauchsüberlassung sein (Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl. 2016, vor § 535 Rn. 9; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 535 Rn. 16; Lützenkirchen, in: Ermann, BGB, 15. Aufl. 2017, § 535 Rn. 19). Die Unterscheidung von Miete und Pacht richtet sich wesentlich danach, ob der vom Nutzungsberechtigten angestrebte wirtschaftliche Erfolg stärker seiner eigenen, originären Leistung entspricht (zum Beispiel bei der Überlassung leerer Räume - dann Miete), oder ob der wirtschaftliche Erfolg in der Sache angelegt ist und grundsätzlich von jeder geeigneten Person erzielt werden kann, die sie bestimmungsgemäß nutzt (dann Pacht). Für den Pachtvertrag ist kennzeichnend, dass die Sache schon bei Vertragsabschluss nach ihrer Art, Beschaffenheit, Einrichtung oder Ausstattung geeignet ist, als unmittelbare Quelle für Erträge zu dienen, also ""per se fruchtbringend"" ist (Häublein, in: MünchKommBGB, 7. Aufl. 2016, vor § 535 Rn. 5; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, vor § 535 Rn. 16; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 2010 - 10 U 147/09 - juris Rn. 33). 26 bb) Dies zugrunde gelegt, ist ein Schuldverhältnis der hier vorliegenden Art - mag es nach abschließender zivilrechtlicher Bewertung dem einen oder dem anderen Vertragstyp zuzuordnen sein - jedenfalls in einem solchen Maß von pachttypischen Elementen bestimmt, dass sich die daran anknüpfenden öffentlich-rechtlichen Wertungen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 1971 hierauf übertragen lassen. Nach der Interessenlage der Vertragsparteien ist gerade die gewerbliche Nutzung der Geräte durch den Aufsteller intendiert. Das diesem zugestandene Recht zur Ziehung der ""Früchte"", also der Erträge aus der Nutzung der Spielgeräte durch die Öffentlichkeit, ist für derartige Vertragsverhältnisse prägend, da nur so der geschuldete Pacht- bzw. Mietzins erwirtschaftet werden kann. Ein dem Automatenaufsteller zur Nutzung überlassenes Geldspielgerät ist - anders etwa als ein vermieteter Verkaufsautomat, der vom Mieter erst noch mit Waren bestückt werden muss - im Sinne der obigen Begriffsbestimmung auch ""per se fruchtbringend"". Denn es ist, ohne dass es noch auf eine wesentliche originäre Leistung des Aufstellers ankommt, nach der von ihm wegen der Bauartzulassung (§ 33c Abs. 1 Satz 2, § 33e GewO) nicht veränderbaren Beschaffenheit, Einrichtung und Ausstattung schon bei Vertragsabschluss unmittelbar geeignet, ihm als Erwerbsquelle zu dienen. Der bloße Umstand, dass es dazu noch aufgestellt und ""aufgemünzt"" werden muss, ändert daran nichts. Damit unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation wesentlich von einer bloßen Vermietung von Räumen für ein vergnügungssteuerpflichtiges Unternehmen, bei der eine Steuerhaftung des Vermieters mangels einer ausreichenden Beziehung zum Steuergegenstand und -tatbestand abgelehnt wird (BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1 <3 f.>; VGH Mannheim, Urteile vom 10. Oktober 1995 - 2 S 262/95 - juris Rn. 16 und vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 74; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 2012 - 9 LB 51/12 - juris Rn. 42). 27 cc) Auf die Frage, ob der Geräteeigentümer mit dem Aufsteller einen variablen oder - wie hier - einen festen monatlichen Pacht- bzw. Mietzins vereinbart hat, kommt es unter den gegebenen Umständen nicht entscheidend an. Zwar mag in Fällen wie der bloßen Raumvermietung, in denen es regelmäßig an einer hinreichend engen Beziehung des Vermieters zum Gegenstand und zum Tatbestand der Vergnügungssteuer fehlt, eine etwa vereinbarte Gewinnbeteiligung seine Haftungsinanspruchnahme rechtfertigen (vgl. auch Holtbrügge, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2018, § 2 Rn. 57). Besteht eine solch enge Beziehung aber schon aus anderen Gründen, ist eine direkte Gewinnbeteiligung keine notwendige Bedingung für die spätere Haftungsinanspruchnahme (so auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1971 - 7 C 17.70 - BVerwGE 39, 1 <2>, das auf eine ""zusätzliche wirtschaftliche Bindung"" des Verpächters ausdrücklich nicht abstellt). 28 dd) Soweit die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der ""Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Abgabenlast"" darauf hinweist, dass sie keinen Zugriff auf die die Gerätenutzung betreffenden steuerrelevanten Daten habe, insbesondere zur Mitwirkung an der Steuererhebung weder berechtigt noch verpflichtet sei, sind auch diese Umstände keine notwendige Voraussetzung einer Haftung. Ein Haftungstatbestand kann zwar an die Verletzung eigener Handlungspflichten anknüpfen (vgl. etwa § 69 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d KAG BW). Ein derartiger Sanktionscharakter ist aber kein zwingendes Merkmal einer Haftungsregelung, die - wie hier - unter anderen Gesichtspunkten durch einen hinreichenden Sachgrund gerechtfertigt ist. 29 5. Der Senat kann allerdings auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob § 2 Abs. 4 VStS die Anforderungen an eine wirksame satzungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage für den Haftungsbescheid über Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art hinaus, das heißt generell, erfüllt. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob und inwieweit etwa gebotene Einschränkungen des Haftungstatbestandes mit dem Bestimmtheitserfordernis in Einklang stehen. 30 a) Nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot ist eine Rechtsnorm, auch und gerade im Abgabenrecht, so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Auch wenn der Normgeber nicht alle Einzelheiten entscheiden kann und muss und deshalb die Notwendigkeit, Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten, eine Norm nicht unbestimmt macht, so müssen die Betroffenen doch in der Lage sein, die Rechtslage zu erkennen und ihr Verhalten daran auszurichten. Im Abgabenrecht sollen sie die auf sie entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen können (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <234 f.> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396 f.>; Kammerbeschluss vom 30. Mai 2018 - 1 BvR 45/15 - juris Rn. 15 f.). 31 Falls eine Haftungsnorm ihrem Wortlaut und dem anhand der üblichen Auslegungsmethoden ermittelten Begriffsverständnis nach zu weit gefasst ist, kann eine verfassungskonforme Einschränkung in Betracht kommen, die sich daran orientiert, ob und inwieweit ein hinreichender Sachgrund (Art. 3 Abs. 1 GG) für die Haftung besteht. Das setzt aber voraus, dass der Sachgrund auch ohne die betreffende Einschränkung jedenfalls im Regelfall gegeben ist. Nicht ausreichend ist hingegen, dass der im Einzelfall herangezogene Haftungsschuldner das seine Inanspruchnahme sachlich rechtfertigende Kriterium gewissermaßen nur ""zufällig"" erfüllt. Denn dann wäre die Entscheidung darüber, wer haften soll, nicht dem zuständigen Normgeber, sondern letztlich den Behörden und Gerichten überlassen (so zu Recht bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Mai 2015, juris Rn. 35). Unter solchen Umständen kann es bei einem Verwaltungsakt, der wie der angefochtene Haftungsbescheid im Ermessen der Behörde steht (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG BW), auch nicht genügen, dass die fehlende Tatbestandsbegrenzung durch eine einschränkende Ermessensausübung ausgeglichen wird. Denn eine untergesetzliche Norm darf den Umfang der Grundrechtsbeschränkung nicht übermäßig dem Verwaltungsermessen zuweisen (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Mai 2018 - 1 BvR 45/15 - juris Rn. 26). 32 b) Die Eigentümerhaftung nach § 2 Abs. 4 VStS kann ihrem Wortlaut nach auch Fallgestaltungen umfassen, die nicht durch eine besonders enge rechtliche und wirtschaftliche Beziehung des Eigentümers zum Gegenstand und zum Tatbestand der Vergnügungssteuer geprägt ist. 33 Dies betrifft zum einen die Frage nach anderen schuldrechtlichen Überlassungsverhältnissen zwischen Geräteeigentümer und Aufsteller, die sich von dem hier in Rede stehenden Vertragsverhältnis wesentlich unterscheiden können. Feststellungen dazu, ob es solche abweichenden Vertragskonstellationen in dem hier relevanten Zeitraum in nennenswertem Umfang gegeben hat und ob und inwiefern gegebenenfalls auch sie den Haftungsgrund erfüllen, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. 34 Zum anderen geht es um Situationen, in denen der Aufsteller zwar, wie in § 2 Abs. 4 VStS vorausgesetzt, nicht Eigentümer der Geräte ist, ohne dass dem aber eine rein schuldrechtliche Gebrauchsüberlassung zugrunde liegt. Insofern kommen insbesondere die Fälle in Betracht, in denen der Eigentümer die Geräte unter Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) an den Aufsteller veräußert oder dieser sie als Käufer an einen Kreditgeber zur Sicherheit übereignet hat. Im Hinblick auf die praktische Relevanz solcher Fallgestaltungen für den umstrittenen Zeitraum hat die Klägerin bekundet, damals seien Kaufmodelle auf dem Spielgerätemarkt sogar vorherrschend gewesen; Mietmodelle hätten sich erst später durchgesetzt. Auch dazu fehlen tatrichterliche Feststellungen. Falls die Angaben der Klägerin zutreffen, ist für die Wirksamkeit der Satzung von Belang, ob auch bei Vorbehalts- bzw. Sicherungseigentum ein hinreichender Sachgrund für die Haftung gegeben ist. Die Beklagte selbst hat dazu erklärt, sie wolle denjenigen haften lassen, der mittelbar von der Aufstellung der Geräte profitiere; die Fälle des Sicherungs- oder Vorbehaltseigentums, in denen jeweils der Wert des Gegenstandes die betreffende Forderung absichere, zähle sie dazu nicht. 35 Sollte dem zu folgen sein, wäre gegebenenfalls zu klären, ob § 2 Abs. 4 VStS einer einschränkenden Auslegung ohne Verstoß gegen die oben genannten Bestimmtheitsanforderungen zugänglich ist. Einen Anhaltspunkt dafür könnte § 39 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG BW geben. In § 39 AO ist die steuerrechtliche Zurechnung in persönlicher Hinsicht geregelt; die Norm bestimmt, wer Steueransprüche zu erfüllen hat, die aus der Herrschaft über einzelne Wirtschaftsgüter hergeleitet werden. Von dem in § 39 Abs. 1 AO normierten Grundsatz der Zurechnung zum (zivilrechtlichen) Eigentümer nimmt § 39 Abs. 2 AO die Fälle aus, in denen ein anderer die tatsächliche Herrschaft in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung wirtschaftlich ausschließen kann. Dies gilt für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt ebenso wie für die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ausdrücklich hervorgehobenen Fälle des Treuhand- und des Sicherungseigentums. Wirtschaftlicher Eigentümer ist in diesen Fallkonstellationen also regelmäßig der Vorbehaltskäufer bzw. der Treu- oder Sicherungsgeber (Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Dezember 2018, § 39 Rn. 121, 251, 281, jeweils m.w.N.). In den Fällen von Miete und Pacht liegt das wirtschaftliche Eigentum dagegen regelmäßig beim Vermieter bzw. Verpächter (Fischer, a.a.O. Rn. 137). 36 Ob und inwieweit die wirtschaftliche Betrachtungsweise in einem bestimmten steuerrechtlichen Zusammenhang durchschlägt, hängt von der Auslegung der jeweiligen Abgabenvorschrift ab (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 Rn. 8 ff. m.w.N.). Von daher könnte § 2 Abs. 4 VStS gegebenenfalls dahin auszulegen sein, dass der - mit dem Aufsteller nicht identische - Eigentümer der Geräte (nur) dann haften soll, wenn er auch deren wirtschaftlicher Eigentümer ist. Da sowohl die auszulegende Satzungsnorm als auch die maßstabbildende Norm (§ 39 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG BW) dem irrevisiblen Recht angehören, übt der Senat sein ihm insoweit nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 563 Abs. 4 ZPO zustehendes Ermessen dahin aus, dass er die Klärung der damit zusammenhängenden Rechtsfragen dem Berufungsgericht überlässt. 37 6. Unter der Prämisse, dass § 2 Abs. 4 VStS eine wirksame Grundlage für den angefochtenen Haftungsbescheid und die ihm beigefügte Zahlungsaufforderung bildet, hängt die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin davon ab, dass die satzungsrechtlichen Vorgaben dem Grunde und der Höhe nach eingehalten sind. Der Haftungsgrund ist unter den gegebenen Umständen nicht zweifelhaft, da das hier vorliegende Pacht- bzw. Mietmodell der Klägerin in seiner vom Berufungsgericht im Einzelnen bewerteten Ausgestaltung unter die Fallkonstellationen fällt, für die die Satzung die Haftung des Geräteeigentümers vorsehen darf. 38 Gegen die Höhe des vom Verwaltungsgerichtshof erheblich geminderten Haftungsbetrages hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Soweit sie vor dem Verwaltungsgericht die Ermessensausübung der Beklagten im Hinblick auf deren angebliches Mitverschulden und auf die Auswahl zwischen ihr und dem mithaftenden Gaststättenbetreiber (§ 2 Abs. 3 VStS) beanstandet hatte, ist sie darauf im Revisionsverfahren ausdrücklich nicht zurückgekommen. 39 7. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten." bverwg_2019-60,29.08.2019,"Pressemitteilung Nr. 60/2019 vom 29.08.2019 EN Anspruch auf Zugang zu Information nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen über „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ von Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelrechts nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG setzt nicht voraus, dass die Abweichung durch Verwaltungsakt festgestellt ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Einem Antrag des Beigeladenen auf Zugang zu entsprechenden Informationen über das Unternehmen der Klägerin, das Geflügel schlachtet und verarbeitet, gab das Landratsamt statt. Die gegen den Bescheid erhobene Klage und die Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Anspruch auf Zugang zu Verbraucherinformationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist nicht auf produktbezogene Informationen beschränkt. Eine  „nicht zulässige Abweichung“ i.S. d. Vorschrift  muss nicht  durch Verwaltungsakt festgestellt werden.  Ausreichend ist, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat. Hier gegen bestehen keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. BVerwG 7 C 29.17 - Urteil vom 29. August 2019 Vorinstanzen: VGH München, 20 BV 15.2208 - Urteil vom 16. Februar 2017 - VG Regensburg, RN 5 K 14.1110 - Urteil vom 09. Juli 2015 -","Urteil vom 29.08.2019 - BVerwG 7 C 29.17ECLI:DE:BVerwG:2019:290819U7C29.17.0 EN Zugang zu Produktinformationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz Leitsätze: 1. Der Anspruch auf Zugang zu Informationen nach § 2 Abs. 1 VIG ist ein ""Jedermannsrecht"" und hängt nicht von der Verbrauchereigenschaft ab. 2. Für die Erfüllung des Bestimmtheitserfordernisses des § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG ist die Angabe des Unternehmens, soweit ein Betrieb in Rede steht, des Zeitraums, für den die Informationen begehrt werden, und der Art der Information ausreichend. 3. Der Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist nicht auf produktbezogene Informationen beschränkt. 4. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst jede objektive Abweichung von Rechtsvorschriften. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts ist nicht erforderlich. 5. Eine ""nicht zulässige Abweichung"" i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG muss nicht durch Verwaltungsakt festgestellt werden. Ausreichend ist, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat. 6. § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002 Art. 10 VO (EG) Nr. 882/2004 Art. 7 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a, Abs. 2 und 3 VIG §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5, § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, Satz 5 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 LFGB § 40 Abs. 1a Instanzenzug VG Regensburg - 09.07.2015 - AZ: VG RN 5 K 14.1110 VGH München - 16.02.2017 - AZ: VGH 20 BV 15.2208 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 - 7 C 29.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290819U7C29.17.0] Urteil BVerwG 7 C 29.17 VG Regensburg - 09.07.2015 - AZ: VG RN 5 K 14.1110 VGH München - 16.02.2017 - AZ: VGH 20 BV 15.2208 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2019 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Februar 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Geflügel schlachtet und verarbeitet. Sie wendet sich gegen den stattgegebenen Zugang zu Informationen über ihr Unternehmen nach dem Verbraucherinformationsgesetz. 2 Der Beigeladene, der sich in Sicherungsverwahrung befindet, beantragte im April 2014 beim Landratsamt S. gemäß dem Verbraucherinformationsgesetz Zugang zu den seit dem 2. September 2012 nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG angefallenen Informationen über das Unternehmen der Klägerin. Mit Bescheid vom 5. Juni 2014 gab das Landratsamt dem Antrag statt; der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Urteil vom 9. Juli 2015 ab. 3 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Der Beigeladene sei als natürliche Person Berechtigter des Anspruchs auf Informationszugang. Das Verbraucherinformationsgesetz berechtige nicht nur den Verbraucher, sondern sei ein Jedermannsrecht. Der Beigeladene sei zudem ""Verbraucher"", weil er über den Gefangeneneinkauf oder im Rahmen sogenannter Ausführungen die Möglichkeit habe, Produkte der Klägerin oder Waren, in denen deren Produkte enthalten seien, zu kaufen. Sein Antrag auf Informationszugang sei nicht zu unbestimmt gestellt und nicht rechtsmissbräuchlich. Der Gegenstand des Informationsanspruchs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG sei nicht auf produktbezogene Informationen beschränkt. Für die Annahme einer ""festgestellten nicht zulässigen Abweichung"" nach dieser Vorschrift sei ein Verschulden oder eine Ahndung des Verstoßes gegen einschlägige Vorschriften als Ordnungswidrigkeit oder Straftat nicht notwendig. Es bedürfe jedoch der Feststellung einer Abweichung durch die zuständige Behörde. Erforderlich sei eine rechtliche Subsumtion der Kontroll- und Untersuchungsergebnisse durch die zuständige Vollzugsbehörde. Der Beklagte habe nicht die Richtigkeit der begehrten Informationen überprüfen müssen. Aufgrund der festgestellten Rechtsverstöße könne sich die Klägerin nicht auf den Ausschluss des Informationszugangs zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen. Die hier einschlägigen Vorschriften des Verbraucherinformationsgesetzes verstießen weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht. 4 Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Das Verbraucherinformationsgesetz enthalte kein Jedermannsrecht; berechtigt sei allein der Verbraucher. Den streitgegenständlichen Informationen fehle der notwendige Produktbezug. Der Zugang zu den beantragten Informationen setze voraus, dass die Feststellung eines Rechtsverstoßes in Bestandskraft erwachsen oder eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat erfolgt sei. Zudem sei die inhaltliche Richtigkeit einer wettbewerbsrechtlichen Information unabdingbare Voraussetzung für die Informationsgewährung. Der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Klägerin dem Informationszugang entgegenstünden. Die Rechtsgrundlage für den Zugang zu Verbraucherinformationen verstoße gegen das Gebot der Normenklarheit und gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der beantragten Verbraucherinformationen sei mindestens der Schutzstandard anzuwenden, der bei aktiven staatlichen produktbezogenen Warnungen zu berücksichtigen sei. Zwischen der Zugänglichmachung von Informationen, die nur auf Antrag erteilt würden, und einer aktiven Verbraucherinformation durch die Behörde bestehe kein rechtlich beachtlicher Unterschied. Das Unionsrecht stehe dem Zugang zu den begehrten Verbraucherinformationen entgegen. 5 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Februar 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Juli 2015 sowie den Bescheid des Landratsamts Straubing-Bogen vom 5. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2014 aufzuheben. 6 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 7 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und weist darauf hin, dass es keines bestandskräftigen Verwaltungsakts als Grundlage für den Informationszugang bedürfe. Nach der Begründung des Entwurfs des Verbraucherinformationsgesetzes habe die informationspflichtige Stelle nicht in jedem Fall den Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzuwarten; die Behörde habe allerdings das Gebot der Sachlichkeit und Richtigkeit zu beachten. Die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in Grundrechtspositionen des Unternehmers lasse sich im Rahmen einer Anhörung des Unternehmens sicherstellen. 8 Der Beigeladene stellt keinen Antrag; er verteidigt eingehend das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. 9 Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich am Verfahren und trägt vor: Verfassungsrechtlich durchgreifende Bedenken gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bestünden nicht. Dies bestätige die zu § 40 Abs. 1a LFGB ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvF 1/13). II 10 Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). 11 1. Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Da die Klägerin nicht Adressatin des von ihr angefochtenen Bescheids ist, setzt ihre Klagebefugnis voraus, dass sie sich auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm (zumindest auch) sie als Dritte schützt. Das ist hier der Fall. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VIG dient, indem er Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu Belangen erklärt, die einen Informationszugang ausschließen, dem Schutz Dritter. 12 Dass die Klägerin nach Erhebung des Widerspruchs am 4. Juli 2014 bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist nach § 75 Satz 2 VwGO am 7. Juli 2014 Klage erhoben hat, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Die Klage ist zulässig geworden, nachdem der Beklagte den Widerspruch erst mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 zurückgewiesen hat. Bei der Dreimonatsfrist handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein muss (vgl. Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 75 Rn. 6). 13 2. Ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof die Anspruchsvoraussetzungen für einen Zugang zu Informationen nach § 2 VIG bejaht. 14 a) aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG hat ""jeder"" nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu den unter Nummern 1 bis 7 genannten Daten, es sei denn, es liegt ein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 3 VIG vor (§ 2 Abs. 1 Satz 2 VIG). Der Wortlaut spricht dafür, dass es sich um ein Jedermannsrecht handelt, das an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ist. Für dieses weite Begriffsverständnis streitet auch die Entstehungsgeschichte des Verbraucherinformationsgesetzes. Bereits § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG in der ursprünglichen Fassung vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558) gewährte jedem nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen im Verbrauchergesetz genannten Daten. Nach der Gesetzesbegründung sollte für jede natürliche oder juristische Person der Zugang zu Informationen über Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches eröffnet sein (BT-Drs. 16/5404 S. 10). 15 Der Auffassung der Revision, es bestehe die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des persönlichen Anwendungsbereichs, weil nach Einfügung des den Anwendungsbereich des Gesetzes regelnden neuen § 1 VIG durch Gesetz vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2166, 2725) lediglich ""Verbraucherinnen und Verbraucher"" freien Zugang zu den dort näher bezeichneten vorliegenden Informationen erhalten könnten, ist nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat mit der Umschreibung des Anwendungsbereichs des Gesetzes keine Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten beabsichtigt. Er wollte nicht von einem umfassenden Zugang zu Informationen und der weiten Auslegung des Anspruchs auf Zugang zu Informationen wie er in § 1 Satz 1 VIG a.F. (BT-Drs. 16/5404 S. 10 zu § 1 VIG) verankert war, abrücken. Ziel der Gesetzesänderung, die auf den Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse der Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes (BT-Drs. 17/1800) zurückgeht, war die Verbesserung des Verbraucherinformationsrechts (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation, BT-Drs. 17/7374 S. 1). Mit der Einfügung des neuen § 1 VIG sollte der Anwendungsbereich des Gesetzes festgelegt werden, um die Auslegung des Gesetzes zu erleichtern und den zuständigen Behörden eine Rechtsanwendung ohne Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien zu ermöglichen (BT-Drs. 17/7374 S. 14). Dem Verwaltungsgerichtshof ist daher darin zu folgen, dass das Verbraucherinformationsgesetz nach wie vor einen weiten Informationszugang bezweckt, um Einzelpersonen zu Sachwaltern des Allgemeininteresses zu machen. Gemäß dem gesetzgeberischen Leitbild des mündigen Verbrauchers sollen die bei der Behörde vorhandenen Informationen grundsätzlich ungefiltert zugänglich gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 7 B 22.14 - Buchholz 404.1 VIG Nr. 1 Rn. 10 sowie BT-Drs. 16/5404 S. 7; vgl. auch Heinicke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand November 2018, § 2 VIG Rn. 7; Rossi, in: Gersdorf/Paal, BeckOK, Informations- und Medienrecht, Stand Mai 2019, § 2 VIG Rn. 5). Eine Beschränkung der Antragsberechtigung auf Verbraucher würde aber dazu führen, dass institutionelle Fragesteller wie Verbraucherverbände, auf die ein erheblicher Teil der Anfragen zurückgeht (vgl. BT-Drs. 17/7374 S. 12), keinen Anspruch auf Zugang zu Informationen mehr hätten, weil sie in der Regel nicht dem Begriff des Verbrauchers unterfallen. 16 Entgegen der Auffassung der Revision begründen die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Überlegungen, ein weites Begriffsverständnis finde eine Stütze auch in den Transparenzvorschriften des Unionsrechts, keinen Mangel des Berufungsurteils. Der Verwaltungsgerichtshof hat die sich an alle Bürger richtenden Transparenzvorschriften des Unionsrechts als Argument verwendet, dass der Begriff des Verbrauchers den Adressatenkreis des Informationsanspruchs nicht einschränke. Da sich die Grundentscheidung der Europäischen Union für einen transparenten, bürgernahen und demokratischen Entscheidungsprozess allein an die Union und ihre Organe, nicht aber an die Organe der Mitgliedstaaten richtet (vgl. Heinicke, Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand November 2018, Vorbem. Rn. 8), mag die Aussagekraft dieser Erwägung eingeschränkt sein. Jedenfalls stehen die Transparenzvorschriften des Unionsrechts der einfachrechtlichen Auslegung des Merkmals ""jeder"" in § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG durch den Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen. 17 bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beigeladenen zudem zu Recht deswegen als Verbraucher angesehen, weil er über den Gefangeneneinkauf oder im Rahmen sogenannter Ausführungen die Möglichkeit habe, Produkte der Klägerin oder Waren, in denen deren Produkte enthalten seien, zu kaufen. Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, aus § 3 Nr. 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetztes (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 498) und Art. 3 Nr. 18 VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (ABl. L 31 S. 1) ergebe sich, dass der Begriff des Verbrauchers durch den Endverbraucher gekennzeichnet sei, und es hieran beim Kläger fehle, da dieser ihre Produkte gerade nicht konsumieren wolle, überzeugt dies nicht. Es kann dahinstehen, ob der unionsrechtliche Begriff des Endverbrauchers so eng zu verstehen ist wie die Klägerin meint und die tatsächliche Verwendung der Produkte voraussetzt. Jedenfalls für das Verbraucherinformationsgesetz, das einen möglichst umfassenden Zugang zu Verbraucherinformationen zulassen will, genügt die Möglichkeit, Produkte eines Unternehmens erwerben zu können, um Verbraucher im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG zu sein. Dass diese Möglichkeit besteht, hat das Berufungsgericht mit für den Senat bindender Wirkung festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO). 18 b) Ohne Bundesrechtsverstoß hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der Antrag des Beigeladenen den Bestimmtheitsanforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 VIG entspricht. Der Antrag muss danach insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. 19 Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung des Merkmals eines hinreichend bestimmten Antrags auf Informationszugang unergiebig (vgl. BT-Drs. 16/1408 S. 12 sowie 17/7374 S. 17). Das Bestimmtheitserfordernis zielt allerdings ersichtlich darauf ab, pauschalen Anträgen ""ins Blaue hinein"" entgegenzuwirken und damit einen hohen Verwaltungsaufwand bei der Bescheidung des Antrags zu vermeiden. Im Interesse eines möglichst ungehinderten Zugangs zu Verbraucherinformationen ist aber die Angabe des Unternehmens, soweit ein Betrieb in Rede steht, des Zeitraums, für den Auskunft begehrt wird, und der Art der Information (vgl. auch Heinicke, in: Zipfel/Rathke, a.a.O., § 4 VIG Rn. 6; Rossi, in: Gersdorf/Paal, a.a.O., § 4 VIG Rn. 3) ausreichend. Eine strengere Sichtweise würde den Informationszugang wesentlich erschweren, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Dies würde dem Anliegen des Verbraucherinformationsgesetzes, dass der Verbraucher als Sachwalter der Allgemeinheit tätig wird, nicht gerecht. 20 Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht die ausreichende Bestimmtheit des Antrags zu Recht bejaht. Das Landratsamt konnte ohne Weiteres erkennen, auf welche Informationen sich das Begehren des Beigeladenen bezog. Der Beigeladene hat in seinem Antrag das Unternehmen der Klägerin genau bezeichnet, den Zeitraum, für den er Auskunft begehrt, eingegrenzt und mit dem Hinweis auf ""Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG"" die Art der Information genau bezeichnet. 21 c) Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Antrag nicht im Sinne von § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG rechtsmissbräuchlich ist. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob diese Vorschrift ein Abwehrrecht des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers begründen kann oder, wie das Berufungsgericht meint, nur dem Allgemeininteresse an einer funktionierenden Verwaltung dient. Der Verwaltungsgerichtshof, der sich insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht hat, vertritt die Auffassung, dass mangels näherer Definition im Verbraucherinformationsgesetz der Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze geboten sei. Dies ist zutreffend. 22 Das Verbraucherinformationsgesetz nennt als Beispiel (""insbesondere"") für einen missbräuchlich gestellten Antrag den Fall, dass der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VIG). Die Begründung des Gesetzentwurfs zu dem Verbraucherinformationsgesetz weist nur darauf hin, dass der auskunftspflichtigen Stelle eine angemessene Reaktion auf überflüssige Anfragen sowie querulatorische Begehren ermöglicht werden soll (BT-Drs. 16/5404 S. 12). Damit ist Raum für die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, ohne dass der Senat gehalten ist, deren Konturen mit Bezug auf das Verbraucherinformationsgesetz näher zu bestimmen. Dass der Beigeladene nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs die von ihm begehrten Informationen wohl auch dazu verwenden will, eine gegen die Betriebe der Klägerin geführte Kampagne zu unterstützen, führt noch nicht zu einem missbräuchlich gestellten Antrag. Vielmehr ist eine solche Öffentlichkeitsarbeit, solange sie mit Mitteln des geistigen Meinungskampfes erfolgt und nicht auf der Grundlage falscher, verfälschter oder sonst wie manipulierter Informationen geführt wird, mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich zulässig. 23 d) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG sei nicht auf produktbezogene Informationen beschränkt, verstoße nicht gegen Bundesrecht. 24 Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG betrifft der Anspruch auf Zugang zu Informationen (u.a.) alle Daten über die von der zuständigen Stelle festgestellten nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen der unter Nummer 1 bestimmten Art. Einen Produktbezug verlangt die Vorschrift im Unterschied (etwa) zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG (""Erzeugnis oder Verbraucherprodukt"") nicht. Dem steht nicht entgegen, dass in § 1 VIG unter Nummer 1 von ""Erzeugnissen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel)"" und unter Nummer 2 von ""Verbraucherprodukten, die § 2 Nummer 26 des Produktsicherheitsgesetzes unterfallen (Verbraucherprodukte)"", die Rede ist. Eine Einschränkung des Informationszugangs folgt hieraus nicht (vgl. aber Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D, § 1 VIG Rn. 17). 25 Die Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass der Informationsanspruch nicht auf produktbezogene Information beschränkt ist. Das Verbraucherinformationsgesetz ist eine Reaktion auf die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung, Lagerung und Lieferung von Lebensmitteln (""Gammelfleischskandal"") und ein zentraler Baustein zur Vorbeugung und raschen Eindämmung von Lebensmittelskandalen. Ziel ist die Gewährleistung einer umfassenden Information der Verbraucher (BT-Drs. 16/5404 S. 1 und 7). Dieser Zielsetzung würde die Forderung nach einem Produktbezug über die im Gesetz ausdrücklich genannten Beispiele hinaus widersprechen. Die Beschränkung auf Informationen über Erzeugnisse und Verbraucherprodukte könnte dazu führen, dass die Herstellung, Erzeugung, Lagerung und Lieferung von Produkten, mithin wesentliche Vorgänge, deren Kontrolle auch durch den Verbraucher das Entstehen von Lebensmittelskandalen verhindern soll, von der Anwendung des Verbraucherinformationsgesetzes ausgeschlossen wären (vgl. auch Heinicke, in: Zipfel/Rathke, a.a.O., VIG § 2 Rn. 16). Dass ein genereller Produktbezug zu erheblichen Einschränkungen des Informationszugangs führen würde, ergibt sich auch aus dem bei der Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes berücksichtigten Evaluationsbericht. Dieser hatte aufgezeigt, dass ca. 66 % der Anfragen auf der Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes nicht produktbezogen, sondern pauschal nach größeren Datenbeständen gestellt wurden (BT-Drs. 17/1800 S. 7). Eine Empfehlung, bei einer Änderung des Verbraucherinformationsgesetzes einen Produktbezug einzuführen, wurde nicht ausgesprochen. 26 Schließlich spricht auch der unionsrechtliche Zusammenhang gegen ein enges und für ein weites Normverständnis von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit auf den 4. Erwägungsgrund der EG-Kontrollverordnung Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 191 S. 1) verwiesen. Danach geht das Lebensmittel- und Futtermittelrecht der Europäischen Union von dem Grundsatz aus, dass Futtermittel- und Lebensmittelunternehmen auf allen Stufen der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs in den ihnen unterstehenden Unternehmen sicherstellen, dass Futtermittel und Lebensmittel die für ihre Tätigkeit relevanten Vorschriften des Futtermittel- und Lebensmittelrechts erfüllen. Dem entspricht es, wenn die Verbraucher als Sachwalter des allgemeinen Interesses die Einhaltung dieser Anforderungen ohne Produktbezug kontrollieren können. Dies gilt etwa für die Beachtung von Hygienevorschriften oder Vorgaben zur baulichen Beschaffenheit von Betriebsräumen oder Dokumentationspflichten. 27 e) aa) Das Berufungsgericht hat den Begriff der ""nicht zulässigen Abweichung"" in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu Recht dahin verstanden, dass er jede objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften erfasst. Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts ist nicht erforderlich. 28 Die Entstehungsgeschichte der Norm spricht ebenfalls für dieses Begriffsverständnis. Die aktuelle Formulierung hat mit Gesetz vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2166, 2785) Eingang in den Gesetzestext gefunden und den vorher in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verwendeten Begriff des ""Verstoßes"" ersetzt. Dieser entsprach dem Begriff in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004. Dort wird der Verstoß als ""Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz"" definiert. Von diesem Verständnis wollte der Gesetzgeber mit der Begriffsänderung nicht abrücken. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation heißt es hierzu, dass der Begriff des Rechtsverstoßes von den Verwaltungsgerichten unterschiedlich ausgelegt worden sei. Eine Ahndung des Verstoßes in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren sei nicht als erforderlich angesehen worden. Uneinigkeit habe jedoch darüber bestanden, ob bereits die Feststellung einer Abweichung eines Untersuchungsergebnisses von Rechtsvorschriften als auf der Basis naturwissenschaftlich-analytischer Erkenntnis in der Zuständigkeit der Untersuchungsämter liege oder ob diese Feststellung einer zusätzlichen juristisch-wertenden Einordnung bedürfe und durch die zuständige Überwachungsbehörde zu erfolgen habe. Die Abweichung von Rechtsvorschriften müsse objektiv gegeben sein, ohne dass es auf subjektiv vorwerfbares Verhalten ankomme (BT-Drs. 17/7374 S. 15). 29 Für ein Normverständnis, das nicht auf subjektive Elemente wie Verschulden oder Vorwerfbarkeit abhebt, streitet zudem der systematische Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG, der den Informationsanspruch auch in Bezug auf ""zugelassene Abweichungen"" von den in Nummer 1 genannten Rechtsvorschriften gewährt. 30 bb) Entgegen der Auffassung der Revision muss eine ""nicht zulässige Abweichung"" im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht durch Verwaltungsakt festgestellt werden. Ausreichend ist, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat. 31 Der Gesetzgeber wollte mit der Gesetzesänderung die juristisch-wertende Prüfung einer nicht zulässigen Abweichung durch die Überwachungsbehörde sicherstellen (BT-Drs. 17/7374 S. 14f.). Weitere Handlungsoptionen hatte der Evaluationsbericht der Bundesregierung unter 6.4 (Optimierungsmöglichkeiten bezüglich des VIG) aufgezeigt (BT-Drs. 17/1800 S. 11). Dort wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Präzisierung des Begriffs des ""Rechtsverstoßes"" dahingehend erfolgen solle, dass hiermit nur rechtskräftig festgestellte Verstöße gemeint seien oder Beanstandungen der chemischen Untersuchungsämter genügten. Eine solche Ergänzung des Begriffs ""Rechtsverstoß"" hat der Gesetzgeber indes nicht vorgenommen. 32 Es würde auch das Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes, den Verbraucher zeitnah zu informieren (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 VIG sowie BT-Drs. 17/7374 S. 18), nicht erreicht, wenn der Informationszugang von der Bestandskraft der Abweichungsfeststellung abhinge. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zu einer Verbraucherinformation auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a LFGB ergangenen Beschluss vom 21. März 2018 (- 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 43) betont, dass dann, wenn ein Verstoß bestands- oder rechtskräftig festgestellt sein müsste, die Information der Öffentlichkeit durch die vielfach zu erwartende Einlegung von Rechtsbehelfen voraussichtlich herausgezögert und die Informationsregelung damit um ihre Effektivität gebracht würde. Auch wenn es sich bei der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB um einen Akt aktiver staatlicher Verbraucherinformation handelt, kann diese Überlegung auf den hier vorliegenden Fall einer antragsgebundenen Information übertragen werden. Auch insoweit gilt, dass die Auskunftsansprüche weitgehend um ihre Effektivität gebracht würden, wenn ihre Durchsetzung durch die Einlegung von Rechtsbehelfen unter Umständen um Jahre verzögert würde. Eine Erhöhung der Markttransparenz und eine Steuerung von Kaufentscheidungen, wie sie das Verbraucherinformationsgesetz bezweckt (BT-Drs. 16/5404 S. 7), setzen aber voraus, dass der Zugang zu Informationen zeitnah erfolgt. Das insoweit gegebene Beschleunigungsinteresse wird auch durch die im Regelfall nur einen Monat betragende Bescheidungsfrist über entsprechende Anträge verdeutlicht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VIG). Um jedoch zu vermeiden, dass auch vorläufige Überlegungen und juristisch noch nicht von der zuständigen Stelle tatsächlich und rechtlich gewürdigte Informationen, mithin solche Informationen, die noch keine gesicherte Erkenntnis über eine Abweichung bieten, bereits zum Gegenstand des Informationsbegehrens gemacht werden können, ist es jedoch erforderlich, dass die Abweichung von der zuständigen Stelle unter Würdigung des Sachverhalts und einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt werden. 33 f) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht den Ausschluss- und Beschränkungsgrund des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c VIG verneint. Danach besteht der Anspruch nach § 2 VIG wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart würden. Diese umfassen alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat; Betriebsgeheimnisse betreffen im Wesentlichen technisches Wissen, Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. - BVerfGE 115, 205 <230 f.>; BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - juris Rn. 19; BT-Drs. 16/5404 S. 12 sowie BT-Drs. 17/7374 S. 16). § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VIG benennt insoweit beispielhaft Rezepturen, Konstruktions- und Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. 34 Allerdings kann nach § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG der Zugang zu Informationen (u.a.) im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgelehnt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen festgestellte Rechtsverstöße nicht unter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse fallen, weil ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen hieran nicht besteht (BT-Drs. 16/5404 S. 12 sowie BT-Drs. 17/7374 S. 16). Der Öffentlichkeit sollen daher stets Informationen über festgestellte nicht zulässige Abweichungen zugänglich gemacht werden. Insbesondere soll keine Abwägung zwischen einem privaten Interesse an Geheimhaltung und dem öffentlichen Interesse an Information erforderlich sein. Der Gesetzgeber hat daher mit § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG die konfligierenden Interessen selbst abgewogen und dem öffentlichen Interesse an Information den Vorrang eingeräumt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 45 zu § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG). 35 Das Verbraucherinformationsgesetz enthielt in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b a.F. neben dem Ausschlussgrund der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als weiteren Ausschlussgrund auch ""sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind"". In der Begründung des Gesetzentwurfs zum Verbraucherinformationsgesetz hieß es hierzu, dass andere für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse, wie zum Beispiel Qualitätsunterschiede oder die Ausnutzung von Toleranzen, im Einzelfall wettbewerbsrelevante Informationen darstellten, die einen Ausschluss zur Folge haben könnten (BT-Drs. 16/5404 S. 12). Es kann dahinstehen, ob die hier streitigen Informationen diese Voraussetzungen erfüllen. Mit der Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes wurde dieses Merkmal jedenfalls gestrichen. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu mangelnde Praxisrelevanz an (BT-Drs. 17/7374 S. 16). Der Verwaltungsgerichtshof weist zu Recht darauf hin, dass ""sonstige wettbewerbsrelevante Informationen"" auch nicht als ungeschriebener Ausschluss- oder Beschränkungsgrund fortbestehen könne, weil ein solches Verständnis der Zielsetzung des Gesetzes ersichtlich zuwiderliefe. 36 g) Das Berufungsgericht hat auch ohne Bundesrechtsverstoß die von der Klägerin geltend gemachte Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verneint. 37 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat den Einwand der Klägerin, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG sei zu unbestimmt und damit verfassungswidrig, zurückgewiesen. Diese Auffassung begegnet keinen bundesrechtlichen Bedenken. 38 Das verfassungsrechtliche Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie, soweit sie zum Schutz anderer tätig wird, den Schutzauftrag näher zu konkretisieren. Je ungenauer die Anforderungen an die dafür maßgebende tatsächliche Ausgangslage gesetzlich umschrieben sind, umso größer ist das Risiko unangemessener Zuordnung von rechtlich erheblichen Belangen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Juli 2005 - 1 BvR 782/94 - BVerfGE 114, 1 <53 f.>; Sachs, in: ders., 8. Aufl. 2018, GG Art. 20 Rn. 125). 39 Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, führt allein noch nicht zu einem Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justiziabilität (BVerfG, Beschluss vom 23. April 1974 - 1 BvR 6/74 u.a. - BVerfGE 37, 132 <142>). Allerdings muss das Gesetz so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die von der Norm Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind von Verfassungs wegen hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <384>). 40 Diesen Anforderungen wird § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gerecht. Der Bedeutungsgehalt des Merkmals ""festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen"" ist, wie aufgezeigt, im Wege der Auslegung konkretisierbar. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG weist hinreichend deutliche Konturen auf, um sowohl der Behörde als auch dem Unternehmen und den Verbrauchern aufzuzeigen, in welchen Fällen nicht zulässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und des Produktsicherheitsgesetzes gegeben sind. 41 bb) Die weitere Rüge der Klägerin, § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG und dessen Anwendung verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. 42 Der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern kann. 43 Art. 12 GG gewährt das Recht der freien Berufswahl und -ausübung und ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie - wie hier die Klägerin - eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <265>). Allerdings schützt die Berufsfreiheit grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit. Marktteilnehmer haben keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, berühren den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 1 BvR 1842/11 u.a. - BVerfGE 134, 204 Rn. 114). Demgemäß ist nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, ohne Weiteres als Grundrechtseingriff zu bewerten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). 44 Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht jedoch dann, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juli 2007 - 1 BvR 1031/07 - NVwZ 2007, 1168 <1169>), die mittelbaren Folgen also kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind. Das gilt auch für die Grundrechtsbindung des Staates bei amtlichem Informationshandeln. Die amtliche Information der Öffentlichkeit kann in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent jedenfalls dann gleichkommen, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 26 ff.). 45 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommen Veröffentlichungen nach § 40 Abs. 1a LFGB in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleich (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 26 ff.). § 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet die Behörden, der Öffentlichkeit lebensmittel- und futtermittelrechtliche Verstöße von Unternehmen umfassend und in unternehmensspezifisch individualisierter Form mitzuteilen. Die umfassende Information der Verbraucher erfolgt zu dem Zweck, diese in die Lage zu versetzen, ihre Konsumentscheidung in Kenntnis der veröffentlichten Missstände zu treffen und gegebenenfalls vom Vertragsschluss mit den benannten Unternehmen abzusehen. 46 Auch die antragsgebundene Informationsgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG entspricht in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit und ist darum an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. 47 Zwischen beiden Arten der Information bestehen allerdings große Unterschiede, die es ausschließen, die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 15. Juni 2015 - 7 B 22.14 - (Buchholz 404.1 VIG Nr. 1 Rn. 12) ausgeführt hat, verschafft das aktive Informationsverhalten des Staates an alle Marktteilnehmer den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer. Die Auswirkungen einer antragsgebundenen Informationsgewährung auf das Wettbewerbsgeschehen bleiben dahinter qualitativ und quantitativ weit zurück. Gleichwohl hat der Senat in seinem Beschluss vom 15. Juni 2015 die Freistellung der informationspflichtigen Stelle von einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der begehrten Information an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen. Die dahinter stehende Annahme eines funktionalen Äquivalents rechtfertigt sich daraus, dass auch der Verbreitung von Informationen durch Private nicht jegliche mittelbar-faktische Wirkung abgesprochen werden kann. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der antragsgebundene Informationszugang erklärtermaßen dem Ziel dient, mit den so erlangten Informationen unter Einschaltung von Verbraucherschutz- und anderen Organisationen gezielt und kampagnenartig an die Öffentlichkeit zu gehen. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass hierdurch ausgelöste Reaktionen für die betroffenen Unternehmen erhebliche ökonomische Wirkungen entfalten können. Derartige Auswirkungen der Informationsgewährung stellen auch keinen bloßen Reflex einer nicht auf sie gerichteten gesetzlichen Regelung dar. Ähnlich wie beim Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist es auch beim Verbraucherinformationsgesetz Zweck der Regelung, die informationellen Grundlagen für eigenverantwortliche Kaufentscheidungen der Verbraucher zu schaffen. Die Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, als Marktteilnehmer einen entscheidenden Faktor für die Steuerung des Gesamtsystems darzustellen (BT-Drs. 16/5404 und 17/7374 S. 2). 48 Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt. 49 Die antragsgebundene Information der Öffentlichkeit über festgestellte nicht zulässige Abweichungen u.a. von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches dient legitimen Zwecken des Verbraucherschutzes. Gegen die Eignung von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken; diese macht die Revision auch nicht geltend. 50 Gleichfalls ist die Regelung erforderlich. Ein gleich wirksames, aber für den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastendes Mittel steht zur Erreichung des Ziels nicht zur Verfügung. Die Erforderlichkeit der Bestimmung kann auch nicht mit der Erwägung der Revision verneint werden, Bußgelder könnten billigere, aber gleich geeignete Mittel sein und einen generalpräventiven Zweck erfüllen. Dass Bußgelder in der Lage wären, den Verbraucher umfassend zu informieren und für Transparenz zu sorgen, ist nicht im Ansatz erkennbar. Soweit die Veröffentlichung für die Betroffenen negative Folgen entfaltet, ist der potentiell gewichtige Grundrechtseingriff zudem dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst haben (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 35 f.). 51 Die beanstandeten Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG i.V.m. § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG) sind auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen vorgenommen. Die angegriffenen Regelungen verfolgen wichtige Ziele des Verbraucherschutzes. Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (so auch BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 Rn. 49 zu § 40 Abs. 1a LFGB). Diese legitimen Zwecke rechtfertigen es auch, dass der Zugang zu Informationen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG gemäß § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG nicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgelehnt werden kann. 52 Damit die Veröffentlichung der Informationen für das Unternehmen nicht zu unzumutbaren Folgen führt, hat der Gesetzgeber Schutzvorkehrungen geschaffen, die solche Konsequenzen ausschließen sollen. So hat die informationspflichtige Stelle bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit mitzuteilen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VIG). Ferner ist die Behörde zur unverzüglichen Richtigstellung verpflichtet, wenn sich die zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben herausstellen, sofern der oder die Dritte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <272> zum aktiven staatlichen Informationshandeln). Die Richtigstellung soll in derselben Weise erfolgen, in der die Information zugänglich gemacht wurde (§ 6 Abs. 4 Satz 2 VIG). Dabei wird die informationspflichtige Stelle zu beachten haben, dass die Richtigstellung nicht nur gegenüber dem Antragsteller geboten sein kann, sondern eine öffentliche Bekanntmachung vonnöten ist, wenn die Publikation der Informationen über das Verhältnis zum Antragsteller hinausgegangen ist. Wenn ein Antragsteller die zugänglich gemachten Informationen etwa an eine Verbraucherschutzorganisation weitergegeben hat und diese ihr einen hohen Verbreitungsgrad der Informationen verschafft hat. In einem solchen Fall kann die informationspflichtige Stelle zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sein, für eine hinreichende Publikation der Richtigstellung zu sorgen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht stellt die Beteiligung des Dritten, dessen rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden könnten, den wichtigsten Schutz dar. Durch die Beteiligung kann der Dritte insbesondere in die Lage versetzt werden, im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die Herausgabe von Informationen und damit die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. Um einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht leerlaufen zu lassen, wird die informationspflichtige Stelle von der ihr in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VIG eingeräumten Möglichkeit, von der Anhörung des Dritten abzusehen, soweit es um die Weitergabe von Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG geht, nur dann Gebrauch machen zu dürfen, wenn für sie, z.B. aus vorangegangenen Anträgen auf Informationszugang, absehbar ist, dass der Dritte gegen die Weitergabe keine Einwände geltend machen wird. Schließlich hat die zuständige Behörde bei der Zugänglichmachung von Informationen stets darauf zu achten, dass allein die vom Gesetz in den Blick genommenen Abweichungen mitgeteilt werden. Regelhaftes Verhalten des Unternehmers darf hierbei auch nicht mittelbar oder nebenbei zugänglich gemacht werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die solchem regelhaften Verhalten zu Grunde liegen, können daher von vornherein nicht zum Gegenstand des Informationszugangs werden. Diese Schutzvorkehrungen führen zu einem angemessenen, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht werdenden Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse des Antragstellers und dem Schutzbedürfnis des von der Informationsgewährung betroffenen Unternehmens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 7 B 22.14 - Buchholz 404.1 VIG Nr. 1 Rn. 12). 53 cc) Ungeachtet der Frage, ob die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, deren Verletzung die Revision rügt, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst (etwa BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 706/08 - BVerfGE 123, 186 Rn. 218), gelten die obigen Erwägungen hier gleichermaßen. Auch eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Dieses Grundrecht scheidet als Prüfmaßstab bereits deshalb aus, weil die Fragen nach dem Schutz von Marktteilnehmern im Wettbewerb von der sachlich spezielleren Norm des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst werden (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 - BVerfGE 105, 252 <279>). 54 h) Die unionsrechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem gewährten Informationszugang sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es eine Sperrwirkung von Art. 10 VO (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit 2002 für mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften zur Verbraucherinformation unterhalb der Gefahrenschwelle verneint hat. Nach dieser Bestimmung unternehmen die Behörden, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel oder ein Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann, unbeschadet der geltenden nationalen oder Gemeinschaftsbestimmungen über den Zugang zu Dokumenten je nach Art, Schwere und Ausmaß des Risikos geeignete Schritte, um die Öffentlichkeit über die Art des Gesundheitsrisikos aufzuklären. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Art. 10 der Verordnung allein eine Informationspflicht der Behörden bei einem entsprechenden Verdachtsfall entnommen, so dass es den Behörden nicht untersagt ist, die Öffentlichkeit, wie es in Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 vorgesehen ist, zu informieren, wenn ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet, aber nicht gesundheitsschädlich ist, wobei die Vorgaben des Art. 7 VO (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu beachten sind (EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-636/11 - [ECLI:​EU:​C:​2013:​227], Berger gegen Freistaat Bayern - Rn. 29 ff.). 55 Der Senat lässt offen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend ist, dass Art. 7 Abs. 2 und 3 VO (EG) Nr. 882/2004 keine subjektiven Rechte für das Unternehmen begründet. Jedenfalls steht Art. 7 VO (EG) Nr. 882/2004, nach dessen Absatz 1 Satz 3 Buchst. a) die Öffentlichkeit generell Zugang zu Informationen über die Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörden und ihre Wirksamkeit hat, dem Informationszugang nicht entgegen. Die Auffassung der Revision, dass die Öffentlichkeit nur Zugang zu allgemeinen Informationen über die Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörden hat, findet in dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a) VO (EG) Nr. 882/2004 keine Stütze. Im Übrigen lässt sich Art. 7 VO (EG) Nr. 882/2004 nichts dafür entnehmen, dass Informationen über Betriebskontrollen und Beanstandungen der Geheimhaltungspflicht unterliegen und nur Informationen über Gesundheitsgefahren zugänglich gemacht werden dürfen. Soweit sich die Revision sinngemäß auf Art. 7 Abs. 3 4. Spiegelstrich VO (EG) Nr. 882/2004 beruft, wonach durch einzelstaatliches Recht geschützte geheimhaltungspflichtige Informationen auch unionsrechtlich geschützt sind, führt dieses Vorbringen nicht weiter. Auch wenn Informationen über Beanstandungen bei Betriebskontrollen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wären, unterlägen sie nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes keinem Schutz. 56 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig. Dies entspricht der Billigkeit, weil der Beigeladene, obgleich er von einem eigenen Antrag abgesehen hat, den angegriffenen Verwaltungsakt eingehend verteidigt und damit das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2018 - 2 VR 2.16 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 11; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 134)." bverwg_2019-61,11.09.2019,"Pressemitteilung Nr. 61/2019 vom 11.09.2019 EN Keine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bei Bestehen eines Aufenthaltsrechts nach Art. 10 VO (EU) 492/2011 Art. 10 VO (EU) 492/2011 (ArbeitnehmerfreizügigkeitsVO) vermittelt Kindern, die in Deutschland die Schule besuchen, und ihren Eltern ein Freizügigkeitsrecht i.S.d. § 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), das einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entgegensteht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin zu 1 und ihre beiden Töchter, die Klägerinnen zu 2 und 3, sind polnische Staatsangehörige. Sie reisten im Februar 2009 in das Bundesgebiet ein. Von Ende Mai 2012 bis Ende März 2013 ging die Klägerin zu 1 einer Beschäftigung nach. In der Folge wurden ihr und ihren Kindern, die staatliche Schulen im Bundesgebiet besuchten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. Im Juni 2013 stellte die beklagte Ausländerbehörde den Verlust des Rechts der Klägerinnen auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland fest. Nach Aufnahme einer Beschäftigung im August 2013 wurde an der Verlustfeststellung nur noch für den Zeitraum von Juni bis August 2013 festgehalten. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Oberverwaltungsgericht die Verlustfeststellung auch insoweit aufgehoben. Die Klägerinnen zu 2 und 3 seien als Kinder einer Wanderarbeitnehmerin auch in dem streitigen Zeitraum freizügigkeitsberechtigt gewesen. Der Klägerin zu 1 habe als für ihre Kinder sorgendem Elternteil ein von diesem Aufenthaltsrecht ihrer Töchter abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugestanden. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis mit einer alternativen Begründung bestätigt: Wird davon ausgegangen, dass die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU nicht in einzelne Zeitabschnitte teilbar ist, kann sie grundsätzlich insgesamt keinen Bestand mehr haben, wenn der betroffene Unionsbürger oder sein Familienangehöriger im Verlauf des Verfahrens (neuerlich) freizügigkeitsberechtigt wird und die Behörde die Verlustfeststellung nur noch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum aufrechterhält. Wird hingegen von einer zeitlichen Teilbarkeit der Verlustfeststellung und damit einer zeitabschnittsweisen Betrachtung ausgegangen, war die verbliebene Verlustfeststellung ebenfalls rechtswidrig. Denn die Klägerinnen waren auch seinerzeit freizügigkeitsberechtigt i.S.d. FreizügG/EU. Gemäß Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Dies vermittelt ihnen und - hiervon abgeleitet - auch ihren tatsächlich die Personensorge ausübenden Eltern ein Aufenthaltsrecht. Aufenthaltszeiten, die allein auf der Grundlage des Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 zurückgelegt wurden, ohne dass die für die Inanspruchnahme eines Aufenthaltsrechts nach der sogenannten Unionsbürger-Richtlinie (RL 2004/38/EG) vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt waren, können zwar nicht für die Zwecke eines Daueraufenthaltsrechts i.S.d. § 4a FreizügG/EU berücksichtigt werden. Jedoch vermitteln sie den Kindern eines Wanderarbeitnehmers und dem Elternteil, der die tatsächliche Sorge für diese ausübt, Freizügigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU in dem Aufnahmemitgliedstaat des (vormaligen) Wanderarbeitnehmers, so dass eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU ausscheidet. BVerwG 1 C 48.18 - Urteil vom 11. September 2019 Vorinstanzen: OVG Bautzen, 3 A 736/16 - Urteil vom 25. Oktober 2018 - VG Dresden, 3 K 3320/14 - Urteil vom 18. August 2016 -","Urteil vom 11.09.2019 - BVerwG 1 C 48.18ECLI:DE:BVerwG:2019:110919U1C48.18.0 EN Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011; zu einer zeitabschnittsbezogenen (Un-)Teilbarkeit des zeitlichen Wirkungsbereichs des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU Leitsatz: Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 vermittelt den Kindern eines (vormaligen) Wanderarbeitnehmers und deren die tatsächliche Sorge ausübenden Elternteilen nicht nur ein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Wohnsitznahme, sondern auch auf Freizügigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU. Rechtsquellen AEUV Art. 20 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 Art. 10 Abs. 1 RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 16 Abs. 1 FreizügG/EU § 2 Abs. 1 und 7, § 4a Abs. 1, § 5 Abs. 3 und 4 Satz 1, § 6 Abs. 2 Satz 2, § 7 Abs. 1 und 2 VwGO § 65 Abs. 1 und 2, § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 3 Satz 4, § 144 Abs. 4 Instanzenzug VG Dresden - 18.08.2016 - AZ: VG 3 K 3320/14 OVG Bautzen - 25.10.2018 - AZ: OVG 3 A 736/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.09.2019 - 1 C 48.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:110919U1C48.18.0] Urteil BVerwG 1 C 48.18 VG Dresden - 18.08.2016 - AZ: VG 3 K 3320/14 OVG Bautzen - 25.10.2018 - AZ: OVG 3 A 736/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Feststellung des Verlustes ihres Rechts auf Einreise und Aufenthalt für einen Zeitraum im Jahr 2013. 2 Die Klägerinnen sind polnische Staatsangehörige. Die im Jahr 1967 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der in den Jahren 2004 und 1998 geborenen Klägerinnen zu 2 und 3. Im Februar 2009 reisten sie in das Bundesgebiet ein. Von Ende Mai 2012 bis Ende März 2013 ging die Klägerin zu 1 einer Beschäftigung nach. In der Folge wurden ihr und ihren Kindern, die seinerzeit staatliche Schulen in G. besuchten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. 3 Im Juni 2013 stellte der Beklagte den Verlust des Rechts der Klägerinnen auf Einreise und ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland fest. An dieser Verlustfeststellung wurde in der Folgezeit, nachdem die Klägerin zu 1 Ende August 2013 erneut eine Beschäftigung angetreten hatte, nur noch für einen Zeitraum von Juni 2013 bis August 2013 festgehalten. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. 4 Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Verlustfeststellung insgesamt aufgehoben. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin zu 1 in dem betreffenden Zeitraum des Jahres 2013 freizügigkeitsberechtigt nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU gewesen sei. Denn die Klägerinnen zu 2 und 3 seien unabhängig von den Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU jedenfalls nach Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 freizügigkeitsberechtigt gewesen. Die Klägerin zu 1 habe als personensorgeberechtigter Elternteil ein von diesem Aufenthaltsrecht ihrer Töchter abgeleitetes Freizügigkeitsrecht besessen. 5 Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht habe Bundesrecht dadurch verletzt, dass es entscheidungserheblich nicht ausschließlich das Freizügigkeitsgesetz/EU, sondern auch Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 herangezogen habe. Damit habe es zugleich über den falschen Streitgegenstand entschieden. Streitgegenstand sei allein das Nichtentstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU. Mit der angefochtenen Verlustfeststellung sei festgestellt worden, dass den Klägerinnen in dem Zeitraum von Juni 2013 bis August 2013 kein daueraufenthaltsbegründendes Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU zugestanden habe. Ein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 vermittle keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU. Es stehe einem Freizügigkeitsrecht im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU und der Richtlinie 2004/38/EG nicht gleich. Eine Gleichstellung müsse positiv-rechtlich erfolgen und sei nicht im Wege eines Analogieschlusses möglich. Die voraussetzungslose Anwendung des Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 durch das Oberverwaltungsgericht setze alle unions- und bundesrechtlichen Regelungen zur Umgehung sozialrechtlicher Vorschriften außer Kraft. Das Berufungsgericht hätte zumindest einschränkend dahingehend entscheiden müssen, dass eine weitere Beschulung nur erfolgen könne, wenn konkrete zusätzliche Bedingungen der Freizügigkeit oder des Aufenthalts erfüllt worden wären. Dessen ungeachtet sei die Berufung auf das Unionsrecht rechtsmissbräuchlich. 6 Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht an dem Verfahren. II 8 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die zwischen den Beteiligten allein im Streit befindliche Feststellung des Verlustes des Rechts der Klägerinnen auf Einreise und Aufenthalt für einen abgeschlossenen mehrmonatigen Zeitraum im Jahr 2013 nicht von § 5 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) gedeckt ist und daher aufzuheben war. 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen, die Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung sein können, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Diese Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist (BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 11 und vom 28. März 2019 - 1 C 9.18 - InfAuslR 2019, 277 Rn. 9 und Beschluss vom 7. Dezember 2017 - 1 B 142.17 - juris Rn. 5). 10 Der Senat lässt offen, ob auch für den hier vorliegenden Fall, dass die Ausländerbehörde zunächst gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU den Verlust eines Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt hat, dann aber diese Verlustfeststellung, nachdem der Unionsbürger im Verlauf des behördlichen Verfahrens neuerlich freizügigkeitsberechtigt geworden ist, nur noch für den Zeitraum zwischen dem Ergehen der Verlustfeststellung und der neuerlichen Entstehung des Freizügigkeitsrechts aufrechterhält, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, weil diese insoweit nicht teilbar ist, oder ob eine Verlustfeststellung zeitabschnittsweise teilbar ist und daher nachträglich auf bestimmte zurückliegende Zeiträume beschränkt werden darf, sodass aus Gründen des materiellen Rechts für die Sach- und Rechtslage ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist (1.). Bei fehlender Teilbarkeit der Verlustfeststellung ist deren noch aufrechterhaltener Rest schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte selbst an der Verlustfeststellung im dann maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts nicht mehr festgehalten hat (2.). Aber auch bei Annahme einer Teilbarkeit wäre die Verlustfeststellung, soweit sie zuletzt noch Bestand hatte, hier nicht von § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU gedeckt, weil die Klägerinnen in dem betreffenden zurückliegenden Zeitraum des Jahres 2013 ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 S. 1) - VO (EU) Nr. 492/2011 - besaßen und daher freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU waren (3.). Die von der Revision insoweit erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg (4.). 11 1. Das Berufungsgericht ist ohne nähere Auseinandersetzung mit deren dogmatischer Einordnung davon ausgegangen, dass es sich bei einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU jedenfalls im Falle einer nachträglichen zeitlichen Beschränkung auf einen bestimmten Zeitraum durch Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft bei Wiedererstehen einer Freizügigkeitsberechtigung um einen auf der Zeitachse teilbaren Verwaltungsakt handelt, dessen Rechtmäßigkeit nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage in dem - zurückliegenden, abgeschlossenen - Zeitraum zu beurteilen ist, für den sich die Verlustfeststellung noch Geltung beimisst. Ob ein Verwaltungsakt in inhaltlicher Hinsicht oder auf der Zeitachse teilbar ist, ist indes eine Frage des jeweiligen materiellen Rechts. Diesem sind nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu entnehmen, sondern es bestimmt auch, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen bei einer gerichtlichen Überprüfung vorliegen müssen, und ob eine ursprünglich rechtmäßige, während des gerichtlichen Verfahrens aber rechtswidrig gewordene Verfügung ""in der Zeit"" teilbar ist. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU enthält zur Frage der Teilbarkeit auf der Zeitachse keine ausdrückliche Aussage. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, über die zeitliche Teilbarkeit einer Verlustfeststellung - insgesamt oder in Fällen der nachträglichen Beschränkung - zu entscheiden. 12 Eine solche Teilbarkeit hat das Bundesverwaltungsgericht für die Ausweisung verneint (BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - 1 C 13.11 - BVerwGE 144, 230 Rn. 21 f.). Anknüpfend daran ist der Senat bisher in Fällen, in denen die Verlustfeststellung nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt worden war, davon ausgegangen, dass sich die Rechtmäßigkeit einer Verlustfeststellung grundsätzlich allein anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts beurteilt und die Verlustfeststellung dann insgesamt rechtswidrig ist, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt ein Freizügigkeitsrecht besteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. März 2019 - 1 C 9.18 - InfAuslR 2019, 277 Rn. 8 f., 25 und vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 11; Beschluss vom 7. Dezember 2017 - 1 B 142.17 - juris Rn. 5). 13 Der Senat neigt dazu, diese Rechtsprechung nicht auf Fälle einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU zu übertragen, die nachträglich wegen des Wiedererstehens einer Freizügigkeitsberechtigung zeitlich beschränkt, mit Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufgehoben oder als auf andere Weise erledigt angesehen worden ist. Gegen eine Übertragung und für eine zeitabschnittsweise Teilbarkeit spricht dabei, dass sich der Regelungsgehalt der Verlustfeststellung nicht - wie bei der Ausweisung - auf die konstitutive Beendigung des (rechtmäßigen) Aufenthalts konzentriert, sondern nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU die Ausreisepflicht nur eine Rechtsfolge ist; sie steht zudem - wegen der lediglich feststellenden Natur der Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU - unter dem Vorbehalt, dass in der Folgezeit nicht erneut eine Freizügigkeitsberechtigung entsteht. Die durch die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU bewirkte Beseitigung der Freizügigkeitsvermutung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 16. November 2010 - 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 11, vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 12 und vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 12) schließt das neuerliche Entstehen eines Aufenthaltsrechts und in der Folge den Wegfall der Ausreisepflicht nicht aus (Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 5 FreizügG/EU Rn. 58 und § 7 FreizügG/EU Rn. 25; Gerstner-Heck, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand März 2019, § 7 FreizügG/EU Rn. 3; Harms, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 5 FreizügG/EU Rn. 10 und § 7 FreizügG/EU Rn. 3). Damit verliert ein wichtiger Gesichtspunkt für die Unteilbarkeit der Ausweisung an Bedeutung, dass ihre titelvernichtende (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) Wirkung bei einer Aufhebung lediglich mit Wirkung für die Zukunft nicht entfiele; das Recht zur Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU be- und entsteht bei materiellem Bestand einer Freizügigkeitsberechtigung kraft Unionsrechts unabhängig von einer entsprechenden behördlichen Genehmigung. 14 Die Verlustfeststellung weist zudem durch den Gesetzgeber der entsprechenden sozialrechtlichen Regelungen gewollte Bezüge zu den Voraussetzungen auf, unter denen regelmäßig zeitabschnittsweise zu gewährende Sozialleistungen zu gewähren sind (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 104, aber auch etwa § 7 Abs. 1 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II). Eine derartige Verknüpfung setzt auch Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2, Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 S. 77) voraus, indem er den Mitgliedstaaten die anlassbezogene Prüfung des Fortbestandes einer Freizügigkeitsberechtigung auch aus Anlass des Bezuges von Sozialleistungen ermöglicht (dazu auch EuGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - C-308/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​436], Europäische Kommission/Vereinigtes Königreich - Rn. 80 ff. m.w.N.) und ihnen lediglich verwehrt, die Inanspruchnahme von Sozialhilfe, von der die Mitgliedstaaten Unionsbürger nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ausschließen dürfen (dazu etwa EuGH, Urteile vom 11. November 2014 - C-333/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2358], Dano - Rn. 63 ff. und vom 25. Februar 2016 - C-299/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​114], Garcia-Nieto - Rn. 36 ff.), automatisch zum Anlass einer Ausweisung zu nehmen. Das Unionsrecht erlaubt den Mitgliedstaaten auch Regelungen, nach denen Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38/EG zusteht, nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, weil das dem im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziel zuwiderliefe, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, zu verhindern (s. EuGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - C-299/14 - Rn. 39 m.w.N.). 15 Einer abschließenden Klärung bedarf es indes nicht, weil die Verlustfeststellung in dem Umfang, in dem sie durch den Beklagten für die Vergangenheit aufrechterhalten geblieben und Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, unabhängig von der zeitabschnittsweisen Teilbarkeit der Verlustfeststellung rechtswidrig ist. 16 2. Wird davon ausgegangen, dass eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU nicht teilbar und deshalb insgesamt anhand des jeweils aktuellen Zeitpunkts zu beurteilen ist, kann sie insgesamt keinen Bestand mehr haben, wenn der betroffene Unionsbürger oder sein Familienangehöriger im Verlauf des Verfahrens (neuerlich) freizügigkeitsberechtigt wird. Der Wegfall der maßgeblichen Voraussetzung des Nichtbestehens eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU entzöge der Verlustfeststellung nachträglich insgesamt die Grundlage. Der Restverwaltungsakt, der infolge der auf die neuerliche Freizügigkeitsberechtigung des Unionsbürgers hin mit Ex-nunc-Wirkung verfügten Teilaufhebung verbliebe, erwiese sich als Torso, der mangels (fortbestehender) Ausreisepflicht des Betroffenen keinen selbstständigen Bestand haben könnte. 17 3. Die angegriffene Verlustfeststellung für den von ihr noch erfassten Zeitraum von Juni bis August 2013 ist aber auch dann mit § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU unvereinbar und aufzuheben, wenn eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU nachträglich auf bestimmte Zeiträume beschränkt werden kann und in diesem Sinne zeitlich teilbar ist. Denn die Klägerinnen waren in diesem - dann für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen - Zeitraum zwischen dem Erlass der Verlustfeststellung und dem Eintritt ihrer neuerlichen Freizügigkeitsberechtigung gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 aufenthaltsberechtigt (a) und damit im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU (b). 18 a) Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Klägerinnen in dem betreffenden Zeitraum des Jahres 2013 gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren. 19 aa) Gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Die Norm begründet zuvörderst ein Recht auf Gleichbehandlung (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 27. September 1988 - C-42/87 [ECLI:​EU:​C:​1988:​454], Kommission/Königreich Belgien - Rn. 10). Aus dem Recht zur Teilnahme am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung folgt zugleich ein eigenständiges (EuGH, Urteil vom 13. Juni 2013 - C-45/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​390], Hadj Ahmed - Rn. 46), originäres (Franzen, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 45 AEUV Rn. 143) und autonomes (EuGH, Urteil vom 23. Februar 2010 - C-310/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​80], Ibrahim - Rn. 41 f.) Recht der Kinder des (vormaligen) Wanderarbeitnehmers auf Einreise, Aufenthalt und Wohnsitznahme. Ein entsprechendes Recht vermittelt Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 zudem dem Elternteil, der die elterliche Sorge für die betreffenden Kinder tatsächlich wahrnimmt, ohne dass dieser die in der Richtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen erfüllen muss (EuGH, Urteil vom 23. Februar 2010 - C-480/08 [ECLI:​EU:​C:​2010:​83], Teixeira - Rn. 61). Dieser Elternteil kann auch der vormalige Wanderarbeitnehmer selbst sein. Das Aufenthaltsrecht ist der Förderung der Inanspruchnahme des Rechts der Kinder auf Teilnahme am allgemeinen Unterricht zu dienen bestimmt und besteht auch nach dem Ende der Erwerbstätigkeit des Wanderarbeitnehmers fort (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-413/99 [ECLI:​EU:​C:​2002:​493], Baumbast und R - Rn. 73 ff.). Es endet regelmäßig mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, sofern dieses nicht ausnahmsweise weiterhin der Anwesenheit und Fürsorge dieses Elternteils bedarf, um seine Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können (EuGH, Urteil vom 23. Februar 2010 - C-480/08 - Rn. 86 f.). Adressat des den Kindern eines Wanderarbeitnehmers und deren die tatsächliche Sorge ausübenden Elternteile aus Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 erwachsenen Aufenthaltsrechts ist allein der Aufnahmestaat des (vormaligen) Wanderarbeitnehmers, nicht hingegen auch jeder andere Mitgliedstaat der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 27. September 1988 - C-263/86 [ECLI:​EU:​C:​1988:​451], Humbel und Edel - Rn. 24 f.). 20 bb) Die Klägerinnen zu 2 und 3 wie auch die Klägerin zu 1 waren hiernach in dem streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2013 nach Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. 21 (1) Die Klägerinnen zu 2 und 3 sind Kinder einer Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union. Ihre Mutter, die Klägerin zu 1, ist wie sie polnische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 war Wanderarbeitnehmerin, da sie im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in einem bestimmten Zeitraum im Rahmen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbrachte, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhielt. Ausweislich der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ging sie im Zeitraum von Ende Mai 2012 bis Ende März 2013 im Bundesgebiet einer Vollzeitbeschäftigung nach. Dass sie zuvor einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, steht ihrer Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016 - C-115/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​487], N.A. - Rn. 18 und 68), auch nicht der Umstand, dass sie bereits im Jahr 2009 gemeinsam mit ihren Kindern in das Bundesgebiet eingereist war. Die Klägerinnen zu 2 und 3 nahmen nach ihrer Einreise Wohnung bei der Klägerin zu 1 und behielten ihren Wohnsitz auch während der nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit ihrer Mutter bei. Das Aufenthaltsrecht nach Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 erfordert nicht, dass die Begünstigten über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und über ausreichende Existenzmittel verfügen (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 23. Februar 2010 - C-310/08 - Rn. 59). 22 Die Klägerinnen zu 2 und 3 waren auch in dem maßgeblichen Zeitraum in das deutsche Schulsystem eingegliedert. Sie besuchten seinerzeit die Mittelschule bzw. die Grundschule und nahmen dort am allgemeinen Unterricht teil. Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 erfasst die Teilnahme an dem Unterricht sowohl an berufs- als auch an allgemeinbildenden Schulen. Eine Begrenzung auf den Unterricht an weiterführenden Schulen ist der Norm nicht zu entnehmen (a.A. zu Art. 12 Abs. 3 RL 2004/38/EG Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 3 FreizügG/EU Rn. 90; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2019, § 3 FreizügG/EU Rn. 56; weitergehend hingegen Oberhäuser, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 FreizügG/EU Rn. 34). Gegen eine entsprechende Einschränkung streitet nicht nur der Zweck der Verordnung, die Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmestaat zu integrieren, um jener wie diesem die effektive Wahrnehmung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt zu ermöglichen, sondern auch die Diversität der Ausgestaltung der Schulwesen der Mitgliedstaaten. Auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nicht zu entnehmen, dass Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 die Teilnahme am allgemeinen Unterricht an Grundschulen nicht erfasst (EuGH, Urteile vom 15. März 1989 - C-389/87 [ECLI:​EU:​C:​1989:​130], Echternach und Moritz - Rn. 29 f. und vom 23. Februar 2010 - C-310/08 - Rn. 19). 23 Das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 steht auch nicht unter dem Vorbehalt, dass es den Kindern des (vormaligen) Wanderarbeitnehmers unzumutbar sein muss, auf eine Schule in dessen Herkunftsmitgliedstaat zu wechseln. Eine entsprechende Einschränkung, für die der Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte liefert, stünde in Widerspruch zu dem Ziel der Vorschrift, die Integration der Familienangehörigen der Wanderarbeitnehmer zu fördern (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-413/99 - Rn. 54). Es bedurfte daher keiner Klärung, ob es den Klägerinnen zu 2 und 3 zuzumuten gewesen wäre, ihre Schulausbildung in Polen fortzuführen. Aus den nämlichen Gründen, aber auch im Hinblick auf das Wohnsitzerfordernis des Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 bedurfte es keiner Prüfung, ob es den Klägerinnen zu 2 und 3 möglich und zumutbar gewesen wäre, ihren Wohnsitz in der Nachbarstadt von G., dem polnischen Z., zu nehmen und von dort aus unter den gleichen Bedingungen an dem Unterricht in deutschen Schulen teilzunehmen. 24 (2) Als Elternteil, welcher in dem streitgegenständlichen Zeitraum die elterliche Sorge für die Kinder des Wanderarbeitnehmers tatsächlich wahrnahm, vermittelte Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 auch der Klägerin zu 1 ein Aufenthaltsrecht. 25 b) Die Klägerinnen besaßen in dem streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2013 ein ""Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU"" im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU, da Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 den Normadressaten nicht nur ein Aufenthaltsrecht, sondern auch ein Freizügigkeitsrecht vermittelt (dazu aa). Auch ein solches, nicht aus der Richtlinie 2004/38/EG folgendes Freizügigkeitsrecht wird von § 2 Abs. 1 FreizügG/EU erfasst und hindert damit eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU (dazu bb). 26 aa) Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 vermittelt den Kindern eines (vormaligen) Wanderarbeitnehmers und deren die tatsächliche Sorge ausübenden Elternteilen nicht nur ein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Wohnsitznahme, sondern auch auf Freizügigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU (ebenso BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 Rn. 27 und vom 12. September 2018 - B 14 AS 18/17 R - juris Rn. 24). 27 Die Norm und die sich daraus ergebenden Rechte sind nach Maßgabe des Aufbaus und des Zwecks dieser Verordnung auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-413/99 - Rn. 68). 28 Gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Unionsbürger ist gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Der Unionsbürgerstatus ist dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2001 - C-184/99 [ECLI:​EU:​C:​2001:​458], Grzelczyk - Rn. 30 f.). Das Recht des Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, wird jedem, der unter den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder dergleichen seitens des Aufnahmestaats unmittelbar im primären Unionsrecht oder, je nach Sachlage, in den zu dessen Umsetzung ergangenen Bestimmungen gewährt (EuGH, Urteil vom 8. April 1976 - C-48/75 [ECLI:​EU:​C:​1976:​57], Royer - Rn. 31 ff.). Das allgemeine Einreise- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger im Sinne des Art. 21 Abs. 1 AEUV erfährt in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Art. 45 AEUV eine spezifische (EuGH, Urteil vom 12. März 2014 - C-457/12 [ECLI:​EU:​C:​2014:​136], S. und G. - Rn. 45) und spezielle (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2017 - C-566/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​562], Erzberger - Rn. 25) Ausprägung, die zugleich einen der fundamentalen Grundsätze der Union verkörpert (stRspr, vgl. EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1995 - C-415/93 [ECLI:​EU:​C:​1995:​463], Bosman - Rn. 93). Gemäß Art. 45 Abs. 1 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Nach Art. 45 Abs. 3 Buchst. b und c AEUV gibt die Freizügigkeit - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht, sich zum Zweck der Bewerbung auf tatsächlich angebotene Stellen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben. Als Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien (EuGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - C-152/82 [ECLI:​EU:​C:​1983:​205], Forcheri und Marino - Rn. 11) ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht in einem engen Sinne zu verstehen. Die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 dient ebenso wie die ihr vorausgehende Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257 S. 2) dazu, die Verwirklichung der Ziele der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erleichtern (EuGH, Urteil vom 13. Februar 1985 - C-267/83 [ECLI:​EU:​C:​1985:​67], Diatta - Rn. 15). Sie formt den Inhalt des Grundsatzes der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wie er in Art. 45 AEUV niedergelegt ist, auch in Bezug auf deren Familienangehörige aus und ist im Lichte des von Art. 8 EMRK gewährleisteten Anspruchs auf Achtung des Familienlebens auszulegen (EuGH, Urteil vom 18. Mai 1989 - C-249/86 [ECLI:​EU:​C:​1989:​204], Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 10). Gemäß Erwägungsgrund 4 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ist die Freizügigkeit ein Grundrecht nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch ihrer Familien. Damit das Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden kann, müssen ausweislich des Halbsatzes 2 des Erwägungsgrundes 6 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 alle Hindernisse beseitigt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Integration der Familie des Arbeitnehmers im Aufnahmeland. Dies macht es erforderlich, die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen (EuGH, Urteil vom 13. Juni 2013 - C-45/12 - Rn. 44 ff.). In diesem Sinn bezweckt die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 nicht nur die Verwirklichung der Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, sondern vermittelt sie Freizügigkeit auch deren Familienangehörigen. Dieser Zielsetzung dient auch Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011. 29 bb) Das durch Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 begründete Freizügigkeitsrecht wird von § 2 Abs. 1 FreizügG/EU erfasst und steht damit einer Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entgegen. 30 Das Freizügigkeitsgesetz/EU dient der Umsetzung primären und sekundären Unionsrechts und bezieht sich nicht nur auf die in der Richtlinie 2004/38/EG zusammengefassten, sondern auf sämtliche sich aus dem Unionsrecht ergebenden Freizügigkeitsrechte (BT-Drs. 15/420 S. 102). Der Aufzählung in § 2 Abs. 2 FreizügG/EU kommt insoweit nur eine deklaratorische Bedeutung zu. Wer freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger oder dessen Familienangehöriger ist, bestimmt mit konstitutiver Wirkung allein das Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteile vom 8. April 1976 - C-48/75 - Rn. 31 ff. und vom 7. Juli 1976 - C-118/75 [ECLI:​EU:​C:​1976:​106], Watson und Bellmann - Rn. 11 ff.). Freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU sind somit auch solche unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigten Personen, die nicht oder nur unzureichend von § 2 Abs. 2 FreizügG/EU erfasst werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand August 2019, § 2 FreizügG/EU Rn. 1). Dafür spricht ganz wesentlich die Regelung des § 7 Abs. 1 FreizügG/EU, nach der eine Verlustfeststellung die Ausreisepflicht des betroffenen Unionsbürgers bzw. Familienangehörigen eines Unionsbürgers begründet. Der anderenfalls entstehende Widerspruch zwischen einer kraft Gesetzes eintretenden Ausreisepflicht und einem gleichwohl kraft Unionsrechts bestehenden Freizügigkeitsrecht wird vermieden, wenn alle unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechte von § 2 Abs. 1 FreizügG/EU als erfasst angesehen werden. 31 Der grundsätzlichen Einbeziehung des neben der Richtlinie 2004/38/EG stehendenden Freizügigkeitsrechts aus Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU steht - anders als der Beklagte meint - auch nicht entgegen, dass Aufenthaltszeiten, die allein auf der Grundlage eines Aufenthaltsrechts aus Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 zurückgelegt wurden, für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt im Sinne des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU nicht berücksichtigt werden können (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - C-529/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​290], Alarape und Tijani - Rn. 48). Die Möglichkeit einer Feststellung des Verlustes des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU erlischt mit dem Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts knüpft an das Vorliegen einer Freizügigkeitsberechtigung im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie an. Nach Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Rechtmäßig im Sinne dieser Norm ist indes nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG und insbesondere mit den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 C 22.14 - Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 4 Rn. 16). Daher kann ein zwar im Einklang mit dem Recht eines Mitgliedstaats stehender Aufenthalt, der jedoch nicht die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt, nicht als ""rechtmäßiger"" Aufenthalt im Sinne des Art. 16 Abs. 1 RL 2004/38/EG angesehen werden. Zeiten, in denen sich der Familienangehörige eines Unionsbürgers allein auf der Grundlage des Art. 10 Abs. 1 VO (EU) Nr. 492/2011 in dem Mitgliedstaat aufhält, sind zwar für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - C-529/11 - Rn. 39 f. und 48), stehen indes der Annahme einer Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nicht entgegen. 32 4. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. 33 a) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe es unterlassen, die zuständige Sozialbehörde gemäß § 65 VwGO beizuladen, genügt schon nicht den Mindesterfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, da sie die beizuladende Sozialbehörde nicht bezeichnet. Die einfache Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO steht zudem im Ermessen des Gerichts. Ihr Unterlassen begründet daher regelmäßig keinen Verfahrensfehler (BVerwG, Urteil vom 11. August 1983 - 5 C 30.82 - BVerwGE 67, 341 <343> m.w.N.). Umstände, die ausnahmsweise einen solchen Verfahrensfehler begründen könnten, sind von dem Beklagten nicht aufgezeigt worden. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO berührte den Beklagten schon nicht in eigenen Rechten. Denn die notwendige Beiladung bezweckt nicht, die Verfahrensposition eines Prozessbeteiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglichkeiten der Sachaufklärung zu erweitern. Sie soll vielmehr die Rechte des notwendig Beizuladenden schützen und dient darüber hinaus der Prozessökonomie (BVerwG, Beschluss vom 16. September 2009 - 8 B 75.09 - NVwZ-RR 2010, 37 Rn. 3). 34 b) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe es entgegen § 86 Abs. 1 VwGO unterlassen aufzuklären, dass polnische Schüler, die in Grenznähe in Polen wohnten, unter den gleichen Bedingungen wie deutsche Schüler an dem Unterricht einer Schule in G. teilnehmen könnten, genügt ebenfalls nicht dem Darlegungserfordernis des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, da es die Revision unterlässt darzutun, dass nicht nur die Möglichkeit, sondern auch ein Rechtsanspruch in Z. wohnhafter polnischer Schüler auf Teilnahme am Unterricht einer staatlichen Schule in G. besteht. Dessen ungeachtet ist die Aufklärungsrüge jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO auch unbegründet (vgl. Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 132 Rn. 108), da es nach zutreffender Rechtsanwendung für die Entscheidung des Rechtsstreits auf diese Tatsache nicht ankommt. 35 c) Soweit die Revision im gleichen Zusammenhang rügt, falsch sei die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, im Falle eines Umzuges der Klägerinnen zu 2 und 3 nach Z. wären für diese keine gleichen Bedingungen für den Schulbesuch in G. mehr gewährleistet gewesen, wendet sie sich der Sache nach gegen einen angeblichen Fehler in der Sachverhaltswürdigung. Ein solcher Fehler ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und vermag deshalb im Lichte des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht zu begründen (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Im Übrigen fehlt es auch insoweit an der Erheblichkeit eines etwaigen Verfahrensmangels. 36 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-62,11.09.2019,"Pressemitteilung Nr. 62/2019 vom 11.09.2019 EN Datenschutzbehörde kann Betrieb einer Facebook-Fanpage untersagen Der Betreiber eines im sozialen Netzwerk Facebook unterhaltenen Unternehmensauftritts (Fanpage) kann verpflichtet werden, seine Fanpage abzuschalten, falls die von Facebook zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel aufweist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Gegenstand des Revisionsverfahrens war eine Anordnung der schleswig-holsteinischen Datenschutzaufsicht, mit der die Klägerin, eine in Kiel ansässige Bildungseinrichtung, unter der Geltung der Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) verpflichtet worden war, die von ihr bei Facebook betriebene Fanpage zu deaktivieren. Der Bescheid beanstandete, dass Facebook bei Aufruf der Fanpage auf personenbezogene Daten der Internetnutzer zugreife, ohne dass diese gemäß den Bestimmungen des Telemediengesetzes über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung sowie ein Widerspruchsrecht gegen die Erstellung eines Nutzungsprofils für Zwecke der Werbung oder Marktforschung unterrichtet würden. Ein gegenüber der Klägerin als Betreiberin der Fanpage erklärter Widerspruch des Nutzers bleibe mangels entsprechender technischer Einwirkungsmöglichkeiten folgenlos. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin abgelehnt, weil sie keinen Zugriff auf die erhobenen Daten habe. Dagegen wandte sich der Beklagte im vorliegenden Revisionsverfahren. Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25. Februar 2016 - BVerwG 1 C 28.14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - entschieden, dass der Betreiber einer Fanpage für die durch Facebook erfolgende Datenverarbeitung mitverantwortlich ist. Denn er ermöglicht durch den Betrieb der Fanpage Facebook den Zugriff auf die Daten der Fanpage-Besucher. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf der Grundlage dieser bindenden Vorgabe das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Um das von der Datenschutzrichtlinie bezweckte hohe Datenschutzniveau möglichst zügig und wirkungsvoll durchzusetzen, konnte sich der Beklagte bei der Auswahl unter mehreren datenschutzrechtlichen Verantwortlichen vom Gedanken der Effektivität leiten lassen und ermessenfehlerfrei die Klägerin für die Herstellung datenschutzkonformer Zustände bei Nutzung ihrer Fanpage in die Pflicht nehmen. Er musste nicht gegen eine der Untergliederungen oder Niederlassungen von Facebook vorgehen, weil das wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft von Facebook mit erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten verbunden gewesen wäre. Erweisen sich die bei Aufruf der Fanpage ablaufenden Datenverarbeitungen als rechtswidrig, so stellt die Deaktivierungsanordnung ein verhältnismäßiges Mittel dar, weil der Klägerin keine anderweitige Möglichkeit zur Herstellung datenschutzkonformer Zustände offensteht. Zur Frage der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Datenverarbeitungsvorgänge bedarf es einer näheren Aufklärung der tatsächlichen Umstände durch das Berufungsgericht. Die Rechtmäßigkeit der bei Aufruf der klägerischen Fanpage ablaufenden Datenverarbeitungsvorgänge ist an den Vorgaben des im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gültigen Datenschutzrechts, insbesondere an den Vorschriften des Telemediengesetzes, denen die Klägerin als Betreiberin unterliegt, zu messen. BVerwG 6 C 15.18 - Urteil vom 11. September 2019 Vorinstanzen: OVG Schleswig, 4 LB 20/13 - Urteil vom 04. September 2014 - VG Schleswig, 8 A 14/12 - Urteil vom 09. Oktober 2013 -","Urteil vom 11.09.2019 - BVerwG 6 C 15.18ECLI:DE:BVerwG:2019:110919U6C15.18.0 EN datenschutzrechtliche Deaktivierungsanordnung gegen Facebook-Fanpagebetreiber Leitsätze: 1. Der Betreiber einer Fanpage im sozialen Netzwerk Facebook ist für die bei Aufruf dieser Seite ablaufenden Datenverarbeitungsvorgänge verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG a.F. und damit potentieller Adressat einer Anordnung nach § 38 Abs. 5 BDSG a.F. 2. Für die Ausübung der Eingriffsbefugnisse des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. bedarf es im Falle mehrerer gemeinsam für die Datenverarbeitung Verantwortlicher einer Ermessensausübung im Hinblick auf die Auswahl des Adressaten. 3. Auch im Bereich des Datenschutzes kann es das Gebot einer effektiven und wirkungsvollen Gefahrenabwehr rechtfertigen, denjenigen Verantwortlichen heranzuziehen, dessen Pflichtigkeit sich ohne weiteres bejahen lässt und dem effektive Mittel zum Abstellen des Verstoßes zur Verfügung stehen. Rechtsquellen BDSG § 1 Abs. 5, § 3 Abs. 7, § 38 Abs. 5 Richtlinie 95/46/EG Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, Art. 2 Buchst. d, Art. 28 Abs. 3 und 6 TMG § 3 Abs. 3 Nr. 4, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEUV Art. 267 Instanzenzug VG Schleswig - 09.10.2013 - AZ: VG 8 A 14/12 OVG Schleswig - 04.09.2014 - AZ: OVG 4 LB 20/13 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 11.09.2019 - 6 C 15.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:110919U6C15.18.0] Urteil BVerwG 6 C 15.18 VG Schleswig - 09.10.2013 - AZ: VG 8 A 14/12 OVG Schleswig - 04.09.2014 - AZ: OVG 4 LB 20/13 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Hahn, Dr. Tegethoff und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. September 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin ist eine in der Form einer GmbH betriebene gemeinnützige Bildungseinrichtung, die von den Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein getragen wird. Sie wendet sich gegen eine datenschutzrechtliche Anordnung, mit der sie verpflichtet wird, ihre unter der Adresse ""https://www.facebook.com/wirtschaftsakademie"" unterhaltene Facebook-Seite (sog. Fanpage) zu deaktivieren. 2 Die Klägerin betreibt im Sozialen Netzwerk Facebook einen speziellen Nutzeraccount in Form einer Fanpage, auf dem sie sich als Bildungseinrichtung präsentiert und ihr Bildungsangebot bewirbt. Nach Anhörung der Klägerin ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 3. November 2011 die Deaktivierung dieser Fanpage an und drohte widrigenfalls ein Zwangsgeld an. Er beanstandete, dass Facebook bei Aufruf der Fanpage Cookies setze, die zu einer Verarbeitung personenbezogener Daten der Nutzer und zur Erstellung von Nutzungsprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung führten. Die Klägerin unterrichte die Nutzer nicht über Art, Umfang und Zwecke der Datenerhebung sowie das Bestehen eines Widerspruchsrechts gegen die Erstellung eines Nutzungsprofils. Zudem biete sie keine Möglichkeit, dieses Widerspruchsrecht auszuüben. Facebook generiere aus den Nutzerdaten eine anonymisierte statistische Zusammenstellung, die über die Funktion ""Facebook Insights"" vom Fanpagebetreiber zur Analyse des Nutzerverhaltens abgerufen werden könne. Die Klägerin sei für die von Facebook veranlassten Datenverarbeitungsvorgänge datenschutzrechtlich verantwortlich, weil sie mit dem Betrieb der Fanpage Facebook den Zugriff auf die Daten der Nutzer eröffne und ihrerseits von den Vorteilen der unentgeltlichen zur Verfügung gestellten Infrastruktur profitiere. Da Facebook in den bisherigen Gesprächen keine Lösung angeboten habe und die Klägerin selbst mangels Einwirkungsmöglichkeiten auf die digitale Infrastruktur von Facebook keine rechtskonforme Nutzung anbieten könne, komme nur die Anordnung der Deaktivierung der Fanpage in Betracht. 3 Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid in Form des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2011. Sie machte im Wesentlichen geltend, sie sei lediglich Nutzerin des sozialen Netzwerks und an dessen Infrastruktur gebunden. Sie trage keine Verantwortung für die von Facebook durchgeführten Datenverarbeitungen. Im Übrigen hätten Facebooknutzer im Rahmen ihrer Registrierung und der Annahme der Facebook-Nutzungsbedingungen in die Datenverarbeitungen eingewilligt. Nutzer, die keine Facebookmitglieder seien, könnten sich über einen Link am Ende der Fanpage über die Nutzungsbedingungen informieren. Die bloße Übertragung der Internetprotokolladresse stelle kein personenbezogenes Datum dar. 4 Das Verwaltungsgericht lud die Facebook Ireland Ltd. mit Sitz in Dublin, Irland, zum Verfahren bei. 5 Mit Urteil vom 9. Oktober 2013 hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Die Klägerin sei keine verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG a.F., weil sie die Nutzerdaten weder selbst verarbeite noch die Beigeladene als Auftragsdatenverarbeiterin einsetze. Sie entscheide auch nicht gemeinsam mit Facebook über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung. Die für eine Anwendung des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. erforderliche datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit könne nicht durch einen Rückgriff auf die Zurechnungsnormen des Privatrechts oder des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ausgeweitet werden. 6 Die dagegen erhobene Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 4. September 2014 zurückgewiesen. Es hat die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass mangels Kontroll- und Einflussmöglichkeit keine datenschutzrechtliche (Mit-)Verantwortlichkeit der Klägerin aus § 3 Abs. 7 BDSG a.F., Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) für die vorliegend beanstandeten Datenverarbeitungsvorgänge begründet werden könne. Die Klägerin könne daher nicht Adressatin einer Verfügung nach § 38 Abs. 5 BDSG a.F. sein. Das Berufungsurteil hat zudem darauf abgestellt, dass die Deaktivierungsanordnung einer Untersagung der Datenverarbeitung nach § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a.F. gleichkomme. Eine vollständige Untersagung setze voraus, dass zunächst im Rahmen eines abgestuften Verfahrens Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. gefordert worden seien. Eine Ausnahme komme nur in Betracht, wenn ein Datenverarbeitungsverfahren in seiner Gesamtheit unzulässig und nur durch Einstellung beseitigt werden könne, also die Einhaltung des abgestuften Verfahrens objektiv sinn- und zwecklos erscheine. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Denn die vom Beklagten behaupteten Verstöße könnten von Facebook ohne weiteres und wesentlich effektiver beseitigt werden. Auch für den Fall, dass der Beklagte nicht die für Facebook zuständige Kontrollstelle sei, dürfe er nicht anstelle von Facebook und abweichend vom vorgeschriebenen Verfahren einen Dritten im Sinne des Art. 2 Buchst. f der Datenschutzrichtlinie belangen. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsurteil offengelassen, ob die beanstandeten Vorgänge gegen deutsches oder irisches Datenschutzrecht verstießen. 7 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Abweisung der Klage. Er rügt im Wesentlichen eine Verletzung der § 3 Abs. 7, § 38 Abs. 5 BDSG a.F. sowie von Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie. Das im Berufungsurteil zum Ausdruck kommende Verständnis der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit erweise sich als zu eng und beruhe auf einem unzureichenden Verständnis des Geschäftsmodells des Sozialen Netzwerks Facebook und der wechselseitigen geschäftlichen Interessen der Klägerin und der Beigeladenen. Als Adressat einer datenschutzrechtlichen Anordnung komme auch in Betracht, wer sich aus Eigeninteresse die digitale Infrastruktur eines Anbieters zunutze mache, obwohl diese den Anforderungen des Datenschutzrechts nicht genüge. Das Berufungsurteil verkenne, dass die Klägerin als Trägerin eines öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags in besonderem Maße zur Wahrung der datenschutzrechtlichen Belange ihrer Nutzer verpflichtet sei. 8 Die Klägerin verteidigt die angegriffenen Urteile und beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Charakter der von ihr wahrgenommenen Bildungsaufgaben führe nicht zu einer abweichenden Bewertung ihrer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit. Diese scheitere bereits an den fehlenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die von Facebook vorgegebene und im Übrigen datenschutzrechtlich unbedenkliche Infrastruktur. Die von Facebook durchgeführten Verarbeitungsvorgänge könnten der Klägerin auch sonst unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zugerechnet werden. Der Beklagte habe ermessensfehlerfrei nur gegen Facebook vorgehen können. 9 Auch die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen und macht geltend, die Deaktivierungsanordnung erweise sich aus den im Berufungsurteil dargelegten Gründen als rechtswidrig. Sie selbst sei die datenschutzrechtlich Verantwortliche für das Soziale Netzwerk Facebook außerhalb Nordamerikas und betreibe es unter der Aufsicht der irischen Datenschutzbehörden im Einklang mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Nutzer, die mit einer Fanpage interagierten, seien durch die Datenverwendungsrichtlinien von Facebook umfassend unterrichtet und hätten in diese eingewilligt. Ein Fanpagebetreiber könne weder die Datenerhebungen noch deren Verarbeitung im Rahmen der ""Facebook Insights""-Funktion beeinflussen. Die Klägerin sei daher nicht verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG a.F., Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie. Eine Inanspruchnahme unter Rückgriff auf eine Störerhaftung komme nicht in Betracht. Dem Beklagten stehe mit der Beigeladenen eine geeignetere Stelle zur Beseitigung etwaiger Datenschutzrechtsverstöße zur Verfügung. Dies habe sowohl im Rahmen der Stufenfolge des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. wie auch im Rahmen des Auswahlermessens Berücksichtigung finden müssen. 10 Der damals befasste 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 25. Februar 2016 ausgesetzt und in einem Vorabentscheidungsverfahren den Gerichtshof der Europäischen Union um Auslegung mehrerer Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie gebeten. Mit Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass der Betreiber einer bei einem sozialen Netzwerk unterhaltenen Fanpage ein für die Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne des Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie ist. Weil die amerikanische Muttergesellschaft Facebook Inc. mit Facebook Germany GmbH in Deutschland über eine dauerhafte Niederlassung verfüge und die beanstandeten Verarbeitungen in den Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung fielen, sei deutsches Datenschutzrecht anwendbar. Die nationale Kontrollstelle sei zur Ausübung ihrer Hoheitsbefugnisse gegenüber einer in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Niederlassung eines außerhalb der europäischen Union sitzenden Unternehmens auch dann befugt, wenn die Verantwortung für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten für das gesamte Gebiet der Union einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Niederlassung obliege. Die nationale Datenschutzbehörde sei für ein Tätigwerden im Rahmen ihrer Zuständigkeit nicht an die rechtliche Bewertung einer Datenverarbeitung durch die Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats gebunden. 11 Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union haben die Beteiligten ergänzend vorgetragen. Der Beklagte erachtet die Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin für verbindlich geklärt. Leitend für die Einstufung der Klägerin als für die Verarbeitung Verantwortliche sei, dass sich der Betreiber einer Internetseite nicht seinen datenschutzrechtlichen Pflichten entziehen könne, indem er eine von Facebook vorgefertigte Plattform nutze und sich deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterwerfe. Das Berufungsurteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe bestätigt, dass keine Priorität der irischen Datenschutzaufsicht bestehe. Weder sei der Beklagte an deren Einschätzung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Beigeladene gebunden, noch müsse er zunächst um ein Einschreiten gegen die Beigeladene ersuchen. Er sei auch weder nach deutschem noch nach europäischem Recht gehalten gewesen, vorrangig gegen Facebook Germany GmbH einzuschreiten. Ein Rückgriff auf die allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätze der Störerauswahl komme infolge der umfassenden Harmonisierung des Datenschutzrechts durch die Datenschutzrichtlinie nicht in Betracht. Ein Verständnis, nach dem der Beklagte seine Befugnisse nur ausüben dürfe, wenn sich zuvor alle auch nur entfernt in Betracht kommenden Alternativen als vollständig nutzlos erwiesen hätten, wäre mit dem Ziel einer effektiven Durchsetzung des europäischen Rechts nicht vereinbar. Das europäische Recht fordere kein vorrangiges Vorgehen gegen einen in einem höheren Grad Verantwortlichen. Vielmehr belege das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Juli 2019 - C-40/17, Fashion-ID -, dass die Klägerin im Hinblick auf die bei Aufruf der Seite eintretenden Rechtsverstöße originäre und alleinige Störerin sei. Ohnehin fehle dem Beklagten eine Verbandskompetenz für ein Einschreiten gegen Facebook Germany GmbH mit Sitz in Hamburg. Das Vorgehen erweise sich auch als verhältnismäßig. Dem Beklagten stehe kein milderes und zugleich effektives Mittel zur Verfügung. Insbesondere sei er nicht darauf verwiesen, ein Vorgehen des hamburgischen Datenschutzbeauftragten abzuwarten. 12 Die Klägerin macht geltend, die Deaktivierungsanordnung erweise sich jedenfalls aus anderen Gründen als rechtswidrig. Ungeachtet der noch ungeklärten Frage, ob beim Betrieb der Fanpage überhaupt Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vorlägen, habe der Beklagte sein Ermessen in personeller Hinsicht und unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fehlerhaft ausgeübt. Nach dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr habe vorrangig Facebook als Hauptverantwortliche zur Unterbindung der vermeintlichen Datenschutzrechtsverstöße verpflichtet werden müssen. Zudem liege eine Ermessensüberschreitung vor, weil der Beklagte die Klägerin systemlos und willkürlich aus der Vielzahl der Fanpagebetreiber herausgegriffen habe und ihr damit einen erheblichen Wettbewerbsnachteil zufüge. Jedenfalls aber sei die geforderte Deaktivierung unverhältnismäßig, weil der Beklagte mit einem Vorgehen gegen die Facebook Germany GmbH datenschutzkonforme Zustände schonender und effektiver herstellen könne. Die gemeinsame Verantwortlichkeit zwischen der Beigeladenen und der Klägerin führe auch zu einer gemeinsamen Zuständigkeit der jeweils originär zuständigen Datenschutzbehörden, so dass der Beklagte innerstaatlich zu einem Vorgehen gegen die in Hamburg ansässige Facebook Germany GmbH zuständig gewesen sei. Jedenfalls sei er im Rahmen des Auswahlermessens zur Inanspruchnahme von Amtshilfe verpflichtet gewesen. Da es für die Rechtmäßigkeit des Bescheids maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankomme, könnte der Beklagte die damals getroffene Ermessensentscheidung nicht durch nachträglich gewonnene Erkenntnisse unterfüttern. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner zuletzt ergangenen Entscheidung vom 29. Juli 2019 aufgezeigt, dass das Vorliegen einer gemeinsamen Verantwortlichkeit in einer Verarbeitungskette abschnittsweise zu betrachten sei. 13 Die Beigeladene trägt vor, die im bisherigen Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen böten keine geeignete Grundlage für die Bejahung einer Mitverantwortlichkeit der Klägerin nach Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe seiner Entscheidung fälschlicherweise zugrunde gelegt, dass die bei Einrichtung einer Fanpage erfolgende Parametrierung durch den Fanpagebetreiber einen Einfluss auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch sie habe, was tatsächlich nicht der Fall sei. Es fehlten im Übrigen auch Feststellungen dazu, ob die Klägerin von diesen Funktionalitäten Gebrauch gemacht habe. Angesichts dieser gravierenden Diskrepanz könne die Frage einer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin nicht als verbindlich geklärt behandelt werden. Im Übrigen ergebe sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids aus dem Umstand, dass der Beklagte das in § 38 Abs. 5 BDSG a.F. vorgesehene zweistufige Verfahren nicht eingehalten und sich fälschlicherweise auf Satz 1 der Ermächtigungsgrundlage gestützt habe. Auch leide die Anordnung unter Ermessensfehlern. Der Beklagte verkenne die Bedeutung des unterschiedlichen Grades der Verantwortlichkeit für das Auswahlermessen und die Verhältnismäßigkeit. Jedenfalls habe ein Vorgehen gegen die Facebook Germany GmbH oder gegen sie selbst Vorrang vor einer Inanspruchnahme der Klägerin. Die Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens werde noch dadurch verstärkt, dass die Nutzer mit der Einführung eines ""Cookie-Banners"" mittlerweile über die Datenerhebungen informiert würden, so dass die Klägerin in absehbarer Zeit die Einzige sei, die ihre Fanpage deaktivieren müsse. Für den Beklagten sei eine Inanspruchnahme der Facebook Germany GmbH auch rechtlich möglich, weil seine Zuständigkeit an die Betroffenheit einer in Schleswig-Holstein wohnenden natürlichen Person anknüpfe. Andernfalls habe der Beklagte vorrangig die Amtshilfe anderer Kontrollstellen einfordern müssen. Im Übrigen seien die beanstandeten Datenverarbeitungen rechtskonform. 14 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verweist auf die mittlerweile in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung und den dort unverändert übernommenen Begriff des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen. Die für den Rechtsstreit zentrale Frage einer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin sei durch den Gerichtshof der Europäischen Union abschließend entschieden. Zugleich sei geklärt, dass es vorliegend für die Zuständigkeit des Beklagten unschädlich sei, dass nach der konzerninternen Aufgabenverteilung bei Facebook die Erhebung und Verarbeitung der Daten außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Beklagten erfolge. Schließlich belege das Urteil auch, dass der Beklagte vor Ausübung seiner Kontrollbefugnisse keine Abstimmung mit den irischen Datenaufsichtsbehörden habe vornehmen müssen. II 15 Die zulässige Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, soweit es § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954) i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) - BDSG a.F. - entnimmt, dass für das dort vorgegebene gestufte Vorgehen unterschiedliche Adressaten in die Betrachtung einzubeziehen sind (1). Mit Bundesrecht unvereinbar ist nach den bindenden Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auch der Maßstab, mit dem das Berufungsurteil die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin nach § 3 Abs. 7 BDSG a.F., Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31, ber. 2017 L 40 S. 78) - Datenschutzrichtlinie - beurteilt hat (2). Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte hat auf die streitigen Datenverarbeitungen zu Recht deutsches Datenschutzrecht angewandt (3) und sein Ermessen bei der Auswahl der Klägerin als Adressatin des Bescheids und bei der Anordnung einer Deaktivierung der Fanpage rechtmäßig ausgeübt (4). Da die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitungsvorgänge zu beurteilen, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (5). 16 1. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2011, zugrunde gelegt. Die Rechtmäßigkeit von Anordnungen zur Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße nach § 38 Abs. 5 BDSG a.F. ist nach der Rechtslage zu beurteilen, die zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung gilt. Nachträgliche Rechtsänderungen sind nicht zu berücksichtigen (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2016 - 1 C 28.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​250216B1C28.14.0] - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 18 Rn. 17; vgl. dazu auch Urteil vom 27. März 2019 - 6 C 2.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​270319U6C2.18.0] - NJW 2019, 2556 Rn. 7). 17 Auch ist die an die Klägerin gerichtete Anordnung, ihre Fanpage zu deaktivieren, nach dem Eingriffsgewicht nicht als Mängelbeseitigung im Sinne des § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F., sondern als Untersagung des Einsatzes eines Verfahrens nach § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a.F. zu werten. Deshalb ist sie zusätzlich zu den Voraussetzungen des Satzes 1 den gesteigerten Anforderungen des Satzes 2 der Vorschrift zu unterwerfen (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2016 - 1 C 28.14 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 18 Rn. 22). Dem Umstand, dass der angefochtene Bescheid in der Titelzeile auf Satz 1 dieser Bestimmung Bezug nimmt, hat das Berufungsgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Der Bescheid ist im verfügenden Teil ausdrücklich auf die Norm des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. gestützt und rekurriert auf die Satz 1 und 2 umfassende Befugnisnorm. Der Bescheid wählt daher entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen weder eine unzutreffende Rechtsgrundlage noch bedarf es eines Austausches der Rechtsgrundlage oder einer Umdeutung. 18 § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 BDSG a.F. verlangt nach seinem Wortlaut ein gestuftes Vorgehen der Aufsichtsbehörden. Er verpflichtet sie, zunächst die Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße oder Mängel anzuordnen und dies erforderlichenfalls durch die Verhängung eines Zwangsgelds durchzusetzen. Erst wenn diese Instrumente nicht in angemessener Zeit zur Herstellung datenschutzkonformer Zustände führen, kann die Aufsichtsbehörde die Untersagung einer Datenverarbeitung oder eines Datenverarbeitungsverfahrens aussprechen. Damit erweist sich die Normstruktur des § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 BDSG a.F. als eine ausdrückliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Eben dieser Grundsatz gebietet aber dann eine Ausnahme, wenn die fehlende Eignung einer Anordnung nach Satz 1 zur Herstellung datenschutzkonformer Zustände bereits feststeht (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2016 - 1 C 28.14 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 18 Rn. 22). Das Datenschutzrecht zwingt die Aufsichtsbehörden nicht zu einem objektiv sinn- und zwecklosen Vorgehen. 19 Allerdings erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts insoweit als unzutreffend, als es auch die Frage der Adressatenauswahl in die Stufenfolge des § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 BDSG a.F. einbezieht. Die Ermächtigungsgrundlage des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. ist zwar adressatenoffen ausgestaltet, sie steuert mit der Vorgabe eines stufenweisen Einschreitens aber nicht die Auswahl zwischen verschiedenen nach dem materiellen Recht Pflichtigen. Weder kann die Aufsichtsbehörde bei einem Vorgehen nach § 38 Abs. 5 Satz 2 BDSG a.F. auf ein erfolgloses Einschreiten nach Satz 1 gegenüber einem Dritten verweisen, noch muss sie, soweit ein gestuftes Vorgehen ausnahmsweise entbehrlich ist, zunächst gegenüber anderen oder gar sämtlichen Normadressaten Maßnahmen nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. ergreifen. Die ermessensgerechte Adressatenauswahl ist vielmehr der Frage, welche Maßnahme nach der Stufenfolge des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. angeordnet werden kann, vorgelagert. 20 2. Mit dem revisiblen Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht im Einklang steht die Auslegung des Begriffs der verantwortlichen Stelle im Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG a.F. durch das Berufungsgericht. Er ist unionsrechtskonform dahingehend zu verstehen, dass er auch Stellen erfasst, die anderen die Gelegenheit der Datenverarbeitung einräumen, ohne selbst damit befasst zu sein. 21 a. Der EuGH hat in seinem in der vorliegenden Sache ergangenen Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 [ECLI:​EU:​C:​2018:​388] - JZ 2018, 1154 Rn. 44 rechtskräftig festgestellt, dass der Begriff des für die Verarbeitung Verantwortlichen in Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie den Betreiber einer bei einem sozialen Netzwerk unterhaltenen Fanpage umfasst. Im Lichte des Ziels der Datenschutzrichtlinie, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten, ist der Begriff des für die Verarbeitung Verantwortlichen in Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie weit definiert als natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder jede andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 27). Der EuGH stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass der Betreiber einer auf Facebook unterhaltenen Fanpage mit der Einrichtung einer solchen Seite Facebook die Möglichkeit gibt, auf dem Computer oder jedem anderen Gerät der Person, die seine Fanpage besucht hat, Cookies zu platzieren, unabhängig davon, ob diese Person über ein Facebook-Konto verfügt (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 35). Damit leistet der Betreiber einen maßgeblichen Beitrag zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucher der Fanpage (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 36). Hinzu kommt, dass die von Facebook aus den Daten erstellten anonymen Besucherstatistiken dem Betreiber ganz allgemein ermöglichen, sein Informationsangebot so zielgerichtet wie möglich zu gestalten (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 37). Für die Bejahung einer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ist nicht erforderlich, dass bei einer gemeinsamen Verantwortlichkeit mehrerer Betreiber für dieselbe Verarbeitung jeder Zugang zu den betreffenden personenbezogenen Daten hat (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 38). Daher ist der Betreiber einer Fanpage an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher seiner Fanpage beteiligt und ein für diese Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 39). Der Umstand, dass ein Betreiber einer Fanpage die von Facebook eingerichtete Plattform nutzt, um die dazugehörigen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, kann diesen nicht von der Beachtung seiner Verpflichtungen im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten befreien (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 40). 22 Eine erneute Vorlage an den EuGH wegen der Reichweite der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit kommt nicht in Betracht. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist als vorlegendes Gericht bei der Entscheidung des Rechtsstreits an die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gebunden (stRspr vgl. EuGH, Beschluss vom 5. März 1986 - C-69/85 [ECLI:​EU:​C:​1986:​104], Wünsche - Rn. 13). Weder das Bundesverwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht als weitere zur Entscheidung berufene Gerichte des Instanzenzugs sind befugt, von der Antwort der entschiedenen Frage in ihren Entscheidungen abzuweichen (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 94 Rn. 27; Ehricke, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV Rn. 68). Das Vorbringen der Beigeladenen, das Urteil des EuGH beruhe auf einem unzutreffenden Sachverhalt, ist schon aus diesem Grund unerheblich. Auch das Vorbringen der Klägerin im Nachgang zum Urteil des EuGH vom 29. Juli 2019 - C-40/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​629], Fashion ID -, es müsse eine isolierte Betrachtung der Verantwortlichkeit für nachgelagerte Verarbeitungsschritte stattfinden, ist mit der dargestellten Rechtsprechung des EuGH nicht in Einklang zu bringen. 23 b. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist der Begriff der verantwortlichen Stelle im Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG a.F. unionsrechtskonform entsprechend der Vorgabe des Art. 2 Buchst. d der Datenschutzrichtlinie auszulegen (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2016 - 1 C 28.14 - Buchholz 403.1 Allg. DatenschutzR Nr. 18 Rn. 27; vgl. zur Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung auch Petri, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 4 Nr. 7 Rn. 20; Hartung, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BSDG, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art. 4 Nr. 7 Rn. 3). Die Klägerin ist daher als Betreiberin ihrer bei Facebook unterhaltenen Fanpage verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG a.F. und damit mögliche Adressatin einer auf § 38 Abs. 5 BDSG a.F. gestützten Anordnung. Die personale Reichweite der Eingriffsbefugnis folgt hier der materiellrechtlichen Pflichtigkeit (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2016 - 1 C 28.14 - a.a.O. Rn. 22). 24 3. Das Berufungsurteil kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil es sich aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte hat auf die beanstandeten Datenverarbeitungsvorgänge durch Facebook zu Recht deutsches Datenschutzrecht, insbesondere die § 13 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Telemediengesetzes (TMG) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692) - TMG a.F. - angewandt. 25 a. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Datenschutzrichtlinie wendet jeder Mitgliedstaat die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften auf alle Datenverarbeitungen an, die im Rahmen der Tätigkeit einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats besitzt. Damit müssen zwei Voraussetzungen vorliegen, damit das Datenschutzrecht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union auf eine Verarbeitung (Erhebung und Nutzung) personenbezogener Daten Anwendung findet: Erstens muss ein Verantwortlicher für die Datenverarbeitung eine Niederlassung in diesem Mitgliedstaat haben. Zweitens muss die Tätigkeit dieser Niederlassung in Verbindung mit der Datenverarbeitung stehen. Diese Verbindung setzt nicht voraus, dass die Niederlassung selbst in den Vorgang der Datenverarbeitung einbezogen ist. Vielmehr hält der EuGH unter Verweis auf die Gewährleistung eines möglichst hohen Niveaus des Datenschutzes jeden Bezug ihrer Tätigkeit zur Datenverarbeitung für ausreichend (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - JZ 2018, 1154 Rn. 56 ff.). Der EuGH stellt darauf ab, ob die Tätigkeit der Niederlassung und die Datenverarbeitung Bestandteile eines Vorgangs sind, der wirtschaftlich einheitlich zu betrachten ist. 26 b. Für die vorliegend streitigen Datenverarbeitungen sind nach den bindenden Vorgaben des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - JZ 2018, 1154 Rn. 54 - 62) beide Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Datenschutzrichtlinie erfüllt. Die amerikanische Muttergesellschaft Facebook Inc. als gemeinsam mit der Beigeladenen für die Verarbeitung im Rahmen des Sozialen Netzwerks Facebook Verantwortliche unterhält in Irland mit der Beigeladenen und in Deutschland mit der Facebook Germany GmbH dauerhafte Niederlassungen, die effektiv und tatsächlich Tätigkeiten ausüben (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 55). Die beanstandeten Datenverarbeitungen sind auch als im Rahmen der Tätigkeit der Facebook Germany GmbH ausgeführt anzusehen, weil diese die Aufgabe hat, den Verkauf der Werbeflächen zu fördern, mit denen die von Facebook angebotenen Dienstleistungen rentabel gemacht werden sollen (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 60). Auf die bei Aufruf der Fanpage durch Facebook vorgenommenen Datenverarbeitungen ist daher materielles deutsches Datenschutzrecht anzuwenden (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 61). 27 c. Zu dem danach anwendbaren Recht zählen auch die vom Beklagten herangezogenen Vorschriften des Telemediengesetzes. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 TMG a.F. bestimmt sich die Anwendbarkeit des für den Schutz personenbezogener Daten geltenden Rechts nicht nach dem für Dienstanbieter in § 3 Abs. 1 und 2 TMG a.F. geregelten Herkunftslandprinzip, sondern nach den allgemeinen Kollisionsvorschriften der Datenschutzrichtlinie und des Bundesdatenschutzgesetzes a.F. (Moos, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl. 2013, Einführung zum TMG Rn. 11; Jotzo, MMR 2009, 232 <234>). Daher kommen vorliegend für die streitgegenständlichen Verarbeitungsvorgänge gemäß § 1 Abs. 5 BDSG a.F., Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 Datenschutzrichtlinie die §§ 11 ff. TMG a.F. zur Anwendung. 28 4. Für den Fall, dass eine mit schwerwiegenden Mängeln behaftete datenschutzrechtswidrige Erhebung und Verarbeitung der Nutzerdaten vorliegt, ist die Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 38 Abs. 5 BDSG a.F. durch den Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO). 29 a. Für die Ausübung aufsichtlicher Eingriffsbefugnisse nach § 38 Abs. 5 BDSG a.F. bedarf es im Falle mehrerer datenschutzrechtlich Verantwortlicher einer Ermessensausübung im Hinblick auf die Auswahl des Adressaten. Aus der Datenschutzrichtlinie ergibt sich nichts Abweichendes: Die nationalen Kontrollstellen haben ihre Befugnisse aus § 38 Abs. 5 BDSG a.F. ungeachtet der europarechtlichen Verankerung in Art. 28 Abs. 3 der Datenschutzrichtlinie unter Wahrung der nach dem für sie maßgeblichen nationalen Verwaltungsverfahrensrecht und der dortigen Vorgaben zum Ermessen auszuüben. Dabei haben sie ihr nationales Recht im Einklang mit der Datenschutzrichtlinie auszulegen und darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinie stützen, die mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-101/01 [ECLI:​EU:​C:​2003:​596], Lindqvist - Rn. 87). Stehen einer nationalen Kontrollbehörde infolge einer gemeinsamen Verantwortlichkeit mehrere potentielle Adressaten für eine Abhilfemaßnahme zur Verfügung, so ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Ermessensentscheidung erforderlich, wenn bereits die Inanspruchnahme nur eines Adressaten den Anlass für das Einschreiten beseitigen könnte (Schreiber, ZD 2019, 55 <59> m.w.N.). Auch § 38 Abs. 5 BDSG a.F. selbst bietet keinen Ansatz dafür, dass diese Befugnisnorm im Rahmen der Ermessensausübung einen Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze der Störerauswahl ausschließen würde. 30 b. Der Beklagte hat sein Ermessen bei der Auswahl der Klägerin als Adressatin des Bescheids ungeachtet der Frage, ob auch ein Vorgehen gegen Unternehmen des Facebook-Konzerns rechtlich möglich gewesen wäre, rechtmäßig ausgeübt. Er hat vor Erlass des Bescheids mit Facebook erfolglos Gespräche darüber geführt, welche technischen Vorkehrungen für einen datenschutzkonformen Betrieb einer Fanpage in Betracht kämen (vgl. S. 4 des angefochtenen Bescheids). Daher hat er ein Vorgehen gegen Facebook tatsächlich in Erwägung gezogen, dann aber einer Inanspruchnahme der Klägerin aus sachlichen Gründen den Vorzug gegeben. Für die Auswahl unter mehreren datenschutzrechtlich Verantwortlichen erweist sich der das Gefahrenabwehrrecht beherrschende Gedanke der Effektivität als legitim. Die Behörde kann sich bei der Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Adressaten von der Erwägung leiten lassen, dass ein rechtswidriger Zustand durch die Inanspruchnahme eines bestimmten Adressaten schneller oder wirksamer beseitigt werden kann (zum allgemeinen Polizeirecht Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Polizeiaufgaben, Rn. 133; zur Adressatenwahl im Eisenbahnrecht: BVerwG, Urteil vom 9. September 2015 - 6 C 28.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​090915U6C28.14.0] - BVerwGE 153, 1 Rn. 32; im Umweltrecht: Sparwasser/Heilshorn, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand Februar 2019, § 14 BImSchG Rn. 45). 31 Auch im Bereich des Datenschutzes kann es das Gebot einer effektiven und wirkungsvollen Gefahrenabwehr rechtfertigen, denjenigen Verantwortlichen heranzuziehen, dessen Pflichtigkeit sich ohne weiteres bejahen lässt und dem effektive Mittel zum Abstellen des Verstoßes zur Verfügung stehen. Daher war der Beklagte vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung fehlenden Kooperationsbereitschaft der Beigeladenen, den unklaren Binnenstrukturen der Facebook-Unternehmensgruppe, der damit verknüpften Frage, welches nationale Datenschutzrecht für die Beigeladene Anwendung findet und welche Möglichkeiten für die Durchsetzung eines solchen Bescheids bestehen, aus Gründen der Effektivität nicht gehalten, vor einer Inanspruchnahme der Klägerin seine rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten eines Vorgehens gegen ein Unternehmen der Facebook-Unternehmensfamilie umfassend zu klären. Vielmehr war die Deaktivierungsanordnung gegenüber der Klägerin auch geeignet, die Beigeladene über den Einzelfall der Klägerin hinaus unter Zugzwang zu setzen. Hat diese Maßnahme Bestand, so wird sich Facebook um eine datenschutzrechtskonforme Lösung bemühen müssen, um sein Geschäftsmodell in Deutschland weiterverfolgen zu können. Daher erweist sich die Anordnung gegen die Klägerin als effektives Mittel, um das vom EuGH im Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - (JZ 2018, 1154 Rn. 26) herausgestellte Ziel, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zu gewährleisten. 32 c. Die gegenüber der Klägerin angeordnete Deaktivierung ihrer Fanpage erweist sich auch im Übrigen als ermessensfehlerfrei. Da die Klägerin als datenschutzrechtlich Verantwortliche bei Vorliegen der beanstandeten Verstöße einen rechtskonformen Betrieb ihrer Fanpage nach den bindenden Feststellungen des Berufungsurteils mangels vertraglicher oder technischer Einwirkungsmöglichkeiten nicht bewirken kann, war die Anordnung der Deaktivierung ein geeignetes Mittel zur Unterbindung der potentiellen Datenschutzrechtsverstöße. Ein milderes Mittel stand dem Beklagten gegenüber der Klägerin nicht zur Verfügung. Auch der Umstand, dass das Deaktivierungsgebot der Klägerin derzeit die Möglichkeit nimmt, sich in dem von ihr für ihre geschäftliche Tätigkeit als besonders wichtig erachteten sozialen Netzwerk Facebook zu präsentieren, zwang den Beklagten nicht zu einem Verzicht auf ein effektives Einschreiten, wenn die Klägerin dieses Angebot nur unter Inkaufnahme schwerwiegender datenschutzrechtlicher Mängel betreiben kann. 33 d. Ebenso wenig lässt sich ein Ermessensfehler aus dem Umstand herleiten, dass die Daten der Nutzer auch auf einer Vielzahl weiterer Facebook-Fanpages in gleicher Weise verarbeitet werden und daher die Abschaltung der klägerischen Fanpage massenhafte Datenschutzrechtsverstöße an anderer Stelle nicht verhindern kann. Verstöße Dritter gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen lassen die Verantwortlichkeit der Klägerin für ihr eigenes Angebot unberührt. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Der Beklagte war im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gehalten, vor einer Inanspruchnahme der Klägerin ein Konzept für ein flächendeckendes Vorgehen gegen Fanpage-Betreiber in seiner Zuständigkeit zu erstellen. Zwar beschränkt der Gleichheitssatz als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung und gebietet der Behörde, in vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 8 C 18.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​261017U8C18.16.0] - BVerwGE 160, 193 Rn. 21 m.w.N.). Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen aber nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Bei Vorliegen sachlicher Gründe kann sie sich auch darauf beschränken, zunächst einen Einzelfall herauszugreifen und die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1995 - 4 B 55.95 - BRS 57 Nr. 248 S. 595). Dafür, dass die von dem Beklagten für die Auswahl der in Anspruch genommenen Fanpage-Betreiber angeführten Gründe willkürlich waren, ist vorliegend nichts ersichtlich. 34 5. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig keine tatsächlichen Feststellungen zu den bei Aufruf der Fanpage der Klägerin tatsächlich ablaufenden Datenverarbeitungsvorgängen und einer etwaigen Unterrichtung der Nutzer getroffen. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 35 Das Oberverwaltungsgericht wird zu prüfen haben, welche Datenerhebungen bei Aufruf der Fanpage im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt stattfanden. Soweit sich aus der Verwendung der von Facebook gesetzten Cookies eine Verarbeitung personenbezogener Daten ergab, wird das Gericht zwischen den Fallgruppen der Facebook-Mitglieder und der nicht bei Facebook registrierten Internetnutzer zu unterscheiden haben. Die Verarbeitung personenbezogener Daten wäre nur dann rechtmäßig, wenn bei der erstgenannten Gruppe eine wirksame Einwilligung in die Erhebung und nachfolgende Verarbeitung vorlag und bei der letztgenannten Gruppe für die Erhebung personenbezogener Daten eine Rechtsgrundlage bestand und eine möglicherweise erforderliche Unterrichtung erfolgte. 36 6. Die in der Revisionsbegründung unter Ziffer 1 erhobenen Verfahrensrügen einschließlich des Antrags auf Aufhebung der Beiladung hat der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2019 fallengelassen. Sie bedürfen daher keiner Entscheidung mehr. 37 7. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-65,18.09.2019,"Pressemitteilung Nr. 65/2019 vom 18.09.2019 EN Bundesnachrichtendienst muss der Presse Auskunft über Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen Pressevertreter können auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) ihnen bestimmte Informationen über vertrauliche Hintergrundgespräche erteilt, die Vertreter des BND mit ausgewählten Journalisten führen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit einem heute verkündeten Urteil entschieden. Der Kläger ist Journalist und Redakteur einer Tageszeitung. Er gehört dem Kreis der von dem BND für Hintergrundgespräche berücksichtigten Journalisten nicht an. Er bat den BND im Frühjahr 2017 um die Erteilung von Auskünften zu der Anzahl, den Themen, dem personellen Rahmen sowie den Zeiten und Orten der im Vorjahr und im laufenden Jahr organisierten Hintergrundgespräche. Er begehrte außerdem Auskunft über den Umgang mit Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem Militärputsch in der Türkei im Juli 2016. Der BND lehnte die Erteilung der verlangten Auskünfte ab. Der Kläger hat vor dem für Klagen gegen den BND in erster und letzter Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und zusätzlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Nachdem der Eilantrag in Bezug auf Fragen zum Militärputsch in der Türkei teilweise Erfolg gehabt hatte und der BND in der mündlichen Verhandlung die Fragen des Klägers nach der Anzahl, den Zeiten und den Orten der Hintergrundgespräche beantwortet hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit für teilweise erledigt erklärt. In Bezug auf einen kleinen Teil der begehrten Auskünfte hat der Kläger seine Klage zurückgenommen. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht eine Verpflichtung des BND zur Beantwortung einer weiteren Frage abgelehnt, mit der der Kläger wissen wollte, ob und gegebenenfalls wie eine Unterrichtung des Bundeskanzleramts über Äußerungen stattgefunden habe, die der Präsident des BND in einem Zeitungsinterview über eine Beteiligung der Gülen-Bewegung an dem Militärputsch abgegeben hat. Einer Beantwortung steht das schutzwürdige öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufgabenerfüllung des BND entgegen. Demgegenüber kann der Kläger eine Beantwortung der noch streitigen Fragen über die Hintergrundgespräche verlangen. Zum einen hat die Beklagte schutzwürdige öffentliche Interessen, die einer Erteilung dieser Auskünfte durch den BND entgegenstehen könnten, nicht hinreichend dargelegt. Die Auskunftserteilung schafft bzw. erhöht nicht in beachtlicher Weise die Gefahr von Rückschlüssen auf die Arbeitsfelder und die Arbeitsweise des BND. Dass der BND Hintergrundgespräche mit Journalisten auch unter Beteiligung seines Präsidenten durchführt, ist allgemein bekannt. Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt wird, welche Medien bzw. Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, werden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet. Dass eine solche Gefährdung durch die Benennung der allgemeinen Themen - also nicht der konkreten Inhalte - der jeweiligen Hintergrundgespräche eintreten könnte, ist gleichfalls nicht ersichtlich. Den BND trifft insoweit in Anbetracht des Umstands, dass er die Themen auf Grund eigenen Entschlusses und ohne hierzu verpflichtet zu sein, mit Journalisten - wenn auch unter vorausgesetzter Vertraulichkeit - erörtert hat, eine gesteigerte Darlegungslast. Dieser ist er nicht nachgekommen. Zum anderen wird die Erteilung der begehrten Auskünfte über die Hintergrundgespräche nicht durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der eingeladenen Journalisten und der durch sie vertretenen Medien gehindert. Zwar ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich schutzwürdig, jedoch überwiegt im vorliegenden Fall das Informationsinteresse der Presse. Der Kläger nimmt dieses Interesse mit seinen Recherchen wahr, die Transparenz im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Nachrichtendiensten und der Presse herstellen sollen. Demgegenüber betrifft das schutzwürdige Interesse der Journalisten allein die Ausübung ihres auf Öffentlichkeit angelegten Berufs. Zudem geht es bei den Hintergrundgesprächen um eine besondere Form der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BND, die sich an einen grundsätzlich festen Kreis von Journalisten richtet. BVerwG 6 A 7.18 - Urteil vom 18. September 2019","Urteil vom 18.09.2019 - BVerwG 6 A 7.18ECLI:DE:BVerwG:2019:180919U6A7.18.0 EN Anspruch der Presse auf Auskunft über von dem Bundesnachrichtendienst organisierte Hintergrundgespräche mit Journalisten Leitsätze: 1. Dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG liegt das Modell einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und den einer Auskunftserteilung entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen zu Grunde. 2. Es gibt keine Bereichsausnahme von dem Auskunftsanspruch zu Gunsten des Bundesnachrichtendienstes. 3. Dem Bundesnachrichtendienst steht kein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Sicherheitsrelevanz von begehrten Auskünften zu. 4. Der Auskunftsanspruch wird durch das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes begrenzt. Keine der Ausprägungen dieser Begrenzung ist von vornherein der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse entzogen. 5. Aus den Grundrechten Dritter können sich den Auskunftsanspruch begrenzende private Interessen ergeben. Mit einer Auskunftserteilung verbundene Eingriffe in diese Grundrechte finden ihre Grundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 6. Der Bundesnachrichtendienst kann im Rahmen seiner Befugnis zur Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit Hintergrundgespräche mit Journalisten durchführen. Die vereinbarte bzw. vorausgesetzte Vertraulichkeit der Gespräche nimmt sie nicht von Auskünften an die Presse nach Maßgabe des Auskunftsanspruchs aus. Rechtsquellen GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4 BNDG §§ 1, 32a, 33 BDSG § 25 Abs. 2 IFG § 3 Nr. 8 VwGO §§ 44, 50 Abs. 1 Nr. 4, § 99 Abs. 2 EUV Art. 4 Abs. 2 Satz 3 DSGVO Art. 2 Abs. 2 Buchst. a EMRK Art. 10 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.09.2019 - 6 A 7.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:180919U6A7.18.0] Urteil BVerwG 6 A 7.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner am 18. September 2019 für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat und soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger hinsichtlich der von dem Bundesnachrichtendienst in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zur Klageerhebung organisierten Hintergrundgespräche für Journalisten folgende Auskünfte zu erteilen: - welche Themen jeweils Gegenstand der Hintergrundgespräche waren, - welche Medien der Bundesnachrichtendienst jeweils eingeladen hat, - welche Medienvertreter der Bundesnachrichtendienst jeweils eingeladen hat, - an welchen der Hintergrundgespräche jeweils der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Dr. ... teilgenommen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 3/11 und die Beklagte zu 8/11. Gründe I 1 Der Kläger ist Journalist und Redakteur einer Tageszeitung. Er bat den Bundesnachrichtendienst im Frühjahr 2017 um die Erteilung von Auskünften über von dem Bundesnachrichtendienst im Jahr 2016 und im laufenden Jahr 2017 organisierte Hintergrundgespräche für Journalisten, über sonstige von dem Bundesnachrichtendienst im laufenden Jahr 2017 durchgeführte Informationsveranstaltungen für Journalisten sowie über den Umgang des Bundesnachrichtendienstes mit Erkenntnissen über den Militärputsch in der Türkei im Juli 2016. Der Bundesnachrichtendienst lehnte die Erteilung der begehrten Auskünfte ab. 2 Der Kläger hat unter Berufung auf den gegen den Bundesnachrichtendienst als Bundesbehörde gerichteten verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am 12. April 2017 Klage erhoben und sinngemäß begehrt, die beklagte Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, ihm hinsichtlich der von dem Bundesnachrichtendienst in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis zur Klageerhebung organisierten Hintergrundgespräche für Journalisten Auskunft darüber zu erteilen, 1. wie viele Gespräche stattgefunden haben, 2. wann und an welchen Orten die Gespräche stattgefunden haben, 3. welche Themen jeweils Gegenstand der Gespräche waren, 4. welche Medien der Bundesnachrichtendienst jeweils eingeladen hat und welche anwesend waren, 5. welche Medienvertreter der Bundesnachrichtendienst jeweils eingeladen hat und welche anwesend waren, 6. in welchen Fällen der Bundesnachrichtendienst jeweils zitierfähige Presseinformationen ""Unter eins"" ausgegeben oder auf andere Art vermittelt hat (mit Angaben zum vollständigen Inhalt der Informationen), 7. an welchen der Gespräche jeweils der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Dr. ... teilgenommen hat, ihm ferner Auskunft darüber zu erteilen, 8. welche weiteren Informationsveranstaltungen für Journalisten der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2017 bis zur Klageerhebung außerhalb von Hintergrundgesprächen durchgeführt hat, und ihm darüber hinaus im Hinblick auf Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes über den Militärputsch in der Türkei im Juli 2016 Auskunft darüber zu erteilen, 9. ob der Bundesnachrichtendienst im Zusammenhang mit der vom türkischen Geheimdienst übermittelten Liste über der ""Gülen-Bewegung"" nahestehende Personen und Institutionen Strafanzeige erstattet hat, 10. ob der Bundesnachrichtendienst Erkenntnisse zu der Frage einer Beteiligung der ""Gülen-Bewegung"" an dem Militärputsch vor dem Interview mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes Dr. ... in der Ausgabe 12/2017 des ""Spiegel"" an Journalisten (gegebenenfalls in Hintergrundgesprächen) vermittelt hat und welche Erkenntnisse dies gegebenenfalls waren, 11. ob und gegebenenfalls wann und auf welchem Weg der Bundesnachrichtendienst das Bundeskanzleramt über die Äußerungen des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes in dem ""Spiegel""-Interview unterrichtet bzw. diese dem Kanzleramt vorgelegt hat, hilfsweise bei einer Abweisung der Anträge 4. und 5., die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, welche Medien und Medienvertreter der Bundesnachrichtendienst zu Hintergrundgesprächen üblicherweise einlädt, höchst hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die unter 1. bis 11. begehrten Auskünfte nur für den Hintergrund also vertraulich und nicht zur Verwendung für eine öffentliche Berichterstattung mit Quellenangabe zu erteilen. 3 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 4 Sie macht geltend, dem Kläger fehle für die auf Hintergrundgespräche bezogenen Anträge das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die insoweit begehrten Informationen seien in der Redaktion, in der der Kläger tätig sei, bereits vorhanden, weil stets auch Mitglieder dieser Redaktion zu den Gesprächen eingeladen würden und an diesen ganz überwiegend teilnähmen. In der Sache müssten sämtliche Anträge erfolglos bleiben. Für den Bundesnachrichtendienst sei eine umfassende Bereichsausnahme gegenüber Auskunftsansprüchen der Presse anzuerkennen. Jedenfalls stünden einer Auskunfterteilung schutzwürdige öffentliche und private Interessen an einer Geheimhaltung entgegen. Dabei müsse dem Bundesnachrichtendienst für die Frage der Sicherheitsrelevanz der begehrten Informationen ein nur im Hinblick auf Willkür überprüfbarer Beurteilungsspielraum zugebilligt werden. 5 Einem zusammen mit der Klageerhebung gestellten Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​261017B6VR1.17.0] - (Buchholz 402.71 BNDG Nr. 6) in Bezug auf den Antrag zu 9 und die erste Teilfrage des Antrags zu 10 stattgegeben. Nach Erteilung der entsprechenden Auskünfte durch die Beklagte haben die Beteiligten die Anträge zu 9 und 10 sowie unabhängig hiervon den Antrag zu 8 übereinstimmend für erledigt erklärt. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch die mit den Anträgen zu 1 und 2 gestellten Fragen beantwortet hat, haben die Beteiligten im Hinblick auf diese Anträge ebenfalls übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Darüber hinaus hat der Kläger die Klage hinsichtlich des Antrags zu 6 sowie der Anträge zu 4 und 5, soweit sich diese mit ihrer jeweils zweiten Teilfrage auf die bei Hintergrundgesprächen anwesenden Medien bzw. Medienvertreter beziehen, nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen. 6 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des vorangegangenen Eilverfahrens zum Aktenzeichen 6 VR 1.17 verwiesen. II 7 Soweit der Kläger die Klage gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Gleiches hat in entsprechender Anwendung der letztgenannten Vorschrift zu geschehen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. 8 Im Übrigen ist die Klage zulässig (1.) und mit dem größten Teil der Anträge begründet (2.). 9 1. Die auf den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber Bundesbehörden gestützte Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (dazu zuletzt: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​300119U6A1.17.0] - NJW 2019, 2186 Rn. 22) und auch sonst zulässig. Da sich die Auskunftsbegehren des Klägers auf den Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beziehen, ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung im ersten und letzten Rechtszug zuständig. Die noch streitgegenständlichen Anträge zu 3, zu 4 und zu 5 - mit ihrer auf die eingeladenen Medien bzw. Medienvertreter bezogenen ersten Teilfrage - sowie zu 7 für den Sachverhaltskomplex der von dem Bundesnachrichtendienst im Jahr 2016 sowie im Frühjahr 2017 organisierten Hintergrundgespräche für Journalisten (im Folgenden: Hintergrundgespräche) und des Antrags zu 11 für den Sachverhaltskomplex des Umgangs mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über den Militärputsch in der Türkei im Jahr 2016 (im Folgenden: türkischer Militärputsch) erfüllen die Voraussetzungen einer zulässigen objektiven Klagehäufung im Sinne des § 44 VwGO (für das vorangegangene Eilverfahren: BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 6 Rn. 8). 10 Der als Journalist und Redakteur tätige Kläger hat für sämtliche Anträge ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses kann für die auf die Hintergrundgespräche bezogenen Auskunftsbegehren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unter Verweis darauf verneint werden, dass die entsprechenden Informationen in der Redaktion, in der der Kläger tätig ist, in einer dem Kläger zurechenbaren Weise bereits vorhanden seien, weil der Bundesnachrichtendienst stets auch Journalisten aus dieser Redaktion für die Gespräche berücksichtige. Denn bei dem Auskunftsanspruch der Presse handelt es sich um ein Individualrecht der einzelnen Presseangehörigen und nicht um ein Recht zur gesamten Hand der Mitglieder einer Redaktion (entsprechend für die Personengebundenheit des archivrechtlichen Nutzungsanspruchs: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 - NJW 2019, 2186 Rn. 25). 11 2. Die Klage bleibt nach den Maßgaben, denen der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber dem Bundesnachrichtendienst als Bundesbehörde unterliegt (a.) mit dem die Verwendung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse über den türkischen Militärputsch betreffenden Antrag zu 11 und dem zweiten Hilfsantrag mit dem entsprechenden Bezug erfolglos (b.). Dagegen hat sie mit den auf die Hintergrundgespräche zielenden Anträgen zu 3, zu 4 und zu 5 - jeweils mit ihrer ersten Teilfrage - sowie zu 7 Erfolg (c.). Aus Art. 10 EMRK sowie aus dem Datenschutzrecht ergibt sich nichts anderes (d.). 12 a. Dem in der Rechtsprechung des Senats entwickelten, unmittelbar auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden liegt das Modell einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und den einer Auskunftserteilung entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen zu Grunde (aa.). Da eine Bereichsausnahme nicht eingreift, richtet sich dieser Anspruch auch gegen den Bundesnachrichtendienst (bb.). Eine Begrenzung des Auskunftsanspruchs wegen öffentlicher Interessen an der Geheimhaltung von Informationen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Dem Bundesnachrichtendienst steht in diesem Zusammenhang kein Beurteilungsspielraum zu (cc.). Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes ist ein Erfordernis des Staatswohls und stellt als solches eine umfassende Begrenzung des Auskunftsanspruchs wegen öffentlicher Interessen dar. Keine ihrer Ausprägungen ist von vornherein der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse entzogen (dd.). Die Grundrechte Dritter sind als potentiell anspruchsbegrenzende private Interessen in der Abwägung zu berücksichtigen. Etwaige Eingriffe finden ihre Grundlage in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (ee.). 13 aa. Nach der gefestigten, in der Rechtspraxis anerkannten Rechtsprechung des Senats verleiht das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden. Auf Grund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (stRspr seit BVerwG, Urteile vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​160316U6C65.14.0] - BVerwGE 154, 222 Rn. 13, 16 ff. und - 6 C 66.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​160316U6C66.14.0] - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 15 Rn. 12, 23 ff.; restriktiver im Ursprung noch: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29). 14 bb. Die von Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasste Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Sachmaterie ""Bundesnachrichtendienst"" schließt als Annex die Befugnis zur Regelung von Auskunftspflichten gegenüber der Presse ein. Damit sind Ansprüche auf Erteilung von Auskünften durch den Bundesnachrichtendienst auf Grund landespresserechtlicher Vorschriften ausgeschlossen. Da der Bund von seiner Regelungsbefugnis bisher keinen Gebrauch gemacht hat, greift der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herzuleitende Auskunftsanspruch ein (im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 22 ff.). 15 Die Forderung der Beklagten, es müsse zu Gunsten des Bundesnachrichtendienstes eine umfassende Bereichsausnahme von dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse in Entsprechung zu dem in § 3 Nr. 8 IFG vorgesehenen Ausschluss eines Informationszugangs anerkannt werden, ist de lege lata nicht gerechtfertigt. Der Senat hat sich schon bisher gegen die Annahme einer Parallelität von Ausschlussgründen für den Auskunftsanspruch der Presse einerseits und die Informationszugangsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen andererseits ausgesprochen (insbesondere: BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​250315U6C12.14.0] - BVerwGE 151, 348 Rn. 29; Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​220915B6VR2.15.0] - NVwZ 2016, 945 Rn. 15). Während der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach den Informationsfreiheitsgesetzen nicht grundrechtlich unterfangen ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 29), leitet sich der Auskunftsanspruch der Presse aus dem Grundrecht der Pressefreiheit in seiner objektiv-institutionellen Dimension ab (grundlegend: BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <174 ff.>). Nur der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die für die Demokratie essentielle freie Presse in den Stand, die ihr zukommende Informations- und Kontrollfunktion wirksam wahrzunehmen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2014:​rk20140908.1bvr002314] - NJW 2014, 3711 Rn. 26 und vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2015:​rk20150914.1bvr085715] - NJW 2015, 3708 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 Rn. 17). Dementsprechend kennen auch die in den Landespressegesetzen normierten Auskunftsansprüche, hinter deren Gewährleistungsgehalt der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitete Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden in Anbetracht der Grundrechtsgarantie nicht zurückbleiben darf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2015:​rk20150727.1bvr145213] - NVwZ 2016, 50 Rn. 12), keine Bereichsausnahmen für die Landesverfassungsschutzbehörden. 16 cc. Die Belange, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen und demgemäß den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse begrenzen können, sind von dem Bundesnachrichtendienst darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen. Eine in diesem Rahmen gebotene Geheimhaltung wird durch das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO gewährleistet. 17 Ein nur einer Willkürkontrolle zugänglicher behördlicher Beurteilungsspielraum, wie ihn die Beklagte für den Bundesnachrichtendienst im Hinblick auf die Einschätzung der Sicherheitsrelevanz von begehrten Auskünften reklamiert, ist nach der Entscheidungspraxis des Senats nicht gegeben (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​240118U6A8.16.0] - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 35 i.V.m. Rn. 31; für den archivrechtlichen Nutzungsanspruch: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 - NJW 2019, 2186 Rn. 40 ff.). Es besteht keine Grundlage für die Anerkennung eines solchen Spielraums. Für die Rechtfertigung eines administrativen Letztentscheidungsrechts am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - abgesehen von dem im Fall eines verfassungsunmittelbaren Anspruchs nicht erfüllbaren Erfordernis einer eindeutigen einfachgesetzlichen Verankerung - vor allem eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds für die Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte. Darüber hinaus müssen den Fachgerichten genügend Möglichkeiten und in deren Rahmen auch die Pflicht zu einer substantiellen Kontrolle des administrativen Handelns verbleiben (zusammenfassend m.w.N.: BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - BVerwGE 156, 75 Rn. 32). Beide Voraussetzungen sind in Bezug auf die von der Beklagten befürwortete Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle der Sicherheitsrelevanz von Informationen, deren Erteilung die Presse von dem Bundesnachrichtendienst begehrt, nicht erfüllt. 18 Die entsprechende Beurteilung ist nicht derart durch prognostische, wertende oder gestaltende Elemente geprägt, die sich einer Würdigung nach den Kategorien von falsch und richtig entziehen, dass ein Abweichen von dem Grundsatz der vollständigen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sachlich gerechtfertigt wäre. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang angestellte Vergleich mit den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Spielräumen der auf Informationszugang in Anspruch genommenen Bundesregierung für die Beurteilung von Auswirkungen einer Informationserteilung auf die internationalen bzw. auswärtigen Beziehungen (BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 13 ff., 20 und vom 29. Juni 2016 - 7 C 32.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​290616U7C32.15.0] - Buchholz 406.252 § 8 UIG Nr. 2 Rn. 28 ff.) geht fehl. Ein Gestaltungsspielraum, wie ihn das Grundgesetz der Bundesregierung für die Regelung der genannten Beziehungen einräumt (dazu: BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2008:​es20080507.2bve000103] - BVerfGE 121, 135 <158>), steht dem Bundesnachrichtendienst bei der Erfüllung seiner Aufgaben nicht zu. Es liegt überdies auf der Hand, dass eine bloße Überprüfbarkeit auf Willkür, wie sie der Beklagten vorschwebt, keine substantielle gerichtliche Kontrolle des informationellen Handelns des Bundesnachrichtendienstes darstellen würde. 19 dd. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ist ein Erfordernis des Staatswohls, das das Bundesverfassungsgericht als Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt hat (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2017:​es20170613.2bve000115] - BVerfGE 146, 1 Rn. 94 f., 109, 112 ff.) und das als überwiegendes öffentliches Interesse in den Kanon der Auskunftsverweigerungsgründe nach den Landespressegesetzen eingeordnet werden kann (vgl. Burkhardt, in: Löffler/Sedelmeier/Burkhardt , Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 113, 118). Dieses Erfordernis bildet im Hinblick auf den Bundesnachrichtendienst auch die allgemeine Begrenzung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse im öffentlichen Interesse. Es findet nach der Rechtsprechung des Senats - umschrieben als Sicherung der Erfüllung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG benannten Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes - spezielle Ausprägungen in dem Schutz der operativen Vorgänge des Dienstes, dem Schutz seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, dem Schutz seiner Arbeitsweise und Methodik, dem Schutz seiner Mitarbeiter vor Enttarnung sowie in dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz (BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​110418B6VR1.18.0] - NVwZ 2018, 902 Rn. 18; für den archivrechtlichen Nutzungsanspruch: BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​120917B6A1.15.0] - Buchholz 421.9 BArchG Nr. 1 Rn. 10 ff. und Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 - NJW 2019, 2186 Rn. 50 ff.). 20 Liegt dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden - wie dargelegt - ein umfassendes Abwägungsmodell zu Grunde, erweist sich keine dieser Ausprägungen als von vornherein abwägungsfest im Sinne eines Vorrangs des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse. So wird sich zwar insbesondere das Interesse an einem Geheimschutz für die operativen Vorgänge des Bundesnachrichtendienstes, ohne dass hierzu nähere Darlegungen seitens der Beklagten erforderlich sind, in der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse regelmäßig durchsetzen. Auch insoweit ist jedoch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem parlamentarischen Informationsanspruch aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls der Zeitablauf als bedeutsamer, wenn auch nicht allein ausschlaggebender Faktor in Rechnung zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - BVerfGE 146, 1 Rn. 124), so dass eine drohende Offenlegung lange Zeit zurückliegender operativer Vorgänge nur dann zu einem Ausschluss des Auskunftsanspruchs führt, wenn noch, was dann besonderer Darlegung durch die Beklagte bedarf, die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise besteht (für den archivrechtlichen Nutzungsanspruch: BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 - NJW 2019, 2186 Rn. 58; enger im Sinne eines abwägungsfesten Funktionsbereichs noch: BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​200715B6VR1.15.0] - Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 5 Rn. 9 ff. und vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 - NVwZ 2016, 945 Rn. 16). 21 ee. Private Interessen, denen bei der im Rahmen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse gegenüber Bundesbehörden durchzuführenden Abwägung Vorrang vor dem in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informationsinteresse der Presse zuzubilligen ist, können sich insbesondere aus den Grundrechten Dritter ergeben. Dies entspricht der zu den Auskunftsansprüchen nach den Landespressegesetzen geübten Rechtspraxis (dazu unter Hinweis auf landesrechtliche Besonderheiten: Burkhardt, in: Löffler/Sedelmeier/Burkhardt , Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 11, 121 ff.; Schoch, AfP 2010, 313 <319 f.>). 22 Die praktische Konkordanz zwischen den konfligierenden Grundrechtspositionen der Presse und der privaten Dritten, die im Anwendungsbereich der Landespressegesetze auf einfachgesetzlicher Grundlage hergestellt werden kann, muss bei Auskunftsbegehren der Presse gegenüber Bundesbehörden mangels einer Regelung des einfachen Bundesgesetzgebers im Rahmen der Auslegung und Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergestellt werden. Setzt sich der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch im Rahmen der durchzuführenden Abwägung durch, ist verfassungsrechtlich determiniert, dass die Belange der Presse überwiegen. In Gestalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG selbst besteht dann eine hinreichende Ermächtigung für die mit der Auskunftserteilung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte Dritter (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 41). Diese Konstellation entspricht derjenigen, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den - gleichfalls verfassungsunmittelbaren - parlamentarischen Informationsanspruch aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und die damit verbundene Auskunftspflicht der Bundesregierung gebilligt hat (vgl. BVerfG, Urteile vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2014:​es20141021.2bve000511] - BVerfGE 137, 185 Rn. 185 und vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2017:​es20171107.2bve000211] - BVerfGE 147, 50 Rn. 244 f., jeweils unter Verweis auf: BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2006:​rs20060314.1bvr208703] - BVerfGE 115, 205 <233 f.>). 23 b. An den dargestellten Maßgaben gemessen, kann der Kläger mit dem Antrag zu 11 nicht durchdringen. Dies ist jedenfalls deshalb der Fall, weil das mit dem Antrag verfolgte Interesse der Presse an einer Auskunft darüber, ob und gegebenenfalls wann und wie der Bundesnachrichtendienst das Bundeskanzleramt als nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG aufsichtsführende Stelle über Äußerungen seines Präsidenten in einem Zeitungsinterview zu dem Thema einer Beteiligung der sog. Gülen-Bewegung an dem türkischen Militärputsch unterrichtet hat, hinter das schutzwürdige öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes zurücktreten muss. Letzteres erfordert, wie der Senat bereits in dem vorangegangenen Eilverfahren entschieden hat (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 6 Rn. 25), zwingend einen Geheimschutz, weil eine Offenlegung der Modalitäten der Koordination zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundeskanzleramt über das in Rede stehende Interview hinaus Details der aktuellen aufsichtsbehördlichen Vorgaben für die Organisation der Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes erkennen ließe oder jedenfalls den Rückschluss auf derartige Details ermöglichen würde. Der Umstand, dass der Bundesnachrichtendienst vor Jahren bereits einmal einem Auskunftsbegehren der Presse betreffend die Information des Bundeskanzleramts über eine Kommunikation des Dienstes entsprochen hat (dazu: BVerwG, Beschluss vom 4. März 2016 - 6 VR 3.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​040316B6VR3.15.0] - juris Rn. 3 f., 9), rechtfertigt schon in Anbetracht der seitdem verstrichenen Zeit und des deshalb fehlenden Aktualitätsbezugs keine andere Beurteilung. 24 Hieraus folgt zugleich, dass der Kläger die mit dem Antrag zu 11 verlangte Auskunft auch nicht vertraulich und nicht zur Verwendung für eine öffentliche Berichterstattung mit Quellenangabe erhalten kann, wie er es mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt. Die Abrede einer in diesem Sinne verminderten Verwertbarkeit der Information reicht für den Schutz des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht aus. Der Beklagten kann nicht angesonnen werden, die Wahrung der Geheimhaltung von Einzelheiten der Organisation der Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes, nur durch eine Vertraulichkeitsabrede geschützt, in die Hand des Klägers zu geben. 25 c. Den auf Hintergrundgespräche bezogenen Anträgen zu 3, zu 4 und zu 5 - jeweils mit ihrer ersten Teilfrage - sowie zu 7 ist demgegenüber Erfolg beschieden. In den Hintergrundgesprächen übermittelt der Bundesnachrichtendienst von sich aus - das heißt, ohne hierzu verpflichtet zu sein - und unter eigener Themenwahl Informationen (sog. Eigeninformationen) vertraulich an ausgewählte Journalisten. Diese Gespräche können bei sachgerechter Auswahl der Teilnehmer als individuelle Kommunikationsform ""im kleinen Kreis"" im Rahmen des behördlichen Organisationsermessens auf Grund der Befugnis des Bundesnachrichtendienstes zur Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit durchgeführt werden. Unabhängig von dieser Befugnis ist die Frage, ob sich der vertrauliche Charakter von Hintergrundgesprächen gegenüber dem Auskunftsanspruch der Presse durchsetzt (aa.). Die Informationen, die der Kläger mit den in Rede stehenden Anträgen in hinreichend bestimmter Weise begehrt, betreffen den formellen Rahmen der Hintergrundgespräche und ihre Themen in der denkbar allgemeinsten Form. Diese Informationen sind bei dem Bundesnachrichtendienst vorhanden (bb.). Ihrer Herausgabe an den Kläger stehen weder schutzwürdige öffentliche Interessen an einer Geheimhaltung (cc.) noch schützenswerte private Vertraulichkeitsinteressen der von dem Bundesnachrichtendienst für die Hintergrundgespräche berücksichtigten Journalisten bzw. Medienvertreter und der durch sie repräsentierten Medien entgegen (dd.). 26 aa. Nach der von dem Kläger in ihrem Kern nicht bestrittenen Beschreibung der Beklagten informiert der Bundesnachrichtendienst die von ihm zu Hintergrundgesprächen eingeladenen Journalisten auf der Basis einer verabredeten oder jedenfalls vorausgesetzten Vertraulichkeit im Hinblick auf Rahmen und Inhalt der Gespräche über die näheren Umstände und Zusammenhänge der nachrichtendienstlichen Arbeit. Es gibt einen grundsätzlich festen Kreis von ca. dreißig Journalisten, die auf Einladung des Bundesnachrichtendienstes regelmäßig an den Hintergrundgesprächen teilnehmen. Dieser Kreis setzt sich aus Journalisten zusammen, deren Interesse an der Behandlung von politischen Themen mit Bezug zu der Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes von diesem als belegt erachtet wird und die für Medien tätig sind, die nach seiner Einschätzung eine genügende Reichweite haben und in ihrer Zusammensetzung die Vielfalt der deutschen Medienlandschaft widerspiegeln. Wenn sich nach der Beurteilung des Bundesnachrichtendienstes insoweit Änderungen ergeben, trägt er dem bei der Berücksichtigung der Journalisten Rechnung. Die Einladungen zu den Hintergrundgesprächen werden von dem Bundesnachrichtendienst per Post und über einen festen E-Mail-Verteiler versandt. Die Eingeladenen können sich durch von ihnen selbst zu bestimmende Redaktionskollegen vertreten lassen. 27 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass auch Formate, in denen eine Behörde Eigeninformationen nur an eine begrenzte Zahl von Journalisten erteilt, Teil der behördlichen Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit sind. Solche individuellen Kommunikationsformen ""im kleinen Kreis"" erscheinen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse zur Ergänzung uniformer Formate wie allgemeiner Pressekonferenzen unentbehrlich (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 30.71 - BVerwGE 47, 247 <249 ff.>, betreffend sog. Pressefahrten der ehemaligen Deutschen Bundesbahn). Hintergrundgespräche gehören zu diesen individuellen Kommunikationsformen. 28 Die Befugnis zur Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit ergibt sich für den Bundesnachrichtendienst im Ansatz bereits aus der ausdrücklichen Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 3 BNDG, derzufolge der Dienst die Öffentlichkeit über Erkenntnisse informieren kann, die er im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 BNDG und bei Aufarbeitung seiner Historie gewinnt. Im Übrigen sind öffentliche Stellen - und so auch der Bundesnachrichtendienst - auch ohne besondere Ermächtigung dazu berechtigt, im Zusammenhang mit der ihnen jeweils zugewiesenen Sachaufgabe Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zu betreiben. Bei der Wahrnehmung dieser Annexkompetenz zur Sachaufgabenzuständigkeit (Schoch, AfP 2019, 93 <95, 99>; Gersdorf, AfP 2016, 293 <294>) muss sich die öffentliche Stelle auf den ihr zugewiesenen Aufgaben- und Kompetenzbereich beschränken sowie dem Neutralitätsgebot bzw. dem Gebot der Sachlichkeit genügen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2002:​rs20020626.1bvr055891] - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2002:​rs20020626.1bvr067091] - BVerfGE 105, 279 <301 ff.>; BVerwG, Urteil vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​130917U10C6.16.0] - BVerwGE 159, 327 Rn. 18 ff.). Individuelle Kommunikationsformen ""im kleinen Kreis"" dürfen darüber hinaus nicht auf eine Reglementierung oder Steuerung der Medien oder eines Teils von ihnen hinauslaufen. Auch muss die bei einer beschränkten Teilnehmerzahl erforderliche Auswahl nach sachgerechten, dem allgemeinen Gleichheitssatz genügenden Kriterien vorgenommen werden (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1974 - 1 C 30.71 - BVerwGE 47, 247 <253 f.>). Bei Wahrung dieser Voraussetzungen liegt die Durchführung von Hintergrundgesprächen im Bereich des Ermessens, das einer Behörde im Hinblick auf die Organisation ihrer Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zusteht. 29 Aus der Feststellung, dass der Bundesnachrichtendienst hiernach grundsätzlich zur Durchführung von Hintergrundgesprächen als individuelle Kommunikationsform ""im kleinen Kreis"" befugt ist, lässt sich indes für die Entscheidung, ob sich die Beklagte gegenüber dem von dem Kläger erhobenen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse auf die von dem Bundesnachrichtendienst und den (potentiellen) Gesprächsteilnehmern verabredete oder jedenfalls vorausgesetzte Vertraulichkeit berufen kann, nichts herleiten. Hierfür kommt es ausschließlich darauf an, ob hinsichtlich der begehrten Informationen die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs erfüllt sind. In deren Rahmen kann die Frage, ob einer Auskunfterteilung schutzwürdige öffentliche oder private Interessen entgegenstehen, entgegen der Ansicht der Beklagten nicht allein unter Verweis auf die autonom geschaffene Vertraulichkeitsgrundlage der Hintergrundgespräche bejaht werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für unterschiedliche Zusammenhänge anerkannt, dass nicht bereits die behördliche Anordnung der Vertraulichkeit oder deren Vereinbarung zwischen der Behörde und Dritten für sich genommen zum Geheimschutz für die betreffenden Informationen führt, sondern dass diese sich in der Abwägung selbst als objektiv schutzwürdig erweisen müssen (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 38 f., 47 ff. und Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 5, betreffend die Einstufung als Verschlusssache; BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2019 - 6 A 1.17 - NJW 2019, 2186 Rn. 50 ff., betreffend die Vertraulichkeitszusage gegenüber Informanten des Bundesnachrichtendienstes). Für den Schutz der Vertraulichkeit von Hintergrundgesprächen kann nichts anderes gelten. 30 bb. Die Informationen, die der Kläger mit den auf Hintergrundgespräche bezogenen Anträgen begehrt, betreffen zum einen den formellen Rahmen, zum anderen die Themen der Gespräche. In der erstgenannten Hinsicht steht nur noch das mit der jeweils ersten Teilfrage der Anträge zu 4 und zu 5 verfolgte Verlangen auf Benennung der zu den Hintergrundgesprächen eingeladenen Medien und Medienvertreter sowie das mit dem Antrag zu 7 geltend gemachte Begehren auf Angabe der unter Teilnahme des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes geführten Gespräche in Streit. In Bezug auf die Bestimmtheit dieses Restbestands an Fragen zu dem formellen Rahmen der durchgeführten Hintergrundgespräche bestehen keine Bedenken. 31 Was die Themen der Hintergrundgespräche anbelangt, geht es dem Kläger mit dem insoweit noch streitgegenständlichen Antrag zu 3 nicht um die konkreten Gesprächsinhalte. Der Antrag ist vielmehr, wie sich aus dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers und seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ergibt, auf Auskunft über die abstrakten Themen der Gespräche gerichtet und dies auch nur in einer schlagwortartigen, das heißt der denkbar allgemeinsten Form. Auch dieses beschränkte Auskunftsbegehren weist eine noch hinreichende Bestimmtheit auf. 32 Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die dergestalt umgrenzten, noch streitgegenständlichen Informationen zu dem Rahmen und der Thematik der Hintergrundgespräche bei dem Bundesnachrichtendienst vorhanden sind. Dies entspricht der aus einem anderen Verfahren gewonnenen Kenntnis des Senats, wonach der Bundesnachrichtendienst unter anderem die Teilnehmer und die Themen der Hintergrundgespräche dokumentiert (BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 6 VR 3.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​200318B6VR3.17.0] - NVwZ 2018, 907). Der Senat muss mithin insbesondere nicht der Frage nachgehen, ob Informationen, die durch Vertreter einer Behörde gegenüber Journalisten in einer individuellen Kommunikationsform vertraulich erteilt, aber nicht dokumentiert worden sind, hernach noch im Sinne der Voraussetzungen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse bei der Behörde vorhanden sind (ebenso schon: BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 6 VR 3.17 - NVwZ 2018, 907 Rn. 19). 33 cc. Der von dem Informationsinteresse der Presse geforderten Beantwortung der noch in Streit stehenden Fragen des Klägers zu Hintergrundgesprächen stehen keine öffentlichen Geheimhaltungsinteressen entgegen, die sich in der Abwägung durchsetzen. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Erteilung der begehrten Auskünfte die Gefahr der von der Beklagten befürchteten Rückschlüsse auf die Arbeitsfelder und die Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes neu geschaffen oder sich in beachtlicher Weise erhöhen würde, so dass die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes in relevanter Weise gefährdet sein könnte. Die Beklagte ist der gesteigerten Darlegungslast, die ihr diesbezüglich nach den tatsächlichen Umständen des Falles obliegt, nicht nachgekommen. 34 In tatsächlicher Hinsicht ist für sämtliche noch streitigen Fragen des Klägers zunächst Folgendes in Rechnung zu stellen: Es obliegt zuvörderst dem Bundesnachrichtendienst selbst, seine Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit so zu gestalten, dass Umstände und Informationen, die er für geheimschutzbedürftig hält, nicht in die Öffentlichkeit gelangen können. Der Bundesnachrichtendienst führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, als Teil seiner Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit Hintergrundgespräche durch, in denen seine Vertreter Journalisten Informationen vermitteln, die er als solche nicht für geheimschutzbedürftig hält. Um zu verhindern, dass aus dem Rahmen oder dem Inhalt dieser Kommunikationstätigkeit Rückschlüsse auf seine Arbeitsfelder und seine Arbeitsweise gezogen werden können, sieht er als Absicherung eine zwischen den Beteiligten insoweit verabredete bzw. vorausgesetzte Vertraulichkeit als hinreichend an. Der Bundesnachrichtendienst wählt allerdings die Teilnehmer der Hintergrundgespräche nicht unter dem Kriterium einer besonderen Vertrauenswürdigkeit aus und gestattet ihnen zudem, sich im Falle einer Verhinderung durch von ihnen autonom bestimmte Redaktionskollegen vertreten zu lassen. Der Bundesnachrichtendienst meint mithin, das Risiko, das mit einer in diesem Sinne niederschwelligen Absicherung vor unerwünschten Rückschlüssen generell verbunden ist, nicht nur in Bezug auf den formellen Rahmen und die abstrakten Themen der Hintergrundgespräche, für die er im hiesigen Verfahren einen absoluten Geheimschutz fordert, sondern sogar für die - hier nicht in Streit stehenden - konkreten Gesprächsinhalte vernachlässigen zu können. 35 Im Hinblick auf die Fragen des Klägers nach dem formellen Rahmen der Hintergrundgespräche kommt auf der Tatsachenebene hinzu, dass die Veranstaltung solcher Gespräche durch den Bundesnachrichtendienst auch unter Beteiligung seines Präsidenten allgemein bekannt ist. Zudem hat die Beklagte im Verfahren - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - von sich aus Angaben zu Anzahl, Orten und Zeiten von durch den Bundesnachrichtendienst veranstalteten Hintergrundgesprächen gemacht. Auch in einem früheren Rechtsstreit hat sie bereits einmal in entsprechender Weise Zahlen über geführte Hintergrundgespräche genannt (im Verfahren zum Aktenzeichen 6 VR 3.15 des Senats - in dem Beschluss vom 4. März 2016, juris, nicht ausdrücklich aufgeführt). Was die tatsächliche Seite des Begehrens des Klägers auf Auskunft zu den allgemeinen Gesprächsthemen anbelangt, wird lediglich eine schlagwortartige Information auf der denkbar höchsten Abstraktionsebene verlangt. Ferner kann darauf verwiesen werden, dass die Beklagte in der Vergangenheit auch schon konkreter gefasste Auskünfte zur Thematik von Hintergrundgesprächen von sich aus erteilt hat (wiederum im Verfahren zum Aktenzeichen 6 VR 3.15 des Senats). 36 In Anbetracht der Gesamtheit dieser tatsächlichen Umstände hätte es zum einen eingehender Darlegungen der Beklagten dazu bedurft, welche zusätzlichen Möglichkeiten eines Rückschlusses auf die Arbeitsfelder und die Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes sich daraus ergeben können, dass dem Kläger über die ihm im konkreten Fall bereits bekannten bzw. bekannt gemachten und von der Beklagten teilweise auch schon früher offengelegten Einzelheiten des formellen Rahmens der Hintergrundgespräche hinaus mitgeteilt wird, welche Medien und Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen genau der Präsident des Bundesnachrichtendienstes teilgenommen hat. Derartige Darlegungen hat die Beklagte versäumt. Sie hätte zum anderen dezidiert darlegen müssen, weshalb mit einer Mitteilung der Themen der Hintergrundgespräche in ihrer denkbar allgemeinsten, einen Rückschluss auf die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes jedenfalls stark erschwerenden Form trotz der von dem Dienst selbst gewählten niederschwelligen Absicherung sogar der konkreten Gesprächsinhalte bisher nicht vorhandene Rückschlussrisiken verbunden sein sollen. Die Beklagte hätte dabei auch aufzeigen müssen, worin insoweit die Unterschiede zu den in der Vergangenheit bereits erteilten Auskünften zu allgemeinen Gesprächsthemen im Einzelnen bestehen. Auch diese Darlegungen ist die Beklagte schuldig geblieben. Insbesondere sind ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, häufig seien fachliche Analysen des Bundesnachrichtendienstes Inhalt von Hintergrundgesprächen, in dieser Hinsicht unbehelflich. Die Gefahr, dass derartige Analysen bei Angabe der Themen von Hintergrundgesprächen bekannt werden könnten, ist bei einer Mitteilung in der allgemeinen Form, wie sie von dem Kläger allein verlangt wird, nicht gegeben. 37 dd. Die Erteilung der Auskünfte, die der Kläger über Hintergrundgespräche zu erhalten begehrt, scheitert auch nicht an den privaten Interessen der Journalisten bzw. Medienvertreter und Medien, die der Bundesnachrichtendienst für die Hintergrundgespräche berücksichtigt. Für diese Interessen kann nicht an das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG angeknüpft werden (aaa.). Die Rechtspositionen, die sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 (i.V.m. Art. 1 Abs. 1) GG ergeben, treten hinter das Informationsinteresse der Presse zurück (bbb.). 38 aaa. Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit schließt diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne die die Presse ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen kann. Der Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen (BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <176> und Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2007:​rs20070227.1bvr053806] - BVerfGE 117, 244 <259>). 39 Geschützt sind damit unter anderem die Geheimhaltung der Informationsquellen der Presse und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informanten, worauf sich die Beklagte wegen der zu wahrenden Interessen der von dem Bundesnachrichtendienst für die Hintergrundgespräche berücksichtigten Journalisten und der durch sie vertretenen Medien in erster Linie beruft. Der besagte Schutz gilt jedoch nach seinem Sinn und Zweck allein im Hinblick auf die privaten Quellen der Presse. Er bezieht sich nicht auf öffentliche Stellen, deren Vertreter im Rahmen ihrer Befugnisse Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit betreiben, wie dies auch in der Form von Hintergrundgesprächen geschieht (vgl. BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <176, 187> und Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538/06 u.a. - BVerfGE 117, 244 <258 ff.>). 40 Für das Recherchegeheimnis der Journalisten und das Redaktionsgeheimnis in den durch sie vertretenen Medien, auf die die Beklagte als weitere Ausprägungen der Pressefreiheit verweist, kann nichts anderes gelten, soweit es um das Bekanntwerden der seitens des Bundesnachrichtendienstes organisierten Hintergrundgespräche als Recherchequelle geht. Im Übrigen muss in der hier bestehenden Konstellation bei der Zuordnung der je für sich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Grundrechtspositionen dem Auskunftsanspruch der Presse Vorrang vor dem hier allenfalls in einem Randbereich betroffenen Schutz des Recherche- bzw. Redaktionsgeheimnisses zukommen. 41 bbb. Durch die Beantwortung insbesondere der jeweils ersten Teilfrage der Anträge zu 4 und zu 5, mit denen der Kläger die Nennung der zu den Hintergrundgesprächen eingeladenen Journalisten und der durch sie vertretenen Medien begehrt, wird seitens der Beklagten zwar in das Grundrecht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 (i.V.m. Art. 1 Abs. 1) GG eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch nicht derartig gewichtig, dass sich das darauf gründende private Interesse in der Abwägung mit dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Informationsinteresse der Presse durchsetzen könnte. 42 Der Kläger nimmt das Informationsinteresse der Presse im Zusammenhang mit seinen Recherchen wahr, die die Beziehungen zwischen Nachrichtendiensten und Presse transparent machen sollen. Hierdurch wird die Öffentlichkeit, deren Information Aufgabe der Presse ist, in die Lage versetzt, die spezielle Unterrichtung einzelner Journalisten in die Beurteilung von Beiträgen, die den Bundesnachrichtendienst betreffen, einzubeziehen. Demgegenüber mussten zwar die Journalisten, die der Bundesnachrichtendienst zu den Hintergrundgesprächen aus einem grundsätzlich festen Kreis von regelmäßigen Gesprächsteilnehmern eingeladen hat, auf Grund der von den Beteiligten verabredeten bzw. vorausgesetzten Vertraulichkeit der Gespräche bisher prinzipiell nicht mit einem Bekanntwerden ihrer Namen rechnen. Sie werden durch die Namensnennung jedoch lediglich in ihrer beruflichen Tätigkeit und damit in der Sozialsphäre und nicht in der eines stärkeren Schutzes bedürftigen Intim- und Privatsphäre betroffen (zur unterschiedlichen Weite des Persönlichkeitsschutzes in den Sphären: BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 5.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​270918U7C5.17.0] - NVwZ 2019, 473 Rn. 33 m.w.N. insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Darüber hinaus hat die Berufstätigkeit der eingeladenen Journalisten bereits von ihrer Anlage her einen überaus starken Öffentlichkeitsbezug. In Folge dieses Bezugs haben die Betreffenden durch ihre Zugehörigkeit zu dem grundsätzlich festen Kreis der regelmäßig für die Hintergrundgespräche Berücksichtigten an der Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit des Bundesnachrichtendienstes teil. In dieser Konstellation ist es ein Erfordernis der Effektivität der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Pressefreiheit, dass die Namen der eingeladenen Journalisten auch ohne deren vorherige Einwilligung von der Beklagten genannt werden dürfen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt allgemein auch: BGH, Urteil vom 1. Februar 2011 - VI ZR 345/09 - NJW 2011, 2285 Rn. 24 m.w.N.). Dies zieht die Benennung auch der durch die Eingeladenen vertretenen Medien nach sich. 43 d. Aus Art. 10 EMRK ergeben sich hier wie regelmäßig auch sonst keine weitergehenden Rechte (vgl. allgemein: BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 34 und vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​251018U7C6.17.0] - NVwZ 2019, 479 Rn. 18). Die Datenschutz-Grundverordnung findet nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und ihrem Erwägungsgrund 16 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV auf die Datenverarbeitung durch den Bundesnachrichtendienst keine Anwendung. Gleichfalls außer Anwendung bleibt gemäß § 32a BNDG die Vorschrift des § 25 Abs. 2 BDSG. 44 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO." bverwg_2019-71,10.10.2019,"Pressemitteilung Nr. 71/2019 vom 10.10.2019 EN Einholen einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage, ob eine Verpflichtung zur Anerkennung eines ausländischen EU-Führerscheins besteht, der von einem anderen EU-Mitgliedstaat nach einer Fahrerlaubnisentziehung in Deutschland erneuert wurde Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig holt eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Reichweite der Verpflichtung ein, ausländische EU-Führerscheine der Klassen A und B anzuerkennen. Der Kläger hat seinen Hauptwohnsitz in Spanien und einen weiteren Wohnsitz in Deutschland. 1990 wurde ihm in Deutschland wegen einer Trunkenheitsfahrt seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen. 1992 erwarb er in Spanien eine Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Weil er im Dezember 2008 in Deutschland ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille geführt hatte, wurde er hier rechtskräftig wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt; zugleich wurde ihm vom Strafgericht das Recht aberkannt, von seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und eine Sperrfrist von 14 Monaten für die Neuerteilung festgelegt. Den eingezogenen spanischen Führerschein erhielt der Kläger von den spanischen Behörden, an die er übersandt worden war, ohne weiteres zurück. Danach wurden ihm in Spanien mehrfach neue Führerscheine der Klassen A und B unter Verlängerung der Gültigkeitsdauer ausgestellt; zuletzt am 6. September 2016 ein Führerschein mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2021. Den Antrag des Klägers, diese spanische Fahrerlaubnis für das Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet anzuerkennen, lehnte die beklagte Stadt Karlsruhe ab. Wegen seiner Trunkenheitsfahrt vom Dezember 2008 müsse der Kläger zuvor durch ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten nachweisen, dass er die Fahreignung wiedererlangt habe. Die hiergegen erhobene Klage ist vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe und dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim ohne Erfolg geblieben. Der in Spanien erneuerte Führerschein des Klägers müsse auch unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatzes nicht anerkannt werden. Mit der Erneuerung des spanischen Führerscheins nach der Aberkennung des Rechts, hiervon in Deutschland Gebrauch zu machen, habe der Kläger nur ein neues Führerscheindokument erhalten. Die Erneuerung eines Führerscheins in Spanien werde dort zwar vom Bestehen eines Gesundheitstests abhängig gemacht, nicht aber von einer Überprüfung der Mindestvoraussetzungen für das Ausstellen eines Führerscheins nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein und damit auch nicht von einer umfassenden Überprüfung der Fahreignung. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt. Gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage eingeholt, ob der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein zur Anerkennung eines ausländischen EU-Führerscheins der Klassen A und B verpflichtet, der dem Betroffenen nach der Aberkennung des Rechts, hiervon in Deutschland Gebrauch zu machen, in dem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege der Erneuerung (=Verlängerung der Gültigkeitsdauer) nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten die Erneuerung von Führerscheinen der Klassen A und B von einer Prüfung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen dieser Fahrzeuge abhängig machen; sie sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Fußnote: Die dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage lautet wie folgt: „Verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Trunkenheitsfahrt das Recht aberkannt wurde, mit diesem Führerschein Kraftfahrzeuge im Gebiet des erstgenannten Mitgliedstaats zu führen, die Anerkennung eines Führerscheins für diese Klassen abzulehnen, der dem Betroffenen nach der Aberkennung im zweitgenannten Mitgliedstaat im Wege der Erneuerung nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde?"" BVerwG 3 C 20.17 - Beschluss vom 10. Oktober 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 10 S 1716/15 - Urteil vom 27. Juni 2017 - VG Karlsruhe, 3 K 2337/14 - Urteil vom 16. Juli 2015 -","Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt:Verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten EU-Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Trunkenheitsfahrt das Recht aberkannt wurde, mit diesem Führerschein Kraftfahrzeuge im erstgenannten Mitgliedstaat zu führen, die Anerkennung eines Führerscheins für diese Klassen abzulehnen, der dem Betroffenen im zweitgenannten Mitgliedstaat nach der Aberkennung im Wege der Erneuerung nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde. Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18), zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2018/933 der Kommission vom 29. Juni 2018 zur Berichtigung der deutschen Fassung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führerschein (ABl. L 165 S. 35) zur Vorabentscheidung vorgelegt:Verwehren es Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet dem Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten EU-Führerscheins der Klassen A und B wegen einer Trunkenheitsfahrt das Recht aberkannt wurde, mit diesem Führerschein Kraftfahrzeuge im erstgenannten Mitgliedstaat zu führen, die Anerkennung eines Führerscheins für diese Klassen abzulehnen, der dem Betroffenen im zweitgenannten Mitgliedstaat nach der Aberkennung im Wege der Erneuerung nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde. Gründe IDer Kläger begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, mit seinem spanischen Führerschein der Klassen A und B in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen.Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er hat seit 1992 einen Wohnsitz in Spanien und einen weiteren Wohnsitz in K., der aber nicht sein ordentlicher Wohnsitz im Sinne von § 7 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) - im Folgenden: Richtlinie 2006/126/EG - ist. In Deutschland wurde er 1987, 1990, 1995 und 2000 wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt; 1990 wurde ihm deshalb ein weiteres Mal seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen. Am 21. Oktober 1992 wurde dem Kläger in Spanien ein Führerschein ausgestellt, der unter anderem die Klassen A und B umfasste. Die Gültigkeitsdauer wurde dort seitdem mehrfach verlängert.Am 12. Dezember 2008 führte der Kläger in Deutschland ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille. Deshalb wurde er mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 20. Januar 2009 wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, und ihm wurde wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt, mit dieser Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis wurde eine Sperrfrist von 14 Monaten bestimmt; sie endete mit Ablauf des 19. März 2010. Sein am 22. Oktober 2007 in Spanien ausgestellter Führerschein der Klassen A, A1 und B wurde eingezogen und den zuständigen spanischen Stellen übersandt. Sie ließen das Dokument dem Kläger alsbald und ohne Weiteres wiederzukommen.Dem Kläger wurde in Spanien am 23. November 2009 - und damit noch während der Laufzeit der in Deutschland angeordneten Sperrfrist - ein neuer Führerschein der Klassen A1, A2, A und B ausgestellt, der wie sein vorheriger Führerschein bis zum 22. Oktober 2012 gültig war. Am 15. Oktober 2012 erhielt er in Spanien einen Führerschein der Klassen A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2014, am 18. September 2014 einen Führerschein der Klassen AM, A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2016 und am 6. September 2016 seinen derzeitigen Führerschein der Klassen AM, A1, A2, A und B mit Gültigkeit bis zum 22. Oktober 2021. In den Führerscheinen ist bei diesen Fahrzeugklassen als Beginn der Gültigkeit jeweils der 21. Oktober 1992 eingetragen.Den Antrag des Klägers vom 20. Januar 2014, ""seine spanische Fahrerlaubnis ... vom 21.10.1992, gültig bis 22.10.2014"" für das Bundesgebiet anzuerkennen, lehnte die beklagte Stadt K. ab. Dem Kläger sei durch den Strafbefehl vom 20. Januar 2009 seine spanische Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden. Nach dem Ablauf der Sperre habe er in Spanien keine neue anzuerkennende Fahrerlaubnis erworben, ihm seien dort nur Ersatzdokumente ausgestellt worden. Da der Kläger das zur Klärung der Zweifel an seiner Fahreignung von ihm zu Recht geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt habe, könne gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung geschlossen werden. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium K. aus den gleichen Gründen zurück.Seine Klage mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide zu verpflichten, ihm das Recht zu erteilen, von seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgte Begehren festzustellen, dass er berechtigt sei, von seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und ebenso sein Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm das Recht, von seiner spanischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, konstitutiv zu erteilen, seien unbegründet.Einer Inlandsfahrberechtigung nach § 29 FeV stehe der Ausschlussgrund aus § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 FeV entgegen. Wegen seiner Trunkenheitsfahrt im Dezember 2008 sei dem Kläger rechtskräftig die Fahrerlaubnis entzogen worden; das sei im Fahreignungsregister noch eingetragen und nicht getilgt. Der Ausschluss gelte auch für den bis zum 22. Oktober 2021 verlängerten derzeitigen spanischen Führerschein des Klägers. Nach § 29 Abs. 4 FeV i.V.m. § 3 Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sei eine antragsabhängige Zuerkennungsentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde erforderlich, um hiervon in Deutschland wieder Gebrauch machen zu dürfen. Auch Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vermittle dem Kläger derzeit nicht das Recht, mit seinem spanischen Führerschein Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Die Rückgabe des in Deutschland eingezogenen Führerscheindokuments und auch dessen Ersetzung durch die spanischen Behörden am 23. November 2009 seien keine Maßnahmen, die unionsrechtlich eine Anerkennungspflicht begründeten. Sie seien während der im Strafbefehl vom 20. Januar 2009 festgelegten Sperrfrist erfolgt. Außerdem sei nicht erkennbar, dass eine Eignungsprüfung vorangegangen sei. Dem Kläger seien keine neuen Fahrerlaubnisse erteilt worden; die spanische Behörde habe nur gemäß Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2006/126/EG den Führerschein nach Ablauf der Gültigkeitsdauer erneuert. Als harmonisierte Mindestvoraussetzung für die Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B gebe Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/126/EG nur die Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses vor. Damit sei die Erneuerung eines Führerscheins wesensgleich mit einer Ersetzung im Sinne von Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG; beides erschöpfe sich in der Erstellung eines neuen Nachweispapiers über eine bestehende Fahrerlaubnis. Ein Mitgliedstaat, der sich - wie Spanien - dafür entschieden habe, die turnusmäßige Erneuerung eines Führerscheins von einem Gesundheitstest abhängig zu machen, sei nicht dazu verpflichtet, bei jedem Fahrerlaubnisinhaber ohne besonderen Anhalt zu untersuchen, ob alle gesundheitlichen Mindestanforderungen nach Anhang III der Richtlinie 2006/126/EG noch erfüllt seien. Ein altersabhängiger Gesundheitstest dürfte sich regelmäßig auf eine Prüfung des Seh-, Hör- und Reaktionsvermögens sowie von offen zutage tretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschränken. Es liefe dem Gemeinwohlziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, zuwider, müsste die Gültigkeit eines Führerscheins in einer solchen Situation bedingungslos anerkannt werden.Der Hilfsantrag des Klägers, die Fahrerlaubnisbehörde zum Erlass einer konstitutiven Zuerkennungsentscheidung nach § 29 Abs. 4 FeV zu verpflichten, sei ebenfalls unbegründet. Voraussetzung dafür wäre, dass die Gründe für die Fahrerlaubnisentziehung nicht mehr bestünden. Der Kläger habe das wegen seiner Trunkenheitsfahrt erforderliche medizinisch-psychologische Gutachten jedoch nicht beigebracht. Mit Blick auf die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille, die einen exzessiven Alkoholkonsum belege, und die Gefahren für die Verkehrssicherheit durch Alkoholkonsum stehe der unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht entgegen.Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor: § 29 Abs. 3 und 4 FeV verletze mit der dort vorgesehenen Zuerkennungsentscheidung Unionsrecht. Es werde willkürlich und ohne Rechtsgrundlage unterstellt, dass es sich bei den drei spanischen Verwaltungsakten vom 15. Oktober 2012, 18. September 2014 und 6. September 2016 nicht um die Ausstellung eines Führerscheins im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG, sondern um eine Verlängerung der ursprünglichen Fahrerlaubnis vom 21. Oktober 1992 handele. Für die Annahme, bei der Erneuerung eines Führerscheins gehe eine bestehende Unregelmäßigkeit auf den aktuellen Führerschein über, fehle ebenfalls eine Rechtsgrundlage. Es gebe auch keine dahingehende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die Kompetenz, darüber zu befinden, ob er die Fahreignung wieder besitze, liege allein bei der spanischen Behörde. Deren Entscheidung dürften die deutschen Behörden nicht überprüfen.Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil.IIDas Verfahren ist auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der im Beschlusstenor aufgeführten Frage einzuholen. Von der Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG hängt es aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ab, ob die Klage Erfolg hat und der Kläger berechtigt ist, mit seinem in Spanien erneuerten Führerschein Kraftfahrzeuge der Klassen A und B in Deutschland zu führen. In der Revision hat er sein Klagebegehren auf die Fahrzeugklassen A und B beschränkt.1. Nationaler Rechtsrahmen§ 29 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Art. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl. I S. 1056) geänderten Fassung, bestimmt:""Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis dürfen im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen, wenn sie hier keinen ordentlichen Wohnsitz nach § 7 haben.""Diese Regelung ist im vorliegenden Fall anwendbar, da der Kläger nach den von der Beklagten nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) des Berufungsgerichts seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne von § 7 FeV und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht in Deutschland hat.§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV sieht als Ausnahme von der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis vor:""Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben.""Dem Kläger ist seine spanische Fahrerlaubnis in Deutschland wegen seiner Trunkenheitsfahrt vom 12. Dezember 2008 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille rechtskräftig durch Strafbefehl mit der Wirkung entzogen worden, dass ihm das Recht aberkannt wurde, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 69b Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches - StGB). Nach § 69b Abs. 1 Satz 2 StGB erlischt mit der Rechtskraft der Entscheidung das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.Die Eintragung der Fahrerlaubnisentziehung in das Fahreignungsregister (§§ 28 ff. des Straßenverkehrsgesetzes - StVG) ist dort noch nicht getilgt, was den in § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FeV vorgesehenen Ausschluss der Inlandsfahrberechtigung hätte entfallen lassen. § 29 Abs. 3 Satz 3 FeV bestimmt:""Satz 1 Nummer 3 und 4 ist auf eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nur anzuwenden, wenn die dort genannten Maßnahmen im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes getilgt sind.""Für die Wiedererteilung des Rechts, von der Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, sieht § 29 Abs. 4 FeV i.V.m. § 3 Abs. 6 StVG vor:""Das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis nach einer der in Absatz 3 Nummer 3 und 4 genannten Entscheidungen im Inland Gebrauch zu machen, wird auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.""§ 3 Abs. 6 StVG bestimmt:""Für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland gelten die Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend.""Danach müsste der Kläger wegen seiner Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,12 Promille gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ein - positives - medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen. Diese Vorschrift lautet wie folgt:""Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass...2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn...c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,""...Ein solches medizinisch-psychologisches Gutachten hat der Kläger nicht vorgelegt.2. Unionsrecht - Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG)Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts wäre der Kläger nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG auch ohne die Erfüllung dieser nach dem deutschen Fahrerlaubnisrecht zu beachtenden Voraussetzungen berechtigt, mit seinem zuletzt am 6. September 2016 erneuerten und bis zum 22. Oktober 2021 gültigen spanischen Führerschein Kraftfahrzeuge der Klassen A und B in Deutschland zu führen, wenn eine solche Anerkennungspflicht auch bei der Erneuerung eines Führerscheins der genannten Klassen nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG bestünde.Es geht danach im Kern um die Frage, inwieweit der unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG auch im Falle der Erneuerung eines Führerscheins nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG greift, die der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorgenommen hat, nachdem der Aufenthaltsmitgliedstaat dem Betroffenen wegen einer Trunkenheitsfahrt und dem sich daraus ergebenden Fehlen der Fahreignung das Recht aberkannt hatte, auf seinem Hoheitsgebiet von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.a) Aufgrund der im derzeit gültigen und in den vorherigen Führerscheinen des Klägers eingetragenen Angaben zur Gültigkeit steht außer Zweifel, dass sein in Spanien am 6. September 2016 ausgestellter und bis zum 22. Oktober 2021 gültiger Führerschein auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellt wurde, es sich also um die Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer im Sinne dieser Vorschrift handelte (FR: ""renouvellement du permis de conduire au moment où sa validité administrative vient à échéance""; EN: ""renewal of driving licences when their administrative validity expires""). Hiervon sind auch die Beklagte und die beiden Vorinstanzen übereinstimmend ausgegangen.b) Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Erneuerung von Führerscheinen der Klassen AM, A, A1, A2, B, B1 oder BE von einer Prüfung der Mindestvoraussetzungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen dieser Fahrzeuge gemäß Anhang III abhängig machen können (FR: ""Les États membres peuvent imposer, lors du renouvellement des permis de conduire des catégories AM, A1, A2, A2, B, B1 et BE, un contrôle des normes minimales concernant l'aptitude physique et mentale à la conduite telles qu'exposées à l'annexe III.""; EN: ""Member states may, when renewing driving licenses in categories AM, A1, A2, A2, B, B1 and BE, require an examination applying the minimum standards of physical and mental fitness for driving set out in Annex III.""). Hieraus ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten bei der Erneuerung von Führerscheinen der genannten Klassen durch das Unionsrecht berechtigt (""können""; ""peuvent imposer"", ""may require""), aber nicht verpflichtet sind, eine solche Eignungsüberprüfung vorzusehen.Daran, dass den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG für die Erneuerung eines Führerscheins der genannten Fahrzeugklassen unionsrechtlich nur die Möglichkeit einer Überprüfung eingeräumt, nicht aber eine Überprüfungspflicht auferlegt wird, dürfte sich nach Auffassung des Senats durch Nr. 14 (Alkohol) des Anhangs III der Richtlinie 2006/126/EG (Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs) nichts ändern. Nach Nr. 14.1. des Anhangs III, der die Regelung in Bezug auf Führer von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (Fahrzeuge der Klassen A, A1, A2, AM, B, B1 und BE) enthält, darf Bewerbern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch darf ihre Fahrerlaubnis erneuert werden. Zwar wird in Nr. 14.1. des Anhangs III damit neben der Erteilung auch die Erneuerung einer Fahrerlaubnis ausdrücklich genannt. Doch würde die vom Richtliniengeber in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG in Bezug auf die dort genannten Fahrzeugklassen getroffene ""Kann-Regelung"" insoweit ins Leere gehen und wäre wirkungslos, wenn sich eine alle Fälle der Erneuerung eines Führerscheins einschließende Pflicht zur Eignungsüberprüfung aus Nr. 14.1. des Anhangs III der Richtlinie ergäbe. Es kann nicht unterstellt werden, dass der Richtliniengeber eine solche in sich widersprüchliche Regelung treffen wollte. Vielmehr dürfte nach der Normsystematik Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG als der spezielleren Regelung Vorrang gegenüber Nr. 14.1. des Anhangs III der Richtlinie zukommen und deshalb in den Fällen der Erneuerung eines Führerscheins der dort genannten Klassen die erneute Überprüfung der ""Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs"" nach dem Anhang III in das Ermessen des betreffenden Mitgliedstaates gestellt sein.Wird in den Fällen der Erneuerung eines Führerscheins den Mitgliedstaaten durch Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG unionsrechtlich aber lediglich eine Überprüfungsmöglichkeit, nicht aber eine jeden Mitgliedstaat gleichermaßen treffende Überprüfungspflicht begründet, unterscheidet sich die Erneuerung eines Führerscheins dieser Klassen gemäß Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG grundlegend von der Ausstellung eines Führerscheins nach Maßgabe der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie genannten Anforderungen. Nach dieser Regelung darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden haben und die gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III erfüllen.c) Im Fall des Klägers dürfte eine dem Unionsrecht zu entnehmende Pflicht zur Anerkennung seines Führerscheins in Deutschland nicht deshalb entfallen, weil er seinen am 22. Oktober 2007 ausgestellten spanischen Führerschein, der Gegenstand der rechtskräftigen Aberkennung des Rechts war, davon in Deutschland Gebrauch zu machen, in Spanien noch während der laufenden Sperrfrist zurückerhalten hatte und ihm in Spanien darüber hinaus - ebenfalls noch innerhalb der Sperrfrist - ein neuer Führerschein mit unveränderter Gültigkeitsdauer bis zum 22. Oktober 2012 ausgestellt worden war. Zwar ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anerkannt, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angewandt worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins zu versagen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - C-321/07 [ECLI:EU:C:2009:104], Schwarz - Rn. 83 m.w.N.). Doch knüpft die mögliche Anerkennungspflicht in Deutschland, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, nicht an den in der Sperrfrist zurückgegebenen und ebenso wenig an den am 23. November 2009 ausgestellten alten Führerschein des Klägers an, deren Gültigkeit jeweils abgelaufen ist, sondern an seinen nun gültigen spanischen Führerschein, der dort am 6. September 2016 ausgestellt wurde. Dieser Führerschein geht indes, was die dort ausgewiesene materielle Berechtigung betrifft, auf die Erteilung der entsprechenden Fahrerlaubnisse am 21. Oktober 1992 zurück, bei der kein Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis ersichtlich ist und die auch nicht in einer noch laufenden Sperrfrist erfolgt war.Ebenso wenig dürfte - anders als das Berufungsgericht annimmt (vgl. UA S. 21) und auch die Beklagte gemeint hatte - einer möglichen Pflicht zur Anerkennung des erneuerten Führerscheins entgegengehalten werden können, dass es sich bei der Erneuerung eines Führerscheins nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG um die bloße Ausstellung eines Ersatzdokuments handele. Bei einer Erneuerung im Sinne dieser Regelung geht es nicht lediglich um den Austausch des eine materielle Berechtigung verkörpernden Dokuments wie bei einer Ersetzung, etwa infolge von Verlust oder Diebstahl, gemäß Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG. Vielmehr ist mit der Erneuerung eines Führerscheins gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2006/126/EG eine Verlängerung der materiellen Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der betreffenden Klassen verbunden. Gerade darin liegt ihr Sinn und Zweck (""Erneuerung eines Führerscheins bei Ablauf der Gültigkeitsdauer"").d) Nach Auffassung des Senats spricht Vieles dafür, dass bei der Erneuerung eines Führerscheins der in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG genannten Klassen, die erfolgt, nachdem dem Inhaber im Aufenthaltsmitgliedstaat wegen des dort festgestellten Fehlens der Fahreignung das Recht aberkannt wurde, in dessen Hoheitsgebiet von seinem Führerschein Gebrauch zu machen, keine Verpflichtung zu einer Anerkennung ohne jede Formalität besteht, wie sie nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Ausstellung eines Führerscheins unter Überprüfung der harmonisierten Mindestanforderungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG anzunehmen ist.In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist unter Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden ist, ohne jede Formalität anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist und unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses erteilte EU-Fahrerlaubnis daher anerkennen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-329/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:366], Wiedemann und Funk - Rn. 54). In diesen Fällen ist der Fahreignungsmangel durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung des Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteile vom 19. Februar 2009 - C-321/07, Schwarz - Rn. 92 f. und vom 26. April 2012 - C-419/10 [ECLI:EU:C:2012:240], Hofmann - Rn. 51). Zugleich entfällt dann die Befugnis des Mitgliedstaates, der dem Betroffenen auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt hatte, von seinem Führerschein auf seinem Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen, zu prüfen, ob er seine Fahreignung wiedererlangt hat und daher dort wieder Kraftfahrzeuge führen darf (vgl. zu dieser Befugnis des die Inlandsfahrberechtigung aberkennenden Mitgliedstaates EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13 [ECLI:EU:C:2015:257], Aykul - Rn. 74 ff.).Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung wiederholt den Zusammenhang von unionsrechtlich harmonisierten Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, der Überprüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen durch den Ausstellungsmitgliedstaat und der Pflicht zur Anerkennung des in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins hervorgehoben. Die mit der Richtlinie 2006/126/EG geschaffene Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine sei Folge der Vorgabe von zwingenden Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines EG-Führerscheins in dieser Richtlinie (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 - C-9/18 [ECLI:EU:C:2019:148], Meyn - Rn. 28).Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dürfte nach Auffassung des Senats daher zu entnehmen sein, dass das Bestehen einer Anerkennungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG davon abhängt, ob das Unionsrecht für die Ausstellung des Führerscheins im konkreten Fall die Überprüfung der harmonisierten Mindestvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vorgibt. Das zeigt zum einen das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Februar 2009 - C-321/07, Schwarz -. Zwar werde, wie dort unter Bezugnahme auf die bereits genannte Rechtsprechung ausgeführt wird, die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat geahndete Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 a.a.O. Rn. 92). Doch sei der Kläger hier keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates angeordneten Überprüfung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unterzogen worden. Folglich sei nicht der Beweis erbracht, dass der Inhaber entsprechend den Anforderungen an die Eignung - im damaligen Fall denen nach der Richtlinie 91/439/EWG - zum Führen von Kraftfahrzeugen und zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet sei (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 a.a.O. Rn. 95). Im bereits genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 28. Februar 2019 - C-9/18, Meyn - wird dieser Zusammenhang von zu prüfenden unionsrechtlich vorgegebenen harmonisierten Mindestvoraussetzungen und daraus resultierender Anerkennungspflicht in Bezug auf die Richtlinie 2006/126/EG bestätigt (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 28 ff.). Zur Verneinung einer Anerkennungspflicht wird dort darauf abgestellt, dass die Richtlinie 2006/126/EG nicht dazu bestimmt sei, die Anforderungen festzulegen, die für den Umtausch von Führerscheinen erfüllt sein müssen, die von Drittstaaten ausgegeben würden, da eine solche Befugnis allein den Mitgliedstaaten zustehe, so dass ein Mitgliedstaat nicht an die Beurteilungen gebunden sein könne, die andere Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht vorgenommen hätten (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 31). Folglich könne, wenn die von der Richtlinie 2006/126/EG angestrebte Straßenverkehrssicherheit nicht gefährdet werden solle, ein Mitgliedstaat schon allein deshalb nicht verpflichtet werden, einen Führerschein anzuerkennen, dessen Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates habe und der von einem anderen Mitgliedstaat ohne Fähigkeitsprüfung im Umtausch für einen von einem anderen Mitgliedstaat ausgegebenen Führerschein ausgestellt worden sei, weil der letztgenannte Führerschein seinerseits das Ergebnis eines Umtauschs für einen von einem Drittstaat ausgestellten Führerschein sei (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2019 a.a.O. Rn. 32).Bei der hier inmitten stehenden Erneuerung des spanischen Führerscheins des Klägers handelt es sich - wie gezeigt - ebenfalls nicht um die Ausstellung eines Führerscheins, bei der der ausstellende Mitgliedstaat zu einer umfassenden Eignungsüberprüfung nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG verpflichtet war.In solchen Fällen der späteren Erneuerung eines Führerscheins im Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes bleibt es daher aus Sicht des Senats bei der vom Gerichtshof der Europäischen Union anerkannten Befugnis des Mitgliedstaates, der dem Betroffenen auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG wegen fehlender Fahreignung das Recht aberkannt hatte, von seinem Führerschein auf seinem Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen, zu prüfen, ob der Betroffene seine Fahreignung wiedererlangt hat (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-260/13, Aykul - Rn. 74 ff.).e) Etwas anderes dürfte sich aus Sicht des Senats nicht daraus ergeben, dass das spanische Fahrerlaubnisrecht - wie dem Berufungsurteil zu entnehmen ist - auch bei der Erneuerung eines Führerscheins der Klassen A und B und damit im Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG einen Gesundheitstest vorsieht. Nähere Feststellungen zu Gegenstand und Umfang dieses Gesundheitstests hat das Berufungsgericht nicht getroffen.Dass solche von einem einzelnen Mitgliedstaat getroffene Regelungen zu den gesundheitlichen Anforderungen an die Erneuerung eines Führerscheins nicht zur Anerkennungspflicht nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG führen, folgt aus Sicht des Senats bereits daraus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die dort geforderte gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen ohne jede Formalität daran anknüpft, dass das Unionsrecht harmonisierte und damit alle Mitgliedstaaten bindende Mindestanforderungen an die Kraftfahreignung u.a. in gesundheitlicher Hinsicht vorgibt, die der Bewerber um einen Führerschein erfüllen muss und deren Einhaltung der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes bei der Ausstellung eines Führerscheins zu überprüfen hat. Das ist - wie gezeigt - nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG bei der Erneuerung von Führerscheinen der dort genannten Klassen nicht der Fall.Eine Anerkennung ohne jede Formalität wäre aus Sicht des Senats auch nicht damit vereinbar, dass von den Behörden und Gerichten des Aufenthaltsmitgliedstaates in jedem Einzelfall der Frage nachgegangen werden müsste, was genau Inhalt und Reichweite der gesundheitlichen Überprüfung ist, die der einen Führerschein erneuernde Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG gegebenenfalls vorsieht. Diese Regelungen können in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfallen. Eine solche Einzelfallbetrachtung wäre indes erforderlich, um die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, auf die die harmonisierten Mindestanforderungen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG i.V.m. dem Anhang III abzielen." bverwg_2019-73,10.10.2019,"Pressemitteilung Nr. 73/2019 vom 10.10.2019 EN Zur Ausgleichspflicht bei nicht auskömmlichem Verbundtarif im ÖPNV Schreibt der Aufgabenträger für die Erbringung von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr die Anwendung eines für Verkehrsunternehmen nicht auskömmlichen Verbundtarifs vor, hat er die Wahl, die Mindereinnahmen entweder durch die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auszugleichen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin ist ein Personenbeförderungsunternehmen, das Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr erbringt. Sie begehrt eine Genehmigung für die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung für mehrere Buslinien im Zuständigkeitsbereich des beklagten Kreises. Dieser rief als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs im Dezember 2012 interessierte Verkehrsunternehmen zur Abgabe eigenwirtschaftlicher Anträge für ein Linienbündel von insgesamt sechs Buslinien auf. Die Bekanntmachung nahm Bezug auf den Nahverkehrsplan des Kreises, der u.a. die Anwendung eines bestimmten Verbundtarifs festlegt. Im Januar 2013 beantragte die Klägerin mit drei eigenständigen Anträgen, die unterschiedliche Modalitäten für die Verkehrserbringung enthielten, die Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb für das Linienbündel. Diese Anträge wurden abgelehnt. Nach erfolglos gebliebenen Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens führte der beklagte Kreis ein EU-weites Ausschreibungsverfahren für das Linienbündel durch, an dem sich die Klägerin erfolgreich beteiligte. Daraufhin erhielt sie die Genehmigung für den gemeinwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels. Über den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin ist noch nicht entschieden. Die Klage auf Erteilung einer Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erteilung der begehrten Genehmigung zwingende Versagungsgründe entgegenstehen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen ist die Klägerin zum eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels nur in der Lage, wenn die ihr durch den auferlegten Verbundtarif entstehenden Mindereinnahmen durch eine allgemeine Vorschrift i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 ausgeglichen werden. Deren Erlass kann die Klägerin aber nicht beanspruchen. Vielmehr hat der Aufgabenträger die Wahl, die durch Anwendung eines für das Verkehrsunternehmen nicht auskömmlichen Verbundtarifs entstehenden Mindereinnahmen entweder durch die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auszugleichen. Zudem muss eine solche allgemeine Vorschrift den interessierten Verkehrsunternehmen bereits vor Ablauf der Frist zur Abgabe eines Angebots zugänglich sein, um ihre diskriminierungsfreie Anwendung sicherzustellen. BVerwG 10 C 3.19 - Urteil vom 10. Oktober 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 788/15 - Urteil vom 25. August 2016 - VG Münster, 10 K 2747/13 - Urteil vom 06. März 2015 -","Urteil vom 10.10.2019 - BVerwG 10 C 3.19ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U10C3.19.0 EN Zur Ausgleichspflicht bei nicht auskömmlichen Verbundtarif im ÖPNV Leitsatz: Schreibt der Aufgabenträger für die Erbringung von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr die Anwendung eines für das Verkehrsunternehmen nicht auskömmlichen Verbundtarifs vor, hat er die Wahl, die Mindereinnahmen entweder durch die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Personenbeförderungsgesetz in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auszugleichen. Rechtsquellen GG Art. 12 Abs. 1 PBefG § 8 Abs. 4, § 8a Abs. 1, § 13 Abs. 2a, § 62 Abs. 1 VwGO § 43 VO (EG) Nr. 1370/2007 Art. 2, 3, 5, 7 Instanzenzug VG Münster - 06.03.2015 - AZ: VG 10 K 2747/13 OVG Münster - 25.08.2016 - AZ: OVG 13 A 788/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - 10 C 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U10C3.19.0] Urteil BVerwG 10 C 3.19 VG Münster - 06.03.2015 - AZ: VG 10 K 2747/13 OVG Münster - 25.08.2016 - AZ: OVG 13 A 788/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2019 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb mehrerer Buslinien im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 2. 2 Dieser gab als Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs im Amtsblatt der Bezirksregierung ... vom 14. Dezember 2012 die beabsichtigte Neuerteilung der Genehmigung für sechs Buslinien als Linienbündel für den Zeitraum vom 8. Januar 2014 bis zum 7. Januar 2022 bekannt und forderte interessierte Verkehrsunternehmen auf, Anträge für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb dieses Linienbündels bis zum 19. Januar 2013 einzureichen. Die Anträge sollten unter Berücksichtigung des Nahverkehrsplans bewertet werden, der auf den Gemeinschaftstarif für den Bus- und Bahnverkehr im ...land (Verbundtarif) verweist. Die Bekanntmachung enthielt zugleich die Ankündigung, sofern bis zum Ablauf der Frist keine eigenwirtschaftlichen Anträge gestellt würden, werde das wettbewerbliche Verfahren zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrags eingeleitet. 3 Mit drei bei der Genehmigungsbehörde, dem Beklagten zu 1, am 18. Januar 2013 eingegangenen Anträgen beantragte die Klägerin jeweils die Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Linienverkehr des in der Bekanntmachung benannten Linienbündels für die Zeit vom 8. Januar 2014 bis zum 8. Januar 2024. Den drei Anträgen lagen unterschiedliche Modalitäten zugrunde, unter denen die Klägerin den eigenwirtschaftlichen Linienverkehr erbringen wollte. Der erste Antrag umfasste die Erbringung der geforderten Verkehrsleistung unter Anwendung des Verbundtarifs und Ausgleich des dadurch entstehenden Kostennachteils durch den Aufgabenträger. Der zweite Antrag sah die Erbringung der geforderten Verkehrsleistung unter Anwendung des den Verbundtarif erheblich übersteigenden Haustarifs der Klägerin vor. Mit ihrem dritten Antrag beantragte die Klägerin die Genehmigung unter Anwendung des Verbundtarifs, aber mit einem reduzierten Leistungsumfang. Mit Bescheiden vom 15., 16. und 17. Mai 2013 lehnte der Beklagte zu 1 die drei Anträge ab. Die Widersprüche der Klägerin wies er zurück. 4 Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung des Beklagten zu 1 zur Erteilung einer antragsgemäßen Genehmigung und die Verurteilung des Beklagten zu 2 zum Erlass einer allgemeinen Vorschrift über den Ausgleich der Kosten für die Anwendung des Verbundtarifs begehrt. 5 Während des Klageverfahrens beteiligte die Klägerin sich erfolgreich an dem in der Bekanntmachung angekündigten EU-weiten Ausschreibungsverfahren für das Linienbündel, das nunmehr im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags vergeben werden sollte. Im Dezember 2013 erhielt sie den Zuschlag, schloss daraufhin mit dem Beklagten zu 2 einen Verkehrsvertrag und beantragte die Erteilung der Genehmigung für einen gemeinwirtschaftlichen Linienverkehr nach dem Personenbeförderungsgesetz. Mit Bescheid vom 12. Mai 2014 erteilte der Beklagte zu 1 der Klägerin für die Dauer vom 12. Mai 2014 bis 7. Januar 2022 ""antragsgemäß"" die Genehmigung für die Einrichtung, die Linienführung und den Betrieb des Linienbündels. Gegen diesen Genehmigungsbescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. 6 Das Verwaltungsgericht hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Verpflichtungsklage sei zwar zulässig; insbesondere stehe der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Sie sei aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Genehmigung ihrer Anträge vom 18. Januar 2013. Der Genehmigung des ersten Antrags stünden öffentliche Verkehrsinteressen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) entgegen, weil die Klägerin die betreffenden Linien voraussichtlich wegen fehlender Kostendeckung eigenwirtschaftlich nicht dauerhaft betreiben könne. Sie könne die dem Nahverkehrsplan entsprechenden Verkehrsleistungen nur mit Ausgleichsleistungen gewährleisten. Der Beklagte zu 2 habe jedoch keine allgemeine Vorschrift erlassen. Die Klägerin habe hierauf auch keinen Anspruch. Vielmehr räume § 8a Abs. 1 PBefG dem Aufgabenträger ein Wahlrecht ein, ob er eine allgemeine Vorschrift erlasse oder einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag vergebe. Zudem sei für den Erlass einer allgemeinen Vorschrift im laufenden Genehmigungsverfahren kein Raum. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG liege ebenfalls nicht vor. Auch die Genehmigung des zweiten Antrags sei nach § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG zwingend zu versagen, weil dieser Antrag hinsichtlich des Tarifs nicht den Vorgaben der Vorabbekanntmachung entsprochen habe. Dieser Versagungsgrund finde vorliegend Anwendung, obwohl die Regelung erst zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten und die Vorabbekanntmachung bereits am 14. Dezember 2012 erfolgt sei. Entsprechendes gelte für den dritten Antrag, der hinsichtlich des angebotenen Leistungsumfangs von der Vorabbekanntmachung wesentlich abweiche. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage sei als Leistungsklage zulässig, aber ebenfalls unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift zustehe. 7 Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, das Berufungsurteil verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und unterlaufe den im Personenbeförderungsgesetz festgelegten Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit. Art. 12 Abs. 1 GG garantiere den Verkehrsunternehmen, ihr Gewerbe ohne Eingriffe der öffentlichen Hand zu wählen und auszuüben. Bei eigenwirtschaftlicher Verkehrserbringung obliege es dem Verkehrsunternehmen, den von ihm zu erbringenden Verkehr zu bestimmen. Dabei müsse es sich lediglich an der Rahmenplanung des Aufgabenträgers in einem Nahverkehrsplan orientieren. Mit dem Vorrang der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung sei nicht vereinbar, dass der Beklagte zu 2 mit den Vorgaben im Nahverkehrsplan und der Vorabbekanntmachung Rahmenbedingungen gesetzt habe, die eine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung verhinderten. Das Recht, die Verkehrsleistung zu definieren, komme dem Aufgabenträger demgegenüber erst bei der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsvertrags zu. Die Festlegung nicht auskömmlicher Tarife genüge hierfür noch nicht. § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG sehe die Gewährung von Ausgleichsleistungen im Wege einer allgemeinen Vorschrift ausdrücklich vor. Von dieser Möglichkeit müsse der Beklagte zu 2 Gebrauch machen, da andernfalls der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit faktisch abgeschafft werde. Dem Aufgabenträger stehe auch kein Wahlrecht zu, ob er einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag vergebe oder einen Ausgleich im Wege einer allgemeinen Vorschrift gewähre. Die Ablehnung ihres zweiten Antrags sei ebenfalls fehlerhaft gewesen. Die Vorabbekanntmachung sei vor Inkrafttreten der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes erfolgt, so dass einer Festlegung von Höchsttarifen die Rechtsgrundlage fehle. Zudem sei die Abweichung des Antrags von der geforderten Verkehrsleistung nicht wesentlich im Sinne des § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG. Das gelte auch für den dritten Antrag. 8 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 6. März 2015 zu ändern und den Beklagten zu 1 zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung ... vom 17. Mai 2013 und deren Widerspruchsbescheids vom 7. August 2013 antragsgemäß die Genehmigung für den Betrieb des Linienbündels 5 bis zum 8. Januar 2024 mit Anwendung des Verbundtarifs unter Ausgleich des dadurch entstehenden Kostennachteils zu erteilen, hilfsweise den Beklagten zu 1 zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung ... vom 16. Mai 2013 und deren Widerspruchsbescheids vom 6. August 2013 antragsgemäß die Genehmigung für den Betrieb des Linienbündels 5 bis zum 8. Januar 2024 ohne Anwendung des Verbundtarifs zu erteilen, weiter hilfsweise den Beklagten zu 1 zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung ... vom 15. Mai 2013 und deren Widerspruchsbescheids vom 5. August 2013 antragsgemäß die Genehmigung für den Betrieb des Linienbündels 5 bis zum 8. Januar 2024 mit antragsgemäß vermindertem Leistungsumfang zu erteilen, sowie festzustellen, dass der Beklagte zu 2 eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 zu erlassen hat, mit welcher der durch die Anwendung des Verbundtarifs entstehende Kostennachteil ausgeglichen wird. 9 Die Beklagten verteidigen das Berufungsurteil und beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 10 Der Beklagte zu 1 trägt vor, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Klägerin die begehrte Genehmigung bereits erteilt worden sei. Zudem habe die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Genehmigung. Insoweit komme es wegen des Vorrangs des Europarechts auf nationale Vorschriften nicht an. Vielmehr bestimme sich die Frage, ob es einen Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift gebe, nach Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007. Diese Bestimmung gebe der zuständigen Behörde das Recht, vom Instrument des öffentlichen Dienstleistungsauftrags Gebrauch zu machen. Das Recht zu definieren, welche Personenbeförderungsleistungen im allgemeinen Interesse lägen und deshalb zu erbringen seien, stehe nicht den Verkehrsunternehmen, sondern der zuständigen Behörde zu. Die Verordnung schreibe auch nicht vor, dass das aus der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen folgende Defizit durch Ausgleichsleistungen kompensiert werden müsse. Ebenso wenig folge aus dem Personenbeförderungsgesetz oder aus den Grundrechten ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift. 11 Der Beklagte zu 2 verteidigt das angegriffene Urteil und führt aus: Die Definition der ausreichenden Verkehrsbedienung stehe dem Aufgabenträger zu. Das schließe nicht aus, dass dieser Verkehr eigenwirtschaftlich erbracht werde. Dem Verkehrsunternehmer werde das Recht zur Ausübung seines Berufs auch dann gesichert, wenn die Verkehrsleistung im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erbracht werde. Dem Aufgabenträger komme ein Wahlrecht zu, ob er eine allgemeine Vorschrift erlasse oder, sofern kein den Anforderungen der Vorabbekanntmachung entsprechender eigenwirtschaftlicher Antrag eingehe, ein Vergabeverfahren durchführe. Ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift bestehe nicht. Die von der Klägerin mit ihrem zweiten Antrag erstrebte Anwendung ihres Haustarifs verhindere die gewünschte Integration im verkehrlichen Raum durch verkehrsmittelübergreifende Tarife. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen der Klägerin. Es bestehe ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift, wenn ein Verkehrsunternehmen alle in § 13 Abs. 2a PBefG festgelegten Kriterien erfülle und damit der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit greife. Wesentliches Ziel der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes sei es gewesen, im Einklang mit dem europäischen Recht auch in Zukunft eigenwirtschaftliche Verkehre zu ermöglichen und ihnen Vorrang vor gemeinwirtschaftlichen Verkehren einzuräumen. II 13 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht, soweit es für das Begehren, der Beklagte zu 2 habe zum Ausgleich des durch die Anwendung des Verbundtarifs entstehenden Kostennachteils eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 S. 1) - VO (EG) Nr. 1370/2007 - zu erlassen, nicht die Feststellungsklage, sondern die allgemeine Leistungsklage für statthaft hält. Das Urteil erweist sich jedoch insoweit aus anderen Gründen als richtig. Im Übrigen steht es mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 14 1. a) Das Berufungsgericht hat zu Recht die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Verpflichtungsklage für zulässig gehalten. Insbesondere hat es das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für das mit dem Hauptantrag sowie den beiden Hilfsanträgen verfolgte Begehren, das auf Erteilung einer Genehmigung zum eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels gerichtet ist, bejaht. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Die Nutzlosigkeit muss eindeutig sein. Im Zweifel - und so auch hier - ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). 15 Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits mit Bescheid vom 12. Mai 2014 eine Genehmigung für den gemeinwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels erhalten hat. Richtig ist zwar, dass § 13 Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 14 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808), - PBefG - die Genehmigung für Verkehre einheitlich regelt, ohne weiterhin zwischen eigenwirtschaftlichem und gemeinwirtschaftlichem Betrieb des Linienverkehrs zu unterscheiden. Die gleichwohl noch bestehenden Unterschiede rechtfertigen jedoch die Annahme, dass sich die Klage für die Klägerin nicht als nutzlos erweist. Davon ist das Berufungsgericht im Hinblick auf den materiellen Gehalt der jeweiligen Genehmigung zutreffend ausgegangen. Während die der Klägerin erteilte Genehmigung für den gemeinwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels dem Aufgabenträger weitreichende Flexibilität bei der Ausgestaltung des Verkehrsangebots einräumt und der Klägerin korrespondierende Pflichten auferlegt (vgl. etwa § 5 des Verkehrsvertrags), schützt die für den eigenwirtschaftlichen Betrieb erteilte Genehmigung das Verkehrsunternehmen vor solchen einseitig vom Aufgabenträger auferlegten Änderungen der Verkehrsleistung und gewährleistet ihm insoweit größere Planungssicherheit. 16 Der Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie sich von dem Verkehrsvertrag mit dem Beklagten zu 2 und der ihr bereits erteilten Genehmigung vom 12. Mai 2014 nicht mehr lösen könnte. Sollte die Klage Erfolg haben und die Klägerin eine Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels beanspruchen können, stünde ihr die Möglichkeit offen, den Verkehrsvertrag aufzulösen und auf die ihr bereits erteilte Genehmigung zu verzichten (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209 <211 f.> und vom 17. November 2016 - 6 C 36.15 - BVerwGE 156, 283 Rn. 13). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn nicht die Klägerin, sondern ein anderes Verkehrsunternehmen erfolgreich aus dem Vergabeverfahren hervorgegangen wäre und in der Folge die entsprechende Genehmigung zur Verkehrserbringung erhalten hätte, bedarf keiner Entscheidung. 17 b) Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Genehmigung ihrer drei Anträge nicht beanspruchen kann und die Ablehnungsbescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids rechtmäßig waren. 18 aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die von der Klägerin mit dem Hauptantrag begehrte Genehmigung mit Anwendung des Verbundtarifs und unter Ausgleich des dadurch entstehenden Kostennachteils im Wege einer allgemeinen Vorschrift schon deshalb nicht erteilt werden kann, weil eine solche im laufenden Genehmigungsverfahren nicht mehr erlassen werden könnte. Das folgt aus dem in Art. 2 Buchst. l VO (EG) Nr. 1370/2007 verankerten Diskriminierungsverbot. Die Bestimmung versteht unter einer allgemeinen Vorschrift eine Maßnahme, die diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geografischen Gebiet gilt. Deshalb muss sie transparent und objektiv aufgestellt und jedem interessierten Unternehmer zugänglich sein. Der Erlass einer allgemeinen Vorschrift im laufenden Genehmigungsverfahren könnte diese Anforderungen nicht mehr erfüllen. Die diskriminierungsfreie Anwendung einer allgemeinen Vorschrift wäre nach Ablauf der Einreichungsfrist für eigenwirtschaftliche Anträge schon deshalb nicht mehr möglich, weil ein interessierter Unternehmer sie seinem Antrag nicht mehr zugrunde legen könnte. 19 bb) Die Erteilung der mit dem ersten Hilfsantrag begehrten Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb des Linienbündels unter Anwendung des Haustarifs anstelle des Verbundtarifs kann die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen. Gleiches gilt für die mit dem zweiten Hilfsantrag begehrte Genehmigung für einen Betrieb mit antragsgemäß vermindertem Leistungsumfang. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Genehmigung beider Anträge jeweils nach § 13 Abs. 2a Satz 2 ff. PBefG zu versagen ist. 20 Das Berufungsgericht hat diese Vorschrift mit Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, auch wenn sie erst am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, während die Bekanntmachung des Beklagten zu 2 im Amtsblatt der Bezirksregierung ... bereits am 14. Dezember 2012 erfolgt war. Der Gesetzgeber hat zwar keine Übergangsregelung getroffen, die den vorliegenden Sachverhalt unmittelbar erfasst. Die Übergangsbestimmung des § 62 Abs. 1 Satz 1 PBefG sieht allerdings vor, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bis zum 31. Dezember 2013 abweichend von Artikel 5 Absatz 2 bis 4 dieser Verordnung vergeben werden dürfen. Das verdeutlicht, dass bis zum 31. Dezember 2013 für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge das bis zum 31. Dezember 2012 geltende Rechtsregime anwendbar bleibt, ein Vergabeverfahren aber auch bereits nach den neuen Vorschriften erfolgen kann. 21 Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden beantragten Genehmigungen nach § 13 Abs. 2a Satz 2 ff. PBefG versagt werden durften. Seine Annahme, es fehle nicht an einer ordnungsgemäßen Vorabbekanntmachung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorabbekanntmachung des Beklagten zu 2 vom 14. Dezember 2012 wurde zwar entgegen Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Bekanntmachung des Beklagten zu 2 vom 14. Dezember 2012 erreicht die durch die Vorschrift verfolgten Zwecke dennoch. Der Veröffentlichung lassen sich eindeutige Vorgaben dafür entnehmen, welches Bedienungskonzept einem eigenwirtschaftlichen Antrag zugrunde zu legen ist. Der in der Bekanntmachung enthaltene Verweis auf den Nahverkehrsplan und auf das beim Zweckverband abzufragende Bedienungskonzept des Aufgabenträgers genügt den Anforderungen des § 8a Abs. 2 Satz 5 PBefG. Die Veröffentlichung enthält zudem den Hinweis auf die beabsichtigte Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, sofern keine eigenwirtschaftlichen Anträge eingehen sollten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Beklagte zu 2 an die in der Bekanntmachung festgelegten Anforderungen auch für ein nachfolgendes Vergabeverfahren gebunden gesehen. Damit ist sichergestellt, dass ein Antragsteller die Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb nur für dasselbe Bedienungskonzept erhält, das auch in einem späteren Vergabeverfahren für daran teilnehmende Wettbewerber gelten würde. 22 Den beiden Anträgen war die Genehmigung nach § 13 Abs. 2a Satz 2 bis 5 PBefG zu versagen, weil sowohl der Haustarif der Klägerin als auch der von ihr angebotene verminderte Leistungsumfang die Anforderungen der Bekanntmachung des Beklagten zu 2 nicht erfüllen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Genehmigungsbehörde ihr Einvernehmen zu diesen Abweichungen nicht erteilt (§ 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG). Die Abweichungen sind auch wesentlich. Das gilt sowohl für die Anwendung des Haustarifs der Klägerin anstelle des Verbundtarifs (§ 13 Abs. 2a Satz 5 PBefG) als auch für die Abweichung hinsichtlich Bedienungshäufigkeit und Bedienungszeitraum (§ 13 Abs. 2a Satz 4 PBefG), die dem Antrag mit verringertem Leistungsumfang zugrunde liegt. 23 Im Rahmen ihres ersten Hilfsantrags meint die Klägerin, der Umstand, dass ihr Haustarif den Verbundtarif überschreite, stelle keine wesentliche Abweichung im Sinne des § 13 Abs. 2a Satz 5 PBefG dar, weil diese Vorschrift nicht nur auf den Verbundtarif abstelle, sondern zusätzlich auf eine Ausgleichsregelung durch eine allgemeine Vorschrift. Damit könnte sie nur durchdringen, wenn es eine derartige allgemeine Vorschrift gäbe, durch welche der Vergleichsmaßstab verändert würde. Daraus erwächst für den Verkehrsunternehmer indes kein Anspruch darauf, dass eine solche allgemeine Vorschrift erlassen wird. Wie noch (unten 2.) zu zeigen sein wird, liegt dies im pflichtgemäßen Ermessen des Aufgabenträgers. 24 2. Das Berufungsgericht hat auch die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage mit Recht abgewiesen. 25 a) Allerdings hat es zu Unrecht angenommen, dass das Begehren, der Beklagte zu 2 habe eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 zu erlassen, im Wege der Leistungsklage geltend zu machen sei. Es ist davon ausgegangen, dass eine allgemeine Vorschrift im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 2 als Satzung erlassen wird. Für die Klage auf Tätigwerden des untergesetzlichen Normgebers ist indessen nicht die Leistungsklage, sondern die Feststellungsklage statthafte Klageart (BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 9 C 10.07 - BVerwGE 130, 52 Rn. 13 m.w.N.). Das Berufungsurteil erweist sich jedoch insoweit aus anderen Gründen als richtig, da die Klage auch als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig ist. 26 b) Zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Klägerin den Erlass einer allgemeinen Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht beanspruchen kann. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Unionsrecht noch aus nationalem Recht. 27 aa) Auf Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 lässt sich kein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift stützen. Vielmehr eröffnet die Regelung der zuständigen Behörde die Möglichkeit, die durch die Festsetzung von Höchsttarifen bedingten Mindereinnahmen entweder im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder durch eine allgemeine Vorschrift auszugleichen. Beide Instrumente stehen gleichrangig nebeneinander und räumen der Behörde ein Wahlrecht ein. 28 Nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 erfolgt eine Gewährung von Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags. Abweichend hiervon können nach Absatz 2 Satz 1 der Bestimmung gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen auch Gegenstand allgemeiner Vorschriften sein. Art. 3 Abs. 2 Satz 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 gibt der zuständigen Behörde das Recht, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift stehen die beiden Möglichkeiten, die Inanspruchnahme eines Verkehrsunternehmens für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Pflichten durch Festsetzung von Höchsttarifen entweder durch einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder durch eine allgemeine Vorschrift auszugleichen, gleichrangig nebeneinander. Die Regelung benennt zwei Instrumente des Ausgleichs, ohne einen Vorrang für eines von beiden festzulegen. So verdeutlicht die einleitende Formulierung ""Abweichend von Absatz 1..."" in Absatz 2 der Vorschrift, dass der Ausgleich für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen grundsätzlich nach Absatz 1 im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erfolgt. Zugleich eröffnet Absatz 2 Satz 1 für den Fall, dass ein Ausgleich für festgesetzte Höchsttarife erfolgen soll, daneben (""auch"") die Möglichkeit des Ausgleichs durch eine allgemeine Vorschrift. Absatz 2 Satz 3 der Vorschrift bekräftigt zusätzlich das Wahlrecht der zuständigen Behörde, indem er deren Recht unberührt lässt, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen. Darüber hinaus bestätigt auch Erwägungsgrund 5 der Verordnung die Einschätzung, dass beide Instrumente des Ausgleichs gleichrangig nebeneinander stehen. Danach können die zuständigen Behörden die dort aufgeführten Mechanismen gleichermaßen nutzen, um die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste sicherzustellen. Der von der Klägerin geltend gemachte Vorrang des Ausgleichs durch allgemeine Vorschrift findet in der Verordnung mithin keine Stütze. 29 bb) Ebenso wenig lässt sich aus dem im Personenbeförderungsgesetz verankerten Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift ableiten. 30 Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG sind Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen. Soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung hiernach nicht möglich ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 maßgebend. Nach § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG kann die zuständige Behörde zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung allgemeine Vorschriften im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 erlassen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge nach Maßgabe des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 erteilen. § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG lässt sich entnehmen, dass eine Verkehrsleistung eigenwirtschaftlich bleibt, auch wenn Ausgleichsleistungen auf der Grundlage einer allgemeinen Vorschrift gewährt werden. Demgegenüber begründet der öffentliche Dienstleistungsauftrag einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr. Der Wortlaut des § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG spricht dafür, dass es dem Aufgabenträger als zuständige Behörde überlassen bleibt, ob er eine allgemeine Vorschrift erlässt oder einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag vergibt, soweit eine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung ohne Kostenausgleich nicht möglich ist. Die Vorschrift stellt beide Handlungsformen gleichrangig nebeneinander und räumt dem Aufgabenträger als zuständige Behörde ein Wahlrecht zwischen beiden Alternativen ein. 31 Aus der Systematik des Personenbeförderungsgesetzes folgt nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG nicht, dass das Wahlrecht des Aufgabenträgers zwischen dem Erlass einer allgemeinen Vorschrift und der Erteilung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch den Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit eingeschränkt wird. Insbesondere lässt sich aus diesem Vorrang keine Verpflichtung des Aufgabenträgers, Verkehrsunternehmen die Stellung eines auskömmlichen eigenwirtschaftlichen Antrags zu ermöglichen, ableiten. Vielmehr verlangt dieser Grundsatz, dass einem eigenwirtschaftlichen Antrag stattgegeben wird, wenn er den Anforderungen des vom Aufgabenträger festgelegten Verkehrskonzepts entspricht oder der Aufgabenträger den Abweichungen zustimmt. Erst wenn dies nicht der Fall ist, gelangt die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Anwendung. Der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit wirkt sich in erster Linie auf die Verfahrensgestaltung aus; ihm ist Genüge getan, wenn der Aufgabenträger das in § 8a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 PBefG geregelte Verfahren einhält. 32 Die teleologische Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Vorschrift dient dem Ziel des Personenbeförderungsrechts, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG). Dazu hat der Aufgabenträger einen qualitativ und quantitativ ausreichenden öffentlichen Personennahverkehr zu Fahrpreisen zu gewährleisten, die den Aufgaben eines Massenverkehrsmittels entsprechen. Er definiert die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebots in einem Nahverkehrsplan, bei dessen Aufstellung die vorhandenen Unternehmer zu beteiligen sind (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 und 6 Halbs. 1 PBefG). Deren Interessen sind nach § 8 Abs. 3 Satz 7 PBefG angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen. Im Rahmen des danach gebotenen Ausgleichs zwischen den Anforderungen der Daseinsvorsorge einerseits und den privatwirtschaftlichen Interessen der in diesem Bereich tätigen Verkehrsunternehmen andererseits hat der Aufgabenträger auch zu entscheiden, ob er zum Ausgleich nicht auskömmlicher Tarifbindungen eine allgemeine Vorschrift erlässt oder nicht. 33 Schließlich lässt sich auch den Gesetzgebungsmaterialien kein Hinweis dafür entnehmen, dass der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit die Wahlmöglichkeiten des Aufgabenträgers beschränken sollte. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass im Zuge der Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes an die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit zwar erhalten und konkretisiert werden sollte. Zugleich sollte aber klargestellt werden, dass die zuständigen Stellen dazu berechtigt sind, die nach der Verordnung bestehenden Handlungsinstrumente zu nutzen (BT-Drs. 17/10857 S. 2). Dementsprechend wollte der Gesetzgeber mit Einfügung des § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG klarstellen, über welche Handlungsmöglichkeiten die zuständige Behörde verfügt (BT-Drs. 17/10857 S. 20). Auch sollte die Anpassung der Definition der Eigenwirtschaftlichkeit an die Verordnung nicht dazu führen, dass die Anwendbarkeit der Verordnung eingeschränkt wird (vgl. BT-Drs. 17/8233 S. 13). 34 cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus Art. 12 Abs. 1 GG keine Pflicht des Aufgabenträgers, sein Wahlrecht zugunsten des Erlasses einer allgemeinen Vorschrift auszuüben. Zwar greift die Auferlegung eines nicht auskömmlichen Verbundtarifs in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein, weil sie nicht mehr frei über die Gegenleistung für die von ihr erbrachte Verkehrsleistung bestimmen kann. Der Verbundtarif verfolgt jedoch den legitimen Zweck, möglichst vielen Bürgern die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu günstigen Bedingungen zu ermöglichen. Damit verbundene Kostennachteile für den Unternehmer nur im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu kompensieren, ist ein geeignetes Mittel, dieses Gemeinwohlziel zu erreichen. Es ist auch erforderlich; namentlich ist der Erlass einer allgemeinen Vorschrift kein gleich geeignetes milderes Mittel. Wie bereits erwähnt, bietet die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags dem öffentlichen Aufgabenträger größere Flexibilität, die Verkehrserbringung insbesondere bei längerer Laufzeit des Auftrags sich wandelnden Verhältnissen und Verkehrsbedürfnissen anzupassen. Angesichts des Gewichts dieser Gemeinwohlbelange ist dem privaten Verkehrsunternehmer die Wahl eines Dienstleistungsauftrags auch zumutbar. 35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-76,29.10.2019,"Pressemitteilung Nr. 76/2019 vom 29.10.2019 EN Spätaussiedlereigenschaft erfordert Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen, der bei Kriegsende noch im Aussiedlungsgebiet lebte Als Spätaussiedler kann ein nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Geborener nur anerkannt werden, wenn er von einem deutschen Volkszugehörigen oder deutschen Staatsangehörigen abstammt, der am 8. Mai 1945 noch gelebt und seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet hatte. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1964 geborene Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, begehrt die Aufnahme als Spätaussiedler. Seine 1935 geborene Mutter ist ausweislich der dem Kläger 2011 ausgestellten Geburtsurkunde russischer Nationalität. In der ebenfalls 2011 ausgestellten Geburtsurkunde seiner Mutter ist der im Jahr 1942 im Krieg gefallene Großvater mütterlicherseits mit deutscher Nationalität vermerkt. Antrag, Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger könne nicht Spätaussiedler i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sein, weil er nicht von einer Person abstamme, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVFG erfülle. Denn der insoweit allein in Betracht kommende Großvater mütterlicherseits sei bereits 1942 verstorben. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat zwar im Einklang mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG entschieden, dass Spätaussiedler im Sinne dieser Norm nur sein kann, wer von einem deutschen Volkszugehörigen abstammt, der zu den in § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG bezeichneten Stichtagen noch gelebt hat; für die Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann sich der Kläger daher nicht auf eine deutsche Volkszugehörigkeit seines bereits 1942 verstorbenen Großvaters berufen. Es hat aber nicht hinreichend geprüft, ob die Mutter, die im Zeitpunkt des Beginns der Vertreibungsmaßnahmen (hier) im Juni 1941 noch Kind und nicht bekenntnisfähig war, in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt des Klägers nach der seinerzeitigen Rechtslage mit Blick auf eine deutsche Volkszugehörigkeit ihres Vaters ebenfalls als deutsche Volkszugehörige einzustufen war. Bei Elternteilen verschiedenen Volkstums ist danach entscheidend, welcher Elternteil bei Beginn der Vertreibungsmaßnahmen für die Bekenntnislage in der Familie prägend war. Für die Prüfung der deutschen Volkszugehörigkeit des Aufnahmebewerbers selbst liegt § 6 Abs. 2 BVFG ebenfalls ein weiter, generationenübergreifender Begriff der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen zugrunde. Er erfasst neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern oder die Urgroßeltern. Hieran ist auch unter Berücksichtigung der Änderungen festzuhalten, die die Norm durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) erfahren hat. Danach werden ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum und zur Bestätigung des Bekenntnisses eine innerfamiliäre Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse oder sonstiger Elemente deutscher Volkszugehörigkeit nicht mehr zwingend gefordert. § 6 Abs. 2 BVFG kann deshalb auch keine Voraussetzung entnommen werden, wonach der Vorfahre, von dem der Aufnahmebewerber seine deutsche Volkszugehörigkeit ableitet, bei dessen Geburt oder Eintritt der Bekenntnisfähigkeit noch gelebt haben und in der Lage gewesen sein müsste, dem Aufnahmebewerber das deutsche Volkstum zu vermitteln oder ihn sonst volkstumsmäßig zu prägen. BVerwG 1 C 43.18 - Urteil vom 29. Oktober 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 11 A 2663/17 - Urteil vom 27. August 2018 - VG Köln, 7 K 6781/16 - Urteil vom 26. September 2017 -","Urteil vom 29.10.2019 - BVerwG 1 C 43.18ECLI:DE:BVerwG:2019:291019U1C43.18.0 EN Abstammung von einem bei Kriegsende noch lebenden deutschen Volkszugehörigen Leitsätze: 1. § 4 Abs. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG liegt ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde, der neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern und gegebenenfalls auch die Urgroßeltern erfasst (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - BVerwGE 130, 197). 2. Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt, der zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG maßgeblichen Stichtag noch gelebt und seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet hat. 3. Die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der die Abstammung hergeleitet wird, beurteilt sich im Rahmen sowohl des § 4 Abs. 1 Nr. 3 als auch des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers. Rechtsquellen BVFG § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, § 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2, §§ 26, 27 Abs. 1 Instanzenzug VG Köln - 26.09.2017 - AZ: VG 7 K 6781/16 OVG Münster - 27.08.2018 - AZ: OVG 11 A 2663/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 29.10.2019 - 1 C 43.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:291019U1C43.18.0] Urteil BVerwG 1 C 43.18 VG Köln - 26.09.2017 - AZ: VG 7 K 6781/16 OVG Münster - 27.08.2018 - AZ: OVG 11 A 2663/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. August 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der im April 1964 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger. Er begehrt die Aufnahme als Spätaussiedler. 2 Sein Vater und seine im August 1935 geborene Mutter sind in seiner im Mai 2011 ausgestellten Geburtsurkunde jeweils mit russischer Nationalität vermerkt. In der im Mai 2011 ausgestellten Geburtsurkunde seiner Mutter sind sein im September 1942 im Zweiten Weltkrieg gefallener Großvater mütterlicherseits mit deutscher und seine im März 1997 verstorbene Großmutter mütterlicherseits mit russischer Nationalität vermerkt. In die im August 1993 beziehungsweise im März 1995 ausgestellten Inlandspässe des Klägers wurde dessen Nationalität jeweils mit der Angabe ""Deutscher"" eingetragen. 3 Im März 2015 beantragte der Kläger seine Aufnahme als Spätaussiedler aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass der Kläger von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstamme. Seine Eltern seien nicht als deutsche Volkszugehörige anzusehen, weil sie sich nicht zum deutschen Volkstum bekannt hätten. Auch der Großvater mütterlicherseits sei kein deutscher Volkszugehöriger, da auch in Bezug auf seine Person nicht ersichtlich sei, dass er sich bis zum Beginn der allgemeinen, gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Vertreibungsmaßnahmen in der früheren Sowjetunion am 22. Juni 1941 zum deutschen Volkstum bekannt habe. Es lägen keine zu Lebzeiten ausgestellten Urkunden vor, in denen er mit deutscher Nationalität eingetragen sei. 4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger könne nicht Spätaussiedler im Sinne des allein in Betracht kommenden § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG sein. Er stamme nicht von einer Person ab, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVFG erfülle, da der insoweit einzig in Betracht zu ziehende Großvater mütterlicherseits bereits im September 1942 verstorben sei. Daher bedürfe es keiner weitergehenden Prüfung, ob dieser deutscher Volkszugehöriger gewesen sei. 5 Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG. Der Wortlaut der Norm bedürfe einer erweiternden Auslegung, da die Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht dazu führe, dass die Abstammung über eine elterliche oder großelterliche Bezugsperson nicht hergeleitet werden könne, wenn sich diese bis zum Stichtag am 22. Juni 1941 zur deutschen Bevölkerungsgruppe bekannt habe, danach indes Opfer einer Verschleppungsmaßnahme geworden und in deren Rahmen, insbesondere vertreibungsbedingt, verstorben sei. In einem solchen Fall genüge es, dass nach dem Versterben der Bezugsperson vor dem Stichtag wenigstens eine weitere Person feststellbar sei, die von dieser Bezugsperson abstamme, selbst aber nicht deutsche Volkszugehörige im Sinne von § 6 BVFG sei. 6 Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil, soweit dieses den Abstammungsbegriff auf die Eltern- und Großelterngeneration beschränkt habe. Rechtsfehlerhaft sei hingegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG könne nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder Volkszugehörigen abstamme, der an den in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG in Bezug genommenen Stichtagen noch gelebt habe. An die Stelle des betreffenden Stichtages trete in einem solchen Fall der vor diesem Zeitpunkt liegende Todestag. Das Oberverwaltungsgericht habe bislang nicht geprüft, ob der Großvater des Klägers mütterlicherseits deutscher Volkszugehöriger im Sinne des § 6 Abs. 1 BVFG gewesen sei. 7 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht an dem Verfahren beteiligt. II 8 Die zulässige Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) i.V.m. § 6 BVFG a.F., soweit es davon ausgeht, für die Frage der Abstammung könne nicht auf die Mutter des Klägers abgestellt werden, da diese russische Volkszugehörige sei (1.). Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu der Volkszugehörigkeit der Mutter des Klägers war der Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.). 9 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Der von dem Kläger im Wege der Verpflichtungsklage verfolgte Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides beurteilt sich somit in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nach dem Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 3 des am 11. Mai 2019 in Kraft getretenen Gesetzes vom 6. Mai 2019 (BGBl. I S. 646). Ein abweichender Beurteilungszeitpunkt ist nur zugrunde zu legen, wenn und soweit das materielle Recht dies ausnahmsweise gebietet. Dies ist hier in Bezug auf die Beurteilung der Volkszugehörigkeit der Mutter des Klägers der Fall (s.u. 1.c). 10 Gemäß § 26 BVFG wird Personen, die die Aussiedlungsgebiete als Spätaussiedler verlassen wollen, um im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen, nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ein Aufnahmebescheid erteilt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor seit seiner Geburt seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVFG oder des 31. März 1952 nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVFG erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben. Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. 11 1. Sowohl § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch § 6 Abs. 2 BVFG liegt ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde, der neben den Eltern auch die Voreltern, mithin die Großeltern und gegebenenfalls auch die Urgroßeltern erfasst (a). Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt, der zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG maßgeblichen Stichtag noch gelebt hat (b). Die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der die Abstammung hergeleitet wird (im Folgenden: Bezugsperson), beurteilt sich im Rahmen sowohl des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers (c). Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG entschieden, dass der Großvater mütterlicherseits des Klägers als Bezugsperson ausscheidet (d). Demgegenüber ist es in Bezug auf eine etwaige deutsche Volkszugehörigkeit der Mutter des Klägers von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen (e). 12 a) Sowohl § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG liegt ein weiter, generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - BVerwGE 130, 197 Rn. 12 ff.). Dieser erfasst als Bezugspersonen nicht allein die Eltern, sondern auch die Voreltern, zu denen neben den Großeltern gegebenenfalls auch die Urgroßeltern zählen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 2. Juli 2018 - 11 A 2091/17 - juris Rn. 22 ff.). Eine geschlossene Kette deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit ist insoweit nicht erforderlich. 13 Der Begriff der Voreltern ist nach seinem natürlichen Sprachgebrauch nicht auf eine bestimmte Anzahl von Generationen begrenzt. Er steht vielmehr für eine unbestimmte Bezeichnung der entfernteren Ahnen (Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1854-1961, Bd. 26 <1951>, Sp. 998) und erfasst in biologischer Hinsicht die Verwandten in gerader aufsteigender Linie (§ 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. auch von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand September 2019, § 6 BVFG n.F. Rn. 198 f.). Auch im vertriebenenrechtlichen Kontext weist nichts auf eine Beschränkung des Verwandtschaftsgrades oder für den Abkömmlingsbegriff auf das Erfordernis einer durch die deutsche Staatsangehörigkeit oder die deutsche Volkszugehörigkeit vermittelten ununterbrochenen Kette hin. 14 Systematisch bedingt gerade der Umstand, dass der Status als Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG auch Personen offensteht, die bis zum 31. Dezember 1992 geboren wurden, dass die Urgroßeltern als mögliche Bezugspersonen nicht auszuschließen sind. Dass es einer geschlossenen Kette deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit im Rahmen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG und des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht bedarf, folgt aus einem Umkehrschluss aus § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG, dem zufolge das Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch durch den Nachweis familiär - und damit auch durch andere Personen als die Eltern - vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden kann (von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand September 2019, § 6 BVFG n.F. Rn. 205). 15 Der weite, generationenübergreifende Abstammungsbegriff trägt dem Ausmaß der Erschütterungen, die die Lebensgrundlagen der Angehörigen der deutschen Minderheiten während und infolge des Zweiten Weltkrieges durch gewaltsame Umsiedlung, Vertreibungsmaßnahmen, Zerstreuung und Unterdrückung in den Aussiedlungsgebieten beeinträchtigten, und den Auswirkungen der staatlichen Assimilationsmaßnahmen auf das Leben der Deutschstämmigen in der ehemaligen Sowjetunion (vgl. BT-Drs. 15/955 S. 44) in angemessener Weise Rechnung. Eines auf die Voreltern bezogenen ungeschriebenen ""Generationenschnitts"" bedarf es nicht, da das Gesetz den Erwerb des Spätaussiedlerstatus in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG durch den Verweis auf die Stichtagserfordernisse des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BVFG und den ""Zeitschnitt"" der Geburt des Aufnahmebewerbers vor dem 1. Januar 1993 (BVerwG, Urteil vom 19. April 1994 - 9 C 20.93 - BVerwGE 95, 311 <315 f.>) sowie in § 6 Abs. 2 BVFG durch das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und dessen Bestätigung ausdrücklichen zeitlichen und sachlichen Beschränkungen unterwirft (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - BVerwGE 130, 197 Rn. 14). 16 Auch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG und des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG weist weder auf einen solchen ""Generationenschnitt"" noch darauf, dass ein ""Überspringen von Generationen"" nicht möglich sein soll. Ein solches Normverständnis ist insbesondere den Materialien des Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz) nicht zu entnehmen. Ebenso wenig berühren die durch das am 14. September 2013 in Kraft getretene Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) bewirkten Änderungen des § 6 Abs. 2 BVFG das Merkmal der Abstammung, für das der Gesetzgeber jedenfalls seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - von einem generationenübergreifenden Abstammungsbegriff ausgehen musste. Diese Änderungen betrafen vielmehr allein die weitere - in Abgrenzung zu § 6 Abs. 1 BVFG - eigenständig geregelten Voraussetzungen des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum und der Bestätigung dieses Bekenntnisses. Insbesondere rechtfertigt es die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache nicht länger als unabdingbare Voraussetzung für die deutsche Volkszugehörigkeit anzusehen und vor allem jüngeren deutschstämmigen Personen alternativ auch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch den Nachweis anderweitig erworbener ausreichender deutscher Sprachkenntnisse zu ermöglichen (BT-Drs. 17/13937 S. 6 und 7), nicht, nunmehr den unverändert gebliebenen Abstammungsbegriff teleologisch auf solche Voreltern deutscher Volkszugehörigkeit zu beschränken, denen eine maßgebliche Erziehungs- oder Prägungsfunktion zukam und die so in der Lage waren, deutsche Volkszugehörigkeit auch tatsächlich generationenübergreifend zu vermitteln oder den Abkömmling sonst volkstumsmäßig zu prägen. Eine derartige Einschränkung könnte - allzumal nach dem Verzicht auf eine zwingende familiäre Vermittlung der deutschen Sprache - allein der Gesetzgeber vornehmen. 17 b) Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG kann nur sein, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder einem deutschen Volkszugehörigen abstammt (aa), der zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BVFG maßgeblichen Stichtag noch - mit Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet - gelebt hat (bb). 18 aa) Die Person, von der der Aufnahmebewerber abstammt, muss ihrerseits die deutsche Staatsangehörigkeit oder die deutsche Volkszugehörigkeit besitzen. 19 Allerdings ist der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG insoweit unergiebig, als er einerseits ein entsprechendes einschränkendes Merkmal nicht ausdrücklich vorsieht, andererseits einem solchen auch nicht widerstreitet. 20 Auf das Erfordernis einer deutschen Staatsangehörigkeit oder einer deutschen Volkszugehörigkeit der Bezugsperson weist indes insbesondere der enge Konnex zwischen § 4 Abs. 1 BVFG und § 6 Abs. 2 BVFG (in diesem Sinne auch von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand September 2019, § 6 BVFG n.F. Rn. 204). Danach bedingt der Status als Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 BVFG im Regelfall, dass der Aufnahmebewerber deutscher Volkszugehöriger ist, was gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG dann der Fall ist, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Somit ist Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG nur derjenige deutsche Volkszugehörige, der seinerseits von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt. Abstammung bedeutet mithin Abstammung von deutschen Personen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1979 - 8 C 61.78 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 37 S. 17). 21 Dieses Ergebnis der systematischen Auslegung wird durch den Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG bestätigt. Mit dem Wohnsitzerfordernis zu bestimmten Stichtagen wird der zeitlich-örtliche Bezug zu den Vertreibungsmaßnahmen hergestellt, von denen die deutsche Bevölkerung in den Aussiedlungsgebieten (als sog. Erlebnisgeneration) betroffen war; die Regelung erfasst in Nr. 1 und 2 unmittelbar nur deutsche Volkszugehörige und setzt dies in Nr. 3 für die Bezugsperson erkennbar voraus. Dieses Verständnis liegt erkennbar auch dem Urteil des 5. Senats vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 - (BVerwGE 130, 197 Rn. 14) zugrunde. 22 Es wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 4 BVFG bestätigt. So führte die Bundesregierung in ihrem Entwurf des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes aus, in § 4 BVFG-E werde der Personenkreis der Spätaussiedler abgegrenzt. Maßgebendes Kriterium für die Eigenschaft des Spätaussiedlers sei neben bestimmten Stichtagserfordernissen die deutsche Volkszugehörigkeit. Als deutsche Volkszugehörige kämen nach § 6 BVFG-E nur Personen in Betracht, die (bezogen auf das Kriegsende) von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammten oder denen Bestätigungsmerkmale im Sinne des § 6 BVFG-E vermittelt worden seien, die sie dem deutschen Volkstum zuwiesen. Dies und das weiterhin geforderte aktuelle Bekenntnis zum deutschen Volkstum in den Aussiedlungsgebieten stellten sicher, dass nur Personen berücksichtigt würden, die sich das Bewusstsein, deutsche Volkszugehörige zu sein, erhalten hätten (BT-Drs. 12/3212 S. 22 f.). Dass § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nunmehr weder ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum noch zur Bestätigung dieses Bekenntnisses eine innerfamiliäre Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse oder sonstiger Elemente deutscher Volkszugehörigkeit zwingend fordert, ändert nichts an der Funktion der Abstammung als Grundvoraussetzung für die Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum. 23 bb) § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG setzt im Unterschied zu § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG zudem voraus, dass die Bezugsperson die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVFG oder des 31. März 1952 nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVFG erfüllt. Sie muss daher grundsätzlich am 8. Mai 1945, für den Fall ihrer Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils am 31. März 1952, ihren Wohnsitz in dem Aussiedlungsgebiet gehabt und damit zu diesen Stichtagen noch gelebt haben. 24 Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 1 oder 2 BVFG ist diesbezüglich eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Eine analoge Anwendung oder teleologische Extension der Norm auf den Fall der Abstammung des Aufnahmebewerbers von einem Vorelternteil deutscher Volkszugehörigkeit, der bei Beginn der mit dem Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges am 22. Juni 1941 einsetzenden inneren Vertreibungsmaßnahmen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1995 - 9 C 293.94 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 78 S. 39 und 42 ff.) seinen Wohnsitz in dem Aussiedlungsgebiet hatte und diesen bis zu seinem Tod vor dem Wirksamwerden der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 beibehalten hatte, kommt nicht in Betracht. Insoweit fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Problematik des Vorversterbens der Bezugsperson war im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes geführt hat, wenn auch in anderem Zusammenhang, Gegenstand sowohl des Entwurfs der Bundesregierung zu § 6 Abs. 2 BVFG-E (BT-Drs. 12/3212 S. 4) als auch eines Änderungsantrages des Freistaats Bayern in der Sitzung des Unterausschusses Innen des Deutschen Bundesrates am 3. September 1992 (Prot. der 220. Sitzung vom 3. September 1992 S. 57); sie ist indes vom Gesetzgeber - zumal in § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG - nicht aufgegriffen worden. Es entspricht deshalb dem Willen des Gesetzgebers, dass dem Aufnahmebewerber in Fällen des Vorversterbens von Voreltern deutscher Volkszugehörigkeit nur ein nachfolgendes Glied der Generationenfolge, d.h. ein am 8. Mai 1945 lebender Abkömmling des Verstorbenen, die Abstammung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG vermitteln kann. Dafür muss es sich indes (auch) bei dieser Person um einen deutschen Volkszugehörigen handeln. 25 c) Im Rahmen sowohl des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ist hinsichtlich des Vorliegens der deutschen Volkszugehörigkeit der Bezugsperson auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers abzustellen. 26 Sowohl § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG als auch § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG knüpfen, wenn auch in anderem Zusammenhang, an das Merkmal der Geburt an. Wie unter a) ausgeführt, ist der Begriff der Abstammung in dem Sinne biologisch geprägt, als keine weitergehende Vermittlung der deutschen Volkszugehörigkeit im sprachlich-kulturellen oder sozialen Sinne gefordert ist. Ob jemand von einem deutschen Volkszugehörigen oder deutschen Staatsangehörigen abstammt, wird dann aber im Zeitpunkt der Geburt fixiert und ist keinen Veränderungen im weiteren Zeitverlauf zugänglich. Dass sich die deutsche Volkszugehörigkeit der Person, von der der Aufnahmebewerber seine Abstammung herleitet, damit generell nach § 6 BVFG in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung beurteilt, erweist sich auch im Ergebnis als sachgerecht. Denn der für die Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit von Aufnahmebewerbern aktuell geltende § 6 Abs. 2 BVFG ist erkennbar auf den Aufnahmebewerber selbst zugeschnitten und nicht auf Personen, die zumeist nicht selbst aussiedeln wollen und teilweise schon verstorben sind. Bezweckt § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG sicherzustellen, dass der Aufnahmebewerber seine Abstammung auf einen bei Kriegsende im Aussiedlungsgebiet lebenden und damit von den Vertreibungsmaßnahmen potentiell betroffenen deutschen Volkszugehörigen zurückführen kann, kann die deutsche Volkszugehörigkeit dieser Bezugsperson sinnvoll nur nach den Kriterien des alten Rechts, das maßgeblich auf Umstände bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen abstellte (siehe näher unten), geprüft werden. 27 d) Gemessen daran hat das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG entschieden, dass der Großvater mütterlicherseits des Klägers als Bezugsperson ausscheidet, da er bereits im September 1942 im Zweiten Weltkrieg gefallen war und somit am 8. Mai 1945 keinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet mehr hatte. 28 e) Demgegenüber verstößt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für die Frage der Abstammung könne nicht auf die Mutter des Klägers abgestellt werden, da diese nach dessen Angaben und den vorgelegten Unterlagen russische Volkszugehörige sei, gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 BVFG i.V.m. § 6 BVFG a.F., da das Berufungsgericht dieser Bewertung nach dem Zusammenhang ersichtlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung, nicht hingegen diejenige im Zeitpunkt der Geburt des Klägers zugrunde gelegt hat. Damit ist es von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen. 29 Ausgehend von der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des Klägers wäre die Volkszugehörigkeit seiner Mutter unter Rückgriff auf die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 6 BVFG in der vor dem 1. Januar 1993 gültigen Fassung zu beurteilen gewesen. Das alte, bis zum 31. Dezember 1992 geltende Recht unterschied zwischen bekenntnisfähigen Personen, nämlich solchen, die bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen für ein Bekenntnis reif genug waren, zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekenntnisfähigen Personen (sog. bekenntnisunfähige Frühgeborene) und nach diesem Zeitpunkt geborenen Personen (sog. Spätgeborene) (BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <136 f.>). Zu Beginn der Vertreibungsmaßnahmen am 22. Juni 1941 war die Mutter des Klägers noch keine sechs Jahre alt und damit bekenntnisunfähig. Bei einem Kind, das kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen noch nicht selbst ein verbindliches eigenes Volkstumsbekenntnis ablegen konnte, war entscheidend auf die Volkszugehörigkeit der Eltern und bei Eltern verschiedenen Volkstums wiederum darauf abzustellen, ob der die Familie prägende Elternteil zum maßgeblichen Zeitpunkt deutscher Volkszugehöriger war. Maßgebend war daher insoweit, ob sich die Eltern oder der die Familie zu diesem Zeitpunkt prägende Elternteil kurz vor Beginn der Vertreibungsmaßnahmen zum deutschen Volkstum bekannt haben. Eines zusätzlichen späteren Bekenntnisses des zu diesem Zeitpunkt Minderjährigen und einer späteren Bestätigung des Bekenntnisses bedurfte es nicht, weil es auf das Verhalten nach dem maßgebenden Zeitpunkt nicht ankam. Somit konnte auch ein Kind aus einer Familie im gemischten Volkstum deutscher Volkszugehörigkeit sein, wenn der die Familie prägende Elternteil deutscher Volkszugehöriger war (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 1974 - 8 C 97.73 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 27 S. 26 f., vom 23. Februar 1988 - 9 C 41.87 - BVerwGE 79, 73 <75 f.> und vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 - BVerwGE 92, 70 <73>). 30 Das Oberverwaltungsgericht hat es - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - unterlassen zu prüfen, ob die Mutter des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt von dessen Geburt nach der seinerzeitigen Rechtslage mit Blick auf eine etwaige deutsche Volkszugehörigkeit ihres Vaters als deutsche Volkszugehörige einzustufen war. Während die Großmutter mütterlicherseits nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts russischer Volkszugehörigkeit war, soll der Großvater mütterlicherseits nach dem von Seiten der Beklagten bestrittenen Vortrag des insoweit darlegungs- und feststellungsbelasteten Klägers die deutsche Volkszugehörigkeit besessen haben. Wäre er für diesen Fall bei Beginn der Vertreibungsmaßnahmen zudem der für die Bekenntnislage in der Familie prägende Elternteil gewesen, so wäre die Mutter des Klägers in dem maßgeblichen Zeitpunkt von dessen Geburt ebenfalls als deutsche Volkszugehörige einzustufen. 31 2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht nach § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar, weil die in dem angegriffenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Entscheidung der anderweitigen Ergebnisrichtigkeit nicht tragen. 32 3. Da dem Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache selbst zugunsten des Klägers gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen insbesondere zu der Frage, ob der Kläger die deutsche Volkszugehörigkeit vermittelt durch seine Mutter von seinem Großvater mütterlicherseits ableiten kann, nicht möglich ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 33 4. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-77,01.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 77/2019 vom 01.11.2019 EN Indizierung eines Albums (CD) aus dem Bereich Gangsta-Rap Ein Album mit weitgehend gewaltverherrlichenden und massiv diskriminierenden Songtexten kann als jugendgefährdend indiziert werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Der Kläger, ein bekannter Rapper, brachte ein Album mit 15 Titeln heraus, deren Texte den kriminellen Lebenswandel der Titelfigur, die von dieser begangenen Straftaten und deren permanente Gewaltbereitschaft beschreiben, sowie nahezu durchgängig herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf Frauen und Homosexuelle in vulgärer Sprache enthalten. Innerhalb weniger Wochen nach der Veröffentlichung wurden mehr als 100 000 Exemplare verkauft. Ein halbes Jahr später leitete die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien das Indizierungsverfahren ein. Dieses führte dazu, dass die Bundesprüfstelle entschied, das Album in die Liste der jugendgefährdenden Medien einzutragen. Eine solche Eintragung zieht unmittelbar kraft Gesetzes Verbreitungs- und Werbeverbote nach sich, die verhindern sollen, dass sich Minderjährige das indizierte Werk beschaffen können. Die Bundesprüfstelle gab zur Begründung an, die das Album dominierenden gewaltverherrlichenden und grob diskriminierenden Passagen seien geeignet, schädliche Wirkungen auf gefährdungsgeneigte, d.h. besonders empfängliche Minderjährige auszuüben. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Album die Einstellungen und das Verhalten dieser Minderjährigen beeinflusse. Die Botschaft, dass eine skrupellos kriminelle Lebensweise, verbunden mit der Demütigung anderer, zum Erfolg führe, sei geeignet, Empathie und Solidarität mit anderen als hinderliche Schwäche anzusehen, Verachtung anderer zu fördern und ein feindseliges Klima herzustellen. Die Indizierung könne nicht wegen des Kunstgehalts des Tonträgers unterbleiben. Die Abwägung ergebe, dass dem Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen sei. Das Album habe Unterhaltungswert; eine gesteigerte künstlerische Bedeutung komme ihm nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht hat ihr stattgegeben. Dabei hat es ausschließlich darauf abgestellt, dass die Bundesprüfstelle den Kunstgehalt nicht vollständig erfasst habe, weil sie die an einzelnen Titeln des Albums mitwirkenden Texter und Komponisten nicht ordnungsgemäß angehört habe. Dies könne im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden, weil der Bundesprüfstelle für die Abwägungsentscheidung ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum eröffnet sei. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung aus den 1990er-Jahren nicht fortgeführt und einen Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle nicht mehr anerkannt. Ein solcher Beurteilungsspielraum ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Ein Sachgrund für die Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle einer Indizierungsentscheidung ist nicht gegeben. Die pluralistische Zusammensetzung der Bundesprüfstelle reicht hierfür ebenso wenig aus wie deren Weisungsunabhängigkeit. Die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen der Bundesprüfstelle zu den jugendgefährdenden Wirkungen und dem künstlerischen Stellenwert eines Kunstwerks sind sachverständige Aussagen, rechtfertigen aber nicht die Annahme eines Beurteilungsspielraums. Daher kann allein wegen der unterbliebenen Anhörung der weiteren am Album beteiligten Künstler im Verwaltungsverfahren die Indizierungsentscheidung nicht aufgehoben werden. Die Indizierungsentscheidung erweist sich als rechtmäßig. Aus den Feststellungen der Bundesprüfstelle ergibt sich, dass das Album nach den von diesem zutreffend zugrunde gelegten Maßstäben jugendgefährdende Wirkungen hat. Der Kläger hat diese sachverständige Beurteilung nicht zu erschüttern vermocht. Gleiches gilt für die Beurteilung des Kunstgehalts des Albums als bloße Unterhaltung, auch unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens. BVerwG 6 C 18.18 - Urteil vom 30. Oktober 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 19 A 2001/16 - Urteil vom 16. Mai 2018 - VG Köln, 19 K 3287/15 - Urteil vom 02. September 2016 -","Urteil vom 30.10.2019 - BVerwG 6 C 18.18ECLI:DE:BVerwG:2019:301019U6C18.18.0 EN Indizierung jugendgefährdender Kunstwerke Leitsätze: 1. Von den Inhalten eines Trägermediums gehen jugendgefährdende Wirkungen im Sinne von § 18 Abs. 1 JuSchG aus, wenn sie geeignet sind, gefährdungsgeneigte Minderjährige sozial-ethisch zu desorientieren. 2. Gehen die jugendgefährdenden Wirkungen von Kunstwerken aus, setzt die Aufnahme des Trägermediums in die Liste jugendgefährdender Medien voraus, dass die Abwägung von Jugendschutz und Kunstfreiheit mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht den Vorrang des Jugendschutzes ergibt. 3. Dem Zwölfer-Gremium der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien steht auch für die Entscheidung über den Vorrang von Jugendschutz oder Kunstfreiheit im Rahmen der Abwägung kein Beurteilungsspielraum zu (Änderung der Rechtsprechung). 4. Die Feststellungen und daraus hergeleiteten Wertungen des Zwölfer-Gremiums können von den Verwaltungsgerichten nach den Regeln des Sachverständigenbeweises verwertet werden. 5. Sind Namen und Anschriften von Urhebern des zur Indizierung anstehenden Kunstwerks nicht bekannt, müssen die Bundesprüfstelle und die Verwaltungsgerichte einfache und erfolgversprechende Maßnahmen zur Ermittlung dieser Daten ergreifen. Rechtsquellen GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 JuSchG §§ 17, 18 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, §§ 19, 21 Abs. 7 Instanzenzug VG Köln - 02.09.2016 - AZ: VG 19 K 3287/15 OVG Münster - 16.05.2018 - AZ: OVG 19 A 2001/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 18.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:301019U6C18.18.0] Urteil BVerwG 6 C 18.18 VG Köln - 02.09.2016 - AZ: VG 19 K 3287/15 OVG Münster - 16.05.2018 - AZ: OVG 19 A 2001/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2019 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2018 wird geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. September 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gründe I 1 Der Kläger ist Rapper mit Künstlernamen ""A..."". Er wendet sich gegen die Aufnahme seines Studioalbums ""B..."" (CD), das der Musikrichtung Gangsta-Rap zuzuordnen ist, in die Liste für jugendgefährdende Medien (Indizierung). Das Album enthält 15 Titel, deren Texte den kriminellen Lebenswandel des Gangsterbosses ""B..."" beschreiben. Die Texte weisen zum Teil Bezüge zu Ereignissen aus dem Leben des Klägers auf. An den Texten zweier Titel haben andere Personen mitgewirkt (Beigeladene zu 1 bis 3). An den Kompositionen waren weitere Personen in wechselnder Zusammensetzung beteiligt (Beigeladene zu 4 bis 8). Deren Künstlernamen sowie Art und Umfang ihrer Mitwirkung sind in dem der CD beiliegenden Booklet genannt. Das Album wird von der C... GmbH (im Folgenden C...) vertrieben. Es wurde nach seinem Erscheinen im Februar 2014 in kurzer Zeit mehr als 100 000-mal verkauft. 2 Ende Oktober 2014 leitete die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (im Folgenden: BPS) auf Antrag eines Jugendamtes das Indizierungsverfahren ein. Mit Schreiben vom 2. März 2015 benachrichtigte sie die Vertreiberin und eine Vertriebsgesellschaft, deren Geschäftsführer der Kläger ist, dass das aus zwölf Personen bestehende Gremium der BPS (im Folgenden: Zwölfer-Gremium) in der Sitzung am 9. April 2015 über die Indizierung verhandeln und entscheiden werde. Die BPS wies darauf hin, dass ihr bürgerliche Namen und Anschriften der Urheber nicht bekannt seien. Sie stellte anheim, diesen das Schreiben zuzuleiten oder die Anschriften mitzuteilen. In der Folgezeit äußerten sich weder der Kläger noch die anderen Mitwirkenden. 3 In der Sitzung vom 9. April 2015 beschloss das Zwölfer-Gremium, dass das Album ""B..."" in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen wird. In den Gründen des Indizierungsbescheids, in denen die 15 Titel des Albums im Wortlaut wiedergegeben sind, heißt es: ""B..."" werde als Gangsterboss dargestellt, vor dem es Angst zu haben gelte, weil er Konflikte ausschließlich durch Gewalt löse. Fast jeder Titel enthalte Schilderungen, wie er aus beliebigen Anlässen offen brutale Gewalt anwende, als Drogendealer oder Waffenhändler tätig sei, ohne dafür belangt zu werden. Auch seien die Texte durchsetzt mit Äußerungen, in denen Frauen und Homosexuelle in vulgärer Sprache herabgewürdigt und verächtlich gemacht würden. ""B..."" sei keine fiktive Figur, weil die geschilderten Erlebnisse zum Teil deutliche Bezüge zum Leben des Klägers aufwiesen. Das Album vermittle die Botschaft, dass ein Lebensstil und ein Selbstverständnis zum Erfolg führten, die sich auf die offene Begehung von Straftaten, hemmungslose Gewalttätigkeit, Demütigungen, Einschüchterungsgebaren und das Fehlen jeglicher Empathie gründeten. 4 Die Texte übten trotz ihres Inszenierungscharakters mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schädlichen Einfluss auf hierfür empfängliche Minderjährige aus. Gefährdet seien insbesondere Jugendliche, die in einem Umfeld lebten, in dem patriarchalische Verhältnisse und homophobe Einstellungen vorherrschten. Wissenschaftliche Studien bestätigten die Annahme, dass diese Jugendlichen die gewalttätige und vulgär diskriminierende Sprache des Albums in ihren Wortschatz übernähmen und sich darüber hinaus an dem Verhalten von ""B..."" orientierten. Die Abwägung ergebe, dass der Jugendschutz der Kunstfreiheit vorgehe. Das Album stelle Unterhaltung dar; ein besonderer künstlerischer Anspruch sei nicht zu erkennen. Anhaltspunkte für eine wie auch immer geartete Distanzierung von den Gewaltdarstellungen und Beleidigungen gebe es nicht; ein sozialkritischer Bezug fehle. Die Indizierungsentscheidung wurde im Bundesanzeiger vom 30. April 2015 bekannt gemacht. 5 Der Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in beiden verwaltungsgerichtlichen Instanzen erfolglos geblieben. Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht die neben dem Kläger mitwirkenden Texter und Komponisten beigeladen, nachdem es deren bürgerliche Namen und Anschriften bei der GEMA erfragt hatte. Die Beigeladenen haben auf den gerichtlichen Hinweis, sie könnten Stellungnahmen zu ihren künstlerischen Beiträgen abgeben, nicht reagiert. Der Kläger hat im Klageverfahren ein Gutachten eines Literaturwissenschaftlers zum künstlerischen Gehalt des Albums sowie die Niederschrift eines dem Gutachten zugrunde liegenden Gesprächs mit dem Gutachter vorgelegt. Der Gutachter hat den Texten vor allem wegen der sprachlichen Gestaltung einen gesteigerten künstlerischen Wert attestiert. Der Kläger habe in den Texten mit verschiedenen Stilmitteln eine Kunstwelt ""B..."" geschaffen, die keinen Bezug zu seiner Person aufweise. Die an das Leben des Klägers anknüpfenden Passagen würden durch Sprachform und Stil der Texte überformt und gebrochen. Den Texten sei Originalität, spielerischer Drang und Sprachmächtigkeit zuzubilligen. 6 Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen. In den Urteilsgründen heißt es, die Verwaltungsgerichte hätten Indizierungsentscheidungen auch in Bezug auf die abschließende Entscheidung über den Vorrang von Jugendschutz oder Kunstfreiheit uneingeschränkt nachzuprüfen. Da die Gerichte mitwirkende Künstler selbst anhören müssten, um das abwägungsrelevante Gewicht der Kunstfreiheit zu bestimmen, könne die Aufhebung von Indizierungsentscheidungen nicht auf ein Anhörungsdefizit im behördlichen Indizierungsverfahren gestützt werden. Das Zwölfer-Gremium der BPS habe das Album ""B..."" zu Recht als jugendgefährdend eingestuft. Die Abwägung ergebe den Vorrang des Jugendschutzes vor der Kunstfreiheit. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten sei nicht geeignet, die Feststellungen und Wertungen des Zwölfer-Gremiums in Frage zu stellen. Aus den Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter gehe hervor, dass er mit dem Album keine über Unterhaltung hinausgehende künstlerische Wirkungsabsicht verfolgt habe. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger die durchgehend vulgär-beleidigende Sprache als Stilmittel eines künstlerischen Konzepts eingesetzt habe. Die Darstellung eines unangreifbaren Gangsterbosses, der tue und lasse, was er wolle, erfordere die Herabwürdigung und Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen nicht. 7 Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Beigeladenen haben sich auch im Berufungsverfahren nicht geäußert. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Indizierungsentscheidung aufgehoben. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es: Zwar unterlägen die Beurteilung der Kunsteigenschaft und des künstlerischen Gehalts eines Werks sowie des von ihm ausgehenden jugendgefährdenden Einflusses der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Jedoch verbleibe dem Zwölfer-Gremium ein Beurteilungsspielraum für die abschließende Entscheidung über den Vorrang von Jugendschutz oder Kunstfreiheit. Dies folge aus der gesetzlich vorgeschriebenen personellen Zusammensetzung des Gremiums, die eine sachverständige, pluralistische und unabhängige Meinungsbildung gewährleisten solle. Daher könnten die Verwaltungsgerichte keine eigene Vorrangentscheidung treffen. Die Indizierung des Albums sei rechtswidrig, weil die Vorrangentscheidung des Zwölfer-Gremiums auf einer unzureichenden Gewichtung der Kunstfreiheit beruhe. Dies folge daraus, dass den Beigeladenen vor der Indizierung keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu ihren künstlerischen Beiträgen zu äußern. Die BPS habe weder deren bürgerliche Namen und Anschriften durch eine Nachfrage bei der GEMA in Erfahrung gebracht noch habe sie die Vertreiberin des Albums oder den Kläger unmissverständlich aufgefordert, ihr diese Daten mitzuteilen. 8 Mit der Revision wendet sich die Beklagte gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dem Zwölfer-Gremium stehe ein Beurteilungsspielraum zu. Es gebe keinen tragfähigen Grund, der Einschränkungen der gerichtlichen Nachprüfung rechtfertigen könne. Die pluralistische Zusammensetzung des Zwölfer-Gremiums solle ermöglichen, die abwägungsrelevanten Belange ohne Einschaltung externer Sachverständiger zu erkennen und zu gewichten. Die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Gremiums solle verhindern, dass dessen Entscheidungen politisch instrumentalisiert werden. Beide Erwägungen zielten nicht darauf ab, die Letztentscheidungsbefugnis der Gerichte einzuschränken. Daher seien Abwägungsfehler des Zwölfer-Gremiums für die gerichtliche Entscheidung unerheblich. Die Voraussetzungen einer Indizierung lägen jedenfalls deshalb vor, weil die Texte des Albums ""B..."" den sozial-ethischen Mindeststandard unterschritten, der zum Schutz der Persönlichkeitsentwicklung von Minderjährigen unverzichtbar sei. 9 Der Kläger hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis für richtig, weil die Indizierungsentscheidung rechtswidrig sei. Die Indizierung von Trägermedien wie CDs sei als Mittel des Jugendschutzes ungeeignet, weil sich Minderjährige indizierte Werke im Internet beschaffen könnten. Das Zwölfer-Gremium habe sich nicht damit befasst, dass die gesellschaftlichen Reizschwellen für schädliche Einflüsse in Zeiten des freien Internetzugangs abgesenkt seien. Nach wie vor sei die jugendgefährdende Wirkung von Rapmusik nicht nachgewiesen. Im vorliegenden Fall sei das Gewicht des Jugendschutzes stark vermindert gewesen, weil die BPS erst rund zehn Monate nach der Veröffentlichung des Albums und dem Verkauf von mehr als 100 000 CDs tätig geworden sei. Das Zwölfer-Gremium habe das Album nicht werkgerecht interpretiert, weil es die Musik nicht berücksichtigt habe. Aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten ergebe sich, dass das Zwölfer-Gremium den künstlerischen Gehalt des Albums verkannt habe. 10 Die Beklagte tritt diesem Vortrag des Klägers entgegen. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht macht geltend, da der zügigen Durchführung des Indizierungsverfahrens herausragende Bedeutung zukomme, habe sich die BPS darauf beschränken können, den Kläger als den hauptsächlichen Urheber des Albums anzuhören. Indizierungen hätten nach wie vor große Bedeutung für den Jugendschutz. Dies folge bereits aus dem umfassenden Verbot, für indizierte Werke zu werben. Nicht zuletzt stellten sie eine wichtige Orientierungshilfe für Jugendbehörden, Träger der Jugendhilfe, Eltern und Erzieher dar. II 11 Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die tragende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dem Zwölfer-Gremium der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Zwölfer-Gremium) stehe bei Entscheidungen über die Indizierung von Kunstwerken ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum für die Entscheidung über den Vorrang von Jugendschutz oder Kunstfreiheit zu, ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar (1.). Da die Verwaltungsgerichte Indizierungsentscheidungen uneingeschränkt nachzuprüfen haben, kann die Aufhebung des angefochtenen Indizierungsbescheids vom 9. April 2015 nicht darauf gestützt werden, dass die Bemühungen der BPS zur notwendigen Anhörung der Beigeladenen unzulänglich waren (2.). Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der angefochtene Indizierungsbescheid erweist sich als rechtmäßig: Die Indizierung von Kunstwerken nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Nr. 2 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 - JuSchG - (BGBl. I S. 2730) mit den daran anknüpfenden gesetzlichen Verbreitungs- und Werbeverboten steht nach wie vor mit dem Grundgesetz in Einklang. Von dem indizierten Album gehen jugendgefährdende Wirkungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JuSchG aus, die es rechtfertigen, dem Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen (3.). 12 1. a) Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vermittelt ein subjektives Recht, das die Anrufung der Gerichte zur Durchsetzung materieller Rechtspositionen des Einzelnen gegen die vollziehende Gewalt gewährleistet. Die Vorschrift stellt eine Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung dar, die Art und Umfang der gerichtlichen Rechtskontrolle festlegt und dadurch die Geltung des Rechts sichert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 - 2 BvR 1107/77, 1124/77 und 195/79 - BVerfGE 58, 1 <40>; Schenke, in: Bonner Kommentar, Grundgesetz, Stand September 2019, Art. 19 Abs. 4 Rn. 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 15. Aufl. 2018, Art. 19 Rn. 32). Der von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geforderte wirkungsvolle Rechtsschutz verlangt, dass die Gerichte Verwaltungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt nachprüfen. Die Gerichte haben die nach ihrer Rechtsauffassung im konkreten Fall entscheidungserheblichen Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze ohne Bindung an die Rechtsauffassung der Verwaltung auszulegen und anzuwenden. Hierfür haben sie den nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst erschöpfend aufzuklären und die Beweise zu würdigen (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 1979 - 1 BvR 699/77 - BVerfGE 51, 268 <284>, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <156 f.>, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 ff.>; BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 42 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​170816U6C50.15.0] - BVerwGE 156, 75 Rn. 32). 13 Demgegenüber sind Beurteilungsspielräume dadurch gekennzeichnet, dass sie die letztverbindliche Auslegung von Rechtsnormen und die darauf beruhende Rechtsanwendung der Verwaltung zuweisen. Ist eine Verwaltungsentscheidung auf die Wahrnehmung eines Beurteilungsspielraums gestützt, dürfen die Gerichte bei deren Nachprüfung ihr Normverständnis nicht an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen. Vielmehr sind sie darauf beschränkt nachzuprüfen, ob die Verwaltung bei ihrer Normauslegung von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Begriffs ausgegangen und nicht von gesetzlichen oder allgemein gültigen Wertungsmaßstäben wie dem Willkürverbot abgewichen ist. In tatsächlicher Hinsicht sind die Verwaltungsgerichte befugt zu prüfen, ob die Verwaltung den ihrer Rechtsanwendung zugrunde liegenden erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt und die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben eingehalten hat (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​141015U6C17.14.0] - BVerwGE 153, 129 Rn. 33 und vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 24). 14 Dementsprechend beeinträchtigen Beurteilungsspielräume das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Gebot, wirkungsvollen, d.h. in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht eingeschränkten Rechtsschutz durch Gerichte zu gewähren. Dies kann nur hingenommen werden, wenn der jeweilige Beurteilungsspielraum im Gesetz angelegt ist, d.h. sich durch dessen Auslegung ermitteln lässt, die dadurch bewirkte gesetzliche Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes durch einen gewichtigen sachlichen Grund gerechtfertigt ist und den Gerichten die Möglichkeit einer substanziellen Kontrolle des Verwaltungshandelns verbleibt (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49 f.> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22 ff.>; BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 32). 15 Die Annahme eines Beurteilungsspielraums ist vor allem dann berechtigt, wenn das gesetzlich vorgegebene Entscheidungsprogramm vage ist und sich seine fallbezogene Anwendung als besonders schwierig erweist, weil eine Vielzahl von Bewertungsfaktoren ermittelt, gewichtet und in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden müssen, wofür zudem schwer kalkulierbare Prognosen angestellt werden müssen (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49 f.> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22 f.>). 16 b) Die Indizierung eines Träger- oder Telemediums, das Kunst enthält, mit der Folge, dass seine Verbreitung aus Gründen des Jugendschutzes erheblich eingeschränkt wird, hängt von zwei Voraussetzungen ab: Zunächst müssen von dem Werk jugendgefährdende Wirkungen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JuSchG ausgehen. Ist dies der Fall, muss eine Abwägung der widerstreitenden Belange Jugendschutz und Kunstfreiheit den Vorrang des Jugendschutzes ergeben (vgl. unter 3.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegen sowohl die Beurteilung des jugendgefährdenden Charakters eines Werks als auch die Beurteilung seiner Eigenschaft als Kunst und des künstlerischen Gehalts der Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte. Diese müssen sich Gewissheit über den schädigenden Einfluss des Kunstwerks und die Bedeutung der inkriminierten Werkteile für das künstlerische Konzept verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <138 ff.> ""Josefine Mutzenbacher""). Daran sind die Fachgerichte nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden. 17 Daher ist es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die gesetzlichen Begriffe ""Eignung zur Gefährdung der Persönlichkeitsentwicklung oder Erziehung Minderjähriger"" im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG und die diese Gefährdung konkretisierenden Begriffe nach § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG auszulegen und anzuwenden sowie den für die Rechtsanwendung erheblichen Sachverhalt selbst erschöpfend aufzuklären. Im Rahmen der Abwägung müssen die Verwaltungsgerichte auf der Grundlage eines richtig und vollständig ermittelten Sachverhalts das Gewicht der widerstreitenden Belange Jugendschutz und Kunst bestimmen. Die abschließende Abwägungsentscheidung, ob Jugendschutz oder Kunstfreiheit in Anbetracht des ihnen objektiv zukommenden Gewichts Vorrang einzuräumen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht bislang dem Zwölfer-Gremium der BPS vorbehalten. Danach ist es den Verwaltungsgerichten verwehrt gewesen, eine eigene Vorrangentscheidung zu treffen. Sie hatten lediglich nachzuprüfen, ob das Abwägungsergebnis des Zwölfer-Gremiums die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschreitet (BVerwG, Urteile vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 - BVerwGE 91, 211 <215 ff.> und vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20 S. 2 ff.). 18 An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Auf der Grundlage der bindenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in der Entscheidung ""Josefine Mutzenbacher"" kann nicht mehr überzeugend begründet werden, dass die Verwaltungsgerichte zwar die jugendgefährdenden Wirkungen eines Kunstwerks nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JuSchG und im Rahmen der Abwägung das Gewicht der Belange Jugendschutz und Kunst letztverbindlich bestimmen, die Letztentscheidungsbefugnis für die abschließende Vorrangentscheidung aber dem Zwölfer-Gremium der BPS vorbehalten sein soll. 19 Der Senat vermag hierfür keinen tragfähigen Grund zu erkennen, der bei dieser Ausgangslage die Annahme eines Beurteilungsspielraums des Zwölfer-Gremiums für den durch die Gewichtung der widerstreitenden Belange vorgezeichneten Schlussakt der Vorrangentscheidung rechtfertigen könnte. Aufgrund der den Verwaltungsgerichten obliegenden Aufgabe, die zur Vorbereitung dieser Entscheidung erforderlichen Feststellungen und Wertungen zu Jugendgefährdung und Kunst eigenverantwortlich zu treffen, erweist sich die Entscheidung für sich genommen jedenfalls als nicht übermäßig schwierig. Die durch § 19 Abs. 2 bis Abs. 6 JuSchG vorgegebene besondere Ausstattung des entscheidungszuständigen Zwölfer-Gremiums der BPS, d.h. seine pluralistische, für eine besondere Sachkunde Gewähr bietende Besetzung, die Weisungsunabhängigkeit der Mitglieder und die Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit für die Indizierung, reicht für sich genommen im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht aus, um dem Gremium einen Beurteilungsspielraum zuzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 - BVerwGE 153, 129 Rn. 37). 20 2. Haben die Verwaltungsgerichte Indizierungsentscheidungen des Zwölfer-Gremiums in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt nachzuprüfen, dürfen sie eine solche Entscheidung nicht schon deshalb aufheben, weil die BPS der Indizierung einen unvollständig und deshalb rechtsfehlerhaft festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Vielmehr müssen die Verwaltungsgerichte die aus ihrer Sicht zu Unrecht unterbliebenen Aufklärungsmaßnahmen selbst vornehmen. Hierzu gehören auch die der BPS obliegenden, aber versäumten Schritte zur Ermittlung der bürgerlichen Namen und der Anschriften derjenigen Kunstschaffenden, die nach § 21 Abs. 7 JuSchG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anzuhören sind. Nur auf diese Weise können die Verwaltungsgerichte das Gewicht des Belangs Kunst erschöpfend bestimmen, was wiederum Voraussetzung für eine rechtsfehlerfreie Abwägung zwischen Jugendschutz und Kunst ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 - 6 C 9.97 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 21 S. 10 f.). 21 Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht die Bemühungen der BPS zur Anhörung der Beigeladenen im Ergebnis zu Recht beanstandet hat: Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend von einer Pflicht der BPS zur Anhörung der Beigeladenen als Mitschöpfer von Teilen der Texte und Musik des Albums ""B..."" im Verwaltungsverfahren ausgegangen. Nach § 21 Abs. 7 JuSchG ist den Urhebern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Vorschrift dient der Wahrung der Interessen der Urheber, die sich in Bezug auf ihre Mitwirkung auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen können. Urheber ist der Schöpfer des Werks (§ 7 des Urheberrechtsgesetzes - UrhG -). Der urheberrechtliche Schutz für einzelne Werke gilt der persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG; vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 28. November 2002 - I ZR 168/00 - BGHZ 153, 69 <80 f.>). Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, sind sie dessen Miturheber (§ 8 UrhG). Nach § 10 Abs. 1 UrhG wird, wer auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werks in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet wird, bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber angesehen; dies gilt auch für eine Bezeichnung, die als Decknamen oder Künstlerzeichen des Urhebers bekannt ist. Bei Liedern ist maßgebend, wer als Urheber von Text und Musik angegeben ist, und zwar bei CDs in der Regel im sog. Booklet (Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 10 Rn. 10 f.). Danach waren die Beigeladenen nach § 21 Abs. 7 JuSchG von der BPS anzuhören. Ihre Anhörung war auch erforderlich, weil ihre Stellungnahmen bei der Bestimmung des Gewichts des Belangs Kunst im Rahmen der Abwägung mit dem Jugendschutz hätten berücksichtigt werden müssen (BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 - 6 C 9.97 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 21 S. 10 f.). 22 Sind der BPS die bürgerlichen Namen und Anschriften der überschaubaren Anzahl von Urhebern nicht bekannt, muss sie einfach gelagerte und erfolgversprechende Aufklärungsmaßnahmen ergreifen, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dies folgt aus der Bedeutung der Anhörung für die Gewichtung der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in der Abwägung mit dem Jugendschutz. In der Regel bietet sich an, dass sich die BPS bei der Vertreiberin des zur Indizierung anstehenden Mediums und bei der GEMA nach Namen und Anschriften erkundigt. Die Nachfragen dürfen inhaltlich keinen Zweifel daran lassen, dass die BPS die Daten für die Indizierungsentscheidung, d.h. für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, benötigt. Sie dürfen nur für diesen konkreten Zweck verwendet werden. Dem Beschleunigungsgebot kann die BPS dadurch Rechnung tragen, dass sie den Adressaten verfahrensangemessene Fristen für die Beantwortung setzt. Die BPS darf auf diese Nachfragen nur verzichten, wenn die Indizierung keinen weiteren Aufschub duldet. Soweit die Ausführungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1998 - 6 C 9.97 - (Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 21) dem entgegenstehen, hält der Senat daran nicht fest. Entsprechende Aufklärungspflichten treffen die Verwaltungsgerichte, falls die BPS die Anhörung nicht oder unzulänglich durchgeführt hat. 23 3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die rechtlichen Vorgaben der Indizierungsentscheidung sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Auf ihrer Grundlage ist auf die Revision das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, weil die angefochtene Entscheidung der BPS, das Album ""B..."" in Teil A der Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen, rechtmäßig ist. Zum einen erfüllt das Album die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Jugendgefährdung im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JuSchG. Zum anderen ist dem berechtigten Interesse an der Indizierung aus Gründen des Jugendschutzes der Vorrang vor dem durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Interesse des Klägers an der uneingeschränkten Verbreitung des Albums einzuräumen. Die Kunstfreiheit rechtfertigt nicht, Minderjährigen das Album trotz seiner nachteiligen Auswirkungen auf deren Persönlichkeitsentwicklung ungehindert zugänglich zu machen. 24 a) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG sind Träger- und Telemedien, die die gesetzlichen Voraussetzungen einer Jugendgefährdung erfüllen, von der BPS in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. CDs sind Trägermedien, weil es sich um Gegenstände handelt, die zur unmittelbaren Wahrnehmung von Texten und Tönen bestimmt sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 JuSchG). Über die Aufnahme entscheidet die BPS in der Regel, so auch im vorliegenden Fall, in der Besetzung von zwölf Mitgliedern, nämlich der vom zuständigen Bundesministerium ernannten Vorsitzenden, drei Beisitzern aus den Reihen der von den Landesregierungen ernannten Mitgliedern sowie acht weiteren Mitgliedern, die jeweils auf Vorschlag einer der gesetzlich genannten Gruppen aus den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel und Verlegerschaft, Anbieter von Bildträgern und Telemedien, freie und öffentliche Jugendhilfe, Lehrerschaft und Religionsgemeinschaften ernannt worden sind (Zwölfer-Gremium; vgl. § 17 Abs. 2, § 19 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 20 JuSchG). Die Mitglieder des Zwölfer-Gremiums sind an Weisungen nicht gebunden (§ 19 Abs. 4 JuSchG). Die Beschlussfähigkeit erfordert eine Besetzung von mindestens neun Mitgliedern, davon mindestens zwei aus den vier zuerst genannten Gruppen (§ 19 Abs. 5 Satz 2 JuSchG). Die Aufnahme eines Mediums in die Liste für jugendgefährdende Medien bedarf einer Mehrheit von acht, bei unvollständiger Besetzung von sieben Mitgliedern (§ 19 Abs. 6 Satz 1 und 2 JuSchG). 25 Die Liste wird in vier Teilen geführt, wobei Trägermedien wie die vorliegende CD regelmäßig in Teil A aufzunehmen sind (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG). Mit der Bekanntmachung seiner Aufnahme in Teil A der Liste unterliegt das indizierte Medium unmittelbar kraft Gesetzes Verbreitungs- und Werbeverboten (§ 15 Abs. 1, § 24 Abs. 3 Satz 1 JuSchG). Es haben die gesetzlich beschriebenen Handlungen zu unterbleiben, denen gemeinsam ist, dass sie geeignet sind, das indizierte Medium Kindern oder Jugendlichen zugänglich zu machen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 JuSchG). Verstöße gegen diese Verbote sind strafbar (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 JuSchG); dies gilt für die personensorgeberechtigten Personen nur, sofern sie ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen (sog. Erzieherprivileg, § 27 Abs. 4 Satz 2 JuSchG). 26 b) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG ist Gegenstand der Indizierung und damit eines daran anknüpfenden Verbreitungs- und Werbeverbots das Träger- oder Telemedium. Dies entspricht dem Zweck des Jugendschutzes, Minderjährigen im Rahmen des Möglichen den Zugang zu jugendgefährdenden Medien zu verwehren. Das Medium wird als untrennbare Einheit verbreitet und beworben, wenn es verschiedene eigenständige Werke enthält (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. September 2007 - 1 BvR 1584/07 - NVwZ-RR 2008, 29 <30>; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 14). 27 Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG setzt die Aufnahme eines Mediums in die Liste jugendgefährdender Medien voraus, dass es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Nach Satz 2 erster Halbsatz des § 18 Abs. 1 JuSchG zählen dazu unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit oder Verbrechen anreizende Medien. 28 Für die Auslegung dieser Bestimmungen ist der Zweck des Jugendschutzes maßgebend. Ausgehend von der Annahme, dass Kinder und Jugendliche, d.h. Personen unter 18 Jahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 JuSchG), in ihrem Verhältnis zur Gemeinschaft und zur Rechtsordnung altersbedingt noch nicht gefestigt sind, sollen Regelungen des Jugendschutzes Gefährdungen der Persönlichkeitsentwicklung entgegenwirken. Sie sollen im Rahmen des Möglichen äußere Bedingungen für eine charakterliche Entwicklung von Minderjährigen schaffen, die zu Einstellungen und Verhaltensweisen führt, die sich an dem Menschenbild des Grundgesetzes orientieren. Dieses Ziel wird durch Medien gefährdet, die ein damit in Widerspruch stehendes Wertebild vermitteln, wenn zu besorgen ist, dass diese Medieninhalte Minderjährige beeinflussen, d.h. ihrer sozial-ethischen Desorientierung Vorschub leisten. 29 Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG reicht die Eignung des Träger- oder Telemediums zu einer derart bestimmten Jugendgefährdung aus. Sie ist anzunehmen, wenn die Inhalte des Mediums oder die Art und Weise seiner Darstellungen von dem Wertebild des Grundgesetzes derart abweichen, dass Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung hierfür empfänglicher Minderjähriger ernsthaft möglich erscheinen. Es muss gute Gründe für die Einschätzung geben, dass diese Minderjährigen Einstellungen und Verhaltensweisen entwickeln, die auch auf den sozial-ethisch desorientierenden Inhalt des Mediums zurückzuführen sind. Ob ein derartiger Wirkungszusammenhang nahe liegt, ist auf der Grundlage der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse zu beurteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erforderlichen Wertungen nicht auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungsmacht von Medien, insbesondere von Schriften, gestützt werden können; die bestehenden Ungewissheiten nimmt der Bundesgesetzgeber hin (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 - 1 BvL 25/61 und 3/62 - BVerfGE 30, 336 <347 f.>, vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <140 f.> und vom 11. Januar 1994 - 1 BvR 434/87 - BVerfGE 90, 1 <19>; Kammerbeschluss vom 10. September 2007 - 1 BvR 1584/07 - NVwZ-RR 2008, 29 <30>; BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1971 - 1 C 31.68 - BVerwGE 39, 197 <205>, vom 3. März 1987 - 1 C 16.86 - BVerwGE 77, 75 <82> und vom 31. Mai 2017 - 6 C 10.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​310517U6C10.15.0] - BVerwGE 159, 49 Rn. 38; zum Ganzen Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 6 ff.; Roll, in: Nikles u.a., Jugendschutzrecht, 3. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 4). 30 Ob ein Träger- oder Telemedium die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG erfüllt, bemisst sich nach dem Maßstab gefährdungsgeneigter, weil für die Inhalte des Mediums empfänglicher Minderjähriger. Dies sind Personen unter 18 Jahren, die aufgrund von Veranlagung, Geschlecht, Erziehung oder ihrer Lebensumstände Gefahr laufen, durch die inkriminierten Inhalte in sozial-ethische Verwirrung gestürzt zu werden. Die Gefährdungsneigung kann sich aus dem Heranwachsen in einem sozialen Milieu ergeben, das durch bestimmte Lebensverhältnisse oder Anschauungen charakterisiert ist. Andere Minderjährige bleiben bei der Beurteilung der jugendgefährdenden Wirkungen außer Betracht (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 1971 - 1 C 31.68 - BVerwGE 39, 197 <205> und vom 31. Mai 2017 - 6 C 10.15 - BVerwGE 159, 49 Rn. 40; Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 17 ff.; Roll, in: Nikles u.a., Jugendschutzrecht, 3. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 4). 31 Die Voraussetzungen für die Eignung eines Mediums zur sozial-ethischen Desorientierung gefährdungsgeneigter Minderjähriger werden durch die Regelbeispiele des § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG verdeutlicht. Von einem Medium geht eine verrohende Wirkung aus, wenn es nach Inhalt oder Art der Darstellung geeignet ist, bei solchen Minderjährigen negative Eigenschaften wie Sadismus, Gewalttätigkeit oder Gefühllosigkeit gegenüber anderen zu fördern (Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 33 ff.; Roll, in: Nikles u.a., Jugendschutzrecht, 3. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 5). Ein Medium vermittelt Anreize zu Gewalttätigkeit, wenn Nachahmungseffekte zu befürchten sind, weil sich gefährdungsgeneigte Minderjährige die beschriebenen gewalttätigen Akteure zum Vorbild nehmen. Ein Anreiz zu Verbrechen ist anzunehmen, wenn der Unwert- bzw. Unrechtsgehalt dargestellter krimineller Handlungen nicht hinreichend deutlich wird und eine bejahende Tendenz gegenüber Straftaten zum Ausdruck gebracht wird (Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 18 JuSchG Rn. 33 ff.). 32 Nach alledem macht die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG drei Prüfungsschritte erforderlich: Zunächst muss der Aussagegehalt des Mediums bestimmt werden. Dabei muss der gesamte Inhalt der darauf befindlichen Werke, d.h. deren Texte, Bilder, Töne und ihr Zusammenwirken, einbezogen werden. Entscheidend ist eine wertende Gesamtbetrachtung der Inhalte. Besteht das Medium aus mehreren eigenständigen Werken, muss zunächst festgestellt werden, aus welchen Gründen bestimmte Werke oder Passagen eines Werks für sich genommen Inhalte haben, die dem Wertebild des Grundgesetzes eindeutig widersprechen. Im Anschluss daran muss beurteilt werden, ob die inkriminierten Werke und Passagen in Bezug auf den Aussagegehalt des gesamten Mediums ins Gewicht fallen. Dies bedeutet, dass eigenständige Werke eines Mediums, die für sich genommen unbedenklich sind, von der Indizierung erfasst werden, wenn von dem Medium nach der wertenden Gesamtbetrachtung jugendgefährdende Wirkungen ausgehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. September 2007 - 1 BvR 1584/07 - NVwZ-RR 2008, 29 <30>). Von dem Aussagegehalt eines Mediums können insbesondere dann jugendgefährdende Wirkungen ausgehen, wenn dieses die Botschaft vermittelt, Empathie und Solidarität mit anderen, insbesondere Schwächeren und Angehörigen von Minderheiten, stellen eine hinderliche Schwäche dar, sodass skrupellos kriminelles Verhalten erstrebenswert sei und Personen mit anderen Auffassungen oder Lebensweisen mit Gewalt bekämpft oder verächtlich gemacht werden könnten. 33 Da diese Interpretationen mit Blick auf die für das Medium empfänglichen Minderjährigen vorgenommen werden müssen, muss dieser Personenkreis bestimmt werden. Um das Gefährdungspotenzial eines abgrenzbaren sozialen Umfelds zu beurteilen, müssen die dort vorherrschenden Anschauungen und Verhaltensweisen, mit denen Minderjährige konfrontiert werden, Personen, die sich als Vorbilder anbieten, und der typische Medienkonsum der Minderjährigen festgestellt werden. Es gilt, typische Lebensumstände festzustellen, die einen im Wesentlichen gleichartigen Rahmen für das alltägliche Leben Minderjähriger bilden und sich von anders gelagerten Lebensumständen deutlich unterscheiden. 34 Daran schließt sich die Beurteilung an, ob durch das Medium eine sozial-ethische Desorientierung der gefährdungsgeneigten, weil hierfür nach Veranlagung, Geschlecht, Erziehung oder Lebensumständen empfänglichen Minderjährigen begründet oder verfestigt werden kann. Es muss eingeschätzt werden, ob solche Minderjährigen die inkriminierten Inhalte des Mediums ernst nehmen, d.h. ob und inwieweit ihre Einstellungen und Verhaltensweisen davon beeinflusst werden können. Dabei sind die aktuellen Anschauungen zugrunde zu legen, die in dem maßgebenden sozialen Umfeld vorherrschen. 35 c) Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 JuSchG reicht für die Aufnahme eines Träger- oder Telemediums in die Liste jugendgefährdender Medien nicht aus, wenn es sich bei den Inhalten des Mediums um Kunstwerke handelt. Dies kommt in § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG zum Ausdruck, wonach ein Medium nicht in die Liste aufgenommen werden darf, wenn es der Kunst dient. Maßgebend ist der Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Er umfasst die freie schöpferische Gestaltung, durch die Künstler Eindrücke, Erfahrungen oder Erlebnisse durch das Medium einer bestimmten Formensprache zum Ausdruck bringen. Geschützt ist die künstlerische Betätigung, d.h. der Schaffensprozess (Werkbereich), sowie die Darstellung und Verbreitung des Kunstwerks (Wirkbereich). Der Grundrechtsschutz gewährleistet die Freiheit der künstlerischen Themenwahl und -gestaltung. Die Kunsteigenschaft eines Werks ist ausschließlich aufgrund der Ausdrucksformen zu beurteilen. Sie ist auch dann gegeben, wenn das Werk in Konflikt mit Rechten anderer oder anderen geschützten Rechtsgütern steht (BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <138>, vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1783/05 - BVerfGE 119, 1 <23> und Urteil vom 31. Mai 2016 - 1 BvR 1585/13 - BVerfGE 142, 74 Rn. 90). Träger des Grundrechts sind auch Personen, die fremde Kunstwerke vervielfältigen, veröffentlichen oder auf sonstige Weise verbreiten (Kunstvermittler; vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 - 1 BvR 435/68 - BVerfGE 30, 173 <191>). 36 Dementsprechend stellen die Verbreitungs- und Werbeverbote, die durch die Aufnahme eines Träger- oder Telemediums in die Liste jugendgefährdender Medien ausgelöst werden, Eingriffe in den Wirkbereich der Kunstfreiheit der Urheber und in die Betätigungsfreiheit der Kunstvermittler dar. Allerdings folgt aus der Kunstfreiheit kein Indizierungsverbot für jugendgefährdende Medien. Das Grundrecht kann ungeachtet seiner vorbehaltlosen Gewährleistung durch andere grundgesetzlich verankerte Rechtsgüter beschränkt werden. Hierzu gehört der Jugendschutz, wie er unter anderem durch die Indizierungsvoraussetzungen nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 JuSchG konkretisiert wird. Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger vor sozial-ethisch desorientierenden Inhalten haben ihre Grundlage in dem Grundrecht auf Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Darüber hinaus sollen sie Eltern und andere Personensorgeberechtigte von Minderjährigen bei der Wahrnehmung ihres Erziehungsauftrags unterstützen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <139 f.>). 37 Der Konflikt zwischen den grundgesetzlich geschützten Rechtsgütern Jugendschutz und Kunstfreiheit erfordert eine Abwägung, von deren Ergebnis die Aufnahme eines Träger- oder Telemediums in die Liste jugendgefährdender Medien abhängt. Es kommt darauf an, ob es die Kunstfreiheit aufgrund des Gehalts und der Bedeutung der Kunstwerke des Mediums rechtfertigt, seine ungehinderte Verbreitung trotz der jugendgefährdenden Wirkungen der Kunst zuzulassen. Hierfür sind alle tatsächlichen Umstände zu ermitteln, die von Bedeutung sind, um das beiden Rechtsgütern im jeweiligen Einzelfall objektiv zukommende Gewicht bestimmen zu können. Die rechtsfehlerfreie Entscheidung über den Vorrang setzt die Gewichtung auf der Grundlage eines richtig und vollständig ermittelten Sachverhalts voraus (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <143>; BVerwG, Urteile vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 - BVerwGE 91, 211 <215 f.>, vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20 S. 4 f. und vom 18. Februar 1998 - 6 C 9.97 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 21 S. 11). 38 Die Feststellung und Gewichtung der jugendgefährdenden Wirkungen von Kunstwerken wird durch das dargestellte Regelungskonzept des § 18 Abs. 1 JuSchG vorgegeben. Zur Gewichtung der Kunstfreiheit ist es erforderlich, den künstlerischen Gehalt des Werks zu bestimmen. Die damit notwendigerweise verbundene Bewertung künstlerischer Gestaltungs- und Ausdrucksformen ist unverzichtbar, um den in Konflikt stehenden grundgesetzlich geschützten Rechtsgütern gleichermaßen gerecht zu werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2019 - 1 BvR 1738/16 - NJW 2019, 1277 Rn. 19). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Kunstfreiheit auch die Wahl jugendgefährdender, insbesondere Gewalt und Diskriminierung umfassender Themen sowie deren Be- und Verarbeitung nach der vom Künstler gewählten Darstellungsart umfasst. Für das Gewicht der Kunstfreiheit ist von Bedeutung, ob die jugendgefährdenden Inhalte Bestandteil der intendierten Wirkungsweise des Kunstwerks sind. Hierfür muss festgestellt und bewertet werden, ob sie mit Mitteln der schöpferischen Gestaltung ausgeformt und in die Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind. Künstler müssen derartige Ausdrucksformen als künstlerische Stilmittel einsetzen, um eine bestimmte Aussage zu treffen oder einen Schluss nahe zu legen (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <147 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20 S. 4 f.). 39 d) Mit dem dargestellten Inhalt gewährleisten die gesetzlichen Regelungen über die Indizierung von Kunstwerken nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Nr. 2 JuSchG einen angemessenen Ausgleich von Jugendschutz und Kunstfreiheit. Daher verstoßen die an die Indizierung anknüpfenden Verbreitungs- und Werbeverbote nach § 15 JuSchG nicht gegen das Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Sie sind nach wie vor geeignet und erforderlich, um Gefährdungen der Entwicklung von Minderjährigen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit durch sozial-ethische Desorientierung entgegenzuwirken. Die angemessene Berücksichtigung der Kunstfreiheit mit dem ihr objektiv zukommenden Gewicht wird durch das Erfordernis der fallbezogenen Abwägung sichergestellt. 40 Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit genereller Maßnahmen des Jugendschutzes steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Es obliegt ihm, die Dringlichkeit der Gefahren für die Persönlichkeitsentwicklung Minderjähriger und den allgemeinen Handlungsbedarf einzuschätzen und davon ausgehend Maßnahmen festzulegen, die er für sinnvoll hält, um den von ihm erkannten Gefahrenlagen zu begegnen. Dieser Spielraum ist regelmäßig erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen offensichtlich nicht vertretbar sind, weil sie bei vernünftiger Betrachtung bereits die Annahme eines Handlungsbedarfs oder die festgelegten Maßnahmen nicht tragen können. Nur unter diesen Voraussetzungen können diese Maßnahmen als ungeeignet zur Erreichung des Schutzzwecks angesehen werden (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1971 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 - BVerfGE 30, 292 <316>; Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141 <157 f.>). Die Maßnahmen sind nicht erforderlich, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber gleich wirksame, aber schonendere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr außer Acht gelassen hat (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1971 - 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 - BVerfGE 30, 292 <316>; Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141 <164>; BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 44.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​251017U6C44.16.0] - BVerwGE 160, 157 Rn. 26). 41 Danach gebietet der Schutz der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht, die Verbreitungs- und Werbeverbote für Kunstwerke von dem wissenschaftlich-empirischen Nachweis abhängig zu machen, dass von Werken der jeweiligen Kunstgattung ein schädlicher Einfluss auf Minderjährige ausgehen kann. Vielmehr reicht aus, dass dies nach dem Stand der Wissenschaft ernsthaft möglich ist. Dies gilt umso mehr, als es im Bereich des Jugendschutzes um langfristig wirksame Einflüsse geht, die von der Dauer und Häufigkeit des Medienkonsums abhängen. Aus diesem Grund hält sich die Einschätzung des Gesetzgebers, die Indizierung literarischer Werke zu ermöglichen, im Rahmen des ihm vom Grundgesetz eröffneten Spielraums (BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130 <140 f.>). Dies gilt erst recht für die Texte von Musik des Gangsta-Rap, weil sich diese Kunstgattung typischerweise auch an Minderjährige wendet und in einem spezifischen sozialen und kulturellen Zusammenhang steht. Das Zwölfer-Gremium der BPS hat in den Gründen des Indizierungsbescheids vom 9. April 2015 auf wissenschaftliche Stellungnahmen verwiesen, die bejahen, dass von Texten von Rapmusik jugendgefährdende Wirkungen ausgehen können (vgl. Rn. 58 der Urteilsgründe). 42 Auch sind Verbreitungs- und Werbeverbote von Trägermedien im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 JuSchG, d.h. Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, als Mittel des Jugendschutzes nicht deshalb ungeeignet geworden, weil sich Minderjährige indizierte Werke im Internet beschaffen können. Zwar weist der Jugendschutz im Internet erhebliche Lücken auf. Diese sind darauf zurückzuführen, dass die Betreiber von Internetplattformen keine Pflicht zur Prüfung der Inhalte trifft, die sie für einen Nutzer speichern. Sie sind nur dann verpflichtet, gegen die Verbreitung von Inhalten vorzugehen, wenn sie von der konkreten Information und deren Rechtswidrigkeit Kenntnis erlangt haben (vgl. § 10 des Telemediengesetzes in der Fassung vom 31. Mai 2010 - TMG -; zum Ganzen Spindler, in: Spindler/Schmitz, Telemediengesetz, 2. Aufl. 2018, § 10 TMG Rn. 24 ff.). Hinzu kommt, dass viele Betreiber von Internetplattformen ihren Sitz außerhalb des Gebiets der Europäischen Union haben, was den deutschen Behörden erheblich erschwert, die Beachtung von Rechtspflichten durchzusetzen. 43 Die durch das Internet entstandenen Schutzlücken machen die vorhandenen Schutzvorkehrungen aber nicht generell ungeeignet. Sie haben neben den Verbreitungs- und Werbeverboten nach § 15 JuSchG zur Folge, dass Rundfunksendungen und Inhalte von Telemedien unzulässig sind, wenn sie mit dem indizierten Medium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 3 Nr. 1 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags vom 20. November 2009 ). Dies gilt für Telemedien nur dann nicht, wenn der Anbieter sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV). Dies erfordert die Installation eines Altersverifikationssystems, das den Zugang von Kindern und Jugendlichen verhindert (Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, 5. Aufl. 2011, § 4 JMStV Rn. 64 m.w.N.). 44 Angesichts der grundgesetzlichen Gewährleistung des Schutzes der Persönlichkeitsentwicklung Minderjähriger ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bewährte und wirkungsvolle Maßnahmen des Jugendschutzes wegen des unzulänglichen Schutzes im Internet aufzuheben und letztendlich den mit Verfassungsrang ausgestatteten Jugendschutz generell aufzugeben. Vielmehr muss er sich bemühen, Schutzlücken zu schließen. 45 Hinzu kommt, dass die Aufnahme von Träger- und Telemedien in die Liste jugendgefährdender Medien schon vom Ansatz her nicht darauf angelegt sind, eine lückenlose Zugangssperre für Minderjährige zu schaffen. Die Indizierung kann erst ausgesprochen werden, wenn das Medium veröffentlicht ist. Auch setzt die Einleitung des Indizierungsverfahrens durch die BPS einen Antrag oder doch eine Anregung voraus (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 und 4 JuSchG). Schließlich stellt die Indizierung den Vorrang des Erziehungsrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht in Frage. Danach haben in erster Linie die Eltern oder sonstigen Personensorgeberechtigten im Rahmen ihres Erziehungsauftrags darüber zu befinden, welche Einflüsse sie von den ihnen anvertrauten Minderjährigen fernzuhalten versuchen. Verbreitungsverbote und Zugangshindernisse greifen nicht, wenn sich die Erziehungsberechtigten dafür entscheiden, Minderjährigen den Besitz eines jugendgefährdenden Mediums oder die Kenntnis seiner Inhalte zu gestatten oder dies jedenfalls hinzunehmen. Die Grenze stellt erst die gröbliche Verletzung der Erziehungspflicht dar (§ 27 Abs. 4 Satz 1 und 2 JuSchG). 46 Der angemessene Ausgleich von Jugendschutz und Kunstfreiheit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Indizierung eines Träger- oder Telemediums aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung der Inhalte nach § 18 Abs. 1 JuSchG einzelne nicht inkriminierte Kunstwerke des Mediums erfasst. Dies ist die unvermeidbare Kehrseite des Rechts von Künstlern und Vertreibern, den Inhalt des von ihnen veröffentlichten Mediums eigenverantwortlich zu bestimmen. 47 e) Die Anwendung der Indizierungsregelungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Nr. 2 JuSchG auf den festgestellten Sachverhalt ergibt, dass von dem Album ""B..."" jugendgefährdende Wirkungen ausgehen, deren Eindämmung durch die gesetzlichen Verbreitungs- und Werbeverbote Vorrang vor der Kunstfreiheit einzuräumen ist. 48 aa) Es liegt auf der Hand, dass die Feststellungen zur jugendgefährdenden Wirkung und zum Kunstgehalt der Inhalte eines Träger- oder Telemediums sowie die darauf beruhenden wertenden Einschätzungen eine besondere Expertise erfordern. Dem hat der Bundesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er die Zuständigkeit für Indizierungsentscheidungen dem Zwölfer-Gremium übertragen hat, das aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für seine personelle Zusammensetzung über eine Bandbreite an speziellem Fachwissen und praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet Jugendschutz und Kunst verfügt. Dies gilt insbesondere für die Vorgabe, dass acht, d.h. zwei Drittel der an der Entscheidung beteiligten Mitglieder des Gremiums von Fachkreisen entsandt werden (§ 19 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2, § 20 JuSchG). Die Weisungsunabhängigkeit der Mitglieder gewährleistet, dass deren Sachkunde und Erfahrungen in die Entscheidungsfindung einfließen (§ 19 Abs. 4 JuSchG). Durch die Erfordernisse eines Besetzungsquorums und vor allem einer qualifizierten Mehrheit sind Indizierungsentscheidungen mit einer erhöhten Richtigkeitsgewähr ausgestattet (§ 19 Abs. 6 Satz 1 und 2 JuSchG). 49 Aufgrund dieser gesetzlichen Regelungen ist es gerechtfertigt, das Zwölfer-Gremium einer Sachverständigenkommission gleichzustellen. Dies gilt sowohl für die tatsächlichen Feststellungen, die seinen Indizierungsentscheidungen zugrunde liegen, als auch für die wertenden Einschätzungen, die es aus den festgestellten Tatsachen zieht. Insoweit hält der Senat an der letztmals im Jahr 2017 bestätigten Rechtsprechung fest (BVerwG, Urteile vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 - BVerwGE 91, 211 <216>, vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20 S. 2 und vom 31. Mai 2017 - 6 C 10.15 - BVerwGE 159, 49 Rn. 35 ). 50 Dementsprechend vermitteln die Feststellungen und die darauf beruhenden Wertungen des Zwölfer-Gremiums zur Jugendgefährdung nach § 18 Abs. 1 JuSchG sowie zur Kunsteigenschaft eines Werks und dessen künstlerischem Gehalt den Verwaltungsgerichten die Grundlagen für die richterliche Überzeugungsbildung. Sie können für die gerichtliche Entscheidungsfindung nach den verwaltungsprozessualen Regeln des Sachverständigenbeweises verwertet werden. Dementsprechend sind die Verwaltungsgerichte grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, die von besonderer Sachkunde getragenen Erkenntnisse des Zwölfer-Gremiums ohne weitere Sachaufklärung zugrunde zu legen. Es genügt nicht, dass sie der Kläger durch Gegenvorbringen in Frage stellt (BVerwG, Urteile vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 - BVerwGE 91, 211 <216>, vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 20 S. 2 und vom 31. Mai 2017 - 6 C 10.15 - BVerwGE 159, 49 Rn. 35 ). 51 Nach den Regeln des Sachverständigenbeweises gilt dies nicht, wenn begründeter Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit von Mitgliedern des Zwölfer-Gremiums besteht, dessen Erkenntnisse auf einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt beruhen, erkennbar inhaltliche Widersprüche aufweisen oder nicht nachvollziehbar sind (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 1968 - 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156>, vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <90>; Beschluss vom 29. Mai 2009 - 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5 Rn. 7). Eine unzureichende Sachaufklärung ist etwa dann anzunehmen, wenn das Zwölfer-Gremium entweder seine Feststellungen zu allgemeinen Tatsachen wie den Merkmalen zur Bestimmung des Kreises gefährdungsgeneigter Minderjähriger und den zu erwartenden Einflüssen inkriminierter Medien auf diese Minderjährigen oder die darauf beruhenden Wertungen nicht hinreichend fundiert, d.h. durch wissenschaftliche Untersuchungen, Erfahrungsberichte oder statistische Erhebungen belegt hat. Auch kann die fachliche Richtigkeit der Aussagen des Zwölfer-Gremiums durch fachgutachtliche Äußerungen, etwa durch ein von einem Betroffenen vorgelegtes Gutachten, erschüttert werden. Allerdings reicht die Vorlage eines Privatgutachtens, das sich kritisch mit Feststellungen und Wertungen des Zwölfer-Gremiums befasst, für sich genommen für eine Erschütterung nicht aus. 52 bb) Dass das Album ""B..."" die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG für eine Jugendgefährdung erfüllt, ergibt sich aus den Feststellungen und den darauf gestützten wertenden Einschätzungen, die das Zwölfer-Gremium der BPS in den Gründen des Indizierungsbescheids vom 9. April 2015 in tatsächlicher Hinsicht getroffen hat. Der Senat kann diese Gründe bei der Entscheidung über die Revision berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass sie das Oberverwaltungsgericht in dem Berufungsurteil nicht verwertet hat. Entscheidend ist, dass die Gründe zu dem Prozessstoff des gerichtlichen Verfahrens gehören, die Beteiligten mit ihrer Verwertung auch im Revisionsverfahren haben rechnen müssen, weil der Indizierungsbescheid vom 9. April 2015 Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist, und sie keine Verfahrens- oder Gegenrügen erhoben haben (BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1983 - 5 C 26.83 - BVerwGE 68, 290 <296 f.> und vom 8. März 1984 - 6 C 6.83 - juris Rn. 16; vgl. Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand Februar 2019, § 137 Rn. 137 ff.). 53 Die Gründe des Indizierungsbescheids lassen erkennen, dass das Vorgehen des Zwölfer-Gremiums den Anforderungen des § 18 Abs. 1 JuSchG genügt hat: Es hat den Aussagegehalt des Albums ""B..."" bestimmt, indem es durch Interpretation der Texte der Titel einen Gesamteindruck gewonnen, auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen und Erfahrungsberichte sowie eigener Expertise den Kreis der für Gangsta-Rap empfänglichen Minderjährigen abgegrenzt und die Wirkungen der Titel des Albums auf diese Minderjährigen beurteilt hat. 54 Nach den Feststellungen des Zwölfer-Gremiums sind die Texte der Titel mit Ausnahme des Titels Nr. 15 durch zwei immer wiederkehrende Themenbereiche geprägt: Zum einen werde der kriminelle Lebensstil des Gangsterbosses ""B..."" beschrieben. Dieser sei durch die offene Begehung schwerer Straftaten wie etwa Drogenhandel in Schulen, eine uneingeschränkte Gewaltbereitschaft und den skrupellosen Einsatz brutaler Gewalt aus beliebigen Anlässen gekennzeichnet. Gewalt stelle für ""B..."" das einzige Mittel der Problemlösung dar. Sie diene dazu, andere einzuschüchtern und zu demütigen und auf diese Weise die Stellung von ""B..."" als unantastbaren Gangsterboss zu sichern. Rücksichtsloses Vorgehen ohne jede Empathie mit anderen werde als Erfolgsmodell dargestellt; Opfer der Gewalt ""Bs..."" würden verächtlich gemacht. Zum anderen seien die Texte mit frauenfeindlichen und homophoben Äußerungen in vulgär-beleidigender Sprache durchsetzt. ""B..."" sehe Frauen ausschließlich als Sexobjekte an und habe für Homosexuelle nur Verachtung übrig. Die Texte enthielten keine Passagen, die als Distanzierung oder Verfremdung dieser Aussagen gedeutet werden könnten. Vielmehr vermittelten sie durchgehend die Botschaft, ein rücksichtsloses Vorgehen ohne jede Empathie mit anderen führe zum Erfolg, insbesondere zu Reichtum. Ein krimineller Lebensstil, geprägt durch die Bereitschaft, jederzeit schwere Straftaten zu begehen und brutale Gewalt einzusetzen, werde als erstrebenswert dargestellt. Zu diesem Lebensstil gehöre, Frauen und Homosexuelle zu demütigen und verächtlich zu machen. Daher seien die Texte geeignet, ein gesellschaftliches Klima der Gewalt und der Feindseligkeit zu fördern. Der Musik hat das Zwölfer-Gremium keine Bedeutung für die Beurteilung des Aussagegehalts des Albums beigemessen. 55 In Bezug auf den Kreis der für das Album ""B..."" empfänglichen Minderjährigen hat das Zwölfer-Gremium festgestellt, Gangsta-Rap werde auch, wenn nicht sogar besonders bevorzugt, von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Bevölkerungskreisen gehört. Die Botschaften des Albums könnten insbesondere Minderjährige sozial-ethisch desorientieren, die in einer Umgebung leben, in der patriarchalische Verhältnisse vorherrschten und homophobe Grundeinstellungen zu finden seien. Das Zwölfer-Gremium hat es als sehr wahrscheinlich eingeschätzt, dass Minderjährige aus einem solchen sozialen Umfeld den auf Demütigung und Erniedrigung abzielenden vulgären Wortschatz der Texte in Bezug auf Frauen und Homosexuelle übernähmen, ihre Einstellungen gegenüber diesen Gruppen und Schwächeren daran orientierten sowie Kriminalität, brutale Gewalt und das völlige Fehlen von Empathie als Mittel akzeptierten, um Ziele zu erreichen. Auch eine durchgehende Verrohung der Sprache sei geeignet, die Hemmschwellen für reale Gewaltanwendung herabzusetzen. ""B..."" komme Vorbildwirkung zu, weil es sich erkennbar um ein Pseudonym des Klägers handele. 56 Der Senat kann diese Feststellungen und die darauf beruhenden wertenden Einschätzungen seiner rechtlichen Würdigung nach den Regeln des Sachverständigenbeweises zugrunde legen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass sie auf einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt beruhen. Auch enthalten sie weder Widersprüche noch sind die Schlussfolgerungen erkennbar nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat die sachkundigen Aussagen des Zwölfer-Gremiums in den Tatsacheninstanzen nicht durch fachgutachtliche Gegenäußerungen erschüttert. 57 Die Interpretation der Texte des Albums durch das Zwölfer-Gremium drängt sich auf. Die Titel Nr. 1 bis 14 propagieren die Vorzüge des kriminellen und auf brutaler Gewalt beruhenden Lebensstils von ""B..."" und eine abschätzige, in vulgären Beleidigungen geäußerte Einstellung gegenüber Frauen und Homosexuellen. Die Aussagen der Titel Nr. 1 bis 14 des Albums sind unmissverständlich; Ansatzpunkte für relativierende Interpretationen sind nicht erkennbar. 58 Das Zwölfer-Gremium hat sowohl die Bestimmung des Kreises der gefährdungsgeneigten Minderjährigen durch die Bestimmung eines abgrenzbaren sozialen Umfelds als auch die Einschätzung der sozial-ethisch desorientierenden Wirkungen des Albums auf diese Minderjährigen auf eine hinreichend fundierte Tatsachenbasis gestützt. Es hat sich für den Wirkungszusammenhang insbesondere auf wissenschaftliche Quellen berufen, die einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Rap-Musik und der Akzeptanz von Gewalt und von Kriminalität herstellen. Die ausgewerteten wissenschaftlichen Untersuchungen und Erfahrungsberichte tragen die Einschätzung, es sei wahrscheinlich, dass gefährdungsgeneigte Minderjährige die ausschließlich vulgär-beleidigende Sprache insbesondere in Bezug auf Frauen und Homosexuelle nicht nur in ihren Wortschatz übernehmen, sondern ihre Einstellung und ihr Verhalten daran orientierten. Gleiches gilt für den völlig unkritisch dargestellten Lebensstil von ""B..."", der sich durch Einschüchterungen und Demütigungen anderer, willkürliche und skrupellose Anwendung brutaler Gewalt, offene Begehung von Straftaten, insbesondere Drogenhandel, sowie durch das Fehlen jeglicher Empathie auszeichnet. Dies berechtigt auch zu der Annahme, dass das Album die Voraussetzungen der Regelbeispiele der verrohenden Wirkung sowie des Anreizes zu Gewalttätigkeit und Verbrechen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG erfüllt (vgl. Rn. 31 der Urteilsgründe). 59 Von der Figur ""B..."" geht eine Vorbildwirkung für gefährdungsgeneigte Minderjährige aus, weil dessen Handlungen und Äußerungen aus der Sicht dieser Minderjährigen auf den Kläger projiziert werden können. Bei ""B..."" handelt es sich erkennbar um das alter ego des Klägers. So hat der Kläger in dem Gespräch mit dem Gutachter Prof. Dr. H. vom 8. Januar 2016 angegeben, jedenfalls seinen Anhängern sei bekannt, dass er sich ""B..."" als weiteren sog. Alias-Namen neben ""A..."" zugelegt habe (vgl. zur Verwertbarkeit der Niederschrift dieses Gesprächs unter 3.e)cc)). Auch werden ""B..."" in dem Album verschiedene Ereignisse aus dem Leben des Klägers zugeschrieben. Zum anderen bezeichnet sich ""B..."" in drei Titeln als nachahmenswertes Vorbild für die Jugend (Titel Nr. 4: ""Guck die Ghettokids, sie nehmen meine Lebensweise an""; Nr. 6: ""Aber ich bin wie ein Priester für die Jugend""; Nr. 11: ""Die Kids glauben mir aufs Wort, weil ich ausdrücke, was ich bin""). 60 Schließlich lassen die Gründe des Indizierungsbescheids erkennen, dass das Zwölfer-Gremium die Musik des Albums bei seiner Beurteilung der Wirkungen nicht übergangen hat. Darauf lässt etwa der Hinweis schließen, dass die Titel des Albums während der Sitzung am 9. April 2015 auszugsweise abgespielt wurden. Das Zwölfer-Gremium ist davon ausgegangen, dass die Musik angesichts der Massivität der Texte nicht geeignet ist, deren jugendgefährdende Wirkungen zu verstärken oder abzuschwächen. 61 Die Einwände des Klägers sind nicht geeignet, die Feststellungen und Wertungen des Zwölfer-Gremiums in Bezug auf die jugendgefährdende Wirkung des Albums ""B..."" zu erschüttern. Hierfür reicht die Kritik nicht aus, die der von dem Kläger beauftragte Gutachter Prof. Dr. H. an der Auswertung der wissenschaftlichen Untersuchungen und Erfahrungsberichte durch das Zwölfer-Gremium geübt hat. Der Gutachter hat selbst darauf hingewiesen, dass er als Literaturwissenschaftler nicht über die erforderliche Sachkunde für die Beurteilung jugendgefährdender Wirkungen verfügt. 62 Der Einwand, das Zwölfer-Gremium habe seine Einschätzung nicht aufgrund einer aktuellen gesellschaftlichen Reizschwelle für Minderjährige getroffen, ist nicht plausibel. Das Vorbringen lässt nicht ansatzweise erkennen, wie eine solche Reizschwelle abweichend von den Feststellungen und Wertungen des Zwölfer-Gremiums beschaffen sein könnte. Die Behauptung, Minderjährige seien heutzutage unempfänglich für Darstellungen von Kriminalität und hemmungsloser Gewalt sowie für permanente Demütigungen und Beleidigungen anderer in einer vulgären Sprache, ist als bloßes Gegenvorbringen nicht geeignet, die dazu in Widerspruch stehenden Feststellungen und Wertungen des Zwölfer-Gremiums in Frage zu stellen. 63 cc) Bei den Titeln des Albums ""B..."" handelt es sich um Kunst der Gattung Rapmusik im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Für die Gewichtung des abwägungsrelevanten künstlerischen Gehalts kann der Senat neben den Gründen des Indizierungsbescheids vom 9. April 2015 auch das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 10. Januar 2016 und die Niederschrift eines Gesprächs des Klägers mit dem Gutachter vom 8. Januar 2016 berücksichtigen (vgl. zu den Voraussetzungen unter 3.e)bb) der Urteilsgründe). Der Kläger hat beide Unterlagen im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt und damit zum Bestandteil des Prozessstoffes gemacht. Das Verwaltungsgericht hat Gutachten und Niederschrift ausführlich gewürdigt. Die Beteiligten haben insoweit keine Verfahrens- oder Gegenrügen erhoben. 64 Das Zwölfer-Gremium hat angenommen, das Album stelle Unterhaltung ohne gesteigerten Kunstgehalt dar. Diese sachkundige Beurteilung ist der Gewichtung des Belangs Kunst zugrunde zu legen, weil sie der Kläger nicht nach den Regeln des Sachverständigenbeweises zu erschüttern vermocht hat. Das vorgelegte Gutachten ist in Bezug auf die Einschätzung, das Album beruhe auf dem künstlerischen Konzept, einen in einer fiktionalen Kunstwelt agierenden unantastbaren Gangsterboss zu schaffen, nicht schlüssig. Diese Betrachtungsweise deckt sich nicht mit den Angaben des Klägers in dem Gespräch mit dem Gutachter. Diese lassen darauf schließen, dass der Kläger mit dem Album ""B..."" keine über Unterhaltung hinausgehende künstlerische Wirkungsabsicht verfolgt hat. Der Kläger hat auf mehrere Nachfragen des Gutachters zu einem künstlerischen Konzept oder einer Ausgangsidee ausgeführt, er habe zu Beginn von Studioaufnahmen keine Vorstellungen über den Inhalt seiner Rapmusik. Musik und Texte entstünden völlig spontan während der Aufnahmen. Er könne vorab nicht sagen, welche Art und Richtung die Texte haben würden. Hinweise auf eine beabsichtigte künstlerische Wirkungsweise, etwa durch die Ausdrucksform der durchgehend vulgär-beleidigenden Sprache, lassen sich auch dem weiteren Gespräch nicht entnehmen. 65 Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der Kläger durch die Verwendung dieser Sprache beabsichtigt hat, die Demütigung und Herabwürdigung von Frauen und Homosexuellen als Stilmittel in ein Konzept ""Inszenierung des Gangsterbosses B..."" einzubetten. Dass dieser Sprache Bedeutung für dessen überspitzte Darstellung zugedacht sein könnte, erschließt sich weder aus der Interpretation der Texte durch den Gutachter noch durch die Angaben des Klägers in dem Gespräch mit diesem. 66 Die Einschätzung des Gutachters, die Sprache des Albums sei den Songtexten vieler Pop- und Rockgruppen an Originalität, spielerischem Drang und Sprachmächtigkeit weit überlegen, ist in dieser Pauschalität nicht nachvollziehbar. Der Gutachter schreibt den Texten zwar eine Fülle an originellen Wendungen, verblüffenden Übertreibungsformeln, spielerischen Wortverwendungen und Wortneuschöpfungen zu. Allerdings belässt er es dabei, diesen Eindruck zu benennen. Es fehlt jegliche Konkretisierung anhand konkreter Texte des Albums. Dementsprechend geht der Gutachter auch nicht darauf ein, welche Bedeutung der die Texte durchziehenden vulgär-beleidigenden Sprache für deren Wirkungsweise zukommt. Auch den von ihm angelegten Vergleichsmaßstab ""Songtexte vieler Pop- und Rockgruppen"" erläutert der Gutachter nicht. 67 f) Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Belange kommt dem Jugendschutz Vorrang zu. Die jugendgefährdenden Einflüsse des Albums wiegen schwer. Dies folgt vor allem daraus, dass die Texte mit Ausnahme des Titels Nr. 15 durchgehend und ohne jede Distanzierung die Botschaft vermitteln, dass Rücksichtslosigkeit und vollkommen fehlende Empathie gegenüber Schwächeren vorzugswürdig sind. Es wird suggeriert, dass ein Lebensstil zu Reichtum führt und gegenüber Strafverfolgung unantastbar macht, der ohne jede Einschränkung auf das ""Recht des Stärkeren"" setzt. Zu diesem Zweck werden schwere Kriminalität wie etwa Drogenhandel in Schulen oder Zwangsprostitution und brutale Gewalttätigkeit aus beliebigen Anlässen völlig unkritisch dargestellt, Frauen und Homosexuelle durchgehend beleidigt und verächtlich gemacht. Andere Darstellungen dieser Personengruppen kommen nicht vor. 68 Es liegt nahe, dass diese Ansammlung sozial-ethisch desorientierender Botschaften einen verheerenden Einfluss auf hierfür empfängliche Minderjährige aus dem beschriebenen sozialen Umfeld haben kann, zumal ""B..."" erkennbar als alter ego des Klägers auftritt. Demgegenüber lassen sich dem Vorbringen des Klägers keine Hinweise darauf entnehmen, dass er mit den Darstellungen des Lebenswandels von ""B..."" und der vulgär-beleidigenden Sprache ein über Unterhaltung hinausgehendes künstlerisches Konzept verfolgt. 69 Unbeachtlich ist der Einwand des Klägers, das Gewicht des Jugendschutzes sei stark gemindert, weil das Indizierungsverfahren erst ungefähr zehn Monate nach der Veröffentlichung des Albums und dem Verkauf von mehr als 100 000 CDs eingeleitet worden sei. Aus Wortlaut und Zweck des § 18 Abs. 1 JuSchG folgt, dass die Eignung eines Trägermediums zur Jugendgefährdung ausschließlich aufgrund der Inhalte, Aussagen und Wirkungen seiner Inhalte zu beurteilen ist. Sie wird durch den langen Zeitraum zwischen Veröffentlichung und Indizierung nicht in Frage gestellt. Der Umfang der Verbreitung des Mediums bis zur Indizierung kann nicht dazu führen, dass die weitere Verbreitung trotz des jugendgefährdenden Einflusses hingenommen werden muss. 70 Schließlich rechtfertigt die Aufnahme des Albums in der Fachpresse nicht, zum Schutz des Wirkbereichs der Kunst von der Indizierung abzusehen. Die wenigen Besprechungen bieten ein uneinheitliches Bild. Einigen verhalten positiven Bewertungen steht die vernichtende Bewertung in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Februar 2014 gegenüber. Das sonstige künstlerische Schaffen des Klägers und sein Bekanntheitsgrad sind für die Abwägung ohne Bedeutung. 71 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kostentragungspflicht des Klägers für das erstinstanzliche Verfahren folgt aus der Kostenentscheidung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 2. September 2016." bverwg_2019-78,01.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 78/2019 vom 01.11.2019 EN Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls Die Absolventin eines Zweitstudiums, die keine Berufsausbildungsförderung und deshalb auch keine anderen Sozialleistungen erhält, ist von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags wegen eines besonderen Härtefalls zu befreien, wenn ihr nach Abzug der Wohnkosten ein Einkommen zur Verfügung steht, das in seiner Höhe mit demjenigen Einkommen der Empfänger von Sozialleistungen nach dem SGB XII vergleichbar ist, und kein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Klägerin ist Inhaberin einer Wohnung und damit grundsätzlich zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Sie absolvierte im Anschluss an ein abgeschlossenes Bachelor-Studium ein Zweitstudium, für das sie mangels Förderungsfähigkeit keine Leistungen nach dem Bundessausbildungsförderungsgesetz und deshalb auch keine Sozialleistungen erhielt. Sie lebte von Unterhaltsleistungen der Eltern und Wohngeld. Nach Abzug der Mietkosten standen ihr 337 € für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung. Sie beantragte daher eine Befreiung von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags. Den Antrag lehnte der Beklagte ab und setzte mit gesondertem Bescheid rückständige Rundfunkbeiträge fest. Die hiergegen gerichteten Widersprüche sowie die anschließend gegen die Beitragsfestsetzung und auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtete Klage blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile teilweise geändert und die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt zur Befreiung der Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht verpflichtet. Die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge ist rechtmäßig, weil die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt als Beitragsschuldnerin noch nicht von der Entrichtung des Rundfunkbeitrags für den Zeitraum der Beitragsfestsetzung befreit gewesen ist. Gleichzeitig hat ihre Klage auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht Erfolg. Die Klägerin erhält zwar keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder eine andere Sozialleistung, die nach den Katalogtatbeständen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu einer Befreiung führen. Eine erweiternde Anwendung dieser Katalogtatbestände auf Empfänger von Wohngeldleistungen und Absolventen von nicht förderungsfähigen Zweitstudiengängen scheidet aus, weil die Landesgesetzgeber bewusst und insoweit abschließend die Befreiung an die bundesgesetzlichen Regelungen der im Katalog genannten Sozialleistungen zur Vereinfachung geknüpft haben. Jedoch sieht der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hierneben auch eine Befreiung in besonderen Härtefällen vor. Der Begriff des besonderen Härtefalls erfasst vor allem diejenigen Fälle, in denen der Beitragsschuldner eine mit den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII vergleichbare Bedürftigkeit nachweisen kann. Hierzu zählen einkommensschwache Beitragsschuldner wie die Klägerin, die nach Abzug ihrer Wohnkosten weniger Einkommen zur Verfügung haben als ein Bezieher von derartigen Leistungen, und kein verwertbares Vermögen haben. Gründe der Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen es nicht, einkommensschwachen Personen, die mit ihrem Einkommen unter den sozialhilferechtlichen Regelsätzen liegen und dieses zur Deckung ihres Lebensbedarfs benötigen, eine Befreiung zu versagen, während die Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht auf ihr Einkommen zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags zurückgreifen müssen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen in solchen Fällen anhand der vom Beitragspflichtigen vorzulegenden Nachweise das Vorliegen einer vergleichbaren Bedürftigkeit prüfen. Erfasst die zu erteilende Befreiung rückwirkend einen Zeitraum, für den die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt bereits rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt hat, ist diese verpflichtet, den Festsetzungsbescheid insoweit aufzuheben. BVerwG 6 C 10.18 - Urteil vom 30. Oktober 2019 Vorinstanzen: VGH München, 7 BV 17.770 - Urteil vom 28. Februar 2018 - VG Ansbach, AN 6 K 15.02442 - Urteil vom 02. Februar 2017 -","Urteil vom 30.10.2019 - BVerwG 6 C 10.18ECLI:DE:BVerwG:2019:301019U6C10.18.0 EN Befreiung einkommensschwacher Personen von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls Leitsätze: 1. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV setzt voraus, dass dem Beitragsschuldner auf der Grundlage eines Bescheids eine der dort genannten Sozialleistungen gewährt wird (sog. System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit). 2. Einkommensschwache Personen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Sozialleistungen erhalten, sind nicht in entsprechender Anwendung dieser Norm von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. 3. Ein besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV liegt vor, wenn das monatlich für den Lebensbedarf zur Verfügung stehende Einkommen von Beitragsschuldnern, die keine Leistungen im Sinne von § 4 Abs. 1 RBStV erhalten und über kein verwertbares Vermögen verfügen, nach Abzug der Wohnkosten unterhalb des für den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt maßgebenden Regelsatzes liegt (insoweit unter Aufgabe der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 RGebStV: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62). Rechtsquellen GG Art. 3 Abs. 1 RBStV §§ 2, 4 Abs. 1 Nr. 1, 3, 5 Buchst. a, Abs. 4 Satz 2, Abs. 6, Abs. 7 Satz 2, § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 5 und 6 Satz 1 RGebStV § 6 Abs. 1 und 3 SGB XII §§ 27 ff., § 90 VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1, §§ 137, 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Instanzenzug VG Ansbach - 02.02.2017 - AZ: VG AN 6 K 15.02442 VGH München - 28.02.2018 - AZ: VGH 7 BV 17.770 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 10.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:301019U6C10.18.0] Urteil BVerwG 6 C 10.18 VG Ansbach - 02.02.2017 - AZ: VG AN 6 K 15.02442 VGH München - 28.02.2018 - AZ: VGH 7 BV 17.770 In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2019 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner für Recht erkannt: Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2018 und des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Februar 2017 werden geändert: Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2015 verpflichtet, die Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht von September 2014 bis September 2016 zu befreien. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Gründe I 1 Die Klägerin ist Inhaberin einer Wohnung und begehrt die Aufhebung eines Bescheids, mit dem die beklagte Rundfunkanstalt rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt hat, sowie die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht während ihres Zweitstudiums. 2 Die Klägerin studierte im Anschluss an ein abgeschlossenes Bachelor-Studium das Studienfach Psychologie. Für dieses auf den Bachelor gerichtete zweite Studium erhielt sie mangels Förderungsfähigkeit keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, sondern monatliche Unterhaltsleistungen der Eltern und Wohngeld. Nach Abzug der Mietkosten standen ihr im Monat 337 € zur Deckung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung. Ihr Mitte August 2014 bei dem Beklagten eingegangener Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht blieb erfolglos. Der Beklagte setzte daraufhin mit gesondertem Bescheid rückständige Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2014 nebst Säumniszuschlag fest. 3 Die nach erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erhobene, auf Aufhebung des Festsetzungsbescheids und auf Befreiung von der Beitragspflicht gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin sei als Inhaberin einer Wohnung Beitragsschuldnerin. Der Beklagte habe die rückständigen Beiträge festsetzen können. Die Klägerin sei nicht von der Beitragspflicht zu befreien. 4 Einkommensschwache Personen könnten nur befreit werden, wenn sie - anders als die Klägerin - eine der in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Sozialleistungen erhielten. Eine analoge Anwendung der in Absatz 1 enthaltenen Tatbestände auf Empfänger von Wohngeldleistungen scheide aus. Der Gesetzgeber habe mit den dort aufgeführten Befreiungstatbeständen eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Verfahrens beabsichtigt und den Bezug von Wohngeld nicht in den Katalog der zu einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht führenden Sozialleistungen aufgenommen, obwohl er diesen mehrfach geändert habe. 5 Eine Befreiung nach § 4 Abs. 6 RBStV wegen eines besonderen Härtefalls komme nicht in Betracht. Dieser müsse den in Absatz 1 genannten Fällen ähnlich sein. Kein Härtefall liege vor, wenn der Beitragsschuldner zwar dem Grunde nach von den Fallgestaltungen des Absatzes 1 erfasst werde, er aber deren Voraussetzungen nicht bzw. nicht vollständig erfülle. Allein der Umstand, dass der Klägerin nach Abzug der Miete lediglich 337 € verblieben und sie damit weniger Geld als ein Empfänger von Arbeitslosengeld II zur Verfügung habe, begründe hiernach keinen besonderen Härtefall. Ihr Zweitstudium sei nicht förderungsfähig, weshalb sie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht beanspruchen könne. Ein Anspruch auf Sozialleistungen sei in diesem Fall kraft Gesetzes ausgeschlossen. Die bundesgesetzgeberischen Wertungen seien bei der Rundfunkbeitragsbefreiung zu beachten. Wer ein nicht förderungsfähiges Zweitstudium absolviere und deshalb auch von Sozialleistungen ausgeschlossen sei, müsse nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern auch den Rundfunkbeitrag durch eigene Anstrengungen finanzieren. Dies stehe mit der Verfassung im Einklang. 6 Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass die Nichtförderung ihres Zweitstudiums nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz andere Zwecke als die Rundfunkbeitragsbefreiung verfolge. Aufgrund ihrer eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit, die mit derjenigen eines geförderten Studenten im Erststudium vergleichbar sei, müsse sie daher nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 Nr. 5 RBStV befreit werden. Jedenfalls seien diese Aspekte bei der Auslegung der Regelung des besonderen Härtefalls in den Blick zu nehmen. Die bisherige Rechtsprechung zu den Befreiungstatbeständen nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag sei nicht auf § 4 Abs. 1 und 6 RBStV übertragbar, da aufgrund des Wechsels von der gerätebezogenen Gebühr auf den raumbezogenen Beitrag sich die Reichweite der Zahlungspflicht erweitert habe. Folglich seien auch die Befreiungstatbestände großzügiger und insbesondere § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV als allgemeiner Auffangtatbestand auszulegen. Die vorinstanzlichen Urteile seien zu ändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin von Anfang September 2014 bis zum Ende ihres Zweitstudiums am 30. September 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. 7 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. II 8 Die zulässige Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts die gegen den Festsetzungsbescheid gerichtete Anfechtungsklage als unbegründet angesehen (1.). Demgegenüber beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV), die gemäß § 13 RBStV revisibel sind, soweit die Vorinstanz einen Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht abgelehnt hat. Die auf Befreiung gerichtete Verpflichtungsklage ist begründet (2.). 9 1. Die Anfechtungsklage gegen den Festsetzungsbescheid ist unbegründet. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht die Klage abgewiesen und ist die Revision zurückzuweisen. Die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge ist rechtmäßig. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im jeweiligen Beitragszeitraum, wobei Befreiungen von der Beitragspflicht zu berücksichtigen sind, wenn sie bis zum Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung ausgesprochen werden (a)). Der Beklagte konnte gegenüber der Klägerin rückständige Beiträge festsetzen; sie war bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht für den Zeitraum der Festsetzung von der Beitragspflicht befreit (b)). Die Rechtsgrundlagen der Festsetzung sind mit höherrangigem Recht vereinbar (c)). 10 a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei Rundfunkbeitragsbescheiden sind Beginn und Ende der Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV (vgl. bereits zum früheren Recht: BVerwG, Urteile vom 28. April 2010 - 6 C 6.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 54 und vom 17. August 2011 - 6 C 15.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 61). Das ist hier der Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2014. Entscheidend sind danach die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung der Bekanntmachung des Fünfzehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. RÄStV) vom 7. Juni 2011 (BY GVBl S. 258). Der Beklagte hat Änderungen der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Befreiungen von der Rundfunkbeitragspflicht, die auf Antrag des Beitragsschuldners nach Erlass des Festsetzungsbescheides und vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens erteilt werden. 11 b) Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach Satz 2 wird als Inhaber jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet und für jeweils drei Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV). Rückständige Beiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt; die Festsetzungsbescheide werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV). Im hier maßgebenden Zeitraum betrug der Rundfunkbeitrag monatlich 17,98 € (§ 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages - RFinStV - in der Fassung der Bekanntmachung des 15. RÄStV). Dass das Verfahren, in dem die Höhe des Beitrags ermittelt wird, und deren Bestimmung nicht im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag selbst, sondern in einem anderen Staatsvertrag, dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, geregelt ist, stellt dabei den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Normenklarheit nicht in Frage (BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​180316U6C6.15.0] - BVerwGE 154, 275 Rn. 7 f.). 12 Die Voraussetzungen für die Beitragspflicht der Klägerin im Zeitraum von April bis September 2014 lagen vor. Die Klägerin war im maßgebenden Zeitraum als Inhaberin einer Wohnung Beitragsschuldnerin (§ 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV). Die festgesetzten Beiträge waren rückständig (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV), denn die Klägerin war nicht aufgrund eines von dem Beklagten vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens erlassenen Bescheides von der Beitragspflicht befreit. 13 Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung ist, ob der Klägerin nach der letzten Verwaltungsentscheidung über die Festsetzung ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuerkannt wird. Erstreckt sich in diesem Fall die Befreiung rückwirkend ganz oder teilweise auf den Zeitraum des Beitragsfestsetzungsbescheides, wird die ursprünglich rechtmäßige Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge unrichtig, weil eine Befreiung die Beitragspflicht für den von ihr erfassten Zeitraum entfallen lässt. Der Festsetzungsbescheid wird in diesem Fall im Umfang der zeitlichen Übereinstimmung von Festsetzung und Befreiung rechtswidrig, so dass er insoweit von der Rundfunkanstalt aufzuheben ist (s. dazu BVerwG, Urteile vom 22. September 1993 - 2 C 34.91 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 78 und vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 15 jeweils m.w.N. sowie Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 53 f. m.w.N.). 14 c) Die Rundfunkbeitragspflicht für Inhaber einer Wohnung ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz. Es handelt sich um eine Vorzugslast, wobei der durch die Beitragserhebung ausgeglichene Vorteil in der Möglichkeit besteht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können. Hierbei durften die Landesgesetzgeber die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben einer Wohnung knüpfen. Diesem Regelungskonzept liegt die nicht zu beanstandende und durch statische Erhebungen gedeckte Erwägung zugrunde, dass die Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen können und nutzen und dass deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf die Nutzungsmöglichkeit als abzugeltenden Vorteil zulässt (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. [ECLI:​DE:​BVerfG:​2018:​rs20180718.1bvr197516] - NVwZ 2018, 1293; BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 11 ff.). Auch aus europarechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 - C-492/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​1019] - Abl. EU 2019 Nr. C 65, S. 13 f. [LS] = NJW 2019, 577). 15 2. Die auf Erteilung einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gerichtete Verpflichtungsklage ist begründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei einen Anspruch der Klägerin auf Befreiung in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 RBStV abgelehnt (a)). Es hat aber den Begriff des besonderen Härtefalls (§ 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV) als Grund für eine Befreiung zu restriktiv ausgelegt; er erfasst auch Fälle, in denen die Beitragsschuldner eine mit den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt vergleichbare Bedürftigkeit aufweisen (b)). Da sich das angefochtene Urteil insoweit nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig erweist und der Senat für die Beurteilung des Befreiungsanspruchs keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf, kann er in der Sache selbst entscheiden (c)). 16 a) Ohne Verletzung revisiblen Rechts hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Befreiung nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 RBStV abgelehnt. 17 aa) § 4 Abs. 1 RBStV sieht einen Anspruch auf Befreiung aus sozialen Gründen vor. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beitragsschuldner eine in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und Nr. 10 Alt. 2 RBStV genannte Sozialleistung bezieht oder zu dem von § 4 Abs. 1 Nr. 9 und 10 Alt. 1 RBStV erfassten Personenkreis gehört und dieses gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV durch eine entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers oder durch einen entsprechenden Bescheid nachweisen kann. Die Landesgesetzgeber haben sich mit der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV für das normative Regelungssystem der sogenannten bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entschieden. Dieses System haben sie bereits mit der Befreiungsregelung des bis zum 31. Dezember 2012 geltenden § 6 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) vom 31. August 1991 (BY GVBl. I S. 451) eingeführt und beibehalten (vgl. zum früheren Recht: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62 Rn. 20; Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44 Rn. 5). Mit Ausnahme der Tatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a und b und Nr. 8 RGebStV, die Befreiungen für schwerbehinderte Menschen von der Rundfunkgebühr vorsahen und für die nunmehr eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags vorgesehen ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 RBStV), haben die Landesgesetzgeber auch weiterhin die Empfänger von Sozialleistungen unter weitestgehend gleichen Voraussetzungen von der Abgabenpflicht befreit (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2018 - 6 C 48.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​280218U6C48.16.0] - BVerwGE 161, 224 Rn. 9). Dementsprechend fingiert die Übergangsregelung des § 14 Abs. 7 RBStV die Fortgeltung bestandskräftiger Rundfunkgebührenbefreiungsbescheide nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 RGebStV bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit als Rundfunkbeitragsbefreiungen nach § 4 Abs. 1 RBStV. 18 Die Voraussetzungen für eine Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 RBStV erfüllt die Klägerin nach den tatsächlichen und den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Die Klägerin bezieht keine Leistungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a RBStV nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, weil ihr Zweitstudium nach erfolgreichem Abschluss eines Erststudiums gemäß § 7 Abs. 2 BAföG nicht förderungsfähig ist (vgl. zum Zweck der Ausbildungsförderung, nur eine Ausbildung zu ermöglichen: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 5 C 4.14 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2015:​280515U5C4.14.0] - Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 126 Rn. 16; Steinweg, in: Ramsauer/Stallbaum , BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 7). Die Klägerin erhält auch keine Hilfe zum Lebensunterhalt oder Sozial- bzw. Arbeitslosengeld II im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 RBStV, da sie hiervon als Absolventin eines Zweitstudiums gemäß § 7 Abs. 5 SGB II und § 22 Abs. 1 SGB XII kraft Gesetzes zur Verhinderung einer versteckten Ausbildungsförderung über die Gewährung von Sozialleistungen ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 5 C 16.91 - BVerwGE 94, 224 <225 ff.>; Knickrehm, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann , Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, § 7 SGB II Rn. 36 jeweils m.w.N.). Der Bezug von Wohngeld ist im Katalog der zur Befreiung führenden Leistungen nicht aufgeführt. 19 bb) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgenommenen Befreiungstatbestände eng auszulegen und nicht durch eine Analogie aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke erweiterbar sind (vgl. bereits zum früheren Recht: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62). Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62 Rn. 15 und vom 29. November 2018 - 5 C 10.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​291118U5C10.17.0] - NVwZ-RR 2019, 420 Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. 20 Schon die enumerative Aufzählung in § 4 Abs. 1 RBStV spricht gegen eine erweiternde Auslegung und Anwendung auf Beitragsschuldner, die keine der genannten Sozialleistung erhalten. 21 Vor allem aber sind die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Tatbestände aufgrund des Normzwecks als abschließend anzusehen. Denn das System der bescheidgebundenen Befreiung beruht auf dem Grundprinzip, nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung zuzugestehen, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bundesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird oder dem vom Staat bestätigt wurde, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt. Mit diesem System werden schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vermieden, indem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an die bundesgesetzgeberischen Wertungen für den Bezug von Sozialleistungen angeknüpft und diese zur Grundlage der Reichweite einer Befreiung von der Rundfunkgebühr bzw. geltenden Beitragspflicht gemacht werden (vgl. zum früheren Recht: BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44 Rn. 5 unter Hinweis auf LT-Drs. BY 15/1921 S. 20 f.). Die Landesgesetzgeber haben mit der Einführung dieses Systems die vor Inkrafttreten des Rundfunkgebührenstaatsvertrages noch möglichen Befreiungen wegen geringen Einkommens bewusst abgeschafft und in der Vergangenheit den Katalog der Befreiungstatbestände um verschiedene Fallgruppen erweitert (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62; Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44). Dies schließt die Einbeziehung weiterer, bisher nicht erfasster Personengruppen wie etwa Absolventen eines nicht förderungsfähigen Zweitstudiums oder Empfänger von Wohngeld, das nicht der Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts, sondern als Miet- oder Lastenzuschuss der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens dient (§ 1 WoGG; s.a. Schulte, in: Klein/Schulte/Unkel, WoGG, 2015, § 1 Rn. 4), in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 RBStV aus. 22 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 RGebStV eine Befreiung der Klägerin gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV wegen finanzieller Bedürftigkeit abgelehnt. Ein besonderer Härtefall sei bei Fallgestaltungen nicht gegeben, in denen die beitragspflichtige Person zwar dem Grunde nach von den Fallgestaltungen des Absatzes 1 erfasst werde, sie aber deren Voraussetzungen nicht bzw. nicht vollständig erfülle (ebenso zum früheren Recht: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2010 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62 Rn. 17 ff. <20 f.>). Dieses Verständnis des Begriffs eines besonderen Härtefalls ist zu restriktiv und verletzt die revisible Vorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV. Insoweit hält der Senat an seiner zu § 6 Abs. 3 RGebStV ergangenen Rechtsprechung unter der Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages nicht mehr fest. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: 23 aa) Bei § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV handelt es sich nach seinem Normzweck um eine Härtefallregelung, mit der grobe Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten vermieden werden sollen, die durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte normative Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entstehen. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, nicht zu den Personengruppen des § 4 Abs. 1 RBStV gehörende Beitragsschuldner von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sich ihre Schlechterstellung gegenüber den befreiten Personengruppen nicht sachlich rechtfertigen lässt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV, wonach die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls ""unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1"", mithin unabhängig von dem in Absatz 1 zugrunde liegenden Regelungssystem in Betracht kommt. Bestätigt wird dieses Normverständnis durch die Gesetzesmaterialien, aus denen sich ergibt, dass ""weiterhin"" die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls in Betracht kommen soll, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. LT-Drs. BY 16/7001 S. 16). Eine Berücksichtigung des dem Absatz 1 zugrunde liegenden Konzepts bei der Auslegung des besonderen Härtefalls widerspräche dem Charakter dieser Regelung als Ausnahmevorschrift. 24 bb) Unter dem Gesichtspunkt der Rundfunkempfangsmöglichkeit ist hiernach eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV etwa zu erteilen, wenn es dem Beitragsschuldner objektiv unmöglich ist, zumindest über einen Übertragungsweg (Terrestrik, Kabel, Satellit, Internet oder Mobilfunk) Rundfunk zu empfangen (vgl. dazu LT-Drs. BY 16/7001 S. 16 sowie BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - NVwZ 2018, 1293 Rn. 61, 85); demgegenüber kommt eine Befreiung auf der Grundlage dieser Vorschrift bei einem - hier nicht in Rede stehenden - bewussten Verzicht auf ein Rundfunkempfangsgerät nicht in Betracht (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 9). 25 cc) Auch aus Gründen der durch die Beitragspflicht herbeigeführten wirtschaftlichen Belastung kann die Anwendung des in § 4 Abs. 1 RBStV verankerten Systems der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit zu groben Unbilligkeiten führen, die in bestimmten Fallgruppen die Annahme eines besonderen Härtefalls rechtfertigen. Dies folgt bereits aus der den besonderen Härtefall beispielhaft kennzeichnenden Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV. Danach liegt ein besonderer Härtefall vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Es werden diejenigen Beitragsschuldner befreit, die zur Erfüllung ihrer Beitragspflicht auf Teile ihrer Einkünfte zurückgreifen müssten, die nach den Maßstäben der Sozialgesetze in ihrer Höhe den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechen und damit ausschließlich zur Deckung des Lebensbedarfs einzusetzen sind. § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV dient dem Schutz des Existenzminimums, da ein Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein dazu dient, sowohl die physische als auch die soziale Seite des Existenzminimums sicherzustellen; es ist nicht für die Erfüllung der Rundfunkbeitragspflicht einzusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 665/10 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2011:​rk20111109.1bvr066510] - BVerfGK 19, 181 <185>). 26 Dieser Erwägung kommt auch bei der Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV entscheidende Bedeutung zu. Absatz 6 Satz 2 erweist sich schon angesichts seines Wortlauts (""insbesondere"") nicht als abschließend. Der Schutz des Existenzminimums kann daher auch in anderen Fallgestaltungen eine Rundfunkbefreiung wegen eines besonderen Härtefalls rechtfertigen. Eine solche Fallgestaltung liegt bei Beitragsschuldnern vor, die ein den Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen haben und nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen können, aber von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen sind. Denn während die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreiten Personen nicht auf das monatlich ihnen zur Verfügung stehende Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Erfüllung der Beitragspflicht zurückgreifen müssen, weil dieses Einkommen ausschließlich zur Deckung ihres Lebensbedarfs einzusetzen ist, muss die erstgenannte Gruppe von Beitragsschuldnern auf ihr der Höhe nach den Regelleistungen entsprechendes oder diese Höhe sogar unterschreitendes Einkommen zurückgreifen, weil sie aus dem System der Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV herausfallen. Sie werden hierdurch schlechter gestellt, obwohl beide Personengruppen in Bezug auf ihre finanzielle Bedürftigkeit miteinander vergleichbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 665/10 - BVerfGK 19, 181 <184>). 27 Eine solche Ungleichbehandlung trotz gleicher Einkommensverhältnisse beruht am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf einem sachlichen Grund. Da das System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit der Verwaltungsvereinfachung dient, weil es auf Seiten der Rundfunkanstalten ohne eine Bedürftigkeitsprüfung auskommt, könnte die Schlechterstellung nur dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn Gründe der Verwaltungspraktikabilität es auch im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV rechtfertigen, von einer Bedürftigkeitsprüfung abzusehen. Dies setzt voraus, dass die mit der Schlechterstellung verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Diese Voraussetzungen sind in der vorliegenden Fallgestaltung jedoch nicht gegeben, da die Gruppe einkommensschwacher Personen, die nicht von § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBStV erfasst werden, obwohl die Höhe ihres Einkommens mit den Regelleistungen vergleichbar ist, keine kleine Anzahl von Personen erfasst und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz sehr intensiv ist. Die Entrichtung des Rundfunkbeitrags stellt für diesen Personenkreis eine spürbare und wiederkehrende Belastung dar, die im Verhältnis zu dem ihnen nach Abzug der Wohnkosten zur Verfügung stehenden Einkommens zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 % führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 665/10 - BVerfGK 19, 181 <185>). Bei einem die Höhe der Regelleistungen unterschreitenden Einkommen ist dieser Wert gegebenenfalls noch höher. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind daher bei diesen einkommensschwachen Beitragsschuldnern gehalten, im Rahmen ihrer Prüfung eines besonderen Härtefalls eine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen. 28 Dass die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV keine Handhabe bietet, das Regelungskonzept des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zu korrigieren (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2018 - 6 C 48.16 - BVerwGE 161, 224 Rn. 10), steht der Anwendung dieser Norm auf mit Absatz 1 vergleichbare, von dem Katalog nicht erfasste Bedürftigkeitsfälle nicht entgegen. Denn die Erteilung einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls ist schon angesichts der Höhe des Rundfunkbeitrags nicht geeignet, die in den Tatbeständen des Absatzes 1 zum Ausdruck kommenden bundesgesetzlichen Wertungen zu unterlaufen. So ist die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im Fall der Klägerin nicht geeignet, im Sinne einer versteckten Ausbildungsförderung den gesetzlichen Ausschluss von Absolventen eines nicht förderungsfähigen Zweitstudiums von der Ausbildungsförderung und von Sozialleistungen in Frage zu stellen. 29 dd) Die Annahme einer vergleichbaren Bedürftigkeit, die eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV rechtfertigt, hat sich vorbehaltlich einer die vorliegende Fallgestaltung betreffenden Regelung an den Einkünften und dem verwertbaren Vermögen eines Empfängers von Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff., § 90 SGB XII zu orientieren. Denn die Empfänger dieser Leistungen, die hier die Vergleichsgruppe für die nicht vom Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV erfassten Beitragsschuldner bilden, haben nur einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, wenn sie unter anderem nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln ihren notwendigen Lebensunterhalt bestreiten können. Voraussetzung ist hiernach zum einen, dass dem Beitragsschuldner nach Abzug der Wohnkosten lediglich ein mit dem Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) vergleichbares Einkommen zur Verfügung steht. Maßstab bilden hier die in der Anlage zu § 28 SGB XII bekannt gemachten Regelsätze der jeweiligen Regelbedarfsstufen für die Leistungsberechtigten nach § 27 SGB XII. Zum anderen setzt die Annahme einer vergleichbaren Bedürftigkeit voraus, dass die Beitragsschuldner über kein verwertbares Vermögen im Sinne von § 90 SGB XII verfügen. Ungeachtet dessen bleibt es den Landesgesetzgebern unbenommen, in Anlehnung an die Beispielsregelung in § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV die Härtefallregelung weiter auszugestalten und dabei an die jeweiligen bundesgesetzlichen Regelungen der in Betracht kommenden Vergleichsgruppen anzuknüpfen, wie etwa bei Absolventen eines nichtförderungsfähigen Zweitstudiums an die im Bundesausbildungsförderungsgesetz enthaltenen Grenzen anrechnungsfreien Vermögens. 30 Damit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Prüfung der vergleichbaren Bedürftigkeit durchführen können, müssen die Beitragsschuldner, die eine Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls begehren, die hierfür erforderlichen Nachweise nach § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV vorlegen. Darüber hinaus besteht für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Möglichkeit, nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 RBStV von dem Beitragsschuldner weitere Auskünfte und Nachweise zu verlangen. Erfüllen Beitragsschuldner die ihnen rechtmäßig auferlegten Mitwirkungspflichten trotz angemessener Fristsetzung nicht, ist die Befreiung zu versagen. 31 ee) Die Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV auf einkommensschwache Personen bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist mit der Qualifizierung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast vereinbar. Die Landesgesetzgeber sind nicht gehindert, soziale Belange oder andere ""vorteilsfremde"" Zwecke zu verfolgen und Unterschiede in der Beitragshöhe (Befreiungen oder Ermäßigungen) vorzusehen, wenn sie durch hinreichende gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt sind (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 27. September 2017 - 6 C 34.16 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​270917U6C34.16.0] - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 84 Rn. 26, 34 m.w.N.). Derartige Gründe liegen hier in der Sicherstellung der physischen und sozialen Seite des Existenzminimums, indem verfügbares Einkommen, dessen Höhe unter dem Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt liegt, nicht für die Entrichtung des Rundfunkbeitrags aufgewendet werden muss (s.o. II. 2. b), cc)). 32 3. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen gemäß § 144 Abs. 4 VwGO als richtig dar, soweit das Berufungsgericht die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Befreiung der Klägerin von der Beitragspflicht abgewiesen hat. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin von September 2014 bis einschließlich September 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Insoweit kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden. 33 Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil und den in Bezug genommenen Gerichts- und Verwaltungsakten, dass die Klägerin für ihr Erststudium und ihr nach dem Zweitstudium begonnenen Masterstudium Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten hat, sie ihren Lebensbedarf während des Zweitstudiums nur durch Unterhaltsleistungen der Eltern in Höhe von monatlich 584 € und den Bezug von Wohngeld deckte und über kein verwertbares Vermögen verfügte. Darüber hinaus ist festgestellt, dass der Klägerin im geltend gemachten Befreiungszeitraum nach Abzug der Wohnkosten zur Deckung ihres Lebensunterhalts 337 € im Monat zur Verfügung standen, so dass ihr Einkommen unterhalb des Regelsatzes der Regelbedarfsstufe 1 gemäß der Anlage zu § 28 SGB XII lag, der sich im Jahre 2014 auf 391 €, im Jahr 2015 auf 399 € und im Jahr 2016 auf 404 € belief. 34 Da der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach den bindenden Feststellungen erst Mitte August 2014 bei dem Beklagten eingegangen ist und die Klägerin die eine Gewährung von Ausbildungsförderung ablehnende Bescheinigung des Studentenwerks Erlangen-Nürnberg bereits am 22. April 2014 erhalten hatte, kann auf ihren Antrag hin eine Befreiung gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 4 Satz 2 RBStV erst ab dem Monat September 2014 für die restliche Zeit ihres bis Ende September 2016 dauernden Zweitstudiums erteilt werden. Nur in diesem Umfang besteht ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Befreiung gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV. Mit der Erteilung der Befreiung ist der Festsetzungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides für den Monat September 2014 von dem Beklagten aufzuheben (s. unter II. 1. b)). 35 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-8,24.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 8/2019 vom 24.01.2019 EN Zum Anspruch eines Grundstückseigentümers auf Anordnung eines Parkverbots auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), wonach auf „schmalen Fahrbahnen"" das Parken auch gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten verboten ist, den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots genügt. Der Kläger beantragte im September 2012 bei der Beklagten, auf der seiner Garage gegenüber liegenden Straßenseite ein Parkverbot einzurichten. Bei einer Straßenbreite von 5,5 m verbleibe, wenn dort ein Fahrzeug abgestellt werde, nur noch eine Restbreite von 3,5 m. Damit sei ihm eine Ausfahrt aus seiner Garage nicht ohne Kollisionsrisiko möglich. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach einer Ortsbesichtigung mit Durchführung eines Fahrversuchs ab, bei dem der Kläger nach dreimaligem Rangieren auf die Straße ausfahren konnte. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht darauf stützen, dass es sich hier um eine „schmale Fahrbahn"" i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO handele. Diese Vorschrift sei verfassungswidrig und nichtig, da der Begriff der „schmalen Fahrbahn"" nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen genüge. Ebenso wenig könne der Kläger ein behördliches Einschreiten nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO aus sonstigen Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs verlangen. Das setze voraus, dass er durch das Parken an der Benutzung seiner Garage gehindert oder dabei jedenfalls erheblich behindert würde. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Der Kläger müsse sich entgegenhalten lassen, dass er die Zufahrt zu seiner Garage abschüssig ausgestaltet habe. Wegen der Befestigung der Seitenränder könne er beim Herausfahren aus der Garage nicht frühzeitig das Lenkrad einschlagen und den daneben auf dem Grundstück liegenden Stellplatz nicht als Rangierfläche mitbenutzen. Eine bauliche Umgestaltung sei ihm mit zumutbarem Aufwand möglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil verstößt zwar gegen Bundesrecht, soweit das Berufungsgericht § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz für nichtig hält. Ausgehend von Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Fahrbahn schmal, wenn das Parken gegenüber der Grundstücksein- und -ausfahrt deren Benutzung in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würde; das ist bei Fahrbahnen mit einer Breite von 5,50 m in der Regel nicht der Fall. Im Ergebnis stellt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts hiernach als richtig dar. Die Fahrbahn ist im Bereich der Grundstückszufahrt 5,50 m breit. Sie ist auch nicht deshalb als schmal zu beurteilen, weil die Zufahrt zur Garage des Klägers abgesenkt ist und das Ein- und Ausfahren dadurch erschwert wird. Auch unter Berücksichtigung dieser, in den Verantwortungsbereich des Klägers fallenden Umstände wird die Benutzung der Zufahrt nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Kläger kann für das Ein- und Ausfahren den Gehweg mit einer Breite von 1,15 m als Rangier- und Verkehrsfläche nutzen. Bei den im Verwaltungsverfahren und vom Verwaltungsgericht durchgeführten Ortsterminen mit Fahrprobe konnte er mit einem jeweils dreimaligen Rangieren ohne Schäden am eigenen oder anderen Fahrzeugen auf die Straße ausfahren. Ein solches dreimaliges Rangieren ist ihm unter den hier gegebenen Umständen zumutbar. Fußnote: § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO lautet wie folgt: Das Parken ist unzulässig vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber. BVerwG 3 C 7.17 - Urteil vom 24. Januar 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 5 S 1044/15 - Urteil vom 08. März 2017 - VG Karlsruhe, 3 K 1720/13 - Urteil vom 31. Juli 2014 -","Urteil vom 24.01.2019 - BVerwG 3 C 7.17ECLI:DE:BVerwG:2019:240119U3C7.17.0 EN Begriff der ""schmalen Fahrbahn"" in § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO genügt den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots Leitsätze: 1. Die Regelung des § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO, wonach das Parken auf schmalen Fahrbahnen auch gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten verboten ist, genügt den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots. 2. Nach dem Sinn und Zweck von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ist eine Fahrbahn dann ""schmal"" im Sinne dieser Regelung, wenn der Berechtigte bei einem Parken von Fahrzeugen auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite daran gehindert oder unzumutbar dabei behindert wird, in das Grundstück ein- oder von dort auszufahren. 3. Orientierungswert für die Einordnung einer Fahrbahn als ""schmal"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ist die Unterschreitung einer Fahrbahnbreite von 5,50 m. Die abschließende Einordnung hängt von den für den Betroffenen erkennbaren Umständen des Einzelfalls ab, etwa der Breite eines zum Ein- und Ausfahren zusätzlich zur Fahrbahn nutzbaren Gehwegs und der Übersichtlichkeit und Verkehrsbedeutung der Straße. Rechtsquellen GG Art. 20 Abs. 3 StVO § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2, § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 1 Instanzenzug VG Karlsruhe - 31.07.2014 - AZ: VG 3 K 1720/13 VGH Mannheim - 08.03.2017 - AZ: VGH 5 S 1044/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.01.2019 - 3 C 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:240119U3C7.17.0] Urteil BVerwG 3 C 7.17 VG Karlsruhe - 31.07.2014 - AZ: VG 3 K 1720/13 VGH Mannheim - 08.03.2017 - AZ: VGH 5 S 1044/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Anordnung eines Parkverbots auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite. 2 Sein Grundstück ist mit einem Wohnhaus und an der Grenze zum Nachbargrundstück mit einer Garage bebaut. Diese Garage liegt etwas zurückversetzt von der Straße und wird durch eine leicht abschüssige Zufahrt erschlossen. Die Bebauung des Grundstücks mit Wohnhaus und Garage erfolgte auf der Grundlage des Kenntnisgabeverfahrens (§ 51 LBO BW); die dem Bauantrag beigefügten Lagepläne und Schnitte sahen keine abschüssige Garagenzufahrt vor. 3 Im September 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, auf der seiner Garage gegenüber liegenden Straßenseite ein Parkverbot einzurichten. Dort würden Fahrzeuge eng hintereinander geparkt, so dass er nur mit Hilfe einer weiteren Person risikolos aus seiner Garage ausfahren könne. Es sei bereits zu Sachschäden an seinem und einem weiteren Fahrzeug gekommen. 4 Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach einem Ortstermin mit Fahrversuch des Klägers ab. Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Parkverbots nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO lägen nicht vor. Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne dieser Regelungen seien nicht ersichtlich. Die Straße sei gut einsehbar und verlaufe gerade. Es handele sich auch nicht um eine ""schmale Fahrbahn"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO. Der Fahrversuch habe gezeigt, dass der Kläger bei frühzeitigem Einschlagen des Lenkrads mit einem maximal zweimaligen Rangieren in die Garage ein- und aus ihr herausfahren könne. Außerdem könne der Kläger die Ein- und Ausfahrt durch bauliche Umgestaltungen auf seinem Grundstück verbessern. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe zurück. 5 Seine Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe abgewiesen, das einen Augenscheintermin mit einem weiteren Fahrversuch des Klägers durchgeführt hat. Zur Begründung heißt es: Die Fahrbahn sei nicht schmal im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO. Diese Einordnung entziehe sich einer allgemeingültigen Beantwortung und einer Grenzziehung durch feste Maßangaben; sie hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen sei auf den Zweck der Vorschrift, der darin liege, die bestimmungsgemäße Nutzung von Grundstücksein- und -ausfahrten zu schützen. Damit komme es nicht nur auf die Breite der Fahrbahn selbst an, vielmehr seien auch weitere Umstände zu beachten, wie etwa die Breite des parkenden Fahrzeugs, die Beschaffenheit und Größe der Grundstückszufahrt, der außerhalb der Fahrbahn zur Verfügung stehende Raum sowie die Abmessungen des die Zufahrt benutzenden Fahrzeugs. Die Nutzer müssten gewisse Unbequemlichkeiten in Kauf und deshalb hinnehmen, durch ein gegenüber der Zufahrt geparktes Fahrzeug zu mäßigem Rangieren gezwungen zu sein. Ausgehend davon liege hier keine schmale Fahrbahn vor. Sie sei 5,50 m breit; parke gegenüber der Grundstückszufahrt ein Pkw, verblieben noch 3,60 m. Zu berücksichtigen sei außerdem der Gehweg mit einer Breite von 1,15 m. Die damit zur Verfügung stehenden 4,75 m reichten aus, um mit einem Pkw heute üblicher Größe ohne übermäßiges Rangieren in die Garage ein- und ausfahren zu können. Der Kläger habe beim Augenscheintermin mit einem dreimaligen Rangieren auf die Straße fahren können. Zwar gebe es in der Rechtsprechung Stimmen, die die Zumutbarkeitsschwelle bereits dann überschritten sähen, wenn für einen durchschnittlichen Fahrer mehr als ein- oder zweimaliges Vor- und Zurücksetzen des Fahrzeugs erforderlich werde. Diese Betrachtungsweise sei bei dem heutigen Straßenverkehr und dem herrschenden Parkdruck aber zu starr; je nach den örtlichen Verkehrsverhältnissen sei auch ein dreimaliges Rangieren noch verkehrsadäquat. Im Übrigen habe die Kammer beim Augenschein den Eindruck gewonnen, ein durchschnittlich geübter Fahrer könne das Ausfahren auch mit zweimaligem Rangieren bewerkstelligen. 6 Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Das Verwaltungsgericht habe die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Neubescheidung komme nur § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Satz 1 StVO in Betracht. Gründe der Sicherheit und Ordnung, die eine Beschränkung des Straßenverkehrs gegenüber der Garagenzufahrt des Klägers erforderten, lägen nicht vor. Aus § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ergebe sich kein Parkverbot. Der dort verwendete Begriff der ""schmalen Fahrbahn"" genüge nicht den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsnormen. Die Regelung sei insoweit verfassungswidrig und daher nichtig. Das Bestimmtheitsgebot verlange, gesetzliche Regelungen so zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage so konkret erkennen könne, dass er sein Verhalten danach ausrichten könne. Das sei hier nicht der Fall. Die Straßenverkehrs-Ordnung enthalte keine Legaldefinition des Begriffs ""schmal"". Auch die Normbegründung sei unergiebig. Die Verwendung des Begriffs in § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO und das Merkmal der ""engen Straßenstellen"" in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO vermittelten wegen des unterschiedlichen Schutzzwecks ebenfalls nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Dem Bestimmtheitserfordernis werde auch nicht genügt, weil der Begriff mittlerweile durch die Rechtsprechung die erforderliche Konturierung erhalten hätte. Gemeinsam sei den Entscheidungen, dass eine Fahrbahn dann als ""schmal"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO angesehen werde, wenn wegen eines auf der gegenüber liegenden Straßenseite geparkten Fahrzeugs ein Rangieren erforderlich sei, um die Garagenzufahrt benutzen zu können. Dabei gehe jedoch die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nach der das Parkverbot des § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO bereits greife, wenn mehr als ein einmaliges Rangieren erforderlich werde, von einem deutlich strengeren Maßstab aus als die Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie lasse mit einem zwei- oder dreimaligen Rangieren deutlich mehr Rangiervorgänge zu, bevor sie eine Fahrbahn als ""schmal"" einstufe. Weise die Rechtsprechung solche Divergenzen auf, könne nicht von einer durch sie herbeigeführten Konkretisierung gesprochen werden. Dass das Parkverbot bußgeldbewehrt sei, erhöhe die Bestimmtheitsanforderungen. Gründe der Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ergäben sich auch nicht auf der Grundlage einer Würdigung des Einzelfalls. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass für den Kläger Erschwernisse beim Ein- und Ausfahren seines 4,92 m langen und 1,86 m breiten Fahrzeugs in und aus seiner Garage bestünden. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sei die nutzbare Rangierfläche bei einem parkenden Fahrzeug nur 4,75 m breit. Der Kläger müsse sich aber entgegenhalten lassen, dass er die Zufahrt zu seiner Garage abschüssig ausgestaltet habe. Das sei von erheblichem Gewicht. Nach den Bauakten sei eine abschüssige Ausführung nicht vorgesehen gewesen. Die veränderte Bauweise bedinge eine Befestigung des Seitenrands des Gehwegs, der zum Haus des Klägers führe; sie beschränke erheblich die Möglichkeit, beim Ein- und Ausfahren aus der Garage frühzeitig einzuschlagen und den neben der Garage liegenden Pkw-Stellplatz des Klägers als Rangierfläche zu nutzen. Der Kläger könnte seine Garagenzufahrt in zumutbarer Weise verbreitern. Danach rechtfertigten auch die weiteren Umstände nicht die Annahme eine unzumutbare Beeinträchtigung seiner öffentlich-rechtlich geschützten Interessen. 7 Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend: Die Beklagte sei zur Anordnung eines Parkverbots verpflichtet. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO verletze das Bestimmtheitsgebot und sei deshalb unwirksam, verstoße gegen Bundesrecht. Außerdem habe das Berufungsgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, denn es habe ihm im Berufungsurteil erstmals und überraschend die Umgestaltung seines Grundstücks nahe gelegt. Überdies hätte das Berufungsgericht eine Ortsbesichtigung mit standardisiertem Fahrversuch durchführen müssen. Sie hätte ergeben, dass es sich um eine schmale Fahrbahn handele. Das sei anzunehmen, wenn - wie hier - für das Ausfahren aus dem Grundstück mehr als nur mäßig rangiert werden müsse. Ein dreimaliges Rangieren sei nicht verkehrsadäquat, zumal zu berücksichtigen sei, dass er durch andauernde Praxis mittlerweile überdurchschnittliche Fertigkeiten erworben habe. Es sei schon mehrfach zu Schäden an seinem und an fremden Fahrzeugen gekommen. Aufgrund der fehlerhaften Anwendung von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO habe das Berufungsgericht auch mit Blick auf § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO verkannt, dass Gründe der Sicherheit und Ordnung ein Parkverbot erforderten. Gegenüber seiner Garagenausfahrt parkten die Fahrzeuge - anders als bei dem erstinstanzlich durchgeführten Ortstermin - häufig mit Abstand zur Bordsteinkante. Vor allem zu den Zeiten, zu denen er üblicherweise ein- oder ausfahren wolle, komme es zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Unberücksichtigt sei geblieben, wie sich das Ein- und Ausfahren bei Dunkelheit und schlechtem Wetter gestalte. Fehlerhaft sei das angegriffene Urteil auch, soweit er auf die Heranziehung eines Einweisers verwiesen werde. Ihm stehe nicht immer jemand zur Verfügung. Ebenso wenig müsse er sich entgegenhalten lassen, dass er seine Einfahrt mit zumutbarem Aufwand umgestalten könne. 8 Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Für einen Normadressaten, der sein Fahrzeug gegenüber der Zufahrt des Klägers parken wolle, sei nicht genau erkennbar, ob es dadurch zu einer Behinderung komme und es sich damit um eine ""schmale Fahrbahn"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO handele. Sei diese Regelung aber unbestimmt und verfassungswidrig, könne auf sie weder eine Sanktion noch die Forderung nach der Einrichtung eines Parkverbots gestützt werden. Der Kläger habe auch sonst keinen Anspruch auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Ihm sei zuzumuten, mit den gegebenen Umständen zu Recht zu kommen. 9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO genüge den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots, sein Anwendungsbereich lasse sich mit einer Auslegung nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck bestimmen. Im vorliegenden Fall handele es sich um keine ""schmale Fahrbahn"". Dem Begriff liege auch mit Blick auf den gebotenen Interessenausgleich ein wertendes Element zugrunde, das je nach Situation eine unterschiedliche Auslegung erfordere. Die maßgebliche Zahl der zumutbaren Rangiervorgänge hänge von den örtlichen Umständen ab. Hierzu gehörten das Verkehrsaufkommen und die Sichtverhältnisse. Außerdem sei zu berücksichtigen, welche Fahrzeuge die Zufahrt nutzten; bei Lkw's sei nur eine geringere Zahl von Rangiervorgängen zumutbar. Ausgehend davon sei dem Kläger ein dreimaliges Rangieren noch zuzumuten. Die Straße sei gut einsehbar und nicht stark frequentiert. Auch bei einem dreimaligen Rangieren seien eine Gefährdung Dritter und eine Staubildung ausgeschlossen. II 10 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), soweit es annimmt, § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO sei wegen mangelnder Bestimmtheit der Norm verfassungswidrig und daher nichtig. Doch stellt sich die angegriffene Entscheidung selbst aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anordnung eines Parkverbots. Die Straße im Bereich der Garagenzufahrt des Klägers weist weder eine ""schmale Fahrbahn"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO auf noch bestehen ansonsten Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, die zu der vom Kläger begehrten erneuten Entscheidung über die Anordnung eines Parkverbots führen. 11 1. Rechtsgrundlage für die vom Kläger angestrebte Anordnung eines Parkverbots ist § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geltenden Fassung dieser Vorschriften. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Bei dem begehrten Parkverbot handelt es sich um eine den Verkehr beschränkende Maßnahme im Sinne dieser Regelung. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. 12 Diese Ermächtigung ist zwar primär auf den Schutz der Allgemeinheit gerichtet, sie dient aber auch den privaten Interessen des Straßenanliegers an einer ungehinderten Nutzung seiner Grundstücksein- und -ausfahrt (BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1971 - 7 C 48.69 - BVerwGE 37, 112 <114 f.> und vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 - BVerwGE 74, 234 <235 f.>). Die Zugänglichkeit und damit die Möglichkeit der bestimmungsgemäßen Benutzung einer Grundstücksein- und -ausfahrt gehört zu dem durch die Straßenverkehrs-Ordnung geregelten und in Bezug auf Sicherheit und Ordnung geschützten öffentlichen Straßenverkehr. Nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ist das Parken unzulässig vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber. Mit dieser Regelung erkennt das Straßenverkehrsrecht ausdrücklich das individuelle Interesse des Straßenanliegers an der Zugänglichkeit seiner Grundstücksein- und -ausfahrt als verkehrsrechtlich schutzwürdig an. Der Straßenanlieger hat einen Anspruch darauf, dass die Straßenverkehrsbehörde bei der Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens seine Belange berücksichtigt. 13 Eine entsprechende Ermessensentscheidung ist der Straßenverkehrsbehörde erst dann eröffnet, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, also Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne dieser Bestimmung vorliegen. 14 Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs für die Anordnung eines Parkverbots liegen vor, wenn es sich im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers um eine ""schmale Fahrbahn"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO handelt und somit bereits kraft dieser Regelung ein Parkverbot für die der Zufahrt gegenüber liegende Straßenseite besteht, dieses normativ angeordnete Parkverbot aber nicht hinreichend erkennbar wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971 - 7 C 48.96 - BVerwGE 37, 112 <115>) oder aber von den Parkraum suchenden Verkehrsteilnehmern nicht hinreichend beachtet würde (2.). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO wären außerdem erfüllt, wenn unabhängig davon sonstige Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs für ein durch straßenverkehrsbehördliche Ermessensentscheidung anzuordnendes Parkverbot streiten würden (3.). 15 2. Gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ist auf schmalen Fahrbahnen das Parken auch gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten unzulässig. Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen dieses Verbot ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO). 16 a) Die Regelung des § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 20 Abs. 3 GG; sie ist daher entgegen dem Berufungsgericht rechtswirksam. Die gebotene Konkretisierung des Begriffs der ""schmalen Fahrbahn"" wird zwar noch nicht anhand des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des Regelungszusammenhangs ermöglicht, in dem diese Norm steht (aa). Die von Verfassungs wegen erforderliche Bestimmtheit vermittelt aber eine Auslegung anhand des Sinns und Zwecks der Vorschrift (bb). 17 aa) Eine Legaldefinition des in § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO verwendeten Begriffs der ""schmalen Fahrbahn"" enthält die Straßenverkehrs-Ordnung nicht. Dem allgemeinen Wortsinn nach bedeutet ""schmal"" so viel wie ""nicht breit"", ""von geringer Breite oder Ausdehnung"". Das allein führt aber noch zu keiner ausreichenden Konkretisierung für die von dem dort normativ angeordneten Parkverbot betroffenen Fahrzeugführer, die es zu beachten haben, und die Behörden und Gerichte, denen es obliegt, eine Zuwiderhandlung zu ahnden. 18 Ebenso wenig gibt die Begründung des Verordnungsgebers näheren Aufschluss darüber, was er mit dem von ihm verwendeten Begriff ""schmal"" genau meint. Er hat mit § 12 Abs. 3 Nr. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) die bisherige Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 5 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 13. November 1937 (RGBl. I S. 1179) abgelöst und erweitert; nach dieser Vorgängerregelung war das Parken (nur) vor Grundstücksein- und -ausfahrten nicht zulässig. Zu § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO heißt es in der amtlichen Begründung lediglich: ""Das bisherige Verbot wird, weil unerlässlich, erweitert. Es braucht in der Verordnung nicht gesagt werden, was unter einer schmalen Fahrbahn zu verstehen ist, weil der Zweck der Norm auf der Hand liegt"" (VkBl. 1970, 808). 19 Aus anderen Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung, die - wie § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO - ebenfalls den Begriff der ""schmalen"" Fahrbahn oder aber - wie § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO - einen zumindest ähnlichen Begriff enthalten, lässt sich kein hinreichend sicherer Aufschluss für die Auslegung von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO gewinnen. 20 Nach § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO muss auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Dabei (""jedoch"") handelt es sich um eine Verschärfung der nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO zu beachtenden (generellen) Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit; nach Satz 4 darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Doch betrifft die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO anders als § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVG den fließenden Verkehr; geschützt werden sollen durch eine an die geringe Fahrbahnbreite anzupassende Geschwindigkeit entgegenkommende Fahrzeuge. Dementsprechend ist entscheidend dafür, wann eine Fahrbahn im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO als ""schmal"" einzustufen ist, in erster Linie die Breite der sich auf dieser Fahrbahn begegnenden Fahrzeuge. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 StVZO darf die höchstzulässige Breite bei Kraftfahrzeugen und Anhängern nach Nr. 1 allgemein 2,55 m und nach Nr. 5 bei Personenkraftwagen 2,50 m nicht überschreiten. Daraus ergibt sich bei zwei Fahrzeugen mit der höchstzulässigen Fahrzeugbreite zuzüglich eines Sicherheitsabstands von 0,50 m zur Ermöglichung eines gefahrlosen Begegnungsverkehrs mit 5,50 m eine Fahrbahnbreite, bei deren Unterschreitung ausgehend vom Schutzzweck Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um eine ""schmale Fahrbahn"" handelt (in diesem Sinne etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. Dezember 1977 - 1 U 210/77 [ECLI:​DE:​OLGKARL:​1977:​1207.1U210.77.0A] - VRS 55, 249). Für § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO sind aber mit Blick auf dessen abweichenden Schutzzweck, die Nutzung einer Grundstücksein- und -ausfahrt zu gewährleisten, neben der Fahrbahnbreite noch weitere Gesichtspunkte von Bedeutung. So kann die Nutzung einer Grundstückszufahrt auch bei einer unter 5,50 m breiten Fahrbahn noch hinreichend leicht möglich sein, etwa wenn hierfür außer der Fahrbahn selbst noch weitere Verkehrs- und Rangierflächen zur Verfügung stehen. 21 Für die Präzisierung des Begriffs der ""schmalen Fahrbahn"" in § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO führt auch ein Blick auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO nicht weiter, wonach das Halten an engen und an unübersichtlichen Straßenstellen unzulässig ist. Bereits der Umstand, dass der Normgeber im selben Paragraphen der Straßenverkehrs-Ordnung unterschiedliche Begriffe verwendet hat, deutet darauf hin, dass die Begriffe der ""schmalen Fahrbahn"" in § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO und der ""engen Straßenstelle"" im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO nicht deckungsgleich sind (so auch Müther, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 12 StVO Rn. 43; Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 12 StVO Rn. 47). Hinzu kommt auch hier der von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO abweichende Schutzzweck des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO; dieses Haltverbot soll ausreichenden Raum für den fließenden Verkehr sicherstellen (vgl. Heß a.a.O.). Dementsprechend greifen auch in Bezug auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO die Einwände, die im Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO bereits dargestellt wurden. 22 bb) Doch führt eine Auslegung anhand des Sinns und Zwecks von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO zu einer den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots genügenden Konkretisierung des Begriffs der ""schmalen Fahrbahn"". Seit der Einfügung des zweiten Halbsatzes durch die Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 und damit seit knapp 50 Jahren hatten die Gerichte der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit den Begriff der ""schmalen Fahrbahn"" in § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO häufig auszulegen und die Bestimmung anzuwenden. Bislang waren weder die damit befassten Gerichte noch die Literatur zu der Auffassung gelangt, dass diese Regelung wegen mangelnder Bestimmtheit verfassungswidrig sei. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte dies in seinen vorangegangenen Entscheidungen ebenfalls nicht angenommen (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 26. April 2002 - 5 S 108/02 [ECLI:​DE:​VGHBW:​2002:​0426.5S108.02.0A] - VRS 104, 71). Auch der erkennende Senat hat bis dato keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung geäußert, sie vielmehr für anwendbar gehalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1997 - 3 B 129.97 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 36). Daran ist festzuhalten. 23 (1) Nach dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Bestimmtheitsgebot müssen gesetzliche Regelungen - und ebenso Rechtsverordnungen wie die hier zu beurteilende Straßenverkehrs-Ordnung - so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag. Die Anforderungen an die Normenklarheit sind dann erhöht, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 [ECLI:​DE:​BVerfG:​2003:​ls20030409.1bvl000101] - BVerfGE 108, 52 <75> m.w.N.). Das Gebot hinreichender Bestimmtheit zwingt den Gesetzgeber indes nicht dazu, den Tatbestand mit genau fassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es liegt in der ihm bei der Normsetzung eingeräumten Gestaltungsfreiheit, auch unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1989 - 1 BvL 35/86 - BVerfGE 80, 103 <108>). Dies kann notwendig werden, um der sonst nicht zu bewältigenden Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1955 - 1 BvL 120/53 - BVerfGE 4, 352 <358> und vom 22. Juni 1960 - 2 BvR 125/60 - BVerfGE 11, 234 <237>). Umgekehrt ist der Normgeber gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung nimmt ihr noch nicht die Bestimmtheit, die der Rechtsstaat fordert (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 - 1 BvR 520/83 - BVerfGE 78, 214 <226>); die Ausfüllung ist eine herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1989 - 1 BvL 35/86 - BVerfGE 80, 103 <108> m.w.N.). 24 Für den nach dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu fordernden Grad an Bestimmtheit ist von Bedeutung, dass die Straßenverkehrs-Ordnung der Regelung von Massenvorgängen dient und mit ihren rechtlichen Vorgaben einer Vielzahl unterschiedlicher Situationen und Einzelumstände Rechnung tragen muss. Damit erweist sich die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen als unverzichtbar (vgl. etwa König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, Einleitung Rn. 78 mit weiteren Beispielen). Bereits die amtliche Begründung zur Straßenverkehrs-Ordnung weist darauf hin, dass in diesem Regelwerk zwar grundsätzlich einfache, der Allgemeinheit geläufige Begriffe verwendet werden sollten, unerläuterte, abstrakte Begriffe freilich nicht gänzlich zu vermeiden seien (VkBl. 1970, 797 <799>). 25 Hinzu kommt, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO nicht einseitig die Belange desjenigen schützt, der eine Grundstückszufahrt bestimmungsgemäß in berechtigter Weise nutzen will. Bei der Auslegung von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO sind vielmehr dieses Interesse des Grundstückseigentümers und weiterer Berechtigter an der Nutzung der Grundstückszufahrt mit dem Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Ausgleich zu bringen, die der Grundstückszufahrt gegenüber liegende Straßenseite als Parkmöglichkeit zu nutzen. Damit liegt dem Begriff der ""schmalen Fahrbahn"" ein wertendes Element zugrunde, das je nach der konkreten Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (so auch OVG Münster, Urteil vom 8. März 1993 - 13 A 403/92 - juris Rn. 30 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Februar 1980 - 1 Ws [B] 26/80 OWiG [ECLI:​DE:​OLGHE:​1980:​0218.1WS.B26.80OWIG.0A] - VRS 58, 368 <370 f.> jeweils m.w.N.). 26 (2) Der Sinn und Zweck des durch § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unmittelbar normativ angeordneten Parkverbots liegt darin sicherzustellen, dass die Berechtigten, also der Grundstückseigentümer und sonstige ""Anlieger"" (etwa Mieter oder Kunden bei Gewerbebetrieben), die Grundstückszufahrt in zumutbarer Weise bestimmungsgemäß nutzen können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 1971 - 4 StR 535/70 - BGHSt 24, 111 ). Ausgehend davon ist eine Fahrbahn dann ""schmal"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO, wenn der Berechtigte bei einem Parken von Fahrzeugen auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite daran gehindert oder in erheblichem Maße behindert wird, in das Grundstück ein- oder von dort auszufahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971 - 7 C 48.69 - BVerwGE 37, 112 <115 f.>). 27 In diesem Verständnis vom Sinn und Zweck der Regelung besteht grundsätzliche Übereinstimmung in Rechtsprechung und Literatur. Die Rechtsprechung der Bußgeldsenate bei den Oberlandesgerichten macht die Einordnung einer Fahrbahn als ""schmal"" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO davon abhängig, ob der Berechtigte die Grundstücksein- und -ausfahrt noch unter einem mäßigen Rangieren benutzen kann; ein mäßiges Rangieren wird mit Blick auf die zunehmende Parkraumnot als zumutbar erachtet, hingegen ein ""schwieriges Rangieren"" nicht mehr (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13. April 1978 - 4 Ss OWi 1962/77 - VRS 55, 459 <460>; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Februar 1980 - 1 Ws [B] 26/80 OWiG - VRS 58, 368 <372>; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. Februar 1994 - Ss [Z] 227/93 [ECLI:​DE:​OLGSL:​1994:​0225.SS.Z227.93.0A] - VRS 87, 225 <226>). Dem dort verwendeten Abgrenzungsmerkmal eines ""mäßigen"" oder ""schwierigen"" Rangierens liegt aber keine andere Herangehensweise zugrunde als bei der Schwelle der ""erheblichen Behinderung"", die die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verwendet. 28 (3) Auf dieser Grundlage ist eine Konkretisierung des Begriffs der ""schmalen Fahrbahn"" möglich, die dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis gerecht wird. Als Orientierungswert kann davon ausgegangen werden, dass eine Fahrbahnbreite von mindestens 5,50 m nicht ""schmal"" ist. 29 Das folgt zum einen aus dem - bereits dargestellten - Umstand, dass nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StVZO die höchstzulässige Breite bei Personenkraftwagen 2,50 m nicht überschreiten darf. Das macht bei Hinzurechnung eines Sicherheitsabstands von rund 0,50 m für die Ermöglichung eines reibungslosen Begegnungsverkehrs eine Breite der Fahrbahn von 5,50 m erforderlich (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. Dezember 1977 - 1 U 210/77 - VRS 55, 249 <250>). Zum gleichen Orientierungswert führt die Erwägung, dass ein Kraftfahrzeug bei dem zum Ausfahren aus dem Grundstück erforderlichen Einbiegen auf die Fahrbahn und ebenso beim Einfahren von der Fahrbahn in das Grundstück regelmäßig den halben Wendekreis benötigt, der bei einem Pkw meistens bei etwa 11 m liegt (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 12 StVO Rn. 47). 30 Allerdings kann dieser Orientierungswert nicht absolut gesetzt werden. Soweit als dessen Ausgangspunkt die höchstzulässige Fahrzeugbreite herangezogen wird, bleibt ansonsten außer Acht, dass für den Platzbedarf beim Ein- und Ausfahren ebenso auch der Wendekreis und die Länge des betreffenden Fahrzeugs von Bedeutung sind. Und auch ein schematisches Abstellen auf den halben Wendekreis greift zu kurz, weil zusätzlich u.a. zu berücksichtigen ist, inwieweit bereits auf dem Grundstück selbst zum Einbiegen auf die Fahrbahn angesetzt werden kann (vgl. Heß a.a.O.). 31 Daher sind für die Auslegung von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO nach dem Sinn und Zweck der Regelung für die Einstufung einer Fahrbahn als ""schmal"" neben diesem Orientierungswert die weiteren örtlichen Verhältnisse von Bedeutung, die sich auf die Leichtigkeit und Sicherheit der Nutzung einer Grundstückszufahrt auswirken (so die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung; ebenso - bis auf das Berufungsurteil - auch die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 11 CS 05.13 29 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​2005:​1221.11CS05.1329.0A] - juris Rn. 39; OVG Münster, Urteil vom 8. März 1993 - 13 A 403/92 - juris Rn. 26; Molketin, NZV 2000, 147 <148>). Da es sich bei § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO um ein normativ angeordnetes Parkverbot handelt, das auch ohne zusätzliche Anbringung von Verkehrszeichen zu beachten ist, sind allerdings nur solche Umstände berücksichtigungsfähig, die für den Betroffenen, der sein Fahrzeug gegenüber einer Grundstückszufahrt parken will, auch erkennbar sind. 32 Einzubeziehen in die Bewertung ist deshalb neben der Breite der Fahrbahn auch die für ein Ein- und Ausfahren nutzbare Fläche eines vor der Grundstückszufahrt verlaufenden Gehwegs. Zwar sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO von Fahrzeugen die Fahrbahnen zu nutzen und der Gehweg ist - wie schon der Name sagt - keine Fahrbahn. Doch lässt das Straßenverkehrsrecht die Benutzung des Gehwegs aus verkehrsbedingten Gründen zu, wie etwa zum Ein- und Ausfahren an Grundstücken (s. u.a. Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 2 StVO Rn. 21 m.w.N.; vgl. auch VGH München, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 11 CS 05.13 29 - juris Rn. 46). Ein Gehweg darf unter Durchbrechung des sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO ergebenden Grundsatzes überfahren werden, wenn ein Grundstück nur auf diese Weise mit Fahrzeugen zu erreichen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 1985 - 4 StR 766/84 - BGHSt 33, 278 <281> und vom 4. März 1971 - 4 StR 535/70 - BGHSt 24, 111 ). 33 Zu Unrecht meint der Kläger, er müsse sich nicht auf das Fahren über den Bürgersteig verweisen lassen und ebenso wenig auf ein Rangieren, da § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO eine geradlinige Ausfahrt schütze. Hierfür stützt er sich auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. November 1989 - 5 Ss [OWi] 438/89 - (VRS 78, 367). Dieser Beschluss enthält zwar die Aussage, dass § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO die geradlinige Zufahrt zum Grundstück schütze und sich der Benutzer der Einfahrt nicht auf das Ein- oder Ausfahren über andere Flächen, etwa den Bürgersteig, verweisen lassen müssen (a.a.O. S. 368). Doch bezieht sich dies auf eine gänzlich abweichende Fallgestaltung. In jenem Fall war nicht gegenüber, sondern direkt vor der Grundstückszufahrt geparkt worden. Gemeint hat das Oberlandesgericht somit, dass vom Nutzer der Zufahrt nicht verlangt werden kann, dass er auf dem Bürgersteig um das vor der Zufahrt geparkte Fahrzeug herumfahre. Für den hier zu entscheidenden Fall des Parkens auf der der Zufahrt gegenüber liegenden Straßenseite und eines stets notwendigen Überquerens des Gehweges, um von der Garage auf die Fahrbahn gelangen zu können, kann der Kläger aus dieser Aussage des Oberlandesgerichts Düsseldorf daher nichts für sich gewinnen. 34 Neben einem für das Ein- und Ausfahren nutzbaren Gehweg sind nach dem Sinn und Zweck von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO auch die weiteren Verkehrsflächen in die Betrachtung einzubeziehen, die dem Benutzer hierfür zur Verfügung stehen, also etwa die Breite und Tiefe der Grundstückszufahrt selbst sowie weiterer Flächen, soweit sie ein Rangieren des Ein- oder Ausfahrenden bereits auf dem eigenen Grundstück ermöglichen. 35 Soweit für notwendig werdende Rangiervorgänge auch die Fahrbahn selbst und damit der öffentliche Straßenraum in Anspruch genommen wird, ist außerdem die Übersichtlichkeit der Straße von Bedeutung. Ist die Fahrbahn im Bereich der Grundstückszufahrt gerade und übersichtlich, ist wegen der dadurch verringerten Unfallgefahr ein (weiteres) Rangieren eher zumutbar, als das bei einer unübersichtlichen Streckenführung der Fall ist (so - wie das Berufungsgericht - auch VGH München, Beschluss vom 2. August 2012 - 11 ZB 12.19 9 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​2012:​0802.11ZB12.199.0A] - juris Rn. 20). Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die Verkehrsfunktion und -bedeutung der Straße, auf die die Grundstückszufahrt führt. Findet dort dichter Durchgangsverkehr statt, führen Rangiervorgänge, für die auch die Fahrbahn selbst in Anspruch genommen werden muss, zu größeren Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs als dann, wenn es sich um eine Straße untergeordneter Verkehrsbedeutung, etwa um die Erschließungsstraße in einem Wohngebiet handelt. Die Zahl der zumutbaren Rangiervorgänge ist daher mit Blick auf die Pflicht der Verkehrsteilnehmer zur gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) im ersten Fall niedriger anzusehen als im zweiten Fall. Eine feste Höchstgrenze zumutbarer Rangiervorgänge kann insoweit nicht festgelegt werden. 36 Maßstab für die Zahl der für das Ein- oder Ausfahren in das oder aus dem Grundstück erforderlich werdenden Rangiervorgänge ist - wie auch sonst im Straßenverkehrsrecht - ein durchschnittlicher Kraftfahrer (so zu den Anforderungen an die Erkennbarkeit einer durch ein Verkehrszeichen verlautbarten Regelung nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz: BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 16; BGH, Urteil vom 8. April 1970 - III ZR 167/68 - NJW 1970, 1126 f.; unmittelbar zu § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO: VGH München, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 11 CS 05.13 29 - juris Rn. 45 und Urteil vom 12. Januar 1998 - 11 B 96.28 95 [ECLI:​DE:​BAYVGH:​1998:​0112.11B96.2895.0A] - VRS 95, 157 ; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. April 2002 - 5 S 108/02 - VRS 104, 71 ; Molketin, NZV 2000, 147 <148>). 37 Von einer erheblichen Behinderung der Nutzung einer Grundstückszufahrt im oben genannten Sinne ist auch dann auszugehen, wenn ein sicheres Ein- und Ausfahren in der Regel nur unter Hinzuziehung eines Einweisers möglich ist. Zwar hat sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StVO, wer aus einem Grundstück auf die Straße einfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Diese Vorschrift betrifft aber eine konkrete gefahrgeneigte Situation. Ihr kann nicht die Wertung entnommen werden, dass entsprechende Hilfestellungen einem Straßenanlieger grundsätzlich - also auch ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer - und dauerhaft zugemutet werden können. Im Übrigen bedeutete dies, dass ein Anlieger ohne Einweiser an der Nutzung seiner Zufahrt gehindert wäre. 38 b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Anliegerstraße im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers keine ""schmale"" Fahrbahn im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO. Infolge dessen besteht auf der gegenüber liegenden Straßenseite kein durch diese Vorschrift normativ angeordnetes Parkverbot. 39 aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich unter anderem auf die vom Verwaltungsgericht bei dessen Augenschein gewonnenen Erkenntnisse gestützt und dessen Feststellungen in Bezug genommen hat (UA S. 21 oben), ist die Fahrbahn im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers 5,50 m breit und damit für das Ein- und Ausfahren grundsätzlich ausreichend. Dass der Kläger hierbei gleichwohl unzumutbar behindert wird, wenn ein Fahrzeug auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Seite parkt, ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Die zum Ein- und Ausfahren nutzbare Verkehrsfläche weist dann noch eine Breite von 4,75 m auf (3,60 m verbleibende Fahrbahnbreite, zuzüglich der Breite des Gehwegs von 1,15 m). Festgestellt hat das Berufungsgericht darüber hinaus, dass es sich bei der Straße, auf die die Grundstückszufahrt des Klägers führt, um eine das Wohngebiet erschließende Straße von untergeordneter Bedeutung handele, bei der dichter Verkehr nicht zu erwarten sei; dies gelte selbst dann, wenn man mit dem Kläger davon ausgehe, dass in den Stoßzeiten morgens und abends erheblicher Verkehr vorhanden sein sollte (UA S. 22). Dass die Straße im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers gerade verläuft und gut einsehbar ist, ist unstreitig. Dem Kläger war es bei den beiden Fahrproben, die von ihm im Verwaltungsverfahren und im Rahmen des erstinstanzlichen Augenscheintermins durchgeführt wurden, jeweils möglich, bei einem auf der seiner Garagenzufahrt gegenüber liegenden Straßenseite geparkten Pkw mit einem dreimaligen Rangieren aus seiner Garage auf die Straße zu gelangen, ohne dass es zu Schäden an seinem oder einem anderen Fahrzeug kam. Schließlich hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger bei der Errichtung der Garage und seines Hauses, die nicht auf der Grundlage einer förmlichen Baugenehmigung, sondern nach dem Kenntnisgabeverfahren gemäß § 51 LBO BW erfolgt waren (UA S. 2), die Garagenzufahrt entgegen den Zeichnungen in den Bauakten abschüssig gestaltet hat. Diese veränderte Bauausführung hatte eine Befestigung des Seitenrandes des zum Haus des Klägers führenden Gehwegs zur Folge. Sie schränkt die Möglichkeit erheblich ein, beim Ein- und Ausfahren aus der Garage das Lenkrad frühzeitig einzuschlagen und den Pkw-Parkplatz neben der Garage als zusätzliche Rangierfläche zu nutzen (UA S. 21). 40 bb) Die vom Kläger hiergegen erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. 41 Das Berufungsgericht hat keinen Verfahrensfehler dadurch begangen, dass es nicht selbst einen weiteren Augenscheintermin durchgeführt hat. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben im Berufungsverfahren keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt; dem Berufungsgericht musste sich das Erfordernis eines solchen Augenscheintermins wegen des bereits vorliegenden umfangreichen Erkenntnismaterials - u.a. den Lageplänen, den Lichtbildern, dem Video des im Verwaltungsverfahren durchgeführten Fahrversuchs und dem Protokoll des durch das Verwaltungsgericht durchgeführten Augenscheintermins - auch nicht aufdrängen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1997 - 3 B 129.97 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 36). Ebenso wenig ergibt sich ein Verfahrensfehler daraus, dass der vom Kläger geforderte ""standardisierte Fahrversuch"" nicht durchgeführt wurde. Auch insoweit war seitens des Klägers im Berufungsverfahren kein förmlicher Beweisantrag gestellt worden; außerdem konnte der Kläger nicht aufzeigen, welche Standards für diesen Fahrversuch gelten sollten (vgl. UA S. 20). Eine entsprechende Beweiserhebung musste sich dem Berufungsgericht danach auch nicht aufdrängen. 42 Schließlich dringt der Kläger auch mit seiner Rüge nicht durch, das Berufungsgericht habe gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es ihm erst im Rahmen der Berufungsentscheidung nahe gelegt habe, eine bestimmte Umgestaltung seines Grundstücks vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um keinen für die Beteiligten überraschenden Gesichtspunkt, der deshalb eines vorherigen gerichtlichen Hinweises bedurft hätte. Die Beklagte hatte bereits im Ausgangsbescheid vom 28. Februar 2013 darauf abgestellt, dass die Ein- und Zufahrt durch bauliche oder sonstige Umgestaltungen auf dem Grundstück verbessert werden könne (S. 5 des Bescheids). Dasselbe Argument hatte auch Eingang in den Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2013 gefunden (dort ebenfalls S. 5). 43 cc) Nach diesen im Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, er werde bei einem auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite geparkten Fahrzeug in unzumutbarer Weise bei der Nutzung seiner Grundstückszufahrt behindert. 44 Zwar ist auch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass für den Kläger beim Ein- und Ausfahren seines 4,92 m langen und 1,86 m breiten Fahrzeugs in und aus seiner Garage Erschwernisse bestehen (UA S. 21). Doch war es ihm bei beiden Fahrversuchen jedenfalls mit einem dreimaligen Rangieren auch ohne einen Einweiser möglich, auf die Straße auszufahren, ohne Schäden am eigenen oder fremden Fahrzeugen zu verursachen. Damit ist dem Kläger eine Nutzung seiner Grundstückszufahrt möglich, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Die Grenze einer unzumutbaren Behinderung oder Erschwernis ist hier nicht erreicht. Mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse und die weiteren Umstände des Einzelfalls sind dem Kläger drei Rangiervorgänge noch zumutbar. Er hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die abschüssige Anlage seiner Garagenzufahrt selbst erheblich dazu beigetragen, dass sich die Benutzung seiner Zufahrt so schwierig gestaltet. Diese Erschwernisse liegen in seinem Verantwortungsbereich. Er kann sie daher nicht heranziehen, um - zu Lasten des der Allgemeinheit auf der Fahrbahn zur Verfügung stehenden Parkraums - eine für ihn bestehende unzumutbare Behinderung zu begründen. 45 Unzumutbare Erschwernisse ergeben sich für den Kläger auch nicht daraus, dass es in der Vergangenheit beim Ausparken schon zu Schäden an seinem und einem anderen Fahrzeug gekommen ist. Er macht auch selbst nicht geltend, dass ein Ein- und Ausfahren ohne Schadenseintritt gänzlich unmöglich ist. Vielmehr belegen die beiden vom Kläger erfolgreich absolvierten Fahrproben, dass ein schadensfreies Ausfahren auf die Straße bei vorsichtiger Fahrweise und umsichtigen Rangieren auch ohne einen Einweiser möglich ist. Der ""Verwertung"" dieser Fahrproben steht nicht entgegen, dass der Kläger durch andauernde und langjährige Praxis mittlerweile - wie er geltend macht - eine besondere Expertise und Routine beim Ausfahren entwickelt habe. Die gewonnene Fahrpraxis darf bei der im Rahmen von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO vorzunehmenden Wertung berücksichtigt werden. 46 Schließlich handelt es sich bei der Straße um eine das Wohngebiet erschließende Anliegerstraße untergeordneter Bedeutung, so dass auch bei drei Rangiervorgängen noch keine unangemessene Behinderung des fließenden Verkehrs auf der Fahrbahn entsteht. 47 3. Sonstige Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, die dem Kläger nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Anordnung eines Parkverbots vermitteln könnten, wurden von ihm nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. 48 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-81,07.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 81/2019 vom 07.11.2019 EN Berücksichtigung möglicher Gesundheitsrisiken bei der Abgrenzung von Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln Die behördliche Entscheidung über die Einstufung eines Produkts als Nahrungsergänzungs- oder als Arzneimittel erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken bei seiner Verwendung zu berücksichtigen sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und die Einstufung von zwei Ginkgo-Präparaten zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Klägerin beabsichtigt, zwei in Österreich hergestellte und dort als Nahrungsergänzungsmittel verkaufsfähige Produkte in Deutschland zu vertreiben. Beide enthalten Kapseln mit jeweils 100 mg  Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (GbE); nach der Verzehrempfehlung soll einmal täglich eine Kapsel eingenommen werden. Um Rechtssicherheit über die Zulässigkeit des Vertriebs in Deutschland zu erlangen, beantragte die Klägerin im Dezember 2009 beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Bestätigung der Verkehrsfähigkeit durch den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Das BVL lehnte den Antrag ab, weil für Produkte mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag von einer pharmakologischen Wirkung ausgegangen werden müsse und es sich daher um Arzneimittel handele. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts belegen wissenschaftliche Studien eine pharmakologische Wirkung von Produkten mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag. Sie beeinflussten die menschlichen physiologischen Funktionen positiv, indem sie in nennenswerter Weise die Blutviskosität verringerten und die zerebrale Perfusion in bestimmten Gehirnregionen verbesserten.   Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahme einer  pharmakologischen  Wirkung der streitgegenständlichen Produkte hat das Berufungsgericht zwar ohne Verstoß gegen revisibles Recht festgestellt. Zu Recht ist es dabei auch davon ausgegangen, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit für die Annahme der Arzneimitteleigenschaft eines Produkts nicht erforderlich ist; diese Anforderung gilt erst für die Zulassung eines Arzneimittels. Das Berufungsurteil hat es indes unterlassen, mögliche Gesundheitsrisiken in die Gesamtbetrachtung einzustellen. Liegen die Auswirkungen eines Produkts auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungs- und Arzneimittel, kommt dem Merkmal der Verwendungsrisiken besonderes Gewicht zu. Eine Einstufung als Arzneimittel ist insoweit nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich ist. BVerwG 3 C 19.18 - Urteil vom 07. November 2019 Vorinstanzen: OVG Lüneburg, 13 LB 31/14 - Urteil vom 02. November 2017 - VG Braunschweig, 5 A 52/11 - Urteil vom 08. August 2012 -","Urteil vom 07.11.2019 - BVerwG 3 C 19.18ECLI:DE:BVerwG:2019:071119U3C19.18.0 EN Berücksichtigung möglicher Gesundheitsrisiken bei Abgrenzung von Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln Leitsatz: Der Nachweis einer nennenswerten Wirkung auf die physiologischen Funktionen des Menschen führt nicht zwangsläufig zur Beurteilung eines Erzeugnisses als Arzneimittel. Die Einstufung als Nahrungsergänzungs- oder als Arzneimittel erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken der Verwendung zu berücksichtigen sind. Rechtsquellen RL 2001/83/EG Art. 1 Nr. 2 Buchst. b RL 2002/46/EG Art. 2 Buchst. a LFGB § 2 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 Instanzenzug VG Braunschweig - 08.08.2012 - AZ: VG 5 A 52/11 OVG Lüneburg - 02.11.2017 - AZ: OVG 13 LB 31/14 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 07.11.2019 - 3 C 19.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:071119U3C19.18.0] Urteil BVerwG 3 C 19.18 VG Braunschweig - 08.08.2012 - AZ: VG 5 A 52/11 OVG Lüneburg - 02.11.2017 - AZ: OVG 13 LB 31/14 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Prof. Dr. habil. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. November 2017 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft die Abgrenzung von Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln. 2 Die Klägerin beabsichtigt, die in Österreich hergestellten und dort als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähigen Produkte ""Ginkgo 100 mg GPH Kapseln"" und ""Ginkgo Biloba + Q-10 BIOS Kapseln"" in Deutschland zu vertreiben. Beide Produkte enthalten pro Kapsel 100 mg Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (GbE); nach der Verzehrempfehlung soll einmal täglich eine Kapsel eingenommen werden. Um Rechtssicherheit über die Zulässigkeit eines Vertriebs in Deutschland zu erlangen, beantragte die Klägerin im Dezember 2009 die Bestätigung der Verkehrsfähigkeit durch den Erlass einer Allgemeinverfügung nach den Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) teilte daraufhin mit, es habe eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angefordert, weil aufgrund der beabsichtigten GbE-Dosierung von 100 mg/Tag der Verdacht bestehe, dass es sich bei den Produkten um nicht zugelassene Arzneimittel handele. Nachdem die Klägerin im März 2011 Untätigkeitsklage erhoben hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. April 2011 ab. Nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis müsse ab einer GbE-Dosierung von 80 mg/Tag von einer pharmakologischen Wirkung ausgegangen werden. 3 Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die begehrte Allgemeinverfügung auf lebensmittelrechtlicher Grundlage nicht erlassen werden, weil es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um Funktionsarzneimittel handele. 4 Die pharmakologische Wirkung eines Produkts mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag sei hinreichend belegt. Zwar gebe es keine Studie zu genau dieser Dosierung, der wissenschaftliche Nachweis für die pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte könne aus den vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen aber sicher abgeleitet werden. Bereits die Monographie der Kommission E von 1994 habe für Produkte mit einer GbE-Dosierung von 120 mg/Tag eine signifikante Wirkung auf die Blutviskosität und die zerebrale Perfusion in bestimmten Gehirnregionen und damit eine pharmakologische Wirkung auf die physiologischen Funktionen des Menschen nachgewiesen. Dieses Ergebnis sei durch die Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products der European Medicines Agency aus dem Jahr 2015 bestätigt worden. Durch die Studien von Santos u.a. aus dem Jahr 2003 und Galduroz u.a. aus dem Jahr 2007 - die nach den überzeugenden Erläuterungen der Beklagten als hinreichend belastbare wissenschaftliche Grundlage angesehen werden könnten - sei auch eine pharmakologische Wirkung von Produkten mit einer GbE-Dosierung von 80 mg/Tag nachgewiesen. Die Auswirkung dieser Erkenntnisse auf die hier streitgegenständliche GbE-Dosierung von 100 mg/Tag folge aus der Studie von Itil u.a. aus dem Jahr 1996. Diese habe belegt, dass die pharmakologische Wirkung von GbE bei einer Dosierung zwischen 40 und 240 mg/Tag kontinuierlich linear steige. Jedenfalls die nachgewiesene pharmakologische Wirkung einer GbE-Dosierung von 80 mg/Tag komme daher auch Produkten mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag zu. Die streitgegenständlichen Produkte könnten nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand auch zur Behandlung kognitiver Defizite bei älteren Menschen nützlich sein. Ihnen könne so die Funktion der Heilung oder Linderung von Krankheiten zukommen, jedenfalls seien sie der menschlichen Gesundheit mittelbar zuträglich. Der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit sei entgegen der Auffassung der Klägerin für die Annahme eines Funktionsarzneimittels nicht erforderlich. Schließlich ziele der Einsatz der streitgegenständlichen Produkte nicht auf einen Ausgleich ernährungsphysiologischer Defizite, sondern auf eine Veränderung bestimmter physiologischer Körperfunktionen. Eine vergleichbare Wirkung könne durch ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel nicht erreicht werden. Die von der Klägerin als Vergleichslebensmittel herangezogenen Teezubereitungen aus Ginkgo-Blättern enthielten bei den erforderlichen Mengen einen Gehalt an Ginkgolsäuren, der bereits gesundheitsschädlich und für den Verzehr durch Menschen ungeeignet sei. Auf die Risiken bei der Verwendung von GbE gleich welcher Dosierung komme es für die gewonnene Überzeugung vom Vorliegen eines Funktionsarzneimittels nicht mehr an. 5 Mit der durch Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2018 - BVerwG 3 B 9.18 - zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt insbesondere, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung falsche Maßstäbe zugrunde gelegt und die bloße Wahrscheinlichkeit einer therapeutischen Wirkung für das Bestehen eines Funktionsarzneimittels ausreichen lassen. Eine Reihe entscheidungserheblicher Fragen sei daher weder aufgeklärt noch bewiesen. Dass die kognitiven Funktionen von Senioren nach einigen Studien positiv beeinflusst werden könnten, reiche für den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit aber nicht aus. Dieser Schluss sei selbst von den Studienverfassern nicht gezogen worden; im Übrigen seien nur Versuche mit gesunden Probanden erfolgt und die Teilnehmerzahl sei so gering gewesen, dass nicht von einer repräsentativen Grundlage ausgegangen werden könne. Die Annahme, dass eine GbE-Dosierung von 100 mg/Tag durch den Verzehr von Lebensmitteln nicht erreicht werden könne, entbehre einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Auch der Verweis auf mögliche Sicherheitsrisiken sei auf bloße Spekulation gestützt. 6 Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Berufungsurteil. Auf Nachfrage des Gerichts zu möglichen Gesundheitsrisiken der streitgegenständlichen Produkte mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag teilte die Beklagte mit, sie könne hierzu keine Auskunft geben, weil eine weitere Bewertung der gesundheitlichen Risiken im Rahmen des Prüfschemas für den Erlass einer lebensmittelrechtlichen Allgemeinverfügung nicht erfolge. Für zugelassene Arzneimittel, also für Produkte mit einer GbE-Dosis von mindestens 120 mg/Tag, werde in den vorliegenden Studien keine unerwünschte Arzneimittelwirkung verzeichnet, die sich signifikant von der Placebowirkung unterscheide. Blutungsrisiken durch GbE würden kontrovers diskutiert; entsprechende Verdachtsfälle seien in der Datenbank der europäischen Arzneimittelagentur verzeichnet. Dem werde durch die Angaben in den Gebrauchs- und Fachinformationen zugelassener GbE-haltiger Arzneimittel Rechnung getragen. II 7 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil beruht auf einem Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Auffassung des Berufungsgerichts, für die Einstufung der streitgegenständlichen Erzeugnisse als Funktionsarzneimittel komme es auf die Gesundheitsrisiken, die ihre Verwendung mit sich bringen kann, nicht an, ist mit dem unionsrechtlichen Arzneimittelbegriff nicht vereinbar. Die Abgrenzung von Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken der Verwendung zu berücksichtigen sind. Das Bundesverwaltungsgericht kann hierüber nicht selbst in der Sache entscheiden, weil das Berufungsurteil die erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht enthält. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 8 1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 54 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs - LFGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426) in der aktuellen Fassung des Änderungsgesetzes vom 24. April 2019 (BGBl. I S. 498), die für den Verpflichtungsantrag der Klägerin maßgeblich ist (a). Die Vorschrift ist auf Arzneimittel nicht anwendbar (b). Der geltend gemachte Anspruch scheidet daher aus, wenn es sich bei den streitgegenständlichen Erzeugnissen um Arzneimittel handeln würde. 9 a) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LFGB dürfen Lebensmittel, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, in das Inland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden, auch wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel nicht entsprechen. Für Erzeugnisse, die den in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB benannten Gesundheitsschutz-Vorschriften nicht entsprechen, gilt dies jedoch nur, soweit deren Verkehrsfähigkeit durch eine Allgemeinverfügung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist. 10 Die Allgemeinverfügung wird gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 LFGB vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erlassen, soweit nicht zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen. Die Beklagte darf den Antrag nur ablehnen, wenn ein Versagungsgrund gegeben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 3 C 40.05 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 2 Rn. 14; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand: März 2019, C 102 § 54 Rn. 46). 11 b) Die Vorschrift nimmt Lebensmittel in Bezug; sie ist auf Arzneimittel nicht anwendbar. 12 § 2 Abs. 2 LFGB verweist für die Begriffsbestimmung von Lebensmitteln auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 S. 1). Nach Art. 2 Unterabs. 3 Buchst. d dieser Verordnung gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG nicht zu den Lebensmitteln. Diese Richtlinien sind zwar inzwischen außer Kraft getreten und durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67) ersetzt worden. Deren Art. 128 bestimmt aber, dass Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien als Bezugnahmen auf die neue Richtlinie gelten, so dass die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nunmehr die Arzneimitteldefinition in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG für die Ausgrenzung der Arzneimittel aus den Lebensmitteln für verbindlich erklärt (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 3 C 40.05 -Buchholz 418.710 LFGB Rn. 15). 13 Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel anzusehen ist, kann in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschiedlich ausfallen. Zwar sind die Maßstäbe für die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen ein Produkt als Arzneimittel einzuordnen ist, unionsrechtlich und damit einheitlich vorgegeben. Die Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Gefahren für die menschliche Gesundheit durch die jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten kann beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts aber zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - C-140/07 [ECLI:​EU:​C:​2009:​5], Hecht-Pharma GmbH - Rn. 28 und vom 3. Oktober 2013 - C-109/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​626], Laboratoires Lyocentre - Rn. 45 f.). Der Umstand, dass die streitgegenständlichen Produkte in Österreich mit Billigung der dortigen Behörden als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden, bedeutet daher nicht, dass sie auch in Deutschland entsprechend eingestuft werden müssten (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 3 C 40.05 - Buchholz 418.710 LFGB Rn. 17). 14 Aus der Verkehrsfähigkeit der Produkte als Lebensmittel in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union folgt aber, dass sie auch im Inland verkehrsfähig sind, bis von den zuständigen Behörden ihre Arzneimitteleigenschaft oder ein sonstiger Versagungsgrund festgestellt worden ist (vgl. EuGH, Urteile vom 14. Juli 1983 - Rechtssache 174/82 [ECLI:​EU:​C:​1983:​213], Sandoz - Rn. 21 ff., vom 29. April 2004 - C-150/00 [ECLI:​EU:​C:​2004:​237], Kommission/Republik Österreich - Rn. 86 sowie 89 und vom 15. November 2007 - C-319/05 [ECLI:​EU:​C:​2007:​678], Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 88). Will die Beklagte das Inverkehrbringen eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Lebensmittel verkehrsfähigen Produkts mit der Begründung versagen, es handele sich um ein Arzneimittel, liegt die Beweislast deshalb bei ihr (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 17; VGH Mannheim, Beschluss vom 26. März 2019 - 9 S 1668/18 - PharmR 2019, 292 <296>). Aus der Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG folgt nichts anderes. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Anwendung dieser Vorschrift den Nachweis der Arzneimitteleigenschaft voraussetzt (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 23 ff; BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 15). Die Vorschrift dient nicht zur Überwindung von Zweifeln an der Arzneimitteleigenschaft. 15 2. Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Funktionsarzneimittels ist, dass das Erzeugnis die physiologischen Funktionen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung positiv beeinflussen kann (a). Dies hat das Berufungsgericht für die streitigen Produkte der Klägerin ohne Rechtsfehler festgestellt (b). 16 a) Ein Erzeugnis ist ein Arzneimittel, wenn es unter eine der in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/83/EG enthaltenen Definitionen fällt (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-109/12, Laboratoires Lyocentre - Rn. 36). 17 Anders als der Begriff des Präsentationsarzneimittels in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG, dessen weite Fassung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Funktionsarzneimittels nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG nur diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische, immunologische oder metabolische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Der Begriff des Funktionsarzneimittels ist deshalb nicht auf ein Produkt anwendbar, dessen Eignung, physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder in einer der Gesundheit zuträglichen Weise zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen, nicht wissenschaftlich festgestellt wurde (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 25 f. und vom 6. September 2012 - C-308/11 [ECLI:​EU:​C:​2012:​548], Chemische Fabrik Kreussler - Rn. 30; zum Erfordernis der positiven Wirkung Urteil vom 10. Juli 2014 - C-358/13 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2014:​2060], Markus D. - Rn. 37). 18 Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Zutreffend hat es weiter angenommen, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit des Erzeugnisses für die Annahme eines Funktionsarzneimittels nicht erforderlich ist. Dies folgt schon daraus, dass der Begriff der therapeutischen Wirksamkeit nicht aus der Definition des Funktionsarzneimittels, sondern aus den Regelungen über die Zulassung eines Arzneimittels stammt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 3 AMG und Erwägungsgrund 7, Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG). Er ist auf die klinische Prüfung der vom Arzneimittelhersteller beanspruchten Indikation bezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2016 - 3 C 14.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​011216U3C14.15.0] - BVerwGE 156, 345 Rn. 19 sowie 24) und passt nicht für die vorgelagerte Fragestellung, ob einem Erzeugnis überhaupt die Eignung zukommt, die physiologischen Funktionen positiv zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 - 3 C 27.13 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2014:​201114U3C27.13.0] - NVwZ-RR 2015, 425 Rn. 25). Die therapeutische Wirksamkeit ist nicht Bestandteil des Arzneimittelbegriffs (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - C-700/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​959], LEK - Rn. 35). Auch der vom Gerichtshof der Europäischen Union geforderte wissenschaftliche Nachweis bezieht sich daher nicht hierauf, sondern nur auf die Frage, ob der Stoff geeignet ist, dem Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein. Der Bezugnahme auf eine bestimmte Krankheit bedarf es hierfür nicht (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-358/13 u.a., Markus D. - Rn. 36). 19 Die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zu beurteilen ist, ob es im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG im oder am menschlichen Körper zur Wiederherstellung, Korrektur oder positiven Beeinflussung der physiologischen Funktionen angewandt werden kann (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C-109/12, Laboratoires Lyocentre - Rn. 43). Diese Wirkungen sind zwar kein hinreichendes, aber ein notwendiges Kriterium für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt (BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2009 - 3 C 5.09 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 6 Rn. 13 und vom 17. August 2017 - 3 C 18.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​170817U3C18.15.0] - Buchholz 418.32 AMG Nr. 74 Rn. 12). 20 Nicht alle Erzeugnisse, die eine physiologisch wirksame Substanz enthalten, können als Funktionsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG eingestuft werden (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 40, vom 30. April 2009 - C-27/08 [ECLI:​EU:​C:​2009:​278], BIOS Naturprodukte GmbH - Rn. 19 und vom 6. September 2012 - C-308/11, Chemische Fabrik Kreussler - Rn. 33). Da die physiologische Wirkung nicht für Arzneimittel spezifisch ist, sondern auch zu den in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften über Nahrungsergänzungsmittel (ABl. L 183 S. 51) verwendeten Kriterien für die Definition des Nahrungsergänzungsmittels gehört, scheidet die Annahme eines Funktionsarzneimittels aus, wenn die Auswirkungen des Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann (EuGH, Urteil vom 15. November 2007 - C-319/05, Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 68; vgl. zum Erfordernis der nennenswerten Wirkung auch EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - C-27/08, BIOS Naturprodukte GmbH - Rn. 21 sowie BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - I ZR 67/07 - PharmR 2010, 181 Rn. 15). 21 b) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für die streitgegenständlichen Erzeugnisse ohne Verstoß gegen Bundesrecht festgestellt. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. 22 In dem angegriffenen Berufungsurteil ist festgestellt, durch die vorliegenden wissenschaftlichen Studien sei belegt, dass ein Erzeugnis mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag zu einer signifikanten Verringerung der Blutviskosität und zu einer signifikanten Verbesserung der zerebralen Perfusion in bestimmten Gehirnregionen führe. Dies bewirke eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und könne bei der Behandlung kognitiver Defizite älterer Menschen nützlich sein. Eine vergleichbare Wirkung sei durch den Verzehr GbE-haltiger Lebensmittel in angemessener Menge nicht zu erzielen. Diese - die Annahme einer die physiologischen Funktionen in nennenswerter Weise positiv beeinflussenden Wirkung tragenden - Feststellungen sind der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, weil die Klägerin hiergegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen vorgebracht hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). 23 Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht im Rahmen einer Verfahrensrüge nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Denkgesetze verstößt, logische oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 3 B 4.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2018:​300118B3B4.17.0] - juris Rn. 21 f. m.w.N.). Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Revision nicht auf. Die Einschätzung des Berufungsgerichts ist vielmehr plausibel und jedenfalls in methodisch vertretbarer Weise auf die zitierten Studien gestützt. Soweit die Revision rügt, aus den Studien an gesunden Probanden könne nicht auf eine therapeutische Wirkung bei kranken Patienten geschlossen werden, verkennt sie den zutreffenden rechtlichen Maßstab. Für die Annahme einer positiven Beeinflussung der physiologischen Funktionen reicht aus, dass die betreffenden Stoffe eine positive Wirkung für das Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich für die menschliche Gesundheit haben, und zwar auch ohne dass eine Krankheit vorliegt (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-358/13 u.a., Markus D. - Rn. 36). 24 Auch die von der Revision angemahnten weiteren Aufklärungsmaßnahmen mussten sich dem Berufungsgericht jedenfalls nicht ohne hierauf bezogene Beweisanträge der Klägerin aufdrängen. Unabhängig von der Frage, ob die Rügen den Anforderungen aus § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend geltend gemacht worden sind, greifen sie jedenfalls in der Sache nicht durch. Die Klägerin legt nicht dar, warum die von ihr beanstandeten Feststellungen fehlerhaft zustande gekommen sein sollten; sie begnügt sich vielmehr im Wesentlichen damit, ihre Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Dies genügt für die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht. 25 Eine präzise Aufklärung des Wirkmechanismus ist bereits nicht erforderlich. Sofern die signifikante Wirkung eines Stoffs auf die physiologischen Funktionen wissenschaftlich nachgewiesen ist, entfällt diese Annahme nicht deshalb, weil der Ursachenzusammenhang im Einzelnen noch nicht geklärt worden ist. Zu Recht hat die Beklagte vielmehr darauf hingewiesen, dass der genaue Wirkmechanismus für viele Arzneimittel noch nicht vollständig geklärt werden konnte. Dadurch entfällt aber nicht die nachgewiesene Wirkung entsprechender Produkte auf die physiologischen Funktionen. Es ist im Übrigen weder vorgetragen noch sonst erkennbar, welche weiteren Aufklärungsmaßnahmen dem Berufungsgericht insoweit zur Verfügung gestanden hätten. 26 Auch eine weitere Aufklärung zu den Auswirkungen der im Produkt ""Ginkgo Biloba + Q-10 BIOS Kapseln"" zusätzlich enthaltenen Inhaltsstoffe war nicht erforderlich. Richtig ist zwar, dass für die Beurteilung der physiologischen Auswirkung auf das Produkt insgesamt abzustellen ist (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 3 C 40.05 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 2 Rn. 26). Hieraus folgt indes nicht, dass für jede Stoffkombination eine eigenständige Studie erstellt werden müsste. Vielmehr kann aus den bekannten Wirkungen eines Inhaltsstoffes auf die Wirkung des Gesamterzeugnisses geschlossen werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Wirkung durch die weiteren Zusätze herabgesetzt sein könnte. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkung einer GbE-Dosis von 100 mg/Tag auf die physiologischen Funktionen durch die Beigabe des Coenyzms Q10 verringert werden könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie sind nach den nachvollziehbaren Erwägungen der Beklagten auch nicht ersichtlich. 27 Warum weitere Aufklärungen zu den möglichen Auswirkungen des verwendeten Extraktionsmittels erforderlich sein sollten, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Die Wirkstoffgehalte der maßgeblichen Inhaltsstoffe entsprechen dem für das monographiekonforme Extrakt vorgegebenen Bereich. Dafür, dass das Extraktionsmittel die wirkbestimmenden Inhaltsstoffe des Extrakts beeinflusst haben könnte, ist daher nichts ersichtlich. Auch die Klägerin hat nicht dargetan, warum und inwieweit sich aus dem Umstand, dass in den Studien ein anderes Extraktionsmittel (Ethanol und Wasser) verwendet wurde als in der Monographie der Kommission E von 1994 vorgesehen (Aceton und Wasser), relevante Unterschiede ergeben könnten. 28 Schließlich ist die Annahme einer signifikanten Wirkung auch dann möglich, wenn kein definierter Normbereich für die in Bezug genommene physiologische Funktion des Menschen existiert. Erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr, dass eine erhebliche Veränderung der physiologischen Funktion belegt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 15. November 2007 - C-319/05, Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 60 und vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 41). Andernfalls könnten im Übrigen auch Produkte mit einer GbE-Dosierung von 120 mg/Tag oder mehr nicht als Arzneimittel eingestuft werden, was von der Klägerin selbst nicht vertreten wird und dem Zweck der Abgrenzung ersichtlich nicht entspricht (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - I ZR 19/08 - PharmR 2010, 522 Rn. 19). 29 Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, GbE stelle bereits keinen Bestandteil der gewöhnlichen Nahrung dar und könne jedenfalls in einer Dosierung von 100 mg/Tag im Hinblick auf den darin enthaltenen gesundheitsschädlichen Ginkgolsäureanteil nicht durch einen Konsum von Ginkgo-Tees in angemessener Menge erreicht werden, enthält das Revisionsvorbringen keine substantiierten Einwände. 30 3. Die Entscheidung über die Einstufung eines Erzeugnisses als Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken bei seiner Verwendung zu berücksichtigen sind (a). Das Berufungsgericht hat Feststellungen zu den Gesundheitsrisiken der Verwendung der streitgegenständlichen Erzeugnisse nicht getroffen; hierzu bestand ausgehend von seiner Rechtsauffassung kein Anlass. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (b). 31 a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat die zuständige Behörde die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels nach der Funktion im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG fällt, von Fall zu Fall zu treffen und dabei alle Merkmale des Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften - wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen (EuGH, Urteile vom 15. November 2007 - C-319/05, Kommission/Bundesrepublik Deutschland - Rn. 55 und vom 3. Oktober 2013 - C-109/12, Laboratoires Lyocentre - Rn. 42 m.w.N.). Auch die Annahme einer nennenswerten Wirkung auf die physiologischen Funktionen führt damit nicht zwangsläufig zur Arzneimitteleigenschaft (EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 40, vom 30. April 2009 - C-27/08, BIOS Naturprodukte GmbH - Rn. 19 und vom 6. September 2012 - C-308/11, Chemische Fabrik Kreussler - Rn. 33). Vielmehr sind zusätzlich etwa auch mögliche Gesundheitsrisiken als eigenständiger Faktor zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - C-211/03 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2005:​370], HLH Warenvertrieb und Orthica - Rn. 53). 32 Liegen die Auswirkungen eines Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteleigenschaft, kommt den möglichen Gesundheitsrisiken besonderes Gewicht für die Beurteilung zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 61/05 - NVwZ 2008, 1266 Rn. 32). Eine Einstufung als Arzneimittel ist hier nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der Gesundheit erforderlich ist. 33 Nach dem unionsrechtlichen Vorsorgegrundsatz ist es gerechtfertigt, Schutzmaßnahmen auch gegen potentielle Gesundheitsgefahren zu ergreifen (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 - C-82/15 P [ECLI:​EU:​C:​2015:​796], PP Nature-Balance Lizenz - Rn. 21 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2016 - 3 C 14.15 - BVerwGE 156, 345 Rn. 27). Vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit eines Erzeugnisses rechtfertigen daher die Einstufung als Arzneimittel. Ohne derartige Risiken fehlt der sachliche Rechtfertigungsgrund dafür, einem Erzeugnis, das geeignet ist, positive Wirkungen auf die menschliche Gesundheit zu entfalten, nur wegen des - möglicherweise dauerhaft - fehlenden Nachweises einer therapeutischen Wirksamkeit die Verkehrsfähigkeit auf dem deutschen Markt zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 3 C 21.06 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 4 Rn. 32). Eine derartige Anwendung des Arzneimittelbegriffs würde zu Einschränkungen und Behinderungen des freien Warenverkehrs führen, die offenkundig außer Verhältnis zum angestrebten Ziel des Gesundheitsschutzes stehen (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - C-140/07, Hecht-Pharma GmbH - Rn. 27). 34 b) Das Berufungsurteil enthält keine Tatsachenfeststellungen zum Ausmaß der möglichen Risiken aus der Verwendung eines Erzeugnisses mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag. 35 Die - ausdrücklich nicht als entscheidungserheblich gekennzeichneten - Hinweise stellen bereits keine bestimmten Gesundheitsrisiken fest. Ob das Berufungsgericht den schlaglichtartig benannten möglichen Nebenwirkungen im Hinblick auf Häufigkeit und Intensität das Gewicht einer Gesundheitsgefährdung beimessen wollte, bleibt offen. Insbesondere aber sind die zitierten Fundstellen zu möglichen Nebenwirkungen nicht auf eine bestimmte Dosierung bezogen. Soweit die Studien auf zugelassene Arzneimittel und damit eine GbE-Dosierung von mindestens 120 mg/Tag bezogen sind, fehlt eine Ableitung was sich hieraus für eine niedrigere GbE-Dosierung ergeben könnte. Die Tatsachenfeststellungen reichen daher nicht aus, um die möglichen Risiken für die menschliche Gesundheit aus einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Erzeugnisse beurteilen zu können. 36 Entsprechendes gilt für die von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten Unterlagen. Unbeschadet der Frage, ob die dort aufgelisteten Verdachtsfälle die Annahme eines Gesundheitsrisikos tragen könnte, sind sie auf eine Arzneimittelanwendung und damit eine GbE-Dosierung von mindestens 120 mg/Tag bezogen. Zu möglichen Gesundheitsrisiken aus der Verwendung eines Erzeugnisses mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag konnte die Beklagte auch auf Nachfrage keine Auskunft geben. Eine Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (vgl. § 2 Abs. 8 BVLG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BfRG) ist bislang nicht eingeholt worden. 37 Die im Revisionsverfahren verwertbare Tatsachenbasis reicht daher nicht aus, um die möglichen Gesundheitsrisiken aus der bestimmungsgemäßen Verwendung der Erzeugnisse beurteilen zu können. Ebensowenig kann auf Grundlage dieser Tatsachenfeststellung beurteilt werden, ob etwaigen Bedenken auch auf lebensmittelrechtlicher Grundlage, etwa durch die Beifügung von Warnhinweisen (vgl. Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 178/2002), ausreichend Rechnung getragen werden könnte. 38 4. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-83,13.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 83/2019 vom 13.11.2019 EN Stellungnahme des Präsidialrats im Bundesrichterwahlverfahren nicht isoliert angreifbar Ein Beamter oder Richter, der für die Wahl als Richter zu einem Bundesgericht vorgeschlagen, aber nicht gewählt worden ist und der die Stellungnahme des Präsidialrats des Bundesgerichts für rechtswidrig hält, kann diese Stellungnahme nicht isoliert gerichtlich angreifen, sondern nur im Zusammenhang mit einem Rechtsschutzantrag gegen die Ernennung vom Richterwahlausschuss gewählter Kandidaten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Bundesbeamter. Er wurde in den Jahren 2013 und 2014 für die Wahl als Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen. Der Präsidialrat des Bundesgerichtshofs - das richterliche Mitwirkungsorgan bei Wahlen von Richtern am Bundesgerichtshof - hielt in seinen beiden Stellungnahmen den Kläger jeweils für „nicht geeignet“. Der Kläger wurde nicht gewählt. Er hält die Stellungnahmen des Präsidialrats für rechtswidrig. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der beiden Stellungnahmen des Präsidialrats, hilfsweise die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger für den Hauptantrag das Rechtsschutzinteresse und für den Hilfsantrag das Feststellungsinteresse fehle. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass ein Beamter oder Richter, der für die Wahl als Richter zu einem Bundesgericht vorgeschlagen, aber nicht gewählt worden ist und der die Stellungnahme des Präsidialrats des Bundesgerichts für rechtswidrig hält, diese Stellungnahme nicht gesondert gerichtlich angreifen kann. Rechtsschutz gegen die Nichtberücksichtigung bei der Wahl zum Bundesrichter kann ein zur Wahl Vorgeschlagener durch einen Rechtsschutzantrag gegen die Ernennung vom Richterwahlausschuss gewählter Kandidaten erlangen. In diesem Verfahren kann der Vorgeschlagene geltend machen, dass die Stellungnahme des Präsidialrats rechtswidrig und deshalb keine taugliche Grundlage für die Wahlentscheidung ist. Hingegen gibt es kein Rechtsschutzinteresse für eine gesonderte Klage auf Aufhebung einer solchen Stellungnahme oder auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Außerhalb des Bundesrichterwahlverfahrens kommen der Stellungnahme des Präsidialrats keine Rechtswirkungen zu. BVerwG 2 C 35.18 - Urteil vom 13. November 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 4 S 756/17 - Urteil vom 06. Juni 2018 - VG Karlsruhe, 1 K 2198/14 - Urteil vom 06. Dezember 2016 -","Urteil vom 13.11.2019 - BVerwG 2 C 35.18ECLI:DE:BVerwG:2019:131119U2C35.18.0 EN Stellungnahme des Präsidialrats im Bundesrichterwahlverfahren nicht isoliert angreifbar Leitsätze: 1. Ein Beamter oder Richter, der für die Wahl zum Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vorgeschlagen, aber nicht gewählt worden ist und der die Stellungnahme des Präsidialrats des obersten Gerichtshofs für rechtswidrig hält, kann diese Stellungnahme nicht isoliert gerichtlich angreifen, sondern nur im Rahmen eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ernennung vom Richterwahlausschuss gewählter Kandidaten. 2. Die Rechtswirkungen einer Stellungnahme des Präsidialrats sind auf das Richterwahlverfahren beschränkt. Die Stellungnahme hat keine rechtliche Bedeutung für Auswahl- und Verwendungsentscheidungen in anderen Bereichen. Rechtsquellen GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2, Art. 95 Abs. 2 DRiG §§ 55, 56, 57 RiWG § 13 VwGO § 44a BBG § 112 Instanzenzug VG Karlsruhe - 06.12.2016 - AZ: VG 1 K 2198/14 VGH Mannheim - 06.06.2018 - AZ: VGH 4 S 756/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 13.11.2019 - 2 C 35.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:131119U2C35.18.0] Urteil BVerwG 2 C 35.18 VG Karlsruhe - 06.12.2016 - AZ: VG 1 K 2198/14 VGH Mannheim - 06.06.2018 - AZ: VGH 4 S 756/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und Hampel für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Juni 2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Aufhebung von zwei ihn betreffenden Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof, in denen er für das Amt eines Richters am Bundesgerichtshof als ""nicht geeignet"" angesehen worden ist. Hilfsweise begehrt er die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Stellungnahmen. 2 Der ... Kläger ist Ministerialrat im Bundesdienst und beim ... tätig. Bereits im Jahr 2006 war er für die Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen worden. Die daraufhin eingeholte dienstliche Beurteilung des Präsidenten des ... bescheinigte dem Kläger eine hervorragende Eignung für die Aufgaben eines Richters am Bundesgerichtshof. In seiner nachfolgenden Stellungnahme äußerte der Präsidialrat des Bundesgerichtshofs ""gewisse Bedenken"", ob der Kläger den Anforderungen, die an die Arbeit eines Richters am Bundesgerichtshof zu stellen seien, uneingeschränkt gerecht werden könne, weil ihm fundierte Erfahrungen aus eigener richterlicher Tätigkeit bei einem höheren Rechtsmittelgericht bisher fehlten. Angesichts der immerhin siebenjährigen Richtertätigkeit als Vorsitzender verschiedener Kammern eines Landgerichts und seiner verantwortungsvollen Aufgaben beim ... werde der Kläger aber für das Amt eines Richters am Bundesgerichtshof persönlich und fachlich für ""geeignet"" gehalten. Der Wahlvorschlag wurde im selben Jahr zurückgenommen. 3 Für das Jahr 2013 wurde der Kläger erneut für die Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen. Die daraufhin eingeholte dienstliche Beurteilung des Präsidenten des ... bescheinigte ihm wiederum eine hervorragende Eignung für die Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters am Bundesgerichtshof. In der Stellungnahme des Präsidialrats des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2013 wird unter teilweiser wörtlicher Wiedergabe des Inhalts der Stellungnahme aus dem Jahr 2006 zunächst ausgeführt, dass der Präsidialrat damit auf Grundlage des damals geltenden Beurteilungsmaßstabs ""durchgreifende Bedenken"" an der Befähigung des Klägers für ein Richteramt an einem obersten Bundesgericht zum Ausdruck gebracht habe. Im Weiteren führte der Präsidialrat u.a. aus, dass sich trotz der breitgefächerten Rechtskenntnisse des Klägers die bereits im Jahr 2006 geäußerten Bedenken hinsichtlich der Eignung für das Amt eines Richters am Bundesgerichtshof verfestigt hätten. Unter Würdigung aller Umstände halte der Präsidialrat den Kläger daher für das Amt eines Richters am Bundesgerichtshof für ""nicht geeignet"". Der Kläger wurde im Jahr 2013 nicht zum Bundesrichter gewählt. 4 Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Stellungnahme des Präsidialrats vom 20. Februar 2013. 5 Auch für das Jahr 2014 wurde der Kläger für die Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen. Angesichts seines Widerspruchs gegen die Präsidialratsstellungnahme aus dem Vorjahr wurde für diese Bundesrichterwahl eine weitere Stellungnahme des Präsidialrats eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 23. April 2014 hielt der Präsidialrat an seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2013 fest. Der Aufgabenbereich des Klägers habe sich nicht verändert, es sei keine neue Beurteilung erstellt worden und der Kläger habe weder die Gelegenheit zu einem erneuten Vorstellungsgespräch wahrgenommen noch die erbetenen Arbeitsproben vorgelegt. Es gebe deshalb keinen Anlass, von der Stellungnahme vom 20. Februar 2013 abzuweichen. Auch im Jahr 2014 wurde der Kläger nicht zum Bundesrichter gewählt. 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2014 wies das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Widerspruch des Klägers als unzulässig zurück, weil die Stellungnahme des Präsidialrats nicht anfechtbar sei. 7 Der Kläger hat daraufhin mit verschiedenen Anträgen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geführt, die vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof entweder erfolglos geblieben sind oder von diesen nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt wurden. Für das Jahr 2015 und die folgenden Jahre wurde der Kläger nicht mehr für die Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen. 8 Die im Hauptsacheverfahren erhobene Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klage unzulässig sei. Soweit es dem Kläger um die Beseitigung potentiell negativer Auswirkungen der Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof aus den Jahren 2013 und 2014 für Verwendungsentscheidungen außerhalb der Bundesrichterwahlen in den Jahren 2013 und 2014 gehe, fehle ihm jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Aufhebung der Stellungnahmen des Präsidialrats oder auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Denn ihm stehe mit der Möglichkeit, gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG die Entfernung und Vernichtung der gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 DRiG zur Personalakte gelangten Stellungnahmen des Präsidialrats zu beantragen, ein schnellerer und einfacherer Weg zur Erreichung seines Klageziels zur Verfügung. Soweit der Kläger die angegriffenen Stellungnahmen als rechtswidrig ansehe, stehe der sachlichen Prüfung seines Begehrens jedenfalls bis zum endgültigen Verfahrensabschluss § 44a Satz 1 VwGO entgegen. Mit Blick auf die Bundesrichterwahlen in den Jahren 2013 und 2014 fehle dem Kläger diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis, weil die damals gewählten Kandidatinnen und Kandidaten zwischenzeitlich zu Richtern am Bundesgerichtshof ernannt worden seien. Hinsichtlich des Hilfsantrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Präsidialratsstellungnahmen komme eine Sachprüfung nicht in Betracht, weil dem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und das Fehlen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO a.E.) entgegenstehe. 9 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 10 Der Kläger beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Juni 2018 und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. Dezember 2016, die Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof vom 20. Februar 2013 und vom 23. April 2014 sowie den Widerspruchsbescheid des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz vom 30. Juni 2014 aufzuheben, hilfsweise: festzustellen, dass die Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof vom 20. Februar 2013 und vom 23. April 2014 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären. 11 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. II 12 Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar insoweit revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als es die Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Aufhebung einer Stellungnahme des Präsidialrats eines obersten Gerichtshofs des Bundes verfehlt (1.). Es stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). 13 1. Die Annahme des Berufungsurteils, dass für Klagen auf Aufhebung einer Präsidialratsstellungnahme und auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit zur Beseitigung potentiell negativer Auswirkungen der Präsidialratsstellungnahme in anderen Bereichen als den bereits durchgeführten Bundesrichterwahlen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil mit der Möglichkeit eines Antrags nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz - BBG - auf Entfernung und Vernichtung der gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 Deutsches Richtergesetz - DRiG - zur Personalakte gelangten Präsidialratsstellungnahmen ein schnellerer und einfacherer Weg zur Erreichung des Klageziels zur Verfügung steht, verfehlt die an das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zu stellenden Anforderungen und verletzt damit Bundesrecht. 14 Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG sind (u.a.) Unterlagen über Bewertungen, falls sie für den Beamten ungünstig sind oder ihm nachteilig werden können, auf Antrag nach zwei Jahren aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten; dies gilt nicht für dienstliche Beurteilungen. 15 Mit der Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses für eine auf Aufhebung einer Präsidialratsstellungnahme bzw. auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit gerichteten Klagen wegen der Möglichkeit eines Aktenentfernungs- und Vernichtungsanspruchs nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG verkennt das Berufungsurteil das Klageziel. 16 Es geht dem Betreffenden in einem solchen Fall - so auch dem Kläger - um die gerichtliche Beanstandung der Präsidialratsstellungnahme wegen ihrer Rechtswidrigkeit, um damit mögliche negative Auswirkungen dieser Präsidialratsstellungnahme bei künftigen Verwendungs- und Besetzungsentscheidungen zu verhindern. Dieses Klageziel ist mit der - bloßen - Entfernung und Vernichtung der gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 DRiG zur Personalakte gelangten Präsidialratsstellungnahme nicht zu erreichen. Abgesehen davon, dass der Anspruch nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG erst nach zwei Jahren entsteht, beruht er auf dem ""Resozialisierungsgedanken"", wonach dem Beamten nach einer gewissen Zeit nachteilige Bewertungen etc. nicht mehr entgegengehalten werden sollen; er soll die Chance weiterer beruflicher Entwicklung ohne Belastung durch zeitlich überholte Vorwürfe haben (vgl. BT-Drs. 12/544 S. 12; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand März 2018, § 112 Rn. 10). Anders als beim Entfernungs- und Vernichtungsanspruch nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, der einen - sofortigen - Entfernungsanspruch begründet, wenn die Bewertungen etc. sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben, entsteht der Entfernungs- und Vernichtungsanspruch nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG durch bloßen Zeitablauf. Es ist daher ohne Bedeutung, ob die Bewertungen zutreffend sind oder nicht. Eine Rechtmäßigkeitsprüfung, um die es dem Kläger geht, findet hier gerade nicht statt. Im Übrigen ist die Präsidialratsstellungnahme nicht nur in der Personalakte des Vorgeschlagenen enthalten, sondern jedenfalls außerdem in dem Bewerberheft, das für jeden zur Wahl als Bundesrichter Vorgeschlagenen beim zuständigen Bundesministerium geführt wird. 17 2. Die Revision ist gleichwohl zurückzuweisen, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO). 18 Der Beamte oder Richter, der für die Wahl zum Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vorgeschlagen ist und sich von einer im laufenden Wahlverfahren herangezogenen Präsidialratsstellungnahme beschwert fühlt, kann um einstweiligen Rechtsschutz im Bundesrichterwahlverfahren nachsuchen; insbesondere erfasst der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG - mit durch das Wahlverfahren gemäß Art. 95 Abs. 2 GG bedingten Modifikationen - die Ämter von Bundesrichtern ebenso wie die Ämter von Richtern im Landesdienst (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvR 2453/15 - BVerfGE 143, 22 Leitsatz 1 und Rn. 21). Grundsätzlich ausgeschlossen ist hingegen ein isoliertes gerichtliches Vorgehen gegen eine Präsidialratsstellungnahme. Das gilt gleichermaßen für den Zeitraum während eines noch laufenden Bundesrichterwahlverfahrens zur Vermeidung aktuell drohender Nachteile wie für den Zeitraum danach zur Vermeidung möglicherweise künftig drohender Nachteile. Und es gilt gleichermaßen für ein auf Aufhebung der Stellungnahme wie für ein auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit gerichtetes Klagebegehren. 19 a) Der Klage eines bei einer Bundesrichterwahl nicht zum Zuge gekommenen Kandidaten auf Aufhebung der ihn betreffenden Präsidialratsstellungnahme im Hinblick darauf, selbst bei der Richterwahl zum Zuge zu kommen, steht § 44a Satz 1 VwGO entgegen. Nach § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nach § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. 20 Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist eine Präsidialratsstellungnahme eine behördliche Verfahrenshandlung i.S.d. § 44a Satz 1 VwGO und nicht vollstreckbar i.S.d. § 44a Satz 2 VwGO. Sie kann nur im Rahmen eines Konkurrentenschutzantrags gegen die Ernennung eines oder mehrerer der gewählten Kandidaten angegriffen werden. 21 Die Präsidialratsstellungnahme ist ein auf das Verfahren der Richterwahl bezogener Akt der richterlichen Mitwirkung an einer Personalentscheidung. Vor jeder Ernennung oder Wahl eines Richters ist der Präsidialrat des Gerichts, bei dem der Richter verwendet werden soll, zu beteiligen (§ 55 Satz 1 DRiG). Die oberste Dienstbehörde beantragt die Stellungnahme des Präsidialrats (§ 56 Abs. 1 Satz 1 DRiG). Der Präsidialrat gibt eine schriftlich begründete Stellungnahme über die persönliche und fachliche Eignung des Bewerbers oder Richters ab (§ 57 Abs. 1 Satz 1 DRiG). Die Stellungnahme ist zu den Akten zu nehmen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 DRiG). 22 Die Stellungnahme des Präsidialrats ist - ebenso wie die dienstliche Beurteilung - für das Bundesrichterwahlverfahren ein wahl- und auswahlrelevantes Element. Sie vermittelt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvR 2453/15 - BVerfGE 143, 22 Rn. 32 ff.) dem Richterwahlausschuss und dem zuständigen Minister eine Einschätzung zur Eignung der Kandidaten für das zu besetzende Bundesrichteramt. Die besondere Bedeutung der Stellungnahme liegt darin, dass der Präsidialrat des obersten Bundesgerichts das einzige im Richterwahlverfahren vorgesehene Gremium ist, das zu allen Kandidaten, die aus verschiedenen Ländern (vgl. Art. 36 GG) und Berufsbereichen stammen können (Gerichtsbarkeit, Rechtsanwaltschaft, Verwaltung, Hochschulbereich etc.) und für die - falls überhaupt - dienstliche Beurteilungen nach ganz unterschiedlichen Beurteilungsrichtlinien erstellt worden sind, anhand eines einheitlichen Maßstabs eine fachkundige, auf der eigenen Kenntnis der Anforderungen des Amtes beruhende Einschätzung zur Eignung des jeweiligen Kandidaten abgibt. Der Richterwahlausschuss und der Minister sind hieran zwar nicht gebunden, aber sie haben die Einschätzung zu berücksichtigen und der Minister hat zu begründen, wenn er der Wahl eines nach der Stellungnahme des Präsidialrats nicht Geeigneten zustimmt. 23 Eine Präsidialratsstellungnahme wird - wie zu betonen ist: ausschließlich - für das Bundesrichterwahlverfahren erstellt, ihre Rechtswirkungen sind auf das Bundesrichterwahlverfahren begrenzt. Sie hat keine rechtliche Bedeutung bei Auswahl- und Verwendungsentscheidungen in anderen Bereichen. Eine Präsidialratsstellungnahme enthält zwar eine Eignungsprognose für den Kandidaten in Bezug auf das zu vergebende Amt. Ihr liegt jedoch - anders als einer dienstlichen Beurteilung - keine Leistungsbeurteilung für einen bestimmten (Beurteilungs-)Zeitraum zugrunde; Grundlage der Eignungsprognose der Präsidialratsstellungnahme sind vielmehr der Lebenslauf des Kandidaten, seine dienstlichen Beurteilungen, Arbeitsproben und der Eindruck aus dem Gespräch mit dem Präsidialrat und ggf. dessen Vorsitzenden. Eine Präsidialratsstellungnahme wird von einem richterlichen Beteiligungsorgan erstellt, nicht aber vom für den Dienstherrn handelnden Vorgesetzten als dem für die Eignungsprognose für ein zu vergebendes Amt - sei es im Rahmen einer Auswahlentscheidung oder im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung - Verantwortlichen. 24 Auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG bedarf es insoweit keiner Ausnahme von § 44a Satz 1 VwGO. Denn dem Betreffenden entstehen keine unzumutbaren Nachteile, weil er die Möglichkeit des Konkurrenten(eil)rechtsschutzes hat. Nach der vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvR 2453/15 - BVerfGE 143, 22 Rn. 34) gebilligten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 15. November 1984 - 2 C 29.83 - BVerwGE 70, 270 und vom 19. Juni 1997 - 2 C 24.96 - BVerwGE 105, 89 <91> m.w.N.) unterliegt nicht der Wahlakt des Richterwahlausschusses, sondern nur die Entscheidung des Ministers gemäß § 13 Richterwahlgesetz - RiWG - darüber, ob er einem vom Richterwahlausschuss gewählten Kandidaten zustimmt oder nicht, einer unmittelbaren gerichtlichen Kontrolle. In diesem Konkurrentenstreitverfahren - mit der Ministerentscheidung gemäß § 13 RiWG als Angriffsgegenstand - wird auch geprüft, ob geltend gemachte Einwände gegen eine Präsidialratsstellungnahme durchgreifen. Wenn dies der Fall ist, dann ist die Bundesrichterwahl auf einer defizitären Tatsachengrundlage durchgeführt worden und muss - nach Beseitigung des Defizits - wiederholt werden. In einem solchen Fall wird die rechtsfehlerhafte Präsidialratsstellungnahme noch im laufenden Bundesrichterwahlverfahren durch eine neue ersetzt. 25 b) Nach der Ernennung der ausgewählten Kandidaten ist auf die betreffende Bundesrichterwahl bezogener Rechtsschutz der nicht zum Zuge gekommenen vorgeschlagenen Kandidaten wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität regelmäßig ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27, 30 ff.). Dies gilt gleichermaßen für ein - grundsätzlich zulässiges - Konkurrentenstreitverfahren wie für ein - jedenfalls vor der abschließenden Sachentscheidung - durch § 44a VwGO ausgeschlossenes isoliertes Vorgehen gegen eine Präsidialratsstellungnahme. 26 c) Ein unmittelbares Vorgehen allein gegen eine Präsidialratsstellungnahme ist ferner dann ausgeschlossen und mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, wenn der Betroffene bezogen auf die Jahre, in denen er zur Wahl stand, sich der Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen das Ergebnis dieser Wahlen begeben hat. 27 Angriffe gegen die Stellungnahme des Präsidialrats eines obersten Gerichtshofs des Bundes im Rahmen der Bundesrichterwahl können nur im Rahmen des Vorgehens gegen den Ausgang der konkreten Wahl vorgetragen werden. Unterlässt es der an seiner Wahl zum Bundesrichter Interessierte, gegen das Ergebnis dieser konkreten Wahl im Hinblick auf die nach seiner Ansicht rechtswidrige Stellungnahme des Präsidialrats vorzugehen, so ist eine spätere gerichtliche Überprüfung der Stellungnahme des Präsidialrats ausgeschlossen, sofern eine erneute Heranziehung dieser Präsidialratsstellungnahme wegen Verstreichens ihrer dreijährigen ""Geltungsdauer"" (dazu später unter e) nicht mehr in Betracht kommt. Denn der Betroffene hat nicht die Möglichkeiten genutzt, die ihm im Hinblick auf sein eigentliches Ziel der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Stellungnahme des Präsidialrats offenstanden. 28 d) Auch ein - auf Aufhebung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtetes - isoliertes Vorgehen gegen eine Präsidialratsstellungnahme im Hinblick auf befürchtete künftige Nachteile ist unzulässig. Es handelt sich der Sache nach um ein Begehren auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes, dessen es nicht bedarf, weil hinreichender effektiver vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung steht. 29 aa) Das gilt zum einen für in künftigen Bundesrichterwahlen befürchtete Nachteile. 30 Der vorgeschlagene, aber nicht gewählte Kandidat kann sich in dem Bundesrichterwahlverfahren, in dem die Präsidialratsstellungnahme erstellt wird, mit einem (Eil-)Rechtsschutzbegehren gegen die Zustimmung des zuständigen Bundesministers zur Ernennung der nach seiner Ansicht auf der rechtsfehlerhaften Grundlage der rechtswidrigen Präsidialratsstellungnahme gewählten Kandidaten wenden. Dringt er damit durch, wird - wie ausgeführt - bereits für das laufende Richterwahlverfahren eine neue Präsidialratsstellungnahme erstellt, die dann - für den Fall, dass der betreffende Kandidat auch nach Erstellung einer neuen Präsidialratsstellungnahme erneut nicht gewählt wird - in künftigen Richterwahlverfahren Verwendung finden kann. 31 Wenn der vorgeschlagene, aber nicht gewählte Kandidat im laufenden Wahlverfahren nicht um (Eil-)Rechtsschutz nachgesucht hat, kann er gleichwohl in späteren Bundesrichterwahlverfahren im Wege eines Konkurrentenstreitverfahrens die Fehlerhaftigkeit dieser Präsidialratsstellungnahme geltend machen. Wird also dieselbe Präsidialratsstellungnahme trotz der Beanstandung durch den betreffenden Kandidaten auch in einem weiteren Bundesrichterwahlverfahren erneut zugrunde gelegt und nicht durch eine neue Stellungnahme ersetzt, kann der vorgeschlagene, aber nicht gewählte Kandidat in diesem künftigen Bundesrichterwahlverfahren im Wege des Konkurrenteneilrechtsschutzes dagegen vorgehen. 32 Eines vorbeugenden Rechtsschutzes durch ein Aufhebungs- oder Rechtswidrigkeitsfeststellungsbegehren bedarf es deshalb nicht. Der vorläufige Rechtsschutz stellt sich gegenüber dem vorbeugenden Rechtsschutz als der einfachere Weg dar. Allerdings ist der vorgeschlagene, aber nicht gewählte Kandidat gehalten, sich rechtzeitig Kenntnis von der Präsidialratsstellungnahme bzw. ihrer erneuten Heranziehung in einem späteren Bundesrichterwahlverfahren zu verschaffen. 33 bb) Das gilt ebenfalls für außerhalb von Bundesrichterwahlen - also bei anderweitigen Verwendungs- und Beförderungsentscheidungen - befürchtete rechtliche Nachteile durch eine für rechtsfehlerhaft gehaltene Präsidialratsstellungnahme. 34 Eine Präsidialratsstellungnahme ist - wie oben ausgeführt - für Verwendungs- und Beförderungsentscheidungen außerhalb von Bundesrichterwahlen ohne rechtliche Bedeutung. Werden aus ihr bei einer anderweitigen Verwendungs- und Beförderungsentscheidung gleichwohl - rechtswidrigerweise - rechtliche Schlussfolgerungen gezogen, kann der hiervon nachteilig Betroffene hiergegen um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen. Eines vorbeugenden Rechtsschutzes bedarf er nicht. 35 e) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall der klageweise geltend gemachte isolierte Angriff auf die Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof aus den Jahren 2013 und 2014 in mehrfacher Hinsicht und unter allen vom Kläger angeführten Aspekten unzulässig. 36 aa) Zum einen steht ihm § 44a Satz 1 VwGO entgegen. Eine Stellungnahme des Präsidialrats kann nicht isoliert, sondern nur im Rahmen eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ernennung vom Richterwahlausschuss gewählter Kandidaten gerichtlich angegriffen werden. 37 bb) Dem Kläger fehlt außerdem das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage, weil nach der vom Berufungsgericht festgestellten Verfahrenspraxis des Richterwahlausschusses eine Stellungnahme des Präsidialrats spätestens nach drei Jahren durch eine neue Stellungnahme ersetzt wird. Nachdem dieser Dreijahreszeitraum für die ""Gültigkeit"" der Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof aus den Jahren 2013 und 2014 abgelaufen ist, bedarf der Kläger keiner Möglichkeit mehr, diese Stellungnahmen gerichtlich überprüfen zu lassen. Er hatte die Möglichkeit hinreichenden (Eil-)Rechtsschutzes - gerichtet gegen die Ministerentscheidung nach § 13 RiWG einschließlich Inzidentprüfung der Stellungnahme des Präsidialrats - in den Jahren 2013 und 2014, in denen die Stellungnahmen ""gültig"" waren und er erfolglos für die Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof vorgeschlagen war. 38 Hätte der Kläger den Ausgang der Wahl der Richter für den Bundesgerichtshof in den Jahren 2013 und 2014 mittels eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angegriffen, so wäre in diesen Verfahren auch sein Vorbringen gewürdigt worden, die Stellungnahme des Präsidialrats des Bundesgerichtshofs sei rechtswidrig. Denn die Stellungnahme des Präsidialrats ist sowohl vom Richterwahlausschuss bei der eigentlichen Wahl als auch vom zuständigen Bundesminister bei der ihm obliegenden Entscheidung über die Zustimmung nach § 13 RiWG zu berücksichtigen. 39 Hier hat der Kläger zwar mehrere Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geführt; diese sind jedoch sämtlich entweder unstreitig erledigt worden oder sind ohne Erfolg geblieben, ohne dass die Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Stellungnahme des Präsidialrats befunden hätten. In diesen Eilverfahren hat der Kläger zudem lediglich beantragt, der Beklagten die Ernennung gewählter Kandidaten vorläufig zu untersagen, bevor ihm Akteneinsicht in näher bezeichnete Unterlagen des Richterwahlverfahrens gewährt worden sei, ferner ihr die vorläufige Entfernung der beiden Präsidialratsstellungnahmen aus dem Bewerberheft aufzugeben und sie bei einer (Nach-)Wahl am 6. November 2014 unberücksichtigt zu lassen, sowie die Beklagte vorläufig zu verpflichten, bei einer Nachwahl den Vorschlag, ihn zum Richter am Bundesgerichtshof zu wählen, zur Wahl zu stellen. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Beklagten die Ernennung der vom Richterwahlausschuss gewählten Kandidaten vorläufig bis zu einer erneuten Entscheidung des zuständigen Ministers gemäß § 13 RiWG (nach Einholung einer neuen Stellungnahme des Präsidialrats des Bundesgerichtshofs und nach einem erneuten Wahlvorgang im Richterwahlausschuss) zu untersagen, hat der Kläger zu keiner Zeit gestellt. Damit hat er es versäumt, den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. 40 cc) Ein Rechtsschutzinteresse für einen isolierten Rechtsschutz gegen die beiden Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof aus den Jahren 2013 und 2014 ergibt sich für den Kläger auch nicht aus den von ihm befürchteten rechtlichen Nachteilen für Verwendungs- oder Beförderungsentscheidungen. In einem solchen Fall könnte er gegen die ihm nachteilige Verwendungs- oder Beförderungsentscheidung gerichtlich vorgehen und in diesem Verfahren die rechtsfehlerhafte Heranziehung der Stellungnahmen des Präsidialrats geltend machen. 41 dd) Soweit der Kläger schon allein durch das Vorliegen der (nach seiner Ansicht fehlerhaften) Präsidialratsstellungnahme faktische Nachteile bei künftigen, anderweitigen Verwendungs- und Beförderungsentscheidungen befürchtet, bei denen die Stellungnahme - wie ausgeführt - keine rechtliche Bedeutung hat (haben darf), steht seinem Klagebegehren entgegen, dass solche faktischen Nachteile (etwa als Umstände ""vom Hörensagen""), sofern und soweit sie rechtlich überhaupt ""fassbar"" sind, nunmehr nicht mehr zu beseitigen sind, nachdem der Kläger den ihm offen stehenden Weg des vorläufigen Rechtsschutzes (Konkurrenteneilrechtsschutz) gegen seine Nichtberücksichtigung nicht beschritten hat. Dass der Kläger insgesamt drei Mal erfolglos an einem Bundesrichterwahlverfahren teilgenommen hat, ist als bloße Tatsache nicht (mehr) ""aus der Welt zu schaffen."" Dasselbe gilt für das bloße Vorhandensein der dafür jeweils erstellten Präsidialratsstellungnahme, von denen der Kläger zwei für fehlerhaft hält, deren Zugrundelegung im Bundesrichterwahlverfahren er aber nicht im Wege des ihm dafür offenstehenden vorläufigen Rechtsschutzes verhindert hat. 42 Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der bloßen Tatsache der Nichtberücksichtigung eines vorgeschlagenen Kandidaten durch den Richterwahlausschuss ebenso wie bei der bloßen Tatsache einer ungünstigen Bewertung des Kandidaten in einer Präsidialratsstellungnahme für alle mit dem Vorgang befassten Personen um personenbezogene Daten, die der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht und dem personalaktenrechtlichen Vertraulichkeitsgebot und Personaldatenschutz unterliegen (vgl. § 67 Abs. 1, §§ 106 ff. BBG). Soweit diese Tatsachen überhaupt einem darüber hinaus gehenden, an solchen Vorgängen interessierten Kreis von Personen bekannt werden (oder im Fall des Klägers bekannt geworden sind), sind beide Umstände - für sich genommen - weder ehr- noch sonst persönlichkeitsverletzend (dazu sogleich unter f). Schließlich kann ein Bundesbeamter (und so auch der Kläger) das Risiko künftiger faktischer Nachteile einer Präsidialratsstellungnahme auch außerhalb eines gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens durch einen Antrag auf Entfernung der Präsidialratsstellungnahme und ihre Vernichtung nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG zwar nicht vollständig beseitigen, wohl aber verringern. So kann er verhindern, dass in Zukunft weitere Personen von der bloßen Tatsache seiner Nichtberücksichtigung und erst Recht von dem konkreten Inhalt der (nach seiner Ansicht rechtswidrigen) Stellungnahme des Präsidialrats Kenntnis erhalten. 43 f) Es kann offenbleiben, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Aufhebung einer Präsidialratsstellungnahme oder ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit dann anzunehmen ist, wenn eine Persönlichkeitsrechtsverletzung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder eine sonstige Grundrechtsverletzung durch die Präsidialratsstellungnahme geltend gemacht wird. Denn eine solche Rechtsverletzung ist im vorliegenden Fall offensichtlich ausgeschlossen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der vom Präsidialrat beim Bundesgerichtshof getroffenen Einschätzung des Klägers als ""nicht geeignet"" für das Amt eines Richters am Bundesgerichtshof. Denn die Verneinung einer Eignung für ein bestimmtes Amt ist - ebenso wie das Nichtbestehen von Prüfungen o.ä. - nicht für sich bereits ehr- oder sonst persönlichkeitsrechtsverletzend. 44 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-86,19.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 86/2019 vom 19.11.2019 EN Keine Fiktionswirkung bei Aufenthaltserlaubnisantrag nach Einreise mit einem Schengen-Visum eines anderen Mitgliedstaates Beantragt ein Ausländer, der mit einem von einem anderen Staat erteilten Schengen-Visum rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist, rechtzeitig die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt das Visum weder fiktiv fort noch gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde weiterhin als erlaubt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der 1984 geborene Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 5 i.V.m. § 81 Abs. 3 AufenthG. Er ist mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet, der im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Der Kläger reiste im November 2015 mit einem von der spanischen Botschaft in Kabul (Afghanistan) erteilten, gültigen Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein und beantragte vor dessen Ablauf eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, über deren Erteilung die Ausländerbehörde bislang nicht entschieden hat. Seine Klage auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 i.V.m. § 81 Abs. 3 AufenthG auszustellen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle das dem Kläger von der spanischen Botschaft in Kabul erteilte Schengen-Visum keinen Aufenthaltstitel i.S.d. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dar, habe jedoch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Bundesgebiet begründet. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat der Revision der Beklagten stattgegeben. Die Absätze 3 und 4 des § 81 AufenthG stehen in einem sich ausschließenden Alternativverhältnis. Das von einem anderen Staat erteilte Schengen-Visum ist ein Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes. Der in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG enthaltene Ausschluss der fiktiven Fortgeltung eines Aufenthaltstitels erfasst mithin auch das dem Kläger von einer spanischen Stelle erteilte Schengen-Visum. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs allein auf von deutschen Behörden erteilte Schengen-Visa lässt sich mit dem Wortlaut dieser Bestimmungen und der europarechtlichen Konstruktion des Schengen-Visums nicht vereinbaren. Schengen-Visa werden nach Maßgabe des Visakodex nach dem einheitlichen, in allen Schengen-Staaten gleich anwendbarem Regime des Schengen-Rechts erteilt. Wegen der alternativen Anwendungsbereiche von § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG kommt dann auch eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG nicht in Betracht. BVerwG 1 C 22.18 - Urteil vom 19. November 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 11 S 2583/17 - Urteil vom 06. April 2018 - VG Stuttgart, 9 K 6090/15 - Urteil vom 19. Oktober 2017 -","Urteil vom 19.11.2019 - BVerwG 1 C 22.18ECLI:DE:BVerwG:2019:191119U1C22.18.0 EN Ausschluss der Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG für Schengen-Visa Leitsätze: 1. Die Regelungen zur Fiktionswirkung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG stehen in einem sich ausschließenden Alternativverhältnis. 2. Auch von anderen Schengen-Staaten ausgestellte Schengen-Visa (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sind Aufenthaltstitel im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, für die die Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ausgeschlossen ist. Rechtsquellen Verordnung (EG) Nr. 810/2009 (Visakodex) Art. 2 Nr. 3, Art. 24, 33 Abs. 1 bis 4, Art. 34 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) Art. 19, 21 Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (EG-VisaVO) Anhang I AufenthG § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 5 AufenthV § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 Instanzenzug VG Stuttgart - 19.10.2017 - AZ: VG 9 K 6090/15 VGH Mannheim - 06.04.2018 - AZ: VGH 11 S 2583/17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.11.2019 - 1 C 22.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:191119U1C22.18.0] Urteil BVerwG 1 C 22.18 VG Stuttgart - 19.10.2017 - AZ: VG 9 K 6090/15 VGH Mannheim - 06.04.2018 - AZ: VGH 11 S 2583/17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. April 2018 wird geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und des Berufungsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AufenthG. 2 Der ... geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet, der im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG ist. Das Ehepaar hat zwei gemeinsame Kinder, die im Bundesgebiet geboren worden sind. 3 Der Kläger, der mit von verschiedenen Schengen-Staaten ausgestellten Besuchervisa bereits mehrfach nach Deutschland gereist war, reiste zuletzt am 23. November 2015 mit einem von der spanischen Botschaft in K. ausgestellten, vom 23. November 2015 bis zum 17. Dezember 2015 gültigen Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein. 4 Im November 2015 stellte der Kläger einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Zugleich beantragte er, ihm eine Bescheinigung über den Eintritt einer Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG auszustellen. 5 Mit Schreiben vom Dezember 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, das ihm durch die spanische Botschaft erteilte Schengen-Visum zu annullieren, die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und der Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung abzulehnen sowie den Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufzufordern. 6 Am 23. Dezember 2015 hat der Kläger Klage auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erhoben. 7 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei nicht anwendbar, weil der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung einen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) besessen habe. Auch das durch einen anderen Mitgliedstaat der EU erteilte Schengen-Visum stelle einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dar, so dass sich die Fiktionswirkung allenfalls aus § 81 Abs. 4 AufenthG ergeben könne. Der Gesetzgeber habe sich mit der Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG klar gegen eine Fiktionswirkung von Schengen-Visa ausgesprochen. 8 Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 6. April 2018 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Bescheinigung über eine Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auszustellen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Ausstellung der begehrten Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 AufenthG. Das dem Kläger von der spanischen Botschaft in K. ausgestellte Schengen-Visum sei kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, habe jedoch nach Art. 19 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (ABl. 2000 L 239 S. 19) - SDÜ - die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Bundesgebiet begründet. Es werde nicht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung gefolgt, wonach ein solches Visum nur eine Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG vermitteln könne mit der Folge, dass der in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vorgenommene Ausschluss des Schengen-Visums generell den Eintritt einer Fiktion auch nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausschlösse. Ein Schengen-Visum eines anderen Mitgliedstaates führe zu einer Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, weil es sich hierbei nicht um einen ""Aufenthaltstitel"" im Sinne der Vorschrift handele. Es entspreche auch allgemeiner Meinung, dass der Besitz eines nationalen Titels eines anderen Schengen-Staates (vgl. Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ) allein auf § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und nicht auf § 81 Abs. 4 AufenthG hinführe. Dieser Auffassung liege die Vorstellung zugrunde, dass derartige behördliche Erlaubnisse eines anderen Schengen-Staates keine Aufenthaltstitel im Sinne des Absatz 3 Satz 1 sein können und hier - in Abgrenzung zu Absatz 4 Satz 1 - mit Aufenthaltstitel nur ein solcher gemeint sein könne, der nach den Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes von einer deutschen Ausländerbehörde oder Auslandsvertretung erteilt worden sei. Von diesem Verständnis gingen im Übrigen auch die Regelungen des § 39 Nr. 3 und 6 AufenthV aus, die nur verständlich seien, wenn die Möglichkeit der Beantragung des Titels vom Bundesgebiet aus an die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts aufgrund eines Aufenthaltstitels eines anderen Schengen-Staates oder aufgrund eines durch das Unionsrecht unmittelbar vermittelten Befreiungstatbestandes anknüpfe. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber von einem anderen Verständnis ausgegangen sei. Dies könne aber nichts daran ändern, dass der Gesetzgeber, wenn er jegliche Fiktionswirkung hätte ausschließen wollen, gerade auch bei § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG hätte ansetzen müssen. Die historische Auslegung könne daher nicht gegen den Wortlaut und die eindeutige Systematik ins Feld geführt werden. Der knappen Formulierung in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (""Dies gilt nicht ..."") lasse sich nicht entnehmen, dass der Besitzer eines Schengen-Visums, gleich von welchem Staat ausgestellt, keinerlei Status haben solle, nicht einmal einen fingierten erlaubten Aufenthalt. Denn die Konsequenz der vom Verwaltungsgericht vertretenen strikten Auffassung wäre, dass sich der Betroffene während des gesamten Verwaltungsverfahrens unerlaubt im Bundesgebiet aufhielte und die Strafbarkeit (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AufenthG) nur durch Erteilung einer Duldung abgewendet werden könnte. 9 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine fehlerhafte Auslegung von § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG. Grundsätzlich stelle das durch einen anderen Mitgliedstaat erteilte Schengen-Visum einen Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG dar. Bereits aus diesem Grund entfalle eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 AufenthG, weil § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG nach dem Wortlaut und der Systematik nur alternativ anwendbar seien. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, die Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG dahin auszulegen, dass sie allein auf durch deutsche Behörden erteilte Schengen-Visa beschränkt sei. Dies hätte zur Folge, dass durch deutsche Behörden erteilte Schengen-Visa keinerlei Fiktionswirkung auslösen könnten, während Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten zumindest die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bewirken könnten. 10 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an. II 11 Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, nach der der Aufenthaltserlaubnisantrag eines Ausländers, der mit einem Schengen-Visum eines anderen Schengen-Staates nach Deutschland eingereist ist und nach Einreise die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem dauerhaften Aufenthalt beantragt hat, die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auslöst, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist das angefochtene Urteil zu ändern und die Berufung zurückzuweisen. 12 1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG als allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Bei der Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG handelt es sich nicht um einen feststellenden oder rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Bescheinigung, die nicht hindert, auf die wahre, durch das Gesetz bestimmte Rechtslage zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C 7.96 - Buchholz 402.240 § 18 AuslG 1990 Nr. 1 S. 7; Beschluss vom 21. Januar 2010 - 1 B 17.09 - Buchholz 402.242 § 84 AufenthG Nr. 1 Rn. 7; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG 20. Aufl. 2019, § 35 Rn. 92b). Sie hat lediglich deklaratorische Wirkung und vermag nicht konstitutiv einen bestimmten Rechtsstatus zu begründen. 13 Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beziehungsweise der Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Tatsachengericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 23). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist daher das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294). 14 2. Bundesrecht verletzt indessen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass ein Schengen-Visum eines anderen Schengen-Staates eine Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG herbeizuführen vermag, weil es sich hierbei nicht um einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG handele und der in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geregelte Ausschluss der Fortgeltungsfiktion nur auf von deutschen Behörden erteilte Schengen-Visa anwendbar sei. 15 2.1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar zunächst im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass für die Anwendung der Absätze 3 und 4 des § 81 AufenthG entscheidend darauf abzustellen ist, ob die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts durch den Besitz eines Aufenthaltstitels oder durch einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Aufenthaltstitel vermittelt wird. Denn die Absätze 3 und 4 des § 81 AufenthG, die die Wirkungen eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels regeln, stehen in einem sich ausschließenden Alternativverhältnis. Gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gilt der Aufenthalt derjenigen Ausländer, die sich rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, nach der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt und bei verspäteter Antragstellung nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG als geduldet. Ihr Aufenthaltsstatus wird als weiterbestehend fingiert, bis die Ausländerbehörde über ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entschieden hat (Erlaubnisfiktion). Von der Regelung des § 81 Abs. 4 AufenthG werden Ausländer erfasst, die sich bereits mit einem Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In diesen Fällen gilt der Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Erteilungs- oder Verlängerungsantrag als fortbestehend (Fortgeltungsfiktion). Mit der Fortgeltungsfiktion in § 81 Abs. 4 AufenthG hat der Gesetzgeber ein neues Rechtsinstitut geschaffen, das über eine bloße Erlaubnisfiktion hinausgeht. Mit der fingierten Fortgeltung des bisherigen Titels wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt regeln, und erreicht, dass die Beschäftigung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde im bisherigen Umfang erlaubt bleibt (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 96). § 81 Abs. 4 AufenthG entfaltet mithin nicht nur verfahrensrechtliche Wirkungen, ohne allein deswegen konstitutiv einen auch materiell rechtmäßigen Aufenthalt zu bewirken oder zu einem ""Besitz"" eines Aufenthaltstitels zu führen (BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 - 1 C 6.09 - BVerwGE 136, 211 <217 f.>). 16 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, dass die von anderen Schengen-Staaten erteilten Schengen-Visa keine Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 AufenthG sind und der in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geregelte Ausschluss der Fortgeltungsfiktion nicht auf von anderen Schengen-Staaten erteilte Schengen-Visa anwendbar ist. 17 2.2.1. Nach dem Wortlaut des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG knüpft die Fiktionswirkung an den Besitz eines Aufenthaltstitels im Sinne des Aufenthaltsgesetzes an. Fiktionsfähig nach dieser Bestimmung sind mithin grundsätzlich alle in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannten Aufenthaltstitel. Hierzu zählt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch ein Schengen-Visum; dass dessen Erteilungsvoraussetzungen, Inhalt und Dauer unionsrechtlich abschließend geregelt sind, sperrt nicht dessen Einordnung als nationaler Aufenthaltstitel für unionsrechtlich nicht geregelte Fragen des nationalen Rechts. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bestimmt indes einschränkend, dass die Fortgeltungsfiktion nicht für ein ""Visum nach § 6 Absatz 1"" AufenthG - also insbesondere ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - gilt. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auf von deutschen Behörden ausgestellte Schengen-Visa lässt sich mit dem Wortlaut und der Systematik dieser Bestimmungen nicht vereinbaren. Denn die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG unter Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genannten Schengen-Visa werden nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) (ABl. L 243 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1155 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 188 S. 25), erteilt, also nach dem einheitlichen, in allen Schengen-Staaten gleich anwendbarem Regime des Schengen-Rechts. Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittausländern, die sich nicht länger als drei Monate im Schengen-Gebiet aufhalten wollen. Zu diesem Zweck wird dem Drittausländer von den Mitgliedstaaten ein für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gültiges einheitliches Visum (Art. 2 Nr. 3, Art. 24 Visakodex), das sogenannte Schengen-Visum, erteilt. Inhaber eines solchen Visums können sich während dessen Gültigkeitszeitraums frei in dem Hoheitsgebiet aller Schengen-Staaten bewegen (Art. 19 SDÜ). 18 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass nur ein von einer deutschen Auslandsvertretung erteiltes Schengen-Visum ein Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sein könne, ist mit der europarechtlichen Konstruktion des Schengen-Visums und der Systematik des Aufenthaltsgesetzes, nach der ein Schengen-Visum nach nationalem Recht einen Aufenthaltstitel (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 69) darstellt, nicht zu vereinbaren. Dass es kein ""deutsches Schengen-Visum"" im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommenen Auslegung gibt, wird zudem dadurch bestätigt, dass nach Art. 33 Abs. 1, 4 Visakodex auch ein von einem anderen Schengen-Staat erteiltes Visum durch denjenigen Vertragsstaat verlängert werden kann, in dessen Hoheitsgebiet sich der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Beantragung der Verlängerung aufhält. Umgekehrt unterstreicht die Regelung des Art. 34 Visakodex zur Annullierung und Aufhebung eines Schengen-Visums, dass das durch ein nicht annulliertes oder aufgehobenes Schengen-Visum unionsrechtlich vermittelte Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht - wie bei der durch Art. 21 SDÜ bei einem durch einen anderen Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel unter bestimmten Voraussetzungen vermittelten Bewegungsfreiheit - die (fortdauernde) materielle Rechtmäßigkeit voraussetzt (zur materiellen Rechtmäßigkeit von Einreise und Aufenthalt auf der Grundlage des Art. 21 SDÜ als Voraussetzungen der Anwendung des § 81 Abs. 3 AufenthG s. OVG Hamburg, Beschluss vom 1. Juni 2018 - 1 Bs 126/17 - InfAuslR 2018, 400; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2019 - OVG 11 S 21.18 - juris; s.a. VGH Kassel, Beschluss vom 4. Juni 2014 - 3 B 785/14 - InfAuslR 2014, 435). 19 2.2.2. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht zudem eindeutig der Wille des Gesetzgebers hervor, die Fortgeltungsfiktion auszuschließen, wenn der Ausländer ""nur"" mit einem Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, ohne dass insoweit nach dem ausstellenden Staat unterschieden wird. Mit der Einfügung des Satzes 2 in § 81 Abs. 4 AufenthG durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484) wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass - entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, die ein durch schwedische Behörden ausgestelltes Schengen-Visum betrag (OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Oktober 2011 - 11 ME 315/11 - InfAuslR 2012, 70) - ein Schengen-Visum die Fortgeltungsfiktion nicht auszulösen vermag. Lediglich für nationale Visa nach § 6 Abs. 3 AufenthG - wie auch in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl S. 878) zum Ausdruck gebracht ist (Ziffer 81.4.0) - wollte er die Fortgeltungswirkung anerkennen (vgl. BT-Drs. 17/13022 S. 30, BT-Drs. 17/13536 S. 15). Dem Gesetzgeber ging es folglich bei der Einfügung des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gerade darum, die Fiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bei Schengen-Visa generell auszuschließen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Ausschlusswirkung nur bei von deutschen Behörden erteilten Schengen-Visa zum Tragen kommen lassen wollte. Bei Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf die Fälle der Einreise mit einem von einem anderen Schengen-Staat erteilten Schengen-Visum würde diese gesetzliche Ausschlussregelung weitgehend obsolet. Diese hätte überdies eine gleichheitssatzwidrige Benachteiligung der Besitzer von Schengen-Visa, die von deutschen Behörden erteilt wurden, zur Folge, weil diesen Schengen-Visa gemäß § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG keine Fortgeltungsfiktion zugutekommen würde, der Besitz ""ausländischer Schengen-Visa"" indes die Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bewirken könnte. Eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG scheidet bereits mangels einer planwidrigen Regelungslücke aus. Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept für den Fall der Einreise mit einem Schengen-Visum verdeutlicht, indem er die für andere Aufenthaltstitel mögliche Fortgeltungsfiktion ausdrücklich ausgeschlossen hat. 20 2.2.3. Systematische und teleologische Gründe sprechen ebenfalls gegen die Annahme eines verfahrensrechtlichen Bleiberechts, wenn der Ausländer zunächst mit einem Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und nach Einreise einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Daueraufenthalt stellt. 21 Systematisch spricht für die Einordnung von Schengen-Visa anderer Mitgliedstaaten als Aufenthaltstitel im Sinne des § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG, dass die Rechtswirkungen des § 81 Abs. 4 AufenthG (anders als die des § 81 Abs. 3 AufenthG) nicht nur bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, sondern auch bei Anträgen auf Verlängerung des Aufenthaltstitels eintreten. Denn auch ein von einem anderen Schengen-Staat erteiltes Schengen-Visum kann nach Art. 33 Abs. 1 bis 3 Visakodex durch den Mitgliedstaat verlängert werden, in dessen Hoheitsgebiet sich der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Beantragung der Verlängerung aufhält (Art. 33 Abs. 4 Visakodex). Würde auf ein solches Visum nicht § 81 Abs. 4 AufenthG, sondern § 81 Abs. 3 AufenthG angewendet, käme bei einem Verlängerungsantrag keine der vorgesehenen Fiktionen zum Tragen, weil der Fall des Verlängerungsantrages in § 81 Abs. 3 AufenthG nicht geregelt ist. 22 Bereits die Rechtsnatur des Schengen-Visums, das durch eine begrenzte Geltungsdauer und eingeschränkte Zwecksetzung sowie durch eine unionsweit einheitliche Ausgestaltung charakterisiert ist, steht der Annahme einer fiktiven Fortgeltung als Schengen-Visum entgegen. Aber auch eine Fortgeltung als nationales Aufenthaltsrecht widerspräche der aufenthaltsrechtlichen Konzeption, wonach Aufenthaltstitel für einen Daueraufenthalt grundsätzlich vor der Einreise beantragt werden müssen (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 AufenthG, vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2019, § 81 AufenthG Rn. 33 f.). Nach der Regelungskonzeption in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG ist ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nur für den Fall eines rechtmäßigen Aufenthalts vorgesehen. Es wird lediglich die Erhaltung eines aufenthaltsrechtlichen Status, nicht aber die Herbeiführung eines neuen Aufenthaltsstatus ermöglicht. 23 2.2.4. Es ergibt sich auch bei Verneinung eines verfahrensabhängigen Bleiberechts jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation kein - unauflösbarer - Wertungswiderspruch, der eine entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 3 AufenthG erforderte, zu § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV. Nach dieser Regelung kann ein sogenannter Negativstaater (Anhang I der Verordnung Nr. 539/2001), der ein gültiges Schengen-Visum besitzt, einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen und verlängern lassen, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. Die Ermöglichung einer Antragstellung im Inland erfordert indes aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche von § 39 AufenthV und § 81 Abs. 3 AufenthG und der lediglich besitzstandswahrenden Funktion von § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG noch keine Fiktion eines erlaubten Aufenthalts bzw. Fortgeltungsfiktion. § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV hat auch ohne eine solche Fiktion einen eigenständigen Anwendungsbereich jedenfalls in den Fällen, in denen der Aufenthaltstitel so rechtzeitig beantragt wird, dass dessen Erteilung noch vor Auslaufen des Schengen-Visums erwartet werden kann. Soweit § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV bei rechtzeitiger Antragstellung eine Entscheidung auch nach Ablauf des Schengen-Visums umfasst, kann dem ebenfalls entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ohne eine Erlaubnis- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 AufenthG Rechnung getragen werden, etwa durch eine Duldung auf der Grundlage von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, welche eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausschließt, und bei der eine Reduktion des Duldungsermessens jedenfalls dann nahe liegt, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (voraussichtlich) vorliegen. Bei dem Kläger scheidet dies schon deswegen aus, weil die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor dem insoweit maßgeblichen (BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 Rn. 24 ff.) Zeitpunkt der Einreise entstanden waren; bereits dem Grunde nach besteht hier mithin schon kein Wertungswiderspruch des § 39 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV zu den Regelungen des § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG. 24 Die Einordnung eines durch einen Drittstaat ausgestellten Schengen-Visums als Aufenthaltstitel im Sinne (auch) des § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG durch das nationale Recht sperrt den Rückgriff auf Absatz 3 auch unabhängig davon, ob - was hier tatrichterlich nicht festgestellt ist - bereits bei der Ausstellung des Schengen-Visums und seiner Nutzung ein Daueraufenthalt beabsichtigt war, mithin unionsrechtlich Gründe für eine Annullierung oder Aufhebung des Visums im Sinne des Art. 34 Visakodex vorlagen und die Einreise mit dem formell gültigen, nicht annullierten oder aufgehobenen Schengen-Visum materiell rechtswidrig war. 25 2.2.5. Der im Ansatz zutreffende Hinweis des Berufungsgerichts, dass im Falle eines Aufenthalts mit einem nationalen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates (Art. 21 Abs. 2a SDÜ) die Beantragung eines Aufenthaltstitels zum Entstehen der Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG führt, ändert nichts daran, dass das für einen kurzfristigen Aufenthalt bis zu 90 Tagen nach unionsweit geltenden Regelungen ausgestellte Schengen-Visum nach Vorstehendem eindeutig als Aufenthaltstitel von § 81 Abs. 4 AufenthG erfasst wird. Nach Erteilungsgrund und Regelungsstruktur sind Schengen-Visa und nationale Visa zudem nicht vergleichbar, auch wenn sie jeweils eine Einreise und Aufenthalt ermöglichen; es liegt mithin auch keine gleichheitswidrige Benachteiligung der Inhaber von Schengen-Visa, die durch einen anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden sind, durch § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor, die eine (entsprechende) Anwendung des § 81 Abs. 3 AufenthG geböte. 26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-87,19.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 87/2019 vom 19.11.2019 EN Das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit in Gesundheits- und Pflegeberufen gilt auch für betriebliche Ausbildungen Das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 38 Beschäftigungsverordnung (BeschV), wonach die Anwerbung in und die Arbeitsvermittlung aus bestimmten Staaten für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen nur von der BA durchgeführt werden darf, gilt auch für betriebliche Ausbildungen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, eine kamerunische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums für eine über einen privaten Anbieter vermittelte Ausbildung zur Altenpflegerin in Deutschland. Die BA erteilte im August 2016 eine Vorabzustimmung für die dreijährige Berufsausbildung. Den Visumantrag der Klägerin lehnte die deutsche Botschaft in Jaunde/Kamerun wegen Zweifeln an ihrer Ausbildungsmotivation ab. Die auf Neubescheidung des Visumantrages gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die für die Erteilung des begehrten Visums erforderliche Zustimmung der BA wegen Ablaufs der von ihr auf sechs Monate festgelegten Gültigkeitsdauer nicht mehr wirksam. Die fehlende Zustimmung könne im gerichtlichen Verfahren auch nicht ersetzt werden, weil das § 38 BeschV zu entnehmende Anwerbungs- und Vermittlungsverbot für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen auch die durch private Vermittlung zustande gekommene Ausbildung der Klägerin erfasse. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht ist in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Auslegung davon ausgegangen, dass die Gültigkeitsdauer der von der BA erteilten Zustimmung zur Visumerteilung zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelaufen gewesen ist. Die fehlende Zustimmung war hier im gerichtlichen Verfahren auch nicht zu ersetzen. Das § 38 BeschV zu entnehmende Verbot der Anwerbung und Vermittlung durch Private erfasst nach Wortlaut und Systematik auch betriebliche Ausbildungen in Gesundheits- und Pflegeberufen. Damit steht einer Zustimmung der BA nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein zwingender Versagungsgrund entgegen. BVerwG 1 C 41.18 - Urteil vom 19. November 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 25.17 - Urteil vom 30. Mai 2018 - VG Berlin, 28 K 96.17 V - Urteil vom 25. August 2017 -","Urteil vom 19.11.2019 - BVerwG 1 C 41.18ECLI:DE:BVerwG:2019:191119U1C41.18.0 EN Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit gilt auch für betriebliche Ausbildungen Leitsätze: 1. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 39 AufenthG gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde stellt ein Verwaltungsinternum dar. Dies gilt auch für die Vorabzustimmung nach § 36 Abs. 3 BeschV (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 C 14.08 - BVerwGE 135, 325 Rn. 15). 2. Das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen nach § 38 BeschV gilt auch für betriebliche Ausbildungen. Rechtsquellen AufenthG § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 1 und 3, § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 39 Abs. 1 Satz 1, § 40 Abs. 1 Nr. 1, § 41 BeschV § 34 Abs. 3, § 36 Abs. 3, § 38 SGB III § 25 Abs. 1, § 292 SGB IV § 7 Abs. 1 und 2 BGB § 133 Instanzenzug VG Berlin - 25.08.2017 - AZ: VG 28 K 96.17 V OVG Berlin-Brandenburg - 30.05.2018 - AZ: OVG 3 B 25.17 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.11.2019 - 1 C 41.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:191119U1C41.18.0] Urteil BVerwG 1 C 41.18 VG Berlin - 25.08.2017 - AZ: VG 28 K 96.17 V OVG Berlin-Brandenburg - 30.05.2018 - AZ: OVG 3 B 25.17 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und Böhmann und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Mai 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Gründe I 1 Die Klägerin ist kamerunische Staatsangehörige und begehrt die Erteilung eines Einreisevisums zum Zweck der betrieblichen Ausbildung zur Altenpflegerin in der Bundesrepublik Deutschland. 2 Die Agentur für Arbeit Köln der Beigeladenen erteilte mit einem an die A. GmbH in Bonn (A.-GmbH) gerichteten Schreiben vom 15. August 2016 die Vorabzustimmung nach § 36 Abs. 3 Beschäftigungsverordnung (BeschV) i.V.m. § 39 AufenthG für die Beschäftigung der Klägerin in dem Unternehmen als Ausbildung zur Altenpflegerin. Die Zustimmung wurde ""für den Zeitraum 15. August 2016 bis 14. August 2019 erteilt bzw. für die angegebene Dauer ab dem Tag der Einreise"". Das Schreiben enthält den Hinweis, dass die Bewerberin mit dieser Vorabzustimmung direkt bei der zuständigen Stelle den für die Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel beantragen könne. Die Zustimmung werde wirksam, wenn sie der Behörde, die für die Erteilung des Aufenthaltstitels zuständig sei, im Original vorliege. Nach dem Schlusssatz ist die Zusage ab dem Ausstellungsdatum sechs Monate lang gültig. 3 Unter dem 1. August 2016 beantragte die Klägerin bei der deutschen Botschaft in Jaunde/Kamerun unter Vorlage u.a. eines Ausbildungsvertrags mit der A.-GmbH über die Ausbildung zur Altenpflegerin, einer Ausbildungsplatzbestätigung des V. e.V. (V. e.V.) und des Schreibens der Beigeladenen vom 15. August 2016 ein nationales Visum für eine Ausbildung zur Altenpflegerin im Bundesgebiet. 4 Nach Anhörung der Klägerin lehnte die Botschaft den Antrag mit Bescheid vom 5. September 2016 ab. Auf die Remonstration der Klägerin, zu deren Begründung sie u.a. ein Schreiben des V. e.V. vorlegte, wonach die Ausbildung durch das private Studienkolleg ETALL vermittelt worden war, hob die Botschaft mit Bescheid vom 24. Februar 2017 den Bescheid vom 5. September 2016 auf und lehnte den Antrag auf Erteilung eines Visums zu Ausbildungszwecken ab. Angesichts des bisherigen Werdeganges der Klägerin sei nicht davon auszugehen, dass sie sich tatsächlich zur Altenpflegerin ausbilden lassen wolle. 5 Mit Urteil vom 25. August 2017 hat das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zu Ausbildungszwecken nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. §§ 5, 17 Abs. 1 AufenthG. Die hierfür nach § 39 AufenthG erforderliche Zustimmung der Beigeladenen habe nach Ablauf der sechsmonatigen Befristung am 15. April 2017 ihre Wirksamkeit verloren. Das Ausbildungsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, welches aufgrund einer nach § 38 BeschV unerlaubten Arbeitsvermittlung durch ETALL zustande gekommen sei. 6 Mit Urteil vom 30. Mai 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie habe keinen Anspruch auf Neubescheidung. Bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Visums zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung nach § 6 Abs. 3, § 17 Abs. 1 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Bei der von der Klägerin angestrebten Ausbildung zur Altenpflegerin handele es sich um eine von § 17 AufenthG erfasste Beschäftigung, die gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthG der Zustimmung durch die Beigeladene bedürfe, an die die Beklagte - ungeachtet deren Rechtmäßigkeit - gebunden sei. Es liege aber keine wirksame Zustimmung der Beigeladenen vor, so dass es auf die Frage einer ermessensfehlerfreien Ablehnung nicht ankomme. Die Gültigkeit der dem Ausbildungsträger erteilten Vorabzustimmung sei nach Auslegung der behördlichen Willenserklärung auf den Zeitraum von sechs Monaten ab der Ausstellung beschränkt gewesen. Die Beigeladene müsse die derzeit fehlende Zustimmung auch nicht erneut erteilen, denn deren Versagung sei wegen des Anwerbungs- und Vermittlungsverbots des § 38 BeschV, das auch Ausbildungsverhältnisse umfasse, rechtmäßig. 7 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Beigeladene habe der Aufnahme einer Ausbildung der Klägerin nach § 39 AufenthG bereits für drei Jahre im Rahmen einer Vorabzustimmung gemäß § 36 Abs. 3 BeschV zugestimmt, ohne diese nach § 41 AufenthG zu widerrufen. Die Zustimmung sei mit Einreichung der Vorabzustimmungsurkunde bei der deutschen Auslandsvertretung in Kamerun wirksam geworden. Die Vorabzustimmung entfalte Regelungswirkung (auch) zugunsten der Klägerin. Bei zutreffender Auslegung der Vorabzustimmung sei zwingend davon auszugehen, dass die Beigeladene ihre Zustimmung bereits wirksam erteilt habe und diese bei Vorlage des Originals bei der Botschaft ihre Wirksamkeit entfalte. Der Verfall einer Vorabzustimmung vor Ablauf des Geltungszeitraums widerspreche dem Zweck der Beschleunigung des Visumserteilungsverfahrens und der Planungssicherheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 8 Entsprechend den bisher geltenden Fachlichen Weisungen der Beigeladenen finde das private Anwerbungs- und Vermittlungsverbot des § 38 BeschV auf Ausbildungen in Gesundheits- und Pflegeberufen keine Anwendung. Zwar handele es sich bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis um eine Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV. Dieses ziele aber nur auf den Erwerb der beruflichen Qualifikation ab und sei deshalb keine Beschäftigung in dem erst angestrebten Gesundheits- bzw. Pflegeberuf. Es komme im Rahmen des § 38 BeschV darauf an, dass mit der Anwerbung oder Vermittlung unmittelbar die Beschäftigung in einem Gesundheitsberuf angestrebt werde. Dem Sinn und Zweck des Anwerbungs- und Vermittlungsverbots und des diesem zugrunde liegenden WHO-Kodexes widerspreche es, wenn Ausbildungsverhältnisse - jedenfalls in Bezug auf vorher nicht im Gesundheitswesen qualifizierte Bewerber - von § 38 BeschV erfasst wären. 9 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil. Ihr Verhalten lege nicht den Schluss nahe, dass die Zustimmung als wirksam erachtet worden sei. Da die Zustimmung der Beigeladenen entgegen einem gesetzlichen Verbot erteilt worden sei, sei diese offensichtlich rechtswidrig gewesen, und die Beklagte habe das Visum versagen dürfen. Die Bleibeperspektiven für in Deutschland ausgebildete Fachkräfte würden es mit Blick auf Sinn und Zweck des § 38 BeschV, wonach die Gesundheits- und Pflegesektoren in bestimmten Ländern nicht durch den Abzug von Fachkräften durch private Anbieter geschwächt werden sollten, rechtfertigen, auch Ausbildungsverhältnisse unter die Vorschrift fallen zu lassen. 10 Die Beigeladene hält die Revision der Klägerin für unbegründet. Zum relevanten Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe keine wirksam erteilte Zustimmung vorgelegen. Die Vorabzustimmung sei ab dem Ausstellungsdatum sechs Monate lang gültig gewesen und die Erteilung des Visums und die Einreise müssten innerhalb des Gültigkeitszeitraums erfolgen. Der Hinweis, dass die Zustimmung wirksam werde, wenn sie der für die Erteilung des Aufenthaltstitels zuständigen Behörde im Original vorliege, beziehe sich nicht auf die zeitliche Dauer der Gültigkeit. 11 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht am Verfahren beteiligt. II 12 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ohne Verstoß gegen revisibles Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrages auf Erteilung eines Visums. Die Auffassung des Berufungsgerichts, nach der vom Anwerbungs- und Vermittlungsverbot des § 38 BeschV auch Ausbildungsverhältnisse zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung erfasst sind, steht im Einklang mit Bundesrecht (1.). Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verhandlung vor dem Tatsachengericht die Vorabzustimmung der Beigeladenen nicht mehr wirksam war (2.), so dass es auf deren Bindungswirkung für die Beklagte bei der Bescheidung des Visumsantrages nicht entscheidungserheblich ankommt (3.). Die fehlende Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann im gerichtlichen Verfahren auch nicht ersetzt werden (4.). 13 Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Maßgeblich sind danach das Aufenthaltsgesetz in seiner aktuellen Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294) und die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des Bundesrates beschlossene Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern - Beschäftigungsverordnung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1499, BeschV), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Änderung der Verordnung zum Integrationsgesetz und der Beschäftigungsverordnung vom 22. Juli 2019 (BGBl. I S. 1109). Die Rechtsvorschriften haben sich seit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht geändert. 14 1. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Berufungsgericht die von der Klägerin angestrebte berufliche Ausbildung zur Altenpflegerin, für die die Erteilung eines Aufenthaltstitels der Zustimmung der Beigeladenen bedarf (a.), als von dem Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Beigeladenen nach § 38 BeschV erfasst angesehen (b.). 15 a. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für Aufenthalte, die über 90 Tage hinausgehen, ein vor der Einreise erteiltes Visum erforderlich. Die Erteilung richtet sich gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nach den für die Beantragung eines nationalen Aufenthaltstitels aus demselben Rechtsgrund geltenden Voraussetzungen, für den von der Klägerin beabsichtigten Ausbildungsaufenthalt mithin nach den Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung gemäß § 17 Abs. 1 AufenthG. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedarf ein Aufenthaltstitel zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung grundsätzlich der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Eine einschlägige zwischenstaatliche Vereinbarung, nach der die angestrebte Aus- und Weiterbildung auch ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist, besteht nicht. Auf Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 42 Abs. 1 AufenthG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrats in der Beschäftigungsverordnung zustimmungsfreie Beschäftigungen geregelt. Für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 17 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sieht § 8 Abs. 1 BeschV die Möglichkeit der Zustimmungserteilung vor. Die von der Klägerin beabsichtigte Ausbildung zur Altenpflegerin ist auch von keiner der in §§ 2, 3, 5, 7, 9, 14, 15, 16 bis 24 und 31 der BeschV genannten Fallgruppen erfasst, für die eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht zulässig bzw. nicht erforderlich ist. 16 Bei der Zustimmung nach § 39 AufenthG handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um ein Verwaltungsinternum (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 C 14.08 - BVerwGE 135, 325 Rn. 15; Bodenbender, in: Fritz/Vormeier, GK-AufenthG, Stand Oktober 2019, § 39 Rn. 59; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2019, § 39 AufenthG Rn. 76; Hänsle, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 1. Edition, Stand 01. März 2019, § 39 AufenthG Rn. 2; Stiegeler, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 39 AufenthG Rn. 8; Sußmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 39 AufenthG Rn. 44). Der Zustimmung fehlt es an einer Regelungswirkung im Außenverhältnis (§ 35 Satz 1 VwVfG). Seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) werden die Aufenthaltserlaubnis und die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem einzigen Verwaltungsakt als einheitlicher Aufenthaltstitel von den Ausländerbehörden erteilt und erfolgt die Beteiligung der Beigeladenen in Form eines behördeninternen Zustimmungsverfahrens. 17 Dies gilt auch für eine nach § 36 Abs. 3 BeschV auf Initiative eines Arbeitgebers schon vor der Übermittlung einer Zustimmungsanfrage mögliche Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Auch sie ist gegenüber der zuständigen Stelle zu erklären und dient bei gleichem Regelungsgehalt lediglich der Verfahrensbeschleunigung. Zwar wird die schriftliche Zustimmung - wie hier - unmittelbar dem Arbeitgeber ausgehändigt, damit dieser sie an den Ausländer zum Zwecke der Vorlage bei der Botschaft weiterleitet. Auch in diesem Fall ist Empfänger der Vorabzustimmung aber nicht der Arbeitgeber oder der Ausländer, sondern die für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zuständige Stelle, im Visumverfahren also gemäß § 71 Abs. 2 AufenthG die zuständige Auslandsvertretung der Beklagten. Ob in diesen Fällen von der Beigeladenen mit der verwaltungsinternen (Vorab-)Zustimmung gegenüber der Auslandsvertretung zugleich konkludent gegenüber dem Arbeitgeber die Zusage erteilt wird, eine inhaltlich deckungsgleiche Zustimmung auch gegenüber der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Inland zuständigen Ausländerbehörde abzugeben, wenn dort rechtzeitig innerhalb der Gültigkeit der gegenüber der Auslandsvertretung erteilten Zustimmung ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt wird, bedarf im vorliegenden, auf die Erteilung eines Visums gerichteten Verfahren keiner Entscheidung. 18 b. Nach § 38 BeschV darf die Anwerbung in Staaten und die Arbeitsvermittlung aus Staaten, die in der Anlage zur BeschV aufgeführt sind, für eine Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen nur von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. Kamerun ist unter Nr. 25 der Anlage zur BeschV aufgeführt. 19 aa. Eine ""Beschäftigung in Gesundheits- und Pflegeberufen"" schließt begrifflich eine Beschäftigung im Rahmen eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses nicht aus. Zwar erfordert die Ausübung des Berufs des Altenpflegers eine entsprechende Ausbildung, so dass den Begriffen ""Beruf"" und ""Ausbildung"" grundsätzlich eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Eine ""Beschäftigung"" in einem Gesundheits- und Pflegeberuf setzt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch aber gerade nicht voraus, dass sie nur von einer Person mit abgeschlossener Berufsausbildung wahrgenommen werden kann. Näher liegt vielmehr, die Begrenzung auf ""Gesundheits- und Pflegeberufe"" auch als allgemeine Umschreibung des Betätigungsfeldes zu sehen, in dem auch Auszubildende tätig sein können. 20 bb. Mit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 38 BeschV ist die Einbeziehung von betrieblichen Ausbildungen in das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit vereinbar. Insbesondere steht der von den Vorinstanzen insoweit wegen seiner Zielrichtung (gerechte Stärkung und Schutz labiler Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern, Abschwächung negativer Wirkungen der Migration von Gesundheitspersonal, vgl. Art. 3 Leitsätze Ziff. 3.2) herangezogene Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften - WHA63.16 - einer Einbeziehung weder entgegen noch erfordert er ein Verbot der Anwerbung und Vermittlung von Ausbildungsverhältnissen durch private Anbieter. Auch wenn Auszubildende dem in der englischsprachigen Originalversion des Kodex verwendeten weiten Begriff des ""health personnel"" (Gesundheitspersonal) unterfallen dürften, kann der nationale Gesetzgeber mangels Rechtsverbindlichkeit des Kodex und des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung hiervon - gegebenenfalls auch überschießend - abweichen. Mit dem Kodex soll (auch) eine zirkuläre Migration ermöglicht werden (Art. 3 Leitsatz - Ziff. 3.8), die Ausbildungsmöglichkeiten im Ausland umfasst (Art. 5 - Ziff. 5.3). Zudem wird durch die Anwerbung und Vermittlung einer betrieblichen Ausbildung in Deutschland einem labilen Gesundheitssystem im Herkunftsland nur dann Gesundheitspersonal entzogen und das dortige Gesundheitssystem potentiell geschwächt, wenn die Ausbildungsperson ohne die Anwerbung und Vermittlung dem Gesundheitssystem im Herkunftsland tatsächlich zur Verfügung stünde. Andererseits ist eine betriebliche Ausbildung in Deutschland inzwischen rechtlich mit einer Bleibeperspektive verbunden, die einer Rückkehr nach einem erfolgreichen Abschluss entgegenwirkt. 21 cc. Ein gegen die Einbeziehung von Ausbildungen in das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol des § 38 BeschV gerichteter Wille des Verordnungsgebers bei Erlass der Verordnung lässt sich nicht feststellen. Die nachträglich - in Abstimmung mit dem Verordnungsgeber - geänderte Praxis der Beigeladenen, nach der das Anwerbungs- und Vermittlungsverbot zunächst nicht für berufliche Ausbildungen nach § 17 AufenthG gegolten hat (vgl. Ziff. 38.05 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 38 BeschV vom 13. Juni 2016) und die nach Angaben der Beigeladenenvertreterin im Mai 2017 durch die Einbeziehung von Ausbildungen geändert wurde, gibt über den ursprünglichen Willen des Verordnungsgebers keinen Aufschluss. 22 dd. Für eine weite Auslegung des Beschäftigungsbegriffs des Anwerbungs- und Vermittlungsmonopols nach § 38 BeschV unter Einbeziehung von betrieblichen Ausbildungsverhältnissen spricht indes ein systematischer Vergleich. 23 (1) Die Beschäftigungsverordnung selbst geht in § 34 Abs. 3 von einer ""Beschäftigung zur beruflichen Aus- und Weiterbildung"" aus und enthält eine Regelung zur Ausgestaltung der dafür erforderlichen Zustimmung. 24 (2) Ein die betriebliche Aus- und Weiterbildung mitumfassender Beschäftigungsbegriff liegt auch dem Aufenthaltsgesetz zugrunde. Die Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung (§§ 16 ff. AufenthG) und die zur Erwerbstätigkeit (§§ 18 ff. AufenthG) sind zwar in unterschiedlichen Abschnitten des Gesetzes geregelt und insbesondere durch unterschiedliche Aufenthaltszwecke geprägt, die unterschiedliche Ziele verfolgen und anderen Kriterien unterliegen. Wenn aber im Rahmen der Aufenthaltserlaubnis zu Ausbildungszwecken nach § 17 Abs. 2 AufenthG bei einer qualifizierten Berufsausbildung eine von der Ausbildung unabhängige Beschäftigung von bis zu zehn Stunden je Woche zulässig ist, setzt dies eine Beschäftigung auch in der Ausbildung voraus. Die Legaldefinition der Erwerbstätigkeit in § 2 Abs. 2 AufenthG verweist jedenfalls u.a. auf den Beschäftigungsbegriff des § 7 SGB IV, nach dessen Abs. 1 Satz 1 eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ist. Als Anhaltspunkte für eine Beschäftigung werden in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers angeführt, wobei nach § 7 Abs. 2 SGB IV auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen einer betrieblichen Ausbildung als Beschäftigung gilt. 25 (3) Für eine weite Auslegung des Beschäftigungsbegriffs in § 38 BeschV spricht schließlich auch die Verordnungsermächtigung in § 292 SGB III, die dem Verordnungsgeber die Beschränkung der Vermittlung für eine Beschäftigung im Ausland außerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie die Vermittlung und Anwerbung aus diesem Ausland für eine Beschäftigung im Inland (Auslandsvermittlung) für bestimmte Berufe und Tätigkeiten auf die Bundesagentur für Arbeit ermöglicht. Sie überlässt dem Verordnungsgeber die Steuerung der Migration ausländischer Arbeitnehmer unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten, worunter auch das Anwerbungs- und Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit für Gesundheits- und Pflegeberufe in § 38 BeschV fällt. Dass - wie im Bereich der allgemeinen Sozialversicherung nach § 7 SGB IV - auch im Bereich der Arbeitsförderung nach dem SGB III eine betriebliche Ausbildung eine Beschäftigung darstellt, bestätigt § 25 Abs. 1 SGB III, wonach dem Begriff der versicherungspflichtigen Beschäftigung alle Personen unterfallen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Auch der Begriff der Vermittlung umfasst nach der Legaldefinition in § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht nur Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Arbeitssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses (Arbeitsvermittlung) zusammenzuführen, sondern auch Tätigkeiten zum Zwecke der Zusammenführung von Auszubildenden mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses (Ausbildungsvermittlung). 26 2. Die Auslegung der mit Schreiben vom 15. August 2016 erteilten (Vorab-)Zustimmung der Beigeladenen durch das Berufungsgericht, wonach sie in ihrer Gültigkeit auf einen Zeitraum von sechs Monaten ab Ausstellung, also bis zum 15. Februar 2017, befristet war (UA S. 8) und damit wegen Ablaufs der zeitlichen Beschränkung der Gültigkeit keine wirksame Zustimmung (mehr) vorliegt, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. 27 a. Die Auslegung einer Willenserklärung, d.h. die Ermittlung ihres Erklärungsinhalts unter Würdigung der ihrer Abgabe zugrundeliegenden Umstände, gehört revisionsrechtlich zur Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt einer Willenserklärung gebunden, wenn dieses sein Ergebnis rechtsfehlerfrei begründet hat und hiergegen - wie hier - keine erfolgreiche Verfahrensrüge erhoben worden ist. Diese Bindung tritt allerdings nicht ein, wenn die Auslegung auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen, einem Rechtsirrtum, einem Verstoß gegen eine Auslegungsregel oder einem Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz oder ein Denkgesetz beruht. Nur in diesem Rahmen unterliegt die vorinstanzliche Auslegung von Willenserklärungen der revisionsgerichtlichen Nachprüfung und ist dem Revisionsgericht eine eigene Auslegung nicht verwehrt, soweit es sich dabei nicht um die Ermittlung bisher nicht festgestellter tatsächlicher Umstände handelt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 1. Dezember 1989 - 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <161 f.>, vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 18, vom 17. Juni 2010 - 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 Rn. 14, vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 14, vom 30. April 2014 - 2 C 65.11 - Buchholz 237.8 § 59 RhPLBG Nr. 1 Rn. 16 und vom 21. Februar 2019 - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 15). 28 Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann (""objektiver Empfängerhorizont""). Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr, BVerwG, Urteile vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 36, vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15 und vom 21. Februar 2019 - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 16). 29 b. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt; auch ansonsten sind keine revisiblen Auslegungsfehler zu erkennen. 30 aa. Das Berufungsgericht hat die auf sechs Monate ab Ausstellung durch die Beigeladene befristete Gültigkeit der (Vorab-)Zustimmung vor allem mit dem Wortlaut der von der Beigeladenen im Schreiben vom 15. August 2016 abgegebenen Erklärung begründet. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Die Bundesagentur für Arbeit hat ihre Zustimmung zu der von der Klägerin beabsichtigten Beschäftigung/Ausbildung in dreifacher Hinsicht eingeschränkt. Sie differenziert in dem Schreiben zwischen (1.) der Geltungsdauer der Zustimmung, also dem Zeitraum, für den sie (materiell) ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Beschäftigung erteilt, (2.) dem Wirksamwerden dieser Erklärung, also dem Zeitpunkt, ab dem die (Vorab-)Zustimmung Bindungswirkung entfaltet und (3.) der Gültigkeit ihrer ""Zusage"". 31 Die Befristung der Gültigkeit auf sechs Monate ab Ausstellung beruht ersichtlich darauf, dass der Beigeladenen eine Prüfung der materiellen Zustimmungsvoraussetzungen nur für einen überschaubaren Zeitraum möglich ist und sie sich bei Verzögerungen im Erteilungsverfahren nicht für einen nicht absehbaren Zeitraum binden will. Vor diesem Hintergrund lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur auf sechs Monate befristeten Gültigkeit der Zustimmung keinen Verstoß gegen revisibles Recht erkennen. Insbesondere verlässt diese Auslegung nicht den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, da es der Erklärung einen Inhalt beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers hinreichende Anhaltspunkte gibt. Soweit die Erklärung der Beigeladenen zwischen der Geltungsdauer und Wirksamkeit der ""Zustimmung"" einerseits und der Gültigkeit der ""Zusage"" andererseits differenziert, ist dem nach den Angaben der Vertreterin der Beigeladenen und dem objektiven Erklärungsgehalt keine eigenständige (abweichende) Bedeutung beizumessen. 32 bb. Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass es innerhalb des Gültigkeitszeitraums nicht nur der Vorlage der Zustimmung bei der Auslandsvertretung bedarf, sondern auch eine - im Urteil nicht weiter konkretisierte - ""Umsetzung"" verlangt und darauf verweist, dass ansonsten z.B. bei einem sich an die Versagung des Visums anschließenden Rechtsstreit die Dauer der Bindungswirkung auf unbestimmte Zeit und ohne vorhersehbares Ablaufdatum verlängern würde (UA S. 8 f.), ist auch dies revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Ob die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums hat, beurteilt sich im gerichtlichen Verfahren nach obigen Ausführungen ausschließlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht. An diesem Tag war die sechsmonatige Gültigkeitsdauer ab Ausstellung bereits abgelaufen. Für die von der Klägerin angeführte (ausnahmsweise) Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Antragstellung im Visumverfahren besteht aus Gründen des materiellen Rechts keine Notwendigkeit, da bei Fortbestehen der materiellen Zustimmungsvoraussetzungen die verwaltungsinterne Zustimmung der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren ersetzt werden kann. Bei dem Hinweis des Berufungsgerichts, dass ""auch"" nach den Fachlichen Weisungen der Beigeladenen die Voraussetzungen für ein Entfallen der Selbstbindung vorlägen, weil die Klägerin nicht innerhalb von sechs Monaten nach Abgabe der Vorabzustimmung eingereist sei bzw. keinen Antrag bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt habe (UA S. 9), handelt es sich lediglich um eine ergänzende, die Entscheidung nicht selbständig tragende Erwägung, die sich zudem ersichtlich nicht auf die Bindung gegenüber der Auslandsvertretung im Visumverfahren bezieht, sondern auf eine möglicherweise weitergehende Selbstbindung gegenüber der Ausländerbehörde in einem sich nach der Einreise anschließenden Aufenthaltserlaubnisverfahren. 33 3. Scheitert der Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Visums für die angestrebte Ausbildung nach der revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts bereits an der erforderlichen (zeitlich) wirksamen Zustimmung der Beigeladenen, kommt es auf deren Bindungswirkung für die Beklagte nicht entscheidungserheblich an. 34 Für eine Bindungswirkung spricht indes vor allem die vom Gesetzgeber gewollte Aufgabenverteilung zwischen der für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zuständigen Behörde und der Bundesagentur für Arbeit bei der Beschäftigung von Ausländern. Nach den Gesetzesmaterialien zum Zuwanderungsgesetz obliegt die Beurteilung der Beschäftigungsmöglichkeit oder -notwendigkeit für einen Ausländer ausschließlich der Arbeitsverwaltung. Die Ausländerbehörde hat hingegen die allgemeinen ausländerrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen und gegebenenfalls allgemeine Migrationsgesichtspunkte im Rahmen ihres Ermessens zu bewerten. Ist die Ausländerbehörde nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Erwägungen bereit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hat sie die erforderliche Zustimmung der Arbeitsverwaltung einzuholen. Liegt sie vor, ist das Ermessen der Ausländerbehörde im Weiteren intendiert. Sie kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur noch versagen, wenn zwischenzeitlich eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 AufenthG entfallen ist (vgl. BT-Drs. 15/420 zu § 18 AufenthG S. 74 f.). Entsprechendes gilt vor Einreise für die Prüfungskompetenz der Auslandsvertretung. Für eine die Versagungsgründe des § 40 AufenthG einbeziehende Bindungswirkung spricht zudem § 41 AufenthG, wonach die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung widerrufen kann, wenn der Tatbestand eines Versagungsgrundes nach § 40 AufenthG vorliegt. Nach den Gesetzesmaterialien entspricht diese Vorschrift inhaltlich den (früheren) Widerrufsgründen für eine Arbeitserlaubnis und ermächtigt die Arbeitsverwaltung, ihre Zustimmung zur Beschäftigung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu widerrufen; nach erfolgtem Widerruf ist die Ausländerbehörde ihrerseits nach § 52 Abs. 2 AufenthG verpflichtet, den Aufenthaltstitel in dem entsprechenden Umfang zu widerrufen (BT-Drs. 15/420 zu § 41 AufenthG S. 86). 35 Sind Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Beurteilung der materiellen Zustimmungsvoraussetzungen durch die Bundesagentur für Arbeit gebunden und dürfen sie sich weder über eine zu Unrecht erteilte noch über eine zu Unrecht verweigerte Zustimmung hinwegsetzen, dürfen sie den begehrten Aufenthaltstitel auch nicht wegen eines - von der Bundesagentur für Arbeit übersehenen oder zu Unrecht verneinten - Versagungsgrundes nach § 40 AufenthG verweigern. Dies gilt auch im Rahmen eines ihnen verbleibenden (beschränkten) Erteilungsermessens. Umgekehrt müssen sie bei Fehlen einer wirksamen Zustimmung schon aus Rechtsgründen den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen und kann eine (fehlende) Zustimmung nur im gerichtlichen Verfahren ersetzt werden. 36 4. Fehlt es an einer wirksamen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit und besteht wegen der unerlaubten Anwerbung und Vermittlung des von der Klägerin angestrebten Ausbildungsverhältnisses durch einen privaten Vermittler ein zwingender Versagungsgrund für die Zustimmung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, scheitert das Bescheidungsbegehren der Klägerin schon an den Tatbestandsvoraussetzungen für das von ihr begehrte Visum. 37 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladene nicht mit einem Antrag am Kostenrisiko beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt." bverwg_2019-89,28.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 89/2019 vom 28.11.2019 EN Für die Verwendung am künftigen Standort Berlin eingestellte Mitarbeiter des BND erhalten keine besonderen Vergünstigungen bei Umzugskosten und Trennungsgeld Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), die schon vor dessen Umzug nach Berlin für den neuen Standort eingestellt wurden und lediglich übergangsweise noch am alten Standort beschäftigt waren, haben nach Aufnahme ihrer Tätigkeit in Berlin grundsätzlich keinen Anspruch auf besondere Vergünstigungen bei der Gewährung von Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld. Das hat das Bundesverwaltungsgericht heute entschieden. Der Kläger wurde 2014 zum BND versetzt und nahm seinen Dienst an einem Standort in Bayern auf. Hierfür wurde ihm Umzugskostenvergütung nicht zugesagt, weil er am künftigen Behördenstandort in Berlin verwendet werden sollte. Der Kläger pendelte deshalb zum bisherigen Behördenstandort und erhielt dafür Trennungsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften. Als sein Dienstposten 2018 im Rahmen der Funktionalen Konzentration des BND nach Berlin verlagert wurde, sagte ihm die Behörde Umzugskostenvergütung zu, womit der Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld grundsätzlich entfiel. Der Kläger begehrte unter Bezugnahme auf eine nach § 3 Abs. 3 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) getroffene Festlegung des Bundeskanzleramtes, ihn so zu stellen, dass die Umzugskostenvergütungszusage erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird. Die mit diesem Begehren nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage blieb bei dem in erster und zugleich letzter Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgericht ohne Erfolg. Nach § 3 Abs. 3 BUKG kann die oberste Dienstbehörde u.a. im Falle einer wesentlichen Restrukturierung festlegen, dass die Zusage der Umzugskostenvergütung erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird. Für diesen Zeitraum besteht dann ein Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld. Nach Ablauf der drei Jahre kann unter Verzicht auf die Zusage der Umzugskostenvergütung für weitere fünf Jahre Trennungsgeld beansprucht werden (sog. „3 + 5-Regelung“). Der Kläger gehört nicht zu den von der Festlegung des Bundeskanzleramtes begünstigten Beschäftigten des BND. Bei dieser Festlegung handelt es sich nicht, wie die Behörden gemeint haben, um eine Verwaltungsvorschrift, die erst noch vom BND als nachgeordneter Behörde umzusetzen wäre, sondern um einen unmittelbar an die betroffenen Bediensteten gerichteten Verwaltungsakt in Gestalt einer sogenannten Allgemeinverfügung. Der Frage, ob die Festlegung mit der Zugänglichmachung im Intranet des BND wirksam bekanntgemacht worden ist, brauchte der Senat nicht nachzugehen. Denn die Festlegung kann von den Bediensteten des BND unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 3 Abs. 3 BUKG nur so verstanden werden, dass sie ausschließlich solchen Bediensteten zugutekommt, die die Verlagerung des Dienstortes im Verhältnis zu herkömmlichen Dienstortwechseln besonders belastet. Dazu zählen nach der Festlegung u.a. diejenigen nicht, die wie der Kläger bereits für den Standort Berlin eingestellt worden sind und sich in ihrer Lebensplanung von vornherein auf eine Tätigkeit an diesem Dienstort einstellen konnten. BVerwG 5 A 4.18 - Urteil vom 28. November 2019","Urteil vom 28.11.2019 - BVerwG 5 A 4.18ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U5A4.18.0 EN Wirksamkeitsaufschub für Umzugskostenvergütungszusagen nach § 3 Abs. 3 BUKG Leitsätze: 1. § 3 Abs. 3 BUKG ermächtigt die oberste Dienstbehörde zum Erlass eines Wirksamkeitsaufschubs für Umzugskostenvergütungszusagen durch Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung. 2. Die Festlegung vom 17. November 2017, mit der das Bundeskanzleramt aus Anlass der Verlagerung von Dienststellen des Bundesnachrichtendienstes an den Dienstort Berlin den Aufschub der Wirksamkeit von Umzugskostenvergütungszusagen angeordnet hat, ist eine Allgemeinverfügung. 3. Diese Festlegung begünstigt solche Beschäftigte des Bundesnachrichtendienstes nicht, die bereits für den neuen Standort Berlin eingestellt wurden und sich deshalb in ihrer Lebensplanung von vornherein auf eine Tätigkeit an diesem Dienstort einstellen konnten. Rechtsquellen GG Art. 33 Abs. 5 BUKG § 2 Abs. 3 Satz 2, § 3 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und 2, Satz 3 und 4, § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4, §§ 13, 15 Abs. 2 VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG § 3a Abs. 2 Satz 2, § 35 Satz 1 und Satz 2 Alt. 1, § 37 Abs. 3 Satz 3, §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 BGB §§ 133, 157 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.11.2019 - 5 A 4.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U5A4.18.0] Urteil BVerwG 5 A 4.18 In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten darüber, zu welchem Zeitpunkt eine dem Kläger anlässlich des Umzugs des Bundesnachrichtendienstes (BND) nach Berlin erteilte Zusage der Umzugskostenvergütung wirksam wird. 2 Der Kläger wurde als Hauptmann der Bundeswehr (BesGr A 11) zum 1. Februar 2014 zum BND versetzt und nahm seinen Dienst an einem Standort in Bayern auf. Hierfür wurde ihm mit ergänzender Personalverfügung vom 5. Dezember 2013 ausdrücklich keine Umzugskostenvergütung zugesagt, weil er am künftigen Standort des BND in Berlin verwendet werden sollte. Der Kläger pendelte bis 2018 zum bisherigen Behördenstandort und erhielt dafür Trennungsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften. 3 Am 17. November 2017 traf das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen für den BND eine Festlegung nach § 3 Abs. 3 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG). Danach kann die oberste Dienstbehörde unter anderem in Bereichen, die von wesentlichen Restrukturierungen betroffen sind, festlegen, dass die Zusage der Umzugskostenvergütung erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird. Für diesen Zeitraum besteht ein Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 BUKG). Nach Ablauf der drei Jahre kann gemäß § 12 Abs. 4 BUKG außerdem unter Verzicht auf die Zusage der Umzugskostenvergütung für weitere fünf Jahre Trennungsgeld beansprucht werden (sog. 3 + 5-Regelung). Im Januar 2018 wurde im Intranet des BND klargestellt, dass nach Auffassung des Bundeskanzleramtes der in der Festlegung vom 17. November 2017 bestimmte Wirksamkeitsaufschub nicht für solche Mitarbeiter gelte, die bereits im Hinblick auf den späteren Umzug eingestellt worden seien und derzeit auf Trennungsgeldbasis an ihren jetzigen Dienstort pendelten. Die Festlegung wurde am 30. April 2018 vollständig im Intranet des BND veröffentlicht. 4 Als der Dienstposten des Klägers im Jahr 2018 im Rahmen der Funktionalen Konzentration des BND nach Berlin verlagert wurde, sagte ihm die Behörde mit Verfügung vom 24. Januar 2018 gemäß § 3 Abs. 1 BUKG Umzugskostenvergütung zu, womit der Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld grundsätzlich entfiel. Den daraufhin erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger begehrte, ihn so zu stellen, dass die Umzugskostenvergütungszusage erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam werde, wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2018 zurück. 5 Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage und trägt im Wesentlichen vor, sein Ausschluss von der ""3 + 5-Regelung"" sei ermessensfehlerhaft. Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 3 Abs. 3 BUKG sprächen dafür, dass die Regelung gerade für Trennungsgeldempfänger geschaffen worden sei. 6 Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Zusage der Umzugskostenvergütung vom 24. Januar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2018 drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird. 7 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 8 Zur Begründung verweist sie insbesondere darauf, dass die Festlegung des Bundeskanzleramtes einen Fall wie den des Klägers ermessensfehlerfrei nicht erfasse und auch keine Anhaltspunkte für einen Härtefall vorlägen. 9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (1 Heft) verwiesen. II 10 Die Klage, über die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Zusage der Umzugskostenvergütung vom 24. Januar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2018 drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird, weil er nicht zu denjenigen Beschäftigten des BND gehört, die von der Festlegung des Bundeskanzleramts vom 17. November 2017 begünstigt werden. 11 Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Umzugskostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesumzugskostengesetz - BUKG) vom 11. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2682), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 5. Januar 2017 (BGBl. I S. 17) kann die oberste Dienstbehörde festlegen, dass die Zusage der Umzugskostenvergütung erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam wird; dies gilt nicht für Ledige ohne eigene Wohnung. Voraussetzung dafür ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b BUKG, dass der festgelegte Bereich von wesentlichen Restrukturierungen betroffen ist und es sich nicht um Auslandsumzüge nach § 13 BUKG handelt (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BUKG). Die Festlegung bedarf gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 BUKG insbesondere im Hinblick auf dessen Gesamtverantwortung für die Ausführung des Haushaltsplans des Einvernehmens des Bundesministeriums der Finanzen. 12 § 3 Abs. 3 BUKG ermächtigt die oberste Dienstbehörde zum Erlass eines Wirksamkeitsaufschubs für Umzugskostenvergütungszusagen durch Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung (1.). Dementsprechend hat das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen mit der Festlegung vom 17. November 2017 den Aufschub der Wirksamkeit von Umzugskostenvergütungszusagen aus Anlass der Verlagerung von Dienststellen des BND an den Dienstort Berlin in Form einer Allgemeinverfügung angeordnet (2.). Diese begünstigt nach der gebotenen objektiven Auslegung unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts solche Beschäftigten des BND nicht, die wie der Kläger bereits für den neuen Standort Berlin eingestellt worden sind und sich deshalb in ihrer Lebensplanung von vornherein auf eine Tätigkeit an diesem Dienstort einstellen konnten (3.). 13 1. § 3 Abs. 3 BUKG ermächtigt die oberste Dienstbehörde dazu, den Wirksamkeitsaufschub für Umzugskostenvergütungszusagen durch unmittelbar gegenüber den betroffenen Beschäftigten wirksamen Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung und nicht - wie Bundeskanzleramt und BND meinen - lediglich in Gestalt einer von der nachgeordneten Behörde umzusetzenden Verwaltungsvorschrift anzuordnen. Das folgt bereits aus Wortlaut und Systematik des § 3 Abs. 3 BUKG (a) und wird durch den sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt (b). Der Gegenstand der Regelung bedingt regelmäßig, dass sie in Form einer Allgemeinverfügung ergeht (c). 14 Gemäß § 35 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Allgemeinverfügung ist gemäß § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. 15 a) Bereits der Wortlaut in Satz 1 Halbsatz 1 des § 3 Abs. 3 BUKG ""Die oberste Dienstbehörde kann festlegen, ..."" spricht dafür, dass die Festlegung nach dieser Vorschrift als Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung zu ergehen hat. Während das Wort ""kann"" in Rechtsnormen regelmäßig und so auch hier einen der Behörde eröffneten Entscheidungsspielraum kennzeichnet, ist das Wort ""festlegen"" ein Synonym für ""verbindlich bestimmen"", ""regeln"" oder ""entscheiden"". Es greift den Inhalt der Definition des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG auf. 16 Ferner zeigt die Formulierung, dass die Umzugskostenvergütungszusage infolge der Festlegung erst zu einem späteren Zeitpunkt ""wirksam wird"", dass die Festlegung selber unmittelbar eine Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG trifft. Damit modifiziert sie nämlich den Zeitpunkt der inneren (§ 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) Wirksamkeit der Umzugskostenvergütungszusage, bei der es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt (BVerwG, Urteile vom 18. August 1981 - 6 C 16.79 - BVerwGE 64, 24 <26> und vom 9. Januar 1989 - 6 C 47.86 - BVerwGE 81, 149 <153 f.>), der nach allgemeinen Regeln an dem Tag wirksam wird, an dem die den Umzug veranlassende Personalmaßnahme wirksam wird, oder an einem anderen in ihm bestimmten Tag (Meyer/Fricke, Umzugskosten im öffentlichen Dienst, Stand Februar 2019, § 3 BUKG/Kommentar Rn. 185). 17 Dieser eindeutige Befund wird systematisch dadurch erhärtet, dass die Berechtigten nach § 3 Abs. 3 Satz 4 BUKG durch Erklärung der Umzugswilligkeit die Wirksamkeit der Umzugskostenvergütungszusage vorzeitig herbeiführen können und gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 BUKG einen erweiterten Anspruch auf die Gewährung von Trennungsgeld haben, den sie gemäß § 12 Abs. 4 BUKG durch einseitige Erklärung unter Verzicht auf die zugesagte Umzugskostenvergütung um weitere fünf Jahre verlängern können. Diese Verknüpfung des Wirksamkeitsaufschubs nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BUKG mit weiteren subjektiven Rechten der Berechtigten impliziert, dass bereits die Festlegung des Wirksamkeitsaufschubs selbst ebenfalls eine unmittelbare subjektive Rechtsposition vermittelt. 18 Umgekehrt finden sich im Wortlaut des § 3 Abs. 3 BUKG anders als sonst auch im Bundesumzugskostengesetz üblich (vgl. § 15 Abs. 2 BUKG) keinerlei Hinweise darauf, dass die Festlegung durch Verwaltungsvorschrift erfolgen soll. Auch der Umstand, dass die oberste Dienstbehörde zum Erlass eines Verwaltungsakts unmittelbar gegenüber den Beschäftigten eines nachgeordneten Bereichs ermächtigt wird, ist nicht ungewöhnlich und findet sich im Bundesumzugskostengesetz noch in anderem Zusammenhang (§ 2 Abs. 3 Satz 2 BUKG). 19 b) Schließlich bestätigt der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Wirksamkeitsaufschub für die Umzugskostenvergütungszusage gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BUKG durch Verwaltungsakt zu ergehen hat. Wie sich im Umkehrschluss aus der Gesetzesbegründung ergibt, nach der Ledige ohne eigene Wohnung von der Regelung ausgenommen sind, weil sie ""mangels einer entsprechenden Bindung oder Aufgabe einer eigenen Wohnung dogmatisch und dienstrechtspolitisch nicht im gleichen Umfang [als] schützenswert"" anzusehen sind (vgl. BT-Drs. 18/10512 S. 22), soll § 3 Abs. 3 BUKG zusammen mit § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 BUKG in Erfüllung der dem Dienstherrn obliegenden beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG diejenigen Beamten umzugskosten- bzw. trennungsgeldrechtlich begünstigen, die durch häufige Versetzungen oder wesentliche Restrukturierungen besonders, d.h. über das normalerweise mit einer Verlagerung des Dienstortes verbundene Maß hinaus belastet werden. Die Anknüpfung an die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht des Dienstherrn legt die Wahl einer Handlungsform nahe, die dem begünstigten Beamten unmittelbar eine entsprechende Rechtsposition vermittelt. 20 c) Da die Festlegung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BUKG für näher bestimmte Bereiche erfolgt, werden von ihr nicht nur einzelne Beschäftigte, sondern ganze Personenkreise erfasst, die sich nach allgemeinen Merkmalen bestimmen lassen (vgl. § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG), so dass sie regelmäßig nicht in Form einer Vielzahl von Individualverfügungen, sondern in Gestalt einer Allgemeinverfügung erlassen wird. Ob es sich bei der Festlegung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BUKG um eine Allgemeinverfügung gemäß § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG oder um eine Allgemeinverfügung sui generis handelt, bedarf keiner Entscheidung, weil die Festlegung vom 17. November 2017 jedenfalls alle Merkmale des § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG aufweist. 21 2. Die Festlegung des Wirksamkeitsaufschubs der Umzugskostenvergütungszusagen für Beschäftigte des BND durch das Bundeskanzleramt vom 17. November 2017 ist ein Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung. 22 Ob eine behördliche Maßnahme ein Verwaltungsakt ist, bestimmt sich in entsprechender Anwendung der zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäbe nach ihrem objektiven Erklärungswert. Maßgeblich ist insofern, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21, vom 19. März 2013 - 5 C 16.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 4 Rn. 10, vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 - BVerwGE 148, 146 Rn. 14 und vom 15. Juni 2016 - 8 C 5.15 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 300 Rn. 20, jeweils m.w.N.). 23 Die Festlegung vom 17. November 2017 wurde vom Bundeskanzleramt auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstrechts erlassen. Sie führt eine Rechtsfolge herbei, hat also Regelungswirkung. Ziffer I. 2 der Festlegung bestimmt in Anknüpfung an den Wortlaut von § 3 Abs. 3 Satz 1 BUKG, dass die den Mitarbeitern des BND aus Anlass der Verlegung des Dienstortes nach Berlin erteilten Umzugskostenvergütungszusagen (in bestimmten Fällen, dazu unter 3.) erst drei Jahre nach der Personalmaßnahme wirksam werden, womit die weiteren sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 BUKG) verbunden sind. Die unter Ziffer II. 5 c) der Festlegung enthaltene Aussage stellt diese Bewertung nicht infrage. Danach soll der BND von der Bewilligung des ""erweiterten Trennungsgeldes"" absehen, wenn die Personalmaßnahme eindeutig begünstigend ist und deshalb keine über die grundsätzliche Regelung des Bundesumzugskostengesetzes hinausgehende Fürsorgemaßnahme erfordert. Hierbei handelt es sich nicht um eine Ermächtigung des BND als nachgeordneter Behörde zur Durchführung der Festlegung, sondern lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage ohne eigenen Regelungscharakter (vgl. unter 3.). 24 Die Festlegung hat auch Außenwirkung und erfasst in der für Allgemeinverfügungen kennzeichnenden Weise einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis. Sie betrifft inhaltlich die von der Verlegung des Dienstortes erfassten Mitarbeiter des BND und wirkt sich auf deren subjektive Rechtsstellung aus, nämlich auf den Inhalt der ihnen erteilten Umzugskostenvergütungszusage und den daran anknüpfenden Anspruch auf Gewährung von Trennungsgeld für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren mit der Option einer Verlängerung um weitere fünf Jahre. 25 Schließlich hatte das Bundeskanzleramt den für den Erlass eines Verwaltungsakts erforderlichen Bekanntgabewillen. Damit ist der einer Behörde zurechenbare Wille gemeint, bewusst und gewollt eine rechtlich erhebliche Folge herbeizuführen. Der Bekanntgabewille des Bundeskanzleramtes steht hier ungeachtet der dortigen Einstufung der Festlegung als einer Verwaltungsvorschrift außer Frage. Das Bundeskanzleramt hat die Festlegung mit Begleitschreiben vom 1. Dezember 2017 an den BND mit der Bitte übersandt, den betroffenen Mitarbeitern Umzugskostenvergütungszusagen ""auf Grundlage der anliegenden Festlegung"" zu erteilen. Der BND hat die Festlegung dann Ende April 2018 mit vollständigem Wortlaut in das Intranet eingestellt und den Beschäftigten zugänglich gemacht. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass dies mit Billigung des Bundeskanzleramtes geschehen ist. Ob die elektronische Zugänglichmachung eine wirksame Bekanntgabe eines Verwaltungsakts in Form der Allgemeinverfügung im Sinne von § 41 VwVfG darstellt, kann ebenso wie die Frage, ob die Festlegung den Formvorschriften der § 3a Abs. 2 Satz 2, § 37 Abs. 3 Satz 3 VwVfG unterliegt, aus den nachstehenden Gründen dahinstehen. 26 3. Die Festlegung des Bundeskanzleramtes vom 17. November 2017 erfasst solche von der Dienstortverlagerung betroffenen Mitarbeiter des BND nicht, die wie der Kläger bereits für den neuen Dienstort Berlin eingestellt worden sind und sich deshalb in ihrer Lebensplanung von vornherein auf eine Tätigkeit an diesem Dienstort einstellen konnten. Dies ergibt ihre analog §§ 133, 157 BGB am Empfängerhorizont ausgerichtete Auslegung. Maßgeblich ist also auch insoweit, wie der Empfänger die Erklärung ausgehend von ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss. 27 Unter Ziffer I. 3 der Festlegung heißt es zwar, diese erfasse ""alle Mitarbeiter, deren Dienstposten im Rahmen der Funktionalen Konzentration bis Ende 2019 verlagert wird"". Dabei handelt es sich aber nur um die Festlegung des allgemeinen personellen Anwendungsbereichs, die unter Ziffer II. weiter konkretisiert wird. Dort wird unter Ziffer II. 5 a) ebenfalls davon gesprochen, dass ""alle Personalmaßnahmen"" erfasst werden, allerdings verbunden mit der Einschränkung ""grundsätzlich"". Unter Ziffer II. 4 werden diejenigen Beschäftigten, die bereits für den Standort Berlin eingestellt wurden, ausdrücklich von dem Wirksamkeitsaufschub ausgenommen, wenn es dort heißt: ""Eine Ausnahme bilden jedoch diejenigen, die bereits vor dem Umzug als Trennungsgeldempfänger von dem zukünftigen Dienstort an den bisherigen pendeln. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn Mitarbeiter bereits im Hinblick auf die Funktionale Konzentration für den Dienstort Berlin eingestellt wurden, der Dienstposten bislang aber noch in Pullach ist. Für diese Mitarbeiter entsteht kein neuer Trennungsgeldanspruch, sondern der bisherige entfällt."" Satz 1 lässt sich dabei entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Beschränkung der Ausnahme auf solche Mitarbeiter verstehen, die bereits am neuen Dienstort wohnen, sondern bringt lediglich die umzugskostenrechtliche Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass derjenige, der schon am künftigen Dienstort wohnt, mangels eines dienstlich veranlassten Umzugs keinen Anspruch auf Zusage der Umzugskostenvergütung oder auf Trennungsgeld für Fahrten zum neuen Dienstort hat. Die entscheidende Ausnahme enthält ungeachtet ihrer Kennzeichnung als Beispiel (""z.B."") vielmehr die nachfolgende Regelung, der zufolge für solche Mitarbeiter der bisherige Trennungsgeldanspruch entfällt und kein neuer entsteht, die ""bereits im Hinblick auf die Funktionale Konzentration für den Dienstort Berlin eingestellt wurden"". Diese Bestimmung greift unter finanziellen Aspekten die Regelung unter Ziffer II. 6 d) (S. 12) der Festlegung nochmals auf. Danach erhalten für den neuen Dienstort Berlin eingestellte Mitarbeiter nur bis zur Dienstpostenverlagerung Trennungsgeld. Nach der Dienstpostenverlagerung entfällt der Trennungsgeldanspruch vollständig. 28 Darüber hinaus sprechen auch die unter Ziffer II. 2 und 3 formulierten Zwecke, die mit der Festlegung verfolgt werden, dafür, dass solche Beschäftigten von der Festlegung ausgenommen sein sollen. Diese zielt nicht nur allgemein darauf, ""die sozialen Belange der Mitarbeiter"" zu berücksichtigen, sondern soll auch ""die Arbeitsfähigkeit des BND nachhaltig sicher[stellen]"" und ""klare Rahmenbedingungen"" schaffen, die ""den Erhalt des qualifizierten Personals ermöglichen"" und ""eine positive Entscheidung der Mitarbeiter für eine weitere Tätigkeit im BND"" fördern. Sowohl mit dem Ziel, einen Ausgleich für die mit der Restrukturierung verbundenen besonderen Belastungen für die berufliche und private Lebensplanung zu schaffen, als auch mit dem Ziel, qualifizierte Arbeitskräfte trotz des Umzugs beim BND zu halten, wendet sich die Festlegung nicht an diejenigen Beschäftigten, die sich bereits bei ihrer Einstellung für eine Tätigkeit beim BND (auch) am künftigen Standort Berlin entschieden haben und sich deshalb in ihrer Lebensplanung von vornherein auf eine Tätigkeit an diesem Dienstort einstellen konnten. 29 Die Festlegung muss ein objektiver Empfänger ferner vor dem Hintergrund des rechtlichen Rahmens bewerten, in den hinein sie gestellt ist (vgl. 1.). Er muss ohne Weiteres zumindest erkennen, dass die Regelungen des § 3 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 BUKG zugunsten der Berechtigten vom Regelfall der Umzugskostenvergütung bzw. Trennungsgeldgewährung stark abweichen und dass dies deshalb geschieht, weil den Berechtigten eine durch den Dienstortwechsel besondere Belastung zugemutet wird. Deshalb liegt für einen objektiven Empfänger der Schluss nahe, dass die Vergünstigung nicht beanspruchen kann, wer diese Belastungen jedenfalls in diesem Ausmaß nicht tragen muss. 30 Für diese Auslegung sprechen außerdem die einem objektiven Empfänger oder dem konkreten Adressaten bekannten Begleitumstände, die bei der Auslegung eines Verwaltungsakts zu berücksichtigen sind. Durch die im Intranet des BND bereits im Januar 2018 bekanntgegebene Korrespondenz zwischen BND und Bundeskanzleramt waren die Beschäftigten des BND und so auch der Kläger darüber informiert, dass der angeordnete Wirksamkeitsaufschub nach der Auffassung des Bundeskanzleramtes nicht für solche Mitarbeiter gelten sollte, die bereits für den neuen Dienstort Berlin eingestellt worden sind. Diese wussten also bereits vor der Veröffentlichung des vollständigen Textes der Festlegung am 30. April 2018 und ihrem an diesem Tag möglicherweise erfolgten Wirksamwerden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG), dass die Festlegung auch nach dem Verständnis der erlassenden Behörde für diese Beschäftigten nicht gelten sollte. 31 Der Kläger zählt nicht zu dem von der Festlegung des Bundeskanzleramtes begünstigten Personenkreis. Denn er gehört zu den Mitarbeitern des BND, die von vornherein für eine Verwendung am künftigen Dienstort Berlin vorgesehen waren. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich im Zusammenhang mit seiner Versetzung zum BND auch aus der Personalverfügung vom 5. Dezember 2013. Diese weist den Dienstort in Bayern aus und weiter darauf hin, dass eine Umzugskostenvergütung nicht zugesagt werde, weil eine weitere Umsetzung an den Dienstort Berlin vorgesehen sei. Für den Kläger war daher von Anfang an klar, dass er an dem ursprünglichen Dienstort aus Sicht des Dienstherrn nicht seinen Lebensmittelpunkt und den seiner Familie begründen sollte und er konnte sich hierauf in seiner Lebensplanung einstellen. Dass er infolge einer erheblichen Verzögerung des Dienstortwechsels wesentlich länger am ursprünglichen Dienstort verwendet wurde, als dies wohl zunächst vorgesehen war, ist unerheblich. Dadurch eingetretene Beschwernisse sind durch die Gewährung von Trennungsgeld abgegolten. 32 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO." bverwg_2019-9,24.01.2019,"Pressemitteilung Nr. 9/2019 vom 24.01.2019 EN Betrieb einer Gewebebank kann für Ärzte nur erlaubnisfrei sein, wenn sie alle wesentlichen Tätigkeiten selbst durchführen Die Gewinnung und Bearbeitung von menschlichem Gewebe bedarf grundsätzlich einer behördlichen Erlaubnis. Die für Ärzte geltende Ausnahmeregelung setzt voraus, dass der das Gewebe bei seinen Patienten anwendende Arzt alle anfallenden Tätigkeiten in der Hand behält und nicht auf externe Stellen überträgt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger ist Chefarzt für Orthopädische Chirurgie in einem Kreiskrankenhaus. Er leitete dort eine Knochenbank, in der bei Operationen anfallende Oberschenkelknochenköpfe als Spendermaterial zur Verwendung an anderen Patienten aufbereitet und vorgehalten wurden. Teile der hierfür notwendigen Labortests sowie die Keimüberprüfung fanden in externen, hierfür zugelassenen Einrichtungen statt. Nachdem die zuständige Überwachungsbehörde den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass die Knochenbank ohne entsprechende Erlaubnis nur fortgeführt werden dürfe, wenn der verantwortliche Arzt alle Tätigkeiten selbst ausübe, zeigte der Kläger den Betrieb einer von ihm persönlich verantworteten Knochenbank an. Der Beklagte untersagte den Betrieb der Knochenbank, weil die unmittelbare fachliche Verantwortung des Klägers durch die Weitergabe von Tätigkeiten an externe Labore nicht sichergestellt sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb im Berufungsverfahren erfolglos. Die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Das in § 20d des Arzneimittelgesetzes enthaltene Ärzteprivileg ist vom Gesetzgeber bewusst eng gefasst worden. Es setzt voraus, dass der Arzt alle für die Anwendung des Gewebes bei seinen Patienten erforderlichen, an sich erlaubnispflichtigen Tätigkeiten fachlich verantwortet. Die Vergabe von solchen Laborleistungen an eine externe Stelle ist damit nicht vereinbar. Angesichts der spezifischen Besonderheiten und Risiken bei der Gewinnung und Bearbeitung von menschlichem Gewebe begegnet die gesetzgeberische Entscheidung für einen umfassenden Erlaubnisvorbehalt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Gegen eine großzügigere Handhabung der Ausnahmeregelung spricht auch das Recht der Europäischen Union, das im Anwendungsbereich der maßgeblichen Richtlinie 2004/23/EG ein Ärzteprivileg nicht vorsieht. Fußnote: § 20b AMG Erlaubnis für die Gewinnung von Gewebe und die Laboruntersuchungen (1) Eine Einrichtung, die zur Verwendung bei Menschen bestimmte Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes gewinnen (Entnahmeeinrichtung) oder die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen durchführen will, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. …   § 20c AMG Erlaubnis für die Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Prüfung, Lagerung oder das Inverkehrbringen von Gewebe oder Gewebezubereitungen (1) Eine Einrichtung, die Gewebe- oder Gewebezubereitungen …be- oder verarbeiten, konservieren, prüfen, lagern oder in den Verkehr bringen will, bedarf abweichend von § 13 Abs. 1 einer Erlaubnis der zuständigen Behörde nach den folgenden Vorschriften. …   § 20d Ausnahme von der Erlaubnispflicht für Gewebe und Gewebezubereitungen Einer Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 und § 20c Abs.1 bedarf nicht eine Person, die Arzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist und die dort genannten Tätigkeiten mit Ausnahme des Inverkehrbringens ausübt, um das Gewebe oder die Gewebezubereitung persönlich bei ihren Patienten anzuwenden. … BVerwG 3 C 5.17 - Urteil vom 24. Januar 2019 Vorinstanzen: VGH München, 20 BV 15.21 - Urteil vom 19. Januar 2017 - VG Regensburg, RO 5 K 14.1029 - Urteil vom 30. Oktober 2014 -","Urteil vom 24.01.2019 - BVerwG 3 C 5.17ECLI:DE:BVerwG:2019:240119U3C5.17.0 EN Ärzteprivileg zur Führung einer Gewebebank Leitsatz: Die Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 20d Satz 1 AMG gilt nur für Ärzte, die das Gewebe oder die Gewebezubereitung persönlich bei ihren Patienten anwenden und alle hierfür erforderlichen, an sich erlaubnispflichtigen Tätigkeiten selbst fachlich verantworten und nicht auf externe Stellen übertragen. Rechtsquellen RL 2004/23/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Buchst. b und Buchst. q, Art. 5 Abs. 2 Satz 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 28 RL 2006/17/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Buchst. b, Anhang III Nr. 1 AMG § 3 Nr. 3, § 4 Abs. 30, § 4a Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 2b, §§ 20b, 20c, 20d, 69 Abs. 1 Satz 1 TPG § 1a Nr. 4, §§ 8d, 8e Instanzenzug VG Regensburg - 30.10.2014 - AZ: VG RO 5 K 14.1029 VGH München - 19.01.2017 - AZ: VGH 20 BV 15.21 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 24.01.2019 - 3 C 5.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:240119U3C5.17.0] Urteil BVerwG 3 C 5.17 VG Regensburg - 30.10.2014 - AZ: VG RO 5 K 14.1029 VGH München - 19.01.2017 - AZ: VGH 20 BV 15.21 In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner für Recht erkannt: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 2017 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Rechtsstreit betrifft Voraussetzung und Reichweite des ""Ärzteprivilegs"" zur erlaubnisfreien Führung einer Gewebebank nach § 20d AMG. 2 Der Kläger ist Leiter der Abteilung für Orthopädische Chirurgie im Klinikum des Landkreises N. Er beantragte im Januar 2008 die Erteilung einer Erlaubnis zur Fortführung der bestehenden klinikeigenen Knochenbank, in der bei Operationen anfallende Oberschenkelknochenköpfe (Femurköpfe) als Spendermaterial zur Verwendung bei anderen Patienten aufbereitet und vorgehalten wurden. Er führte aus, die Laboruntersuchungen würden grundsätzlich im klinikeigenen Labor durchgeführt, der vorgeschriebene Test von Spendern auf Syphilis sowie die Überprüfung der Keimsituation erfolgten durch externe, hierfür zertifizierte Einrichtungen. 3 Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass die Übertragung allogener Femurköpfe von Lebendspendern auf andere Patienten eine Erlaubnis erfordere und erläuterte die hierfür noch erforderlichen Unterlagen. Ohne Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis könne die Knochenbank nur fortgeführt werden, wenn der verantwortliche Arzt persönlich die Anwendung des gewonnenen Gewebes beim Patienten durchführe. Mit Schriftsatz vom 11. November 2013 zeigte der Kläger daraufhin eine Fortführung der von ihm persönlich verantworteten Knochenbank an. Der Aufforderung, aktuelle Unterlagen zur Beschreibung der in der Gewebebank durchgeführten Tätigkeiten, zu den Räumlichkeiten, der Ausrüstung und dem mitwirkenden Personal sowie zur Ermöglichung einer Qualitätsprüfung vorzulegen, leistete der Kläger auch nach mehrfacher Fristverlängerung keine Folge. Nach Auffassung seiner Rechtsanwältin und des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen sei er hierzu nicht verpflichtet. 4 Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 untersagte die Regierung von Oberfranken dem Kläger die Weiterführung der lokalen Knochenbank. Die Voraussetzungen einer erlaubnisfreien Fortführung der Gewebebank lägen nicht vor, weil die hierfür erforderliche unmittelbare fachliche Verantwortung des Klägers im Falle der Weitergabe von Tätigkeiten an ein externes Labor nicht sichergestellt sei. Im Übrigen sei auch innerhalb des Klinikums eine persönliche Ausführung durch den Kläger nicht gewährleistet. Da eine sachgerechte Prüfung der Tätigkeit des Klägers anhand der vorgelegten Unterlagen aus dem Jahr 2008 nicht möglich und eine Gefährdung von Patienten nicht auszuschließen sei, werde die Weiterführung der Gewebebank untersagt. 5 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Untersagungsverfügung durch Urteil vom 30. Oktober 2014 aufgehoben. Die Knochenbank könne erlaubnisfrei fortgeführt werden, weil hierfür die persönliche Durchführung der serologischen Tests durch den verantwortlichen Arzt nicht erforderlich sei. Der Arzt müsse zwar das Gewebe selbst entnehmen und selbst bei seinen eigenen Patienten anwenden. Tätigkeiten, auf die sich auch eine Erlaubnis nicht beziehen würde - wie hier die fragliche Laboruntersuchung -, müsse der Arzt aber nicht selbst durchführen. 6 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 19. Januar 2017 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts sei für eine erlaubnisfreie Gewebebank erforderlich, dass der Arzt alle Tätigkeiten in der Hand behalte und damit auch die notwendigen Untersuchungen nach dem Transplantationsgesetz selbst durchführe. 7 Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Oktober 2014 zurückzuweisen. 9 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 11 Er trägt vor, die Erlaubnisfreiheit für den anwendenden Arzt setze eine persönliche Ausführung aller Tätigkeiten im unmittelbaren Arzt-Patienten-Verhältnis voraus. Dass in der gegenwärtigen Praxis damit nur die homologe Insemination in Frage komme, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. 12 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten. II 13 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die angegriffene Untersagungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vom Kläger in Anspruch genommene Ausnahmevorschrift des § 20d AMG kann nur Anwendung finden, wenn der das Gewebe oder die Gewebezubereitung bei seinen Patienten anwendende Arzt alle hierfür anfallenden Tätigkeiten selbst fachlich verantwortet und nicht an externe Stellen überträgt. 14 1. Rechtsgrundlage für die dauerhaft wirkende Untersagungsverfügung des Beklagten ist § 69 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 3 C 34.06 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 47 Rn. 19 und vom 18. Oktober 2012 - 3 C 25.11 - BVerwGE 144, 355 Rn. 10) gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 15 Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. 16 a) Die untersagte Tätigkeit liegt im Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes. 17 Der Kläger betreibt eine ""Knochenbank"", bei der von lebenden Menschen entnommene Knochen und Knochenteile zur Anwendung bei anderen Patienten aufbereitet und gelagert werden. Er entnimmt und bearbeitet damit Gewebe im Sinne des § 1a Nr. 4 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757) sowie Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 102 S. 48) in der Fassung der Verordnung (EG) 596/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 (ABl. L 188 S. 14). 18 Diese Stoffe sind vom Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes erfasst (§ 3 Nr. 3, § 4 Abs. 30 Satz 1 AMG), weil sie nicht als sogenannte autologe Transplantate innerhalb eines Behandlungsvorgangs einer Person entnommen werden, um auf diese ohne Änderung ihrer stofflichen Beschaffenheit rückübertragen zu werden (§ 4a Satz 1 Nr. 3 AMG; vgl. zur entsprechenden unionsrechtlichen Einordnung Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 3 Buchst. q der Richtlinie 2004/23/EG). 19 b) Für die Tätigkeit ist grundsätzlich eine Erlaubnis erforderlich, die der Kläger nicht besitzt. 20 Nach § 20b Abs. 1 Satz 1 AMG bedarf eine Einrichtung, die zur Verwendung bei Menschen bestimmte Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 TPG gewinnen oder die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen durchführen will, einer Erlaubnis. Entsprechendes gilt gemäß § 20c Abs. 1 Satz 1 AMG für das Be- oder Verarbeiten, Konservieren, Prüfen, Lagern oder Inverkehrbringen von Gewebe oder Gewebezubereitungen. 21 Im vorliegenden Rechtsstreit geht es insbesondere um die Durchführung der für die Gewinnung der Gewebe erforderlichen Laboruntersuchungen nach § 20b Abs. 1 Satz 1 AMG. Mit diesen werden die Gewebespender (mindestens) auf HIV 1 und 2, Hepatitis B und C sowie Syphilis getestet (vgl. § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 TPG i.V.m. § 4 und Anlage 3 der Verordnung über die Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung nach dem Transplantationsgesetz - TPG-Gewebeverordnung - vom 26. März 2008 , zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Juli 2017 ). 22 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erlaubnispflicht sind nicht ersichtlich; auch der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen. Die Gewinnung und Bearbeitung von menschlichem Gewebe ist zwar begrifflich dem Arzneimittelrecht zugeordnet. Im Umgang mit humanbiologischen Materialien bedarf es aber bereichsspezifischer Vorkehrungen zur Verhütung der Übertragung von Krankheiten. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit müssen bei der Entnahme, Gewinnung, Untersuchung, Be- und Verarbeitung, Aufbewahrung und Konservierung von Geweben hohe Sicherheitsstandards eingehalten werden (vgl. BT-Drs. 16/3146 S. 21 sowie BT-Drs. 16/5443 S. 57). Die Regelung dient damit der Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit (vgl. § 1 AMG) und dem Schutz der Patienten vor Gesundheitsgefahren. Der Schutz dieser Rechtsgüter rechtfertigt einen Erlaubnisvorbehalt, weil nur so ""ex ante"" die Einhaltung der Entnahme- und Bearbeitungsstandards gewährleistet werden kann. 23 2. Der Kläger kann sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 20d Satz 1 AMG berufen. 24 Nach dieser Vorschrift bedarf einer Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 und § 20c Abs. 1 AMG nicht eine Person, die Arzt ist oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist und die dort genannten Tätigkeiten mit Ausnahme des Inverkehrbringens ausübt, um das Gewebe oder die Gewebezubereitung persönlich bei ihren Patienten anzuwenden. 25 Die Inanspruchnahme dieses Ärzteprivilegs setzt voraus, dass der das Gewebe bei seinen Patienten anwendende Arzt alle hierfür anfallenden, an sich erlaubnispflichtigen Tätigkeiten selbst fachlich verantwortet und nicht auf externe Stellen überträgt. 26 a) Bereits die sprachliche Fassung der Vorschrift deutet daraufhin, dass diese Privilegierung von vornherein nur den Arzt erfasst, der alle in § 20b Abs. 1 und § 20c Abs. 1 AMG genannten Tätigkeiten mit Ausnahme des Inverkehrbringens ausübt. 27 Gegen das mit der Revision vertretene Verständnis, nach dem sich die Ausnahme nur auf die jeweils vom anwendenden Arzt selbst ausgeübte Tätigkeit erstreckt, spricht insbesondere, dass der Satzteil ""und die dort genannten Tätigkeiten mit Ausnahme des Inverkehrbringens ausübt"" bei dieser Interpretation überflüssig wäre. Es verbliebe als Regelung, dass ein Arzt, der Gewebe oder Gewebematerial persönlich bei seinem Patienten anwendet, keiner Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 und § 20c Abs. 1 AMG bedarf. Dies ist genau der Inhalt der vom Kläger vertretenen Auslegungsvariante; der Satzteil hätte bei diesem Verständnis keine die Erlaubnisfreiheit eingrenzende Wirkung. Geht man dagegen davon aus, dass mit dem Satzteil eine inhaltliche Aussage verbunden sein sollte, muss er im Sinne einer Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs verstanden werden. 28 Für eine personenbezogene Auslegung spricht überdies, dass die in § 20d Satz 1 AMG vorgesehene Ausnahme nicht auf die Einrichtung, sondern auf den Arzt bezogen ist, der das Gewebe oder die Gewebezubereitung selbst anwendet. Jedenfalls diese Tätigkeit darf der Arzt nicht übertragen und sich nur von Personen assistieren lassen, denen gegenüber er weisungsbefugt ist (vgl. Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 20d Rn. 1; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann , Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 20d Rn. 4). 29 b) Auch die Entstehungsgeschichte belegt, dass mit der Norm der Therapiefreiheit im unmittelbaren Arzt-Patienten-Verhältnis Rechnung getragen und nur derjenige Arzt privilegiert werden sollte, der alle anfallenden Tätigkeiten in eigener Hand behält. 30 § 20d AMG ist durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) in das Arzneimittelgesetz eingefügt worden. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sollte damit klargestellt werden, dass die Gewinnung von Gewebe nur dann erlaubnisrelevant ist, wenn das Gewebe zur Abgabe an Andere bestimmt ist. Soll das Gewebe durch denselben Arzt verwendet werden, der es gewinnt, entfällt eine Erlaubnispflicht danach auch dann nicht, wenn das Gewebe be- oder verarbeitet worden ist. Wörtlich heißt es hierzu: ""Es ist vertretbar, dass die Ärztin oder der Arzt, die oder der in dem festgelegten eng begrenzten Rahmen Gewebe be- oder verarbeitet, prüft und anwendet, von der Erlaubnispflicht frei gestellt wird. Sie oder er darf sich bei der Be- oder Verarbeitung und Prüfung von seinem Personal helfen lassen, muss aber die Anwendung des gewonnenen Gewebes persönlich durchführen"" (BR-Drs. 171/09 S. 76). Diese Ausführungen sprechen dafür, dass die Bundesregierung als Verfasserin des Gesetzentwurfs von einer Gestaltung ausgegangen ist, bei der ein Arzt das gesamte Geschehen in den Händen behält. Der Arzt darf sich zwar teilweise von ""seinem"" Personal helfen lassen, er bleibt aber der allein verantwortliche Akteur für alle an dem Gewebe durchgeführten Tätigkeiten. 31 Durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) sind keine Änderungen an § 20d AMG vorgenommen worden. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung hatte der Bundesrat aber vorgeschlagen, nach dem Wort ""Tätigkeit"" die Worte ""am Gewebe oder an der Gewebezubereitung"" einzufügen. Mit der Änderung solle klargestellt werden, dass mit der Durchführung der serologischen Untersuchungen durch ein externes Gewebelabor nicht die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des § 20d AMG verwirkt werde (vgl. BT-Drs. 17/9341 S. 80 f.). Die Bundesregierung hatte dem widersprochen und die Auffassung geäußert, eine derartige Praxis entspräche nicht den arzneimittelrechtlichen Vorgaben. Wörtlich heißt es: ""Grund für die Privilegierung in § 20d AMG ist gerade, dass die in § 20b und § 20c AMG genannten Tätigkeiten von der zur Ausübung der Heilkunde befugten Person selbst, ggf. auch mit Unterstützung ihres Personals, ausgeübt werden. Werden diese Tätigkeiten hingegen teilweise durch einen externen Anbieter durchgeführt, weil die zur Ausübung der Heilkunde befugte Person aus persönlichen oder räumlichen Gründen dazu nicht in der Lage ist, liegen die Voraussetzungen für diese Privilegierung nach § 20d AMG nicht vor. Für die in § 20b und § 20c AMG genannten Tätigkeiten ist dann eine Erlaubnis der zuständigen Behörde erforderlich"" (BT-Drs. 17/9341 S. 102). Zu einer Änderung des § 20d AMG kam es daraufhin nicht. 32 Der Gesetzgeber ging damit davon aus, dass der personelle Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestands nur dann eröffnet ist, wenn der anwendende Arzt alle anfallenden Tätigkeiten (mit Ausnahme des Inverkehrbringens), die in § 20b und § 20c AMG genannt sind, selbst ausübt - wenn auch gegebenenfalls mit Hilfe seines Personals. 33 c) Die systematische Betrachtung bestätigt dieses Auslegungsergebnis. Eine Delegationsbefugnis lässt sich den der Norm vergleichbaren Ausnahmevorschriften im Arzneimittelgesetz nicht entnehmen. 34 § 20d AMG ist eine Parallelvorschrift zu § 13 Abs. 2b AMG, auf den in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 20d AMG auch verwiesen worden ist (BR-Drs. 171/09 S. 76). Die Herstellungserlaubnis des § 13 AMG und die dort in Absatz 2b geregelte Ausnahme finden gemäß § 13 Abs. 1a Nr. 1 AMG auf den von § 20d AMG geregelten Fall keine Anwendung. Sie betreffen mit der Verwendung bestimmter Stoffe menschlicher Herkunft zur Arzneimittelherstellung aber eine strukturell ähnlich gelagerte Konstellation. Nach § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG bedarf keiner Herstellungserlaubnis eine Person, die Arzt oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zweck der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden. 35 Zwar ist die Frage, wie weit die erforderliche ""unmittelbare fachliche Verantwortung"" des Arztes nach § 13 Abs. 2b AMG reichen muss, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden. Eine Übertragung auf externe Stellen jedenfalls dürfte dem Kriterium aber nicht mehr genügen (vgl. etwa Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: März 2018, § 13 Rn. 72; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann , Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 13 Rn. 69; Rehmann, AMG, 4. Aufl. 2014, § 13 Rn. 13). Dementsprechend findet sich auch in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung der Hinweis, der Arzt dürfe sich bei der Herstellung ""von eigenem"" oder ihm ""unterstellten"" Personal unterstützen lassen (BR-Drs. 171/09 S. 73, BT-Drs. 16/13428 S. 84). 36 d) Sinn und Zweck des § 20d Satz 1 AMG stehen einer engen, nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik naheliegenden Auslegung nicht entgegen. 37 aa) Zuzugeben ist der Revision allerdings, dass hinsichtlich der konkret streitigen Laboruntersuchung für die Spendertestung Qualitätsrisiken aufgrund der Durchführung in einem externen Untersuchungslabor schwer vorstellbar und weder vom Beklagten noch vom Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht dargetan worden sind. Zwar können sich aus einer Aufspaltung der Tätigkeiten bei der Be- und Verarbeitung der Gewebezubereitung - schon im Hinblick auf Hygienefragen - Risiken durchaus ergeben. Bei der Spendertestung ist das Gewebe oder die Gewebezubereitung aber nicht unmittelbar betroffen. Untersucht und an das externe Labor versendet wird vielmehr nur das Blut des spendenden Patienten. Warum hierdurch besondere Risiken für die Gewebezubereitung oder den Patienten begründet werden könnten, ist nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint es gerade im Hinblick auf Qualitätsstandards wenig naheliegend, den das Gewebe anwendenden Arzt persönlich zur Spendertestung zu verpflichten, obwohl er regelmäßig weder über eine vergleichbare Sachkunde noch eine entsprechende Ausstattung wie ein Untersuchungslabor verfügen wird. 38 Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist im Übrigen auch der Inhaber einer Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 Satz 1 AMG nicht verpflichtet, diese Untersuchungen selbst durchzuführen. Aus § 20b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AMG ergibt sich nur, dass der Erlaubnisinhaber zu gewährleisten hat, dass die Laboruntersuchungen nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie nach den Vorschriften des Transplantationsgesetzes vorgenommen werden. Nach § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TPG hat die Gewebeeinrichtung sicherzustellen, dass die für Gewebespender nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erforderlichen Laboruntersuchungen in einem Untersuchungslabor nach § 8e TPG durchgeführt werden. Gemäß § 8e Satz 1 TPG dürfen diese Tätigkeiten nur von einem Untersuchungslabor vorgenommen werden, für das eine Erlaubnis nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes erteilt worden ist. Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, dass gerade die für die Sicherheit und Qualität von Geweben entscheidenden Laboruntersuchungen entsprechend qualifiziert erfolgen (vgl. BT-Drs. 16/3146 S. 32). Eine Entnahmeeinrichtung, die über eine Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 Satz 1 AMG verfügt, muss die für die Gewinnung erforderlichen Laboruntersuchungen daher nicht selbst durchführen. Die Entnahmeeinrichtung ist lediglich dafür verantwortlich, dass eine entsprechende Laboruntersuchung tatsächlich durchgeführt wird (vgl. BR-Drs. 939/07 S. 21). Aus Qualitätssicherungsgründen ist folglich kein Sachgrund dafür erkennbar, warum ein anwendender Arzt diese Untersuchungen selbst durchführen müsste (vgl. Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann , Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 20d Rn. 5). 39 bb) Entsprechendes kann für die ebenfalls von der Erlaubnisfreiheit aus § 20d Satz 1 AMG erfassten Tätigkeiten nach § 20c Abs. 1 AMG indes nicht festgestellt werden. Denn hier geht es unmittelbar um Tätigkeiten am oder jedenfalls im Zusammenhang mit dem Gewebe oder der Gewebezubereitung. Erhöhte Anforderungen zur Verhütung möglicher Gewebekontaminationen u.ä. sind daher fachlich geboten. Die Aufspaltung einzelner Verfahrensschritte und die damit verbundene Trennung in unterschiedliche Verantwortungsbereiche begründen hier zusätzliche Gefahrenquellen für die Arzneimittelsicherheit (vgl. § 1 AMG). Mit der in § 20d Satz 1 AMG in Bezug genommenen Anwendung des bearbeiteten Gewebes bei einem Patienten sind aber zwingend Tätigkeiten verbunden, die gemäß § 20c Abs. 1 Satz 1 AMG grundsätzlich einer Erlaubnis bedürfen. 40 Die mit § 20d Satz 1 AMG getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, nur eine eng begrenzte Ausnahme vom Grundsatz der Erlaubnispflicht für die Gewinnung und Verarbeitung von menschlichem Gewebe zuzulassen, bei der alle Verfahrensschritte ""in einer Hand"" verbleiben, findet im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen und mögliche Gefahren bei der Behandlung von menschlichem Gewebe daher eine sachliche Rechtfertigung. 41 e) Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Ausnahmevorschrift für den das Gewebe anwendenden Arzt bewusst eng gehalten und auf diejenigen Ärzte begrenzt hat, die alle insoweit anfallenden Tätigkeiten in eigener fachlicher Verantwortung ausüben können. 42 Diese Einschränkung entspricht dem die Ausnahme tragenden Gedanken der Zurückhaltung bei Eingriffen in die Therapiefreiheit im unmittelbaren Arzt-Patienten-Verhältnis. Die Therapiefreiheit eines Arztes (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TPG) bei der Rückübertragung von unverändertem Gewebe innerhalb eines Behandlungsvorgangs ist vom Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes ohnehin nicht erfasst (vgl. § 4a Satz 1 Nr. 3 AMG). 43 Eine Beschränkung der Ausnahmevorschrift auf einfache Anwendungsfälle, bei denen - wie bei der im Gesetzgebungsverfahren primär in den Blick genommenen künstlichen Insemination (vgl. BT-Drs. 16/13428 S. 84) - keine komplexen oder mehrstufigen Verfahrensgestaltungen anfallen, die die Einschaltung eines externen Untersuchungslabors erfordern, begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken. Der Norm verbleibt auch damit ein sinnvoller Anwendungsbereich. Entsprechendes gilt für Fälle, in denen das Gewebe nach einer Änderung seiner stofflichen Beschaffenheit innerhalb eines Behandlungsvorgangs auf die Spenderperson zurückübertragen wird. Eine weitergehende Ausnahme von der generell angeordneten Erlaubnispflicht ist auch durch Art. 12 Abs. 1 GG nicht geboten. 44 3. Gegen eine Anwendung der in § 20d Satz 1 AMG enthaltenen Ausnahmevorschrift auf den vorliegenden Fall einer Knochenbank bestehen überdies unionsrechtliche Bedenken. 45 a) Die ""Gewebe""-Richtlinie 2004/23/EG kennt ein Arztprivileg nur insoweit, als sie Gewebe, das innerhalb ein und desselben chirurgischen Eingriffs als autologes Transplantat verwendet wird - also zur Rückübertragung auf ein und dieselbe Person -, von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 3 Buchst. q der Richtlinie 2004/23/EG). 46 Für Tätigkeiten im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/23/EG - und damit insbesondere auch für die Führung einer Gewebebank (vgl. Art. 3 Buchst o der Richtlinie 2004/23/EG) - ist eine Privilegierung für den das Gewebe anwendenden Arzt nicht vorgesehen (vgl. hierzu auch bereits BT-Drs. 16/3146 S. 37). Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2004/23/EG bestimmt vielmehr, dass die für Spender vorgeschriebenen Untersuchungen von einem qualifizierten, von der zuständigen Behörde zugelassenen Labor ausgeführt werden müssen. Diese Anforderungen setzt § 20b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AMG i.V.m. § 8e TPG grundsätzlich um. Die erlaubnisfreie Ausführung des anwendenden Arztes nach § 20d Satz 1 i.V.m. § 20b Abs. 1 Satz 1 AMG dagegen wirft Zweifel im Hinblick auf die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben auf. 47 Darüber hinaus sieht Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2004/23/EG vor, dass die zuständige Behörde vor der Genehmigung zu überprüfen hat, ob die Gewebeeinrichtung den Anforderungen des Art. 28 Buchst. a und g sowie ggf. Art. 24 entspricht. Die erlaubnisfreie Zulassung aus § 20d Satz 1 AMG i.V.m. § 20c Abs. 1 Satz 1 AMG wirft auch insoweit Bedenken auf. 48 b) Ob und inwieweit für die künstliche Insemination Sonderregelungen bestehen, kann offen bleiben. 49 Die auf Art. 28 der Richtlinie 2004/23/EG gestützte Durchführungs-Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006 (ABl. L 38 S. 40) in der Fassung der Richtlinie 2012/39/EU der Kommission vom 26. November 2012 (ABl. L 327 S. 24) enthält abweichende Vorgaben für die künstliche Insemination. Für die Spende von Keimzellen zwischen Partnern, die eine Intimbeziehung führen, ist es nach Auffassung der Kommission gerechtfertigt, weniger strenge biologische Tests zu verlangen; in diesem Fall könne das Risiko für den Empfänger als geringer betrachtet werden als bei der Spende von Dritten (vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2006/17/EG). Nach Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Buchst. b sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Nr. 1 des Anhangs III der Richtlinie 2006/17/EG ist die Partnerspende von Keimzellen für die Direktverwendung von den benannten Anforderungen an die Gewebeeinrichtungen und Labortests daher ausgenommen. 50 Für die vom Kläger betriebene ""Knochenbank"" ergibt sich hieraus indes nichts. Reichweite und Einzelheiten der in der Richtlinie 2006/17/EG getroffenen Bestimmungen sind damit nicht entscheidungserheblich. 51 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-90,28.11.2019,"Pressemitteilung Nr. 90/2019 vom 28.11.2019 EN Klage gegen Lärmaktionsplan Flughafen Frankfurt unzulässig Die Klage eines Anwohners gegen einen Lärmaktionsplan ist mangels Klagebefugnis unzulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin, die im Umfeld des Flughafens Frankfurt am Main wohnt, wendet sich gegen den Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main. Nach ihrer Auffassung genügt dieser nicht den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes über die Lärmminderungsplanung und der Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Union. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Es gebe keine Vorschrift, die der Klägerin einen Anspruch auf Überprüfung und Ergänzung eines Lärmaktionsplans einräume. Das Bundesverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin ist im Unterschied zu anerkannten Umweltvereinigungen nicht von der Notwendigkeit der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten befreit. Solche Rechte bestehen im Hinblick auf Lärmaktionspläne nicht. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthält in den Vorschriften zur Lärmminderungsplanung keine drittschützende Norm, auf die sich die Klägerin hier berufen kann. Aus dem Unionsrecht folgt ebenfalls kein subjektiv-rechtlicher Anspruch. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann ein Einzelner die Einhaltung einer durch eine Richtlinie auferlegten Verpflichtung nur einfordern, wenn er unmittelbar von der Verletzung betroffen ist. Die Verpflichtung muss klar, präzise und nicht an Bedingungen geknüpft sein, was etwa bei der Normierung von Grenzwerten der Fall sein kann. Diese Anforderungen erfüllt die Umgebungslärmrichtlinie nicht. BVerwG 7 C 2.18 - Urteil vom 28. November 2019 Vorinstanz: VGH Kassel, 9 C 873/15.T - Urteil vom 26. Oktober 2017 -","Urteil vom 28.11.2019 - BVerwG 7 C 2.18ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U7C2.18.0 EN Keine Klagebefugnis eines Lärmbetroffenen für eine Klage gegen Lärmaktionsplan Leitsatz: Die Klage eines Lärmbetroffenen gegen einen Lärmaktionsplan ist mangels Klagebefugnis unzulässig. Rechtsquellen BImSchG § 47 Abs. 6, § 47d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 6 VwGO § 42 Abs. 2 Halbs. 1 und 2 Aarhus-Konvention Art. 9 Abs. 2 und 3 RL 2002/49/EG Art. 8 Instanzenzug VGH Kassel - 26.10.2017 - AZ: VGH 9 C 873/15.T Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 28.11.2019 - 7 C 2.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U7C2.18.0] Urteil BVerwG 7 C 2.18 VGH Kassel - 26.10.2017 - AZ: VGH 9 C 873/15.T In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2019 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gründe I 1 Die Klägerin wendet sich gegen den Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom 5. Mai 2014. Ihr zu Wohnzwecken und beruflich genutztes Grundstück liegt in der Tag-Schutzzone 1 sowie in der Nacht-Schutzzone gemäß der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt/Main vom 30. September 2011. 2 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage auf Änderung, hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Lärmaktionsplans mit Urteil vom 26. Oktober 2017 mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Eine auch dem Schutz der Klägerin dienende Norm, die einen Anspruch auf Überprüfung und Ergänzung eines Lärmaktionsplans begründe, könne weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht hergeleitet werden. 3 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin, zu deren Begründung sie ausführt: Der Verwaltungsgerichtshof habe überzogene Anforderungen an das Vorliegen einer Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO gestellt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur effektiven Durchsetzung von Umweltrichtlinien, die auch auf den Schutz der Gesundheit zielten, sowie die in der Aarhus-Konvention vorgesehenen Rechte auf Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle erforderten eine Modifizierung der strengen Schutznormtheorie hin zu einer normativen Interessentenklage. Für die Lärmaktionsplanung könne nichts anderes gelten als für die Luftreinhalteplanung, bei der Klagerechte sowohl für einzelne Betroffene als auch für Umweltverbände bereits anerkannt seien. Ungeachtet dessen folge ihre Klagebefugnis aus der in der Umgebungslärmrichtlinie und in § 47d Abs. 3 BImSchG vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aufstellung des Lärmaktionsplans, mit der ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des ""Produkts"" einhergehe. Der Lärmaktionsplan sei rechtswidrig. Er beruhe nicht auf strategischen Lärmkarten, sondern auf Lärmschutzbereichen, die sich auf das prognostizierte Verkehrsaufkommen für den Planungsfall 2020 bezögen. Auch die Grenzen des in § 47d BImSchG eröffneten Ermessens- und Planungsspielraums seien nicht berücksichtigt worden. 4 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom 5. Mai 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu fassen, hilfsweise, festzustellen, dass der Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom 5. Mai 2014 rechtswidrig ist. 5 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 6 Sie verteidigen das angefochtene Urteil und führen ergänzend aus, dass die Klage jedenfalls unbegründet sei. II 7 Die zulässige Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). In Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen. 8 1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage in ihrem Hauptantrag als allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Die Rechtsprechung des Senats zum Anspruch auf Änderung eines Luftreinhalteplans (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18) ist auf einen Lärmaktionsplan übertragbar, der ebenfalls mangels Außenwirkung gegenüber lärmbetroffenen Dritten keine Verwaltungsaktqualität hat. Auch scheidet eine Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO aus. Lärmaktionspläne sind nur verwaltungsintern bindend und folglich keine im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. 9 In Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet (stRspr; etwa BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18) und festgestellt, dass der Klägerin die Klagebefugnis fehlt. 10 a) Die Klage ist nicht nach § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO aufgrund gesetzlicher Bestimmung ohne Geltendmachung einer Rechtsverletzung zulässig. 11 Diese Öffnungsklausel muss durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden. Neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts können auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln. 12 Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 25 ff.). Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - privilegiert nur die Verbandsklage. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG befreit allein nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigungen, nicht aber sonstige Kläger von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten. 13 Auch auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention - AK - kann die Klägerin sich nicht berufen. Diese Norm ist nicht unmittelbar anwendbar. Nach Art. 9 Abs. 3 AK stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Die Vorschrift enthält indes keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Da nur ""Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige (im) innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen"", Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], slowakischer Braunbär I - Rn. 45 f. und vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987], Protect - Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 21, 37). 14 Bei der hiernach gebotenen gesetzlichen Festlegung von Kriterien, nach denen ein Mitglied der Öffentlichkeit Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren hat, kommt den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum zu. Er ist zwar insoweit eingeschränkt, als Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 der Grundrechte-Charta die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-644/15 - Rn. 45, 47). Das schließt aber auch in diesem Regelungszusammenhang die Entscheidung für das in Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 AK ausdrücklich neben der Interessentenklage aufgeführte Regelungsmodell der dem Individualrechtsschutz dienenden Verletztenklage, das in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht infrage gestellt wird (siehe EuGH, Urteile vom 12. Mai 2011 - C-115/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​289], BUND - Rn. 38 ff., 44 ff., vom 16. April 2015 - C-570/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​231], Gruber - Rn. 32 ff. und vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683], Kommission/Deutschland - Rn. 32 f.), nicht aus. Eine auch dem Individualkläger offenstehende Popularklage fordert das Unionsrecht nicht. Die gebotene Effektivität des Rechtsschutzes bei der Rüge der Verletzung von Vorschriften des Umweltrechts ist in dieser Situation in erster Linie durch die Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Stellung der Umweltverbände sicherzustellen, denen schon nach Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 2 und 3 AK eine besondere Rolle zugewiesen ist (EuGH, Urteile vom 8. November 2016 - C-243/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​838], slowakischer Braunbär II - Rn. 58 f. und vom 20. Dezember 2017 - C-644/15 - Rn. 47). 15 b) Die Klägerin ist auch nicht nach § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO klagebefugt. Die Klagebefugnis nach dieser Vorschrift fehlt, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 A 2.14 - BVerwGE 156, 193 Rn. 16). So liegt es hier. Eine auch dem Schutz der Klägerin dienende Rechtsposition, die ihr einen Anspruch auf Überprüfung und Änderung bzw. Ergänzung des Lärmaktionsplans vermittelt, lässt sich weder aus nationalen noch aus unionsrechtlichen Bestimmungen herleiten. 16 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass sich eine Klagebefugnis nicht aus § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 BImSchG ergibt. 17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewähren die §§ 47a ff. BImSchG, die der Umsetzung der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. EU L 189 S. 12 - Umgebungslärmrichtlinie) dienen, einzelnen Immissionsbetroffenen keine Schutzansprüche, sondern begründen lediglich Pflichten der zuständigen Behörde zur Erarbeitung von Lärmkarten und Aufstellung von Lärmaktionsplänen (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 2010 - 9 A 43.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 56 Rn. 46, vom 10. Oktober 2012 - 9 A 20.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 30, vom 12. November 2014 - 4 C 34.13 - BVerwGE 150, 294 Rn. 22 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 56; Beschlüsse vom 31. Mai 2018 - 4 B 7.18 - juris Rn. 27 und vom 7. Januar 2019 - 7 B 16.18 - juris Rn. 12). Nach § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 Satz 2 BImSchG sind planungsrechtliche Festlegungen in den Plänen von den zuständigen Planungsträgern bei ihren Planungen zu berücksichtigen. Daraus folgt nur, dass die in einem Lärmaktionsplan enthaltenen Festlegungen als objektive Belange der Lärmbetroffenheit in die fachplanerische Abwägung einzustellen sind. Dass Teile des Lärmaktionsplans damit zum Abwägungsmaterial gehören, verleiht lärmbetroffenen Dritten aber keine subjektive Rechtsposition im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung. 18 bb) Ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf Überprüfung und Änderung des Lärmaktionsplans folgt auch nicht aus Unionsrecht. Die Klägerin kann eine Klagebefugnis weder unmittelbar aus der Umgebungslärmrichtlinie herleiten noch ist eine richtlinienkonforme Auslegung von § 47d BImSchG geboten. 19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich unmittelbar betroffene Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen (vgl. EuGH, Urteile vom 25. Juli 2008 - C-237/07 [ECLI:​EU:​C:​2008:​447], Janecek - Rn. 36, vom 26. Juni 2019 - C-723/17 [ECLI:​EU:​C:​2019:​533], Craeynest - Rn. 42 und vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 [ECLI:​EU:​C:​2019:​824], Wasserleitungsverband Nördl. Burgenland - Rn. 32, 70). Eine Regelung ist in diesem Sinne unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung oder Wirksamkeit einer Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (stRspr; vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-108/14 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2015:​496], Larentia - Rn. 48 f.). Ist den Mitgliedstaaten bei der Erfüllung einer solchen Verpflichtung Ermessen eingeräumt, muss sich die gerichtliche Kontrolle auch auf die Frage erstrecken, ob die Behörden die der Ausübung dieses Ermessens gesetzten Grenzen nicht überschritten haben (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 70, 72). 20 Der Umgebungslärmrichtlinie ist eine diesen Anforderungen genügende Bestimmung nicht zu entnehmen. Zwar zielt die Richtlinie im Interesse eines hohen Gesundheits- und Umweltschutzniveaus auf die Festlegung eines gemeinsamen Konzepts, um schädliche Auswirkungen einschließlich Belästigungen durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mindern, und verpflichtet die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck zur Ermittlung der Lärmbelastung anhand von Lärmkarten sowie zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 1 und 7 und Art. 1 Abs. 1, Art. 7 und 8). 21 Die normativen Vorgaben für die Ausgestaltung des Lärmaktionsplans sind jedoch in Bezug auf die Erreichung der von der Richtlinie verfolgten Zielsetzung, die mit dem Gesundheitsschutz auch auf ein Individualrechtsgut gerichtet ist, nicht hinreichend konkret; diese Zielsetzung verdichtet sich nicht zu einem subjektiven Anspruch des Betroffenen. 22 Nach Art. 3 Buchst. t der Umgebungslärmrichtlinie ist ein Aktionsplan ein Plan zur Regelung von Lärmproblemen und von Lärmauswirkungen, erforderlichenfalls einschließlich der Lärmminderung. Die inhaltlichen Mindestanforderungen ergeben sich aus Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Anhang V der Umgebungslärmrichtlinie. Der in Anhang V Nr. 1 umschriebene zwingende Inhalt eines Lärmaktionsplans belegt zunächst, dass die Umgebungslärmrichtlinie keinen rein maßnahmenbezogenen Ansatz verfolgt. In seinem beschreibenden Teil dient der Lärmaktionsplan der Bestandsaufnahme der Lärmbelastung in der Europäischen Union. Soweit im folgenden normativen Teil die Benennung von bereits vorhandenen oder geplanten Maßnahmen zur Lärmminderung und der Maßnahmen, die die zuständigen Behörden für die nächsten fünf Jahre geplant haben, gefordert wird, fehlt für den näheren Inhalt dieser Maßnahmen, die in Anhang V Nr. 2 lediglich beispielhaft aufgeführt werden, jegliche verbindliche Vorgabe. Sie sind nicht auf ein konkretes Lärmminderungsziel ausgerichtet, das zu einem festgesetzten Stichtag erreicht werden muss, und auf diese Weise Art. 8 Abs. 4 der Umgebungslärmrichtlinie individualrechtsschützenden Charakter für Lärmbetroffene verleihen könnte. So gibt die Umgebungslärmrichtlinie keine Grenz- oder Zielwerte für Lärmbelastungen vor; der Hinweis auf die geltenden Grenzwerte gemäß Art. 5 der Umgebungslärmrichtlinie in Anhang V Nr. 1 4. Spiegelstrich ist insoweit unbeachtlich, als in Art. 5 Abs. 4 lediglich auf mitgliedstaatliche Grenzwerte Bezug genommen wird. Die Umgebungslärmrichtlinie normiert folglich keine konkrete, auf die Erreichung eines festgelegten Ergebnisses bezogene Handlungspflicht. Damit unterscheidet sich die Umgebungslärmrichtlinie schon insoweit grundlegend von den Luftreinhalterichtlinien (Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität und Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa ) und der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen - Nitratrichtlinie - (ABl. L 375, S. 1), die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 25. Juli 2008 - C-237/07 - Rn. 39, vom 26. Juni 2019 - C-723/17 - Rn. 42 f. und vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 35, 38) den Betroffenen subjektive Rechte vermitteln. 23 Eine subjektive Rechtsposition wird dem Betroffenen aber auch dann nicht gewährt, wenn man das Fehlen unionsrechtlicher Grenzwerte wegen des von der Umgebungslärmrichtlinie verfolgten Regelungskonzepts für allein nicht ausschlaggebend ansehen und darauf abstellen wollte, dass das Unionsrecht sich - auch unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes des Art. 5 EUV - inhaltlich zurücknimmt und sich einer Ergänzung durch das nationale Recht öffnet, indem Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Umgebungslärmrichtlinie ausdrücklich auf von den Mitgliedstaaten erlassene Grenzwerte (Art. 3 Buchst. s der Richtlinie) verweist. Auch aus dieser Vorschrift folgt keine hinreichend klare Verpflichtung, auf die sich die Betroffenen berufen könnten. 24 Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Umgebungslärmrichtlinie sind die in den Plänen genannten Maßnahmen in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt, sollen aber insbesondere auf die Prioritäten eingehen, die sich gegebenenfalls aus der Überschreitung relevanter Grenzwerte oder aufgrund anderer von den Mitgliedstaaten festgelegter Kriterien ergeben. Die hier maßgeblichen Grenzwerte folgen aus § 14 i.V.m. § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FluglärmG -; sie bestimmen unter Verwertung lärmmedizinischer Erkenntnisse die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle und weisen insoweit den Gesundheitsbezug auf (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 180 ff.). Auch bei Überschreitung dieser Werte, von der die Klägerin aufgrund der Lage ihres Wohnhauses betroffen ist, trifft die zuständige Stelle keine strikte Handlungsverpflichtung. Ihr ist weiterhin bei der Wahl der in den Lärmaktionsplan aufzunehmenden Maßnahmen Ermessen, d.h. eine behördliche Gestaltungsfreiheit eröffnet. Eine solche Regelung steht der Annahme einer schutzfähigen Rechtsposition zwar nicht von vornherein entgegen (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019 - C-197/18 - Rn. 72). Das Maß der rechtlichen Steuerung beim Gebrauch des der Behörde zugebilligten Entscheidungsspielraums ist aber so gering, dass ein subjektives Recht auf Überprüfung des normativen Teils des Lärmaktionsplans nicht vermittelt wird. Bei dem hier allein streitigen ""Wie"", d.h. der Ausgestaltung des Lärmaktionsplans, geht es um eine planerische Abwägung. Sie setzt in Bezug auf mögliche Maßnahmen, bei denen das Ausmaß der Zielerreichung von der Richtlinie nicht vorgegeben ist, zunächst eine Prioritätensetzung voraus, wobei die Kriterien nicht abschließend benannt werden und normative Vorgaben für deren Gewichtung fehlen. Auch wenn sich die Weite möglicher Kriterien bei einer Lärmaktionsplanung, die sich wie hier auf die mit dem Betrieb eines Flughafens zusammenhängende Lärmproblematik beschränkt, verengt, ist letztlich nur die Orientierung am Ziel einer Lärmminderung durch auch langfristig wirkende Maßnahmen im Rahmen eines Managementansatzes vorgegeben. Angesichts dieser nur rudimentären rechtlichen Bindungen für die planerische Bewältigung einer Problemlage, die ein komplexes Interessengeflecht - gegebenenfalls auch im Sinne einer gerechten ""Lärmverteilung"" - berücksichtigen muss, fehlt es an klaren und präzisen rechtlichen Verpflichtungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die Voraussetzung für einen Individualrechtsschutz sind. 25 Eine Klagebefugnis lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 8 Abs. 7 der Umgebungslärmrichtlinie herleiten. Die dort vorgesehene Möglichkeit der rechtzeitigen und effektiven Mitwirkung an der Ausarbeitung der Pläne eröffnet keinen Anspruch auf Überprüfung des Lärmaktionsplans. Art. 8 Abs. 7 der Umgebungslärmrichtlinie gibt kein konkretes Ziel zum Schutz der unmittelbar Betroffenen vor, zu dessen Erreichung die Pläne aufgestellt oder Maßnahmen ergriffen werden müssen. 26 Auch Art. 9 der Umgebungslärmrichtlinie vermittelt keine Klagebefugnis zur Überprüfung der Rechtskonformität des Lärmaktionsplans. Die Pflicht zur proaktiven Information der Öffentlichkeit begründet keine Klagebefugnis für ein Verfahren auf objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Lärmaktionsplans, sondern nur einen Anspruch auf Information. 27 Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Fall des Art. 9 Abs. 2 AK vor. Danach müssen Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit unter den dort bestimmten Bedingungen Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren für die von Art. 6 AK umfassten Handlungen haben. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und b AK besteht bei den in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten sowie bei geplanten Tätigkeiten, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Beides ist hier nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. November 2016 in der Rechtssache C-243/15 (Rn. 56 f.) nicht einschlägig. Dort ging es um ein Projekt, das unter Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie und mithin auch unter Art. 6 Abs. 1 Buchst. b AK fiel. 28 Im Hinblick auf die sonstigen Rügen der Revision, insbesondere sei der Planungsspielraum unterschritten oder Vorschläge aus Öffentlichkeitsbeteiligung seien nicht berücksichtigt worden, fehlt es an Vorgaben in der Umgebungslärmrichtlinie. Die Revision macht vielmehr Verstöße gegen deutsches Planungs- und Verwaltungsrecht geltend. 29 2. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof die hilfsweise erhobene Feststellungsklage mangels möglicherweise betroffenen subjektiven öffentlichen Rechts als unzulässig angesehen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. 30 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO." bverwg_2019-92,12.12.2019,"Pressemitteilung Nr. 92/2019 vom 12.12.2019 EN Kein Grundrechtsschutz für überwiegend von der öffentlichen Hand getragenen Arbeitgeberverband Ein mehrheitlich von der öffentlichen Hand getragener Arbeitgeberverband kann sich nicht auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit berufen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der klagende Arbeitgeberverband wendet sich gegen die Tariftreueregelung des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Danach müssen Arbeitgeber, die Mitglied des Klägers sind, bei der Ausführung von öffentlichen Aufträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs wenigstens das Entgelt zahlen, das in Nordrhein-Westfalen für diese Leistung in einem durch Verordnung für repräsentativ erklärten Tarifvertrag vorgesehen ist. Die Tarifverträge des Klägers sind durch die Repräsentative Tarifverträge Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen von 2016 nicht für repräsentativ erklärt worden. Die Klage auf Feststellung, dass diese Verordnung das Grundrecht des Klägers auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, haben die beiden Vorinstanzen als unzulässig abgewiesen. Auch die Revision blieb ohne Erfolg. Der Kläger ist nicht klagebefugt. Als juristische Person des Privatrechts, deren Mitglieder mehrheitlich Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts sind, ist er staatlich beherrscht und kann deshalb nicht Träger von Grundrechten sein. Der Staat hat die Grundrechte der Bürger zu gewährleisten und kann sich nicht selbst auf sie berufen. Das gilt unabhängig von der Wahl öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsformen für alle staatlich beherrschten Zusammenschlüsse. Der klagende Arbeitgeberverband kann sich auf keine der höchstrichterlich anerkannten Ausnahmen berufen, nach denen ein staatlicher Rechtsträger grundrechtsberechtigt sein kann. Er dient weder der Verwirklichung von Grundrechten privater Individuen, noch geriete er ohne Grundrechtsschutz in eine Rechtsschutzlücke. Für die Koalitionsfreiheit gelten keine Besonderheiten, die den Grundrechtsschutz auf öffentlich beherrschte Arbeitgebervereinigungen erweiterten. BVerwG 8 C 8.19 - Urteil vom 12. Dezember 2019 Vorinstanzen: OVG Münster, 13 A 1328/15 - Urteil vom 17. September 2018 - VG Düsseldorf, 6 K 2894/13 - Urteil vom 30. April 2015 -","Urteil vom 12.12.2019 - BVerwG 8 C 8.19ECLI:DE:BVerwG:2019:121219U8C8.19.0 EN Ausschluss staatlich beherrschter Unternehmen von der Grundrechtsträgerschaft Leitsatz: Ein Arbeitgeberverband, dessen Mitglieder überwiegend von der öffentlichen Hand beherrscht werden, kann sich nicht auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Rechtsquellen GG Art. 9 Abs. 3, Art. 19 Instanzenzug VG Düsseldorf - 30.04.2015 - AZ: VG 6 K 2894/13 OVG Münster - 17.09.2018 - AZ: OVG 13 A 1328/15 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.12.2019 - 8 C 8.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:121219U8C8.19.0] Urteil BVerwG 8 C 8.19 VG Düsseldorf - 30.04.2015 - AZ: VG 6 K 2894/13 OVG Münster - 17.09.2018 - AZ: OVG 13 A 1328/15 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Die Revision wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich gegen eine Verordnung des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen, die bestimmte Tarifverträge für repräsentativ im Sinne der Tariftreueregelung des nordrhein-westfälischen Vergaberechts erklärt. Er ist ein bundesweit tätiger Arbeitgeberverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Seine Mitgliedsunternehmen werden mehrheitlich von der öffentlichen Hand getragen. In Nordrhein-Westfalen erbringen sie insbesondere Leistungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. 2 Das Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen - TVgG NRW) vom 10. Januar 2012 (GV.NRW 2012, S. 17) sah vor, dass öffentliche Aufträge im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs nur an Unternehmen vergeben werden durften, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichteten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung mindestens das in Nordrhein-Westfalen für diese Leistungen in einem der einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifverträge vorgesehene Entgelt nach den tarifvertraglich festgelegten Modalitäten zu zahlen und während der Ausführungslaufzeit Änderungen nachzuvollziehen. Das für Arbeit zuständige Ministerium bestimmte durch Rechtsverordnung, welche Tarifverträge als repräsentativ im Sinne der gesetzlichen Tariftreueregelung anzusehen waren. Nach der gesetzlichen Verordnungsermächtigung war zur Feststellung der Repräsentativität auf die Bedeutung eines Tarifvertrages für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, insbesondere auf die Zahl der von den jeweils tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten, unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Beschäftigten oder auf die Zahl der jeweils unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Mitglieder der Gewerkschaft abzustellen, die den Tarifvertrag geschlossen hatte. Auf dieser Grundlage erklärte die Verordnung zur Feststellung der Repräsentativität von Tarifverträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (Repräsentative TarifverträgeVO - RepTVVO 2012) vom 31. Oktober 2012 (GV.NRW S. 552) einige Tarifverträge für repräsentativ. Vom Kläger abgeschlossene Tarifverträge waren nicht darunter. 3 Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass ihn die RepTVVO 2012 in seiner durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit verletze und nichtig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mangels feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses und mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage auf die am 5. April 2016 erlassene, an die Stelle der RepTVVO 2012 getretene Repräsentative Tarifverträge Verordnung - RepTVVO 2016 (GV.NRW S. 196) umgestellt, welche Tarifverträge des Klägers ebenfalls nicht für repräsentativ erklärt und auch nach den Änderungen des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen - TVgG NRW vom 31. Januar 2017 (GV.NRW S. 273) und vom 22. März 2018 (GV.NRW S. 172) fortgilt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei statthaft, aber unzulässig, weil der Kläger nicht klagebefugt sei. Er könne sich als von der öffentlichen Hand getragener Verband nicht auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Von den 97 Mitgliedsunternehmen des Klägers stünden 68 und damit rund 70 % der Unternehmen ganz oder überwiegend im Eigentum inländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder Anstalten. Der Kläger könne sich daher ebenso wenig wie ein überwiegend staatlich beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen auf Grundrechte berufen. Das folge aus der Grundrechtsbindung des Staates nach Art. 1 Abs. 3 GG und dem Sinn und Zweck der Grundrechte als Freiheitsrechte des Bürgers gegen die Staatsgewalt. Der Ausschluss der Grundrechtsberechtigung hänge weder von der Art der vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben noch von seiner Organisationsform ab. Der Kläger könne auch nicht dem von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Lebensbereich zugeordnet werden. Er diene nicht der Verwirklichung individueller Freiheitsrechte und sei weder vom Staat unabhängig noch ihm gegenüber distanziert. Vielmehr habe die ihn tragende Mehrheit öffentlicher Arbeitgeber maßgeblichen Einfluss auf die verbandsinterne Willensbildung. Aus der einfachgesetzlichen Tariffähigkeit des Klägers könne ebenfalls nicht auf seine Grundrechtsberechtigung geschlossen werden. 4 Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, das Berufungsgericht überspanne die Anforderungen an die Annahme einer Klagebefugnis. Er könne sich auf die kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen. Seine Tätigkeit sei dem von diesem Grundrecht geschützten Lebensbereich zuzuordnen. Bezogen auf den Schutzbereich der kollektiven Koalitionsfreiheit drohe keine Konfusion von Grundrechtsbindungen und Grundrechtsberechtigungen eines mehrheitlich staatlich getragenen Arbeitgeberverbandes. Jede Tarifvertragspartei sei ohnehin zugleich Adressat und Berechtigter von Grundrechten. Die kollektive Koalitionsfreiheit könne schon begrifflich nicht von Individuen wahrgenommen werden. Deshalb sei unerheblich, dass die Tätigkeit des Klägers nicht der individuellen Grundrechtsausübung diene. Als Adressat der Tariftreueregelung befinde sich der Kläger überdies in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Ihm müsse daher Rechtsschutz ermöglicht werden. Dafür spreche auch die gebotene Berücksichtigung des Grundrechts auf kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 11 Abs. 1 EMRK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könne sich auch eine im Staatsbesitz befindliche juristische Person auf Rechte der Konvention berufen, sofern sie - wie der Kläger - keine öffentlichen Aufgaben wahrnehme und von staatlichen Behörden unabhängig sei. 5 Die Verordnung greife unverhältnismäßig in das Grundrecht des Klägers auf Koalitionsfreiheit ein, weil sie die von ihm abgeschlossenen Tarifverträge zugunsten der für repräsentativ erklärten Tarifverträge faktisch verdränge. 6 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2018 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. April 2015 zu ändern und festzustellen, dass die Verordnung zur Feststellung der Repräsentativität von Tarifverträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs vom 5. April 2016 ihn in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt. 7 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 8 Er verteidigt das Berufungsurteil. II 9 Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil hat die Klage im Einklang mit revisiblem Recht mangels Klagebefugnis für unzulässig gehalten (§ 137 Abs. 1 VwGO). 10 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Statthaftigkeit der Feststellungsklage und ein Feststellungsinteresse des Klägers bejaht. Es musste auch keine Subsidiarität im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO annehmen. 11 Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass er lediglich die Feststellung begehrt, die angegriffene Verordnung verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG. Bei diesem Verständnis seines Begehrens droht keine Umgehung der Voraussetzungen für einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 2007 - 7 C 13.06 - NVwZ 2007, 1311 <1312> und vom 12. September 2019 - 3 C 3.18 - juris Rn. 20 ff., 24). 12 Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Es ist streitig, ob ein Grundrecht des Klägers aus Art. 9 Abs. 3 GG durch die Anwendung der Repräsentative Tarifverträge Verordnung 2016 auf Mitgliedsunternehmen des Klägers bei der Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge und durch die damit einhergehende Verdrängung seiner Tarifverträge verletzt ist. Gegenstand der Klage ist damit die Anwendung bestimmter Rechtsnormen auf einen konkreten Sachverhalt, nicht lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 Rn. 24). Der Kläger kann sein Feststellungsbegehren auch gegen den Beklagten als Normgeber richten. Die von ihm geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung der Verdrängung eigener Tarifverträge wird ohne Konkretisierung oder Individualisierung im Wege des Verwaltungsvollzuges unmittelbar durch die angegriffene Verordnung bewirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 Rn. 28 ff.). Die Verordnung begründet in Verbindung mit der gesetzlichen Tariftreueregelung in § 2 Abs. 2 TVgG NRW 2018 die Pflicht der Mitgliedsunternehmen des Klägers, bei öffentlichen Aufträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs wenigstens das in einem für repräsentativ erklärten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt zu zahlen und Änderungen der tarifvertraglichen Modalitäten während der Ausführungszeit nachzuvollziehen. Gegen einen damit verbundenen mittelbaren Eingriff in die von ihm in Anspruch genommene Koalitionsfreiheit kann der Kläger nur mit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber vorgehen. 13 An dieser Feststellung hat der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Die angegriffene Verordnung schränkt ihn in dem schutzwürdigen Interesse an der Verfolgung seiner tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele ein. 14 Er kann das mit der Feststellungsklage erstrebte Ziel auch nicht gleichermaßen oder besser mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Insbesondere entspräche eine Leistungsklage mit dem Begehren, die Tarifverträge des Klägers in der angegriffenen Verordnung ebenfalls für repräsentativ zu erklären, nicht dem von ihm verfolgten Rechtsschutzziel. Der Kläger hält die angegriffene Verordnung für verfassungswidrig und macht nicht geltend, ihre Kriterien für die Erklärung von Tarifverträgen für repräsentativ würden durch von ihm abgeschlossene Tarifverträge erfüllt. 15 2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Einklang mit revisiblem Recht davon abhängig gemacht, dass der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 2 VwGO eine mögliche Verletzung in eigenen Rechten geltend machen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 10 C 18.14 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 56 Rn. 17). Daran fehlt es nur dann, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 15). 16 Der Kläger macht geltend, durch die angegriffene Tariftreueregelung in seinem Grundrecht auf kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt zu sein. Dessen sachlicher Schutzbereich ist zwar berührt (a)). Der Kläger kann sich als von der öffentlichen Hand getragener Verband jedoch auf dieses Grundrecht nicht berufen (b)). 17 a) Die angegriffene Verordnung greift mittelbar in das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit einer grundrechtsfähigen Tarifvertragspartei ein, deren Tarifverträge nicht für repräsentativ erklärt worden sind. 18 Art. 9 Abs. 3 GG schützt unter anderem das Recht von Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, durch spezifisch koalitionsgemäße Betätigung die in diesem Grundrecht genannten Zwecke zu verfolgen und dabei die Mittel zu deren Erreichung selbst zu wählen. Das Grundrecht umfasst insbesondere die Tarifautonomie und damit das Aushandeln, den Abschluss, den Bestand und die Anwendung von Tarifverträgen sowie die Koalition in ihrem Bestand (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 u.a. - BVerfGE 146, 71 Rn. 130 ff. m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 Rn. 48 und - 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 38). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen. Art. 9 Abs. 3 GG schützt einen Arbeitgeberverband zwar nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, wohl aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis. Das Grundrecht kann auch faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung etwa in Gestalt einer Verdrängung ausgehandelter Tarifverträge durch eine staatliche Regelung entgegengehalten werden, soweit diese eingriffsgleiche Wirkung haben. Daran fehlt es, wenn sie bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 Rn. 47 ff. und - 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 38 f.). 19 Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Tarifverträge des Klägers im Hinblick auf den zentralen Bereich der Entgeltregelungen weitgehend an Bedeutung verlieren, weil die vom Beklagten verlangte Tariftreue zugunsten eines für repräsentativ erklärten Tarifvertrages vor dem Hintergrund einer dominierenden Nachfragemacht öffentlicher Auftraggeber im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs das Konkurrenz- und Kräfteverhältnis zwischen den in Nordrhein-Westfalen tätigen Koalitionen zulasten des Klägers verändert. Hiervon ausgehend ließe sich eine Verdrängungswirkung der Tariftreueregelung zulasten der nicht für repräsentativ erklärten Tarifverträge und damit ein mittelbarer Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit grundrechtsfähiger Arbeitgeberverbände bejahen (anders noch zum Berliner Vergabegesetz vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <219 f.>. 20 b) Das Berufungsurteil geht jedoch zutreffend davon aus, dass eine Grundrechtsfähigkeit des Klägers und damit ein Eingriff in den persönlichen Schutzbereich der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG offensichtlich und eindeutig ausscheidet. 21 aa) Juristische Personen des Privatrechts, deren Anteile sich ausschließlich in den Händen des Staates befinden, und gemischtwirtschaftliche privatrechtliche Unternehmen, an denen der Staat mehr als die Hälfte der Anteile hält, sind im Hinblick auf materielle Grundrechte ebenso wenig nach Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig wie juristische Personen des öffentlichen Rechts. Da sie als staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden sind, können sie nicht Träger von Grundrechten sein. Ihre Organisationsform ist dafür unerheblich. Der Ausschluss der Grundrechtsberechtigung folgt allein aus dem formalen Kriterium der staatlichen Beherrschung des privatrechtlichen Unternehmens. Damit wird auf die Gesamtverantwortung des Staates für das Unternehmen abgestellt und nicht auf seine konkreten Einwirkungsbefugnisse auf die Geschäftsführung (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 241 f. und vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 187 ff.; Kammerbeschluss vom 19. Juli 2016 - 2 BvR 470/08 - NJW 2016, 3153 <3156 Rn. 46 f.>; Beschluss vom 10. Mai 2016 - 1 BvR 2871/13 - juris Rn. 5; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <245 f.>; Beschluss vom 18. Mai 2009 - 1 BvR 1731/05 - NVwZ 2009, 1282 <1283 Rn. 17>; BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - NVwZ 2019, 1522 Rn. 34; Beschluss vom 10. November 2016 - 4 B 27.16 - juris Rn. 8). Nach diesen Maßstäben ist der Kläger eine staatlich beherrschte, nicht grundrechtsfähige juristische Person des Privatrechts, da die Mehrheit seiner Mitglieder ausschließlich oder überwiegend von der öffentlichen Hand getragen wird. 22 bb) Aus keinem der vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte ergibt sich, dass dieser sich dennoch ausnahmsweise auf die kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG berufen könnte: 23 (1) Eine Grundrechtsberechtigung des Klägers kann nicht damit begründet werden, dass er keine öffentlichen Aufgaben, sondern lediglich Rechte seiner Mitgliedsunternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber wahrnimmt. Der Kläger wird nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ganz überwiegend von Gebietskörperschaften getragen, die selbst nicht grundrechtsfähig sind. Aus deren Zusammenschluss kann keine ihrerseits grundrechtsfähige juristische Person entstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 - 1 BvR 35, 356, 794/82 - BVerfGE 68, 193 <214>; BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 59). Gemeinden und andere Gebietskörperschaften können sich auch außerhalb des öffentlichen Aufgabenbereichs nicht auf Grundrechte berufen (vgl. zu Gemeinden BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <103 f., 105 f.>). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der neueren bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmslos oder lediglich jedenfalls für ihre Betätigung in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben von einer Grundrechtsberechtigung ausgeschlossen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <244 f.> und darauf ausdrücklich verweisend Beschluss vom 10. Mai 2016 - 1 BvR 2871/13 - juris Rn. 5; Urteile vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 241 f. und vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246 Rn. 187 ff.; BVerwG, Beschluss vom 10. November 2016 - 4 B 27.16 - juris Rn. 8). 24 (2) Der Kläger ist als privatrechtlicher Arbeitgeberverband dem verfassungsrechtlich geschützten Lebensbereich des Grundrechts auf kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht mit Blick auf eine ihm durch die Rechtsordnung übertragene Aufgabe unmittelbar zugeordnet und deshalb Träger dieses Grundrechts. Eine derartige Grundrechtsberechtigung ist bei solchen Personen des öffentlichen Rechts anerkannt, die wie eine Rundfunkanstalt, Hochschule oder öffentlich-rechtliche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft der Grundrechtsverwirklichung anderer, natürlicher Personen dienen (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. November 2010 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 240 m.w.N.). Dem Kläger als freiwillig errichteter juristischer Person des Privatrechts ist weder vom Staat eine dem Grundrechtsschutz dienende Aufgabe zugewiesen worden, noch dient seine Tätigkeit der Grundrechtsverwirklichung anderer Personen. Hinter seinen Mitgliedern stehen vielmehr mehrheitlich ihrerseits nicht grundrechtsfähige, staatlich beherrschte juristische Personen. Deshalb kommt es nicht auf den Einwand des Klägers an, die Grundrechtsberechtigung in Bezug auf ein Kollektivgrundrecht könne nicht davon abhängen, dass sie der Ausübung individueller Grundrechte diene. Zudem setzt eine Grundrechtsträgerschaft kraft Zuordnung zu einem verfassungsrechtlich geschützten Lebensbereich voraus, dass der Berechtigte vom Staat unabhängig oder jedenfalls von ihm distanziert ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2007 - 1 BvR 1949/05 - NVwZ 2007, 1420 und vom 14. April 1987 - 1 BvR 775/84 - BVerfGE 75, 192 <196 f.>). Auch dies trifft auf den von der öffentlichen Hand beherrschten Kläger nicht zu. Die von ihm geschlossenen Tarifverträge kommen nicht unbeeinflusst von staatlichen Aufgabenträgern, sondern in deren maßgeblichem Interesse zustande. 25 (3) Der persönliche Schutzbereich der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG umfasst entgegen der Auffassung des Klägers staatlich beherrschte juristische Personen nicht schon wegen des kollektivrechtlichen Gehalts dieses Grundrechts. Dies gilt unabhängig davon, ob seine kollektivrechtliche Dimension unmittelbar aus dem Grundrecht selbst als sogenanntem Doppelgrundrecht (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <282 f.>) oder aus seiner entsprechenden Anwendbarkeit auf juristische Personen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG abgeleitet wird. Staatliche Arbeitgeber können sich nicht auf Art. 9 Abs. 3 GG berufen (vgl. Berlit, Koalitionsfreiheit und öffentlicher Dienst, ZTR 1994, 143 <146>; Linsenmaier, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, Art. 9 GG Rn. 29). Das gilt selbst für die - im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtsfähigen - Rundfunkanstalten (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. - BVerfGE 59, 231 <255>). In der vom Kläger hervorgehobenen Entscheidung über den Einsatz von Beamten beim Streik Beschäftigter der damaligen Bundespost hat das Bundesverfassungsgericht öffentliche Arbeitgeber ebenfalls nicht als Träger des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG anerkannt, sondern lediglich aus der Doppelrolle des Staates als Träger öffentlicher Verwaltung und tariffähiger Arbeitgeber einen gesetzlichen Regelungsbedarf für den Einsatz bestimmter Mittel des Arbeitskampfes abgeleitet, ohne die durch einfaches Gesetz verliehene Tariffähigkeit staatlicher Arbeitgeber mit deren Grundrechtsfähigkeit gleichzusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 - 1 BvR 1213/85 - BVerfGE 88, 103 <115 f.>). 26 (4) Auch der Einwand des Klägers, das den Ausschluss der Grundrechtsberechtigung staatlich beherrschter juristischer Personen tragende Konfusionsargument könne für ihn als Verband grundrechtsgebundener Arbeitgeber nicht gelten, geht fehl. Dass private Arbeitgeber als Tarifvertragsparteien Grundrechte wie den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten haben (vgl. BAG, Urteile vom 16. August 2005 - 9 AZR 378/04 - NZA-RR 2006, 253 <256> und vom 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8 <13 f.>), aber dennoch Träger von Grundrechten bleiben, ist kennzeichnend für die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht. Staatlich getragene Arbeitgeber sind dagegen bereits unmittelbar an Grundrechte gebunden. Sie können als Teil des grundrechtsgebundenen Staats nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter von Grundrechten sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 239 m.w.N.). Ihre Grundrechtsfähigkeit ist deshalb grundsätzlich für alle Grundrechte und in allen Rechtsbeziehungen ausgeschlossen, sofern sie nicht dem geschützten Lebensbereich eines bestimmten Grundrechts zugeordnet sind (s.o. (2)). 27 (5) Der Kläger ist auch nicht wegen einer ihm sonst drohenden Rechtsschutzlosigkeit ausnahmsweise als grundrechtsberechtigt anzusehen. Eine derartige spezifische Gefährdungssituation ist zwar bei einem vollständig von einem ausländischen Staat gehaltenen inländischen Unternehmen in Privatrechtsform insofern anzunehmen, als es - bliebe ihm die Berufung auf die Grundrechte völlig versagt - gegenüber staatlichen Eingriffen und wirtschaftslenkenden Maßnahmen, die unmittelbar durch Gesetz erfolgen, rechtsschutzlos wäre (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 191 ff., 196). Juristische Personen des Privatrechts, die vom Bund, vom Land oder von einer Kommune beherrscht werden, befinden sich jedoch trotz ihrer fehlenden Grundrechtsfähigkeit nicht in einer derartigen Gefährdungssituation, weil sich die hinter ihnen stehenden Hoheitsträger mittels der zur Wahrung innerstaatlicher Kompetenzen vorgesehenen Schutzmechanismen gegen vermeintlich verfassungswidrige Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung zur Wehr setzen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 194). Da diese Einflussmöglichkeiten auch den inländischen Hoheitsträgern eröffnet sind, die hinter der Mehrheit der Mitglieder des Klägers stehen, droht diesem ebenfalls keine Rechtsschutzlosigkeit. 28 (6) Dem Kläger ist ein Schutz aus Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht unter Berücksichtigung von Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention im Rahmen des dafür grundsätzlich offenen und konventionsgerecht auszulegenden Art. 19 Abs. 3 GG zuzuerkennen (vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 Rn. 202 und vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 u.a. - BVerfGE 148, 296 Rn. 126 ff.). Um sich auf die Koalitionsfreiheit aus Art. 11 Abs. 1 EMRK berufen zu können, müsste er nach Art. 34 EMRK als nichtstaatliche Organisation beschwerdefähig sein. Für die Abgrenzung staatlicher von nichtstaatlichen Organisationen im Sinne von Art. 34 EMRK sind im Wesentlichen der rechtliche Status und die mit ihm verliehenen Befugnisse, die Natur der Betätigung der Organisation, deren Kontext und der Grad ihrer Unabhängigkeit von den politischen Behörden maßgeblich (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Februar 2016 - Nr. 8895/10 Ärztekammer für Wien und Dorner v. Austria - Rn. 35 f.; Entscheidung vom 15. November 2011 - Nr. 28502/08 TRANSPETROL v. Slovakia - Rn. 60 ff.; Urteil vom 13. Dezember 2007 - 40998/98 Islamic Republic of Iran Shipping Lines v. Turkey - Rn. 79 ff.). Nach diesen Kriterien genügen der privatrechtliche Status des Klägers und seine Betätigung als Arbeitgeberverband eindeutig nicht, seine fehlende Unabhängigkeit von den ihn beherrschenden staatlichen Hoheitsträgern aufzuwiegen. Eine Einordnung als nichtstaatliche Organisation im Sinne des Art. 34 EMRK kommt danach offensichtlich nicht in Betracht. 29 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO." bverwg_2019-93,12.12.2019,"Pressemitteilung Nr. 93/2019 vom 12.12.2019 EN Gestattung der Berliner Gaststätte „Rheingauer Weinbrunnen“ im Jahr 2014 war rechtswidrig Die Gestattungen des Betriebs der Gaststätte „Rheingauer Weinbrunnen"" auf dem Rüdesheimer Platz in Berlin im Jahr 2014 waren rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Das zuständige Bezirksamt gestattete den beigeladenen Gastwirten, den „Rheingauer Weinbrunnen"" auf der Empore des Rüdesheimer Platzes als Schankstand mit Flaschenverkauf ohne Ruhetage von Mai bis September 2014 von 15:00 Uhr bis 22:00 Uhr zu betreiben. Eine Lärmprognose des Beklagten ging von 400 Gästen auf der Empore und 200 weiteren Gästen aus, die am Schankstand erworbene Getränke im gärtnerisch gestalteten mittleren Teil des Platzes konsumierten. Die Widersprüche des in der Nachbarschaft wohnenden Klägers wurden zurückgewiesen oder blieben unbeschieden. Seine Klage auf Feststellung, dass die inzwischen abgelaufenen Gestattungen rechtswidrig gewesen seien, hatten in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage für teilweise unzulässig und im Übrigen für unbegründet gehalten. Der Betrieb des „Rheingauer Weinbrunnens"" lasse bis zur täglichen Schließzeit um 22:00 Uhr keine für den Kläger unzumutbare Lärmbelastung erwarten. Lärm von Gästen, die anschließend auf dem Mittelteil des Platzes verblieben oder sich um 22:00 Uhr dorthin begäben, sei dem Betrieb nicht zuzurechnen. Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die Feststellungsklage ist insgesamt zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat die Gestattungen zu Unrecht für rechtmäßig gehalten. Es hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, die Lärmprognose zu kontrollieren, sondern hätte die Rechtsgrundlage der Gestattungen vollständig prüfen müssen. Danach hätte der Gaststättenbetrieb nicht ohne besonderen, über die Bewirtung hinausgehenden Anlass und nicht über mehrere Monate gestattet werden dürfen. Außerdem hat das Oberverwaltungsgericht die Gefahr unzumutbarer Lärmbeeinträchtigung fehlerhaft verneint. Zwar hat es die vom Beklagten zur Lärmprognose verwendete Methode ohne Rechtsverstoß für geeignet gehalten. Es durfte deren Ergebnis jedoch nicht aufgrund eigener, der Methode widersprechender Annahmen und durch Abzug von Einzelpositionen korrigieren. Außerdem hat es Geräusche, die nach Betriebsschluss der Gaststätte um 22:00 Uhr noch von deren im mittleren Teil des Platzes verbleibenden Gästen ausgehen, zu Unrecht nicht dem Betrieb des „Weinbrunnens"" zugerechnet. Diese Lärmbelastung ist - wie schon die Nutzung des Mittelteils des Platzes durch Gäste des „Weinbrunnens"" zur Tagzeit - absehbare Folge des Verkaufs von Weinflaschen zum Konsum an Ort und Stelle. Die Herkömmlichkeit des Ausschanks hätte das Berufungsgericht nicht ohne Rücksicht auf die zunehmende zeitliche Ausdehnung und den vorgetragenen jährlichen Anstieg der Gästezahl bejahen dürfen. In die Gesamtabwägung hätte es neben den für die Zumutbarkeit der Lärmbelastung sprechenden Gesichtspunkten auch gegenteilige einstellen müssen, darunter insbesondere den monatelangen Dauerbetrieb. BVerwG 8 C 3.19 - Urteil vom 12. Dezember 2019 Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, 1 B 14.16 - Urteil vom 25. September 2017 - VG Berlin, 4 K 293.14 - Urteil vom 16. März 2016 -","Urteil vom 12.12.2019 - BVerwG 8 C 3.19ECLI:DE:BVerwG:2019:121219U8C3.19.0 EN Gaststättengestattungen für den ""Rheingauer Weinbrunnen"" in Berlin im Jahr 2014 rechtswidrig Leitsätze: 1. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann nur an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakts oder einer seiner selbständig angreifbaren Teilregelungen bestehen, nicht an der Klärung einzelner für deren Rechtmäßigkeit erheblicher materiell-rechtlicher Fragen. 2. Dem Betrieb einer Gaststätte mit Flaschenverkauf ist auch der Lärm zuzurechnen, der nach ihrer täglichen Schließung von denjenigen Gästen ausgeht, die sich zum Konsum in der Gaststätte erworbener Getränke oder zum weiteren Beisammensein auf einer der Gaststätte benachbarten Fläche - etwa einer Grünanlage - aufhalten. 3. Gesichtspunkte, die ergebnismindernd in eine Lärmprognose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG eingeflossen sind, können in der Gesamtwürdigung nicht - nochmals - verwendet werden, um die Zumutbarkeit des prognostizierten Lärms zu begründen. Werden einschlägige Grenzwerte nahezu ausgeschöpft, sind Dauer und Kontinuität der Lärmbelastung bei der Gesamtwürdigung besonders zu berücksichtigen. Rechtsquellen GG Art. 103 Abs. 1 GastG § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 12 Abs. 1 BImSchG § 3 Abs. 1 und 5, § 48 VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 Instanzenzug VG Berlin - 16.03.2016 - AZ: VG 4 K 293.14 OVG Berlin-Brandenburg - 25.09.2017 - AZ: OVG 1 B 14.16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 12.12.2019 - 8 C 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:121219U8C3.19.0] Urteil BVerwG 8 C 3.19 VG Berlin - 16.03.2016 - AZ: VG 4 K 293.14 OVG Berlin-Brandenburg - 25.09.2017 - AZ: OVG 1 B 14.16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. September 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. März 2016 werden geändert. Es wird festgestellt, dass die beiden Bescheide des Beklagten vom 6. Mai 2014, die Bescheide vom 16. Mai 2014 und vom 24. Juni 2014 sowie die beiden Bescheide vom 16. Juli 2014 - der den Zeitraum vom 25. August bis zum 22. September 2014 betreffende in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 13. September 2014 - rechtswidrig gewesen sind. Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen tragen der Beklagte zur Hälfte und die Beigeladenen zu je 1/6. Gründe I 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Gestattung des Betriebs der Freiluftgaststätte ""Rheingauer Weinbrunnen"" im Zeitraum vom 9. Mai bis zum 22. September 2014 auf dem Rüdesheimer Platz in Berlin. 2 Der Rüdesheimer Platz ist eine Grünanlage, die von Wohnhäusern umgeben ist. An ihrem westlichen Ende befindet sich eine Empore, die zum mittleren Teil des Platzes hin durch einen Brunnen und zwei Treppen begrenzt wird. Auf dem mittleren Teil befinden sich gärtnerisch gepflegte Hochbeete und gepflasterte Wegflächen mit Parkbänken. Der östliche Teil des Platzes wird als Kinderspielplatz genutzt. Seit 1967 wird jährlich auf der westlichen Empore des Rüdesheimer Platzes der ""Rheingauer Weinbrunnen"" als temporär errichteter Ausschank zum Verkauf von Wein zur Mitnahme in Flaschen oder zum Verzehr vor Ort betrieben. Anfänglich dauerte der Weinbrunnen nur wenige Wochen. Seit 1994 findet er von Mai bis September statt. Der Kläger bewohnt seit 1985 eine im Erdgeschoss liegende Eigentumswohnung an der nördlichen Seite etwa in Höhe der Mitte des Platzes. 3 Mit den angegriffenen, im Tenor aufgeführten Bescheiden gestattete der Beklagte jedem der Beigeladenen für zwei mehrwöchige Zeiträume, auf der westlichen Fläche des Rüdesheimer Platzes aus dem besonderen Anlass ""Rheingauer Weinbrunnen"" eine Schankwirtschaft mit der besonderen Betriebsart ""Schankstand"" zu betreiben. Insgesamt deckten die Gestattungszeiträume die Zeit vom 9. Mai bis zum 22. September 2014 lückenlos ab. Für die Zuordnung der Zeiträume zu den jeweiligen Beigeladenen wird auf die einzelnen Bescheide Bezug genommen. Die Bescheide wurden jeweils unter der Auflage erteilt, den Ausschank und den Verkauf von Getränken um 21.30 Uhr zu beenden und den Aufenthalt von Gästen auf dem Gelände der Schankfläche ab 22.00 Uhr zu unterbinden. 4 Die den Bescheiden zugrunde liegende Schallberechnung des Beklagten verwies auf die Vorgaben des Rundschreibens IX Nr. 01/13 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Beklagten für die Ermittlung von Geräuschemissionen und -immissionen, die von Freiluftgaststätten verursacht werden. Diese gehen bei Schankgärten von der menschlichen Stimme als wesentlicher Lärmquelle aus und legen unter Hinweis auf die VDI-Richtlinie 3770 einen Schallleistungspegel von 70 dB(A) pro Gast sowie - vorbehaltlich genauerer Angaben - gleichzeitige Äußerungen von 50 % der Gäste zugrunde. 5 Anhand dieser Vorgaben prognostizierte der Beklagte bei 400 Gästen auf der Empore und 200 Gästen auf dem Mittelteil des Platzes eine Schallbelastung der Wohnung des Klägers durch den Betrieb der Schankwirtschaft in Höhe von 54 dB(A). Dabei ging er von einer maximalen Schallleistung der Schankfläche von 93 dB(A) und des Mittelteils des Platzes von 90 dB(A) aus. Ferner berücksichtigte er Zuschläge wegen der Impulshaltigkeit von jeweils -0,9 dB(A) und 0,5 dB(A) sowie Zuschläge wegen der Ton- und Informationshaltigkeit von jeweils 3 dB(A). Die Entfernungskorrektur wegen des Abstandes des Immissionsortes vom jeweiligen Mittelpunkt der Schankfläche und des Mittelteils des Platzes (65 m und 50 m) setzte er jeweils mit 44,3 dB(A) und 42 dB(A) an. 6 Gegen die Gestattungen für den Zeitraum vom 28. Mai bis zum 22. September 2014 erhob der Kläger Widerspruch. Den Widerspruch gegen die Gestattung für den Zeitraum vom 25. August bis zum 22. September 2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2014 zurück. 7 Das Verwaltungsgericht hat die gegen sämtliche Bescheide gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Klage sei grundsätzlich zulässig. Soweit sie sich auf den nachbarschützenden Versagungsgrund der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG stütze, bestehe wegen der Wiederholungsgefahr ein Feststellungsinteresse. Soweit der Kläger die Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften und von § 12 Abs. 1 GastG rüge, fehle es an einer Wiederholungsgefahr, weil der Beklagte den Beigeladenen in den folgenden Jahren eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 68 BauO Bln erteilt und sich im Übrigen nicht mehr auf die Rechtsgrundlage des § 12 Abs. 1 GastG berufen habe. 8 In der Sache sei der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass durch den Betrieb der Gaststätte am Wohnsitz des Klägers keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG zu erwarten gewesen seien. Die Lärmprognose des Beklagten sei nicht zu niedrig angesetzt. Die Anwendung der in dem Rundschreiben vorgegebenen Berechnungsmethode durch den Beklagten sei ebenso wenig zu beanstanden wie die in seine Berechnung eingestellten Werte. Es bestehe kein Grund zu der Annahme, dass die angesetzte Besucherzahl zu niedrig bemessen gewesen sei. Jedenfalls überschreite das rechnerische Prognoseergebnis auch bei einer Erhöhung der Gästezahl von 600 auf 700 nicht 55 dB(A). Schließlich griffen die Einwendungen des Klägers gegen den angesetzten energieäquivalenten Dauerschalldruckpegel pro Gast von 70 dB(A) nicht durch. Dieser werde den tatsächlichen Verhältnissen der Gaststätte gerecht. Der von dem Beklagten angesetzte Zuschlag für Impulshaltigkeit von -0,9 dB(A) für die Schankfläche sei außer Ansatz zu lassen. Negative Zuschläge für Impulshaltigkeit könnten bei rechnerischen Lärmprognosen generell nicht berücksichtigt werden. Der von dem Beklagten errechnete Beurteilungspegel sei daher auf 54,61 dB(A) zu korrigieren. Das vom Kläger in das Verfahren eingeführte, erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides gefertigte Lärmgutachten vom 21. Oktober 2014 gebiete keine weitere Korrektur. Zwar müsse es berücksichtigt werden, da es auf einer vor der letzten Verwaltungsentscheidung erfolgten Lärmmessung vom 5. September 2014 beruhe. Es stelle die Ergebnisrichtigkeit der Lärmmessung des Beklagten jedoch nicht durchgreifend in Frage. Der in dem Gutachten angenommene Beurteilungswert von tags 58 dB(A) beruhe im Wesentlichen darauf, dass sowohl ein Zuschlag für Impulshaltigkeit als auch ein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit angesetzt worden sei. Jedenfalls letzterer sei vorliegend nicht gerechtfertigt. Eine weitere Lärmprognose für die Zeit nach 22.00 Uhr habe der Beklagte nicht erstellen müssen, weil es an dem erforderlichen zeitlichen und funktionellen Zusammenhang zwischen dem beendeten Gaststättenbetrieb und den gegebenenfalls vom Platz ausgehenden Lärmimmissionen fehle. Die der Gaststätte zurechenbaren Immissionen vor 22.00 Uhr überschritten die Zumutbarkeitsschwelle nicht. Diese sei mangels verbindlich festgesetzter Grenzwerte unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. Allerdings spreche der Umstand, dass die Lärmimmissionen der Gaststätte den Grenzwert der TA Lärm für die Tageszeit für allgemeine Wohngebiete von 55 dB(A) nicht überschritten, für deren Zumutbarkeit. Hinzu komme, dass der im Rahmen der ""worst-case""-Prognose vom Beklagten ermittelte Beurteilungswert von (berichtigt) 54,61 dB(A) nur bei schönem Wetter und bei voller Auslastung des Weinbrunnens erreicht worden sein dürfte, wobei der Gaststätte an sich nicht zuzurechnende Immissionen von ""normalen Parkbesuchern"" und spielenden Kindern sicherheitshalber einbezogen worden seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Gaststätte eine seit 50 Jahren überregional bekannte, einzigartige und - wie eingereichte Listen mit mehreren tausend Unterschriften zeigten - ganz überwiegend als sozialadäquat akzeptierte Veranstaltung sei, die schon 1994 von Mai bis September gedauert habe. Die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Terrasse durch die Gaststätte habe dem Kläger bei Erwerb seiner Wohnung bekannt sein müssen. 9 Mit der Revision rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe die Klage entgegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO teilweise als unzulässig angesehen und deshalb zu Unrecht Verstöße der angegriffenen Gestattungen gegen § 12 Abs. 1 GastG und gegen Bauplanungsrecht nicht geprüft. Das Berufungsurteil verletze zudem § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG. Die Lärmprognose des Beklagten für die Tagzeit sei fehlerhaft. Die vom Berufungsgericht gebilligte Prognosemethode verstoße gegen Ziffer 6.4 und 6.5 TA Lärm. Die gerichtliche Korrektur der behördlichen Prognose überschreite die Grenzen richterlicher Kontrolle. Zu beanstanden seien schließlich auch die von der Behörde bei ihrer Berechnung angesetzten und vom Berufungsgericht gebilligten Ausgangswerte. Die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen seien verfahrensfehlerhaft. Bei der Prüfung des vom Beklagten angesetzten Impulszuschlages hätte das Berufungsgericht das klägerische Gutachten und die TA Lärm (Anhang A 2.5.3 bzw. A.2.5.2 Satz 1) berücksichtigen müssen. Das Berufungsgericht habe der Gaststätte auch den nach 22.00 Uhr von ihren Gästen auf dem Rüdesheimer Platz ausgehenden Lärm zurechnen müssen. Die Gesamtabwägung des Berufungsgerichts sei ebenfalls fehlerhaft. Außerdem verletzten die angegriffenen Gestattungen § 12 Abs. 1 GastG und nachbarschützendes Bauplanungsrecht. Letzterem komme auch im gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren drittschützende Wirkung zu. 10 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. September 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. März 2016 zu ändern und festzustellen, dass die beiden Bescheide des Beklagten vom 6. Mai 2014, die Bescheide vom 16. Mai 2014 und vom 24. Juni 2014 sowie die beiden Bescheide vom 16. Juli 2014 - der den Zeitraum vom 25. August bis zum 22. September 2014 betreffende in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 13. September 2014 - rechtswidrig gewesen sind. 11 Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen. 12 Sie verteidigen das angegriffene Berufungsurteil. II 13 Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 4 VwGO). 14 1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht, indem es die Zulässigkeit der Klage teilweise verneint (a) und im Übrigen annimmt, von dem Betrieb der Gaststätte seien für den Wohnort des Klägers im Jahr 2014 keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten gewesen (b). 15 a) Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der auf § 12 Abs. 1 GastG und auf Bauplanungsrecht gestützten Einwände des Klägers mangels Vorliegens eines Feststellungsinteresses verneint. Das verstößt gegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage können - ebenso wie bei einer Anfechtungsklage - lediglich ein Verwaltungsakt oder ein selbständig anfechtbarer Teil hiervon sein, nicht aber einzelne Begründungselemente der damit getroffenen Regelung (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113 Rn. 14). Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere Feststellungsinteresse muss bezogen auf den jeweiligen Klagegegenstand vorliegen. Das folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der verlangt, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an ""dieser"" Feststellung hat; mithin an der Feststellung, dass der Verwaltungsakt oder ein selbständig anfechtbarer Teil hiervon rechtswidrig ist. Ein Interesse an der Klärung einzelner rechtlicher Vorfragen genügt dagegen nicht. Eine das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO begründende Wiederholungsgefahr ist daher nur dann anzunehmen, wenn die hinreichende Gefahr besteht, dass die verfahrensgegenständliche, durch Verwaltungsakt getroffene Regelung gegenüber dem Kläger unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut verfügt werden wird (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8). Dies gilt entsprechend für Fortsetzungsfeststellungsklagen, deren Gegenstand sich vorprozessual erledigt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1961 - 1 C 54.57 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 9, vom 20. Januar 1989 - 8 C 30.87 - Buchholz 310 § 73 VwGO Nr. 30 und vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 12 S. 5 f.). 16 Diesen Vorgaben wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Maßgeblich ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, dass der Beklagte bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut einen den angegriffenen Gestattungen gleichartigen Bescheid erlassen würde, und nicht, ob der Kläger an der Beantwortung einzelner rechtlicher Vorfragen ein Interesse hat. Der gegenteilige Ansatz der Vorinstanz führt nicht nur zur fehlerhaften Annahme teilweiser Unzulässigkeit der Klage. Er reduziert außerdem die gerichtliche Prüfung auf einen unselbständigen Teil des Streitgegenstandes. Damit verkürzt er die materiell-rechtliche Kontrolle der angegriffenen Regelung und blendet die Prüfung der Ermächtigungsgrundlage (§ 12 Abs. 1 GastG) völlig aus. 17 b) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, von dem Betrieb der Gaststätte seien für den Wohnort des Klägers im Jahr 2014 keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten gewesen, verletzt § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG. Danach darf der Betrieb einer Gaststätte nicht gestattet werden, wenn er schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes befürchten lässt. Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Oberverwaltungsgericht, dass die Vorschrift zunächst eine Prognose hinsichtlich der Art und der Menge der von dem Betrieb der Gaststätte auf die Nachbarschaft einwirkenden Immissionen erfordert und anschließend die Beurteilung der Zumutbarkeit der prognostizierten Immissionen für die von ihnen betroffene Nachbarschaft. Weder die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Kontrolle der Immissionsprognose (aa) noch die Ausführungen zur Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen sind bundesrechtlich fehlerfrei (bb). 18 aa) Zu Recht geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass es keine eigene Prognose zu erstellen, sondern nur zu kontrollieren hat, ob die behördliche Prognose mit den seinerzeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände fachgerecht erstellt worden ist. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich auf die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrunde liegenden Sachverhalts und darauf, ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 6 S. 24, vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 15 S. 23 f., vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6 Rn. 156 und vom 23. Juni 2009 - 9 VR 1.09 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 81 Rn. 14). 19 (1) Das Oberverwaltungsgericht hat die behördliche Lärmprognose für die Zeit bis 22.00 Uhr (Tagzeit) an den genannten rechtlichen Maßstäben gemessen. Die von der Behörde angewendete Prognosemethode hat es ebenso wie den von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt ohne revisiblen Rechtsverstoß gebilligt. Fehlerhaft sind einzelne Erwägungen zur Anwendung der Prognosemethode auf den zugrunde liegenden Sachverhalt. 20 Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Lärmprognose nach der im Rundschreiben IX Nr. 1/13 beschriebenen Methode vorgenommen werden durfte. Die TA Lärm stand dem nicht entgegen, weil sie nach Nr. 1 Buchst. b TA Lärm ausdrücklich nicht auf Freiluftgaststätten anzuwenden ist. 21 Den vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 1994 - 7 B 73.94 - (Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 10) und vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - (Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9) ist keine Ausweitung des Anwendungsbereichs der TA Lärm zu entnehmen. Soweit diese oder eine andere auf der Grundlage von § 48 BImSchG ergangene Verwaltungsvorschrift das behördliche Verfahren bei der Ausübung ihrer Prognosespielräume nicht determinieren, sind landesrechtliche Vorschriften zulässig. Solche Vorschriften dürfen sich ganz oder teilweise an den Regelungen der TA Lärm orientieren und den behördlichen Prognosespielraum nicht sachwidrig oder willkürlich einschränken. Letzteres ist vorliegend nicht ersichtlich. 22 Das Oberverwaltungsgericht hat die fachspezifische Eignung der von der Behörde angewendeten Methode zur Prognose der von der Gaststätte ausgehenden Schallimmissionen revisionsrechtlich fehlerfrei bejaht. Die dagegen gerichteten Gehörsrügen des Klägers greifen nicht durch. Die Vorinstanz durfte seine auf den Beweis der Hörbarkeit bestimmter von ihm näher beschriebener Geräusche am Immissionsort gerichteten Beweisanträge mit der Begründung ablehnen, die zum Beweis gestellten Tatsachen seien für die Entscheidung unerheblich. Auf die Kritik an der Berechnung des Impulszuschlages ist sie mit dem Argument eingegangen, ein individuell bemessener Impulszuschlag könne im Rahmen einer rechnerischen Immissionsprognose nicht vergeben werden. Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes hat der Kläger insoweit nicht dargetan. 23 Ob die vorgesehene Vergabe eines Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit geeignet ist, das vom Kläger behauptete, besonders lärmintensive Einwerfen von leeren Flaschen in einen Altglascontainer abzubilden, kann offen bleiben. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass solche Einwürfe stattfinden und der Gaststätte zurechenbar sind. Durchgreifende Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben. 24 Bundesrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, die Behörde habe ihrer Prognose einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Insbesondere greifen die Rügen des Klägers gegen die Billigung der Annahme eines energieäquivalenten Dauerschalldruckpegels von 70 dB(A) pro Gast nicht durch. Der geltend gemachte Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit den Argumenten des Klägers auseinandergesetzt, ist ihnen im Ergebnis aber nicht gefolgt. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist ebenfalls nicht verletzt. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bei den typischen Gästen des Weinbrunnens handele es sich um Menschen überwiegend gesetzteren Alters, die auch unter Alkoholeinfluss nicht zu übermäßig lautem Sprechen oder gar Schreien neigten, ist weder aktenwidrig noch willkürlich oder sonst mit den Denkgesetzen unvereinbar. Die gegenteilige Auffassung des Klägers beruht auf der unzutreffenden Annahme, das Berufungsgericht habe einen generellen Erfahrungssatz zu Eigenschaften von ""Menschen gesetzten Alters"" formuliert. Wie sich aus dem Zusammenhang des Berufungsurteils ergibt, hat es stattdessen lediglich seine Beobachtungen bei seinem Ortstermin zusammengefasst und die nach seiner Beweiswürdigung für den Weinbrunnen typischen Gäste charakterisiert. 25 Revisionsrechtlichen Bedenken begegnet das Berufungsurteil dagegen, soweit es auf die Ergebnisrichtigkeit der behördlichen Prognose abstellt und annimmt, diese sei durch das klägerische Schallgutachten zu widerlegen. Nicht die Ergebnisrichtigkeit der Prognose, sondern die oben dargelegten Voraussetzungen ihrer Rechtmäßigkeit sind gerichtlich zu überprüfen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist unerheblich, ob eine andere rechtmäßige Prognose zum selben Ergebnis hätte führen können. Daher erschüttern Beteiligtengutachten eine behördliche Prognose nicht schon und nicht nur bei Abweichungen im Ergebnis, wohl aber, wenn sie Zweifel an der Eignung und der fachspezifischen Angemessenheit der gewählten Prognosemethode, an der Richtigkeit der Tatsachengrundlage oder an der Nachvollziehbarkeit der Begründung des Prognoseergebnisses wecken. 26 Das Oberverwaltungsgericht hat keine eigene Lärmprognose an die Stelle der von ihm zu kontrollierenden Lärmprognose der Behörde gesetzt. Weder die Berichtigung des behördlichen von der Behörde bei ihrer Berechnung angesetzten negativen Impulszuschlages für den von der Schankfläche ausgehenden Lärm noch die Aberkennung des Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit im Rahmen der Erörterung des klägerseits beigebrachten Schallgutachtens stellen eine eigene gerichtliche Prognose der zu erwartenden Schallimmissionen der Gaststätte dar. Eine solche wäre erst dann anzunehmen, wenn das Berufungsgericht aufgrund eines selbst ermittelten Sachverhaltes oder einer von der behördlichen Prognosemethode abweichenden Verfahrensweise auf ein eigenes Prognoseergebnis schließen würde. Die Korrektur des negativen Impulszuschlages betrifft dagegen weder die behördliche Prognosemethode noch den der Prognose zugrunde gelegten Sachverhalt, sondern lediglich die richtige Anwendung des von der Behörde gewollten Rechenmechanismus. Soweit das Oberverwaltungsgericht in Zusammenhang mit dem vom Kläger beigebrachten Schallgutachten ausgeführt hat, ein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit sei nicht veranlasst, hat es ebenfalls keinen neuen Prognosesachverhalt oder eine neue Prognosemethode angewendet, sondern lediglich einen vermeintlichen Fehler der Behörde bei Anwendung ihrer Prognosemethode korrigiert. 27 Rechtlich fehlerhaft ist diese Korrektur jedoch, weil das Berufungsurteil zur Begründung auf Ziffern A 2.5.2. und A 3.3.5 des Anhangs der TA Lärm zurückgreift, die nach seiner zutreffenden Ansicht gar nicht anwendbar sind. Richtigerweise hätte das Berufungsurteil den Zuschlag nicht beanstanden dürfen, weil die im Rundschreiben beschriebene Prognosemethode ihn bei ""großen Tischen"" vorsah und keine gerichtlichen Feststellungen getroffen wurden, die die entsprechende behördliche Annahme zur Größe der Sitzgruppen widerlegten. 28 (2) Auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte habe für die Zeit ab 22.00 Uhr keine der Gaststätte zurechenbare Überschreitung des in Anlehnung an die TA Lärm von der Behörde zugrunde gelegten Richtwerts von 40 dB(A) annehmen müssen, weil die von dem Mittelteil des Rüdesheimer Platzes ausgehenden Lärmimmissionen der Gaststätte dann nicht mehr zurechenbar seien, verletzt Bundesrecht. Im Ansatz zutreffend führt das Oberverwaltungsgericht hierzu aus, dass einer Gaststätte nicht nur diejenigen Lärmimmissionen zuzurechnen sind, die von ihr selbst verursacht werden, sondern auch solche, die in einem betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 10 S. 15 f.). Danach muss der Gastwirt sich auch denjenigen Lärm zurechnen lassen, den seine Gäste nach dem Verlassen der Gaststätte verursachen, solange sie noch als Gaststättenbesucher in Erscheinung treten bzw. als solche erkennbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2003 - 6 B 12.03 - GewArch 2003, 300 f.). Bei einer Gaststätte mit Flaschenverkauf trifft das auch auf den Lärm zu, der nach ihrer täglichen Schließung von denjenigen Gästen ausgeht, die sich zum Konsum in der Gaststätte erworbener Getränke oder zum weiteren Beisammensein auf einer der Gaststätte benachbarten Fläche - etwa einer angrenzenden Grünanlage - aufhalten. Dies gilt umso mehr, wenn der Gaststättenbetrieb erkennbar darauf angelegt ist, den Konsum der veräußerten Getränke nicht nur im eigenen Schankbereich, sondern auch auf einer angrenzenden Freifläche zu ermöglichen und wenn die Gäste dieses vom erkennbaren Konzept der Gaststätte gedeckte und vorhersehbare Verhalten nach der Schließung der Gaststätte auf der angrenzenden Fläche fortsetzen. Davon ist hier nach den behördlichen, der Prognose zugrunde liegenden Annahmen und den sie bestätigenden Feststellungen der Vorinstanz auszugehen. So ging die behördliche Lärmprognose davon aus, dass dem Gaststättenbetrieb nicht nur der Lärm der 400 auf der Empore zu bewirtenden Gäste zuzurechnen sei, sondern auch der Lärm der 200 Gäste, die es vorzogen, die in der Gaststätte erworbenen Getränke auf dem benachbarten Mittelteil der Grünanlage zu konsumieren. Die behördliche Auflage, bei der täglichen Schließung der Gaststätte die Treppenzugänge von der Empore zum Mittelteil zu sperren, belegt die realistische Erwartung, dass die zunächst auf der Empore sitzenden Gäste ihren Getränkekonsum und ihr Beisammensein nach der täglichen Schließung auf der Grünanlage fortsetzen. Gleichfalls realistisch war die Erwartung der Behörde, dass auch die 200 Gäste, die ihre in der Gaststätte erworbenen Getränke von vornherein auf dem Mittelteil des Platzes verzehrten, ihren Getränkekonsum und ihr Beisammensein nicht - oder jedenfalls nicht nahezu vollzählig - um 22.00 Uhr beenden würden. Deshalb wies die behördliche Prognose darauf hin, dass der Beurteilungspegel für die Nachtzeit dem für die Tagzeit ermittelten entspreche. Aufgrund dessen ist die Annahme des Berufungsurteils, die tägliche Schließung der Gaststätte um 22.00 Uhr beende die Zurechenbarkeit des Lärms, der von ihren auf dem Mittelteil des Platzes verbleibenden oder den Getränkekonsum und das Beisammensein dort fortsetzenden Gästen ausgeht, nicht nachvollziehbar. Die Annahme einer solchen Zäsur konnte auch nicht auf die behördlichen Auflagen zur Treppensperrung gestützt werden. Zum einen traf sie nicht diejenigen Gäste, die vorsorglich vor 22.00 Uhr zum Mittelteil wechselten oder sich von vornherein dort aufhielten. Zum anderen war der Mittelteil des Platzes ausweislich der vorgelegten Lagepläne auf anderem Wege als über die Treppen zu erreichen. 29 bb) Nicht frei von Rechtsfehlern sind auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Zumutbarkeit des von der Behörde prognostizierten Lärms in der Zeit bis 22.00 Uhr. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Grenzen des Zumutbaren von den Behörden und Tatsachengerichten anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu bestimmen sind, solange Vorschriften zur Bestimmung von Grenzwerten, wie im vorliegenden Fall, fehlen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1987 - 4 C 33-35.83 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 66 S. 5 f. und vom 24. April 1991 - 7 C 12.90 - Buchholz 406.25 § 22 BImSchG Nr. 8 S. 30 f.; Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 S. 17 f.). Dieser Würdigung kann der Kläger im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht seine eigene Würdigung entgegensetzen (stRspr, vgl. zu § 906 BGB: BGH, Urteile vom 26. November 1980 - V ZR 126/78 - BGHZ 79, 45 Rn. 34 und vom 30. November 1970 - V ZR 51/68 - LM Nr. 38 zu § 906 Rn. 26). Revisionsrechtlich fehlerhaft ist die tatrichterliche Würdigung aber jedenfalls dann, wenn das Tatsachengericht bei seiner Abwägung den Bedeutungsgehalt der von ihm in die Abwägung eingestellten Begriffe verkennt, wenn es sachfremde Erwägungen anstellt oder die Abwägung im Übrigen nicht willkürfrei ist. 30 Diesem Maßstab hält die Abwägung des Oberverwaltungsgerichts nicht stand, soweit es die von ihm selbst gebilligten behördlichen Prognosewerte im Rahmen der Abwägung relativiert (1), das Prioritätsargument zu Lasten des Klägers verwendet, ohne Veränderungen des Umfangs des Gaststättenbetriebs in den Blick zu nehmen (2), soweit es seine Einschätzung der Sozialadäquanz der Gaststätte an der Zahl ihrer Unterstützer orientiert (3) und zugunsten des Klägers sprechende Gesichtspunkte ausblendet (4). 31 (1) Das Oberverwaltungsgericht durfte als Grund für die Zumutbarkeit der Lärmbelastung nicht berücksichtigten, dass die behördliche Prognose ""sicherheitshalber"" auch Lärm ""normaler Parkbesucher"" und spielender Kinder einkalkuliert habe. Damit impliziert es, der dem Gaststättenbetrieb zurechenbare Lärm sei niedriger als der Prognosewert. Eine solche Beurteilung kann nicht im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung getroffen, sondern nur auf rechtliche Einwände gegen die Methode, die Tatsachengrundlage und die Begründung des Ergebnisses der Prognose gestützt werden. Wird diese - wie hier - als rechtmäßig anerkannt, ist ihr Ergebnis der Gesamtabwägung ungekürzt zugrunde zu legen. Im Übrigen dürfte die unzulässige Relativierung des Prognosewerts auf einem Missverständnis beruhen: Die Aussage, nicht dem Schankbetrieb zurechenbare Geräusche von Passanten und Kindern seien nicht ausgeschlossen worden, findet sich in der behördlichen Kritik an den klägerischen Lärmmessungen (vgl. Seite 3 der Stellungnahme des Umweltamtes der Beklagten vom 20. Juni 2014, Bl. 215 der Verwaltungsvorgänge). Sie umschreibt nicht die behördliche Prognosemethode. Diese hat nach den Feststellungen der Vorinstanz gemäß dem Rundschreiben allein Stimmgeräusche der zu erwartenden Gäste in die Berechnung einbezogen. Dass die Gästezahl überhöht angesetzt worden wäre, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. 32 Auch das Argument des Oberverwaltungsgerichts, der prognostizierte Immissionswert stelle einen Maximalwert dar, der nur bei voller Auslastung der Gaststätte bei schönem Wetter erreicht werde, enthält eine unzulässige Relativierung der behördlichen Immissionsprognose. Denn die Behörde hat ihre Prognose bewusst auf eine ""worst-case""-Betrachtung gestützt, die das Berufungsgericht gebilligt hat. 33 (2) Fehlerhaft ist die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung auch, soweit sie zu Lasten des Klägers die Herkömmlichkeit der Gaststätte anführt, ohne zu prüfen, ob und in welcher Weise sich der Umfang dieses Betriebs im Laufe der Jahre verändert hat. Langandauernde Übung als eine der Voraussetzungen der Herkömmlichkeit einer immissionsschutzrechtlichen Anlage kann nur angenommen werden, wenn die von der Gaststätte ausgehenden Belastungswirkungen während dieser Zeit weitgehend unverändert bestanden haben. 34 (3) Das Oberverwaltungsgericht geht unzutreffend von einer Sozialadäquanz schon wegen der von den Beigeladenen eingereichten Listen mit mehreren tausend Unterschriften aus. Der Gesichtspunkt der Sozialadäquanz kann zwar für die Zumutbarkeit der Immissionen sprechen. Er ist aber nicht schon dann zu bejahen, wenn der unveränderte weitere Betrieb der Gaststätte viele Fürsprecher hat. Als normativ geprägter Begriff setzt Sozialadäquanz vielmehr voraus, dass der Betrieb hingenommen wird und damit dem jeweiligen sozialen Standard entspricht. Hierfür reicht die Existenz von Unterschriftenlisten - auch zahlreicher - Unterstützter einer umstrittenen Praxis nicht aus. 35 (4) Die Gesamtwürdigung des Oberverwaltungsgerichts ist schließlich fehlerhaft, weil seine Abwägung nicht auch die naheliegenden Gesichtspunkte der jährlichen Dauer des Weinbrunnens, seine täglichen und wöchentlichen Öffnungszeiten und das völlige Fehlen von Ruhetagen berücksichtigt hat. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als die behördliche Lärmprognose Schallimmissionen nahe der für allgemeine Wohngebiete nach der TA Lärm geltenden Zumutbarkeitsgrenze ergeben hat. Werden einschlägige Grenzwerte nahezu ausgeschöpft, sind Dauer und Kontinuität der Lärmbelastung bei der Gesamtwürdigung besonders zu berücksichtigen. 36 Von einer Erörterung der weiteren vom Kläger gegen die Feststellung der Eignung der Prognose vorgebrachten Verfahrensrügen sieht der Senat gemäß § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO ab. 37 2. Das Urteil beruht auf den genannten Verstößen gegen Bundesrecht. Weder die Annahme teilweiser Unzulässigkeit der Klage noch der Abzug des Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit oder die Gesamtwürdigung werden von einer bundesrechtskonformen Alternativbegründung getragen. Die hilfsweisen Ausführungen zur Verletzung materiellen Baurechts ändern nichts an den Fehlern der Prognosebeurteilung und dem Versäumnis, § 12 GastG zu prüfen. 38 3. Das Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). 39 a) Die Klage ist in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage insgesamt zulässig. Der Kläger hat hinsichtlich des gesamten Streitgegenstandes auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erlaubt der Beklagte jährlich den - nun in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen - Beigeladenen den Betrieb des Weinbrunnens während der Sommermonate. Die zwischenzeitliche Heranziehung der §§ 2 f. GastG als Ermächtigungsgrundlage ändert nichts daran, dass die Kernfrage des Streits - das Vorliegen drittschützender gaststättenrechtlicher Versagungsgründe - weiterhin nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zu beurteilen ist. Dabei wird nach wie vor um die Zumutbarkeit der von der Gaststätte ausgehenden Immissionen für den Kläger gestritten, ohne dass sich aus bindenden Tatsachenfeststellungen oder irrevisiblen rechtlichen Annahmen des Berufungsurteils ergäbe, dass es auf diese Einwände wegen der seit 2015 erteilten baurechtlichen Dispense nicht mehr ankäme. Dass sich die Wiederholungsgefahr seit 2015 jährlich realisiert hat, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Wegen der kurzen Befristung der angegriffenen, jeweils unmittelbar vor Beginn der Gestattungszeiträume erteilten Gestattungen erledigten sich diese so kurzfristig, dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, sie jeweils in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen zu lassen. 40 b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Die angegriffenen Gestattungen sind rechtswidrig gewesen und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 GastG lagen nicht vor. Die Vorschrift ermöglicht die Erteilung einer Gestattung für den Betrieb einer Gaststätte aus besonderem Anlass unter erleichterten Voraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein solcher besonderer Anlass vor, wenn die betreffende gastronomische Tätigkeit an ein kurzfristiges, nicht häufig auftretendes Ereignis anknüpft, das außerhalb ihrer selbst liegt. Häufig wiederkehrende Ereignisse ohne Ausnahmecharakter sind keine besonderen Anlässe (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1999 - 1 C 11.88 - Buchholz 451.41 § 12 GastG Nr. 2 Rn. 11 f.). Danach lag hier kein besonderer Anlass vor. Der ""Rheingauer Weinbrunnen"" erschöpft sich in der zu gestattenden Bewirtung selbst. Zudem wird die Gaststätte nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts seit 50 Jahren jedes Jahr aus demselben Anlass am Rüdesheimer Platz betrieben. 41 Der Kläger kann sich auf die Verletzung des § 12 GastG berufen. Wird eine Gestattung anstelle einer normalen Gaststättenerlaubnis erteilt, darf der Gastwirt seiner Nachbarschaft dem Anlass entsprechende höhere Immissionen zumuten. Die Seltenheit des Anlasses und seine Herkömmlichkeit, Sozialadäquanz und allgemeine Akzeptanz können in der Gesamtbeurteilung zur Verschiebung der Zumutbarkeitsschwelle zu Lasten der von den Immissionen der Gaststätte Betroffenen führen (vgl. Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand November 2019, § 12 GastG Rn. 1). Dem entspricht es, dass der betroffene Nachbar gegen die Erteilung einer Gestattung einwenden kann, deren Erteilungsvoraussetzungen lägen nicht vor. 42 4. Der Senat kann selbst entscheiden, da die revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine abschließende Beurteilung zulassen. Aus ihnen ergibt sich, wie ausgeführt, die Zulässigkeit und Begründetheit der gesamten Klage, ohne dass es weiterer Sachverhaltsaufklärung bedarf. 43 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 2 und 3 Halbs. 1 VwGO." bverwg_2019-94,18.12.2019,"Pressemitteilung Nr. 94/2019 vom 18.12.2019 EN Bundesverwaltungsgericht klärt Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG Eine Reihe umstrittener Fragen zur Auslegung und Anwendung der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Bleiberechtsregelung für geduldete Ausländer, die sich in Deutschland nachhaltig integriert haben, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute geklärt. Die Klägerin, eine chinesische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. Sie reiste im Juli 2003 zusammen mit ihrem 1994 geborenen Sohn im Wege der Familienzusammenführung zu ihrem Ehemann in das Bundesgebiet ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Nach ihrer Scheidung im Jahr 2007 erhielt die Klägerin zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG für ein Jahr, deren weitere Verlängerung letztlich daran scheiterte, dass es ihr nach Ablauf ihres chinesischen Reisepasses im Juni 2011 nicht gelang, einen neuen, gültigen Pass vorzulegen. Während mehrerer Jahre hielt sie sich auf der Grundlage von Fiktionsbescheinigungen und später Duldungen in Deutschland auf. Ihren Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis lehnte die Beklagte ab. Seit Frühjahr 2017 verfügt die Klägerin erneut über einen gültigen Reisepass, wurde aber durch die Ausländerbehörde weiter wegen fehlender Reisedokumente geduldet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG (erneut) zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, die Klägerin sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine geduldete Ausländerin i.S.v. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Sie habe sich auch seit acht Jahren im Bundesgebiet mit einer Aufenthaltserlaubnis oder zumindest der Sache nach geduldet aufgehalten. Hinsichtlich einer „Duldungslücke"" von wenigen Tagen habe die Beklagte analog § 85 AufenthG eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob diese bei der Berechnung der anrechnungsfähigen Aufenthaltszeiten außer Betracht bleiben könne. Die weiteren Voraussetzungen seien gegeben. Ein Ausweisungsinteresse sei nicht ersichtlich. Auf die Revision der Beklagten hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Klägerin war im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts eine „geduldete Ausländerin"" und erfüllte die für die Annahme einer nachhaltigen Integration regelmäßig erforderlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Insbesondere hat sie sich im maßgeblichen Zeitpunkt seit acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es hierzu keiner „Mindestduldungszeit""; vielmehr stehen die im Gesetz genannten Rechtsgrundlagen des Voraufenthalts gleichberechtigt nebeneinander. Zu berücksichtigen sind alle Voraufenthaltszeiten, in denen der Ausländer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden konnte. Geringfügige Lücken in den (namentlich) geduldeten Zeiten können bereits im Rahmen der nach § 25b AufenthG vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Integrationskriterien aufgewogen werden oder - bei wie hier lediglich wenigen Tagen - auch sonst unschädlich sein. Bundesrecht verletzt indes die Annahme des Berufungsgerichts, ein Ausweisungsinteresse sei nicht ersichtlich. Sie beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage.  Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Nichtvorliegen eines Ausweisungsinteresses) findet auch auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG Anwendung. Angesichts einer aktenkundigen „Passverfügung"" hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Klägerin dadurch wirksam begründete Mitwirkungspflichten verletzt hat (Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 8 b AufenthG) und welche Rechtsfolgen sich hieraus für den Einzelfall ergeben. BVerwG 1 C 34.18 - Urteil vom 18. Dezember 2019 Vorinstanzen: VGH Mannheim, 11 S 1810/16 - Urteil vom 18. Mai 2018 - VG Stuttgart, 9 K 1831/15 - Urteil vom 16. Februar 2016 -","Urteil vom 18.12.2019 - BVerwG 1 C 34.18ECLI:DE:BVerwG:2019:181219U1C34.18.0 EN Zu den Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung für geduldete, nachhaltig integrierte Ausländer Leitsätze: 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Das gilt auch für die Voraussetzung, dass der Antragsteller ein ""geduldeter Ausländer"" sein muss, sowie für die Frage, ob die nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG regelmäßig erforderlichen Voraufenthaltszeiten erfüllt sind. 2. Ein Ausländer ist im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung gleich welcher Art erteilt worden ist oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. 3. Der Anwendungsbereich des § 25b AufenthG ist nicht auf Personen beschränkt, die während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet ausschließlich oder zumindest überwiegend geduldet waren. 4. Bei dem regelmäßig erforderlichen geduldeten, gestatteten oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckten Voraufenthalt von mindestens acht Jahren sind alle ununterbrochenen Aufenthaltszeiten des Ausländers zu berücksichtigen, die von einem aufenthaltsregelnden Verwaltungsakt gedeckt waren oder in denen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war. 5. Kurzzeitige Lücken in den berücksichtigungsfähigen Voraufenthaltszeiten können durch andere Integrationsindizien aufgewogen werden oder - bei lediglich wenigen Tagen - bereits wegen Bagatellcharakters unschädlich sein. § 85 AufenthG, der die Behörde ermächtigt, Unterbrechungen der ""Rechtmäßigkeit des Aufenthalts"" bis zu einem Jahr nach Ermessen außer Betracht zu lassen, findet im Rahmen von § 25b AufenthG keine Anwendung. Rechtsquellen AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 25 Abs. 5, §§ 25b, 54 Abs. 2 Nr. 8, § 58 Abs. 2 Satz 2, §§ 60a, 60b, 81 Abs. 4 und 5, § 84 Abs. 2 Satz 2, §§ 85, 104a LVwVfG § 44 VwGO § 123 Instanzenzug VG Stuttgart - 16.02.2016 - AZ: VG 9 K 1831/15 VGH Mannheim - 18.05.2018 - AZ: VGH 11 S 1810/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:181219U1C34.18.0] Urteil BVerwG 1 C 34.18 VG Stuttgart - 16.02.2016 - AZ: VG 9 K 1831/15 VGH Mannheim - 18.05.2018 - AZ: VGH 11 S 1810/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und Dr. Wittkopp für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Mai 2018 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. 2 Die ... geborene Klägerin ist chinesische Staatsangehörige. Sie reiste im Juli 2003 gemeinsam mit ihrem 1994 geborenen Sohn mit einem Visum zur Familienzusammenführung zu ihrem Ehemann in das Bundesgebiet ein. Am 24. Juli 2003 wurde ihr eine bis zum 30. September 2005 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Familiennachzug erteilt. In der Folge erhielt die Klägerin am 21. September 2005 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG, die einmalig bis zum 1. September 2007 verlängert worden ist. 3 Ende Oktober 2006 reiste die Klägerin zwecks Vorbereitung ihrer Ehescheidung nach China. Im Januar 2007 kehrte sie nach Deutschland zurück. Ihre Ehe wurde im April 2007 in China in einem schriftlichen Verfahren geschieden. Am 31. August 2007 erhielt die Klägerin eine auf § 31 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, deren Verlängerung sie rechtzeitig beantragte. 4 Mit Bescheid vom 20. Juli 2009 lehnte die Beklagte den Verlängerungsantrag ab und drohte der Klägerin die Abschiebung nach China an, weil ihr Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Ihr könne auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG oder aus humanitären Gründen erteilt werden. Mit Beschluss vom 6. November 2009 ordnete das Verwaltungsgericht auf Antrag der Klägerin die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs an, wobei es seine Entscheidung auf den Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides befristete. Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S. mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2011 zurück. Die Klägerin könne weder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG noch eine solche nach § 25 Abs. 4 bzw. 5 AufenthG beanspruchen. 5 Das daraufhin eingeleitete Klageverfahren wurde im Oktober 2012 durch Prozessvergleich beendet, nachdem der chinesische Reisepass der Klägerin mit Ablauf des 26. Juni 2011 seine Gültigkeit verloren hatte. In dem Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin eine Bescheinigung auszustellen, wonach sie deren Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bis zum 30. September 2013 verlängern werde, wenn diese einen gültigen Pass vorlege. 6 Der Klägerin gelang es indes nicht, einen Pass zu erhalten. Sie machte geltend, die chinesische Botschaft habe ihr mitgeteilt, dass ihr nur ein (vorläufiger) Reisepass zur Rückkehr nach China ausgestellt werden könne, wo sie erneut einen Passantrag stellen müsse. Die Klägerin beantragte sodann die Ausstellung eines Reiseausweises. 7 In der Zeit zwischen dem 27. August 2009 und dem 13. Januar 2013 erteilte die Beklagte der Klägerin durchgängig Bescheinigungen nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Am 14. Januar 2013 stellte sie der Klägerin erneut eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG aus, welche durchgängig bis zum 6. Februar 2014 verlängert wurde. Ende Februar 2014 leitete die Beklagte aufenthaltsbeendende Maßnahmen ein. Sie teilte der Klägerin sinngemäß mit, dass sie den gerichtlichen Vergleich als obsolet, die Ablehnungsverfügung vom 20. Juli 2009 als bestandskräftig und die Klägerin als vollziehbar ausreisepflichtig betrachte. Die Klägerin entgegnete mit Schreiben vom 21. März 2014, sie bemühe sich weiterhin um einen Pass. Hilfsweise erfülle sie zumindest die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG, nachdem ihr Sohn eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 dieser Regelung erhalten habe. 8 Mit Bescheid vom 8. September 2014 lehnte die Beklagte die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG und auf Ausstellung eines Reiseausweises ab. Den fristgerecht eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium S. zurück. Es war der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Reiseausweises, denn es sei nicht nachgewiesen, dass es ihr unmöglich sei, sich einen chinesischen Nationalpass zu beschaffen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG seien schon deshalb nicht erfüllt, weil ihr Sohn volljährig sei. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG könne nicht erteilt werden. 9 Im November 2014 erhielt die Klägerin erstmals eine Duldung wegen fehlender Reisedokumente, die mehrfach neu erteilt bzw. verlängert wurde, zunächst bis zum Ablauf des 25. Oktober 2017. 10 Auf die fristgerecht erhobene Bescheidungsklage der Klägerin verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheide, über die Anträge der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG und auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 11 Ende Juni 2017 legte die Klägerin einen neuen - am 20. April 2017 ausgestellten und zehn Jahre gültigen - Reisepass der Volksrepublik China vor. Am 30. Oktober 2017 wurde ihr erneut eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente erteilt, deren Gültigkeit später bis zum Ablauf des 28. Mai 2018 verlängert wurde. 12 Mit Urteil vom 18. Mai 2018 hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren hinsichtlich des Begehrens auf Erteilung eines Reiseausweises eingestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass § 25b AufenthG erst nach Klageerhebung in Kraft getreten sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags. Sie sei geduldete Ausländerin i.S.d. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG, ohne dass es darauf ankomme, ob eine rein verfahrensbezogene Duldung dafür ausreiche. Sie habe seit der Antragstellung vom 21. März 2014 zunächst einen materiell-rechtlichen Duldungsanspruch besessen, weil sie wegen ihres abgelaufenen Reisepasses nicht habe abgeschoben werden können. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe sie über eine bis zum 28. Mai 2018 befristete Duldung verfügt, die ihr weiterhin aus materiell-rechtlichen Gründen erteilt gewesen und rechtswirksam sei. Die Klägerin habe sich - vorbehaltlich einer von der Beklagten noch zu treffenden Ermessensentscheidung - im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Sie halte sich seit acht Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr.  1 AufenthG). Von Januar 2007 bis zum 30. August 2008 habe sie sich im Besitz eines Aufenthaltstitels befunden, an dessen Stelle während des Verlängerungsverfahrens zunächst die Fiktionswirkung und sodann bis zum 6. Februar 2014 Fiktionsbescheinigungen getreten seien, die der Sache nach (zumindest) einer Duldung entsprächen. Vom 7. Februar 2014 bis zur Erteilung der ersten Duldung wegen fehlender Reisepapiere am 19. November 2014 habe die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gehabt, weil ihre Abschiebung mangels gültigen Reisepasses aus tatsächlichen Gründen unmöglich gewesen sei. Dieser Zustand habe zumindest bis zur Ausstellung des neuen Reisepasses angedauert, so dass die Klägerin jedenfalls bis zum 20. April 2017 unabhängig davon als ""geduldet"" anzusehen sei, ob fortlaufend förmliche Duldungen erteilt worden seien. Nach Vorlage des gültigen Reisepasses habe sie schließlich wiederum nahezu fortlaufend Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erhalten. Allein im Zeitraum vom 26. Oktober 2017 bis 29. Oktober 2017 habe weder eine Duldung noch ein Duldungsanspruch bestanden. Die Beklagte werde daher im Rahmen ihrer erneuten Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, ob die kurzzeitige Duldungsfehlzeit entsprechend § 85 AufenthG bei der Berechnung der anrechnungsfähigen Aufenthaltszeiten nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG außer Betracht bleibe. Die Klägerin erfülle auch die weiteren Integrationskriterien des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis sei nicht durch § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, nachdem die Klägerin nunmehr einen gültigen Pass besitze. Ein atypischer Sonderfall, der eine Abweichung von der gesetzlichen Sollregelung rechtfertigte, liege bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte nicht vor. Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass ein etwaiges ""Fehlverhalten"" bei der Passbeschaffung im Rahmen der Regelwertung des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sei und die erbrachte Integrationsleistung nachhaltig in Frage stelle. Hierzu bedürfe es aber eines erheblichen Schweregrades des Fehlverhaltens. Der Umstand, dass die Klägerin von der Möglichkeit der Passbeschaffung in ihrem Heimatland keinen Gebrauch gemacht habe, sei ihr - angesichts der konkreten Umstände des Falles - jedoch nicht in erheblichem Maße vorwerfbar. Die Klägerin erfülle schließlich auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. 13 Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 25b AufenthG. Die Klägerin sei keine geduldete Ausländerin im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Der Besitz einer Duldung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung reiche dafür nicht aus. Entscheidend sei allein, ob der Ausländer tatsächlich einen Anspruch auf Duldung gemäß § 60a AufenthG habe, was im Fall der Klägerin - nach Vorlage des Reisepasses - nicht (mehr) der Fall gewesen sei. Seit dem 29. Mai 2018 sei die Klägerin nur noch im Besitz einer verfahrensbezogenen Duldung. Diese Änderung sei bei einer etwaigen Neubescheidung zu berücksichtigen. § 25b AufenthG sei außerdem nur auf diejenigen Personen anwendbar, die sich langjährig mit ungesichertem Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet aufgehalten hätten und aufhielten, nicht hingegen auf Personen, die bereits für längere Zeit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen seien. Die vom Berufungsgericht festgestellte viertägige Unterbrechung der anrechenbaren Duldungszeiten sei anspruchsschädlich und könne nicht nach § 85 AufenthG außer Betracht bleiben. 14 Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil. 15 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren nicht beteiligt. II 16 Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25b AufenthG für eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Norm liegen allerdings vor, ohne dass es einer Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 85 AufenthG bedarf (1.). Zwingende Versagungsgründe im Sinne von § 25b Abs. 2 AufenthG hat das Berufungsgericht zutreffend verneint (2.). Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist indes die im angefochtenen Urteil vertretene Annahme, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen lägen vor, insbesondere sei ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht ersichtlich. Sie verletzt § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG, weil sie auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht (3.). Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Im Streitfall fehlen ausreichende tatrichterliche Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob ein (generalpräventives) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG vorliegt und gegebenenfalls noch aktuell ist, mit der Folge, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu treffen hätte. Der Rechtsstreit ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (4.). 17 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Begehren der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur (Neu-)Bescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. Zwar sind angesichts des erstinstanzlich gestellten Antrags, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, zunächst alle ernsthaft in Betracht kommenden Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen Gegenstand des Klageverfahrens gewesen. Hierzu zählte neben einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG auch eine solche nach § 25 Abs. 5 AufenthG, zumal sich die Klägerin auf diese Norm ausdrücklich berufen hatte. Bei diesen Aufenthaltserlaubnissen handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände, die nicht im Verhältnis einer Anspruchsnormenkonkurrenz zueinander stehen, weil sie sich in den Rechtsfolgen unterscheiden (vgl. zum Verhältnis von § 25a AufenthG zu § 25 Abs. 5 AufenthG BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 17.12 - BVerwGE 146, 281 Rn. 10 f.). 18 Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf erneute Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG stattgegeben, es aber versäumt, auch über den ebenfalls streitgegenständlichen Anspruch auf Neubescheidung hinsichtlich einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG eine Entscheidung zu treffen. Hierbei ist es entweder rechtsirrig von einer Anspruchsnormenkonkurrenz ausgegangen oder davon, dass die beiden geltend gemachten Ansprüche ohne weiteres in einem Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag stehen. Auch letzteres wäre rechtsfehlerhaft und hätte von der Klägerin mit einem Rechtsmittel geltend gemacht werden müssen, um den Anspruch auf Neubescheidung hinsichtlich § 25 Abs. 5 AufenthG in die nächste Instanz zu bringen. Offenbleiben kann, ob ein Gericht auch ohne eine ausdrücklich gestufte Antragstellung grundsätzlich davon ausgehen darf, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Verhältnis zu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG nur nachrangig begehrt wird. Im Streitfall widersprach die Annahme einer solchen Stufung jedenfalls den Interessen der (ungeachtet der erteilten Duldung vollziehbar ausreisepflichtigen) Klägerin, weil diese ihren Klageantrag von vornherein auf eine Neubescheidung beschränkt hatte. Da ihr mit dem Erfolg eines solchen Antrags hinsichtlich § 25b AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis noch nicht garantiert war, hatte sie ein erkennbares Interesse daran, auch eine Entscheidung über die Frage des Bestehens einer Neubescheidungsverpflichtung hinsichtlich § 25 Abs. 5 AufenthG zu erhalten. 19 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist hiernach das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Zweite Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626), zugrunde zu legen. Der hier maßgebliche § 25b AufenthG wurde seit seinem Inkrafttreten am 1. August 2015 mit Wirkung bis zur Entscheidung des Senats nicht geändert. Der durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1021) neugeschaffene Absatz 6 tritt erst zum 1. Januar 2020 in Kraft und bleibt daher außer Betracht. 20 Die Klage ist hinsichtlich des allein verfahrensgegenständlichen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es insbesondere nicht an einem vor Klageerhebung erfolglos gestellten Antrag. Die Klägerin hat im März 2014 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beantragt. Dieser Antrag erfasste bei sachdienlicher Auslegung jedenfalls unter Berücksichtigung der im Juli 2014 ergänzten Begründung alle in Betracht kommenden Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Damit erstreckte er sich - unter den hier gegebenen Umständen - nicht nur auf § 25 Abs. 5 AufenthG, wovon bereits der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. ausgegangen ist, sondern auch auf die während des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretene Regelung in § 25b AufenthG, ohne dass es insoweit einer erneuten Antragstellung bedurfte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 17.12 - BVerwGE 146, 281 Rn. 9; siehe auch Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - BVerwGE 138, 336 Rn. 23). 21 1. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25b AufenthG für eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Norm liegen vor. Nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. 22 1.1 Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Klägerin eine geduldete Ausländerin im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist, weil sie im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts über eine rechtswirksame Duldung verfügte. 23 a) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist entgegen verbreiteter Auffassung (vgl. etwa Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2019, § 25b AufenthG Rn. 10; Welte, ZAR 2015, 376 <378>; Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Einfügung des § 25b Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, S. 4) nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Zeitpunkt der Erteilung, im gerichtlichen Verfahren mithin der allgemein maßgebliche Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Der Wortlaut der Norm enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber vom allgemein maßgeblichen Zeitpunkt hier für ein einzelnes Tatbestandsmerkmal (ggf. auch zusätzlich für die von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG geforderten Voraufenthaltszeiten) hätte abweichen wollen. Auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/4097 S. 42) ist nichts zu entnehmen, was auf eine konzeptionell ebenfalls in Betracht kommende Vorverlagerung des Duldungserfordernisses auf den Antragszeitpunkt hindeutet. Normzweck und -struktur erfordern jedenfalls nicht zwingend, dass die Duldung bzw. der Duldungsgrund schon bei Antragstellung vorliegen muss, mit der Folge, dass es unmöglich wäre, in den persönlichen Anwendungsbereich des § 25b AufenthG ""hineinzuwachsen"" (vgl. Röder, in: Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 2. Edition, Stand 1. Oktober 2019, AufenthG § 25b Rn. 7; a.A. etwa OVG Münster, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - 18 B 1197/17 - juris Rn. 2). 24 b) Geduldet ist ein Ausländer, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 14) oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Ein Rechtsanspruch auf Duldung ist jedenfalls dann ohne weiteres ausreichend, wenn die Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Da die Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Ausländer eine Duldung von Amts wegen zu erteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 1 C 23.99 - BVerwGE 111, 62 <66>), kann es diesem nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie dieser Pflicht im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht nachkommt und den Aufenthalt lediglich faktisch duldet (so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2019, § 25b AufenthG Rn. 10). Umgekehrt bedarf es im Falle einer ausdrücklich erteilten Duldung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zusätzlich eines materiellen Duldungsanspruchs. Eine Duldung entfaltet als Verwaltungsakt Bindungs- und Tatbestandswirkung und ist damit auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit zu beachten, solange sie weder nichtig noch zurückgenommen oder nach § 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG widerrufen worden ist (§ 43 Abs. 2 und 3 LVwVfG). 25 c) Im Einklang mit diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die Klägerin als im Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung geduldete Ausländerin angesehen, weil sie weiterhin im Besitz einer wirksamen Duldung war, die ihr wegen fehlender Reisedokumente nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt worden war. Der Umstand, dass dieser Duldungsgrund im Mai 2018 objektiv nicht mehr bestand, weil die Klägerin bereits im Juni 2017 einen neuen, gültigen Reisepass der Volksrepublik China vorgelegt hatte, führt nicht zur Nichtigkeit der erteilten Duldung. Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 LVwVfG nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegend ist nur ein Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in einem so erheblichen Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 - 1 C 10.14 - NVwZ 2014, 1679 Rn. 15 f.). 26 Ein derart schwerwiegender Fehler haftete der der Klägerin auch nach Wiedererlangung eines gültigen Reisepasses weiterhin erteilten Duldung nicht an. Dies gilt schon deshalb, weil nicht auszuschließen war, dass die Beklagte der Klägerin bei Erkennen ihres Fehlers jedenfalls eine Duldung im Hinblick auf das schwebende Verfahren (sogenannte Verfahrensduldung) erteilt hätte. Unter diesen Umständen kann die im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehende Aussetzung der Abschiebung der Klägerin nicht schlechthin unerträglich sein. 27 Zu keinem anderen Ergebnis führt der Einwand der Beklagten, dass die Klägerin seit dem 29. Mai 2018 und damit auch zum Zeitpunkt einer unterstellten Neubescheidung nur noch über eine ""Duldung aus sonstigen Gründen auf Grund des anhängigen gerichtlichen Verfahrens"" verfüge, so dass sie - die Beklagte - gegen eine rechtskräftige Verpflichtung zur Neubescheidung erfolgreich Vollstreckungsabwehrklage erheben könne. Zum einen steht einer Berücksichtigung dieser Sachverhaltsänderung im vorliegenden Revisionsverfahren schon entgegen, dass diese erst nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eingetreten ist; eine Berücksichtigung als unstreitige, nicht weiter beweisbedürftige Tatsache scheidet ebenfalls aus, weil nicht mit Sicherheit feststeht, auf welche Duldungsgründe sich die Klägerin bei einer künftigen, zeitlich noch nicht eingrenzbaren Neubescheidung gegebenenfalls berufen kann. 28 Zum anderen ist auch ein Ausländer, der sich (lediglich) im Besitz einer sogenannten Verfahrensduldung befindet, im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ""geduldet"". Die verbreitete Gegenauffassung (vgl. etwa OVG Münster, Beschlüsse vom 17. August 2016 - 18 B 696/16 - und vom 19. Oktober 2017 - 18 B 1197/17 - beide juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2018 - OVG 11 S 98.17 - juris Rn. 8; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 8 ME 31/18 - juris Rn. 4) findet keine hinreichende Anknüpfung im Gesetz. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangt lediglich das Vorliegen einer Duldung (oder einen Anspruch auf eine solche), ohne dabei nach verschiedenen Duldungsgründen zu differenzieren. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass eine Verfahrensduldung grundsätzlich nicht ausreicht, um die Eigenschaft als ""geduldeter Ausländer"" im Sinne von § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begründen, fehlt es bereits an einer klaren, ungewollten Überschreitung der inhaltlichen Regelungsabsicht durch den Normtext und besteht weder ein zwingender Grund noch ein unabweisbares Bedürfnis. 29 Keine andere Beurteilung rechtfertigt die im Ansatz zutreffende Erwägung, es sei nicht Zweck eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens, das dem Erlass bzw. der Überprüfung einer Entscheidung diene, die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung erst herbeizuführen. Denn die Ausländerbehörden können derartige Folgen weitgehend selbst vermeiden, indem sie Duldungen zur Durchführung eines auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gerichteten Gerichtsverfahrens bei Fehlen anderweitiger Duldungsgründe insbesondere im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG einschließlich Satz 3 der Vorschrift nur erteilen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die sogenannte Verfahrensduldung ist dabei keine eigene, im Aufenthaltsgesetz besonders geregelte Duldungsart, sondern muss ihre Grundlage jeweils in § 60a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 oder Satz 3 AufenthG finden. 30 Dass für die Dauer von Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht stets eine sogenannte Verfahrensduldung zu erteilen ist, folgt im Umkehrschluss aus der in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG getroffenen, begrenzten Regelung. Sie kann aber zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erteilt werden, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommen kann (vgl. näher OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. August 2017 - 13 ME 213/17 - juris Rn. 3 m.w.N.). Je besser insoweit die Erfolgsaussichten sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (effektiver Rechtsschutz als rechtliches Abschiebungshindernis) oder zumindest nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG (Ermessensduldung) erfüllt sein. Hingegen genügt nicht, wenn ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beantragt hat, die nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Voraufenthaltszeiten oder auch eine andere Voraussetzung der Norm noch nicht erfüllt, ohne dass dies erheblichen Klärungsbedarf aufwirft. In diesem Fall hat es die Behörde in der Hand, den Antrag zügig abzulehnen und aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, ohne eine Verfahrensduldung zu erteilen. Es ist dann Sache des betroffenen Ausländers, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu stellen, wenn er die Voraussetzungen des § 25b AufenthG gleichwohl für gegeben hält. 31 Da eine wegen materieller Abschiebungshindernisse erteilte Duldung die Eigenschaft als ""geduldeter Ausländer"" auch dann begründet, wenn sie rechtswidrig ist (s.o.), sind keine Gründe ersichtlich, diese Eigenschaft im Falle einer ""grundlos"" erteilten Verfahrensduldung ohne eine entsprechende Einschränkung im Gesetz zu verneinen. Denn auch der Verfahrensduldung kommt die einem Verwaltungsakt eigene Bindungs- und Tatbestandswirkung zu. Konsequenterweise ist die Zeit einer nur zur Durchführung eines Verfahrens nach § 25b AufenthG erteilten Duldung dann auch bei dem nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG erforderlichen ununterbrochenen (u.a.) geduldeten Voraufenthalt zu berücksichtigen, zumal es insoweit an einer Sonderregelung fehlt, wie sie nunmehr etwa in § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG für die neugeschaffene ""Duldung für Personen mit ungeklärter Identität"" getroffen worden ist. Ob atypische Voraufenthalte, bei denen die erforderliche Zeitdauer erst unter Einbeziehung von (rechtswidrigen) Verfahrensduldungszeiten ohne Integrationseignung bzw. -wirkung erreicht wird, einen Ausnahmefall begründen können, der in der Rechtsfolge zu einer Abweichung von dem gesetzlich vorgesehenen Soll-Anspruch führt, lässt der Senat offen. 32 1.2 Die Klägerin hat sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert (§ 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dies setzt gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG regelmäßig voraus, dass der Ausländer die dort unter Nr. 1 bis 5 aufgezählten konkreten Voraussetzungen erfüllt. Da diese Voraussetzungen nur ""regelmäßig"" gegeben sein müssen, kann von einer nachhaltigen Integration im Einzelfall auch dann auszugehen sein, wenn sie nicht vollständig erfüllt werden, der Ausländer aber besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht erbracht hat oder einzelne benannte Integrationsvoraussetzungen ""übererfüllt"", und dadurch das nicht vollständig erfüllte ""Regel-Merkmal"" kompensiert wird. In derartigen Fällen ist grundsätzlich eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 42). 33 1.2.1 Die Klägerin erfüllt die Anforderungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG an den Voraufenthalt. Sie hat sich - wie von der Vorschrift regelmäßig verlangt - seit mindestens acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten. Dem steht nicht entgegen, dass sie zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland bereits einmal für längere Zeit über eine Aufenthaltserlaubnis verfügte (a). Geduldet, gestattet oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckt ist jedenfalls jeder Voraufenthalt, während dessen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzulässig war (b). Ausgehend davon ist die Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts bereits seit jedenfalls mehr als elf Jahren (nahezu) ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhältig gewesen (c). Die vom Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommene Lücke von wenigen Tagen, in denen der Aufenthalt der Klägerin weder geduldet noch gestattet noch von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckt war, sowie eine mögliche weitere Lücke vergleichbarer Dauer sind hier als lediglich minimale Unterbrechungen schon wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich anzusehen; sie begründen keine anspruchsschädliche Unterbrechung, ohne dass es insoweit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - einer behördlichen Ermessensentscheidung analog § 85 AufenthG bedürfte (d). 34 Zeitlicher Bezugspunkt des Erfordernisses eines Voraufenthalts bestimmter Qualität ""seit acht Jahren"" ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts. Der geduldete, gestattete oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckte Voraufenthalt muss sich auf mindestens acht Jahre belaufen und grundsätzlich ununterbrochen bis hin zum maßgeblichen Zeitpunkt fortdauern. 35 a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der geforderte Mindestaufenthalt durch alle drei Alternativen (""geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis"") in gleicher Weise erfüllt werden kann und es keiner ""Mindestduldungszeit"" bedarf, steht im Einklang mit Bundesrecht. Ohne Erfolg wendet die Revision hiergegen ein, § 25b AufenthG solle nur denjenigen Ausländern zugutekommen, die sich langjährig mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland aufgehalten hätten, nicht aber denjenigen, die in der Vergangenheit bereits für einen nicht unerheblichen Zeitraum legal aufhältig gewesen seien (so auch die Allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Einfügung des § 25b Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, S. 4 f.). 36 Dass die Bleiberechtsregelung grundsätzlich auch Personen zugutekommt, die in der Vergangenheit bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt haben, ergibt sich schon aus dem eindeutigen und insoweit nicht weiter auslegungsfähigen Wortlaut des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG. Anders als bei der stichtagsbezogenen Altfallregelung des § 104a AufenthG sind hier ausdrücklich auch Zeiten anzurechnen, in denen der Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen als humanitären Gründen war. Für eine Einschränkung dahingehend, dass die auf Grundlage einer Duldung zurückgelegten Zeiten zumindest überwogen haben müssen, ist dem Wortlaut ebenfalls nichts zu entnehmen. 37 Der aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Sinn und Zweck der mit § 25b AufenthG geschaffenen Bleiberechtsregelung für gut integrierte, gegenwärtig geduldete Ausländer gebietet ebenfalls keine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Personen, die während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet überwiegend oder gar ausschließlich geduldet waren. Der Gesetzgeber mag zwar bei der Schaffung von § 25b AufenthG vor allem Personen im Blick gehabt haben, die sich schon seit längerer Zeit mit einer Duldung im Bundesgebiet aufhalten. Die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung enthält gleichwohl keine hinreichend deutlichen Hinweise darauf, dass die Regelung ausschließlich langjährig Geduldeten zugutekommen sollte. Der Zweck der Regelung, nachhaltige Integrationsleistungen, die ""trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts"" von einem Geduldeten erbracht wurden, durch Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 1), gibt dafür nichts Ausreichendes her. Er kann ohne weiteres auch dahin verstanden werden, dass sich das Fehlen eines rechtmäßigen Aufenthalts lediglich auf den aktuellen Zeitpunkt bzw. den letzten Zeitraum des geforderten achtjährigen Voraufenthalts bezieht und nicht auf den gesamten Integrationszeitraum. Dieses Verständnis wird bestätigt durch den ausdrücklichen Hinweis, dass alle ununterbrochenen Voraufenthaltszeiten anrechenbar sein sollen, ""in denen sich der Ausländer in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren, d.h. geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat"" (BT-Drs. 18/4097 S. 43). 38 Mit der Gesetz gewordenen Fassung der Regelung wollte der Gesetzgeber nicht mehr ausschließlich dem Problem der Kettenduldungen begegnen. Im Vordergrund stand vielmehr die Anerkennung der durch einen aktuell Geduldeten in der Vergangenheit erbrachten Integrationsleistungen, unabhängig davon, auf welcher aufenthaltsrechtlichen Grundlage diese beruhten. Zwar war die - als bisher nicht hinreichend gelungen betrachtete - Vermeidung von Kettenduldungen ein Beweggrund für die Überlegungen zu einer neuen Bleiberechtsregelung (vgl. den Bericht der länderoffenen Arbeitsgruppe ""Aufenthaltsrecht bei nachhaltiger Integration"" vom 23. Mai 2012, S. 12, 14 f., sowie die Begründung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BT-Drs. 17/13424 S. 1, 9). In der für die historisch-teleologische Interpretation der Regelung letztlich maßgeblichen Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/4097) taucht diese Formulierung aber nicht mehr auf. 39 In systematischer Hinsicht wird diese Zwecksetzung dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 25b AufenthG auch den Familiennachzug aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu Inhabern einer derartigen Aufenthaltserlaubnis zugelassen hat (§ 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Im vorausgegangenen Bericht der länderoffenen Arbeitsgruppe ""Aufenthaltsrecht bei nachhaltiger Integration"" vom 23. Mai 2012 (S. 15) war insoweit ausgeführt worden, für die Frage einer Änderung des § 29 AufenthG komme es entscheidend auf das Normverständnis des § 25b AufenthG an. Stehe die aufenthaltsrechtliche Lösung des Problems der Kettenduldungen im Vordergrund, sei der Familiennachzug - wie im Antrag einiger Länder vorgesehen - explizit auszuschließen. Gehe es primär um die Anerkennung der gezeigten Integrationsleistungen, wäre es hingegen konsequent, den Familiennachzug nach § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zuzulassen. Letzteres ist sodann geschehen. 40 Die aus der sonstigen Gesetzessystematik hergeleiteten Einwände der Beklagten sind sämtlich nicht zwingend und daher nicht geeignet, das aus dem Wortlaut und dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Sinn und Zweck des Gesetzes gewonnene Regelungsverständnis nachhaltig zu erschüttern. Im Übrigen hat sich auch das Bundesministerium des Innern in der Antwort der Staatssekretärin Dr. Haber auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Volker Beck von seiner in den Allgemeinen Anwendungshinweisen zur Einfügung des § 25b Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (S. 4 f.) getroffenen Aussage distanziert, wonach eine Berücksichtigung von Ausländern, die bereits über längere Zeit einen Aufenthaltstitel innehatten, nicht intendiert sei (vgl. BT-Drs. 18/8999 S. 15 f.). 41 b) Bei der näheren Konkretisierung der aufenthaltsrechtlichen Anforderungen an den Voraufenthalt ist hinsichtlich der drei ausdrücklich benannten aufenthaltsrechtlichen Grundlagen (geduldet, gestattet, mit Aufenthaltserlaubnis) eine an der (potentiellen) Integrationswirkung anknüpfende Auslegung angezeigt. Aus der weiten Fassung dieser anrechenbaren Voraufenthalte, die auch den unrechtmäßigen, aber geduldeten sowie den asylverfahrensbezogenen, gestatteten Aufenthalt einbezieht, folgt, dass der Gesetzgeber alle Voraufenthaltszeiten angerechnet wissen will, die von einem aufenthaltsregelnden Verwaltungsakt gedeckt waren oder in denen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzulässig war. Hierauf weist auch die Begründung des Gesetzentwurfs, nach der alle ununterbrochenen Voraufenthaltszeiten anrechenbar sind, in denen sich der Ausländer in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren, d.h. geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat (BT-Drs. 18/4097 S. 43). 42 Hiernach sind insbesondere Zeiten anrechnungsfähig, in denen eine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis nach rechtzeitiger Stellung eines Verlängerungsantrags für die Dauer des behördlichen Verfahrens gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG fiktiv fortgilt. Das gilt gerade auch dann, wenn ein Verlängerungsanspruch nicht besteht und der Antrag daher am Ende des Verfahrens ohne Erfolg geblieben ist. Der Ausländer ist für die Dauer der Fortgeltungswirkung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und darf deshalb während ihrer Geltung nicht abgeschoben werden; daran kann sich durch die spätere Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis nichts mehr ändern. 43 Dass bei der Prüfung des Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis Zeiten der Fortgeltungsfiktion nur dann einen anrechenbaren Voraufenthalt begründen, wenn sie in die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels münden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 - 1 C 6.09 - BVerwGE 136, 211 <211 ff.>), steht dem nicht entgegen. Diese Rechtsprechung hat ihren maßgeblichen Grund in den spezifischen Voraussetzungen der Niederlassungserlaubnis, die als höchste Verfestigungsstufe des Aufenthalts einen ununterbrochenen Voraufenthalt bestimmter Dauer ""im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis"" erfordert. Sie ist auf § 25b AufenthG schon deshalb nicht zu übertragen, weil danach sogar unrechtmäßige, aber geduldete Voraufenthaltszeiten berücksichtigungsfähig sind. Auch der oben zitierte Auszug aus der Gesetzesbegründung sowie die Einbeziehung des (asylverfahrensbedingt) gestatteten Aufenthalts zeigen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bleiberechtsregelung auch gesetzlich vorgesehene verfahrensbedingte Aufenthalte, die nicht zu einem Aufenthaltsrecht geführt haben, berücksichtigt wissen will. 44 Aus ähnlichen Gründen sind ferner Aufenthaltszeiten anzurechnen, in denen der Ausländer - nach Beendigung der Fortgeltungsfiktion - beim Verwaltungsgericht um die Verlängerung einer zuvor innegehabten Aufenthaltserlaubnis streitet, soweit ihm vorläufiger Rechtsschutz gewährt worden ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage führt zwar nicht zu einem rechtmäßigen Aufenthalt, hemmt aber die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) mit der Folge, dass eine zwangsweise Beendigung des Aufenthalts unzulässig ist. Dies gilt mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes auch bereits für den Zeitraum von der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides bis zum Ablauf der Widerspruchs- bzw. Klagefrist sowie für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens (siehe auch § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der ein verfahrensrechtliches Bleiberecht während dieser Zeiträume erkennbar voraussetzt). 45 c) Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin jedenfalls seit ihrer letzten Einreise im Januar 2007 - und damit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts seit deutlich mehr als acht Jahren - nahezu ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhältig gewesen. 46 Von Januar 2007 bis 30. August 2008 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Der folgende Zeitraum bis zur Bekanntgabe des auf den Verlängerungsantrag ergangenen ablehnenden Bescheides am 22. Juli 2009 war von der Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG gedeckt. Während des sich anschließenden Gerichtsverfahrens hatte das Verwaltungsgericht der Klägerin befristet bis zur Zustellung des Widerspruchsbescheides (20. Juni 2011) vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Hinsichtlich des Folgezeitraums bis zum 6. Februar 2014 kann der Senat offenlassen, ob dessen Anrechnungsfähigkeit mit dem Berufungsgericht damit begründet werden kann, dass die Beklagte der Klägerin zuletzt wieder Fiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AufenthG ausgestellt hat, obwohl eine Fortgeltungsfiktion rechtlich nicht mehr bestand. Diese Erwägung ist im Ergebnis nicht entscheidungserheblich. Denn bereits ab dem 27. Juni 2011 war die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mehr im Besitz eines gültigen Reisepasses. Damit war ihre Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür festgestellt oder erkennbar sind, dass die Ausländerbehörde ohne ihre Mitwirkung an Reisepapiere für die Klägerin hätte gelangen können, auf deren Grundlage eine Abschiebung möglich gewesen wäre. Von einem deshalb bestehenden tatsächlichen Abschiebungshindernis ist der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf den Zeitraum ab Auslaufen der letzten Fiktionsbescheinigung (6. Februar 2014) bis zur Erteilung bzw. Vorlage eines neuen Passes im Frühjahr 2017 bei gleicher Sachlage ausdrücklich ausgegangen; Gründe, aus denen dies nicht schon ab dem 27. Juni 2011 gelten würde, sind nicht ersichtlich. Ob auch der Zeitraum vom 21. bis 26. Juni 2011 auf den erforderlichen Voraufenthalt angerechnet werden kann, bedarf keiner Entscheidung, weil auch eine unterstellte ""Lücke"" dieser Länge in den berücksichtigungsfähigen Voraufenthaltszeiten vorliegend keine anspruchsausschließende Unterbrechung begründete (dazu unten d). 47 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der materielle Duldungsgrund der Passlosigkeit bereits mit der Ausstellung eines neuen Reisepasses am 20. April 2017 oder erst mit dessen Vorlage am 30. Juni 2017 entfallen ist. Denn im Zeitraum vom 20. April 2017 bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts im Mai 2018 war die Klägerin mit Ausnahme der vier Tage vom 26. bis 29. Oktober 2017 durchgängig im Besitz einer wegen fehlender Reisepapiere erteilten formellen Duldung. 48 d) Die vom Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommene Lücke von vier Tagen, in denen der Aufenthalt der Klägerin weder geduldet, noch gestattet, noch von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckt war, sowie die für 2011 unterstellte weitere Fehlzeit ähnlich kurzer Dauer begründen hier keine anspruchsschädliche Unterbrechung. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bedarf es insoweit keiner behördlichen Ermessensentscheidung in analoger Anwendung von § 85 AufenthG. 49 aa) § 85 AufenthG findet auf Lücken zwischen zwei Duldungszeiten jedenfalls keine unmittelbare Anwendung, weil danach lediglich Unterbrechungen der ""Rechtmäßigkeit des Aufenthalts"" bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben können. Einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift (vgl. in anderem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 24.08 - BVerwGE 135, 225 Rn. 20) auf Duldungslücken bedarf es bei der Anwendung von § 25b AufenthG nicht, weil die Vorschrift keine dies rechtfertigende planwidrige Regelungslücke aufweist. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangt, dass sich der Ausländer nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass bestimmte, in § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 aufgezählte Integrationsindizien erfüllt sind. Aus dieser Formulierung folgt, dass die aufgezählten Regeltatbestände nicht zwingend sämtlich (vollständig) erfüllt sein müssen, damit eine nachhaltige Integration festgestellt werden kann. Das - abschwächende - Merkmal ""regelmäßig"" ermöglicht es dem Rechtsanwender damit, auf bestimmte Mängel bei der Erfüllung der benannten Integrationskriterien flexibel zu reagieren, und (gegebenenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung) zu entscheiden, ob diese unschädlich sind, weil sie etwa Bagatellcharakter aufweisen oder durch das Vorliegen weiterer, unbenannter Integrationskriterien bzw. durch eine ""Übererfüllung"" von ausdrücklich genannten Kriterien kompensiert werden. Diese Entscheidung ist - anders als eine Ermessensentscheidung nach § 85 AufenthG - voll gerichtlich überprüfbar. 50 Abweichendes lässt sich auch der Begründung des Gesetzentwurfs nicht entnehmen. Zu den Rechtsfolgen von Unterbrechungen des - rein physischen - Aufenthalts im Bundesgebiet wird dort ausgeführt, kurzfristige Unterbrechungen der Mindestaufenthaltsdauer von bis zu drei Monaten seien unschädlich. Bei längeren Unterbrechungen des Aufenthalts, die nicht mit der Ausländerbehörde abgestimmt worden seien, würden die Voraufenthaltszeiten vor dem Auslandsaufenthalt nicht mehr berücksichtigt (BT-Drs. 18/4097 S. 43). Unterbrechungen, die den Inlandsaufenthalt unberührt lassen und nur die geforderte Grundlage des Aufenthalts (geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis) betreffen, werden in der Begründung nicht erwähnt; insbesondere findet sich kein Hinweis auf eine vom Gesetzgeber gewollte oder vorausgesetzte (entsprechende) Anwendbarkeit des § 85 AufenthG. 51 bb) Nach diesem Maßstab sind die hier allenfalls vorliegenden beiden Duldungslücken von jeweils wenigen Tagen schon wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich zu bewerten, ohne dass es auf deren nähere Umstände ankommt. Der geforderte geduldete, gestattete oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckte Voraufenthalt von mindestens acht Jahren soll nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Grundlage für eine gelungene Integration dienen. Diese Eignung wird bei einer Ausländerin, die sich wie die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt (im Übrigen) bereits seit (jedenfalls) mehr als elf Jahren geduldet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten hat, durch zwei Unterbrechungen von wenigen Tagen offensichtlich nicht in Frage gestellt. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gewährleistet einen am Gesetzeszweck orientierten, einzelfalladäquaten Gesetzesvollzug. 52 1.2.2 Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Anforderungen erfüllt, die § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG in der ersten Alternative an die Sicherung des Lebensunterhalts stellt. Nach dieser Vorschrift setzt die nachhaltige Integration regelmäßig weiter voraus, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist. Die nach dem Wortlaut etwas unklare Frage, ob sich das Merkmal ""überwiegend"" in der ersten Alternative (nur) auf den Modus der Unterhaltssicherung (""durch Erwerbstätigkeit"") oder (auch) auf das Ergebnis ""gesichert"" bezieht, hat das Berufungsgericht zu Recht im Sinne der letzteren Variante beantwortet, denn nur bei dieser Auslegung hat die Vorschrift auch in der ersten Alternative den vom Gesetzgeber bezweckten privilegierenden Charakter gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (UA S. 35). Ausreichend ist daher, wenn durch Erwerbstätigkeit ein Einkommen erwirtschaftet wird, das (unter Berücksichtigung der Maßgaben des § 2 Abs. 3 AufenthG) einen gegebenenfalls hinzutretenden Sozialleistungsanspruch in der Höhe übersteigt. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG zwei Varianten formuliert, die nur alternativ erfüllt sein müssen: Sichert ein Ausländer seinen Lebensunterhalt bereits überwiegend durch Erwerbstätigkeit im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AufenthG, bedarf es nicht zusätzlich einer positiven Prognose künftiger vollständiger Lebensunterhaltssicherung aufgrund der bisherigen Situation im Sinne der zweiten Alternative. Ungeachtet dessen muss die aktuelle Einkommenssituation auch bei der ersten Alternative über eine bloß punktuelle Betrachtung hinaus prognostisch eine gewisse Stabilität aufweisen. 53 Gemessen daran ist das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus ihren beiden Erwerbstätigkeiten (einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitstelle als Küchenhilfe und einem Minijob als Haushaltshilfe) für sich allein vollständig und selbst bei unterstellter Bedarfsgemeinschaft mit ihrem im maßgeblichen Zeitpunkt 24-jährigen Sohn zu rund drei Vierteln (und damit jedenfalls überwiegend) sicherstellt. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf das Berufungsurteil (UA S. 35 f.) Bezug. Keinen Rechtsfehler weist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts auf, es bestünden keine Zweifel daran, dass der Lebensunterhalt der Klägerin auch künftig - jedenfalls über den Zeitraum, für den die begehrte Aufenthaltserlaubnis zunächst erteilt werden könnte - überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert sein wird. Die Feststellung, dass im maßgeblichen Zeitpunkt beide Arbeitsverhältnisse im Wesentlichen unverändert seit mehr als sechs Jahren Bestand hatten, bildet dafür eine offensichtlich ausreichende Grundlage. 54 1.2.3 Die Klägerin erfüllt - wie das Berufungsgericht in Anwendung zutreffender rechtlicher Maßstäbe angenommen und in tatsächlicher Hinsicht für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat - auch die weiteren regelmäßig erforderlichen Anforderungen an die Annahme einer nachhaltigen Integration. Sie bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und hat nachgewiesen, dass sie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG). Sie verfügt darüber hinaus nicht nur - wie von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG verlangt - über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, sondern hat nach den tatrichterlichen Feststellungen sogar den Besitz von Sprachkenntnissen auf dem (höheren) Niveau B1 nachgewiesen. 55 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zwingende Versagungsgründe im Sinne von § 25b Abs. 2 AufenthG der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenstehen. Nach dieser Vorschrift ist die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert (Nr. 1) oder wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 und 2 besteht (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. 56 § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt ein aktuelles Fehlverhalten des Ausländers voraus. Dies folgt schon aus der im Wortlaut der Regelung verwendeten Präsensform (""verhindert oder verzögert""). Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs knüpft die Regelung ""nur an aktuelle Mitwirkungsleistungen des Ausländers"" an (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 44). Zwar soll mit der Regelung ""keine Amnestie für jedes Fehlverhalten in den vorangegangenen Verfahren"" (ebd.) verbunden sein. Dies ändert aber nichts an der vorstehenden Auslegung des zwingenden Versagungsgrundes, sondern verweist der Sache nach darauf, dass Mitwirkungspflichtverletzungen oder Täuschungshandlungen, die nicht mehr fortwirken, unter Umständen ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllen (dazu unten 3.); möglicherweise können sie auch einen Ausnahmefall begründen, der die regelmäßig vorgegebene Rechtsfolge (""soll erteilt werden"") zu einer Ermessensregelung herabstuft (vgl. etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - 1 Bs 207/16 - juris Rn. 30 ff.). Dies zugrunde gelegt, scheitert der Anspruch der Klägerin schon deshalb nicht an diesem Versagungsgrund, weil die Klägerin im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts seit längerem wieder im Besitz eines gültigen Passes war und diesen der Ausländerbehörde vorgelegt hatte. Für ein qualifiziertes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG bestehen keine Anhaltspunkte. 57 3. Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist indes die Annahme des Berufungsgerichts, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hätten im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgelegen, insbesondere sei ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht ersichtlich. Sie verletzt § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG, weil sie auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht. 58 a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG mit Ausnahme der in § 25b AufenthG speziell geregelten Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) auch bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG Anwendung finden. Bereits der Wortlaut des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ""abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2"" vorsieht, spricht dafür, dass es im Übrigen bei der Geltung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen verbleibt, § 5 Abs. 1 Nr. 1a bis 4 AufenthG also Anwendung finden. 59 Dies bestätigt die Gesetzessystematik: Nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes enthält § 5 AufenthG allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, die von so grundlegendem staatlichen Interesse sind (BT-Drs. 15/420 S. 69 f.), dass der Gesetzgeber sie ""vor die Klammer"" gezogen hat. Sie gelten für alle weiteren Abschnitte des Zweiten Kapitels und damit für jede Erteilung eines Aufenthaltstitels. Fälle, in denen von der Anwendung ganz oder zumindest hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen zwingend abzusehen ist oder im Ermessenswege abgesehen werden kann, hat der Gesetzgeber beim jeweiligen Aufenthaltstitel ausdrücklich kenntlich gemacht. Sein ausdifferenziertes Regelungswerk einschließlich der Möglichkeiten, bei der Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen von der Einhaltung einzelner Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG abzusehen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG), lässt erkennen, dass der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Anwendbarkeit der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen auf humanitäre Aufenthaltstitel, zu denen die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gehört, eine in sich geschlossene Regelung geschaffen hat (so zu § 25a AufenthG bereits BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 - 1 C 17.12 - BVerwGE 146, 281 Rn. 18 ff., 22; zu § 25b AufenthG auch OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Mai 2017 - 1 Bs 207/16 - juris Rn. 40). 60 Auf dieses Regelungssystem hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien auch bei § 25b AufenthG zurückgegriffen. Den Materialien ist zu entnehmen, dass zusätzlich zu der Regelung in § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, die einige (besonders) schwerwiegende Ausweisungsinteressen als zwingenden Versagungsgrund ausgestaltet, auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG gelten sollen, so dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die Titelerteilung nach § 25b AufenthG in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsinteresse besteht (BT-Drs. 18/4097 S. 45). Das Vorliegen anderer als der in § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG genannten Ausweisungsinteressen stellt somit keinen zwingenden Versagungsgrund dar, sondern führt - flexibler - dazu, dass es an einer Regelerteilungsvoraussetzung fehlt, von deren Anwendung indes nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden kann. 61 b) Die Feststellung des Berufungsgerichts, ein Ausweisungsinteresse sei nicht ersichtlich, beruht hinsichtlich § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Nach dieser Vorschrift liegt ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor, wenn ein Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde. Das Berufungsgericht hätte Anlass gehabt, näher zu prüfen, ob dieses Ausweisungsinteresse vorliegt und gegebenenfalls noch aktuell ist. 62 Ausweislich einer in der Akte befindlichen, von der Beklagten als bestandskräftig bezeichneten Verfügung des Regierungspräsidiums K. vom 18. Mai 2015 ist die Klägerin unter Nr. 1 aufgefordert worden, der Ausländerbehörde der Beklagten bis spätestens 30. Juni 2015 gültige Reisedokumente (Pass/Passersatz) vorzulegen. Unter Nr. 2 wurde sie für den Fall, dass sie keine gültigen Reisedokumente besitzt, aufgefordert, innerhalb der Frist sonstige Identitätspapiere vorzulegen und dazu im Bedarfsfall Angehörige oder einen Vertrauensanwalt mit der Beschaffung und Übersendung von Identitätspapieren zu beauftragen. Am Ende der Verfügung befindet sich ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet, sollte die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung eines Heimreisedokuments nicht nachkommen. Diese Verfügung mit der Überschrift ""Durchführung des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung eines Identitätspapieres"" zielt auf die Konkretisierung der die Klägerin nach § 48 Abs. 1 und 3 AufenthG treffenden Pflichten. Vor diesem Hintergrund hätte es sich dem Berufungsgericht aufdrängen müssen, Feststellungen dahingehend zu treffen, ob die Verfügung wirksam geworden ist und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Gegebenenfalls wäre auch tatrichterlich zu würdigen gewesen, ob ein daraus etwa folgendes (generalpräventives) Ausweisungsinteresse noch hinreichend aktuell ist, um der Klägerin im Grundsatz weiter entgegengehalten werden zu können. In diesem Fall hätte die Beklagte nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen, ob von der Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden kann. 63 4. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Hierfür reicht in der vorliegenden Situation einer erfolgreichen Bescheidungsklage nicht aus, dass sich der Urteilstenor deshalb als richtig erweist, weil selbst bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen und Nichtvorliegen atypischer Umstände, die eine Ausnahme von der ""Soll""-Rechtsfolge begründen, ein Verpflichtungsausspruch mangels entsprechenden Antrags nicht ergehen könnte (§ 88 VwGO, ""ne ultra petita""). Denn bei einem Urteil, das die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur erneuten Bescheidung verpflichtet, wird die ""Entscheidung"" im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO auch durch die - für die Behörde verbindliche - Rechtsauffassung des Gerichts mitgeprägt. Diese darf deshalb nicht offenbleiben. 64 Der Senat kann die Klage ferner nicht aus anderen Gründen abweisen, weil die Klägerin die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis - wie ausgeführt - erfüllt. Mangels tatrichterlicher Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob ein (generalpräventives) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG vorliegt und gegebenenfalls noch aktuell ist, ist dem Senat daher eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits verwehrt und ist dieser gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 65 5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten." bverwg_2019-95,18.12.2019,"Pressemitteilung Nr. 95/2019 vom 18.12.2019 EN EuGH soll Fragen zum Familienflüchtlingsschutz bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit in der Familie klären Das Bundesverwaltungsgericht hat heute den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung angerufen, ob die Gewährung von Familienflüchtlingsschutz nach § 26 AsylG an ein Kind, das eine andere Staatsangehörigkeit als die des schutzberechtigten Elternteils besitzt, von der in Art. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Anerkennungsrichtlinie) gründenden Befugnis der Mitgliedstaaten gedeckt ist, günstigere Normen zur Entscheidung darüber zu erlassen, wer als Flüchtling gilt, bzw. ob dies i.S.d. Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU mit der persönlichen Rechtsstellung des Kindes unvereinbar ist. Die Klägerin ist ein im Jahr 2017 im Bundesgebiet geborenes Kind einer tunesischen und eines als Flüchtling anerkannten syrischen Staatsangehörigen. Sie besitzt jedenfalls die tunesische Staatsangehörigkeit. Ihren Asylantrag stützt sie auf einen von ihrem Vater abgeleiteten Familienflüchtlingsschutz. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ihren Antrag als offensichtlich unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht hat die auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gerichtete Klage abgewiesen. Die Gewährung von Familienflüchtlingsschutz gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 AsylG widerspreche vorrangigem Unionsrecht und namentlich dem auch dort geltenden Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes. Dieser Grundsatz schließe aus, diesen Schutz auf Personen zu erstrecken, die - wie die Klägerin - bereits aufgrund ihres Personalstatuts als Angehörige eines schutzfähigen anderen Staates keines Schutzes bedürften. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Prinzips der Subsidiarität sei es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, aufgrund von Art. 3 RL 2011/95/EU günstigere Normen zu schaffen, da anderenfalls die allgemeine Systematik und die Ziele der Richtlinie gefährdet würden. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts sieht vor dem Hintergrund des Prinzips der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes unionsrechtlichen Klärungsbedarf, ob das nationale Recht (§ 26 AsylG) mit Art. 3 und Art. 23 Abs. 2 RL 20011/95/EU vereinbar ist, soweit es eine Zuerkennung internationalen Familienschutzes auch für Familienangehörige vorsieht, die effektiven Schutz in dem Land erlangen können, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Der Senat hat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH über die nachstehend aufgeführten Fragen ausgesetzt. Fußnote: Vorlagefragen 1. Ist Art. 3 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der dem minderjährigen ledigen Kind einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, eine von dieser abgeleitete Flüchtlingseigenschaft (sog. Familienflüchtlingsschutz) auch für den Fall zuzuerkennen ist, dass dieses Kind - über den anderen Elternteil - jedenfalls auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzt, das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist und dessen Schutz es in Anspruch nehmen kann? 2. Ist Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Einschränkung, wonach ein Anspruch der Familienangehörigen auf die in den Artikeln 24 bis 35 dieser Richtlinie genannten Leistungen nur zu gewähren ist, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist, es verbietet, dem minderjährigen Kind unter den in Frage 1. beschriebenen Umständen die von dem anerkannten Flüchtling abgeleitete Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen? 3. Ist für die Beantwortung der Fragen 1. und 2. von Bedeutung, ob es für das Kind und seine Eltern möglich und zumutbar ist, ihren Aufenthalt in dem Land zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit das Kind und seine Mutter besitzen, dessen Schutz diese in Anspruch nehmen können und das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings (Vaters) identisch ist, oder genügt es, dass die Familieneinheit im Bundesgebiet auf der Grundlage aufenthaltsrechtlicher Regelungen gewahrt bleiben kann? BVerwG 1 C 2.19 - Beschluss vom 18. Dezember 2019 Vorinstanz: VG Cottbus, 5 K 511/18.A - Urteil vom 17. Januar 2019 -","Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt.Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen eingeholt:1. Ist Art. 3 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der dem minderjährigen ledigen Kind einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, eine von dieser abgeleitete Flüchtlingseigenschaft (sog. Familienflüchtlingsschutz) auch für den Fall zuzuerkennen ist, dass dieses Kind - über den anderen Elternteil - jedenfalls auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzt, das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist und dessen Schutz es in Anspruch nehmen kann?2. Ist Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Einschränkung, wonach ein Anspruch der Familienangehörigen auf die in den Artikeln 24 bis 35 dieser Richtlinie genannten Leistungen nur zu gewähren ist, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist, es verbietet, dem minderjährigen Kind unter den in Frage 1. beschriebenen Umständen die von dem anerkannten Flüchtling abgeleitete Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen?3. Ist für die Beantwortung der Fragen 1. und 2. von Bedeutung, ob es für das Kind und seine Eltern möglich und zumutbar ist, ihren Aufenthalt in dem Land zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit das Kind und seine Mutter besitzen, dessen Schutz diese in Anspruch nehmen können und das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings (Vaters) identisch ist, oder genügt es, dass die Familieneinheit im Bundesgebiet auf der Grundlage aufenthaltsrechtlicher Regelungen gewahrt bleiben kann? Gründe IDie im ... 2017 im Bundesgebiet geborene Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Familienangehörige. Sie besitzt jedenfalls die tunesische Staatsangehörigkeit. Ob sie auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, ist tatrichterlich nicht festgestellt.Die in Libyen geborene Mutter der Klägerin ist tunesische Staatsangehörige. In ihrem Asylantrag führte diese aus, sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis zu ihrer Ausreise in Libyen gehabt. Ihr Asylantrag blieb erfolglos. Der Vater der Klägerin ist nach seiner Darstellung syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und muslimischer Glaubenszugehörigkeit. Ihm wurde im Oktober 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.Mit Bescheid vom 15. September 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als offensichtlich unbegründet ab.Mit dem angegriffenen Urteil vom 17. Januar 2019 hat das Verwaltungsgericht Cottbus den Bescheid vom 15. September 2017 insoweit aufgehoben, als der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz als offensichtlich unbegründet und nicht lediglich als unbegründet abgelehnt worden ist, im Übrigen die Klage jedoch abgewiesen. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, da sie in Tunesien, ""ihrem - jedenfalls einen - Heimatstaat"", keine begründete Furcht vor Verfolgung haben müsse. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes müsse sie sich im Hinblick auf eine begründete Furcht vor einer Verfolgung in Syrien darauf verweisen lassen, den Schutz des tunesischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitze, in Anspruch zu nehmen. Sie habe auch nicht in Anknüpfung an den Flüchtlingsschutz, den ihr syrischer Vater in Deutschland genieße, Anspruch auf Gewährung von Familienflüchtlingsschutz gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 AsylG. Denn es widerspreche vorrangigem Unionsrecht und namentlich dem auch dort geltenden Grundsatz der Subsidiarität, der ein allgemeines Prinzip des Asyl- und internationalen Flüchtlingsrechts sei, den internationalen Schutz auf Personen zu erstrecken, die - wie die Klägerin - bereits aufgrund ihres Personalstatuts als Angehörige eines schutzfähigen anderen Staates - und damit gleichsam a priori - keines Schutzes bedürften.Zur Begründung ihrer Revision führt die Klägerin aus, sie sei tunesische Staatsangehörige. Minderjährigen Kindern, die von Eltern mit unterschiedlicher nationaler Herkunft abstammten, sei der Familienflüchtlingsstatus nach § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG auch für den Fall zuzuerkennen, dass nur einem Elternteil die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. Der Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes stehe dem nicht entgegen. Art. 3 RL 2011/95/EU gestatte es einem Mitgliedstaat, in Fällen, in denen einem Angehörigen einer Familie internationaler Schutz gewährt werde, die Erstreckung dieses Schutzes auf andere Angehörige dieser Familie vorzusehen, sofern diese nicht unter einen der in Art. 12 RL 2011/95/EU genannten Ausschlussgründe fielen und sofern ihre Situation wegen der Notwendigkeit, den Familienverband zu wahren, einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweise. Im Rahmen der Gesetzgebung seien der Minderjährigenschutz und das Kindeswohl in besonderer Weise zu berücksichtigen. Dies folge auch aus den Art. 3, 9, 18 und 22 der UN-Kinderrechtskonvention und deren Präambel sowie dem hierzu verfassten Joint Comment vom 16. November 2017.Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.IIDer Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung von Art. 3 und Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9, ber. ABl. 2017 L 167 S. 58) - RL 2011/95/EU.1. Die rechtliche Beurteilung richtet sich im deutschen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 48 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626). Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab.Den danach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:§ 3 AsylG(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will(...)§ 26 AsylG(...)(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.(...)(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. (...)(...)2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.2.1 Die Vorlagefragen sind erheblich für die Entscheidung über das Begehren der Klägerin, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus eigenem Recht (§ 3 Abs. 4 AsylG).Personen, die zwei oder mehr Staatsangehörigkeiten besitzen, kann die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden, wenn sie den Schutz eines der Länder ihrer Staatsangehörigkeit in Anspruch nehmen können (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 1 B 142.04 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 307 S. 143). Dies folgt aus Art. 1 A Nr. 2 Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1953 II S. 559, 560; 1969 II S. 1293, 1294), in dem der Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes zum Ausdruck kommt. Danach gilt eine Person, die ohne einen stichhaltigen, auf eine begründete Befürchtung gestützten Grund den Schutz eines der Länder nicht in Anspruch genommen hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt, nicht als des Schutzes des Landes beraubt, dessen Staatsangehörigkeit sie hat. Auch Personen, die nur eine Staatsangehörigkeit besitzen, aber in Bezug auf einen anderen Staat (etwa den Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts) eine begründete Furcht vor Verfolgung hegen, müssen sich regelmäßig auf einen vorhandenen Schutz durch den Staat ihrer Staatsangehörigkeit verweisen lassen (Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK). In diesem Sinne sind auch Art. 2 Buchst. d und n RL 2011/95/EU sowie § 3 Abs. 1 AsylG auszulegen: Nur wer schutzlos ist, weil er keinen wirksamen Schutz durch ein Herkunftsland im Sinne des Art. 2 Buchst. n RL 2011/95/EU genießt, ist danach Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1983 - 9 C 158.80 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 14 S. 36 f., vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <167 f.>, vom 28. Mai 1991 - 9 C 6.91 - BVerwGE 88, 226 <229> und vom 6. August 1996 - 9 C 172.95 - BVerwGE 101, 328 <335>). Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Falle der Klägerin aus. Denn die Klägerin kann in der Tunesischen Republik, einem Land ihrer Staatsangehörigkeit, effektiven Schutz erlangen. Erkenntnisse, dass die Tunesische Republik nicht bereit und in der Lage wäre, der Klägerin den erforderlichen Schutz vor Verfolgung und vor Abschiebung nach Syrien, dem Herkunftsland ihres als Flüchtling anerkannten Vaters, oder in einen Drittstaat (Kettenabschiebung) zu gewähren, liegen nicht vor.b) Die minderjährige Klägerin erfüllt jedoch die Voraussetzungen, die § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für minderjährige ledige Kinder eines als Flüchtling anerkannten Elternteils normiert. Ihrem - seinen Angaben zufolge - syrischen Vater wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG erfasst auch im Bundesgebiet geborene Kinder des anerkannten Flüchtlings. Das Kindschaftsverhältnis muss nicht bereits in dem Staat bestanden haben, in dem der Flüchtling verfolgt wird. Das nationale Recht ist vorbehaltlich des Unionsrechts dahin auszulegen, dass der Familienflüchtlingsschutz auch dann zu gewähren ist, wenn der Familienangehörige (auch) die Staatsangehörigkeit eines Nichtverfolgerstaates besitzt.2.2 Die Vorlagefragen bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.a) Mit der Vorlagefrage zu 1. möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 RL 2011/95/EU in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen ist, dass er der in § 26 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG getroffenen Regelung entgegensteht, nach der die nationalen Behörden verpflichtet sind, dem minderjährigen ledigen Kind eines anerkannten Flüchtlings die - von diesem abgeleitete - Flüchtlingseigenschaft auch für den Fall zuzuerkennen, dass das Kind und sein anderer Elternteil die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzen, welches nicht mit dem Herkunftsland des anerkannten Flüchtlings identisch ist, und dessen Schutz sie in Anspruch nehmen können.Art. 3 RL 2011/95/EU gestattet es den Mitgliedstaaten, günstigere Normen zur Entscheidung darüber zu erlassen, wer als Flüchtling gilt, sofern diese Normen mit der Anerkennungsrichtlinie vereinbar sind.aa) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass eine günstigere Norm mit der Richtlinie 2011/95/EU vereinbar ist, wenn sie die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährdet. Unvereinbar sind nationale Normen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an Drittstaatsangehörige oder Staatenlose vorsehen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-542/13 [ECLI:EU:C:2014:2452], M’Bodj - Rn. 44). Einen Anwendungsfall eines solchen fehlenden Zusammenhangs zu dem Zweck des internationalen Schutzes begründen die in Art. 12 RL 2011/95/EU geregelten Ausschlussgründe. So laufen dem Vorbehalt des Art. 3 RL 2011/95/EU etwa nationale Bestimmungen zuwider, auf deren Grundlage die Rechtsstellung eines Flüchtlings Personen gewährt wird, welche von dieser Rechtsstellung nach Art. 12 Abs. 2 RL 2011/95/EU ausgeschlossen sind (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-57/09 und C-101/09 [ECLI:EU:C:2010:661], B und D - Rn. 115). Unterfallen Familienangehörige eines anerkannten Flüchtlings keinem der in Art. 12 RL 2011/95/EU geregelten Ausschlussgründe und weist ihre Situation wegen der Notwendigkeit, den Familienverband zu wahren, einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes auf, so gestattet es Art. 3 RL 2011/95/EU einem Mitgliedstaat, diesen Schutz auf andere Angehörige dieser Familie zu erstrecken (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 [ECLI:EU:C:2018:801], Ahmedbekova und Ahmedbekov - Rn. 74).Die Erstreckung des internationalen Schutzes auf enge Familienangehörige eines international Schutzberechtigten, die § 26 AsylG unabhängig davon vorsieht, ob auch in eigener Person Schutzgründe vorliegen, hat nach nationalem Recht eine Doppelfunktion. Zum einen knüpft sie an die Erfahrung an, dass im Kampf gegen oppositionelle Kräfte unduldsame Staaten dazu neigen, anstelle des politischen Gegners, dessen sie nicht habhaft werden können, auf Personen zurückzugreifen, die dem Verfolgten besonders nahestehen, um hierdurch in der einen oder anderen Weise ihr auf Unterdrückung abweichender Meinungen gerichtetes Ziel doch noch zu erreichen (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1985 - 9 C 35.84 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 34 S. 101). Diesen Zusammenhang betont der 36. Erwägungsgrund RL 2011/95/EU. Für den Herkunftsstaat des bereits als schutzberechtigt anerkannten, ""stammberechtigten"" Familienangehörigen ist es dabei regelmäßig unerheblich, ob das weitere Familienmitglied über die Staatsangehörigkeit eines weiteren Staates verfügt, in dem er vor Verfolgung sicher ist. Zum anderen setzt § 26 AsylG den durch Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU gebotenen Familienschutz für Familienangehörige, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, in vom Unionsrecht so nicht gebotener Weise ""überschießend"" um. Der nationale Gesetzgeber gewährleistet für diesen Personenkreis nicht durch Einzelregelungen die in den Art. 24 bis 35 der RL 2011/95/EU benannten Leistungen. Zur Wahrung der Familieneinheit gewährleistet er dies dadurch, dass er den Schutzstatus des international Schutzberechtigten auch den anderen Familienangehörigen gewährt, und zwar - unter Ausschluss von Personen, welche persönliche Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 RL 2011/95/EU verwirklichen (§ 26 Abs. 4 AsylG) - unabhängig von der Verwirklichung von Schutzgründen in eigener Person. Angesichts dieser Doppelfunktion weist die auf der Grundlage des nationalen Rechts erfolgende automatische Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an Familienangehörige einer Person, der diese Eigenschaft auf der Grundlage der Richtlinie 2011/95/EU zuerkannt wird, jedenfalls in aller Regel einen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes auf (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - Rn. 72).bb) Einer unionsrechtlichen Klärung durch den Gerichtshof bedarf indes die Frage, ob es mit der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95/EU vereinbar ist, Familienflüchtlingsschutz auch solchen drittstaatsangehörigen Familienangehörigen des anerkannten Flüchtlings zu gewähren, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzen, das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist, und dessen Schutz sie genießen, oder ob dies mit ihrer persönlichen Rechtsstellung unvereinbar ist.(1) Auf eine Unvereinbarkeit könnten verschiedene Regelungen der Richtlinie 2011/95/EU und der Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten, die jeweils den Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes widerspiegeln. Ausweislich des 4. Erwägungsgrundes RL 2011/95/EU stellt die Genfer Flüchtlingskonvention in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen dar. Gemäß Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK findet im Sinne dieses Abkommens der Ausdruck ""Flüchtling"" auf jede Person Anwendung, die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht vor Verfolgung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will. Nach Art. 1 A Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 GFK bezieht sich der Ausdruck ""das Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt"" für den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, auf jedes der Länder, dessen Staatsangehörigkeit diese Person hat. Als des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, beraubt, gilt gemäß Art. 1 A Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 GFK nicht eine Person, die ohne einen stichhaltigen, auf eine begründete Befürchtung gestützten Grund den Schutz eines der Länder nicht in Anspruch genommen hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt. Art. 1 A Nr. 2 GFK ist Ausdruck des Grundsatzes der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes.Dieser Grundsatz spiegelt sich in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2011/95/EU wider. Nach dem 12. Erwägungsgrund RL 2011/95/EU besteht das wesentliche Ziel dieser Richtlinie unter anderem darin zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen. Gemäß dem 15. Erwägungsgrund RL 2011/95/EU fallen diejenigen Drittstaatsangehörigen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen, nicht weil sie internationalen Schutz benötigen, sondern aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, nicht unter diese Richtlinie (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - C-542/13 - Rn. 46).In materiell-rechtlicher Hinsicht gelangt der Grundsatz der internationalen Subsidiarität auch in Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU zum Ausdruck. Gleiches gilt in Bezug auf Art. 11 Abs. 1 Buchst. c RL 2011/95/EU. Die Beendigungsklausel macht deutlich, dass eine Person, die den Schutz ihres eigenen Landes genießt, internationalen Schutz nicht benötigt (UNHCR, Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Stand Dezember 2011 , Rn. 129). Als materiell-rechtliche Ausprägung des Grundsatzes der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes wird teilweise zudem der letzte Halbsatz des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU gewertet. Der persönlichen Rechtsstellung (""personal legal status""/""statut juridique personnel"") wird insoweit die Inhaberschaft einer anderen bzw. einer weiteren Staatsangehörigkeit zugeordnet (VG Trier, Urteil vom 13. Februar 2019 - 1 K 6155/17.TR - juris Rn. 50; so auch der belgische Conseil du Contentieux des Étrangers, ausweislich dessen Art. 23 RL 2011/95/EU die Mitgliedstaaten an die Notwendigkeit erinnert, die persönliche Rechtsstellung des Familienangehörigen ""(z. B. eine andere Staatsangehörigkeit)"" zu berücksichtigen ). Die Vereinbarkeit mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen wird seitens des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Rn. 184 der völkerrechtlich unverbindlichen und dennoch im Einklang mit Erwägungsgrund 22 RL 2011/95/EU als Auslegungshilfe zum Zwecke der Herstellung der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in den Blick zu nehmenden Publikation ""Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge"" aufgegriffen. Darin heißt es in Bezug auf Art. 1 A Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 GFK:""Wenn ein Familienvorstand die in der Definition genannten Kriterien erfüllt, wird seinen Angehörigen normalerweise die Rechtsstellung als Flüchtling nach dem Grundsatz der Einheit der Familie gewährt. Selbstverständlich sollte einem Angehörigen die formale Rechtsstellung als Flüchtling nicht zuerkannt werden, wenn diese mit seinem persönlichen Rechtsstatus unvereinbar wäre; der Angehörige einer Flüchtlingsfamilie kann unter Umständen nämlich die Staatsangehörigkeit des Landes besitzen, in dem er Asyl gefunden hat, oder auch die eines anderen Landes und den Schutz dieses Landes genießen. Unter solchen Umständen gäbe es keine Notwendigkeit, ihm den Flüchtlingsstatus zu gewähren.""(in diesem Sinne auch Ständiger Ausschuss des UNHCR, Questions relatives à la protection de la famille, Dok. EC/49/SC/CRP.14 vom 4. Juni 1999, Ziff. 9, https://www.unhcr.org/fr/excom/standcom/4b30a618e/questions-relatives-protection-famille.html).Gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. e RL 2011/95/EU sind die Anträge auf internationalen Schutz individuell zu prüfen, wobei zu berücksichtigen ist, ob vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er den Schutz eines anderen Staates in Anspruch nimmt, dessen Staatsangehörigkeit er für sich geltend machen könnte. Die Norm setzt an anderer Stelle geregelte materielle Voraussetzungen in einen behördlichen Prüfauftrag um, der sich im Hinblick auf Art. 1 A Nr. 2 GFK insbesondere auf das Erfordernis von Ermittlungen hinsichtlich des Besitzes mehrfacher Staatsangehörigkeiten bezieht (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 34; vgl. auch Dörig, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 4 Rn. 22 ff.).In verfahrensrechtlicher Hinsicht findet der Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes seinen Ausdruck unter anderem in Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und Art. 35 Satz 1 Buchst. b RL 2013/32/EU.Aus diesen Erwägungen könnte folgen, dass es der Richtlinie widerspricht, wenn die Flüchtlingseigenschaft nach nationalem Recht automatisch auf einen Familienangehörigen erstreckt wird, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzt, das nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist und dessen Schutz er in Anspruch nehmen kann. Dies hätte zur Folge, dass die Familieneinheit unter Wahrung der aus Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU folgenden Rechte nicht - wie im nationalen Recht vorgesehen - durch eine Statusgewährung auf der Grundlage der Richtlinie 2011/95/EU, sondern unter den Voraussetzungen der aufenthaltsrechtlichen Regelungen zum Familiennachzug durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gewahrt werden dürfte.(2) Für eine Vereinbarkeit der Erstreckung des Flüchtlingsschutzes auf die Klägerin trotz ihrer tunesischen Staatsangehörigkeit spricht andererseits, dass es sich um eine abgeleitete Flüchtlingseigenschaft handelt, die gerade nicht voraussetzt, dass der Familienangehörige die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft (Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU) in eigener Person erfüllt. Ist es mit der Richtlinie vereinbar, eine solche abgeleitete Flüchtlingseigenschaft Familienangehörigen selbst dann zuzuerkennen, wenn feststeht, dass diese keine begründete Furcht vor Verfolgung haben müssen, ist schwer erklärlich, weshalb die Existenz eines schutzgewährenden Herkunftsstaats, der nicht mit dem des Flüchtlings identisch ist, den Anspruch auf Zuerkennung der (abgeleiteten) Flüchtlingseigenschaft ausschließen sollte. Denn die Möglichkeit, den Schutz des Herkunftslandes in Anspruch zu nehmen, stellt keinen - von der Flüchtlingsdefinition unterscheidbaren - Ausschlussgrund dar. Möglicherweise weist die Schutzerstreckung auf den Familienangehörigen daher auch in dieser Fallgestaltung schon wegen der Notwendigkeit, den Familienverband zu wahren, einen hinreichenden Zusammenhang mit dem Zweck des - dem Flüchtling zuerkannten - internationalen Schutzes auf. Darauf, ob die Familieneinheit im Zufluchtsland des Flüchtlings auch durch eine dem Familienangehörigen erteilte Aufenthaltserlaubnis sichergestellt werden könnte, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Ahmedbekova nicht abgestellt (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018 - C-652/16 - Rn. 73).b) Der Klärung bedarf zudem, welche Bedeutung dem in Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU enthaltenen Vorbehalt der Vereinbarkeit mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen beizumessen ist. Der Vorbehalt der Vereinbarkeit der persönlichen Rechtsstellung geht auf einen Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für die spätere Richtlinie 2004/83/EG zurück. Die Formulierung ""sofern dieser Status nicht unvereinbar mit ihrem bestehenden Status ist"" wurde seinerzeit dahingehend erläutert, dass einige Familienmitglieder unter Umständen einen eigenständigen und anderen Rechtsstatus haben, der unter Umständen nicht mit dem internationalen Schutzstatus vereinbar ist (Bericht des Ausschusses für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten vom 8. Oktober 2002 (KOM(2001) 510 - C5-0573/2001 - 2001/0207(CNS), S. 17, Änderungsantrag 22).UNHCR legt den Vorbehalt dahingehend aus, dass es Umstände gebe, in denen der Grundsatz der abgeleiteten Rechtsstellung nicht befolgt werden sollte, nämlich soweit Familienangehörige selbst Asyl beantragen möchten oder soweit die Gewährung einer abgeleiteten Rechtsstellung mit ihrer persönlichen Rechtsstellung unvereinbar wäre, z.B. wenn sie die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelands besitzen, oder weil sie sich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auf eine günstigere Norm berufen können (Kommentar des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes , S. 33 zu Art. 23 Abs. 1-2).In der Literatur wird vertreten, dass sich der Adressatenkreis des Vorbehalts auf Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaates oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder auf langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (so Battjes, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Part D III, Art. 23 Rn. 18) beschränke. Dies lässt sich Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU indes nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen. Es ist daher zu fragen, ob der Vorbehalt des Art. 23 Abs. 2 RL 2011/95/EU Familienangehörige, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen, der nicht mit dem Herkunftsland des Flüchtlings identisch ist und dessen Schutz sie genießen, von der Gewährung der in den Art. 24 bis 35 RL 2011/95/EU genannten Leistungen ausnimmt und diese damit der Sache nach auf die Wahrung der Familieneinheit nach Maßgabe des Ausländerrechts verweist (so etwa VG Trier, Urteil vom 13. Februar 2019 - 1 K 6155/17.TR - juris Rn. 50 ff.).c) Aus Sicht des vorlegenden Gerichts bedarf es schließlich der Klärung, inwieweit es für die Beantwortung der Vorlagefragen zu 1. und 2. von Bedeutung ist, ob es dem minderjährigen ledigen Kind und seinen Eltern im Hinblick auf die Flüchtlingseigenschaft eines Elternteils und nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist, ihren Aufenthalt in dem Land zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit das Kind und ein Elternteil besitzen, dessen Schutz sie in Anspruch nehmen können und das nicht mit dem Herkunftsland des als Flüchtling anerkannten anderen Elternteils identisch ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Familieneinheit im Aufnahmemitgliedstaat nach deutschem Recht grundsätzlich auch auf der Grundlage aufenthaltsrechtlicher Regelungen zum Familiennachzug gewahrt bleiben kann, ohne dass insoweit allerdings ein alle denkbaren Fälle abdeckender, unbedingter Anspruch bestünde.Eine Aufenthaltsnahme in dem Land der Staatsangehörigkeit seiner Familienangehörigen wäre dem Flüchtling unmöglich, wenn ihm etwa bereits die Einreise in dieses Land verweigert würde. Sie wäre ihm jedenfalls dann unzumutbar, wenn er besorgen müsste, in den Verfolgerstaat abgeschoben oder der Gefahr einer Abschiebung in einen Drittstaat (Kettenabschiebung) ausgesetzt zu werden (Refoulement-Verbot). An der Zumutbarkeit kann es in der vorliegenden Situation aber auch schon deswegen fehlen, weil der in einem Mitgliedstaat anerkannte Flüchtling - über ein bloßes Aufenthaltsrecht hinaus - sogleich alle mit der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Rechte in Anspruch nehmen können soll; dies ist ihm nur in dem Staat ohne weiteres möglich, der ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (siehe auch EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 und C-541/17 [ECLI:EU:C:2019:964], Hamed und Omar - Rn. 40). Ungeklärt ist zudem, ob insoweit auch sonstige individuelle Umstände zu berücksichtigen sind, die eine Aufenthaltsnahme des Flüchtlings, des minderjährigen ledigen Kindes oder des anderen Elternteils nach den tatsächlichen Umständen als unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen. Für eine solche Berücksichtigung könnte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streiten." bverwg_2019-96,19.12.2019,"Pressemitteilung Nr. 96/2019 vom 19.12.2019 EN Umweltschutzvereinigungen dürfen gegen Verlängerungsentscheidungen im Immissionsschutzrecht klagen Umweltschutzvereinigungen sind befugt, immissionsschutzrechtliche Entscheidungen, mit denen die Frist zur Errichtung oder Inbetriebnahme einer Anlage verlängert wird, vor Gericht anzufechten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die klagende Umweltschutzvereinigung hat sich gegen die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage der Beigeladenen von 39 900 auf 173 200 Tierplätze gewandt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Genehmigung wegen fehlender FFH-Verträglichkeitsprüfung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Die Beigeladene bemüht sich gegenwärtig um die Nachholung dieser Prüfung. In dem Genehmigungsbescheid war eine Frist zur Inbetriebnahme der Anlage bis Anfang 2016 gesetzt worden. Diese Frist ist zweimal verlängert worden, zuletzt bis zum 31. Januar 2020. Gegen diese zweite Fristverlängerung wendet sich der Kläger im hiesigen Verfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg."" Die Klagebefugnis ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes. Diese Norm ist weit auszulegen, sodass sie soweit wie möglich in Einklang mit den Zielen der Aarhus-Konvention steht, die u.a. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet haben. Nach deren Art. 9 Abs. 3 ist Umweltschutzvereinigungen Zugang zu Gericht zu einzuräumen, um die Verletzung umweltschutzbezogener Vorschriften geltend machen zu können. Da die Voraussetzungen für die hier umstrittene Verlängerungsentscheidung nicht bloß formeller Natur sind, sondern hierbei überschlägig auch umweltschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten sind, wird diese von der genannten Klagemöglichkeit erfasst. Da das Oberverwaltungsgericht die Begründetheit der Klage noch nicht geprüft hat, war die Sache dorthin zurückzuverweisen. Fußnote: § 1 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz   ""Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen: […] 5. Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, […]""   Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention: ""Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit […] Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen."" BVerwG 7 C 28.18 - Urteil vom 19. Dezember 2019 Vorinstanzen: OVG Magdeburg, 2 L 11/16 - Urteil vom 08. Juni 2018 - VG Magdeburg, 2 A 214/13 MD - Urteil vom 25. November 2015 -","Urteil vom 19.12.2019 - BVerwG 7 C 28.18ECLI:DE:BVerwG:2019:191219U7C28.18.0 EN Anfechtung einer Verlängerungsentscheidung nach § 18 BImSchG Leitsätze: 1. Eine Umweltvereinigung kann eine Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG anfechten. 2. Ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung wegen unterbliebener FFH-Verträglichkeitsprüfung rechtswidrig, so schlägt dieser Rechtsmangel auf die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG durch. Rechtsquellen BImSchG § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 3 UmwRG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 5 UVPG § 2 Abs. 6 Aarhus-Konvention Art. 6 und 9 Abs. 2 und 3 Instanzenzug VG Magdeburg - 25.11.2015 - AZ: VG 2 A 214/13 MD OVG Magdeburg - 08.06.2018 - AZ: OVG 2 L 11/16 Zitiervorschlag BVerwG, Urteil vom 19.12.2019 - 7 C 28.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:191219U7C28.18.0] Urteil BVerwG 7 C 28.18 VG Magdeburg - 25.11.2015 - AZ: VG 2 A 214/13 MD OVG Magdeburg - 08.06.2018 - AZ: OVG 2 L 11/16 In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2019 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer, Dr. Günther und Dr. Löffelbein für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Juni 2018 wird aufgehoben, soweit darin die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen wird. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gründe I 1 Der Kläger wendet sich als anerkannte Umweltvereinigung gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die wesentliche Änderung der von der Beigeladenen betriebenen Hähnchenmastanlage. Die von der Beigeladenen beantragte Erweiterung der genehmigten Anlage von 39 990 Tierplätzen auf eine Kapazität von 173 200 Tierplätzen genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2013. Darin wurde unter anderem bestimmt, dass die Genehmigung erlischt, wenn die Anlage nicht bis zum 31. Januar 2016 in Betrieb genommen wird. 2 Das Verwaltungsgericht hob den Genehmigungsbescheid mit Urteil vom 25. November 2015 auf und führte zur Begründung aus, der Beklagte habe es rechtswidrig unterlassen, für das Vorhaben die vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Beigeladene bemüht sich gegenwärtig um Nachholung dieser Prüfung. 3 Am 22. Januar 2016 hat die Beigeladene die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens verlängerte der Beklagte die Frist für die Inbetriebnahme zunächst bis zum 31. Januar 2018 und mit Bescheid vom 4. Mai 2018 erneut bis zum 31. Januar 2020. 4 Der Kläger hat im Wege der Anschlussberufung beantragt, den Fristverlängerungsbescheid vom 4. Mai 2018 aufzuheben. 5 Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und festgestellt, dass der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 23. April 2013 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung sowie die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Soweit die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, hat es die Revision zugelassen. 6 Zur Anschlussberufung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage gegen den Verlängerungsbescheid sei mangels Klagebefugnis unzulässig. Die Verlängerung einer Frist gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG sei kein zulässiger Gegenstand einer Verbandsklage gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sei dieses Gesetz unter anderem anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG. Eine solche stelle der Verlängerungsbescheid nicht dar. 7 Die Klage sei auch nicht als Klage gegen die Unterlassung einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zulässig. Mit dieser Rechtsbehelfsmöglichkeit solle einem möglichen Formenmissbrauch begegnet werden. Ein solcher liege bei dem Erlass eines Verlängerungsbescheids nicht vor. Auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG vermittele keine Klagebefugnis. Sie sei nicht einschlägig, weil das maßgebliche Vorhaben bereits von Nummer 1 derselben Vorschrift erfasst werde. Eine Klagebefugnis ergebe sich schließlich auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Aarhus-Konvention. Der Verlängerungsbescheid sei keine Entscheidung, die in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift falle. 8 Die Revision gegen die Zurückweisung der Anschlussberufung begründet der Kläger wie folgt: Bei der Fristverlängerung handele es sich um eine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, weil kursorisch das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen sei. Es liege auch der Tatbestand des Unterlassens vor; die rechtswidrige Fristverlängerung erkläre das Vorhaben für rechtmäßig, obwohl hierfür eigentlich eine neue Genehmigung zu beantragen gewesen wäre. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention vor. 9 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. Juni 2018 aufzuheben, soweit es die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen hat, und den Bescheid des Landesverwaltungsamts vom 4. Mai 2018 aufzuheben. 10 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, die Revision zurückzuweisen. 11 Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beigeladene führt ergänzend aus, dem Kläger komme schon kein Rechtsschutzbedürfnis zu. Mit der Anfechtung der Verlängerungsentscheidung könne er sein eigentliches Ziel der Aufhebung des Genehmigungsbescheids nicht erreichen. Der Verlängerungsbescheid sei auch rechtmäßig ergangen. Durch die Verlängerung werde der Schutzzweck des § 1 BImSchG nicht gefährdet. Unschädlich sei es insoweit, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung unterblieben sei. Im Rahmen des § 18 Abs. 3 BImSchG sei gerade keine Vollprüfung durchzuführen; nach Durchführung des Ergänzungsverfahrens werde eine rechtmäßige Entscheidung vorliegen. II 12 Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 13 A. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen fehlt dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Umweltvereinigung im Sinne des § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - verfüge nicht über die Klagebefugnis, Verlängerungsentscheidungen gemäß § 18 Abs. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG - anzufechten, verstößt jedoch gegen Bundesrecht. Die Klagebefugnis ergibt sich zwar nicht aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Sie folgt aber aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. 14 1. Dem Kläger kommt ein Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf die Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG zu, obwohl sein eigentliches Ziel die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG ist. Dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht diese in seinem Urteil nicht aufgehoben, sondern in Anwendung des § 7 Abs. 5 UmwRG lediglich für rechtswidrig und nichtvollziehbar erklärt hat, existiert die Genehmigung weiter und bedarf der Verlängerung ihres Geltungszeitraums bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens und des Beginns der Errichtung der Anlage. Sollte die Anfechtung der Verlängerungsentscheidung zu deren Aufhebung führen, hätte das in Ermangelung einer rechtswirksamen Verlängerung das Erlöschen der Genehmigungsentscheidung zur Folge. Der Kläger hätte sein eigentliches Ziel damit erreicht. 15 2. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG liegen nicht vor. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen unter dort weiter aufgestellten Voraussetzungen einlegen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gehören hierzu Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG - über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. 16 a) Die Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG ist keine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG. Nach § 2 Abs. 6 UVPG sind Zulassungsentscheidungen in diesem Sinne nur Entscheidungen, durch die abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden wird. § 2 Abs. 6 UVPG nennt in seiner Nummer 1 die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Bei der Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG handelt es sich nicht um eine Entscheidung, die die Zulassung eines Vorhabens zum Gegenstand hat. Die Verlängerungsentscheidung modifiziert lediglich eine Nebenbestimmung der Zulassungsentscheidung, nämlich deren Befristung. 17 Die Verlängerungsentscheidung wird auch nicht dadurch zur Zulassungsentscheidung, dass sie - neben einem wichtigen Grund - voraussetzt, dass durch sie der Zweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht gefährdet wird. Um dies festzustellen, sind zwar kursorisch auch die Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen. Die Prüfung hat nicht in derselben Weise zu erfolgen wie die Prüfung des eigentlichen Genehmigungsantrags. Sie soll u.a. ermöglichen, das unveränderte Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen im Lichte zwischenzeitlicher Entwicklungen zu bewerten (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 4 C 7.16 - Buchholz 406.25 § 67 BImSchG Nr. 10 Rn. 23). Die Annahme einer Gefährdung des Gesetzeszwecks ist gerechtfertigt, wenn hinreichend objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Inbetriebnahme der Anlage der gebotene Standard an Gefahrenabwehr und Vorsorge zu Gunsten der in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter unterschritten würde (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 17). Gegenstand und Inhalt der Entscheidung bleiben jedoch auf die Verlängerung der Frist gerichtet. 18 Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom 28. September 2016 - 7 C 1.15 - (Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 21 Rn. 29), in welchem der Senat darauf abgestellt hatte, dass die dort streitgegenständliche nachträgliche Nebenbestimmung weder eine Zulassungswirkung noch wenigstens Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalte. Das lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass eine behördliche Entscheidung bereits dadurch zu einer Zulassungsentscheidung wird, dass die Voraussetzungen für deren Erlass teilidentisch mit denjenigen einer Zulassungsentscheidung sind. Maßgeblich ist nicht das Prüfprogramm, sondern der Inhalt der Entscheidung, der hier nicht auf die Zulassung eines Vorhabens, sondern auf die Verlängerung einer der bereits getroffenen Zulassungsentscheidung beigefügten Frist gerichtet ist. 19 b) Bei einer Verlängerungsentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG besteht auch keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, was eine weitere Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ist. Die Verlängerungsentscheidung ist nicht in der Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben (Anlage 1 zum UVPG) aufgeführt. 20 c) Schließlich ist eine Verbandsklagebefugnis des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) UmwRG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht die Klagebefugnis in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG nur dann, wenn der Kläger in dem Verfahren zur Beteiligung berechtigt war. Dabei ist es hier unerheblich, dass insoweit gegebenenfalls nur eine Beteiligungsberechtigung möglich erscheint. Denn jedenfalls muss objektiv ein tauglicher Gegenstand für eine Beteiligungsberechtigung gegeben sein (BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2013 - 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 8, vom 12. November 2014 - 4 C 34.13 - BVerwGE 150, 294 Rn. 10, vom 2. November 2017 - 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 18 und 26. September 2019 - 7 C 5.18 - juris Rn. 19). Ein solcher fehlt bei der Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG. Die Beteiligungsberechtigung kann sich allenfalls aus der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ergeben (§ 18 Abs. 1 UVPG). Diese besteht hier gerade nicht (vgl. oben, Rn. 19). 21 3. Entgegen der Annahme der Revision hat der Beklagte mit der Entscheidung über die Fristverlängerung auch nicht eine Entscheidung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG unterlassen. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG nennt die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen ein Unterlassen als zweite Alternative neben dem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Die Norm greift damit die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auf, nach der das Gesetz auch Anwendung findet, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG getroffen worden ist. Diese Norm setzt Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) um, welcher den Rechtsweg gegen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen gewährleistet. Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie dient seinerseits der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention (AK), was sich aus der 21. Begründungserwägung zur UVP-Richtlinie ergibt. Durch die Berücksichtigung des Unterlassens soll sichergestellt werden, dass eine Zulassung nicht in einem ""falschen"" Verfahren getroffen wird, das keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht und somit die zur Beteiligung Berechtigten um ihre Rechte bringt (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 128). 22 Eine (unterstellt) rechtswidrige Verlängerungsentscheidung umgeht nicht in diesem Sinne ein eigentlich vorgesehenes anderes Zulassungsverfahren. Die Verlängerungsentscheidung beschränkt sich - wie dargestellt - auf eine kursorische Prüfung und ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, die Frist, innerhalb derer die Errichtung oder der Betrieb der Anlage aufzunehmen ist, neu zu fassen. Der sich hierin erschöpfende Inhalt entspricht nicht einer unterlassenen Zulassungsentscheidung (a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. April 2016 - 11 S 23.15 - juris Rn. 31; Urteil vom 4. September 2019 - 11 B 24.16 - juris Rn. 30 ff.; Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 30). Insbesondere wird der Kläger hier nicht um die Möglichkeit der Beteiligung gebracht. Eine Beteiligung ist gesetzlich schon gar nicht vorgesehen (vgl. oben, Rn. 20). Im eigentlichen Zulassungsverfahren ist dem Kläger hingegen eine Beteiligung in vollem Umfang möglich gewesen und von diesem auch genutzt worden. 23 4. Die Verbandsklagebefugnis ergibt sich aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das Umweltrechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe u.a. gegen Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben zugelassen werden. 24 a) Bei der Verlängerungsentscheidung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2005 - 7 C 25.04 - BVerwGE 124, 156 <162 f.>; Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 18 BImSchG Rn. 38 m.w.N.). Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG wird hier auch nicht aus Gründen der Subsidiarität gegenüber Nummer 1 derselben Vorschrift ausgeschlossen. Zwar bezieht sich die Verlängerungsentscheidung auf eine immissionsschutzrechtliche Zulassungsentscheidung, welche § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unterfällt. Sie selbst - die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG - ist aber keine solche Zulassungsentscheidung (siehe oben, Rn. 16 ff.) und ist eigenständig anhand der Kriterien des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG zu bewerten. 25 b) Der Begriff des zugelassenen Vorhabens in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist - anders als in Nummer 1 derselben Vorschrift - nicht auf Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 UVPG begrenzt. Mit Blick auf die den mitgliedstaatlichen Gerichten obliegende Verpflichtung, das nationale Recht so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes auszulegen (EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - C-240/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​125], Slowakischer Braunbär - Rn. 50 und vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987], Protect - Rn. 45, 55; BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - Rn. 25), ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG in erweiternder Auslegung so zu verstehen, dass er auch Entscheidungen, die - wie die Verlängerungsentscheidungen nach § 18 Abs. 3 BImSchG - nur Elemente einer Zulassungsentscheidung enthalten, erfasst und für diese den Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes eröffnet. Dies wird dem Auffangcharakter der Norm gerecht, die durch das Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorhaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) mit dem Ziel eingefügt wurde, Art. 9 Abs. 3 AK vollständig umzusetzen. Dem waren entsprechende Beanstandungen durch Beschluss der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur Aarhus-Konvention vom 2. Juli 2014 vorangegangen (BT-Drs. 18/9526 S. 31 ff., 36). Während Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 AK sich allein auf bestimmte, in Anhang I zur Aarhus-Konvention aufgelistete Tätigkeiten bezieht, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben und die hier nicht von Bedeutung sind, erfasst Art. 9 Abs. 3 AK sonstige umweltrelevante Projekte, denen eine solche Wirkung nicht zukommt (vgl. Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge vom 12. Oktober 2017 - C-664/15 [ECLI:​EU:​C:​2017:​987] - Protect, Rn. 38 ff.). Diese Auffangfunktion von Art. 9 Abs. 3 AK spiegelt sich in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG wider. 26 c) Anders als von der Beigeladenen angenommen stellt Art. 9 Abs. 3 AK den Umfang des zu gewährenden Zugangs zu Gericht nicht in das Ermessen der Unterzeichnerstaaten. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Mitgliedstaaten können danach in gewissem, Effektivitätsgrenzen achtendem Umfang die Kriterien festlegen, die Mitglieder der Öffentlichkeit erfüllen müssen, um klageberechtigt zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2019 - 7 C 2.18 - juris Rn. 13). Sie können jedoch den Umfang der Klagebefugnis einer Vereinigung, die diese Kriterien erfüllt, nicht weiter einschränken (Epiney/Diezig/Pirker/Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Art. 9 Rn. 37, unter Verweis auf ACCC/C/2008/32 Part II Rn. 52). 27 d) Mit der Anknüpfung an den Zweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes enthält § 18 Abs. 3 BImSchG unmittelbar eine umweltbezogene Bestimmung im Sinne des Art. 9 Abs. 3 AK. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. 28 B. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG ist rechtswidrig. Bei der Entscheidung über die Fristverlängerung ist im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Zweckgefährdung kursorisch das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu überprüfen. Eine solche Gefährdung des Gesetzeszwecks liegt jedenfalls dann vor, wenn wie hier rechtskräftig feststeht, dass eine gesetzlich vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung unterblieben ist. Dieser Rechtsmangel der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung schlägt auf die Verlängerungsentscheidung durch. 29 C. Der Senat ist jedoch ungeachtet der Rechtswidrigkeit der Fristverlängerung daran gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden und den Verlängerungsbescheid aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dies folgt aus § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG. Danach führt eine Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b oder 5 UmwRG, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Das gilt auch für die Verlängerungsentscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG, welche § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG unterfällt (siehe oben, Rn. 25 ff.). § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG regelt die Folgen eines Rechtsverstoßes abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Kann in einem ergänzenden Verfahren ein Rechtsfehler behoben werden, so sieht das Gericht von der Aufhebung des Bescheids ab und stellt nur fest, dass dieser rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. Während dieses Schwebezustands besteht die Möglichkeit, den Fehler im ergänzenden Verfahren zu beheben. Eine solche Feststellung durch das Gericht hat wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils zur Voraussetzung, dass die Rechtsfehler des angefochtenen Bescheids auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung abschließend zu benennen sind (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - NVwZ 2018, 1734 Rn. 30 f.; Beschluss vom 13. Juni 2019 - 7 B 23.18 - NVwZ 2019, 1611 - Rn. 6). 30 Die durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit ermöglichte nachträgliche Heilung der Verletzung materieller Rechtsvorschriften kann nur dann erfolgen, wenn gerichtlich bereits festgestellt werden kann, dass alle übrigen Voraussetzungen für den Erlass des angefallenen Bescheids erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - NVwZ 2018, 1734 Rn. 30 f.). Eine solche Prüfung ist dem Senat jedoch nicht möglich. Das Berufungsgericht ist bereits von der Unzulässigkeit der Klage ausgegangen und hat entsprechend keine tatsächlichen Feststellungen bezüglich der Verlängerungsentscheidung getroffen, die eine Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit im Übrigen ermöglichten. Die Sache ist deswegen an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. 31 D. Das Oberverwaltungsgericht wird vor einer Sachentscheidung zu prüfen haben, ob es das Verfahren gemäß § 94 VwGO wegen Vorgreiflichkeit aussetzt. Dies wäre sowohl im Hinblick auf die Anhängigkeit eines ergänzenden Verfahrens zur Nachholung der FFH-Verträglichkeitsprüfung als auch im Hinblick auf ein sich möglicherweise daran anschließendes Gerichtsverfahren denkbar. Ohne eine solche Aussetzung hätte das Oberverwaltungsgericht die Verlängerungsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls in Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG deren Rechtswidrigkeit festzustellen, um so die Heilung in einem weiteren ergänzenden Verfahren zu ermöglichen."